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UNIVERSITATEA SPIRU HARET

GEORGE GUŢU (coordonator)


PIERETTE FOTIADIS
DANIELA IONESCU
MIHAI DRAGANOVICI

ISTORIA LITERATURII GERMANE


GESCHICHTE DER DEUTSCHEN
LITERATUR
Antologie de texte literare
Vol. 1: Literatura germană veche (750-1500)
Anthologie literarischer Texte
Bd. 1: Ältere deutsche Literatur (750-1500)

Editura Fundaţiei România de Mâine


Bucureşti, 2002
Seria de ANTOLOGII DE TEXTE GERMANE
este editată de
Colectivul de limba şi literatura germană
din Facultatea de Limbi şi Literaturi Străine
a Universităţii Spiru Haret din Bucureşti
sub conducerea prof. univ. dr. George Guţu

Referenţii vol. 1:
Conf. univ. dr. Ioana Crăciun-Fischer
Lect. univ. drd. Anca Rădulescu
Asist. univ. drd. Hans Neumann

© Editura Fundaţiei România de Mâine, 2002


ISBN 973-582-468-X
Band I:

Ältere deutsche Literatur


(750-1500)
DAS HOCHMITTELALTER
(1170-1270)

Zum Begriff „höfisch“


Heldenlieder führen den Unterschied zwischen Helden und
normalen Sterblichen ein, sie preisen die starke Führung in Zeiten der
Not und Gefahr, in denen nur Helden bestehen können. Denn Held ist,
wer dem harten Schicksal nicht ausweicht und es auf sich nimmt – so
im HILDEBRANDSLIED.
Neben der späteren christlichen Literatur der Marienlyrik, die
volkstümliche Frömmigkeit und eine erweiterte religiöse Symbolik in
Verehrung der Gestalt Marias kennzeichneten, fand im 12.
Jahrhundert die sogenannte vorhöfische Dichtung Verbreitung, die
weltliche Abenteuer und ritterliches Leben darstellte. Nicht mehr
allein Frömmigkeit und Weltabkehr standen im Vordergrund, sondern
man versuchte Gott und Welt in Einklang zu bringen. Auch antike
(Alexanderlied des PFAFFEN LAMPRECHT, 1120-1150) oder
französische Stoffe (ROLANDSLIED, 1170) sowie verweltlichte
Legendendichtung prägen die Vielfalt der literarischen Produktion
dieser Zeit.
In dieser Epoche entsteht allerdings ein neuer Begriff, der die
immer deutlichere Verlagerung des Geschehens aus dem Bereich von
Klöstern und Kirchen in die weltlichen Höfe bezeichnet. Er galt als
Entsprechung zum französischen courtois, und zwar als das
mittelhochdeutsche hövisch. Darunter verstand man alle weltlichen
Vorstellungen und Lebensweisen, die dem ritterlichen Leben Glanz
und Farbe verliehen. Dadurch begann man zwischen dieser Art Leben
und dem grauen Dorfleben zu unterscheiden.
Das soll jedoch keinesfalls bedeuten, daß dabei die reale
Wirklichkeit beschrieben werden sollte, sondern nur das in der

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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

mittelhochdeutschen Dichtung durch Schönheit und Vollkommenheit


charakterisierte Ritterdasein, also eine ästhetische Existenz.
Das Höfische kann man aber nicht ohne die Tugenden, die ein
Ritter besitzen muß, verstehen. Zu diesen Tugenden gehörten
insbesondere: hohe muot (seelisches *Hochgestimmtsein), maze
(*Maß-haltenkönnen), zuht (Erziehung und *Selbstzucht), ere (Ehre),
triuwe (Treue), staete (Beständigkeit), milte (Milde), minne (Minne,
Liebe).

Wohl schöpften die Ritter aus der religiösen Stimmung der


Kreuzzüge ihre höchsten Ideale und die geistlichen Ritterorden,
Templer, Johanniter (später Malteser genannt), der Deutsche Orden
stellten sich sogar gänzlich in den Dienst des Glaubens. Jedoch von

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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

den *Mauren kam allerlei Prunk und die Pflege zierlicher Sitten,
insbesondere der gesteigerte Kultus der Frau.

Die höfische Epik und Lyrik: – DAS NIBELUNGENLIED


– WOLFRAM VON ESCHENBACH: PARZIVAL
– GOTTFRIED VON STRASSBURG: TRISTAN

Die Erfahrungen der Kreuzzüge, die Stadtgründungen und das


sich entwickelnde städtische Bürgertum, die unglaubliche Ausbreitung
von Bildung und Wissenschaften führten zur Entstehung neuer
gesellschaftlicher Strukturen und zu einem neuen Selbstbewußtsein
des Menschen, wobei das Rittertum zum Träger dieser neuartigen
höfischen Kultur wurde. Der Krieg und seine Tücken gerieten aus
vielfältiger Sicht in den Mittelpunkt narrativer Darstellungen.

DAS NIBELUNGENLIED
Das Werk ist vermutlich Ende des 12. Jh. entstanden, im Kreise
des Bischofs WOLFGER VON PASSAU, der als Literaturmäzen und
Auftraggeber bekannt war. Das Lied ist eines der reichhaltigsten in der
deutschen Literatur: es wurde in 35 Handschriften überliefert, von
denen 11 den vollständigen Text enthalten. Keine kann jedoch als
Original betrachtet werden; es gibt aber drei Handschriften, die als die
wichtigsten angesehen werden können: A – die Hohenems-Münchener
Handschrift (Ende des 13. Jh.), B – die St. Gallener Handschrift (Mitte
des 13. Jh.), C – die Donaueschinger Handschrift (vor 1220). Alle
Handschriften liegen zeitlich in der Nähe der originalen Fassung, so
daß das Entstehungsdatum um 1200 angenommen wird.
Das NIBELUNGENLIED ist mit seinen 2400 Strophen eine der
umfangreichsten Heldendichtungen dieser Zeit, die in 39 aventiuren
unterteilt ist.
Der Stoff geht auf mehrere Sagenkreise zurück:
• die norwegische „Thidreksaga“ (Dietrichsage)
• die isländische „Edda“, die ältere Versionen enthält
• die burgundischen Sagen
• die fränkischen Sagen
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)
• die gotischen Sagen
• die hunnischen Sagen.
Der Inhalt dieser Sagen ist schnell erzählt: Im 5. Jh. kamen die
Burgunden an den Rhein, eroberten Worms und gründeten das
Burgundenreich. Der Einfall der Hunnen in Westeuropa und damit in
das Burgundenreich brachte in der entscheidenden Schlacht den König
Gundahasi und seine ganze Sippe zu Fall. Eine burgundische
Prinzessin hatte einen jungen Franken geheiratet, der jedoch bald
darauf starb. Zwischen zwei germanischen Fürstentümern entfachte
sich ein Königinnenstreit, der jahrelang gedauert hat und dem viele
Menschen zum Opfer gefallen sind. Ätzel, der Hunnenkönig, heiratete
ein junges germanisches Mädchen, doch starb er in der
Hochzeitsnacht. Griechische Geschichtsschreiber vermuten, daß er
durch Hildeko gewaltsam umgebracht wurde.
ss
Uns ist in alten maeren wunders vil geseit
von helden lobebaeren, von grozer arebeit,
von freuden hochgeziten von weinen und von klagen,
von küener recken striten muget ir nu wunder hoeren sagen.
(Str.1)

[Uns ist in alten Geschichten viel Wunderbares berichtet/


von hochberühmten Helden, von grosser Mühsal,
von Freuden, von Festen, von Weinen und von Klagen;
von den Kämpfen kühner Helden könnt ihr nun wunderbares erzählen
/können.]

Nach dieser einleitenden Strophe wird die Lage am Wormser Hof


kurz geschildert: dort wächst Kriemhild auf, die Schwester der drei
Könige Gunther, Gernot und Giselher. Auch deren Gefolgsleute
werden genannt, vor allen aber Hagen von Tronje. Mit ihrer Schönheit
und Tugend zieht sie viele Prinzen aus der ganzen Welt an. Eines
Nachts aber hat sie einen beunruhigenden Traum, der auf das
kommende Unheil hin deutet:

In disen hohen eren troumte Kriemhilde


wie si züge einen valken, starc, scoene und wilde,
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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

den ir zwene arn erkrummen. daz si daz muoste sehen!


Ir enkunde in dirre werlde Ieider nimmer geschehen.
Den troum si do sagete ir muoter Uoten,
sine kundes niht bescheiden baz der guoten:
"den valken den du ziuhest, daz ist ein edel man.
in enwelle got behüeten, du muost in schiere verloren han.
(Str. 13 f.)

[In diesen hohen Ehren träumte Kriemhild,


wie sie einen Falken grosszöge, stark, schön und wild,
den ihr zwei Adler zerfleischten; dass sie das ansehen musste;
ihr konnte auf der Welt nichts Schlimmeres geschehn.
Den Traum erzählte sie ihrer Mutter Ute.
Die konnte der guten ihn nicht besser auslegen:
"Der Falke, den du grossziehst, das ist ein edler Mann.
Den wolle Gott behüten; du musst ihn bald verlieren."]

Der eigentliche erste Teil beginnt mit der nächsten aventiure, wo


der niederländische Königssohn Siegfried als ein schöner und kühner
Ritter dargestellt wird. Er kommt nach Worms, *um um Kriemhilds
Hand zu werben, die er zu seiner Frau machen möchte. Die Könige
erkennen ihn nicht, nur Hagen erzählt ihnen, wie Siegfried den
Nibelungenhort erwarb, wie er seine Kräfte bekommen hat und wie er
die Tarnkappe des Zwerges Alberich, die unsichtbar macht, erwarb. Er
möchte für seine zukünftige Braut kämpfen, wie es sich ziemt, aber er
wird bis zum Schluß besänftigt und davon überzeugt, Kriemhild durch
freiwilligen Dienst zu gewinnen.
Siegfried bleibt ein Jahr in Worms, doch sieht er Kriemhild nicht.
Sie aber sieht ihn einmal, als sie am Fenster stand. Dann bricht aber
ein Krieg mit den Sachsen aus und die beiden treffen sich erst dann
wieder, als Siegfried Kriemhild zum ersten Mal vorgestellt wird.

Der herre in sinem muote was des vil gerneit.


do truoc er ime herzen liep ane leit,
daz er sehen solde der schoenen Uoten kint.
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

mit minneclichen tugenden si gruozte Sivriden sint.

Do si den hochgemuoten vor ir stende sach,


do erzunde sich, sin varwe diu schoene maget sprach:
“Sit willekomen, her Sivrit ein edet ritter guot!"
do wart irn von dem gruoze vil wol gehoehet der muot.

Er neic ir flizecliche; bi der hende si in vie.


wie rehte minnecliche er bi der frouwen gie!
mit lieben ougen blicken ein ander sahen an
der herre und ouch diu frouwe: daz wart vil tougenlich getan.

Wart iht da friuntliche getwungen wiziu hant


von herzen lieber minne? daz ist mir niht bekant.
doch enkan ich niht gelouben , daz ez wurde lan.
si het im holden willen kunt vit schiere getan.

Bi der sumerzite und gein des meien tagen


dorfte er in sime herzen nimmer me getragen
so vil der hohen freude denne er da gewan,
do im diu gie enhende, die er ze trute wolde han.

Do gedahte manec recke- "hei waere mir sam.geschehen,


daz ich ir gienge enebene, sam ich in han gesehen,
oder bi ze ligene! daz lieze ich ane haz."
ez gediente noch nie recke nach einer küneginne baz.

Von swelher kiinege lande die geste komen dar,


die namen al geliche niwan ir zweier war.
ir wart erloubet kiissen den waetlichen man.
im wart in dirre werlde nie so liebe getan.

Do si kom uz dem rnünster sam er het e getan,
man bat den degen küenen wider zuo zir gan.
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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

alrest begunde irn danken diu minnecliche meit,


daz er vor ir magen so rehte herlichen streit.
"Nu lone iu got, her Sivrit", sprach daz vil schoene kint,
"daz ir daz habt verdienet, daz.iu die recken sint
so holt mit rehten triuwen als ich si hoere jehen."
Do begunde er minnecliche an froun Kriemhilden sehen.

"Ich sol in immer dienen", also sprach der degen,


"und enwil min houbet nimmer e gelegen,
ich enwerbe nach ir willen, sol ich min leben han.
Daz ist nach iuwern hulden, min frou Kriemhilt, getan."

[Da war der Herr sehr froh, ja er trug im Herzen ungetrübte Freude,
dass er sehen sollte das Kind der schönen Frau Ute.
Mit minniglichem Anstand grüsste sie dann Siegfried.
Da sie den Hochgesinnten vor sich stehen sah,

entzündete sich seine Farbe;


das schöne Mädchen sprach:
"Seid wilkommen Herr Siegfried, ihr so edler Ritter."
Da wurde ihm von dem Gruss sehr wohl der Mut erhoben.

Er verneigte sich vor ihr vollendet, bei den Händen nahm sie ihn;
wie so liebenswert ging er neben der Herrin!
Mit verliebten Blicken sahen einander an
der Herr und auch die Frau; doch das geschah nur heimlich.

Ob ihr da etwa zärtlich die weiße Hand gedriickt wurde


aus herzlicher Liebe, das ist mir unbekannt.
Doch vermag ich nicht zu glauben, daß es unterlassen worden wäre:
sie hat ihm ihr liebendes Gefühl sehr rasch kundgetan.

Weder im Sommer noch in den Tagen des Mai


konnte er in seinem Herzen
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

kaum mehr Glück empfinden als das, was er von ihr da empfing,
als die Hand in Hand mit ihm ging, die er zur Gemahlin begehrte.
Da dachte mancher Held: "Ja, wenn mir so geschehe,
daß ich neben ihr gehen dürfte, wie ich ihn gesehen habe!
Oder gar bei ihr zu liegen! das nehme ich schon gerne hin."
Es diente noch nie ein Recke beßer um eine Königin! ...

Als sie aus der Kirche kam, wie er schon vorher getan hatte,
bat man den kühnen Helden, wieder zu ihr zu gehen.
Jetzt erst begann ihm zu danken das wunderschöne Mädchen,
daß er für ihre Verwandten so herrlich gekämpft hatte.

"Nun lohne Euch Gott, Herr Siegfried" sprach das schöne Mädchen,
daß ihr das verdient habt, daß Euch alle die Helden zugetan sein müssen,
wie man mir erzählt hat."
Da begann er liebevoll die Herrin Kriemhild anzusehen:

"Ich werde ihnen immer dienen", so sprach der Held


"und ich will mein Haupt nimmer zur Ruhe betten,
wenn ich nicht ihre Wünsche erfüllt habe, solange ich lebe!
Dies geschieht, Frau Kriemhild, um Eurer Gunst willen."]

Als Gunther um die kriegerische, mit Männerkraft begnadigte


*Walküre Brünhild werben will, verspricht ihm Siegfried Hilfe, denn
sie mußte im Speerwurf, Steinstoßen und Weitsprung besiegt werden.
Als sie Isenstein erreichen, täuscht Siegfried vor, er sei Gunthers
Dienstmann. Brünhild hält ihn also für seinen Leibeigenen. Doch mit
seiner Hilfe gelingt es, sie zu erobern und in allen Proben zu besiegen.
Nach der Rückkehr nach Worms heiraten beide Paare, obwohl
Brünhild sehr darüber staunt, daß die Schwester des Königs einen
Leibeigenen heiratet. Wie geplant läuft alles bis zur Hochzeitsnacht,
als Gunther seiner männlichen Pflicht nicht nachkommen kann und
von Brünhild an einen Nagel gehängt wird. Wieder ruft er Siegfried zu
Hilfe, der durch seine Tarnkappe und durch seine magischen Kräfte
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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

den Ring und den Gürtel Brünhilds entwendet, in denen ihre Kraft und
damit auch ihre Jungfräulichkeit lagen. Sie konnte nicht bemerken,
daß es sich dabei nicht um ihren Ehemann handelte.
Nach diesem unglücklichen Ereignis ziehen Siegfried und
Kriemhild zurück in die Niederlande, wo sie ein durchaus glückliches
Leben führen. Das Glück hält jedoch zehn Jahre an, da sie von
Gunther – auf Anregung seiner Frau, die nicht wußte, ob beide ihr
untergeordnet waren oder nicht – nach Worms eingeladen werden.
Nach einem Gespräch beider Frauen, in dem sie sich über die
Leibeigenschaft Siegfrieds unterhalten, erfährt Brünhild auf einer
Sonntagsmesse die ganze Wahrheit, was zum Ausbruch des Konflikts
führt.

Do sprach diu frouwe Kriemhilt: "so tiuwer ist wol min man,
Daz ich in ane schulde niht gelobet han.
An vil manegen dingen so ist sin ere groz.
Geloubestu des, Prünhilt, er ist wol Gunters genoz."

"Jane solt du mirz, Kriemhilt, ze arge niht verstan,


wande ich ane schulde die rede niht han getan.
Ich horte si jehen beide, do ich si aller erste sach,
Und da des küneges wille an minem libe geschah,

Unt da er mine minne so ritterlich gewan,


Do jach des selbe sifrit, er waere des küneges man.
Des han ich in für eigen, sit ich es horte jehen."
Do sprach die schoene Kriemhilt: "so waere mir übele geschehen!

Wie heten so geworben die edelene bruoder min,


Daz ich eigen mannes wine solde sin?
Des wil ich dich, Prünhilt, vil friuntliche biten
Daz du die rede lazest durch mich mit guetlichen siten."

"Ine mac ir niht gelazen", sprach des küneges wip.


"zwiu solde ich verkiesen so maneges ritters lip,
der uns mit dem degene dienstlich ist undertan?
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Kriemhilt diu vil schoene vil sere zürnen began.


(Str. 819-823)
[Da antwortete ihr Kriemhild: -So vornehm ist mein Mann,
daß ich ihn ohne Grund nicht so gerühmt habe.
In so vielen Bereichen ist seine Ehre sehr groß!
Glaube mir, Brünhild, er ist Gunthers Gefährte (ebenbürtig).

"Ja, aber das sollst du mir, Kriemhild, nicht verargen,


habe ich doch nicht ohne Grund so gesprochen.
Ich hörte sie es beide sagen, als ich sie zum ersten Male sah,
und des Königs Wille meine Kräfte überwand,

Und er meine Liebe so ritterlich erkämpfte;


da sagte Siegfried selbst, er wäre des Königs Mann;
deshalb halte ich ihn für leibeigen, seit ich es sagen hörte.-
Da sprach die Herrin Kriemhild: "Da hätte man sich ja schwer an mir
/versündigt!

Wie hätten so unmöglich werben können meine edlen Brüder,


daß ich die Gattin eines Leibeigenen werden sollte?
Da muß ich dich doch, Brünhild, sehr freundlich bitten,
daß du solche Verläumdungen um meinetwillen mit Anstand unterläßt!"
"Ich kann sie aber nicht lassen", sprach des Königs Weib,
"Wieso sollte ich so viele Recken aufgeben,
die uns, mit ihrem König dienstpflichtig untertan sind?"
Da wurde die schöne Kriemhild außerordentlich zornig.]

Zesamene si do komen vor dem münster wit.


ez tet diu husfrouwe durch einen grozen nit,
si hiez vil übelliche Kriemhilde stille stan:
“ja sol vor küneges wibe niht eigen diu gegan.“

Do sprach diu schoene Kriemhilt (zornec was ir muot):

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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

“kundestu noch geswigen, daz waere dir guot.


du hast geschendet selbe dinen schoenen lip:
wie möhte mannes kebse immer werden küneges wip ?“
“Wen hastu hie verkebset?“ sprach do des küneges wip.
“daz tuon ich dich“, sprach Kriemhilt, “den dinen schoenen lip
den minete erste Sifrit, der min vil lieber man.
jane was ez niht min bruoder, der dir den magetuom an gewan.

War komen dine sine ? ez was ein arger list !


zwiu lieze du in minnen, sit er din eigen ist ?
“ich hoere dich“, sprach Kriemhilt, “ane alle schulde klagen.“
“entriuwen!“ sprach do Prünhilt, “daz wil ich Gunthere sagen.“

“Was mac mir daz gewerren ? din übermuot dich hat betrogen.
du hast mich ze dienste mit rede dich an gezogen.
daz wizze in rehten triuwen ez ist mir immer leit.
getriuwer heimliche sol ich dir wesen unbereit.“

Prünhilt do weinde: Kriemhilt niht langer lie,


vor des küneges wibe inz münster si do gie
mit ir ingesinde.do huop sich grozer haz:
des wurden liehtiu ougen vil starke trüebe unde naz.
(Str. 838 – 843)

[Dann kamen sie zusammen vor der großen Kirche.


Es tat die Hausfrau aus großem Zorn,
der edlen Kriemhild befahl sie mit Schimpfworten stehenzubleiben:
"Es darf vor der Frau des Königs niemals eine Leibeigene gehen!"

Da sprach die Herrin Kriemhild (sie war so wütend!)


"Hättest du doch geschwiegen, das hätte dir gut getan!
Du hast selbst deinen schönen Leib geschändet!
Wie könnte denn je eine Kebse [Beischläferin] die Gemahlin eines Königs
/werden?"
"Wen machst du hier zur Kebse?- sprach des König Weib.

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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

"Das tue ich mit dir", sprach Kriemhild, "denn deinen schönen Leib
liebte als erster Siegfried, mein sehr geliebter Mann.
jawohl! Es war nicht mein Bruder, der dir die Jungfernschaft nahm!
Wo ist dein Verstand hingekommen? Es war schon eine grobe
/Würdelosigkeit.
Wie konntest du mit ihm schlafen, wenn er dein Leibeigener ist?
Ich höre dich"., sprach Kriemhild, "Ohne jeden Grund klagen!"
"Wahrhaftig", sagte da Brünhild, "das werde ich Gunther sagen!"

"Was soll mir das? Dich hat dein eigener Hochmut betrogen.
Du hast mich als dienstpflichtig in deinen Worten hingestellt.
Das kannst du dir mit Sicherheit merken: das werde ich niemals verzeihen.
Und zu vertraulicher Heimlichkeit mit dir werde ich nie wieder bereit sein."

Da weinte Brünhild; Kriemhild aber wartete nicht länger


und ging vor der Frau des Königs in die Kirche
mit ihrem Gefolge. Damals entstand der große Haß,
dessentwegen feuchtende Augen noch sehr, sehr betrübt und naß wurden.]

Brünhild kann die Erniedrigung nicht aushalten, so daß sie Hagen


beauftragt, Siegfried zu ermorden. Dieser geht zu Kriemhild und
versucht *hinter das Geheimnis zu kommen, warum Siegfried
unverwundbar ist.

(Wie Siegfried verraten wurde)


Am vierten Tag frühmorgens, da kamen Boten an:
Ein Zug von zweiunddreißig. Ward Gunthern kundgetan,
Ihm hätten seine Feinde den Frieden aufgesagt.
Aus Lügen wuchsen Leiden, von mancher edlen Frau beklagt.

Die Boten brachten Nachricht, es werde Lüdeger,


Mit Lüdegast verbunden, ein neues starkes Heer
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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Zum Rachekriege führen in das Burgunderland. -


Gebärdete sich Gunther, als hätte Zorn ihn übermannt.

Und ging mit seinen Freunden auch raunend auf und ab,
Im Zweifel noch. Doch Hagen ihm keine Ruhe gab.
Gern hätten es die Recken des Königs beigelegt;
Doch Hagen warb und wirkte für seinen Anschlag unentwegt.

Siegfried fand eines Tages sie beieinander stehn


Und raunen, stutzte, fragte: "Was ist euch nur geschehn,
Daß ihr betrübten Sinnes einhergeht Tag für Tag ?
Ich will euch gerne helfen, will tun für euch, was ich vermag."

Da sprach der König Gunther : "Mich drücken Sorgen schwer.


Herr Lüdegast, der Däne, und mit ihm Lüdeger
Stehen zu neuem Kriege in Waffen wider mich."
Rasch sprach der kühne Degen : "So will mit allen Kräften ich
Vertreten eure Sache und schützen eure Ehr.
Ich treibe sie zu Paaren allein mit meinem Heer.
Will brechen ihre Burgen, verwüsten Stadt und Land,
Eh ich an Rückkehr denke: dafür setz ich den Kopf zum Pfand."

"Habt Dank dafür!" sprach Gunther: es sollte scheinen so,


Als ob er dieser Hilfe im Ernste wäre froh;
Verneigte vor dem Helden sich tief der falsche Mann.
Sprach Siegfried: ,Laßt das Sorgen, weil euch kein Unheil treffen kann."

Gleich gaben sie den Knechten Befehl, vorauszuziehn,


So daß die Kriegserklärung für alle glaubhaft schien.
Alsbald befahl auch Siegfried denen von Niederland,
Die Waffen herzurichten. Schnell setzten sie die Wehr instand.

Herr Siegfried ging zum Vater: "Wir kommen bald zurück.

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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Ich bitte euch, hier zu bleiben. Gibt uns der Himmel Glück,
So sind in kurzen Wochen wir wieder hier am Rhein.
Ihr könnt bei König Gunther ganz ohne Sorge fröhlich sein."
Nun flatterten die Fähnlein, war Herr und Knecht bereit.
Auch von den Mannen Gunthers zog mancher mit zum Streit.
Da ging Herr Hagen Tronje zur Königin Kriemhild,
Wollte um Urlaub bitten : er wäre mitzugehn gewillt.

"Wohl mir", sprach Frau Kriemhilde, "Ich habe einen Mann,


Der meinen lieben Freunden in Nöten helfen kann !
Wie tapfer tritt Herr Siegfried für seine Freunde ein!
Ich darf mit vollem Rechte wohl immer hohen Mutes sein.

Viellieber Vetter Hagen: Wenn dessen ihr gedenkt,


Daß ich euch hold gesonnen, euch niemals noch gekränkt,
So dankt es mir an Siegfried, meinem herzlieben Mann.
Er soll das nicht entgelten,' was ich Brunhilden hab getan!"

Und sprach : "Was ich ihr sagte, hab bitter ich bereut.
Auch hat deswegen Siegfried empfindlich mich verbleut.
Und haben meine Worte ihr das Gemüt beschwert,
So hat zukünftigem Streite Herrn Siegfrieds strenge Hand gewehrt."

Ihr werdet nach dem Kriege versöhnen euch gewiß.


Doch sollt ihr, Frau Kriemhilde, mir bitte sagen dies,
Wie ich an eurem Gatten euch hilfreich dienen kann.
Ich trage euch, Kriemhilde, mit Freuden meine Dienste an."

“Ich wäre ohne Sorge", sagte das edle Weib,


“Das jemand im Gefechte durchbohrte seinen Leib,
Wenn er im Zaume hielte den wilden Übermut.
Er bliebe unverwundet, wenn er nur wäre auf der Hut."

