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Astronomie
der eine rätselhafte x-förmige Struktur blieb dagegen erhalten. Von ihm wurde
enthält. Dieses mit dem Weltraumteleskop nur ein Teil – knapp ein Sechstel seines
Hubble aufgenommene Detailbild zeigt Volumens – abgesprengt und als Trüm-
links als hellen Fleck den Überrest eines merwolke mit rund 370 000 Tonnen
der beiden kollidierten Kleinplaneten. Gesamtmasse ins All geschleudert.
Indem die Forscher analysierten, wie nicht so gut erkennbar. Kleinere Fern- Dieses Foto des Objekts P/2010 A2 hat das
stark der Lichtdruck der Sonnenstrah- rohre auf Satelliten, die sich weiter ent- Kamerasystem OSIRIS der europäischen
lung die Bahnen der Trümmerstücke fernt im All aufhalten, können deshalb Raumsonde Rosetta im März 2010 aufge
im sichtbaren Schweif beeinflusst hat, Informationen liefern, die Hubble ent- nommen.
konnten sie die Größe der Körner er- gehen. Das gilt etwa für die europäische
mitteln. Diese bestehen demnach aus Sonde Rosetta, die seit sechs Jahren
Partikeln zwischen einem Millimeter zum Kometen Tschurjumow-Gerasi- tet dagegen auf die Entstehung durch
und zweieinhalb Zentimeter Durch- menko unterwegs ist. Im vergangenen ein einzelnes, kurzzeitiges Ereignis
messer. Die kleineren Körner bewegen Frühjahr befand sie sich bereits weit hin.« Die MPS-Forscher sehen deshalb
sich am schnellsten und haben sich jenseits der Umlaufbahn des Mars. Da in dem Objekt – ebenso wie ihre UCLA-
deshalb am weitesten vom Kollisions- ihre Bahnebene zudem um zehn Grad Kollegen – die Trümmerwolke eines Zu-
zentrum entfernt. Größere Brocken gegen diejenige von P/2010 A2 geneigt sammenpralls, den sie sogar präziser
dürften noch in der Nähe des Haupt- ist, bot sich der Raumsonde ein günsti- eingrenzen können, als das mit den
fragments umherschwirren; einzelne gerer Blickwinkel als dem Weltraumte- Hubble-Daten möglich ist. Demnach
von ihnen sind auf den Hubble-Fotos leskop. Das machten sich Snodgrass fand die Kollision am 10. Februar 2009
erkennbar. und seine Kollegen zu Nutze. statt – plus/minus fünf Tage.
Rosettas Osiris-Kamera, von neun Obwohl heute der Asteroidengürtel
Kometensonde europäischen Forschungseinrichtun- erheblich leerer ist als in der Frühzeit
mit besserem Blickwinkel gen unter deutscher Leitung entwickelt, des Sonnensystems, scheinen also im-
Innerhalb des Staubs lassen sich faser- hat außer einem Weitwinkel- auch ein mer noch Kollisionen vorzukommen.
artige Strukturen ausmachen, und an Teleobjektiv. Dieses ist mit 72 Zentime- Der Zusammenstoß der beiden Klein-
der Schweifspitze erscheint ein seltsa- ter Brennweite und neun Zentimeter planeten war der erste, den Astrono-
mes x-förmiges Muster. Über die Ursa- Öffnung etwa so leistungsfähig wie ein men zeitnah beobachten konnten.
che dieser Verdichtungen rätseln die kleineres Amateurfernrohr. Die Osiris- P/2010 A2 liegt an der Nachweis
Forscher noch. Fotos und weitere Aufnahmen von der grenze der robotischen Telekope, die
Im kommenden Sommer sollen die Erde aus erlaubten, die dreidimensio- routinemäßig den Himmel nach Aste-
Beobachtungen mit Hubble fortgesetzt nale Gestalt von P/2010 A2 zu ermitteln. roiden durchmustern. Da künftig meh-
werden, das dank seiner hohen Auflö- Demnach ist dessen Form untypisch rere empfindlichere Instrumente in Be-
sung den detailliertesten Blick auf das für den Schweif eines Kometen. trieb gehen sollen, ist zu erwarten, dass
Objekt bietet. Das Weltraumteleskop »Da diese Himmelskörper quasi kon- ähnliche Funde alltäglicher werden.
