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kalisiert werden können, indem sie nun von außen beobachtet werden

können.

2.1 Neuronale Verschaltungen und soziale Interaktionen


Wie bereits im ersten Kapitel erwähnt, sind für eine erfolgreiche Ent-
wicklung und effektive Funktionsweise des menschlichen Gehirns
nicht etwa die Anzahl der Neuronen von primärer Bedeutung, son-
dern viel wichtiger ist, wie dicht und vielfältig die Neuronen miteinan-
der vernetzt sind. Die Verbindungsstellen innerhalb der neuronalen
Netzwerke sind die synaptischen Glieder. Hier werden die Aktions-
potenziale ausgelöst, und durch die Ausschüttung chemischer Boten-
stoffe (Neurotransmitter) wird der synaptische Spalt überbrückt und
die Information an die nächste Zelle weitergeleitet.

Nachdem die Identifikation von Partnerzellen über molekulare Si-


gnale durch die Erkennungsmoleküle stattgefunden hat und deren
Übermittlung durch entsprechende chemische Botenstoffe geschehen
ist, werden diese Nervenimpulse anschließend in elektrische Signale
umgesetzt. Erst eine solche elektrische Aktivierung ermöglicht dem
Nervensystem einen schnellen Informationsaustausch zwischen den
Zellen. Diese Form der Kommunikation ist eine Grundvoraussetzung
dafür, dass die Nervenzellen mit kaum vorstellbarer Geschwindigkeit
auch über weite Strecken Informationen austauschen und miteinander
verrechnen können (vgl. Singer, 2002, S. 45).

Bereits am Ende des zweiten Schwangerschaftsmonats sind die Haupt-


abschnitte des Gehirns und die Augen bereits deutlich erkennbar. Ge-
gen Ende der Schwangerschaft sind die verschiedenen Sinnesorgane
und die entsprechenden Verschaltungen im Gehirn so weit gereift, dass
der Fötus erste sinnliche Wahrnehmungen machen kann. Er ist nun in
der Lage, Bewegungen der Mutter, musikalische Töne und Stimmen
von außen wahrzunehmen (vgl. Hüther, 2002, S. 72).

Zum Zeitpunkt der Geburt sind die Neuronen quantitativ fast alle vor-
handen. Die Gehirnmasse entspricht jedoch ungefähr zu einem Vier-
tel dem eines erwachsenen Menschen. Dies hängt damit zusammen,
dass die Nervenzellen zwar genetisch angelegt, aber vor allem im Be-
reich der Großhirnrinde noch nicht miteinander verschaltet sind. In
anderen Bereichen des Gehirns verfügt der Säugling dagegen über
mehr Verbindungen als überhaupt nötig. Diese werden dann in den
ersten Monaten nach der Geburt wieder abgebaut, wenn sie nicht be-

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nötigt werden. Es folgt nun ein ständiger Aufbau, Umbau und gegebe-
nenfalls wieder ein Abbau von neurologischen Verbindungen. Welche
Verbindungen letztlich beibehalten werden, hängt von den jeweiligen
Aktivitäten (Reizen) ab, die vermittelt werden. Die Ausbildung von
Dendriten und Synapsen, die für die Entstehung von komplexen und
differenzierten Netzwerken im neuralen System notwendig sind, sind
also von den Sinnesreizen abhängig, welche über die Sinnesorgane an
das Gehirn vermittelt und dort verarbeitet werden. Aus diesen Ergeb-
nissen schlussfolgern Hirnforscher, dass eine klare Trennung von ge-
netischen und durch die Umwelt erworbenen Faktoren nicht möglich
ist, da sie in einer untrennbaren Wechselwirkung miteinander koope-
rieren (vgl. Zimmer, 1995, S. 41; Singer, 2002, S. 47).

Richten wir unsere Aufmerksamkeit auf die Arbeit im sozialen Be-


reich, können wir diese Erkenntnisse aus der Gehirnforschung durch-
aus mit Theorien aus dem Bereich der Sozialisationsforschung, wie
beispielsweise dem Symbolischen Interaktionismus, vergleichen. Hier
geht man davon aus, dass das Individuum innerhalb des Kommunika-
tionsprozesses mit Verhaltenserwartungen anderer am Prozess beteili-
gter Menschen konfrontiert wird. Aufgrund der verschiedenen Erwar-
tungshaltungen wird nun eine Interpretation von Bedürfnissen und
Erwartungen notwendig. In dieser Interaktion wird der Einzelne aktiv
tätig, zum einen dadurch, dass Situation und Anforderungen beschrie-
ben werden, andererseits durch selbst entworfenes Handeln (vgl. Till-
mann, 1989, S. 134).

Dieses Lernen in der Interaktion entspricht der Funktionsweise des


neuronalen Lernens. Lernt das Individuum durch Reflexion und Be-
wusstmachung des eigenen Verhaltens sowie der Erwartungen der an-
deren neue Sichtweisen und Verhaltensmuster, wird dies zu Erweite-
rungen und somit auch zu Veränderungen der neuronalen Netzwerke
führen. Je besser die neuronale Vernetzung, umso größer ist auch die
Verhaltensvielfalt des Menschen. Somit können auch in problema-
tischen Situationen konstruktive Lösungsstrategien entwickelt werden.
Der Zusammenhang zwischen sozialen Interaktionen und neuronaler
Entwicklungen sowie deren Bedeutung für den Erwerb kommunika-
tiver und sozialer Kompetenzen wird in den folgenden Kapiteln aus-
führlicher behandelt.

Ein weiterer wesentlicher Aspekt, der sowohl die Größenzunahme


des Gehirns als auch die zelluläre Kommunikation betrifft, ist die

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