Sprach Hagen : ,Edle Herrin, wenn in der Furcht ihr lebt,


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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Ihn könnte jemand töten : daß ihr mir Weisung gebt,


Was ich zu tun vermöchte, damit er sicher sei.
Wo er auch steht im Kampfe, will eilen stets zum Schutz herbei."
Sie sprach: ,.Bist mein Verwandter, und ich bin dir verwandt.
Ich anvertrau den Gatten dem Schutze deiner Hand.
Behüte mir ihn sorglich! Die Angst macht mich verzagt."
Und sagte ihm, was besser geblieben wäre ungesagt.

Sie sprach : “Kühn ist mein Gatte und wahrlich stark genug.
Als er den grimmen Drachen am Felsenhang erschlug,
Da badete im Blute des Lindwurm sich mein Mann.
So kommt's, daß keine Waffe im Kampfe ihn verwunden kann.

Jedoch bin ich in Sorgen, wenn er in Stürmen steht


Und wenn der Schwarm der Speere, wie Ungewitter weht,
Daß ich ihn da verliere, daß ihn hinnimmt der Tod.
Weh mir! Wie oft muß leiden um Siegfried Qualen ich und Not!

Ich sage im Vertrauen, viellieber Vetter, dir,


Damit du deine Treue bewährest recht an mir,
wo meinen lieben Gatten man leicht verwunden kann.
In gläubigem Vertrauen zu dir sei es dir kundgetan.

Als Siegfried war beim Baden im heißen Drachenblut,


Da sank von einem Baume dem Helden kühn und gut
Zwischen die Schulterblätter ein breites Lindenblatt.
Dort kann man ihn verwunden, dort schütze ihn mit Rat und Tat."

Da sprach Herr Hagen Tronje: Außen auf sein Gewand


Näht mir ein kleines Zeichen damit mir sei bekannt,
Wo ich ihn soll beschützen, wenn wir in Stürmen stehn."
Sie wollte ihn behüten : auf seinen Tod war's abgesehn.

Sie sprach : “Mit dünner Seide stick ich auf sein Gewand
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Heimlich ein feines Kreuzchen. Und dort mag deine Hand


Dann meinen Mann beschützen, wenn er im Kampfe steht
Und stürmend er den Feinden mit Speer und Schwert entgegengeht."
“Das will ich tun", sprach Hagen, "verehrte Königin!"
Wohl hatte Frau Kriemhilde zu schützen ihn im Sinn,
Nicht ahnend, daß dem Feinde sie ihren Mann verriet.
Zufrieden war Herr Hagen, als er mit Urlaub von ihr schied.

Am andern Tage morgens ritt Siegfried fröhlich an


In kriegerischer Rüstung mit seinen tausend Mann.
Er hoffte, bald zu rächen der Freunde Not und Leid.
Ritt Hagen ihm zur Seite, betrachtete genau sein Kleid.

Als er das Kreuz gewahrte, da ritten auf sein Wort


Zwei ihm ergebene Leute als falsche Boten fort.
Die kamen bald und sagten, es bleibe Fried im Land:
Mit dieser Botschaft wären von Lüdeger sie abgesandt.

Unwillig ward Herr Siegfried, daß abgesagt der Streit.


Gern hätte er am Feinde gerächt der Freunde Leid.
Doch rieten Gunthers Mannen zur Umkehr. Er gab nach
Und ritt zu König Gunther. Der dankte ihm, indem er sprach:

"Gott möge es euch lohnen, Siegfried, vieledler Freund,


Daß ihr in allen Stücken es ehrlich mit mir meint.
Will auch euch dafür dienen in Treue immerdar.
So wert wie ihr noch keiner von meinen Freunden je mir war.

Da nun die Heerfahrt wurde so plötzlich abgesagt,


Soll uns dafülr ergötzen eine frisch-frohe Jagd
Auf Bären und auf Schweine in Bergen und im Tann!"
Das hatte ihm geraten Hagen, der ungetreue Mann.

(Wie Siegfried erschlagen wurde)


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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Verkündigte nun Gunther auf Hagens Rat alsbald


Untreuen Sinns ein Jagen im wilden Wasgenwald
Wollten den Wisent jagen, den Bären und das Schwein,
So kühne Jagd ! Die mußte recht nach dem Herzen Siegfrieds sein.

Er ging zu Frau Kriemhilde, er küßte ihren Mund.


“Behüte Gott dich, Liebste, daß wir uns bald gesund
Und fröhlich wiedersehen. Mit den Verwandten dein
Wirst du dich unterhalten; denn ich kann jetzt nicht bei dir sein."

Da fiel ihr ein mit Schrecken, was Hagen sie gesagt,


Und fing an wehzuklagen, bis auf den Tod verzagt.
Sie durfte ihrem Gatten die Sorgen nicht gestehn
Und weinte ohne Ende und wollte fast vor Angst vergehn.

Sprach weinend zu dem Recken : "Laßt eure Jägerei!


Ich hab geträumt, euch jagten der wilden Eber zwei –
Hin über Feld und Heide: Da wurden Blumen rot.
Und darum muß ich weinen; ich bin betrübt bis in den Tod.

Ich fürchte mich vor schlimmen Anschlägen und Verrat.


Vielleicht gibt es hier Leute, die man beleidigt hat,
Die wieder uns begegnen mit feindseligem Haß
Bleibt bei mir, lieber Gatte ! In Treue rate ich euch das."

Er sprach : “Geliebte Gattin, ich bin bald wieder hier.


Ich kenne keine Leute, die Feindschaft trügen mir.
Deine Verwandten alle sind freundlich mir gesinnt.
Auch habe ich von ihnen es anders wahrlich nicht verdient."

“O nein, mein lieber Siegfried, wohl fürchte ich deinen Fall.


Ich hab geträumt, zwei Berge stürzten herab ins Tal,
Begrüben dich. Und danach sah ich dich nimmermehr.
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Willst du jetzt von mir gehen : das Herz ist mir vor Leide schwer."

Er schloß sie in die Arme, sah ihrer Augen Licht


Und küßte sie und koste ihr holdes Angesicht.
Dann ging er rasch von dannen, und sie blieb weinend stehn.
Sie sollte nie im Leben gesund und froh ihn wiedersehn.

So ritten sie frühmorgens hinaus zum tiefen Wald,


Um frbhlich dort zu jagen; erreichten ihn auch bald.
Viel stolze Recken zogen mit König Gunther aus;
Doch blieben seine Brüder Gernot und Gieselher zu Haus.

Nun hatten die Packpferde schon überquert den Rhein,


Die für die Jagdgesellen trugen das Brot, den Wein,
Fleisch reichlich auch und Fische und Dinge aller Art,
Deren ein großer König bedarf auf einer solchen Fahrt.
Als sie am Waldrand hielten, der Tronjer Hagen sprach :
"Wir trennen uns, und jeder mag seinem Wunsche nach
Dann jagen, wo er wollte und wie es ihm behagt.
Leicht sind dann festzustellen die besten Jäger dieser Jagd.
Die Treiber und die Hunde werden gleichfalls verteilt;
Dann mag ein jeder sehen, wie er das Wild ereilt.
Wer bringt die beste Beute, erringt das Ehrenpreis."
Schnell trennen sich die Jäger, zu werben um den schönen Preis.
Siegfried nahm einen Treiber, dem Weg und Steg bekannt,
Und einen guten Bracken, der frische Fährten fand.
Was auch der Hund vom Lager aufjagte : nichts entrann
Dem schnellen Helden Siegfried, der hier das höchste Lob gewann.
Er war in allen Dingen tüchtig und unverzagt.
Die erste Jägerbeute war sein auf dieser Jagd.

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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Das war ein junges Wildschwein; er schlug es mit der Hand.


Und bald darauf sein Spürhund einen gewaltigen Löwen fand.
Mit einem scharfen Pfeil schoß er ihm durch das Blatt,
Daß der getroffene Löwe nur noch drei Sprünge tat.
Dann schlug er einen Wisent und darauf einen Elch,
Vier starke Auerochsen und einen Riesenhirsch, den Schlech.

Auch einen großen Eber die Bracke spürend fand.


Der stutzte, wurde flüchtig, da! auf dem Wechsel stand
Herr Siegfried mit dem Schwerte – nahm ihn wutschnaubend an.
Fällte den starken Eber mit seinem Schwert der starke Mann!
Da sprachen Siegfrieds Leute : “Mehr als genug ist's schon.
Daß doch ein Teil des Wildes komme lebend davon!
Ihr macht uns heute leer noch die Berge und das Holz!"
Da lächelte der Recke und zählte seine Beute stolz.

Man hörte allenthalben Gebell und Lärm und Schall;


Berge und Waldesdickicht tönten vom Widerhall.
Reich war der Jäger Beute, und mancher war dabei,
Der schon im stillen glaubte, daß er des Wettkampfs Sieger sei.

Bevor die Jagd beendet, kamen zur Lagerstatt


Viele der Jagdgesellen, die waren Jagens satt.
Die brachten mit sich Felle und Wildbret auch genug,
Das rasch das Ingesinde zerlegte und zur Küche trug.

Jetzt wollte Gunther kundtun den Jagdgesellen all,


Daß er zu essen wünsche. Da ward ein Hornsignal
Einmal mit Kraft geblasen; das scholl weit übers Land.
Sie wußten nun, daß Gunther sich an der Lagerstatt befand.

Da sprach der Jäger einer zu Siegfried : ,Da erschallt


Ein Hornruf aus der Ferne, daß wir uns aus dem Wald
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

im Lager sammeln sollen", und blies die Antwort dann.


Und vielfach Ruf und Antwort, daß widerhallten Berg und Tann.
Der kühne Siegfried sagte : "Auf ! reiten wir zurück !“
Und gab dem Roß die Sporen; so ging's des Wegs ein Stück.
Als da, gescheut vom Lärme, ein Tier durchs Dickicht brach,
Da wandte sich im Reiten Siegfried und zum Gefolge sprach:

,,Dort flieht ein Bär von hinnen. Laßt rasch den Bracken los!
Will ihn für die Gesellen zur Kurzweil greifen bloß.
Soll uns am Lagerfeuer – der plumpe Kerl – erfreun !
Mag er voll Hast auch fliehen: ich fange ihn lebendig ein."

Der Hund war losgelassen. In wilden Fluchten brach


Der Bär durchs Dickicht; Siegfried stürmte zu Roß ihm nach;
Doch sperrten Fels und Baumbruch dem Pferde bald den Steg.
So schien der Bar geborgen, trollte gemächlich seinen Weg.

Absprang vom Roß der Ritter, dem Bären nach er lief,


Der hinter wilden Trümmern in einem Dickicht tief
Sich sicher wähnte, packte ihn unbewehrter Hand,
Bezwang ihn ohne Waffen und ihn mit starken Stricken band.

Er fesselte vorsorglich ihm Tatzen und Gebiß,


Band ihn an seinen Sattel. Wohl wehrte sich und riß
Das wilde Tier: er brachte es doch zum Lagerplatz.
Sollte zum Abschluß geben dort eine lustige Bärenhatz.
So kam dahergeritten Herr Siegfried weidgerecht.
Bestaunten Gunthers Mannen ihn alle, Herr und Knecht.
Sie liefen ihm entgegen, hielten den Zügel ihm.
Da sahen sie am Sattel mit Schreck ein wildes Ungetüm.

Siegfried saß ab und löste dem Tier das Fesselband.


Erhoben alle Hunde, von Jagdgier heiß entbrannt,

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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Alsbald ein wildes Bellen da sie den Bären sahn.


Der strebte nach dem Walde. Da eilten Leute viel heran.
Verwirrt von dem Getöse der Bär zur Küche floh.
Hei ! wie die Köche sprangen ! Die Brände lichterloh,
Die glühendheißen Kessel – mit wütendem Gebrumm
Zerstörte er die Feuer, warf Kessel voller Speise um.

Aufsprangen rasch die Herren, das Lachen wurde still:


Annahm der Bär sie selber mit wütendem Gebrüll.
Rief Gunther: ,, Los die Meute! und hetzt mit Hunden ihn!"
Da flüchtete in Nöten das Tier zum Walde wieder hin.

Nun griffen schnell die Jäger nach Bogen oder Speer,


Und dann in raschem Laufe hinter dem Bäumen her !
Doch da der Hunde wegen niemand den Schuß gewagt,
Brauste mit Lärm und Bellen dem Walde zu die tolle Jagd.

Vermochte ihr zu folgen im Lauf Siegfried allein:


Den schnellen Bären holte der schnelle Recke ein.
Traf ihn mit seinem Schwerte und ihn zu Tode schlug -
Worauf zur Lagerstätte das tote Tier zurück man trug.

Bestaunten Siegfrieds Stärke alle, die dies gesehn.


Nun bat die stolzen Jäger Gunther, zu Tisch zu gehn.
Ein waldumhegter Anger im schönen Wiesental
Vereinigte die Recken zum köstlich reichen Jägermahl.

Doch blieben aus die Schenken. Der König Siegfried sprach :


“Die Küche spendet reichlich, kommt jedem Wunsche nach.
Wo aber sind die Schenken ? Tragt endlich auf den Wein !
Versorgt man uns nicht besser, will ich nicht Jagdgeselle sein.

Daß man mich besser pflegte, heut war es angezeigt."


Sprach Gunther falschen Sinnes, über den Tisch geneigt :
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

“Daß wir hier Mangel leiden, ertragt es in Geduld.


Wenn wir verdursten müssen: Herr Hagen hat allein die Schuld."
Da sprach von Tronje Hagen : "Mein lieber Herr, verzeiht!
Ich hatte angenommen, das Jagen wäre heut
Drüben im Spessartwalde: Sandte dorthin den Wein.
Gibt's heute nichts zu trinken, in Zukunft soll es anders sein!"

Sprach Siegfried : ”Wer auch Schuld hat, ich weiß ihm keinen Dank !
Ich tänke sieben Lasten Met und gewürzten Trank,
Wenn sie zur Stelle wären. Da es uns fehlt an Wein,
Hätten wir lagern sollen vorsorglich naher an dem Rhein!"

Sprach Hagen : “Edle Ritter, es sprudelt klar und hell


Nicht weit von dieser Stätte am Berg ein kühler Quell.
Dort kann, verzeiht, sich laben ein jeder, wie er will."
Der Rat schuf manchen Helden Herzleid und Sorgen wahrlich viel.

Den starken Siegfried quälte des Durstes harte Not ;


Die Tafel aufzuheben, der drum alsbald gebot.
Er wollte zu dem Wasser der Quelle kühl und klar,
Nicht ahnend, daß der Ratschlag zum Unheil ihm gegeben war.

Am Berghang, bei der Quelle wölbte ihr Blätterdach


Eine gewaltige Linde. Hagen von Tronje sprach :
"Man sagt, im Wettlauf hole Herrn Siegfried keiner ein.
Wenn er's uns zeigen wollte, wir würden uns darüber freun!"

Da sprach der kühne Siegfried : "Bin gern dazu bereit,


Ihr könnt es gleich versuchen, wenn ihr des Willens seid.
Wir laufen um die Wette zur Quelle. Frisch heran!
Damit ich meine Stärke im Laufen gleich euch zeigen kann."

"So wollen wir's versuchen !" sagte Herr Hagen schnell.


Und Siegfried : "Hier der Ablauf, das Ziel der kühle Quell.
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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Ich will mich niederlegen ins Gras, zu Füßen euch!"


Das hörte König Gunther sehr gern und war bereit sogleich.
Da sprach der kühne Recke : "Vorgebe euch noch mehr :
Will meine Jägerwaffen mittragen und den Ger,
Will auch den Schild behalten sowie das Jagdgewand."
Hing um alsbald den Köcher, das Schwert er an die Hüften band.

Da legten ab die Kleider Hagen und Gunther beid:


In weißen Hemden standen zum Wettlauf sie bereit,
Und wie zwei wilde Panther, so stürmten sie davon.
Doch lange war vor ihnen am Quell der kühne Siegfried schon.

Er war in allen Dingen des höchsten Preises wert,


Ablegte er den Köcher, nahm vom Gehenk das Schwert,
Den starken Jagdspeer lehnte er an der Linde Ast.
Tiefatmend stand und wartend am Quell der herrlich hohe Gast.

Legte dann auch zu Boden den Schild aus seiner Hand.


In ritterlicher Tugend er weiter wartend stand.
Wie sehr der Durst ihn quälte: bevor er selber trank,
Sollte erst Gunther trinken. Erwarb sich damit bösen Dank.
Sprudelte klar das Wasser, kühl und silberhell.
Da neigte König Gunther sich nieder zu dem Quell
Und trank in vollen Zügen – erhob sich wieder nun.
Da neigte sich Herr Siegfried zum Born, sich gütlich auch zu tun.
Empfing für seine Tugend jetzt einen schlimmen Lohn.
Das Schwert und auch den Bogen trug Hagen rasch davon,
Sprang gleich zurück und packte den Ger mit starker Hand
Und spähte nach dem Kreuzchen von Seide auf des Herrn Gewand.

Indes der König Siegfried trinkend verweilte lang,


Schoß Hagen. Traf das Zeichen, und aus der Wunde sprang
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Das Blut in dunklem Bogen und netzte Hagens Kleid.


Es tat kein Held dem andern jemals so bitter schweres Leid.
Ließ ihm beim Herzen stecken den bitter scharfen Ger
Und wandte sich zu fliehen : so lief noch nimmermehr
Sonst Hagen – wie vor diesem zu Tode wunden Mann!
Und Siegfried, als der Wunde und seiner Not er sich versann,

Wie wahnbefallen, tobend er von dem Brunnen sprang :


Ragte ihm aus den Schultern der Schaft des Geres lang.
Griff rasch nach Schwert und Bogen; doch beide waren fort:
Sonst hätte auf der Stelle an Hagen er gerücht den Mord.

Da nun der Todeswunde sein gutes Schwert nicht fand,


Blieb ihm nur noch als Waffe des Schildes harter Rand.
Den riß er auf vom Boden, lief Hagen damit an,
Holte ihn ein und packte mit Grimm und Wut den starken Mann.

War er auch wund zum Tode : er schlug mit solcher Macht,


Daß unter seinen Händen der starke Schild zerkracht,
Daß aus dem Schilde spritzte Zierat und Edelstein.
Rot loderte die Rachgier in ihm wie blutiger Feuerschein.

Strauchelnd vor seinen Schlägen Herr Hagen kam zu Fall.


Weckte des Schildes Dröhnen tosenden Widerhall.
Hätt er das Schwert in Händen, es wäre Hagens Tod.
Gewaltig zürnte Siegfried in seiner bitterlichen Not.

Erblaßte seine Farbe, verließ ihn seine Kraft;


Noch hielt ihn auf den Füßen der Rache Leidenschaft.
Schon war, vom Tod gezeichnet, sein Antlitz bleich und fahl.
Um ihn seither viel Frauen vergossen Tränen ohne Zahl.

Da sank er in die Blumen, der starke, stolze Mann,


Das Blut aus seiner Wunde in schweren Tropfen rann.
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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Von Herzeleid bezwungen, umkrallt von bittrer Not,


Schalt er die Ungetreuen, die feige ihn geschlagen tot.
Sprach : ,Alle seid Verräter, die ihr mir Feindschaft tragt.
Was habe ich verschuldet, daß ihr mich feig erschlagt ?
Meinte es treu und redlich; nun habe ich den Lohn!
Ihr habt mit den Verwandten ewige Schande und Schmach davon.

Geschändet habt ihr heute auch Kind und Kindeskind,


Selbst die, die dieser Tage noch ungeboren sind.
Ihr habt an mir zu feige und tückisch euch gerächt,
Habt euch von allen Guten getrennt als ein verrucht Geschlecht."

Hinliefen alle Ritter, wo er erschlagen lag :


War vielen unter ihnen fürwahr ein schwarzer Tag.
Die treuen Sinnes waren, beklagten tief sein Los,
Wie es der Held verdiente und seine Taten kühn und groß,

Auch der Burgundenkönig beklagte seinen Tod.


Da sprach der Todeswunde: “Schweig du! Es ist nicht not,
Daß der beweint den Schaden, der ihn verschuldet hat.
Verdientest Schimpf und Schande! Wer auch beweint, was selbst er tat?"

Da sprach der grimme Hagen : “Hier ist nicht Klagens Zeit!"


Freut euch ! Nun sind zu Ende die Sorgen und das Leid.
Wo gibt es jetzt noch Recken, denen wir stünden nach ?
Ein Glück für uns, daß endlich ich seine Vorherrschaft zerbrach !"

Und er : “Könnt leicht euch rühmen, daß ich erschlagen bin.


Wenn ich geahnt, ihr trüget so feigen Mord im Sinn:
Ich hätte wohl behütet vor euch leicht meinen Leib !
Mir liegt nichts mehr am Herzen als Kriemhild jetzt, mein armes Weib.

Wohl klag ich auch des Sohnes. Gott nehme ihn in Hut.
Mit Fingern wird man zeigen, wie man Verruchten tut,
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Auf ihn, daß feige Mordtat beging einst sein Geschlecht.


"Ich habe", so sprach Siegfried, "das zu beklagen alles Recht."
Dann sprach in Not und Jammer der todeswunde Held :
"Wenn ihr noch einem Menschen wollt treu sei auf der Welt,
So laßt, vieledler König, nun anbefohlen sein
Der Gnade eures Herzens Kriemhild, die traute Gattin mein.

Ich bitte euch, als Bruder nehmt sie in eure Hut,


Beschwöre euch, als König seid gnädig ihr und gut!
Mein Vater und die Mannen harren vergebens mein.
O niemals einem Weibe könnt antun größere Herzenspein."

Erblühten aus dem Rasen blutheiße Rosen rot.


Aufbäumte sich der Wunde, verröchelte im Tod.
Des Todes Waffe hatte getroffen schwer und tief.
Still war der kühne Recke; der Held für immer lag und schlief.

Legten die Herrn den König, so stille nun und starr,


Auf seinen Schild behutsam, der rot von Golde war.
Dann gingen sie zu Rate, besprachen Herr und Mann
Wie man verhehlen könnte, daß Hagen Tronje es getan.

Manch einer sprach bedenklich : "Es fällt auf unser Haupt.


Müssen das gleiche sagen, damit man uns auch glaubt,
Erklären, daß ihn Räuber im Walde fielen an
Und ihn zu Tode schlugen, als einsam jagte er im Tann."

Da sprach der Tronjer Hagen : “Ich bringe ihn nach Haus.


Mag Kriemhild es erfahren, mir macht das wenig aus.
Sie hat betrübt Brünhilden mit Hohn und bittrer Schmach.
Wenn sie nun weint und jammert, ich, Hagen, frage nicht danach."

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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

(Hier endet die Siegfriedsage und das Lied setzt sich mit der Sage
vom Untergang der Burgunden fort.)
Nicht nur daß Gunther Siegfried tötet, er bringt dazu noch den
Leichnam vor Kriemhilds Kemenate. Diese fällt in Ohnmacht und
schreit dann so laut, daß das ganze Haus widerhallt, aus ihrem Mund
fließt Blut vor so viel Schmerz. Sie weiß, daß Gunther der Mörder ist,
der von Brunhild dazu angeheuert wurde. Einige Jahre später
entschließt sie sich dazu, es ihrem Bruder zu vergeben und bekommt
von ihm als Versöhnungsgeste den Nibelungenhort. Sie beginnt aber
ihn großzügig zu verschenken, so daß sich Hagen entscheidet, ihn ihr
wegzunehmen und ihn in den Rhein zu versinken. Kriemhild hat jetzt
keine Mittel mehr, sich zu rächen, da sie mit Geld keine Anhänger
gewinnen kann.
Dreizehn Jahre nach Siegfrieds Tod ergibt sich aber eine
Möglichkeit, aus dieser Situation herauszukommen: der Hunnenkönig
Etzel wirbt um Kriemhild, die diesem Bündnis zustimmt, da ihr
versprochen wird, sie werde sich bald rächen können.
Weitere dreizehn Jahre verbringt sie am Hof des Hunnenkönigs
und entscheidet sich dann dazu, ihre Rache zu verwirklichen, indem
sie Etzel überredet, ihre Brüder und Hagen an seinen Hof einzuladen.
Hagen hat schlimme Ahnungen, die Könige entschließen sich
trotzdem hinzufahren. Sie reiten donauabwärts und treffen unterwegs
Dietrich von Bern, der sie davor warnt, Kriemhilde beweine noch
immer jeden Tag ihren Mann. Doch setzen sie ihren Gang zum Hof
Etzels unbeirrt weiter.
Kriemhilds Begrüßung läßt ebenfalls Schlimmes ahnen. Während
sich die Herren beim Tisch befinden, überfallen die Hunnen die
Gefolgsleute der Burgunden und metzeln sie nieder. Einem gelingt es
jedoch, in den Saal zu kommen und die Nachricht zu bringen.
Infolgedessen tötet Hagen Ortlieb, den Sohn Kriemhields und Etzels.
In diesem Augenblick fängt der Kampf an, bis von den Burgunden nur
Hagen und Gunther und von den Gefolgsleuten der Hunnen alle bis
auf Hildebrand und Dietrich von Bern am Leben bleiben.

(Wie Herr Dietrich mit Gunther und Hagen stritt)

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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

[Da nahm der König Dietrich selbst Schild und Schwert zur Hand.
Umschnallte ihm die Rüstung der alte Hildebrand,
Indes er weint und klagte so schmerzlich jammervoll,
Daß von der Donnerstimme die ganze Burg erklang und scholl.

Doch bald gewann er wieder den rechten Heldenmut


Und griff zu seinen Waffen in heller Zornesglut,
Packte den Schild entschlossen mit seiner starken Hand.
Dann gingen zum Palaste: Dietrich und Meister Hildebrand.

Da sprach der Tronjer Hagen: "Ich seh gewaffnet gehn


Zum Saale hier Herrn Dietrich : will uns im Kampf bestehn
Wegen des großen Leides, das wir ihm angetan.
Heut also soll sich zeigen, wer sich bewährt als bester Mann.

Mag sich auch immer dünken von Bern Herr Dieterich


Mutig und starken Leibes, im Kampfe fürchterlich:
Doch will er an uns rächen, was Leides ihm geschehn",
So sprach von Tronje Hagen, "ich will ihn wohl allein bestehn."

Die Worte hörten Dietrich und Meister Hildebrand,


Kamen zum Saal, wo Hagen mit König Gunther stand;
Sie hielten auf der Treppe, ans Haus sich lehnend, Rast.
Da setzte König Dietrich den Schild zu Boden ohne Hast.

Und sprach in Not und Sorgen : "Was hab ich euch getan,
Daß ihr so schwer bekümmert mich heimatlosen Mann?
Daß Rüdeger gefallen, beugt tief genug mein Haupt.
Warum habt aller Freude und aller Hilfe mich beraubt?

Und denkt auch an euch seIber und euer eigenes Leid !


Tot sind auch eure Freunde, ihr selbst in Trauer seid.
Doch habt ihr meine Ehre noch weniger bedacht,

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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Daß ihr um meine Mannen und meine Freuden mich gebracht."

"Wir sind so sehr nicht schuldig", sprach Hagen, "wie ihr denkt.
Da kamen eure Recken, als wären sie gekränkt,
Kamen zudem in Waffen mit Schritten stolz und breit.
Mir scheint, daß von den Dingen ihr selbst schlecht unterrichtet seid."