hat jedoch ein Handikap: Da die Bahn tinuierlich Gas und Staub ausstoßen, Insbesondere das Large Synoptic Sur-
ebenen von Erde und P/2010 A2 fast zu- hat ihr Schweif normalerweise eine auf- vey Telescope, das zum Ende des Jahr-
sammenfallen, sind die Form und Län- gefächerte Form«, so Snodgrass. »Der zehnts in Chile seine Arbeit aufnehmen
ge des Schweifs aus seinem Blickwinkel geradlinige Schweif von P/2010 2A deu- und einmal pro Woche den kompletten
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Südhimmel fotografieren soll, dürfte gerissen worden sein, weil er zu schnell beschleunigt. Aus lockerem Material
große Fortschritte bringen. rotierte. bestehende Körper können der wach-
Nicht alle Wissenschaftler sind aller- Dies ist theoretisch jedenfalls mög- senden Zentrifugalkraft auf Dauer
dings von dem Crash-Szenario bei lich. Wenn unregelmäßig geformte As- nicht widerstehen. Und so werden Teile
P/2010 2A überzeugt. So hält Alan Har- teroiden Sonnenlicht absorbieren, wer- von ihnen ins All geschleudert. »Dieser
ris vom Deutschen Zentrum für Luft- den sie lokal erwärmt. Die erhitzte Stel- Effekt gilt auch als Erklärung für Aste-
und Raumfahrt (DLR) in Berlin auch le sendet dann Infrarotstrahlung aus, roiden mit einem sie umkreisenden
eine andere Entstehung des Schweifs während das Objekt sich weiterdreht. Mond«, erläutert Harris.
für vereinbar mit den vorliegenden Da- Daraus resultiert unter Umständen ein
ten: Der Mutterkörper könnte von der dauerhafter Rückstoß, durch den sich Thorsten Dambeck ist promovierter Physiker
eigenen Zentrifugalkraft auseinander- die Rotation um die eigene Achse stetig und als Wissenschaftsautor in Heidelberg tätig.
neurowissenschaft
Müde Hörschnecke
Eine bislang rätselhafte Form erblicher Schwerhörigkeit können Wissenschaftler nun erklären:
Die Übertragung der Schallsignale von der Cochlea an den Hörnerv ist gestört, weil der Nachschub
an den nötigen Botenstoffen stockt.
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optik
Nature graphic
ken oder schwächen sie sich gegensei-
tig, je nachdem wie groß der Phasen
unterschied zwischen ihnen ist. Wenn
einfarbige Laserstrahlung eine Linse Schematischer Versuchsaufbau: Ein Laser beleuchtet einen räumlichen Lichtmodulator
oder ein streuendes Medium durch- (SLM, nach englisch spatial light modulator), der dem Lichtbündel ähnlich wie ein Dia in
läuft, bildet sich dadurch ein Interfe- einem Projektor ein Muster aufprägt – hier eine Blüte. Das Licht durchläuft eine Schicht
renzmuster, das Rückschlüsse auf die aus streuendem Material (Zinkoxid) und trifft auf eine Digitalkamera. Aus dem empfan
ursprünglichen Phaseninformationen genen Rauschen lässt sich mit Hilfe der zuvor ermittelten Transmissionsmatrix das
erlaubt. Mit einer normalen weißen Originalbild rekonstruieren.
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Haushalt zum Beispiel als Bleich- oder identifizierten wir das Enzym NOX4,
Desinfektionsmittel verwendet wird. das zur Familie der NADPH-Oxidasen
Die Hypothese, dass freie Radikale gehört (PLoS Biology 8, S. 9). Deren ein-
an der Entstehung und Ausbreitung zige Aufgabe besteht darin, reaktive
Kirstin Wingler, Christoph Kleinschnitz und Harald Schmidt
K ürzlich sah ich mir auf DVD den »Glöckner von Notre-Dame« in der Hollywood-
verfilmung von 1939 an und war schon vom Beginn angetan. Da begutachtet der
französische König zusammen mit dem Dompropst Frollo neugierig eine der ersten
Buchpressen. Ludwig XI. gibt sich – zumindest in diesem Film – als allem Modernen
aufgeschlossener Monarch und lobt das neue Medium des Buchdrucks als Vehikel
für Aufklärung und Volksbildung. Der Kirchenmann hingegen wittert im Verlust des
Mäuse, bei denen das NOX4-Gen ausge klerikalen Meinungsmonopols sofort die Gefahr von Aufruhr und Ketzerei.
schaltet wurde, erleiden bei einem Schlag Die Debatte um Wohl und Wehe des Internets, angeheizt durch Veröffentli-
anfall deutlich geringere Hirnschäden chungen unzähliger Geheimdokumente auf der Plattform Wikileaks, baut ähnliche
(links) als normale Artgenossen (rechts). Die Fronten auf. Die Befürworter begrüßen einen ungeahnten Zuwachs an Informa
abgestorbenen Areale (weiß in den oberen tionsfreiheit und bürgerlicher Mündigkeit, während Kritiker vor der riskanten Stö-
Aufnahmen) sind kleiner und die Läsionen rung heikler diplomatischer Beziehungen durch Geheimnisverrat warnen.