"Was soll ich davon denken ? Mir sagte Hildebrand :


Als meine Recken wünschten von Amelungenland,
Ihr möchtet ihnen lassen den edlen Rüdeger,
Da hättet ihr gespottet, ihn böslich nicht gegeben her.''
Da sprach vom Rhein der König : "Wohl haben sie gefragt
Um Rüdegers Gebeine. Ich habe sie versagt -
Nicht euch und euren Mannen, nein! Etzeln nur zuleid!
Fing Wolfhart an zu schelten, und darum kam es dann zum Streit."
Da sprach von Bern Herr Dietrich : “Es hat so sollen sein!
Nun, Gunther, edler König, gedenke einmal mein:
Mache mir eine Freude nach allem, was geschehn,
Und sei bereit, die Sühne, die ich dir biete, einzugehn.
Ergib dich mir als Geisel: dich selbst und deinen Mann!
Dann will ich dafüir sorgen, so gut ich irgend kann,
Daß euch hier bei den Huennen kein Unheil widerfährt.
Du sollst mich treu erfinden, als Freund, der sich in Not bewährt."
“Das wolle Gott verhüten", sprach Hagen zornentbrannt
"Daß sich zwei Recken willig , ergeben deiner Hand,
Die noch so wehrhaft aufrecht dir gegenüberstehn
Und die so frei und ledig, wie wir, vor ihren Feinden gehn !"
“Solltest nicht also reden", sprach König Dieterich,
“Gunther und Hagen, beide habt ihr bekümmert mich,
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Habt tief und schwer die Seele gekränkt mir und den Mut:
Wenn ihr mir freundlich folgtet, das währe wahrlich recht und gut.
Verspreche euch die Treue, gebe euch meine Hand,
Daß ich euch sicher führe in euer Heimatland
Mit Ehren, oder finde in diesem Dienst den Tod.
Ich will um euretwillen, vergessen alle meine Not."

Entgegnete Herr Hagen : “Hofft darauf nicht zu sehr !


Das müßt ihr selbst gestehen, daß es unziemlich wär,
wenn zwei so kühne Männer sich beugten eurer Hand.
Sieht man doch euch zur Seite nur noch den alten Hildebrand."

Sprach Hildebrand : “Herr Hagen, es ist der Vogt von Bern,


Der euch den Frieden bietet. Solltet ihn nehmen gern !
Die Stunde kommt gewißlich, in der ihr anders denkt.
Ihr werdet durch die Sühne, die Dietrich bietet, nicht gekränkt."

“Wohl nähm ich lieber Sühne," rief Hagen spottend aus,


“Als daß so eilig liefe ich aus dem Saal heraus,
Wie euch, erfahrener Ritter, man fliehen konnte sehn!
Hab sonst geglaubt, ihr würdet dem Feind im Kampfe besser stehn."

Gab Hildebrand zur Antwort: "Macht mir zum Vorwurf das?


Wer war's, der auf dem Schilde im Wasgenwalde saß,
Indes von Spanien Walther ihm Freunde viel erschlug?
Braucht andrer nicht zu spotten ! Habt an euch selbst fürwahr genug!"

Da sprach der König Dietrich: "Geziemt es Helden wohl,


Sich hier wie alte Weiber zu schelten blind und toll ?
Euch, Hildebrand, verbiete ich jedes weitre Wort.
Mich heimatlosen Recken bedrückt mein Herzleid immerfort.

Doch sagt mir, Recke Hagen", sprach weiter Dieterich,


“Was war's, das ihr soeben, geredet über mich,
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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Als ihr mich saht in Waften zu diesem Hause gehn?


War's nicht, daß ohne Hilfe ihr mir im Zweikampf wolltet stehn?"
“Ich leugne nichts", sprach Hagen in seinem Übermut.
"Ich möchte wohl versuchen, ob meine Hiebe gut.
Wenn nur in meinen Händen nicht bricht Herrn Siegfrieds Schwert.
Ich bin voll Zorn, daß beide man uns als Geiseln hat begehrt."

Wohl wußte König Dietrich, daß Hagen war ein Mann


Von grimmem Kampfesmute. Vorsichtig er begann
Zu schirmen sich im Kampfe vor manchem harten Schlag
Wohl spürte er, daß Balmung ihm schwer auf Schild und Panzer lag.

Er fürchtete die Waffe, die Hagen Tronje trug,


Weshalb mit allen Künsten er seine Hiebe schlug.
Bis er den starken Tronjer zuletzt doch niederzwang:
Er schlug ihm eine Wunde, die tief durch seinen Panzer drang.

Gedachte König Dietrich: du bist durch Not geschwächt


Der hatte wenig Ehre, der dich ums Leben brächt.
Darum will ich versuchen, ob ich dich zwingen kann,
Als Geisel mir zu folgen.- Da hob ein schweres Ringen an..

Er warf den Schild beiseite. War seine Stärke groß:


Den Recken Hagen Tronje mit Armen er umschloß.
So ward von ihm bezwungen der heldenkühne Mann.
Da hub sein König Gunther zu trauern und zu klagen an.

Mit starken Fesseln Dietrich den kühnen Hagen band,


Gab alsdann Frau Kriemhilden gebunden in die Hand
Den tapfersten der Recken, der je trug Schwert und Schild,
Nach ihrem groben Leide wie fröhlich blickte Frau Kriemhild!

Verneigte sich vor Dietrich Kriemhild, das edle Weib :


“Sei immer deine Seele gesegnet und dein Leib!
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Hast endlich mich entbunden von aller meiner Not.


Dafür will ich dir dienen in Treue bis an meinen Tod."
Da sprach der König Dietrich: "Vieledle Königin,
Begegnet nun dem Helden mit gütig-mildem Sinn.
Laßt es ihn nicht entgelten, was er euch angetan;
Bedenkt bei aller Freude, daß er sich nicht mehr wehren kann."

Sie aber warf Herrn Hagen trotzdem ins Burgverlies.


Da lag er nun gefesselt in Schmutz und Finsternis.
Indessen hub der edle Gunther zu rufen an :
"Wohin entwich der Berner? Er hat viel Leid mir angetan."

Nun kam der König Dietrich. Da stürmte aus dem Saal


Entgegen ihm Herr Gunther. Erhob sich lauter Schall
Von Schwertern und von Schilden. Groß war Herrn Gunthers Kraft :
Ein Wunder, daß Herr Dietrich von ihm nicht wurde hingerafft.
Die Stärke beider Männer glich dem Gewittersturm.
Von ihren harten Schlägen erdröhnten Saal und Turm:
So hämmerten auf Helme sie mit den Schwertern gut
in Gunthers Herzen wohnte ein wahrhaft königlicher Mut.
Bezwang ihn doch Herr Dietrich, wie Hagen er getan
Dem Helden durch die Ringe in roten Bächern rann
Das Blut aus tiefen Wunden von Dietrichs starkem Schwert.
War Gunther auch ermüdet: er hatte sich mit Ruhm gewehrt.
Auch Gunther ward gebunden von König Dietrichs Hand.
Kein König sollte dulden solch ein entehrend Band!
Doch Dietrich wußte : gäbe er ihn und Hagen frei,
Daß jeder, den sie träfen, im Hunnenland des Todes sei.
Nun führte König Dietrich ihn ohne Schwert und Schild
Verwundet und gebunden zur Königin Kriemhild.
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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Sie sprach: “Willkommen, Gunther, rühmlich bewährter Held!"


Er sprach: “Ich möchte danken, wenn ehrlich ihr die Worte wählt!
Würde mit Dank mich neigen, vieledle Schwester mein,
Wenn eure Grüße wollen huldvoll und gnädig sein.
Doch weiß ich, hohe Fürstin, ihr seid so tief empört,
Daß mir und Hagen Tronje ihr keinen guten Gruß gewährt."

“Bedenkt, vieledle Fülrstin", sagte der Held von Bern,


“Daß nie zu Geiseln wurden so hochgeborene Herrn,
Wie ich sie übergeben hab heute eurer Macht.
Seid ihnen gnädig, Herrin, weil ich als Geiseln sie gebracht".
Kriemhild versprach ihm alles. Ging König Dietrich fort
Mit Tränen in den Augen. Sie aber brach ihr Wort :
Hielt sie getrennt. Sie sahen einander nimmermehr,
Bis Kriemhild an den Haaren schleppte des Königs Haupt daher.
Zunächst ging Frau Kriemhilde zu Hagen ins Verließ,
Wo sie feindlichen Sinnes hervor die Worte stieß :
“Wollt ihr mir wiedergeben, was ihr mir einst geraubt ?
So möchte euch die Rückkehr zu den Burgunden sein erlaubt!"
Da sprach der grimme Hagen : “Zwecklos ist jedes Wort,
"Vieledle Frau Kriemhilde. Der Nibelungenhort -
Das habe ich geschworen -, der bleibt im tiefen Rhein
Versenkt, solang am Leben – noch einer ist der Herren mein!"

“Will es zu Ende bringen", sagte das edle Weib,


Ließ ihrem Bruder nehmen erbarmungslos den Leib.
Man schlug ihm von dem Rumpfe das Haupt. Sie selber trug,
Am Haar es zu dem Tronjer. Geschah ihm dadurch Leid genug!

Als er das totenblasse Haupt seines Herren sah,


Wie recht voll Unmut sagte er zu Kriemhilde da:
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

“Du hast nach deinem Willen zu Ende es gebracht,


Und ist nun so gekommen, wie ich es habe mir gedacht.
Nun ist von den Burgunden der edle König tot,
Auch Gieselher der junge und mein Herr Gerenot.
Vom Schatze weiß nun keiner als Gott und ich allein.
Bist, Teufel, überlistet: Dir wird er stets verhohlen sei !'

Sie sprach : “Habt mich betrogen! Doch wenn ihr mir verwehrt
Den Hort, will ich behalten doch meines Siegfried Schwert!
Das trug mein holder Liebster, als ich zuletzt ihn sah-
An dem durch euren Anschlag mir grobes Herzeleid geschah."

Sie zog es aus der Scheide. Mit beiden Händen schwang


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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Sie hoch es in die Lüfte und schlug in Zornes Drang

Das Haupt ihm ab. Der Tronjer setzte sich nicht zur Wehr,
Der König Etzel aber – ihm ward das Herz im Busen schwer.

Er rief : "Weh mir ! Erschlagen liegt hier von Weibes Hand


Der allerbeste Recke, der je in Stürmen stand,
Je einen Schild getragen in hartem Männerstreit.
Ist er mein Feind gewesen : doch ist's um ihn mir bitter leid."

"Sie soll sich nimmer freuen", sprach Meister Hildebrand,


“Daß an den Helden legte vermessen sie die Hand !
Obwohl er selbst mich brachte in dringend schwere Not
So will ich dennoch rächen, Hagens des kühnen Recken, Tod."

Der alte Waffenmeister gegen Krienihilde sprang,


Zornflammend er die Klinge hoch in der Rechten schwang
Und schlug mit einem Hiebe zu Tod die Königin :
Schrie gräßlich auf in Ängsten und sank tot neben Hagen hin.

Wie Gras im Schnitt der Sense, so lagen Leib an Leib


Die Toten. Und erschlagen war auch das edle Weib.
Dietrich und Etzel weinten, von Trauer übermannt,
Beklagten tief die Recken, die ihnen dienstbar und verwandt.

Kriegsruhm und Heldenehre : sie lagen stumm und tot,


Und alle Leute klagten in schweren Jammers Not.
So endete in Leide des Königs hohes Fest -
Wie Liebe stets den Menschen zuletzt in Leid versinken läßt.

Ich kann euch nicht mehr sagen, was weiterhin geschah,


Nur daß man Fraun und Ritter weinen und klagen sah,
Dazu die edlen Knechte um ihrer Freunde Tod.
Hier ist das Lied zu Ende : Das ist der Nibelungen Not.]
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)
(Die Übersetzungen aus dem Mittelhochdeutschen von ERNST VON BORRIES)
(Die Übertragung in Versen von MAX VANSELOW)
WOLFRAM VON ESCHENBACH: Parzival
Im Zuge der sich festigenden höfisch-ritterlichen Epik tritt neben
antiken Stoffen auch das französische Muster CHRÉTIEN DE TROYES
(etwa 1135-1190) und damit die Artuswelt in den Vordergrund. So
entsteht Erec, der erste deutsche Artusroman aus der Feder des
HARTMANN VON AUE. Die historische Gestalt des Artus war das
große ethische Vorbild des Rittertums: Ohne viel ins Geschehen
einzugreifen, wird er zum Mittelpunkt der tapferen Ritterschar
(Artusrunde, Tafelrunde). Als Verkörperung ritterlicher Ideale lebt er
im Einklang mit Welt und Gott und vermag somit seine aventiure
erfolgreich zu bestehen.

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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

WOLFRAM VON ESCHENBACH (um 1170 – nach 1220) war


Ministeriale und ein fahrender Dichter und war vielseitig literarisch
gebildet. Sein Werk umfaßt acht frühe Minnelieder und drei große
Romane. Parzival, dessen Stoff auf der Dichtung CHRÉTIEN DE
TROYES basiert, jedoch sehr eigenständig ist, stellt sein Hauptwerk dar
und umfaßt etwa 25000 Verse. Der Roman wurzelt in der erwähnten
alten Sage vom König Artus und seiner Tafelrunde und der spanischen
Legende vom heiligen Gral. Darin verband WOLFRAM VON ESCHEN-
BACH Einzelthemen und Episoden (Märchen-, Artus- und Gral-
elemente) aus HARTMANNS Werken. Vom Parzival-Roman gibt es
etwa 90 (teilweise bruchstückhafte) Handschriften.
König Artus ist der Vertreter des keltischen Volkstums oder der
letzte Held, der durch Kämpfe gegen die Angelsachsen das
Stammesbewußtsein des keltischen Volkes dichterisch anregte. Sein
Hof lag in Caridol oder Cardnel (jetzt Carlisle) in Wales. Seine Gattin
hieß Ginewra, das Muster aller ritterlichen Damen. Sie waren
umgeben von vielen hundert Rittern. Im Mittelpunkt des glänzenden
Kreises standen 12 der tapfersten und edelsten Ritter, die um einen
runden Tisch saßen, weshalb sie als die Ritter der Tafelrunde genannt
wurden. Artus hatte diesen Orden auf den Rat des Zauberers Merlin
gegründet. Die Ritter sollten in ritterlicher Tugend und Tapferkeit
miteinander wetteifern. Sie sollten sie durch die Länder ziehen, um
mit ihren Taten das Ideal des Rittertums zu verwirklichen.
Unter dem heiligen Gral verstand man eine kostbare, aus Jaspis
verarbeitete Schale. Ihrer bediente sich Jesus, als er das Brot brach,
und in ihr soll Joseph von Arimathea das Blut des Heilands
aufgefangen haben. Im heiligen Gral befinden sich also Leib und Blut
des Herrn. Darum ist er mit allen Kräften des ewigen Lebens
ausgestattet. Nach dem Tod Josephs nahmen die Engel den heiligen
Gral in ihre Obhut und hielten das Heiligtum schwebend in der Luft,
bis Titurel, ein Königssohn von Anjou, auf dem Berg des Heils zu
Salvaterra in Spanien für den heiligen Gral eine Burg bauen ließ. Ein
geistiges Rittertum gründete hier den Orden der Templer, der den Gral
hütete. Niemand konnte durch eigene Kraft diesen Ort finden, dazu
benötigte man die Hilfe Gottes, weil ein unwegsamer Wald 60 Meilen

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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

nach allen Seiten den Berg umgab. Der heilige Gral muß deshalb als
tiefsinniges Symbol aufgefaßt werden.

(Einleitung)
Die *Mär, die wir erneuern,
die sagt von großen Treuen,
von Weiblichkeit auf rechtem Pfad,
von Mannes Mannheit fest und grad,
die sich von keiner Härte bog,
vom Mann, den nie sein Mut betrog,
daß, wo sich ein Streit entspann,
sein Stahlarm nicht den Sieg gewann
mit manchem hohen Preise.
Der Kühne, spät erst Weise,
ich seh‘ ihn vor mir stark und mild,
für Weibes Aug‘ ein süßes Bild,
für Weibes Herz ein sehnend Leid,
doch rein von Makel allezeit.

Gahmuret von Anjou wirbt im fernen Morgenland um die Hand


der schönen Mohrenkönigin Belakane. Kurz nach der Heirat verläßt er
sie, obwohl er weiß, daß sie ein Kind von ihm erwartet. Der Sohn, der
geboren wird, heißt Feirefiz, weil er aus der Mischung der
verschiedenen Farben seines weißen Vaters und seiner schwarzen
Mutter geboren worden ist. In der Zwischenzeit gewinnt Gahmuret
durch ein Turnier das Herz der Königin Herzeloyde von Waleis, der
Enkelin des Gralkönigs Titurel. Er kann aber nicht lange bei seiner
Frau bleiben, denn sein Verlangen nach Abenteuern läßt ihn nicht
lange dort verweilen und er geht in den Dienst des Kalifen von
Bagdad. Dort findet er auch den Tod auf dem Schlachtfeld. Kurz
nachdem seine Frau die traurige Nachricht erfährt, gebährt sie einen
Sohn, dem sie den Namen Parzival gibt.
Herzeloyde zieht sich mit ihrem Sohn in die Einsamkeit zurück in
der Hoffnung, daß sie dadurch ihren Sohn vor demselben Schicksal,
wie es seinem Vater widerfuhr, bewahren kann. Der Junge wächst
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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

geschützt vor den Gefahren des ritterlichen Lebens auf. Eines Tages
aber trifft er drei Ritter in glänzenden Gewändern, von denen er
glaubt, daß sie Götter wären. Sie erklären ihm, daß sie Ritter seien und
bieten ihm die Möglichkeit, zu dem Hof König Artus' zu gehen, um
ebenfalls in den Ritterstand zu treten. Schweren Herzens stimmt seine
Mutter zu und gibt ihm "guten" Rat und ein "ritterliches" Gewand, das
aber ein Narrengewand ist. Parzival zieht fort und Herzeloyde sinkt tot
zu Boden, indem sie ihm nachschaut.
Den Ratschlägen seiner Mutter folgend, richtet Parzival nur
Unheil an. Er raubt der Herzogin Jeschute Kuß, Ring und Spange und
wird dadurch unbewußt zur Zielscheibe ihrer schwersten
Verdächtigung und Prüfung. Dann begegnet er Base Sigune, die die
Leiche ihres beliebten Schionatulander beweint. Er verspricht ihr
darüber am Artus Hof zu berichten und dann den Tod ihres Mannes zu
rächen. Vor Nantes, wo Artus seinen Hof hält, tötet er schließlich den
roten Ritter Ither, mit dem er eigentlich blutverwandt ist. Er nimmt als
Beute sein Pferd und seine Rüstung und geht damit zum Hofe Artus'.
Hier erkennt man in ihm den künftigen Helden, welcher nur noch
einer ritterlichen Unterweisung bedarf. Aus diesem Grunde wird der
erfahrene Ritter Gurnemanz zu seinem Lehrer ernannt.

(Die Lehren des Gurnemanz)


Dann ging's zum Palas, wo im Saal
der Tisch gedeckt zum Morgenmahl.
Der Wirt ihn an die Seite nahm;
er ließ sich munden, was da kam.
"Herr", sprach der Fürst voll Höflichkeit,
"wird Euch nicht meine Frage leid,
so hätt' ich gern vernommen,
wo wannen Ihr gekommen."
Er läßt nicht lange sich erbitten,
erzählt,wie er von Haus entritten;
von Ring und Spange sagt er dann,
und wie den Harnisch er gewann.
Der Rote Ritter ward genannt;

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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

da seufzt der Fürst, der ihn gekannt:


"Der Name sei nun Euch verliehn"-
Den Roten Ritter hieß er ihn,
Doch als man weg die Tafel nahm,
macht` er den wilden Mut ihm zahm
und ließ ihm Lehren angedeihn:
"Ihr redet wie die Kinderlein.
Müßt Ihr denn stets die Mutter nennen,
als wolltet ihr nichts anders kennen?
Nun haltet Euch an meinen Rat!
Der scheidet Euch von *Missetat.
So hört! Um edel zu empfinden,
laßt Scham nicht aus der Seele schwinden.
Ein schamlos Herz, was taugt da noch,
wenn aller Ehren Zierde doch
gleich Mauserfedern ihm entfällt
und es der Hölle sich gesellt?
Ihr seid von Anblick auserkoren
und wohl zum Volkesherrn geboren.
Daß Euer Adel sich nicht neige,
nein, hoch und immer höher steige,
laßt Euch der Dürftigen erbarmen
und helft in Ihren Not den Armen
mit Milde und mit Gütigkeit.

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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Wollt Ihr die Drangsal ihm versüßen,


so wird Euch Gottes Gnade grüßen;
denn ihm geht´s schlimmer als den andern,
die bettelnd vor die Fenster wandern.
Prägt fest Euch diese Vorschrift ein:
Lernt weislich arm und reich zu sein.
Denn wirft der Herr sein Gut dahin,
das ist nicht echter Herrensinn;
doch nur den Schatz zu mehren,
das wird ihn auch nicht ehren.
Gebt jedem Ding sein rechtes Maß.
Ich kann nicht leugnen, denn ich sah´s,
daß Ihr des Rats bedürftig seid.
Was sich nicht ziemt, das laßt beiseit.
Vor allem sollt Ihr nicht viel fragen,
doch wohlbedächtig Antwort sagen,
daß, was der Frager Ihr entnimmt,
auch recht zu seiner Frage stimmt.
Gebrauchet aller Euer Sinne,
daß Ihr des Wahren werdet inne.
Folgt meinem Wort und übt im Streit
bei kühnem Mut Barmherzigkeit.
Sofern Ihr nicht im Lanzenbrechen
habt schweres Herzeleid zu rächen,
will der Besiegte sich ergeben,
so nehmt sein Wort und laßt ihn leben.
Ihr sollt nun oft die Waffen tragen;
da wird Euch Eisenruß beschlagen.
Legt Ihr sie ab, so säumet nicht
und wascht Euch Hand und Angesicht;
laßt wieder Euch in Anmut schau´n,
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

denn darauf achten edle Fraun.


Seid mannlich stets und wohlgemut;
so lobt man Euch und wird Euch gut.
Denkt, daß Ihr Frauen liebt und ehrt;
denn das erhöht des Junglings Wert.
Bleibt ihnen treu ergeben;
das adelt Mannes Leben.
Verlegt ihr Euch auf Lügen,
ist manche zu betrügen.
Wer aber Lieb´ mit Lust erringt,
dem wird ein Sieg, der Schande bringt.
Den Dieb, wie leis er schleichen mag,
verrät das dürre Holz im Hag,
das unter ihm zerbist und kracht,
sodaß der Wächter drob erwacht.
Auf solchen Räuberwegen
ist mancher schon erlegen.
So get´s auch in der Minne:
Ein Weib von edlem Sinne
kennt wachsam jeden falschen Laut;
wenn sie entrüstet Euch durchschaut,
mußt Ihr in allen Tagen
Schmach und Verachtung tragen.
Ich sag´ Euch mehr von Mann und Weib:
die beiden sind ein einz´ger Leib,
gleichwie der Tag, der heute scheint,
der Sonne sich untrennbar eint;
aus einem Kern erblühen sie.
Das wissen und vergessen nie."

Parzival wird nun ein wahrer Ritter und *zieht aus. Er befreit die
Königin Kondwiramur, die in ihrer Burg belagert war, heiratet sie und
teilt mit ihr das Reich. Nach einer Weile wird er von der Sehnsucht
nach seiner Mutter und nach seiner Heimat geplagt und *macht sich
auf den Weg. Unterwegs verirrt er sich und gelangt zur Gralsburg.

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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

(Parzival in der Gralsburg)


Schon rückt die Abendzeit heran;
da lag vor ihm ein See in Tann,
wo er auf Rufesweite nah
ein Boot mit Fischern ankern sah,
und unter ihnen ruhte
ein Mann im Pfauenhute;
der trug so prächtige Gewande,
als ob ihm dienten alle Lande.
Den bat er: “Gott und Euch zu ehren,
geruhet, Herr, mich zu belehren,
wo ich hier *Herberg finden kann!”
“Herr”, sprach der traurig-ernste Mann,
“auf dreißig Meilen in der Rund
ist mir kein Menschenwohnsitz kund
als eine Burg, nicht fern von hier.
Die sucht! Denn sonst, wo bliebet Ihr?
Dort, wo die Felsen enden,
müßt Ihr nach rechts Euch wenden.
Wenn Ihr das Roß zum Graben lenkt,
so heischt, daß man die Brücke senkt,
daß Euch der Zugang werde frei!”
Er dankt’ dem Herrn und ritt vorbei.
Der rief noch: “Wenn Ihr nicht verirrt,
bin dort ich selbst heut Euer Wirt,
und Euer Dank sei wie Pflege.
Habt acht! Es geh’n da falsche Wege,
dort, wo die Halden abwärts gleiten,
könntet Ihr leicht irre reiten.
Das wär’ mir leid, bei meinem Wort”
Der Held ritt von den Männern fort
und folgte gleich in scharfem Traben
dem rechten Pfad bis an den Graben.
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Die Brücke war emporgeschlagen:


wer nicht vom Winde wird getragen
oder fliegt mit Vogelschwingen,
der denke nicht, dort einzudringen.
Die Feste, die er vor sich sah,
wie glattgedrechselt stand sie da,
unnahbar trotzend jedem Sturm.
Manch ein Palast und manch ein Turm
ragt’ auf mit wunderbarer Wehr.
Zög’ aller Völker Macht daher,
man achtet’ ihrer nicht ein Haar,
und lägen sie da dreißig Jahr.
Ein Knappe, der ihn wahrgenommen,
fragt’ ihn, von wannen er gekommen
und was am Orte sein Begehr.
“Der Fischer”, rief er, “schickt mich her.”
Er wollte gastlich mein gedenken
und sprach: “Heißt Euch die Brücke senken,
und ist’s geschehn, so reitet ein!”
“Herr, Ihr sollt willkommen sein!
Da es der Fischer Euch versprach,
beut man Euch Ehre und Gemach
ihm, der Euch sandte, zu Gafallen.”
Er rief’s und ließ die Brücke fallen.
Der Held ritt durch des Tores Gang
auf einen Burhof, breit und lang,
der ganz mit Gras bewachsen war.
Ritterspiel und Roßgestampf,
fliegender Banner lustiger Kampf.
Doch er, der Gast, sah nichts von Leid;
denn zum Empfange dienstbereit
war eine Ritterschar zur Stätte:
Jungherrlein sprangen um die Wette,

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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

ergriffen seinen Zügel


und hielten ihm die Bügel.
Er stieg vom Roß und trat ins Haus:
rasch zog man ihm die Waffen aus.
Er wusch sich, und sein Angesicht
erglänzt’ wie neuen Tages Licht.
Dann in arabischer Seide Pracht
ward ihm ein Mantel dargebracht;
er legt’ ihn leicht mit offner Schnur
um seine Schultern und erfuhr,
daß ihn, gelieh’n als Ehrenspende,
die Künigin Repanse sende.
Man schenkt den Wein, und ihm zu dienen,
zeigt ihre Trauer heitre Mienen.
Hundert Lichterkronen hingen
im Königssaal, zu dem sie gingen;
von kleinen Kerzen strahlt die Wand.
Hundert Ruhebetten fand
man rings im Kreise aufgeschlagen,
auf denen hundert Polster lagen.
Je viere saßen dort an Tischen,
mit einer Scheidewand dazwischen,
davor ein Teppich farbenbunt.
Drei Marmorherde steh’n im Rund,
viereckig, kunstvoll aufgerichtet;
drauf liegt ein seltnes Holz geschichtet,
geheißen Lignum Aloe.
Wer sah so große Feuer je
hier bei uns in Wildenberg?
Das war ein köstlich Wunderwerk.
Man trug den Burgherrn auf ein Bette
nah bei der mittlern Feuerstätte.
Ihm war vom Glück Valet gegeben;
ein qualvoll Sterben war sein Leben.
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Und doch empfing er voller Gnaden


den lichten Gast, den er geladen;
zu sich setzt huldreich er den Degen.
Er brauchte seines Siechtums wegen
große Feuer, warm Gewand;

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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

daher umhüllt’ ihn mancherhand


Gedoppelt auch war an der Mütze
der Zobel, daß sein Haupt er schütze,
die einer Borte Gold umspann,
ein Glanzrubin als Knopf daran.
Still saßen rings der Ritter Reih’n;
da plötzlich zog der Jammer ein.
Ein Knappe kam zum Saal gerannt
mit einer Lanze in der Hand,
die aus der Schneide Blut ergoß,
das ihm bis in die Ärmel floß,
und durch den weiten Palas scholl
Geschrei und Weinen jammervoll.
Die Wände trug er sie entlang,
bis er hinaus zur Türe sprang,
durch die er sie hereingetragen.
Da stillte sich des Volkes Klagen.
Im Hintergrund zum andernmal
erschließt sich eine Tür von Stahl.
Da kommt ein lieblich Mädchenpaar,
den Kranz im langen, blonden, Haar.
Sie tragen Kerzen hellentbrannt
auf goldnen Leuchtern in der Hand.
Ein andres Paar folgt diesen zwei’n
mit Tischgestell aus Elfenbein.
Ihr roter Mund glüht minniglich.
Alle vier verneigen sich,
und von den zweien werden jetzt
die Stollen vor den Herrn gesetzt.
Dann tritt die holde Schar beiseit;
sie steh’n im braunen Scharlachkleid
von gleicher Farb’ und gleichem Schnitte,
mit Gürteln um die schlanke Mitte.
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Acht andre Jungfrau’n folgen dann;


mit Kerzen schreiten vier voran;
vier andre tragen einen Stein,
den hell am Tag der Sonne Schein
durchstrahlt. Dafür ist er bekannt:
der Stein war ein Granat-Jachant,
den man zu eines Tisches Platte
dünn und leicht geschnitten hatte.
Zum Burgherrn treten diese acht
und neigen sich; dann legen sacht
die letzten vier den edlen Stein
auf das Gestell von Elfenbein.
Drauf tritt auch diese Schar beiseit;
von grünem Sammet, lang und weit
war ihr Gewand, das schmal und lang
ein zierer Gürtel eng umschlang.
Auch ihren blonden Scheitel schmückt
ein Kränzlein, leicht aufs Haupt gedrückt.
Und wiederum vier Jungfräulein
geleiten unter Kerzenschein
zwei junge Gräfinnen herbei;
die tragen Silbermesser zwei
auf weißsen Tüchern in den Saal
mit Klingen, schärfer noch als Stahl.
Die legen sie mit Schweigen,
indem die sechs sich neigen,
auf dem jachanten Tische nieder
und treten zu den andern wieder;
nun mögen’s ihrer achtzehn sein.
Doch sieh, noch sechse treten ein,
die letzten sechs im Anzug gleich:
an ihnen schimmert bunt und reich
zwiefarbig halbgeteilte Tracht
aus Goldgewirk und Seidenpracht.
Dann kam die Künigin herein;
ihr Antlitz gab so lichten Schein:
sie meinten all’, es wolle tagen.
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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Als Kleid sah man die Jungfrau tragen


Arabiens schönste Weberei.
Auf einem grünen Achmardei
trug sie des Paradieses Preis,
des Heiles Wurzel, Stamm und Reis,
Das war ein Ding, das hieß der Gral,
ein Hort von Wundern ohne Zahl.
Repanse de Schoye sie hieß,
durch die der Gral sich tragen ließ.
Die hehre Art des Grales wollte,
daß, die sein würdig pflegen sollte,
wohl mußte keuschen Herzens sein,
von aller Falschheit frei und rein.
Die Jungfrau’n tragen vor dem Gral
sechs Glasgefäße, lang und schmal,
aus denen Balsamfeurer flammt.
Sie wandeln züchtig insgesamt
mit angemeßnem Schritte
bis in des Saales Mitte.
Die Königin verneigte sich
mit ihren Jungfrau’n feierlich
und setzte vor den Herrn den Gral.
Gedankenvoll saß Parzival
und blickte nach ihr unverwandt,
die ihren Mantel ihm gesandt.
Drauf teilt sich all das Gralgeleite,
zwölf Jungfrau’n steh’n auf jeder Seite,
und in der Mitte steht allein
die Magd in ihrer Krone Schein.
Nun traten vor des Mahls Beginn
die Kämmrer zu den Rittern hin,
ein jeder ihrer vier zu dienen
mit lauem Wasser, das er ihnen
in schwerem, goldnem Becken bot,
dabei ein Jungherr wangenrot,
das weiße Hadtuch darzureichen.
Da sah man Reichtum ohnegleichen.
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Der Tafeln mußten’s hundert sein,


die man zur Türe trug herein,
vor je vier Ritter eine;
darauf von edlem Leine
deckten sie mit Fleiße
Tischtücher, blendend weiße.
Der Wirt in seiner stummen Qual
nahm selber Wasser; Parzival
wusch sich mit ihm zugleich die Hände.
Drauf bracht’ ein Grafensohn behende
ein seidnes Handtuch farbenklar
und bot es ihnen kniend dar.
Ein jeder Tisch, soviel da steh’n,
ist von vier Knappen zu verseh’n:
die einen knien, um vorzuschneiden;
Aufwärter sind die andern beiden.
Nun rollen durch den Saal vier Wagen,
die Goldgeschirr in Fülle tragen;
das wird von Rittern unverweilt
an all die Tafeln ausgeteilt.
Man zog im Ring sie Schritt für Schritt,
und jedem ging ein Schaffner mit,
dem dieser Hort zur Hut befohlen,
ihn nach dem Mahl zurückzuholen.
Hundert Knappen traten dann
mit Tüchern auf der Hand heran;
voll Ehrfurcht kamen sie gegangen,
das Brot vom Grale zu empfangen.
Denn wie ich selber sie vernommen,
soll auch zu euch die *Märe kommen:
was einer je vom Gral begehrt,
das wird ihm in die Hand gewährt,
Speise warm und Speise kalt,
ob sie frisch sei oder alt,
ob sie wild sei oder zahm.
Wer meint, daß dies zu wundersam
und ohne Beispiel wäre,
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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

der schelte nicht die Märe!


Dem Gral entquoll ein Strom vom Segen,
vom Glück der Welt ein vollster Regen,
Er galt fast all dem Höchsten gleich,
wie man’s erzählt vom Himmelreich.
In kleinen, goldnen Schalen kam,
was man zu jeder Speise nahm:
Gewürze, Pfeffer, leckre Brüh’n.
Aß einer zaghaft oder kühn,
sie fanden insgesamt genug,
wie man’s mit Anstand vor sie trug.
Wein, Maulbeertrank, Siropel rot,
wonach den konnt’ er gleich darin erkennen,
alles durch des Grales Kraft.
Die ganze werte Ritterschaft
war so zu Gaste bei dem Gral.
Wohl sah mit Staunen Parzival
die Pracht der Wunder sich bezeigen;
jedoch aus Anstand wollt’ er schweigen.
Er dachte: der getreue Mann,
Gurnemanz, befahl mir an,
vieles Fragen zu vermeiden.
Drum will ich höflich mich bescheiden
und warten, bis man ungefragt
von diesem Haus mir alles sagt,
wie man bei Gurnemanz getan.
Drauf sah er einen *Knappen nah’n
mit einem Schwerte, schön und stark;
die Scheide galt wohl tausend Mark,
der Griff ein einziger Rubin.
Das ward vom Wirt dem Gast verlieh’n:
“Ich hab’ es oft im Kampf getragen,
bis Gott am Leibe mich geschlagen.
Herr, nemt es als Ersatz entgegen,
sollt’ man Euch hier nicht wohl verpflegen!”
Ach, daß auch jetzt er nicht gefragt!
Um seinetwillen sei’s geklagt,
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

da mit dem Schwert, das er empfing,


die Manhung doch an ihn erging.
Auch jammert mich sein Wirt zumal;
denn von der ungenannten Qual
würd’ er durch seine Frage frei.
Damit war nun das Mahl vorbei.
Die Diener griffen nach dem Gold;
die Wagen wurden hergerollt
und vollgeladen insgesamt,
und jede Jungfrau tat ihr Amt,
jedoch die letzte nun als erste.
Mit dem Geleite trat die hehrste
von allen wieder zu dem Gral,
und vor dem Wirt und Parzival
neigt wiederum die Herrin sich
mit allen Jungfrau’n feierlich,
worauf den Gral sie mit sich nahmen
zur Tür hinaus, durch die sie kamen.
Parzival blickt’ ihnen nach
in das eröffnete Gemach;
dort lag der schönste, alte Mann,
von dem er Kunde je gewann,
weißer noch als Reif sein Haar.
Der Hausherr auch, die Burg, das Land
wird euch zur rechten Zeit genannt.
Drauf sprach der Wirt dem Gaste zu:
“Herr, Ihr bedürft nun wohl der Ruh;
ich denke, daß Ihr müde seid!
Geht, Euer Lager steht bereit!”
Ach und Weh den beiden,
daß sie nun so sich scheiden!
Indem der Gast auf diesen Rat
sich rasch erhob und vor ihn trat,
bot ihm der Burgherr gute Nacht.
Von Rittern ward er hingebracht,
wo ihm in einem prächt’gen Zimmer
sei Bett stand in Glanz und Schimmer...
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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

An den Sünden, die Parzival auf seiner ersten Aventiure-Fahrt


auf sich geladen hat, hebt WOLFRAM das Absichtslose,
Unwissentliche hervor und betont so gegenüber persönlicher Schuld
die grundsätzliche Sündhaftigkeit des Menschen seit Adam
(Erbsünde), die Schuldhaftigkeit allen menschlichen Handelns. Diese
zerstört auch Parzivals höfisches Ansehen, bis sich seine
ursprünglliche Berufung zum Gralskönig – nach Phasen des Hasses
auf den als ungerecht empfundenen Gott – durch seine
Sündenerkenntnis und Treue, schließlich auch durch sein neues
Vertrauen auf Gottes triuwe doch noch erfüllt. Damit findet die
stufenweise Harmonisierung von höfischer Welt und christlichem Gott
in der die Spannung lösenden Heiterkeit des Humors ihren prägnanten
Ausdruck. Parzivals Begegnung mit seinem schwarzgefleckten
Halbbruder Feirefiz – Frucht der Ehe des Gahmuret mit der
heidnischen Mohrenkönigin Belakane – sowie dessen Taufe und seine
Heirat mit der Gralsträgerin Repanse de Schoie, der Schwester des
durch Parzival geheilten Anfortas, geben dieser utopischen
Gralsherrschaft am Ende des Romans eine universale, theokratische
Perspektive.
Am nächsten Tag findet Parzival die Burg verlassen vor. Er reitet
eilig durch das geöffnete Tor hinaus, wobei ein Knappe hinter ihm her
ruft, er sei mundfaul, weshalb ihm die hohen Ehren versagt geblieben
seien, und schlägt das Tor zu.
Kurz darauf begegnet er Sigune, von der er erfährt, daß er auf der
Gralsburg gewesen, daß der weißhaarige Greis sein Ahnherr Titurel
und der kranke König sein Oheim Amforats seien. Er hat allerdings
die Mitleid bezeugende Frage nicht gestellt, die seinem Onkel
Gesundheit und ihm Ehre hätte einbringen können. In Gedanken
vertieft, reitet er fort, und als er drei Tropfen Blut im Schnee sieht,
erinnert er sich an seine Frau und bleibt in Gedanken versunken, bis
Gawan, ein erfahrener Ritter der Tafelrunde, die Blutstropfen
verdeckt. Beide erreichen den Hof des Königs Artus, wo Parzival in
die Tafelrunde aufgenommen werden soll. Die Aufnahme erweist sich
jedoch als nicht möglich, da die Gralsbotin erscheint und ihn wegen
des Versäumnisses in der Gralsburg verflucht. Parzival ist sich
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

keinerlei Schuld bewußt, reitet aber von der Tafelrunde weg, um sie
durch seine Anwesenheit nicht zu entehren. Vier Jahre lang irrt er
umher, heimgesucht von der Sehnsucht nach seiner Gattin und vom
Verlangen nach dem Gral. Er will aber nicht zu seiner Frau zurück
kehren, bis er nicht den Gral gefunden hat. Er trifft einen frommen
Ritter, der ihn zu einem Einsiedler schickt. Das ist Trevrizent, der
Bruder des Gralskönigs Amfortas und Herzeloydens. Zu ihm geht
Parzival, um sich über die Sehnsucht nach seiner Gattin, nach dem
Gral und über seinen Abfall von Gott zu beklagen. Da schildert
Trevrizent die Wunder des Grals.

(Trevrizent berichtet von dem Gral)


“Nun, so vernehmt!” sprach Parzival,
“mein höchstes Leid ist um den Gral,
danach um mein geliebtes Weib;
auf Erden hat kein schönrer Leib
an einer Mutter Brust gelegen.
Den beiden drängt mein Herz entgegen.” –
“Ihr redet, Herr, aus rechtem Sinn,
sehnt Ihr nach Eurem Weib Euch hin.
Eint euch ein ehlich treues Leben,
dürft Ihr nicht von der Hölle beben:
Ihr seid bewahrt vor ihrer Qual.
Doch strebt Ihr wirklich nach dem Gral,
muß Eure Einfalt ich beklagen.
Denn niemals wird den Gral erjagen
ein irdscher Mann, den nicht zuvor
des Himmels Ratschluß auserkor.
Glaubt mir, laßt Euch den Wunsch vergeh’n!
Ich weiß es, hab’ es selbst geseh’n.” –
“Wie?” fragt der Degen, “wart Ihr da?” –
Und Trevrizent erwidert: “Ja.” –
Der Held verriet mit keinem Laut,
daß einst auch er den Gral geschaut,
und bat nur, daß er künde,
wie’s mit dem Grale stünde.
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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Sein Wirt sprach: “Mir ist wohl bekannt,


es wohnt gar manche tapfre Hand
auf Munsalvaesche bei dem Gral,
und rastlos zieh’n durch Berg und Tal
sie, die Templeisen, in die Weite.
Ob Sieg, ob Fall ihr Los im Streite,
sie tragen alles mit Geduld;
sie tun’s um ihrer Sünden Schuld.
Doch soll ich Kunde geben,
wovon die Helden leben,
so sag’ ich Euch; sie speist ein Stein
die man, wenn Ihr sie noch nicht kennt,
von einer Art so hehr und rein,
Lapis electrix benennt.
Er ist es, der das Wunder tut,
stürzt sich der Phönix in die Glut
und hebt sich aus der Asche wieder;
in Flammen mausernd sein Gefieder
strahlt er verjüngt so schön wie eh.
Auch wurde keinem Mann so weh,
kommt dieser Stein ihm zu Gesicht,
stirbt er die nächste Woche nicht,
und von dem Tag an altert er
in Farb’ un Antlitz nimmermehr.
Ein jeder blüht, sei’s Mann, sei’s Maid,
wie in des Lebens bester Zeit,
mag er zweihundert Jahr ihn schau’n,
nur daß die Locken ihm ergrau’n.
So gibt dem Menschen dieser Stein
die Kraft, daß er von Fleisch und Bein
jung bleibt trotz der Jahre Zahl,
und dieser Stein heißt auch der Gral.
Zu ihm kommt eine Sendung heut,
die seine höchste Kraft ihm beut;
denn am Karfreitag jedes Jahr
zeigt sich ein Anblick wunderbar:
weiß aus blauen Himmelshöh’n
78
Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

fliegt eine Taube leuchtend schön


und bringt herab zu diesem Stein
eine *Oblat weiß und fein;
die legt sie auf dem Steine nieder
und schwingt sich auf zum Himmel wieder.
Davon ist ihm die Macht gegeben,
mit paradiesisch reichem Leben
in Speisen und Getränken
die Seinem zu beschenken,
daß alles frei der Wunsch genießt,
was Duftiges von Früchten sprießt,
und was von Wild auf Erden lebt,
läuft, schwimmt und in den Lüften schwebt.
Die Pfründe gibt des Grales Kraft
der ritterlichen Bruderschaft.
Doch höret auch, wie man vernimmt,
wer für des Grales Dienst bestimmt.
Schriftzüge an des Steines Rand
verkünden, wie der ist genannt
und welch Geschlecht ihn hat geboren,
der zu der sel’gen Fahrt erkoren,
es seien Mägdlein oder Knaben.
Die Schrift brauch niemand abzuschaben;
kaum hat den Namen man gelesen,
verschwindet sie wie nie gewesen.
So viel dort der Erwaschsnen sind,
sie kamen alle hin als Kind.
Wohl ihr, die solch ein Kind gebar,
das dienen darf in dieser Schar!
Ergeht der Ruf an arm, an reich,
bei allen ist die Freude gleich.
Man holt sie weitum in den Landen.
Von allen Sünden, allen Schanden
sind sie behütet hier hinfort,
und reicher Lohn harrt ihrer dort.
Denn ihnen wird nach diesem Leben
des Himmels Herrlichkeit gegeben.
79
Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Im Heer der Engel waren


einst hocherlauchte Scharen;
die standen teilnahmslos beiseit,
als Luzifer mit Gott im Streit.
Zur Strafe mußten sie auf Erden
des Steines erste Hüter werden.
Ob ihnen Gott die Schuld erließ,
ob er noch tiefer sie verstieß,
nicht weiß ich’s. Nahm im Zeitenlauf
er wieder sie zu Gnaden auf,
die Gnade wie das Recht ist sein.
Seitdem bewahrten jenen Stein
die Hüter, die Gott selbst benannte
und ihnen seinen Engel sandte.
Seht, Herr, so steht es um den Gral.” –
“Wenn Ritterschaft”, sprach Parzival,
zugleich der Seele Seligkeit
sich samt des Leibes Ruhm im Streit
erjagen kann mit Schild und Schwert,
stets hab’ ich Ritterschaft begehrt.
Ich stritt, wo ich zu streiten fand;
auch sind die Taten meiner Hand
vom Ruhme nicht mehr allzu weit.
Versteht sich Gott auf rechten Streit,
so soll er mich zum Gral ernennen.
Fürwahr, sie sollen bald mich kennen:
wer Kampf sucht, findet ihn bei mir -”
“Herr”, sprach der Wirt, “dort müßtet Ihr
vor zu hochfahrendem Gebaren
mit sanftem Willen Euch bewahren...”
(Übertragen von WILHELM HERTZ)

Getröstet und mit Gott ausversöhnt, verläßt Parzival den


Einsiedler Trevizent, der ihn versichert, daß er den Gral finden werde,
wenn er mit Mut und mit Glauben an Gott weiterziehe.

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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Viele Kapitel schildern Gawans Leben, bis er Parzival trifft.


Parzival zeigt seine Überlegenheit gegenüber Gawan und besiegt
dessen Gegner. Nun wird er als tapferster Ritter in Artus Tafelrunde
aufgenommen. Jetzt lernt er die schönen Frauen an Artus Hof kennen
und entdeckt den Minnedienst, doch die Frauen wecken erneut seine
Sehnsucht nach seiner Gattin und nach dem Gral. Infolge dessen zieht
er wieder nach dem Gral, um dadurch auch seine Frau erneut
gewinnen zu können. Unterwegs trifft er seinen Halbbruder Feirefiz
und, ohne ihn zu erkennen, fordern sie sich zum Zweikampf auf.
Obwohl Parzivals Schwert zerspringt, wird er nicht getötet, schließlich
erkennen sie einander.
Parzivals *Läuterung ist endlich vollendet: die Gralsbotin
verkündet, daß die Gralsinschrift ihn als König bezeichnet hat. Mit
Feirefiz zieht er dann zur Gralsburg, wo er die entscheidende Frage
stellt. Amfortas wird gesund und Parzival Gralskönig. Anstelle der
drei Bluttropfen findet er seine Gattin mit seinen zwei Zwillingen
Kardeiß und Loherangrin. Von nun an, so wird vom Grale bestimmt,
dürfen die von Munsalvaesche ausgesandten Ritter keine Frage nach
ihrer Herkunft gestatten. Loherangrin wird später zur Herzogin von
Brabant geschickt und durch eine solche Frage wieder vertrieben.
Feirefiß wird durch die Gralswunder bewogen, sich taufen zu lassen,
und gewinnt die Gralsträgerin Repanse zur Gattin.
WOLFRAM betrachtet die dichterische Arbeit als ritterliche
Tätigkeit, nicht als Zeichen von Bildung, wie dies bei HARTMANN
VON AUE geschah. Deshalb ist seine Sprache deutlicher,
verständlicher als die gepflegte Stilkunst des HARTMANN. Parzifal
gehört zu den meistgelesenen Werken des Mittelalters: Neben
RICHARD WAGNERS musikalischem Drama gleichen Namens werden
GOETHES Faust und DAS NIBELUNGENLIED oft als vergleichbare
Werke genannt.

GOTTFRIED VON STRASSBURG: Tristan

81
Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Das Werk GOTTFRIED VON STRASSBURGS Tristan wurde nicht


von Anfang an begeistert aufgenommen, obwohl der Autor als der
drittgrößte Epiker des Hochmittelalters gilt. Die Germanisten des 19.
Jahrhunderts bezeichneten dieses Werk als unmoralisches, schlüpfrig-
elegantes Erotikon. Dabei war Tristan eigentlich der kunstvollste und
in seiner Psychologie der modernste Roman jener Generation. An
diesem Roman schrieb GOTTFRIED wahrscheinlich bis zum Jahre
1210, als ihn der Tod ereilte.
Der Autor selbst wurde dadurch bekannt, daß sein Fragment
gebliebenes Werk von späteren Dichtern, die seinen Namen
überlieferten, aufgegriffen und fortgesetzt wurde. In den späteren
Handschriften wurde er als meister – und nicht als her – bezeichnet,
was bedeutet, daß er ein Bürger, ein Schulmeister oder sogar ein
Kleriker war, um seiner hohen akademischen Bildung nach zu
urteilen. Daß eigentlich ein Stadtbürger in den Adelsstand erhoben
wurde, ist etwas Neues für diese Zeit und spiegelt den Aufschwung
der Städte und das wachsende Selbstbewußtsein des Bürgerstands
wider.

82
Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

GOTTFRIED VON STRASSBURG galt unter den Dichtern seiner


Epoche als der größte Gelehrte, der im theologischen, antiken und
französischen Schrifttum seiner Zeit sehr belesen war. Für sein Werk
wählte er die in Bruchstücken erhaltene altfranzösische Version des
Tristan-Romans von THOMAS VON BRETAGNE als Vorlage. Diese
wird aber nicht einfach übernommen und übersetzt, sondern
GOTTFRIED bearbeitet den Stoff, allegorisiert, kommentiert das
Geschehen, um es so zu vertiefen, psychologisch zu veranschaulichen
und ins Allgemeingültige zu erheben.

83
Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

GOTTFRIED VON STRASSBURG wird im Rahmen des höfischen


Romans als Antipode von WOLFRAM VON ESCHENBACH betrachtet.
Während der letzte seine Kunst durch originelle, phantasievolle
Erzählungen und durch die Tiefe seiner ethisch-religiösen Gedanken
ausdrückt, ist GOTTFRIED VON STRASSBURG ein Meister der
poetischen Form, ein Stilist, der den Stoff, wie ihn die Vorlage
überlieferte, in eine kunstvolle Darstellung umarbeitete. In Tristan
wird das höfische Ideal zugunsten der absoluten Minne relativiert. Bei
GOTTFRIED begegnet man einer wesentlich radikaleren
Problematisierung der höfischen Welt- und Liebesauffassung. Diese
höfisch-gekünstelte Position konfrontiert er durchaus kritisch mit der
esoterischen, nur der Lesergemeinde der “edelen herzen”
zugänglichen, Mann und Frau gleichstellenden, seelisch-sinnlichen
Liebe von Tristan und Isolde. Diese zweckfreie, absolute Liebe *um
ihrer selbst willen steht nicht nur im Gegensatz zur Sexualethik der
Kirche und zur feudalen Ehe, wie sie König Marke mit Isolde
eingegangen ist, sondern auch im Gegensatz zur einseitigen,
belohnungfordernden Dienstminne des Minnesangs. Für ihre
plötzliche Unausweichlichkeit steht der Minnetrank. Die Minne
sprengt bei GOTTFRIED alle Konventionen und moralischen
Kategorien und bringt die Ganzheit zweier zum Leben aufeinander
angewiesener Menschen zum Vorschein. Seine Auffassung von Minne
gibt er in Glossen und Exkursen wieder. Wie in WOLFRAMS Parzival
der heilige Gral Sinn und Ziel allen Strebens wird, stellt GOTTFRIED
VON STRASSBURG die wahre Liebe als höchsten Wert des zu
vollkommener
Im Prologsittlicher
deutet GReife gelangten
OTTFRIED Menschen seines
das Programm dar. Romans an,
wobei die neue Qualität der Liebe, die er dem höfischen Ideal
entgegenstellt, eine außergewöhnliche Faszination ausstrahlt.