der Blut-Hirn-Schranke (blau angefärbt in Beunruhigend fand ich als Kreditkartenbesitzer, wie schnell Mastercard und
den unteren Fotos) weniger ausgeprägt. Visa bereit waren, offenbar dem Druck von Regierungen gehorchend, Wikileaks
vom Zahlungsverkehr auszusperren und damit in seiner auf Spenden angewiese
nen Existenz zu bedrohen. So etwas läuft nach meiner Sicht auf indirekte – ökono-
nutzbar zu machen. Mittelfristiges Ziel misch gehebelte – staatliche Zensur hinaus.
sind geeignete NOX4-Hemmstoffe, um
akute Schlaganfälle zu behandeln. Da- Doch so eindeutig sind Gut und Böse im Dreieck Bürger – Staat – Internet nicht ver-
bei muss die in unseren Experimenten teilt. Nur auf den ersten Blick steht der Einzelne, der sein Recht auf uneinge-
eingesetzte Substanz so verändert wer- schränkte Information beansprucht, im Bund mit einem möglichst freien Internet,
den, dass sie sich beim Menschen ge- während der Staat das neue Medium angeblich bloß reglementieren will. Zu einer
fahrlos anwenden lässt. Zudem sind anderen Einschätzung kommt der Rechtswissenschaftler Tim Wu von der New Yor-
ausführliche Sicherheitsstudien und ker Columbia University in seinem Buch »The Master Switch: The Rise and Fall of
eine Bestätigung der Ergebnisse in an- Information Empires«. Wu untersucht die Geschichte der Medien Radio, Tonträger,
deren Tiermodellen nötig. Deshalb wird Film, Fernsehen und Internet in den USA und demonstriert an zahlreichen Beispie-
es noch einige Zeit dauern, bis ein sol- len ein wiederkehrendes Muster: Die jeweils neueste Technik macht Firmen reich,
ches Medikament zugelassen ist und die mit ihrer wirtschaftlichen Macht ein Monopol darauf durchsetzen. Erst die Ein-
medizinisch eingesetzt werden kann. führung der nächsten »neuen« Medientechnik bricht die ökonomische Alleinherr-
Wahrscheinlich lässt sich das allge- schaft.
meine Prinzip, gezielt die krankheitsre- Im Licht von Wus Befund muss ich mein Dreieck zu einem Quadrat erweitern,
levanten Quellen von oxidativem Stress mit mächtigen Medienkonzernen als viertem Pol. Aktuelle Beispiele wären Google
auszuschalten, auch auf andere Erkran- und Apple. Jeder von beiden schickt sich auf seine Weise an, ein geschlossenes
kungen anwenden, bei denen reaktive System zu organisieren, das sich krakengleich über das Internet ausbreitet, um es
Sauerstoffverbindungen eine Rolle möglichst umfassend zu vereinnahmen. Der Grund ist nicht etwa, dass die zwei
spielen – etwa Herzinfarkte und das Alz Möchtegern-Monopolisten »böse« wären – sie sind nur einfach auf expansives
heimer- oder Parkinsonsyndrom. Die Wirtschaften programmiert.
Bedeutung unserer Ergebnisse reicht Im Viereck Bürger – Staat – Internet – Wirtschaft kommt darum dem Staat laut
also über den Schlaganfall hinaus. Wu eine durchaus positive Rolle zu: Er soll verhindern, dass das neue Medium von
Konzernen vereinnahmt wird. So könnte etwa eine Kartellbehörde ihr Augenmerk
Kirstin Wingler ist promovierte Ernährungs speziell auf geballte Medienmacht im Internet richten.
wissenschaftlerin. Sie forscht in der Abteilung Übrigens: Wissen Sie, warum »Der Glöckner von Notre-
für Pharmakologie der Universität Maastricht Dame« in Hollywood gedreht wurde? Auch darüber gibt Wus
(Niederlande) und beim Cardiovascular Re- Buch Auskunft. Die Firma des Erfinders Thomas Edison kon-
search Institute Maastricht (CARIM). Christoph trollierte Anfang des 20. Jahrhunderts mit ihren Patenten die
Kleinschnitz ist habilitierter Oberarzt und Leiter gesamte Filmtechnik. Unter anderem diktierte sie, dass ein
der Schlaganfallstation an der Neurologischen Kinofilm nur wenige Minuten lang sein dürfe, um die Auf-
Universitätsklinik Würzburg. Harald Schmidt merksamkeit des Publikums nicht zu ermüden. Vor solchen
leitet die Abteilung für Pharmakologie der Vorschriften flohen die ersten Filmstudios von der Ostküste
Michael Springer
Universität Maastricht und ist Professor für nach Kalifornien – und gründeten Hollywood.
Pharmakologie am CARIM.
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