Ich han mir eine unmüezekeit


der werlt ze liebe vür geleit
und edelen herzen z‘einerhage,
den herzen, den ich herze trage,
der werlde, in die min herze siht.
ine meine ir aller werlde niht
als die, von der ich hoere sagen,
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

diu keine swaere enmüge getragen


und niwan in vröuden welle sweben.
die laze ouch got mit vröuden leben !
Der werlde und diseme lebene
enkumt min rede niht ebene.
ir leben und minez zweient sich.
ein ander werlt die meine ich,
diu samet in eime herzen treit
ir süeze sur, ir liebez leit,
ir herzeliep, ir senede not,
ir lebez leben, ir leiden tot,
ir lieben tot,ir leidez leben.
(Verse 45-63; 204-240)

...
swem nie von liebe leit geschach
dem geschach ouch liep von liebe nie.
liep unde leit waren ie
an minnen ungescheiden.
man muoz mit disen beiden
ere unde lop erwerben
oder ane sie verderben.
von den diz senemaere seit,
und haeten die durch liebe leit,
durch herzewunne senedez clagen
in einem herzen niht getragen,
sone waere ir name und ir geschiht
so manegem edelen herzen niht
ze saelden noch ze liebe komen
uns ist noch hiute liep vernomen
süeze und iemer niuwe
ir inneclichiu triuwe
ir liep, ir leit, ir wunne, ir not;
al eine und sin si lange tot,
ir süezer name der lebet iedoch
85
Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

und sol ir tot der werlde noch


ze guote lange und iemer leben,
den trluwe gernden triuwe geben,
den ere gernden ere:
ir tot muoz iemer mere
uns lebenden leben und niuwe wesen;
wan swa man noch hoeret lesen
ir triuwe, ir triuwen reinekeit,
ir herzeliep, ir herzeleit,
Deist aller edelen herzen brot.
hie mite so lebet ir beider tot.
wir lesen ir leben, wir lesen ir tot
und ist uns daz süeze alse brot.
Ir leben, ir tot sint unser brot.
sus lebet ir leben, sus lebet ir tot.
sus lebent si noch und sint doch tot
und ist ir tot der lebenden brot ...
(204-240)

[Ich habe mir eine Arbeit


der Welt zuliebe vorgenommen,
um den edlen Herzen zu gefallen,
den Herzen, für die ich ein Herz habe,
und der Welt, in die mein Herz blickt.
Ich meine nicht all derer Herzen,
von denen ich sagen höre,
daß sie kein Leid ertragen können
und stets nur in Freuden schweben wollen.
Die lasse Gott auch in Freuden leben !
Zu solchen Leuten und zu solcher Lebensweise
fügt sich meine Geschichte nicht glatt.
Deren Lebensweise und die meine sind entzweit !
Andere Menschen meine ich,
die beides in ihrem Herzen tragen
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

süße Bitterkeit [Säure], liebes Leid,


Herzensfreude und Sehnsuchtsnot,
glückliches Leben und leidvollen Tod,
glücklichen Tod und leidvolles Leben...
Wem nie um der Liebe willen Leid geschah,
dem widerfuhr auch nie Glück durch sie.
Glück und Leid waren von jeher in der Liebe ungeschieden.
Man muß mit ihnen beiden
Ehre und Ruhm erwerben
oder ohne beides umkommen.
Wenn die, von denen diese Geschichte von Liebesglück und -leid
/berichtet,
das Leid um ihrer Liebe willen,
ihr bitteres Klagen um ihrer Herzenswonne willen
nicht in einem Herzen ertragen hätten,
so würden ihr Name und ihre Geschichte
nicht so vielen edelen Herzen Glück und Freude bedeuten können.
Noch heute ist es uns lieb,
angenehm und immer neu,
von ihrer inniglichen Treue zu hören,
ihrem Glück, ihrem Leid, lhrer Seligkeit, lhrer Not;
auch wenn sie schon so lange tot sind,
ihr süßer Name lebt dennoch weiter.
Die Geschichte ihres Todes soll den Menschen
zu Nutzen lang und immer weiter leben,
den Treue Suchenden Treue zeigen,
den Ehre Suchenden Ehre:
ihr Tod soll auf immer
uns Lebenden lebendig neu bleiben;
doch wo man noch vortragen hört,
von ihrer Treue, der Reinheit ihrer Treue,
ihrem Herzensglück und ihrem Herzeleid,
da finden alle edelen Herzen Brot.
Damit lebt ihr beider Tod.
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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Wir lesen von ihrem Leben, wir lesen von ihrem Tod,
und das ist uns so süß wie Brot.
Ihr Leben, ihr Tod sind unser Brot.
So lebt ihr Leben, lebt auch ihr Tod.
So leben sie noch und sind doch tot,
und ist ihr Tod den Lebenden Brot ...]

Der Roman besteht aus drei wichtigen Teilen. Der erste Teil
berichtet über die Liebe zwischen den Eltern Tristans: dem Vater,
Rivalin, Fürst von Parmenien, der auf dem Schlachtfeld fällt, und der
Mutter, Blanchefleur, der Schwester König Markes von Cornwall, die
bei der Geburt stirbt. Des Sohnes nimmt sich der treue Marschall Rual
an, der ihn Tristan (Traurig) nennt, weil er unter den traurigsten
Umständen geboren wurde. Von Rual wird er vorbildlich erzogen, in
den Wissenschaften und Fremdsprachen ausgebildet, in Gesang und
Saitenspiel ebenso wie in allen höfisch-ritterlichen Fertigkeiten. Nach
einigen Ereignissen gelangt Tristan an den Hof König Markes, der ihn
als Edelknaben aufnimmt. Durch seine vollkommenen höfischen
Tugenden macht er sich dort beliebt und nach einigen Jahren, als Rual
nach Cornwall kommt, erfährt Marke, daß er eigentlich sein Neffe ist.
Infolge dessen wird Tristan von Marke zum Ritter geschlagen.
Der Autor appeliert an das "edele herze" des Publikums, damit es
dem Liebespaar Tristan und Isolde verzeiht. Die beiden intrigieren
unter der Wirkung eines Zaubertranks gegen Isoldes Mann, König
Marke. Man kann dabei die Auflösung der geordneten ritterlich-
höfischen Gesellschaft bereits erkennen: Die Macht der Leidenschaft
drängt bis dahin unverzichtbare und unantastbare höfische und
religiöse Verhaltensnormen in den *Hintergrund.
Der irische König, der Marke besiegt hatte, schickt nämlich den
Bruder seiner Frau Isolde, den gewaltigen Morolt, den Tribut nach
Irland zu bringen. Tristan tötet ihn im Kampf, aber wird von dessen
vergifteten Schwert verletzt. Nur noch seine Schwester konnte ihn
heilen, so daß er als Spielmann unter dem Namen Tantris nach Irland
zieht. Dort bezaubert er alle mit seiner Musik und wird auch geheilt.
In Irland hält er sich noch ein halbes Jahr auf und erteilt der

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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

blondhaarigen Tochter Isolde Musikunterricht. Nachher kehrt er nach


Cornwall zurück und wird von König Marke als sein Erbe eingesetzt.
Als die großen des Landes deutlich zeigen, daß sie mit diesem
Entschluß nicht zufrieden sind, empfiehlt Tristan seinem Oheim zu
heiraten. Er erzählt ihm begeistert über die Schönheit Isoldes und
bietet sich an, für ihn um sie zu werben.
In Irland als Kaufmann verkleidet angekommen, tötet Tristan
einen Drachen, der das Land verwüstete und für dessen Vernichtung
Isoldes Hand ausgesetzt war. Als unableugbaren Beweis für seinen
Sieg nimmt Tristan die Zunge des Drachens mit, fällt jedoch in
Ohnmacht, als er den giftigen Dunst aus dem Hals des Tieres spürt.
Ein *Truchseß nimmt aber den Kopf und prahlt damit, daß er den
Drachen vernichtet hätte. Tristan entlarvt ihn aber als Betrüger und
wird schließlich von den beiden Frauen erkannt. Die junge Isolde stellt
zugleich fest, daß er ihren Oheim Morolt getötet hat. Sie wird von der
Königin und ihrer *Kammerzofe Brangäne besänftigt, so daß sie
Tristans Wunden heilen. Tristan spricht nun seine Werbung für König
Marke vor und, obwohl Isolde Tristan gerne hatte, gelingt es ihm
schließlich, Isoldes Zusage zu erwirken.
Um sicher zu sein, daß alles wieder seinen ordentlichen Gang
nehmen wird, bereitet die Königin einen besonderen Liebestrank, den
Isolde und Marke nach ihrer bevorstehenden Vermählung trinken
sollten. Die einzige, die aber um die eigentliche unheilvolle Wirkung
des Zaubertranks weiß, ist Brangäne. Auf der Heimfahrt geschieht
jedoch ein Unglück, so daß Isolde und Tristan von diesem Getränk
trinken, ohne daß Brangäne etwas davon weiß, und hoffnungslos der
Minne verfallen.

(Der Minnetrank)
So strichen denn die Kiele hin
Sie hatten gleich von Anbeginn
guten Wind und gute Fahrt.
Jedoch den zarten Frauen ward,
Isot und dem Gesinde
im Wasser und im Winde

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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

von ungewohnter Mühsal bang;


bald brachte sie des Schiffes Gang
in eine nie gekannte Not.
Tristan, der Schiffer Herr, gebot,
am Lande anzulegen,
um dort der Ruh zu pflegen.
Man hielt an eines Hafens Strand;
zur Kurzweil ging das Volk ans Land,
und still und einsam ward's an Bord.
Tristan aber kam sofort
ins Kämmerlein der Frauen,
um nach Isot zu schauen,
und als er bei den Lichten saß
und plauderte bald dies, bald das
von ihrer beider Dingen,
hieß er zu trinken bringen,
Nun war da bei der Königin
niemand in der Kammer drin
als ein'ge kleine Mägdelein,
von denen rief eins : Hier steht Wein,
ein Glas voll, seht, in diesem Schrank. –
Wohl glich dem Weine dieser Trank:
Ach, leider nein, es war kein Wein,
es war die ungestillte Pein,
die endlos heiße Herzensnot,
von, der einst beide lagen tot.
Doch arglos sprang das Kind empor,
zog den verborgnen Trank hervor
und reicht' ihn seinem Meister hin;
der bot ihn erst der Königin.
Ungern und nur auf sein Begehr
trank sie, und danach trank auch er,
und beide wähnten, es sei Wein.

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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Inzwischen trat Brangäne ein;


die hatte kaum das Glas gesehn,
so wußte sie, was hier gescheh'n.
Da fuhr ihr durch die Glieder
der Schrecken lähmend nieder,
und ihr Gesicht war totenbleich.
Mit totem Herzen ging sie gleich,
nahm das unsel'ge Glas zur Hand
und warf es von des Schiffes Rand
ins Toben der empörten See.
"O weh, mir Armen! rief sie, weh,
daß ich zur Welt je ward geboren!
Wie hab' ich Ehr' und Treu verloren!
Weh immerdar mir Armen!
Das möge Gott erbarmen,
daß ich zu dieser Reise kam,
daß mich der Tod nicht mit sich nahm,
als ich zu dieser Unglücksfahrt
hier mit Isot beschieden ward!
O weh Tristan, o weh Isot,
der Trank ist euer beider Tod! –
Doch als die Jungfrau und der Mann,
als nun Isolde und Tristan
den Trank getrunken, was geschah?
Gleich war der Welt Unruhe da,
Minne, die Herzensjägerin,
und schlich zu ihren Herzen hin.
Sie ließ, eh beide sich's verseh'n,
ihr Siegspanier darüber weh'n
und unterwarf sie mit Gewalt.

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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Eins und einig wurden bald,


die zwei gewesen und entzweit.
Nun hatten sie nach langem Streit
in raschem Frieden sich gefunden.
Der Haß Isoldens war geschwunden:
Minne, die Versöhnerin,
die hatte ihrer beider Sinn
von Hasse so gereinigt,
in Liebe so vereinigt,
daß eins dem andern hell und klar,
und lauter wie ein Spiegel war.
Sie hatten nur ein einz'ges Herz:
Isoldens Leid war Tristans Schmerz
und Tristans Schmerz Isoldens Leid.
Sie einten sich für alle Zeit
in Freude und in Leide
und hehlten sich's doch beide.
Das tat die Scham, daß sie nichts sagten
der Zweifel tat's, daß sie verzagten,
sie an ihm und er an ihr.
Und riß auch ihre Herzensgier
nach einern Ziel sie blindlings fort
sie bangten vor dem ersten Wort.
Drum blieb in Scheu und Sorgen
ihr Sehnen noch verborgen.
Als Tristan fühlt' der Minne Bann,
da rief er Treu und Ehre an.
Und diese beiden mahnten ihn,
vor ihrer Lockung zu entflieh'n.
Nein, dacht' er fort und fort bei sich,
sei standhaft,Tristan, hüte dich!
Laß ab und schlag dir's aus dem Sinn. –
Doch drängte stets sein Herz dahin.
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Mit seinem Willen kämpft' er schwer,


begehrte wider sein Begehr:
es zog ihn ab, es zog in an.
So wand sich der gefangne Mann
und suchte aus den Schlingen
sich mühsam loszuringen
und hielt sich tapfer lange Zeit.
Es ging dabei ein zweifach Leid,
seinem treuen Herzen nah
wenn er in ihre Augen sah
und ihm die süße Minne
verzehrte Herz und Sinne
mit ihrem holden Angesicht,
so dacht' er an der Ehre Pflicht
und die entriß ihn ihrem Bann.
Gleich griff ihn Minne wieder an,
seine Erbekönigin,
und trieb ihn wieder zu ihr hin.
Bedrängt ihn Ehr' und Treue schwer,
Minne bedrängt ihn doch noch mehr;
sie tat ihm mehr zu leide
als Treu' und Ehre beide.
Schaute sein Herz sie lachend an,
so blickte weg der treue Mann
doch sollt' er sie nicht sehen,
wollt' ihm das Herz vergehen.
Oft, wie Gefangne sinnen,
oft sann er zu entrinnen
und dachte : Sieh nach andern,
laß dein Begehren wandern
und liebe, was sich lieben läßt! –
Da hielt ihn stets die Schlinge fest.

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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Oft prüft' er sorgsam Herz und Sinn,


als spürt' er eine Wandlung drin:
doch fand er nur darinne
Isolden und die Minne.
Nicht anders war es mit Isot.
Sie kämpfte mit derselben Not;
auch ihr war Angst und Weh zu Mut.
Kaum fühlt sie in der weichen Flut
der zauberischen Minne
versinken ihre Sinne,
da – in jähem Schreck und Graus
spähte sie nach Rettung aus
und wollte schnell auf und davon:
jedoch verloren war sie schon,
und haltlos sank sie nieder.
Sie sträubte sich dawider,
suchte nach allen Enden
mit Füßen und mit Händen
und wandte sich bald hin, bald her;
doch so versenkte sie nur mehr
die Hände und die Füße
tief in die blinde Süße
des Mannes und der Minne.
Wie die gefangnen Sinne
sich mochten dreh'n und regen,
auf allen ihren Wegen,
– auf jedem Schritt, auf jedem Tritt
ging Minne, ihre Herrin, mit,
rund alles, was sie dacht' und sann,
war Minne nur und nur Tristan.

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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

In Cornwall heiratet Isolde Marke und in der ersten Nacht legt


sich die Kammerzoffe, um die Wahrheit zu vertuschen, zu Marke, der
nichts ahnt.

(Die Hochzeitsnacht)
Nu si dem site gegiengen mite,
beidiu getrunken nach dem site,
diu junge künigin lsot
diu leite sich mit maneger not,
mit tougenlichen smerzen
ir muotes unde ir herzen
zuo dem künege ir herren nider.
der greif an sine vröude wider:
er twanc si nahe an sinen lip.
in duhte wip alse wip:
er vant ouch die vil schiere
von guoter maniere.
ime was ein als ander:
an ietwederre vander
golt unde messinc.
ouch leistens ime ir teidinc
also dan und also dar,
daz er nie nihtes wart gewar.

[Als sie dem Brauch gefolgt waren,


und beide, wie es sich gehörte, getrunken hatten,
die junge Königin Isolde,
die legte sich mit manchem Kummer,
mit heimlichen Schmerzen
ihres Geistes und ihres Herzens
zu dem König, ihrem Herren, nieder.
Der griff an seine Freude wieder:
er zwang sie nahe an seinen Leib.
Ihm dünkte Weib soviel wie Weib:
Er empfand sie auch alsbald
95
Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

von guter Manier.


Ihm war eine wie die andere:
Er unterschied bei beiden nicht
Gold von Messing.
Auch erfüllten sie ihm ihre Pflicht,
so vorher und so auch jetzt,
daß er nie irgend etwas merkte.]

Tristan und Isolde sind aber mächtig ineinander verliebt. Obwohl


sie sich sehr darum bemühen, ihre Liebe zu verbergen, kommt Marke
diesem Geheimnis dahinter und verbannt beide in die Wildnis. Nun
kommt es jedoch dazu, daß die Liebenden in einem schwer
zugänglichen Wald eine Grotte entdecken, in der sie in
weltabgeschiedener Seligkeit höchstes Liebesglück genießen.

ouch saget uns diz maere,


diu fossiure waere
sinewel, wit, hoch und ufreht,
snewiz, alumbe eben unde sleht.
daz gewelbe daz was obene
geslozzen wol ze lobene;
oben uf dem sloze ein crone,
diu was vil harte schone
rnit gesmide gezieret,
mit gimmen wol gewieret
und unden was der esterich
glat und luter unde rich,
von grüenem marmel alse gras
ein bette in mitten inne was
gsniten schone und reine
uz cristallinem steine
hoch unde wit, wol uf erhaben,
alumbe ergraben mit buochstaben,
und seiten ouch die maere,

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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

daz ez bemeinet waere


der gottinne Minne.
zer fossiure oben inne
da waren cleiniu vensterlin
durch daz lieht gehouwen in,
diu luhten da unde hie.
da man uz und in gie,
da gienc ein tür eriniu vür;
und uzen stuonden obe der tür
estericher linden dri
und obene keiniu me derbi;
aber umbe und umbe hin ze tal
da stuonden bourne ane zal …
...
sic sahen beide ein ander an,
da generten si sich van;
der wuocher, den daz ouge bar,
daz was ir zweier lipnar;
sin azen niht dar inne
wan muot unde minne.

[Auch erzählt uns die Geschichte,


die Höhle sei
rund, weit, hoch und senkrecht,
schneeweiß und überall glatt und eben gewesen.
Das Gewölbe war oben höchst rühmenswert geschlossen;
oben als Abschluß saß eine Krone,
die war überaus schön
mit Geschmeide verziert,
mit goldgefaßten Edelsteinen.
Unten war der Boden
glatt, sauber und kostbar,
von grünem Marmor wie Gras.
Ein Bett stand in der Mitte,
schön und klar geschnitten
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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

aus Bergkristal
hoch und weit, aufragend;
rund herum waren Buchstaben eingemeißelt:,
die berichteten auch,
daß das Bett bestimmt sei
für die Göttin Minne .
In die Höhle oben
waren kleine Fensterlein
wegen des Lichts gehauen,
die leuchteten hie und da.
Wo man ein- und ausging,
da stand ein ehernes Tor davor;
und draußen, oberhalb des Tores, standen
drei astreiche Linden;
sonst keine mehr da oben.
Aber um und um, das Tal hinab
standen Bäume ohne Zahl ...
Sie sahen beide einander an,
davon ernährten sie sich;
der Gewinn, den das Auge brachte,
der war die Leibesnahrung der zwei;
sie aßen nichts in der Grotte
als Begehren und Liebe]
(Aus dem Mittelhochdeutschen von ERNST VON BORRIES)

Das Liebesglück kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß


es zugleich im Zeichen dämonischer Naturgewalt steht, die zu Schuld,
Betrug, Untreue und sündhafter Verstrickung führt. Im Zauber dieser
unwiderstehlichen Leidenschaft wird die Antinomie von Schuld und
Unschuld symbolträchtig deutlich: "ouwe Tristan unde Isot,/ diz tranc
ist iuwer beider tot."
Nach einer Zeit tut es Marke Leid für das, was er getan hat, und
ruft die Beiden zurück zum Hof. Der Zauber des Minnetrankes wirkt
aber fort, so daß Tristan endgültig des Landes verwiesen wird.

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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Er durchzieht viele Länder, erlebt viele Abenteuer, aber nichts


läßt ihn Isolde vergessen. Nur als Tristan Isolde Weißhand trifft,
glaubt er, aufgrund der verwirrenden Namengleichheit, neues
Liebesglück wiedergefunden zu haben.
Hier bricht GOTTFRIEDS Dichtung ab. ULRICH VON TÜRHEIM und
HEINRICH VON FREIBERG versuchten das Werk fortzusetzen und
erzählten, daß sich Tristans Hoffnung auf neues Glück als vergeblich
erwies. So kehrt er immer wieder zur blonden Isolde zurück, auch
nachdem er die andere geheiratet hat.
Eines Tages wird Tristan von einem giftigen Speer verwundet
und schickt nach Isolde Blondhaar, die ihn heilen soll. Die Ankunft
des Heilmittels verzögert sich und Tristan gesteht in der Zwischenzeit
alles seiner Frau. Als das Schiff in Sicht erscheint, fragt er Isolde
Weißhand, ob sie das Zeichen sehe, daß sich Isolde auf dem Schiff
befinde. Obwohl sie das positive Zeichen erblickt, sagt sie ihm, jene
sei nicht am Bord des Schiffes. Vor Kummer stirbt Tristan, und als ihn
Isolde Blondhaar erblickt, sinkt sie auch tot zu Boden. Marke, der
ihnen verzeihen wollte, kommt zu spät. Da er nun die Wahrheit kennt,
läßt er die beiden nach Cornwall bringen und nebeneinander bestatten.
Auf Tristans Graben wächst ein Rosenstrauch, auf Isoldes eine
Weinrebe. Beide wachsen in der Höhe und verschlingen sich unlöslich
über der Kapelle.
Minne, die Kraft der Liebe also, ist für GOTTFRIED VON
STRASSBURG eine menschliche Eigenschaft, eine grenzenlose
Leidenschaft, die sich über jegliche Ordnung und Konvenienz, über
Sittlichkeit und religiösen Schranken hinwegsetzt. Durch ihr Leid
gelangen die Geliebten zu einer Art "unio mystica" und vereinen sich
in der leiblich-seelischen Harmonie: "Tristan und Isot, ir und ich, / wir
zwei sîn iemer beide / ein dinc ân' underscheide."

Der Minnesang
Mit den großen Versepen setzt in der höfischen Klassik ab Mitte
des 12. Jahrhunderts eine kunstvolle Liebeslyrik ganz eigener Prägung
ein: der Minnesang. Minne bedeutete ursprünglich “Gedenken”,
innige Erinnerung und erst nachher Liebe. Die meisten Lieder des

99
Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Minnesangs (sie wurden meist gesungen – bei einigen davon hat man
auch noch die Noten gefunden) wurden in großen
Sammelhandschriften überliefert, deren kostbarste die MANNESISCHE
HANDSCHRIFT in Heidelberg ist.

Der frühe Minnesang


Den ersten Beweis der Liebeslyrik wurde durch eine TEGERNSEER
HANDSCHRIFT überliefert, in der in einer ausgeprägt einfachen
sprachlichen Form die Offenheit, die Echtheit und die Dauerhaftigkeit
der Gefühle der Liebenden zum Ausdruck gebracht werden:

Du bist min...
Du bist min, ich bin din:
des solt du gewis sin.
du bist beslozzen
in minem herzen:
verlorn ist daz slüzzelin:
du muost ouch immer drinne sin.

Ebenfalls auf eine frühe volkssprachliche Liebeslyrik verweist


das folgende Tanzlied, das in die Handschrift der CARMINA BURANA
(geschrieben vor 1250 in Süddeutschland) Eingang fand. Hier ist
besonders der "Wechsel" von Frauen- und Männerstrophe
hervorzuheben.

Chume, chume, geselle min...


Chume, chume, geselle min,
ih enbite harte din!
ih enbite harte din,
chum, chum, geselle min!

Suozer rosevarwer munt,


chum unde mache mich gesunt!
chum unde mache mich gesunt,
suozer rosevarwer munt!
100
Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

(Frauenstrophe: Komm, komm, mein Geliebter,


ich warte sehr auf dich!
Ich warte sehr auf dich,
komm, komm, mein Geliebter!)

Männerstrophe: Süßer rosenfarbener Mund,


komm und mache mich gesund!
Komm und mache mich gesund,
süßer rosenfarbener Mund!)

Die ersten namentlich bekannten Minnesänger stammen aus dem


bayerisch-österreichischen Raum. Diese erste archaisch-aristokrati-
sche Liebeslyrik unterscheidet sich in Form und Thematik von der
späteren staufisch-höfischen Minnelyrik.

DER KÜRENBERGER
Der Oberösterreicher KÜRENBERGER (nach 1150) ist der
bekannteste Vertreter des frühen Minnesangs. Sein Falkenlied zählt zu
den meistzitierten Gedichten dieser Zeit:

Ich zog mir einen Falken...

Ich zog mir einen Flaken länger als ein Jahr,


Und da ich ihn gezähmet, wie ich ihn wollte gar,
Und ich ihm sein Gefieder mit Golde wohl umwand,
Stieg er hoch in die Lüfte, flog in ein anderes Land.

Seither sah ich den Falken so schön und herrlich fliegen,


Auf goldrotem Gefieder sah ich ihn sich wiegen,
Er führte an seinem Fuße seidene Riemen fein;
Gott sende sie zusammen, die gerne getreue sich möchten sein!
(Übertragen von GOTTFRIED KELLER)

101
Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Das deutsche Mittelalter wird in hohem Maße durch den bereits


erwähnten Minnesang beherrscht. Um die Gunst der geliebten Frau zu
erlangen, die das Sinnbild des Schönen und Guten auf Erden darstellt,
wirbt und singt der Sänger-Dichter zu Ehren der "Sonne des Lebens" –
wie HEINRICH VON MOHRUNGEN die Rolle der Frau in dieser Zeit
treffend charakterisierte. Im Minnesang machten sich zwei Tendenzen
sichtbar: die hohe und die niedere Minne. In der niederen streben die
102
Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Liebenden nach körperlicher Vereinigung, nach ephemerem


sinnlichem Glück, während in der hohen die Frauengestalt meist als
unerreichbar und vollkommen erscheint. Auch wenn die Erotik nicht
verdrängt werden kann, so überwiegen in der hohen Minne schließlich
"schame" und "kiusche" gegenüber der "edlen frouwe". Dabei
verbinden sich Liebesverlangen und aufrichtig empfundenes Leid zum
ergreifenden Liebeslied.
In den staufischen Gebieten im Westen des Heiligen Römischen
Reiches Deutscher Nation entwickelte der Minnesang ein neues
Verhältnis zur Frau. Die neuen höfischen Tugenden, die der Hof
Kaiser Friedrichs I. Barbarossa aus Frankreich entlehnt hatte, ließen
neue Modelle der Liebeslyrik entstehen, für die auch in Vers- und
Strophenform das Vorbild der französischen Troubadoure bestimmend
wurde. In der hohen Minne wird die Frau – wie angedeutet – hoch
gepriesen, sublimiert zu einem Ideal an Schönheit und Tugend. Sie
wird auf einem unerreichbaren Thron gehoben, dem Ritter bleibt nur
die Anbetung aus der Ferne, auch Trauer und Not darüber, daß die
Angebetene sein Herz so ganz gefangen nimmt und so sparsam seinen
Minnedienst belohnt: nur mit einem Gruß, nur mit einem Blick. Das
Werben, der Dienst an der Frau ersetzt also die Liebeserfüllung.
Im Vergleich zur hohen Minne, bedeutet die niedere Minne ein
Zusammenwirken von Mann und Frau. Hier geht es um die einfache
Liebe, die offen ausgesprochen, offen erwidert wird und, vor allem, in
Erfüllung geht.

HEINRICH VON MORUNGEN


Der Thüringer HEINRICH VON MORUNGEN (1155-1222) gehört zu
den bildkräftigsten, "lyrischsten" unter den Minnesängern.
Wüßt‘ ich, ob ...

Wüßt‘ ich, ob es möchte wohl verschwiegen sein,


Ich ließ‘ euch sehen meine lieben Frauen:
Wer entzwei mir bräche hier das Herze mein,
Der könnte sie schön darinnen schauen.

103
Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Sie kam mir


durch die Augen sonder Tür gegangen.
Ach, könnt‘ ich von der reinen Minn‘ einmal ich sein
also würdig doch empfangen!

Riefe lange wer in einem tauben Wald,


Es kämen ihm draus der Antwort Töne.
Meine Klag‘, die ich getan so mannichfalt
Von meiner Not, hör‘ sie doch die schöne!
Klagt‘ ihr doch
oft genug mein Leid ein Bote mit Gesange!
Wehe mir, schlief denn die Liebliche bisher
oder schwieg sie allzu lange?
Es hätten wohl seitdem ein Papagei und Star
Gelernt doch, daß sie sagten „Minne“.
Ich hab‘ ihr gedient nun so manches Jahr,
Daß sie doch meiner Red‘ entsinne!
Wollte Gortt,
da sie es nicht tut, ein Wunder an ihr zu zeigen!
Leichter könnt‘ mit meiner Bitt‘ ich einen Baum
ohne Axt mir niederneigen.
(Übertragen von KARL PANNIER)

REINMAR VON HAGENAU


REINMAR VON HAGENAU (1160-1205) stammte aus einem
elsässischen Ministerialgeschlecht und wird als der reinste Verfechter
der hohen Minneidee bezeichnet.
Ich habe ihr so manches Jahr...

Ich habe ihr so manches Jahr


Gelebt, und sie mir selten einen Tag.
Davon gewinn ich noch das Haar,
Das man in weißer Farbe sehen mag.
104
Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Ihre Macht, die färbt mich weiß,


Ach zürnte sie doch andern und gäbe diese Preis.

Wähnt sie, daß ich das Herz


Von ihr wende jetzt in hellem Zorn?
Kränkt sie mich durch bittern Schmerz,
So bin ich doch anders nicht geborn.
Als daß ich dem Troste lebe,
Wie ich ihr wohl dien, und sie dem Leid ein Ende gäbe.
(Übertragen von CURT HOHOFF)

HARTMANN VON AUE


HARTMANN VON AUE (1165-1215) hatte mit ganz
konventionellen Minnegedichten begonnen, stellte jedoch nachher als
einer der ersten das einseitige Schema des Werbens und Dienens in
Frage. Im Rückgriff auf die alte Form des üblichen Wechsels von
Männer- und Frauenstrophe konnte er sich eine freiere Behandlung
des Minnethemas leisten.

Überhöhte Minne

Mancher wohl begrüßt mich so


(mäßig macht der Gruß mich froh):
“Hartmann, gehn wir schauen
ritterliche Frauen!”
Lass’ er mich nur in Frieden stehen
und mag er zu den Stolzen gehen!
Gewinn glaub ich dort nicht zu sehn,
Verdruß nur bieten sie als Lehn.
Als ich in meiner Torheit sprach
zu einer Frau im Burggemach:
“Ich wandte meine Sinne,
Herrin, auf Eure Minne”,
105
Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

ward schief ich von ihr angesehen.


Drum soll mein Blick, muß ich gestehen,
nach Frauen solcher Art nur gehn,
wo das mir nimmer kann geschehen.

Zu Edelfraun heg ich den Sinn,


daß, wie sie mir, ich ihnen bin.
Die Zeit mir zu vertreiben,
mag ich bei Mägden bleiben.
Wohin ich komm, gibt’s ihrer viel,
da find ich, die mich haben will,
die ist mein trautes Herzenspiel.
Was taugt mir ein zu hohes Ziel?
(Übertragen von KURT ERICH MEURER)

WALTHER VON DER VOGELWEIDE


WALTHER VON DER VOGELWEIDE (1170-1230) besaß die größte
und vielseitigste lyrische Begabung der höfischen Generation. Mit
seinem Namen wird auch heute noch der Minnesang assoziiert. Seine
Herkunft und sein Lebenslauf zeigen ihn als einen Dichter, dessen
gesellschaftliche Stellung, aber auch dessen Lebensunterhalt von der
Qualität seiner Werke abhing.
Mit seinem Lehrer, Reinmar, den er aus seiner Position als
Hofdichter in Wien verdrängen wollte, führte WALTHER eine
berühmte Dichterfehde. Dabei nutzte er die "moderneren" kritischen
Strömungen und protestierte gegen das sterile, weltfremde
Minneideal, das Reinmar verabsolutierte. WALTHER hatte als
Nachahmer Reinmars begonnen, aber nach 1198 änderte er infolgfe
seines Wanderlebens seine Auffassung von der Liebe. Anstelle der
vornehmen Dame – der “frouwe” – tritt das lebensvolle Mädchen auf
– das “wip”; anstelle der Unerreichbarkeit der Geliebten, die sinnliche
Hingabe. Das ästhetische Spiel und die höfische Konvention weichen
in dieser Art allmählich dem natürlichen Gefühl der echten
106
Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Lebensfülle aus. Das, was er neues bringt, ist eine Synthese aus
hohem Minnesang und volkstümlicher Liebeslyrik. WALTHER will die
Gleichberechtigung in der Liebe, die Wiederherstellung der
natürlichen Liebesbeziehungen.

Was ist Minne ...

Was ist Minne ?Wie ein Rätsel scheint


Mir ihr Wesen. Sagt, wie kommt es nur,
daß man ihretwillen oft so weint,
107
Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Wie ich‘s leider nur zu oft erfuhr?


Wahre Minne, denk ich, tut doch wohl.
Tut sie weh, ist‘s keine Minne;
Sagt mir denn, wie ich sie heißen soll.

Oder laßt mich raten, was sie ist,


Und wenn ich‘s errate, so sagt: ja!
Wenn du zweier Herzen Wonne bist
Gleichgeteilt, dann, Minne, bist du nah.
Aber wenn du ungeteilt willst sein,
Kann kein Herz allein dich tragen,
Hilf mir teilen drob, o Herrin mein!

Viel zu schwer wird mir die Liebeslast.


Willst du helfen, hilf mir mitzutragen.
Aber wenn du keine Liebe hast,
Will ich aller Bande mich entschlagen,
Daß ich wieder bin ein freier Mann.
Doch dann wisse, daß dich niemand
So wie ich im Liede preisen kann.

Gibst du Liebesleid für Liebeslust,


Dann verlang nicht Liebeslust für Leid!
Tönt mein Lied mir darum aus der Brust,
Daß du den verhöhnst, der dir‘s geweiht?
Nimmer könnt ich dann dein Herz verstehn.
Doch was red ich Aug- und Ohrenloser:
Wie kann der, den Liebe blendet, sehn?
(Übertragen von EDWARD SAMHABER)

Ich saß auf einem Steine...


Ich saß auf einem Steine
Und deckte Bein mit Beine;
108
Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

den Ellenbogen setzt ich auf


und schmiegte in die Hand darauf
das Kinn und eine Wange.
So grübelte ich lange,
wie in der Welt man könnte leben:
Die Antwort konnt‘ ich mir nicht geben,
wie man drei Dinge erwürbe,
daß keins davon verdürbe.
Der‘n zwei sind Ansehn, irdisch gut
– das oft einander Abbruch tut –,
das dritt ist Gottes Segen,
den zweien überlegen.
Die wünscht ich mir in einen Schrein.
Doch leider kann es nimmer sein,
daß Gut und weltlich Ehre
und Gottes Huld je kehre
ein in dasselbe Menschenherz.
Sie finden Hemmnis allerwärts:
Lug gibt‘s im Übermaße,
Gewalt herrscht auf der Straße,
Friede und Recht sind todeswund,
es finden keinen Schutz die drei1,
eh diese zwei2 nicht sind gesund.
(Übertragen von RICHARD SCHAEFFER)

Ich hört ein Wasser rauschen...

Ich hört ein Wasser rauschen,


den Fischlein konnt ich lauschen,
ich schaute, was erfüllt die Welt,

1
Ansehen, Reichtum und Gottes Huld
2
Friede und Gerechtigkeit
109
Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Laub, Rohr und Gras und Wald und Feld,


was kriechet und was flieget,
das Bein zur Erde bieget,
das sah ich und verkünd‘ euch das:
Nicht eins lebt ohne Kampf und Haß.
Das Wild und das Gewürme,
sie zwingen Zwistes Stürme;
auch bei den Vögeln herrschet Streit,
Doch eins ist, was Verstand gebeut:
daß man sich meint vernichtet,
wenn niemand ist, der richtet.
Sie wählen Kön‘ge, ordnen Recht,
sie setzen Herren ein und Knecht‘.
Wie steht im deutschen Lande
die Ordnung ! Welche Schande,
daß selbst die Mücke wird regiert,
doch deine Ehre sich verliert!
Bekehre dich, bekehre!
Die Krönlein brauchen Lehre,
die armen Kön‘ge drängen dich.
Herrn Philipp setzt den Waisen auf und laßt
die andern beugen sich!
(Übertragen von RICHARD SCHAEFFER)

Unter den Linden ...

Unter den Linden


An der Heide,
Da unser zweier Bette was,
Da möget ihr finden
Schöne beide
Gebrochen Blumen und Gras.
Vor dem Walde in einem Tal,
Tandaradei ! schöne sang die Nachtigall.
110
Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Ich kam gegangen


Zu der Aue,
Da was mein Friedel kommen eh;
Da ward ich empfangen:
Here Fraue,
Daß ich bin selig immer meh.
Er küßte mich wohl tausend Stund,
Tandaradei ! seht wie rot ist mir der Mund!

Da hat er gemachet
Also reiche
Von Blumen eine Bettestatt,
Des wird noch gelachet
Innigliche,
Kömmt jemand an dasselbe Pfad;
Bei den Rosen er wohl mag
Tandaradei ! merken, wo mir‘s Haupt lag.

Daß er bei mir lege,


Wüßt es jemand,
Behüte Gott, so schämt ich mich.
Was er mit mir pflege,
Nimmer niemand
Befinde das, wann er und ich,
Und ein kleines Vögelein,
Tandaradei ! das mag wohl getreue sein.
(Übertragen von JOSEPH GÖRRES)

Herzeliebes Mädchen mein...

Herzeliebes Mädchen mein,


Gott schenk dir Glück zu jeder Zeit!
Könnt ich daß gedenken dein,
111
Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

wie gern wär ich dazu bereit.


Was kann ich dir sagen mehr,
als daß dich niemand lieber hat als ich? Das macht das Herz mir schwer.

Viele tadeln mich, daß ich


an niedrer Statt nun singen will.
Wenn sie doch besännen sich,
was Liebe sei – sie schwiegen still.
Sie beglückte Liebe nie:
die nach Besitz nur und nach Schönheit lieben, weh wie lieben die!

Bei der Schönheit Haß oft wohnt,


nach Schönheit strebe nicht zu jach;
Lieblichkeit das Herz belohnt,
Der Armut steht die Schönheit nach.
Anmut macht die Frau erst schön:
daß Schönheit mache liebenswert, hat niemand noch bisher gesehen.

Ich ertrag ihn und ertrug,


trag länger deren Tadel noch:
du bist schön und hast genug.
Man sage, was man wolle, doch:
dich allein hab ich im Sinn
und nehm dein gläsern Fingerring für alles Gold der Königin.

Hast du Treu und Stetigkeit,


so bin ich ohne Sorgen gar,
daß mir jemals Herzeleid
von deinem Mutwill widerfahr.
Hast du aber diese nicht,
so möcht ich dich besitzen nimmer; weh, wenn das Herz mir bricht!
(Übertragen von RICHARD SCHAEFFER)

Mailied...
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Wollt ihr schaun, was im Maien


wunders sich bewegt?
Seht an Pfaffen, seht an Laien,
wie sich alle regt!
Groß ist sein‘ Gewalt:
hat zu zaubern er begonnen?
Wo er naht mit seinen Wonnen,
da ist niemand alt.

Alles wird uns gut gelingen!


Frohgemut nun seid,
helft mir tanzen, lachen, singen
ohne Dreistigkeit.
Wer wär jetzt nicht froh?
Ringsum alle Vögel preisen
laut den Mai mit ihren Weisen:
tun wir‘s ebenso!

Wie du alles friedlich schlichtest,


holde Maienzeit,
wie du Wald und Heide richtest
mit dem schönsten Kleid!
War es bunter je?
“Ich bin größer, du bist kleiner!”
also streitet sich mit einer
Blume leis der Klee.

Roter Mund, was dich entehret,


ist das Lachen dein.
Schäm dich, da du mich beschweret,
noch zu lachen mein.
Ist es recht getan?
Weh der verlornen Stunde –
soll von minniglichem Munde
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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

mir Unminne nahn?


Was mich hindert, froh zu werden,
das seid ihr allein.
Könnt ihr euch so hart gebärden
und ohn Gnade sein?
Wißt ihr, was ihr tut?
Zeigt euch gnädig doch, bedenket:
wenn ihr kein Gehör mir schenket,
so seid ihr nicht gut.

Löset, Herrin, mich von Sorgen,


macht mir froh die Zeit,
oder ich muß Freude borgen
Daß ihr glücklich seid!
Wollt ihr um euch sehen,
Wie die Welt so fröhlich scheine?
Könnt von euch doch eine kleine
Freude mir geschehen!
(Übertragen von RICHARD SCHAEFFER)

WALTHER VON DER VOGELWEIDE markiert Höhepunkt und


Ausklang des höfischen Minnesangs. Er war ritterlichen Standes und
führte ein unstetes, abenteuerliches, oft gefährliches Wanderleben. Für
ihn gilt es – wie bereits bewiesen – nur geteilte Liebe als begehrens-
und lobenswert, die unerreichbare angebetete Herrin reizt ihn nicht,
denn "minne ist zweier herzen wunne!" Das dichterische
Selbstbewußtsein sowie die vaterländische Gesinnung erreichen bei
WALTER einen hohen Stellenwert in einer bewegten Zeit allgemeiner
staatlicher Zerrüttung. WALTER hat Glanz und Elend des florierenden
und nun ausklingenden höfischen Zeitalters miterlebt und literarisch
verarbeitet.
Die menschlichen Gebrechen seiner Zeit, die Unstetigkeit und
Unbehaustheit seines Wanderlebens erweckten in ihm das
Bewußtsein, im Namen des gesamten Menschengeschlehts zu
sprechen. Aus diesem Bewußtsein rührt die Representativität seiner
114
Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

gesamten Lyrik her, für die abschließend auch die drei Teile seiner
großen Elegie (1227) Zeugnis ablegen sollen:

I.
Owê war sint verswunden alliu mîniu jâr!
ist mir mîn leben getroumet oder ist ez wâr?
daz ich ie wânde ez waere was daz alles iht?
dar nâach hân ich geslâfen und enweiz es niht.
nu bin ich erwachet, und ist mir unbekant
daz mir hie vor was kündic als mîn ander hant.
liut unde lant, dar inn ich von kinde bin erzogen,
die sint mir worden frömde reht als ez sî gelogen.
die mîne gespilen wâren, die sint traege und alt.
bereitet ist daz velt, verhouwen ist der walt:
wan daz daz wazzer fliuzet als ez wîlent flôz,
für wâr mîn ungelücke wânde ich wurde grôz.
mich grüezet maneger trâge, dermich bekande ê wol.
diu welt ist allenthalben ungenâden vol.
als ich gedenke an manegen wünneclîchen tac,
die mir sint enpfallen als in daz mer ein slac,
iemer mêre owê

[Oweh wohin entschwanden alle meine Jahre!


War mein Leben ein Traum, oder ist es Wirklichkeit?
Was ich immer glaubte, es sei – war all das etwas?
Dann habe ich geschlafen, und weiß es nicht.
Nun bin ich erwacht, und ich kenne nicht mehr
was mir zuvor bekannt war wie meine eigene Hand.
Leute und Land, in deren Mitte ich von Kind an aufgezogen worden
/bin,
die sind mir fremd geworden, als hätte es sie gar nicht gegeben.
Mit denen ich gespielt habe, die sind jetzt müde und alt.
Bebaut ist das Land, gerodet der Wald.
Liefe der Fluß nicht wie er einst lief –
115
Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

glaubte ich wahrlich, mein Land wäre groß.


So mancher grüßt mich überhaupt nicht mehr, der mich einst sehr
/wohl kannte:
Die Welt ist überall voller Undank.
Wenn ich so manchen strahlenden Tags gedenke
der spurlos mir entglitten ist, wie ins Wasser ein Schlag -
immerdar: oweh.]

II.
Owê wie jaemerlîche junge liute tount,
den ê vil hovelîchen ir gemüete stuont!
die kunnen niuwan sorgen: owê wie tuont si sô?
swar ich zer werlte kêre, dâ ist nieman frô:
tanzen, lachen, singen zergât mit sorgen gar:
nie kristenman gesaehe sô jaemerlîche schar.
nû merket wie den frouwen îr gebende stât;
die stolzen ritter tragend dörpellîche wât.
uns sint unsenfte brieve und fröide gar benomen.
daz müet mich inneclîchen (wir lebten ê vil wol),
daz ich nû für mîn lachen weinen kiesen sol.
die vogel in der wilde betrüebet unser klage:
waz wunders ist ob ich dâ von an fröiden gar verzage?
Wê waz spriche ich tumber durch mînen boesen zorn?
Swer dirre wünne volget, hât jene dort verlorn,
iemer mêr owê

[Oweh wie kkümmerlich geben die jungen Leute sich,


die einstmals fröhlich und wohlerzogen waren,
die verstehn sich nur noch auf Sorgen – ach warum sind sie so?
Wohin auch ich mich wende – niemand ist vergnügt:
Tanzen, Lachen, Singen vergehen ganz in Sorgen.
Nie hat ein Christenmensch eine derart klägliche Gesellschaft gesehn.
Man sehe nur, wie den Damen ihr Kopfschmuck steht;
und stolze Ritter tragen bäurische Kleidung!
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Böse Briefe sind uns aus Roma gekommen.


Das schmerzt mich zutiefst, (wir lebten einst nicht übel),
daß ich jetzt mein Lachen gegen tränen eintauschen soll.
Selbst die Vögel im wilden Wald werden bedrückt von unsrer Klage:
was Wunder daß auch ich darob alle frohe Stimmung einbüße?
Aber ach, was sage ich Narr da in meiner schlimmen Empörung!
Wer dem Glück dieser Welt nachgeht hat das ewige schon eingebüßt,
immerdar oweh.]

III.
Owê wie uns mit süezen dingen ist vergeben!
ich sihe die bittern gallen in dem honege sweben.
diu Welt ist ûzen schoene, wîz grüen unde rôt,
und innân swarzer varwe, vinster sam der tôt.
swen si nû habe verleitet, der schouwe sînen trôst:
er wirt mit swacher buoze grôzer sünde erlôst.
Dar an gedenket, ritter: ez ist iuwer dinc.
ir traget die liehten helme und manegen herten rinc,
dar zuo die vesten schilte und diu gewîhten swert.
wolte got, wan waere ich der segenunge wert!
Sô wolte ich nôtic armman verdienen rîchen solt.
joch meine ich niht die huoben noch der hêrren golt:
ich wolte saelden krône êweclîchen tragen:
die mohte ein soldenaere mit sîme sper bejagen.
möht ich die lieben reise gevaren über sê,
sô wolte ich denne singen wol, und niemer mêr owê,
niemer mêr owê.

[Oweh wie wir mit süßen Dingen vergiftet sind!


Ich sehe die bittere Galle inmitten des Honigs schwimmen.
Die Welt ist außen schön, weiß, grün und rot –
und innen von schwarzer Farbe und finster wie der Tod.
Wen aber sie verführt hat, der sehe jetzt auf seine Rettung:
mit geringer Bußleistung wird er von schwerer Sünde erlöst.
117
Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Daran denkt, ihr Ritter; es ist eure Sache.


Ihr tragt die strahlenden Helme und die harten Ringpanzer,
und dazu feste Schilde und geweihte Schwerter:
wollte Gott auch ich wäre solcher Segnung noch wert!
Dann würde ich meiner Dürftigkeit mir reichen Lohn erdienen.
Doch damit meine ich keinen Landbesitz noch das Gold der Großen:
die Krone der Seligkeit wollte ich ewig tragen!
Die konnte einst schon ein Söldner mit seiner Lanze erringen.
Könnte ich den ersehnten Zug mitfahren übers Meer,
dann würde ich freudig singen, und niemals mehr oweh,
niemals mehr oweh!]
(Übersetzt von PETER WAPNEWSKI)

Auch bei WALTHER VON DER VOGELWEIDE ist ein hohes


Selbstbewußtsein des Dichters festzustellen: "Kein deutschprachiger
Dichter des Mittelalters, nicht einmal der eigenwillige WOLFRAM,
verwirklicht sich selbst so leidenschaftlich in Versen, malt sich so
*ichbesessen in ihnen ab, bedient sich ihrer so selbstbefangen als eines
Instrumentes persönlicher Lebensbewältigung wie WALTHER. Er ist
nie selbstvergessen, ist immer selbstbedacht. Redet von und über sich,
nennt seinen Namen, drängt das 'Ich' vor: kein anderer der deutschen
Dichter damals tut das so oft, so laut, so heftig wie er." (PETER
WAPNEWSKI) Seine Lebenserlebnisse in der Gemeinschaft und im
persönlichen Liebesverhältnis ernähren eine Lyrik des edlen Gefühls
und hoher Leidenschaftlichkeit, die an die hohe Minne erinnert. Doch
die Zeit und die Umstände, die diese erst ermöglichten, gehörten
bereits der Geschichte an, so daß diese *Unzeitgemäßheit einer
existenziell erlittenen Dichtung umso tragischer anmutet.

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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

NEIDHART VON REUENTHAL

NEIDHART VON REUENTHAL (1190-1240) setzte den Schlußstrich


unter den klassischen Minnesang und kündete den Verfall der
feudalen Literatur an. Seine Lieder zerreißen die Illusion einer elitären
Standeslyrik, zerstören die vorgegebenen Minnekonstellationen,
indem sie mit den Versatzstücken derber Bäuerlichkeit parodiert
werden.

Horch auf, ich hör...

Horch auf, ich hör in der Stube tanzen.


Junge Mann,
stellt euch an!
119
Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Da ist der Frauen eine große Menge.


Hei, da sah man mächtiges Ridewanzen1.

Und zwei Geigen:


Wenn sie schweigen,
ist von Bauernburschen groß Gedränge:
denn da ward im Wechsel vorgesungen.
Durch die Fenster drang der Schall.
Adelhalm2
tanzet nur noch zwischen zweien Jungen.

Räumet aus die Schemel und die Stühle!


Heiß die Schragen
fürder tragen!
Heute wollen vom Tanze wir werden müder.
Machet auf die Stube, so ist es kühle,
daß der Wind
an die Kind
sanfte wehe durch die heißen Mieder.
Wenn die Vortänzer dann etwas schweigen,
so sollt ihr alle sein gebeten,
daß wir treten
noch ein Hoftänzel wohl nach der Geigen.
(Übertragen von FRIEDRICH SACHER)

Im Wald...

Im Wald
Klingt‘s bald

1
eine beliebte Tanzart
2
Name eines Bauern
120
Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Von kleinen süßen Vogelstimmen wieder


Und ringsum schallen alte liebe Lieder.
Wird doch in jeder Vogelbrust
Der Gram zur Lust
Im Maien –
Drum, Mädchen, kommt zum Reien!
Im Freien
Allein
Kann frohe Jugend ihre Freude finden.
Laßt uns den Lenz denn feiern bei der Linden,
Die sich in neuem Laube bauscht;
Ihr Wipfel rauscht
Schon mächtig –
Wie ist der Mai doch prächtig.

Es blinkt
Und sinkt
Der Tau leis in die Blumenaugen nieder.
Ihr hübschen Mädchen, kommt in Scharen wieder!
zu schmücken euch, sei Zeitvertreib,
Jungfrau und Weib, ihr kommt in Scharen wieder!
zu schmücken euch, sei Zeitvertreib,
Jungfrau und Weib,
Im Maien
Geziemt sich Tanz und Reien.
„Wie wollt
Ich hold
Dem Manne sein und immer ihm gewogen,“
(Sprach Udelhild, ein Mädchen wohlerzogen)
„Der Fessel löste mir und Band!
An seiner Hand
Ich spränge.
Daß Laut sein Degen klänge!

121
Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Mein Haar
Fürwahr
Hätt ich beim Tanz mit Seide schön umwunden,
Nur dem zuliebe, der mich alle Stunden
Zu sich hinwünscht nach Reuenthal.
Des Winters Qual
Muß enden.
Ihn lieb ich – wer kann‘s wenden?“
(Übertragen von RICHARD ZOOZMANN)

122
Evul Mediu timpuriu - Das frühe Mittelalter (750-1170)

DAS FRÜHE MITTELALTER


(750-1170)

Sprachgeschichtliche Grundlagen der „deutschen“ Sprache


Im Jahre 800 wurde der Frankenkönig KARL DER GROSSE von
Papst LEO III. zum Kaiser gekrönt. Als Oberhaupt des Heiligen
Römischen Reiches deutscher Nation herrschte er über ein
beeindruckend ausgedehntes Gebiet, das von Barcelona bis nach
Wien, von Rom bis Hamburg reichte.
Im Frankenreich KARLS DES GROSSEN lebten verschiedene
Volksgruppen mit sehr unterschiedlichen Sprachen: die einzelnen
germanischen Stämme hatten alle ihre eigenen Sprachen; daneben gab
es noch das nachlateinische Romanisch des ehemals römischen
Bevölkerungsteils, vor allem in der alten Provinz Gallien, dem
Westteil des Reiches.
Auf dem Gebiet des heutigen Frankreichs entstanden im Süden
das Provenzalische, im Osten das Franco-Provenzalische und im
Norden das Französische. Diese drei Sprachen gibt es heute noch. Im
Südosten des Reiches entwickelten sich durch eine gemeinsame
Lautentwicklung bei den oberdeutschen Stämmen die
althochdeutschen Dialekte: Bayrisch, Alemannisch, Teile des
Fränkischen. Die niederdeutschen Sachsen und Friesen im Norden
bewahrten weitgehend ihre Sprachen, die heute noch als Plattdeutsch
geläufig sind.
Die Anfänge der deutschsprachigen Literatur fallen ebenfalls in
die Zeit des Frühmittelalters, also in jene Epoche des Werdens, in der
nach dem Untergang des Weströmischen Reiches (476) und dem
Verfall der spätantiken Stadtkultur allmählich an der Peripherie des
Abendlandes eine neue politische Ordnung und der neue Kulturraum
des Mittelalters entstanden.
9
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

Zum Begriff „deutsch“


Es dauerte recht lange Zeit, bis sich in Deutschland eine
einheitliche Sprache der darin lebenden Stämme entwickelte. Im
frühen und späten Mittelalter war Latein die Hauptsprache, in der
Zeugnisse der Zeit aus allen bereichen des Lebens überliefert sind. Im
Jahre 843 teilten sich die Söhne LUDWIGS DES FROMMEN das Reich so
auf, so daß LUDWIG DER DEUTSCHE den östlichen Teil erhielt
(Sachsen, Ostfranken, Alemannien und Bayern), LOTHAR das
Mittelreich (Friesland, Lothringen, Elsaß, Burgund und Italien) und
KARL DER KAHLE den Westteil. Als die Linie LOTHARS ausstarb,
wurde sein Reich zwischen den beiden Brüdern aufgeteilt, so daß im
Wesentlichen die romanischen und die germanisch sprechenden
Gebiete jeweils in eine Hand kamen.

10
Evul Mediu timpuriu - Das frühe Mittelalter (750-1170)

Spätestens im 9. Jahrhundert wurde die romanische Bevölkerung


in Süddeutschland germanisiert, so daß die Grundlagen der
Entstehung einer relativ einheitlichen Sprache gelegt waren.
Diejenigen, die diese Basis schaffen, sind die Bayern und Alemannen,
die durch ihre verwandten Dialekte des Oberdeutschen die Bildung
der späteren deutschen Gesamtsprache einleiteten, die sich aber erst
im 11. Jh. herauszubilden beginnt.
Das Wort „thiutisk“ bzw. "theodisk" (von „thiot“ - das Volk), aus
dem sich die Bezeichnung „deutsch“ entwickelt hat, bedeutete noch
im 11. Jh. „volkssprachlich“, d.h. "theo-disca lingua", und verweist
auf den Gegensatz zum Lateinischen der in gebildeten Kreisen der
Geistlichkeit üblichen Verkehrssprache. „Thiusk“ bzw. "theodisk" war
ein allgemeiner Begriff, der für alle Dialekte verwendet wurde, so daß
er sich leicht als Begriff durchsetzte.
In der althochdeutschen Zeit gibt es also noch keine einheitliche
deutsche Sprache, aber der Terminus existiert schon, da er einfach und
übersichtlich ist.

Die althochdeutsche Dichtung


Die Ursprünge der germanischen Dichtung reichen in die früheste
Zeit zurück. Eine als literarisch zu bezeichnende Tradition gibt es erst
seit dem 8. Jh., als antike Überlieferung und die sich immer mehr
verbreitenden Lehren des Christentums zu ernsthaften
Auseinandersetzungen in Form von Sprüchen, Rätseln und anderen
Kleinformen Anlaß gaben. Abgesehen von der allgemeinen
Behauptung, die Poesie sei die Muttersprache des menschlichen
*Geschlechts (Johann Georg Hamann), sind die Runen (ahd. "runa" =
Geheimnis) als germanische Schriftzeichen die ersten Kunden aus
dem 1. Jh. *v. Chr. bis zum 2. Jh. *n. Chr. Die Schriftrunen wurden in
Holz, Stein oder Metall nach lateinischem Schriftvorbild geritzt. Um
400 n. Chr. entstanden die Runen eines Goldschmieds auf einem zu
Kultzwecken gedachten Trinkhorn von Gallehus. Hier sind auch die
ersten künstlerischen Elemente (wie Stabreim) festzustellen, die
bereits von einer literarischen Absicht Zeugnis ablegen.

11
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

Die altgermanische Literatur nahm die Formen einer Kultdichtung


an, die aus oft mündlich *tradierten Gebeten, Opfersprüchen,
Götterpreisliedern, Sprichwörtern, mythischen Rätseldichtungen
bestand. Zaubersprüche, aber auch Sprüche und Lieder über weltliche
Ereignisse und Erlebnisse im privaten (Hochzeit) oder
gemeinschaftlichen Bereich (Völkerwanderungen, Kriege,
Heldentaten) sind Gegenstand literarischer Bearbeitungen gewesen.
Die althochdeutsche Dichtung ist vor allem durch ihren
mündlichen Charakter geprägt. Seit der Zeit der Griechen kamen die
Sänger zu den Fürstenhöfen und spielten ihre Lieder vor: sie besangen
die Helden und ihre Taten und priesen die Götter. Sie mußten das
besungene Ereignis mehrere Tage hindurch singen und konnten
selbstverständlich nicht das ganze auswendig lernen. Was sie aber
behalten mußten, war der Handlungsverlauf. Außerdem verfügten sie
über eine besondere Dichtersprache, das heißt, sie prägten sich einige
Musterverse ein, denen sie jeweils einen neuen Sinn verliehen, indem
einige Wörter ausgetauscht wurden, an die der Sänger andere
Versatzstücke wie Bilder, Reime und Vergleiche anknüpfte. Das freie
Vortragen von Literatur und ihre mündliche Weitergabe gingen lange
mit schriftlichen Zeugnissen einher, die als Handschriften oft
verschiedene Fassungen tradierten. Die älteste bekannte Handschrift
ist die der ÄLTEREN EDDA (auch LIEDER-EDDA genannt), die etwa 30
Götter- und Heldenlieder in altnordischer Sprache enthält und im 13.
Jh. in Skandinawien entstand.
Man zählt alle überlieferten deutschen Texte des Zeitraums
(politische, religiöse Gebrauchstexte wie Gebete, Beichtformeln,
Taufgelöbnisse, Glaubenssätze, Predigten, Psalmen, aber auch
Glossen, d.h. übersetzte einzelne Wörter) zum Bestand der deutschen
Literatur. Als Stoffe galten Aspekte des religiösen, juridischen Lebens
sowie kriegerische und heldenhafte Ereignisse.
Zu den bekanntesten Heldengedichten althochdeutscher Mundart zählt
auch das HILDEBRANDSLIED, das vom Schicksal eines germanischen
gefolgschaftstreuen Kriegers berichtet. Nach dreißig Jahren in seiner
Heimat zurückgekehrt, begegnet Hildebrand seinem Sohn Hadubrand,
der den Vater nicht erkennt. Aus Gründen der Ehre müssen beide in einen
Zweikampf eintreten, dessen tragisches Ende vermutet werden kann.
12
Evul Mediu timpuriu - Das frühe Mittelalter (750-1170)

Das Gedicht zeichnet sich durch die Stabreime (Alliteration) der meist
Zweizeiler aus, die durch den Gleichklang im Anlaut der betonten
Wörter zusammengehalten werden und dadurch eine Langzeile bilden,
wobei zugleich die wichtigsten Stellen der Handlung einprägsam
hervorgehoben werden.

Die Zaubersprüche - Der Wurmsegen


- Die Merseburger Zaubersprüche
Die Zauberdichtung geht bis in die vorgeschichtliche Zeit zurück.
Die Zauberinnen beschworen zur Nachtzeit die Verstorbenen aus der
hel, dem Totenreiche, herauf und suchten sonst irgendwie auf die
Lebenden einzuwirken. In germanisch-heidnische Zeit reichen
sogenannte Zaubersprüche zurück, die den Menschen dazu dienten,
Götter sowie mythische Wesen um Hilfe gegen Krankheiten, Unglück,
Unheil und feindliche Mächte zu bitten. In einer Handschrift vom 10.
Jh., die in Merseburg aufgefunden wurde, stehen die zwei
MERSEBURGER ZAUBERSPRÜCHE (um 750), die in die vorliterarische
Zeit zurückweisen und auch nach der Christianisierung und dem
Entstehen der deutschen Schriftkultur lebendig bleiben. Sie wurden
erst im 10. Jh. von einem Mönch aufgezeichnet und enthalten
wertvolle Zeugnisse für den Glauben der Deutschen in der
heidnischen Vorzeit. Jeder Spruch besteht aus zwei Teilen. Jedem
dieser Sprüche geht eine Erzählung voraus, die von einem Fall
berichtet, in dem sich einst unter mytischen Wesen die gewünschte
Wirkung einstellte. Die Erzählung soll also die Voraussetzungen
schaffen, damit die darauf folgende Formel verstanden werden kann.
Der erste Spruch, ein Lösezauber, erzählt von Idisen (weisen
Frauen), die sich „gesetzt“, d.h. vom Fluge niedergelassen haben, um
sich zugunsten einer Partei an einer Schlacht zu beteiligen. Die einen
fesseln die gefangenen Feinde, andere hemmen das Vordringen des
feindlichen Heeres, die übrigen lösen hinter der feindlichen
Schlachtreihe die Bande der Gefangenen. In eindringlichen
Beschwörungen wird die Befreiung von Gefangenen aus ihrer Haft
(im ersten Zauberspruch) und die Heilung des verletzten Beines eines
Pferdes (im zweiten Zauberspruch) erfleht.

13
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

Der zweite Spruch führt eine ganze Göttergesellschaft auf einen


Ritt durch den Wald vor: voran Wodan - als oberster germanischer
Gott, Führer der Heere und der Totenscharen -, hinter ihm Balder mit
dem Beinamen „der Volle“ – als Gott des Tages Licht in *Hülle und
Fülle spendend. Den beiden Göttern folgen ihre Göttinen, die
Schwestern Frija und Volla mit der Sonnengöttin Sunna und mit
Sindgund. Da verstaucht sich Balders Roß den Fuß. Vergebens
beschwören die Göttinen ihre Kunst. Schließlich muß Wodan
eingreifen, worauf die Heilung gelingt.

Wurmsegen

Gang uz Nesso. mit niun nessinchilinon.


uz fonna marge. in deo adra. vonna den adrun. in daz fleisk.
fonna demu fleiske. in daz fel. fonna demo velle. in diz tulli.
(Ter Pater Noster)
[Geh aus Wurm, mit neun Würmchen,
aus dem Mark in die Ader, aus den Adern in das Fleisch,
aus dem Fleisch in die Haut, von der Haut in die Pfeilsspitze.
(Dreimal ein Vaterunser.)] 1
Die Merseburger Zaubersprüche

Eiris sâzun idisi, sâzun hera duoder.


suma hapt heptidun, suma heri lezidun,
suma clûbôdun umbi cuoniouuidi:
insprinc haptbandun, invar vîgandun!
Phol ende Uuodan vuorun zi holza.
dû uuart demo Balderes volon sîn vuoz birenkit.
thû biguol en Sinthgunt , Sunna era suister;
thû biguol en Frîia, Volla era suister;

1
Neuhochdeutsche Übersetzung; Übersetzungen werden durch eine andere Schriftart
(Garamond) gekennzeichnet und stehen in eckigen Klammern.
14
Evul Mediu timpuriu - Das frühe Mittelalter (750-1170)

thû biguol en Vuodan, sô hê uuola conda:


sôse bênrenkî, sose bluotrenkî,
sôse lidirenkî:
bên zi bêna, bluod zi bluoda,
lid zi geliden, sose gelîmida sîn!

[Einstmals setzten sich *Idise, setzten sich hierhin, dorthin und dahin,
manche *Hafte hefteten, manche lähmten das Heer (der Feinde),
manche klaubten um heilige Fesseln:
Entspring den Haftbanden, *entfahr den Feinden !

*Vol und *Wotan ritten in den Wald.


Da ward dem Fohlen Balders sein Fuß verrenkt.
Da besprach ihn *Sinthgunt (und) Sonne, ihre Schwester.
Da besprach ihn *Frija (und) *Volla, ihre Schwester.
Da besprach ihn Wotan, der es wohl konnte:
Wie die Beinrenke, wie die Blutrenke, wie die Gliedrenke:
Bein zu Bein, Blut zu Blut, Glied zu Glied,
als ob sie geleimt seien !]
(Übersetzt von FR. V. DER LEYEN)

Die Heldendichtung - Das Hildebrandslied


Das Heldenlied geht auf die Erfindung einer spannenden *Fabel
aus. Indem es etwas weiter zurückgreift oder von Menschen erzählt,
die einem fremden Stamme angehören, gründet es sich nicht mehr auf
Tatsachen, sondern auf die Sage. Die Stimmung des Heldenliedes ist
ernst und neigt zur Tragik, da auch der Sieg gewöhnlich mit schweren
Opfern erkauft wird. Das Heldenlied war nun keine Dichtung zum
Lob der Vorfahren und des eigenen Volkes, sondern verherrlichte die
heroische Gesinnung überhaupt und war somit ein erhöhter Ausdruck
des Lebens, das die Oberschicht bei allen germanischen Stämmen
führte. Allerdings konnte es bei der Unsicherheit der mündlichen
Überlieferung nicht ausbleiben, daß diese Lieder vielfach abgeändert

15
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

wurden. Mit der Zeit kam es zu Varianten, besonders wenn sie in eine
andere Mundart übertragen werden mußten.

DAS HILDEBRANDSLIED (810-820 entstanden, 830/840 von zwei


Mönchen in Fulda aufgeschrieben) ist das einzige germanische
Heldenlied, das wenigstens als Fragment erhalten blieb. Es wurde auf
die Innenseiten des Deckels eines lateinischen Gebetsbuches
geschrieben. Der Stoff basiert auf den Sagen über Dietrich von Bern,
der Hildebrand als Waffenmeister hatte. Die Ereignisse, die hier
beschrieben sind, gehören zur Zeit der Völkerwanderung: Dietrich von
Bern ist eigentlich der Ostgotenkönig THEODERICH (471-526) und Bern
steht für Verona, die zu dessen Reich gehörte. Der unbekannte Dichter

16
Evul Mediu timpuriu - Das frühe Mittelalter (750-1170)

nimmt dabei auf die Gewissensqualen der Hauptgestalten bezug, die


zwischen Heldenehre und Vaterliebe schwanken und schließlich in den
Zweikampf eintreten müssen.
Hildebrand hat seine Frau und seinen Sohn verlassen müssen und
diente als Waffenmeister unter der Führung von Dietrich von Bern.
Nach 30 Jahren kehrt dieser an der Spitze des Hunnenheeres zurück,
da Dietrich *Lehnsmann von Attila war. Die beiden Heeren treffen
sich und es stellt sich heraus, daß der unmittelbare Gegner von
Hildebrand im Zweikampf sein Sohn Hadubrand war. Das erhaltene
Fragment fängt direkt mit der Konfrontation der beiden an:

Das Hildebrandslied

Ich hörte das sagen,


daß sich ausforderten einzeln bei der Begegnung
Hildebrand und Hadubrand zwischen den Heeren beiden,
Vater und Sohn. Sie sahen nach ihrer Rüstung,
bereiteten ihre Brünnen, banden sich ihre Schwerter um,
Die Helden, über die Ringe, da sie ritten zu jenem Kampf.

Hildebrand anhub, er war der ältere Mann,


des Lebens erfahrener, zu fragen begann er
mit wenigen Worten, wer da wäre sein Vater
im Heervolk der Helden...
"... oder welches Geschlechtes du seist ?
Wenn du mir einen sagst, ich mir die andern weiß,
Kind, im Königreiche kenn ich doch allen Adel!"
Hadubrand antwortete, Hildebrands Sohn:
Das haben gesagt mir Leute von uns hier,
alte und kluge, die einstmals lebten,
daß Hildebrand heiße mein Vater: ich heiße Hadubrand.
Vordem er ostwärts ritt, floh vor *Otachers Wut
hin zu *Dietrich und seiner Degen vielen.

17
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

Da ließ er im Lande verlassen zurück


sein junges Weib im Haus,unerwachsen das Kind,
der Erbes verwaist; er ritt ostwärts fort,
weil nun Dietrich zu darben begann
nach meinem Vater; er war doch so ein freundloser Mann !

Auf Otacher war er unmäßig ergrimmt,


aber bei Dietrich der Degen liebster.
Er war immer dem Volke voran, ihm war Fechten immer zur Lust.
Kund war er kühnen Männern.
Ich glaube nicht, daß er noch lebt..."
"Nun helfe mir Gott vom Himmel droben,
daß du trotzdem nicht mit so nahe Versipptem
Verhandlung je führtest..."
Da wand er vom Arme gewundene Baugen
aus Kaisergold, so wie sie jener König ihm gab,
der Hunnen Herr: "Daß ich dir es in Huld nun gebe!"
Hadubrand sprach, Hildebrands Sohn:
"Mit dem *Gere soll man Gaben empfangen,
Spitze wider Spitze...
Du scheint mir, Hüne, alter, ein übermäßig Schlauer,
lockst mich mit deinen Worten, willst mich mit deiner Lanze werfen.

So alt wie du bist, so viel Erzbetrug führst du.


Das haben gesagt mir Seefahrende hier
westwärts übers *Wendelmeer, daß ihn wegnahm ein Kampf:
Tot ist Hildebrand, Herebrands Sohn."

Hildebrand sprach, Herebrands Sohn:


"Wohl erseh ich an deiner Rüstung,
daß du hast daheim einen Herren, einen edlen,
daß dich dieses reiche König nicht als Recken vertrieb.
Wohlan nun, waltender Gott, Wehgeschick vollzieht sich.
Ich wallte der Sommer und Winter sechzig außer Landes,
18
Evul Mediu timpuriu - Das frühe Mittelalter (750-1170)

wo man immer mich fand im Volke der Krieger,


und bei keiner Stadt doch starb ich des Todes.
Nun soll mich der eigene Sohn mit dem Eisen zerhauen,
treffen mit seinem Schwerte, oder aber ich erschlage ihn selbst.
Doch leichthin kannst du, wenn die deine Kraft dazu taugt,
mir altem Mann, abjagen die Waffen,
die Rüstung rauben, wenn du ein Recht dazu hast.
Der soll doch der ärgste der Ostleute sein,
der dir nun weigert der Kampf, wenn‘s dich so wohl danach lüstet,
den gemeinsamen Zweikampf: wenn du mußt, so versuch‘s,
wer von uns seine Rüstung räumen heut soll
oder über diese Brünnen beide walten!"

Da ritten sie erst mit den *Eschenschäften zusammen,


in scharfen Schauern, daß in den Schilden es stand.
Dann stapften zusammen die Starken im Fußkampf,
zerhieben harmlich die hellen Schilde,
bis ihnen die lindenden lützel wurden,
zerwirkt von den Waffen...
(Übersetzung von HANS NAUMANN)

Hier bricht der Text ab, aber man erfährt aus einem Fragment der
altnordischen Dichtung EDDA (Hildebrands Sterbelied genannt) wie
der Kampf zwischen dem Vater und dem Sohn endet.

(Hildebrands Sterbelied)
... Steht mir zu Häupten der Heerschild geborsten...,
sind darauf gezählt zehnmal acht,
lauter Männer, denen ich Mörder ward,
liegt hier der Sohn selbst mir zu Häupten,
Enda sproß er, den ich eigen gehabt.
Unwollend sein Ende schuf ich.

19
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

Übersetzungsliteratur, Glossare, althochdeutsche Schriften

Christentum sowie eigene Kultur und Sprache sollten auch durch


Übersetzungen angeregt werden. Religiöse Gebrauchstexte und
Bibeltexte wurden in die deutsche Sprache übertragen. Das
Althochdeutsche entwickelte sich dank der Bemühungen von
Mönchen in den Klöstern zu einer auch für den literarischen Ausdruck
fähigen Sprache. Das älteste Zeugnis deutscher Literatur ist der
ABROGANS, ein lateinisch-deutsches Wörterbuch. Die zur gleichen Zeit
entstandenen Glossen sind Übersetzungen oder Erläuterungen
lateinischer Texte. Im religiös angelegten Text TATIANS
EVANGELIENHARMONIE (um 830) wird erstmals über das Leben Jesu in
deutscher Sprache berichtet. Darin befindet sich in althochdeutscher
Sprache auch das Gebet Vater unser:

Fater unser, thu tharbist in himile, si giheilagot thin namo.


queme thín rihhi, si thín uuillo, só hér in himile ist
só si hér in erdu. Unsar brót tagalihhaz gíb uns hiutu,
inti furlaz uns unsara sculdi, só uúir fúrlazemes unsaren sculdigon,
inti ni gileitest unsih in costunga,
úzouh árlosi unsih fón ubile.

[Vater unser, du bist da im Himmel, geheiligt werde dein Name,


dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie er im Himmel geschieht,
so geschehe er auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute,
und vergib uns unsere Sünden, wie wir vergeben unseren Schuldigen,
und du mögest uns nicht in Versuchung führen,
sondern uns von Bösem erlösen.]

Die geistlichen Dichtungen - Das Wessobrunner Gebet


- Muspilli
Mit den oben erwähnten Übersetzungen und durch Glossen und
Wörterbücher wurden die Grundlagen der geistlichen Dichtung stark
gefestigt. Einige Beispiele sollen diese Behauptung untermauern. Das

20
Evul Mediu timpuriu - Das frühe Mittelalter (750-1170)

WESSOBRUNNER SCHÖPFUNGSGEDICHT oder auch WESSOBRUNNER


GEBET stammt aus dem 8. Jh. und erhielt seinen Namen nach der
Klosterbibliothek, in der es gefunden wurde. Das Gebet besteht aus
zwei Stücken: das erste, in Stabreim verfaßte Schöpfungsgedicht
beschwört die Allmacht Gottes und soll dem darauffolgenden Teil -
dem eigentlichen in Prosa verfaßten Gebet - noch mehr Nachdruck
verleihen. Beschrieben werden dabei die Erschaffung der Welt und die
Allgegenwart des Allmächtigen.

Das Wessobrunner Gebet


De poeta
Dat gafregin ih mit firahim firiuuizzo meista,
Dat ero ni uuas noh ufhimil,
noh paum... noh pereg ni uuas,
ni... nohheinig noh sunna ni scein
noh mano ni liuhta, noh der mareo seo.
Do dar niuuiht ni uuas enteo ni uuenteo,
enti do uuas der eino almahtico cot,
manno miltisto, enti dar uuarum auh manake mit inan
cootlihhe geista. enti cot heilac...

Cot almahtico. du himil enti erda gauuorahtos, enti du mannunso manac


coot forgapi, forgip mir in dino ganada rehta galaupa enti cotan uuileon,
uuistom enti spahida enti craft, tiuflun za uuidarstantanne enti arc za
piuuisanne enti dinan uuilleon za gauurchanne.

[Das erfragte ich unter den Menschen als der Wunder größtes,
daß die Erde (noch) nicht war, noch der Oberhimmel,
noch Baum... noch Berg war,
nicht irgendein..., noch die Sonne schien,
noch der Mond leuchtete, noch das herrliche Meer.
Als da gar nichts war, nicht Erde nicht Wende,
und doch war da der allmächtige Gott,
der freigebigste unter den Herrschern,
und es waren auch mit ihm mancherlei

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Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

göttliche Geister, und es war der heilige Gott.

Allmächtiger Gott, du hast Himmel und Erde geschaffen und den Menschen so viel
Gutes verliehen, verleihe mir in deiner Gnade den rechten Glauben und den guten
Willen, Weisheit und Klugheit und die Kraft, den Teufeln zu widerstehen und die
Sünde zu meiden und deinen Willen zu tun.]

Im Gegensatz zum WESSOBRUNNER GEBET ist das Thema des


bairischen Gebetes MUSPILLI der Weltuntergang, der aufrüttelnd
geschildert wird. Dabei wird auch das Schicksal der Seele nach dem
Tode und vor dem *Jüngsten Gericht evoziert. Den merkwürdigen
(aus dem Altnordischen übernommenen) Namen verdankt das Gedicht
dem Oberdeutschen, wo das Wort muspilli "Weltgericht, Weltende,
Weltenrichter" bedeutet. Etwa 830-840 verfaßt, ist auch dieses
Gedicht nur als Fragment (106 Zeilen) überliefert.

Muspilli
[Wenn dann der mächtige König das Mal bestimmt,
wohin soll kommen jegliche Sippe:
dann darf keiner wagen, den Bann zu weigern,
sondern jeder der Menschen eile zur Malstatt !
Dort muß er vor dem Richter Rechenschaft ablegen
über das, was er in der Welt jemals gewerkt hat.

Das hörte ich sagen die hehren Weltweisen,


daß der Antichrist solle mit Elias streiten.
Der Böse naht gewaffnet, dann bricht der Kampf zwischen ihnen aus.

Die Kämpfer sind so kräftig, der Kampfpunkt ist so wichtig.


Elias streitet für das ewige Leben,
will den Rechtliebenden das Reich erhalten.
Deshalb wird ihm helfen des Himmels Gewaltiger.
Der Antichrist steht bei dem Erzfeind,
22
Evul Mediu timpuriu - Das frühe Mittelalter (750-1170)

steht bei dem Satanas, der ihn versenken wird.


Deshalb wird er auf der Wallstatt wund hinfallen
und am Ende ohne Sieg bleiben.
Aber es glauben viele Gottesmänner,
daß Elias auf der Wallstatt verwundet werde.
Wenn des Elias Blut zur Erde träuft,
dann entbrennen die Berge, kein Baum bleibt stehen
irgend auf der Welt, die Wasser vertrocknen,
das Moor saugt sich auf, in Lohe versengt der Himmel,
Mond fällt, Mittelgart brennt,
Stein stürzt. So fährt der Straftag in die Lande,
fährt mit dem Feuer durch die Völker.
Da kann kein Verwandter dem anderen helfen vor dem Weltbrande.
Wenn der breite Glutregen alles verbrennt
und Feuer und Luft alles verfegt,
wo ist dann die Mark, um die man mit seinen Magen stritt ?
Die Mark ist verbrannt, die Seele steht gebannt,
wer weiß mit welcher Strafe: so fährt sie hin zum Male.]
(Übertragung von WOLFGANG STAMMLER)

Weltliche Texte, RUODLIEB, der erste deutsche Roman, Heils-


und *Spielmannsdichtung sowie vorhöfische literarische Erzeugnisse
leiten die nächste Etappe in der Entwicklung der deutschen Literatur
ein.

23
DAS HOCHMITTELALTER
(1170-1270)

Zum Begriff „höfisch“


Heldenlieder führen den Unterschied zwischen Helden und
normalen Sterblichen ein, sie preisen die starke Führung in Zeiten der
Not und Gefahr, in denen nur Helden bestehen können. Denn Held ist,
wer dem harten Schicksal nicht ausweicht und es auf sich nimmt – so
im HILDEBRANDSLIED.
Neben der späteren christlichen Literatur der Marienlyrik, die
volkstümliche Frömmigkeit und eine erweiterte religiöse Symbolik in
Verehrung der Gestalt Marias kennzeichneten, fand im 12. Jahrhundert die
sogenannte vorhöfische Dichtung Verbreitung, die weltliche Abenteuer und
ritterliches Leben darstellte. Nicht mehr allein Frömmigkeit und
Weltabkehr standen im Vordergrund, sondern man versuchte Gott und
Welt in Einklang zu bringen. Auch antike (Alexanderlied des PFAFFEN
LAMPRECHT, 1120-1150) oder französische Stoffe (ROLANDSLIED, 1170)
sowie verweltlichte Legendendichtung prägen die Vielfalt der literarischen
Produktion dieser Zeit.
In dieser Epoche entsteht allerdings ein neuer Begriff, der die
immer deutlichere Verlagerung des Geschehens aus dem Bereich von
Klöstern und Kirchen in die weltlichen Höfe bezeichnet. Er galt als
Entsprechung zum französischen courtois, und zwar als das
mittelhochdeutsche hövisch. Darunter verstand man alle weltlichen
Vorstellungen und Lebensweisen, die dem ritterlichen Leben Glanz
und Farbe verliehen. Dadurch begann man zwischen dieser Art Leben
und dem grauen Dorfleben zu unterscheiden.
Das soll jedoch keinesfalls bedeuten, daß dabei die reale
Wirklichkeit beschrieben werden sollte, sondern nur das in der
mittelhochdeutschen Dichtung durch Schönheit und Vollkommenheit
charakterisierte Ritterdasein, also eine ästhetische Existenz.
24
Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Das Höfische kann man aber nicht ohne die Tugenden, die ein
Ritter besitzen muß, verstehen. Zu diesen Tugenden gehörten
insbesondere: hohe muot (seelisches *Hochgestimmtsein), maze
(*Maß-haltenkönnen), zuht (Erziehung und *Selbstzucht), ere (Ehre),
triuwe (Treue), staete (Beständigkeit), milte (Milde), minne (Minne,
Liebe).

Wohl schöpften die Ritter aus der religiösen Stimmung der


Kreuzzüge ihre höchsten Ideale und die geistlichen Ritterorden,
Templer, Johanniter (später Malteser genannt), der Deutsche Orden
stellten sich sogar gänzlich in den Dienst des Glaubens. Jedoch von
den *Mauren kam allerlei Prunk und die Pflege zierlicher Sitten,
insbesondere der gesteigerte Kultus der Frau.

25
Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Die höfische Epik und Lyrik: – DAS NIBELUNGENLIED


– WOLFRAM VON ESCHENBACH: PARZIVAL
– GOTTFRIED VON STRASSBURG: TRISTAN

Die Erfahrungen der Kreuzzüge, die Stadtgründungen und das


sich entwickelnde städtische Bürgertum, die unglaubliche Ausbreitung
von Bildung und Wissenschaften führten zur Entstehung neuer
gesellschaftlicher Strukturen und zu einem neuen Selbstbewußtsein
des Menschen, wobei das Rittertum zum Träger dieser neuartigen
höfischen Kultur wurde. Der Krieg und seine Tücken gerieten aus
vielfältiger Sicht in den Mittelpunkt narrativer Darstellungen.

DAS NIBELUNGENLIED
Das Werk ist vermutlich Ende des 12. Jh. entstanden, im Kreise
des Bischofs WOLFGER VON PASSAU, der als Literaturmäzen und
Auftraggeber bekannt war. Das Lied ist eines der reichhaltigsten in der
deutschen Literatur: es wurde in 35 Handschriften überliefert, von
denen 11 den vollständigen Text enthalten. Keine kann jedoch als
Original betrachtet werden; es gibt aber drei Handschriften, die als die
wichtigsten angesehen werden können: A – die Hohenems-Münchener
Handschrift (Ende des 13. Jh.), B – die St. Gallener Handschrift (Mitte
des 13. Jh.), C – die Donaueschinger Handschrift (vor 1220). Alle
Handschriften liegen zeitlich in der Nähe der originalen Fassung, so
daß das Entstehungsdatum um 1200 angenommen wird.
Das NIBELUNGENLIED ist mit seinen 2400 Strophen eine der
umfangreichsten Heldendichtungen dieser Zeit, die in 39 aventiuren
unterteilt ist.
Der Stoff geht auf mehrere Sagenkreise zurück:
• die norwegische „Thidreksaga“ (Dietrichsage)
• die isländische „Edda“, die ältere Versionen enthält
• die burgundischen Sagen
• die fränkischen Sagen
• die gotischen Sagen
• die hunnischen Sagen.
26
Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Der Inhalt dieser Sagen ist schnell erzählt: Im 5. Jh. kamen die
Burgunden an den Rhein, eroberten Worms und gründeten das
Burgundenreich. Der Einfall der Hunnen in Westeuropa und damit in
das Burgundenreich brachte in der entscheidenden Schlacht den König
Gundahasi und seine ganze Sippe zu Fall. Eine burgundische
Prinzessin hatte einen jungen Franken geheiratet, der jedoch bald
darauf starb. Zwischen zwei germanischen Fürstentümern entfachte
sich ein Königinnenstreit, der jahrelang gedauert hat und dem viele
Menschen zum Opfer gefallen sind. Ätzel, der Hunnenkönig, heiratete
ein junges germanisches Mädchen, doch starb er in der
Hochzeitsnacht. Griechische Geschichtsschreiber vermuten, daß er
durch Hildeko gewaltsam umgebracht wurde.

Uns ist in alten maeren wunders vil geseit


von helden lobebaeren, von grozer arebeit,
von freuden hochgeziten von weinen und von klagen,
von küener recken striten muget ir nu wunder hoeren sagen.
(Str.1)

[Uns ist in alten Geschichten viel Wunderbares berichtet/


von hochberühmten Helden, von grosser Mühsal,
von Freuden, von Festen, von Weinen und von Klagen;
von den Kämpfen kühner Helden könnt ihr nun wunderbares erzählen
/können.]

Nach dieser einleitenden Strophe wird die Lage am Wormser Hof


kurz geschildert: dort wächst Kriemhild auf, die Schwester der drei
Könige Gunther, Gernot und Giselher. Auch deren Gefolgsleute
werden genannt, vor allen aber Hagen von Tronje. Mit ihrer Schönheit
und Tugend zieht sie viele Prinzen aus der ganzen Welt an. Eines
Nachts aber hat sie einen beunruhigenden Traum, der auf das
kommende Unheil hin deutet:

In disen hohen eren troumte Kriemhilde


wie si züge einen valken, starc, scoene und wilde,
den ir zwene arn erkrummen. daz si daz muoste sehen!
Ir enkunde in dirre werlde Ieider nimmer geschehen.
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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Den troum si do sagete ir muoter Uoten,


sine kundes niht bescheiden baz der guoten:
"den valken den du ziuhest, daz ist ein edel man.
in enwelle got behüeten, du muost in schiere verloren han.
(Str. 13 f.)

[In diesen hohen Ehren träumte Kriemhild,


wie sie einen Falken grosszöge, stark, schön und wild,
den ihr zwei Adler zerfleischten; dass sie das ansehen musste;
ihr konnte auf der Welt nichts Schlimmeres geschehn.
Den Traum erzählte sie ihrer Mutter Ute.
Die konnte der guten ihn nicht besser auslegen:
"Der Falke, den du grossziehst, das ist ein edler Mann.
Den wolle Gott behüten; du musst ihn bald verlieren."]

Der eigentliche erste Teil beginnt mit der nächsten aventiure, wo


der niederländische Königssohn Siegfried als ein schöner und kühner
Ritter dargestellt wird. Er kommt nach Worms, *um um Kriemhilds
Hand zu werben, die er zu seiner Frau machen möchte. Die Könige
erkennen ihn nicht, nur Hagen erzählt ihnen, wie Siegfried den
Nibelungenhort erwarb, wie er seine Kräfte bekommen hat und wie er
die Tarnkappe des Zwerges Alberich, die unsichtbar macht, erwarb. Er
möchte für seine zukünftige Braut kämpfen, wie es sich ziemt, aber er
wird bis zum Schluß besänftigt und davon überzeugt, Kriemhild durch
freiwilligen Dienst zu gewinnen.
Siegfried bleibt ein Jahr in Worms, doch sieht er Kriemhild nicht.
Sie aber sieht ihn einmal, als sie am Fenster stand. Dann bricht aber
ein Krieg mit den Sachsen aus und die beiden treffen sich erst dann
wieder, als Siegfried Kriemhild zum ersten Mal vorgestellt wird.

Der herre in sinem muote was des vil gerneit.


do truoc er ime herzen liep ane leit,
daz er sehen solde der schoenen Uoten kint.
mit minneclichen tugenden si gruozte Sivriden sint.

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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Do si den hochgemuoten vor ir stende sach,


do erzunde sich, sin varwe diu schoene maget sprach:
“Sit willekomen, her Sivrit ein edet ritter guot!"
do wart irn von dem gruoze vil wol gehoehet der muot.

Er neic ir flizecliche; bi der hende si in vie.


wie rehte minnecliche er bi der frouwen gie!
mit lieben ougen blicken ein ander sahen an
der herre und ouch diu frouwe: daz wart vil tougenlich getan.

Wart iht da friuntliche getwungen wiziu hant


von herzen lieber minne? daz ist mir niht bekant.
doch enkan ich niht gelouben , daz ez wurde lan.
si het im holden willen kunt vit schiere getan.

Bi der sumerzite und gein des meien tagen


dorfte er in sime herzen nimmer me getragen
so vil der hohen freude denne er da gewan,
do im diu gie enhende, die er ze trute wolde han.

Do gedahte manec recke- "hei waere mir sam.geschehen,


daz ich ir gienge enebene, sam ich in han gesehen,
oder bi ze ligene! daz lieze ich ane haz."
ez gediente noch nie recke nach einer küneginne baz.

Von swelher kiinege lande die geste komen dar,


die namen al geliche niwan ir zweier war.
ir wart erloubet kiissen den waetlichen man.
im wart in dirre werlde nie so liebe getan.

Do si kom uz dem rnünster sam er het e getan,
man bat den degen küenen wider zuo zir gan.
alrest begunde irn danken diu minnecliche meit,
daz er vor ir magen so rehte herlichen streit.
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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

"Nu lone iu got, her Sivrit", sprach daz vil schoene kint,
"daz ir daz habt verdienet, daz.iu die recken sint
so holt mit rehten triuwen als ich si hoere jehen."
Do begunde er minnecliche an froun Kriemhilden sehen.

"Ich sol in immer dienen", also sprach der degen,


"und enwil min houbet nimmer e gelegen,
ich enwerbe nach ir willen, sol ich min leben han.
Daz ist nach iuwern hulden, min frou Kriemhilt, getan."

[Da war der Herr sehr froh, ja er trug im Herzen ungetrübte Freude,
dass er sehen sollte das Kind der schönen Frau Ute.
Mit minniglichem Anstand grüsste sie dann Siegfried.
Da sie den Hochgesinnten vor sich stehen sah,

entzündete sich seine Farbe;


das schöne Mädchen sprach:
"Seid wilkommen Herr Siegfried, ihr so edler Ritter."
Da wurde ihm von dem Gruss sehr wohl der Mut erhoben.

Er verneigte sich vor ihr vollendet, bei den Händen nahm sie ihn;
wie so liebenswert ging er neben der Herrin!
Mit verliebten Blicken sahen einander an
der Herr und auch die Frau; doch das geschah nur heimlich.

Ob ihr da etwa zärtlich die weiße Hand gedriickt wurde


aus herzlicher Liebe, das ist mir unbekannt.
Doch vermag ich nicht zu glauben, daß es unterlassen worden wäre:
sie hat ihm ihr liebendes Gefühl sehr rasch kundgetan.

Weder im Sommer noch in den Tagen des Mai


konnte er in seinem Herzen
kaum mehr Glück empfinden als das, was er von ihr da empfing,
als die Hand in Hand mit ihm ging, die er zur Gemahlin begehrte.
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Da dachte mancher Held: "Ja, wenn mir so geschehe,


daß ich neben ihr gehen dürfte, wie ich ihn gesehen habe!
Oder gar bei ihr zu liegen! das nehme ich schon gerne hin."
Es diente noch nie ein Recke beßer um eine Königin! ...

Als sie aus der Kirche kam, wie er schon vorher getan hatte,
bat man den kühnen Helden, wieder zu ihr zu gehen.
Jetzt erst begann ihm zu danken das wunderschöne Mädchen,
daß er für ihre Verwandten so herrlich gekämpft hatte.

"Nun lohne Euch Gott, Herr Siegfried" sprach das schöne Mädchen,
daß ihr das verdient habt, daß Euch alle die Helden zugetan sein müssen,
wie man mir erzählt hat."
Da begann er liebevoll die Herrin Kriemhild anzusehen:

"Ich werde ihnen immer dienen", so sprach der Held


"und ich will mein Haupt nimmer zur Ruhe betten,
wenn ich nicht ihre Wünsche erfüllt habe, solange ich lebe!
Dies geschieht, Frau Kriemhild, um Eurer Gunst willen."]

Als Gunther um die kriegerische, mit Männerkraft begnadigte


*Walküre Brünhild werben will, verspricht ihm Siegfried Hilfe, denn
sie mußte im Speerwurf, Steinstoßen und Weitsprung besiegt werden.
Als sie Isenstein erreichen, täuscht Siegfried vor, er sei Gunthers
Dienstmann. Brünhild hält ihn also für seinen Leibeigenen. Doch mit
seiner Hilfe gelingt es, sie zu erobern und in allen Proben zu besiegen.
Nach der Rückkehr nach Worms heiraten beide Paare, obwohl
Brünhild sehr darüber staunt, daß die Schwester des Königs einen
Leibeigenen heiratet. Wie geplant läuft alles bis zur Hochzeitsnacht,
als Gunther seiner männlichen Pflicht nicht nachkommen kann und
von Brünhild an einen Nagel gehängt wird. Wieder ruft er Siegfried zu
Hilfe, der durch seine Tarnkappe und durch seine magischen Kräfte
den Ring und den Gürtel Brünhilds entwendet, in denen ihre Kraft und

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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

damit auch ihre Jungfräulichkeit lagen. Sie konnte nicht bemerken,


daß es sich dabei nicht um ihren Ehemann handelte.
Nach diesem unglücklichen Ereignis ziehen Siegfried und Kriemhild
zurück in die Niederlande, wo sie ein durchaus glückliches Leben führen.
Das Glück hält jedoch zehn Jahre an, da sie von Gunther – auf Anregung
seiner Frau, die nicht wußte, ob beide ihr untergeordnet waren oder nicht –
nach Worms eingeladen werden. Nach einem Gespräch beider Frauen, in
dem sie sich über die Leibeigenschaft Siegfrieds unterhalten, erfährt
Brünhild auf einer Sonntagsmesse die ganze Wahrheit, was zum Ausbruch
des Konflikts führt.

Do sprach diu frouwe Kriemhilt: "so tiuwer ist wol min man,
Daz ich in ane schulde niht gelobet han.
An vil manegen dingen so ist sin ere groz.
Geloubestu des, Prünhilt, er ist wol Gunters genoz."

"Jane solt du mirz, Kriemhilt, ze arge niht verstan,


wande ich ane schulde die rede niht han getan.
Ich horte si jehen beide, do ich si aller erste sach,
Und da des küneges wille an minem libe geschah,

Unt da er mine minne so ritterlich gewan,


Do jach des selbe sifrit, er waere des küneges man.
Des han ich in für eigen, sit ich es horte jehen."
Do sprach die schoene Kriemhilt: "so waere mir übele geschehen!

Wie heten so geworben die edelene bruoder min,


Daz ich eigen mannes wine solde sin?
Des wil ich dich, Prünhilt, vil friuntliche biten
Daz du die rede lazest durch mich mit guetlichen siten."

"Ine mac ir niht gelazen", sprach des küneges wip.


"zwiu solde ich verkiesen so maneges ritters lip,
der uns mit dem degene dienstlich ist undertan?
Kriemhilt diu vil schoene vil sere zürnen began.
(Str. 819-823)
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

[Da antwortete ihr Kriemhild: -So vornehm ist mein Mann,


daß ich ihn ohne Grund nicht so gerühmt habe.
In so vielen Bereichen ist seine Ehre sehr groß!
Glaube mir, Brünhild, er ist Gunthers Gefährte (ebenbürtig).

"Ja, aber das sollst du mir, Kriemhild, nicht verargen,


habe ich doch nicht ohne Grund so gesprochen.
Ich hörte sie es beide sagen, als ich sie zum ersten Male sah,
und des Königs Wille meine Kräfte überwand,

Und er meine Liebe so ritterlich erkämpfte;


da sagte Siegfried selbst, er wäre des Königs Mann;
deshalb halte ich ihn für leibeigen, seit ich es sagen hörte.-
Da sprach die Herrin Kriemhild: "Da hätte man sich ja schwer an mir
/versündigt!

Wie hätten so unmöglich werben können meine edlen Brüder,


daß ich die Gattin eines Leibeigenen werden sollte?
Da muß ich dich doch, Brünhild, sehr freundlich bitten,
daß du solche Verläumdungen um meinetwillen mit Anstand unterläßt!"
"Ich kann sie aber nicht lassen", sprach des Königs Weib,
"Wieso sollte ich so viele Recken aufgeben,
die uns, mit ihrem König dienstpflichtig untertan sind?"
Da wurde die schöne Kriemhild außerordentlich zornig.]

Zesamene si do komen vor dem münster wit.


ez tet diu husfrouwe durch einen grozen nit,
si hiez vil übelliche Kriemhilde stille stan:
“ja sol vor küneges wibe niht eigen diu gegan.“

Do sprach diu schoene Kriemhilt (zornec was ir muot):


“kundestu noch geswigen, daz waere dir guot.
du hast geschendet selbe dinen schoenen lip:
wie möhte mannes kebse immer werden küneges wip ?“
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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

“Wen hastu hie verkebset?“ sprach do des küneges wip.


“daz tuon ich dich“, sprach Kriemhilt, “den dinen schoenen lip
den minete erste Sifrit, der min vil lieber man.
jane was ez niht min bruoder, der dir den magetuom an gewan.

War komen dine sine ? ez was ein arger list !


zwiu lieze du in minnen, sit er din eigen ist ?
“ich hoere dich“, sprach Kriemhilt, “ane alle schulde klagen.“
“entriuwen!“ sprach do Prünhilt, “daz wil ich Gunthere sagen.“

“Was mac mir daz gewerren ? din übermuot dich hat betrogen.
du hast mich ze dienste mit rede dich an gezogen.
daz wizze in rehten triuwen ez ist mir immer leit.
getriuwer heimliche sol ich dir wesen unbereit.“

Prünhilt do weinde: Kriemhilt niht langer lie,


vor des küneges wibe inz münster si do gie
mit ir ingesinde.do huop sich grozer haz:
des wurden liehtiu ougen vil starke trüebe unde naz.
(Str. 838 – 843)

[Dann kamen sie zusammen vor der großen Kirche.


Es tat die Hausfrau aus großem Zorn,
der edlen Kriemhild befahl sie mit Schimpfworten stehenzubleiben:
"Es darf vor der Frau des Königs niemals eine Leibeigene gehen!"

Da sprach die Herrin Kriemhild (sie war so wütend!)


"Hättest du doch geschwiegen, das hätte dir gut getan!
Du hast selbst deinen schönen Leib geschändet!
Wie könnte denn je eine Kebse [Beischläferin] die Gemahlin eines Königs
/werden?"
"Wen machst du hier zur Kebse?- sprach des König Weib.
"Das tue ich mit dir", sprach Kriemhild, "denn deinen schönen Leib
liebte als erster Siegfried, mein sehr geliebter Mann.
jawohl! Es war nicht mein Bruder, der dir die Jungfernschaft nahm!
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Wo ist dein Verstand hingekommen? Es war schon eine grobe


/Würdelosigkeit.
Wie konntest du mit ihm schlafen, wenn er dein Leibeigener ist?
Ich höre dich"., sprach Kriemhild, "Ohne jeden Grund klagen!"
"Wahrhaftig", sagte da Brünhild, "das werde ich Gunther sagen!"

"Was soll mir das? Dich hat dein eigener Hochmut betrogen.
Du hast mich als dienstpflichtig in deinen Worten hingestellt.
Das kannst du dir mit Sicherheit merken: das werde ich niemals verzeihen.
Und zu vertraulicher Heimlichkeit mit dir werde ich nie wieder bereit sein."

Da weinte Brünhild; Kriemhild aber wartete nicht länger


und ging vor der Frau des Königs in die Kirche
mit ihrem Gefolge. Damals entstand der große Haß,
dessentwegen feuchtende Augen noch sehr, sehr betrübt und naß wurden.]

Brünhild kann die Erniedrigung nicht aushalten, so daß sie Hagen


beauftragt, Siegfried zu ermorden. Dieser geht zu Kriemhild und
versucht *hinter das Geheimnis zu kommen, warum Siegfried
unverwundbar ist.

(Wie Siegfried verraten wurde)


Am vierten Tag frühmorgens, da kamen Boten an:
Ein Zug von zweiunddreißig. Ward Gunthern kundgetan,
Ihm hätten seine Feinde den Frieden aufgesagt.
Aus Lügen wuchsen Leiden, von mancher edlen Frau beklagt.

Die Boten brachten Nachricht, es werde Lüdeger,


Mit Lüdegast verbunden, ein neues starkes Heer
Zum Rachekriege führen in das Burgunderland. -
Gebärdete sich Gunther, als hätte Zorn ihn übermannt.

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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Und ging mit seinen Freunden auch raunend auf und ab,
Im Zweifel noch. Doch Hagen ihm keine Ruhe gab.
Gern hätten es die Recken des Königs beigelegt;
Doch Hagen warb und wirkte für seinen Anschlag unentwegt.

Siegfried fand eines Tages sie beieinander stehn


Und raunen, stutzte, fragte: "Was ist euch nur geschehn,
Daß ihr betrübten Sinnes einhergeht Tag für Tag ?
Ich will euch gerne helfen, will tun für euch, was ich vermag."

Da sprach der König Gunther : "Mich drücken Sorgen schwer.


Herr Lüdegast, der Däne, und mit ihm Lüdeger
Stehen zu neuem Kriege in Waffen wider mich."
Rasch sprach der kühne Degen : "So will mit allen Kräften ich
Vertreten eure Sache und schützen eure Ehr.
Ich treibe sie zu Paaren allein mit meinem Heer.
Will brechen ihre Burgen, verwüsten Stadt und Land,
Eh ich an Rückkehr denke: dafür setz ich den Kopf zum Pfand."

"Habt Dank dafür!" sprach Gunther: es sollte scheinen so,


Als ob er dieser Hilfe im Ernste wäre froh;
Verneigte vor dem Helden sich tief der falsche Mann.
Sprach Siegfried: ,Laßt das Sorgen, weil euch kein Unheil treffen kann."

Gleich gaben sie den Knechten Befehl, vorauszuziehn,


So daß die Kriegserklärung für alle glaubhaft schien.
Alsbald befahl auch Siegfried denen von Niederland,
Die Waffen herzurichten. Schnell setzten sie die Wehr instand.

Herr Siegfried ging zum Vater: "Wir kommen bald zurück.


Ich bitte euch, hier zu bleiben. Gibt uns der Himmel Glück,
So sind in kurzen Wochen wir wieder hier am Rhein.
Ihr könnt bei König Gunther ganz ohne Sorge fröhlich sein."

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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Nun flatterten die Fähnlein, war Herr und Knecht bereit.


Auch von den Mannen Gunthers zog mancher mit zum Streit.
Da ging Herr Hagen Tronje zur Königin Kriemhild,
Wollte um Urlaub bitten : er wäre mitzugehn gewillt.

"Wohl mir", sprach Frau Kriemhilde, "Ich habe einen Mann,


Der meinen lieben Freunden in Nöten helfen kann !
Wie tapfer tritt Herr Siegfried für seine Freunde ein!
Ich darf mit vollem Rechte wohl immer hohen Mutes sein.

Viellieber Vetter Hagen: Wenn dessen ihr gedenkt,


Daß ich euch hold gesonnen, euch niemals noch gekränkt,
So dankt es mir an Siegfried, meinem herzlieben Mann.
Er soll das nicht entgelten,' was ich Brunhilden hab getan!"

Und sprach : "Was ich ihr sagte, hab bitter ich bereut.
Auch hat deswegen Siegfried empfindlich mich verbleut.
Und haben meine Worte ihr das Gemüt beschwert,
So hat zukünftigem Streite Herrn Siegfrieds strenge Hand gewehrt."

Ihr werdet nach dem Kriege versöhnen euch gewiß.


Doch sollt ihr, Frau Kriemhilde, mir bitte sagen dies,
Wie ich an eurem Gatten euch hilfreich dienen kann.
Ich trage euch, Kriemhilde, mit Freuden meine Dienste an."

“Ich wäre ohne Sorge", sagte das edle Weib,


“Das jemand im Gefechte durchbohrte seinen Leib,
Wenn er im Zaume hielte den wilden Übermut.
Er bliebe unverwundet, wenn er nur wäre auf der Hut."

Sprach Hagen : ,Edle Herrin, wenn in der Furcht ihr lebt,


Ihn könnte jemand töten : daß ihr mir Weisung gebt,
Was ich zu tun vermöchte, damit er sicher sei.
Wo er auch steht im Kampfe, will eilen stets zum Schutz herbei."
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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Sie sprach: ,.Bist mein Verwandter, und ich bin dir verwandt.
Ich anvertrau den Gatten dem Schutze deiner Hand.
Behüte mir ihn sorglich! Die Angst macht mich verzagt."
Und sagte ihm, was besser geblieben wäre ungesagt.

Sie sprach : “Kühn ist mein Gatte und wahrlich stark genug.
Als er den grimmen Drachen am Felsenhang erschlug,
Da badete im Blute des Lindwurm sich mein Mann.
So kommt's, daß keine Waffe im Kampfe ihn verwunden kann.

Jedoch bin ich in Sorgen, wenn er in Stürmen steht


Und wenn der Schwarm der Speere, wie Ungewitter weht,
Daß ich ihn da verliere, daß ihn hinnimmt der Tod.
Weh mir! Wie oft muß leiden um Siegfried Qualen ich und Not!

Ich sage im Vertrauen, viellieber Vetter, dir,


Damit du deine Treue bewährest recht an mir,
wo meinen lieben Gatten man leicht verwunden kann.
In gläubigem Vertrauen zu dir sei es dir kundgetan.

Als Siegfried war beim Baden im heißen Drachenblut,


Da sank von einem Baume dem Helden kühn und gut
Zwischen die Schulterblätter ein breites Lindenblatt.
Dort kann man ihn verwunden, dort schütze ihn mit Rat und Tat."

Da sprach Herr Hagen Tronje: Außen auf sein Gewand


Näht mir ein kleines Zeichen damit mir sei bekannt,
Wo ich ihn soll beschützen, wenn wir in Stürmen stehn."
Sie wollte ihn behüten : auf seinen Tod war's abgesehn.

Sie sprach : “Mit dünner Seide stick ich auf sein Gewand
Heimlich ein feines Kreuzchen. Und dort mag deine Hand
Dann meinen Mann beschützen, wenn er im Kampfe steht
Und stürmend er den Feinden mit Speer und Schwert entgegengeht."
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

“Das will ich tun", sprach Hagen, "verehrte Königin!"


Wohl hatte Frau Kriemhilde zu schützen ihn im Sinn,
Nicht ahnend, daß dem Feinde sie ihren Mann verriet.
Zufrieden war Herr Hagen, als er mit Urlaub von ihr schied.

Am andern Tage morgens ritt Siegfried fröhlich an


In kriegerischer Rüstung mit seinen tausend Mann.
Er hoffte, bald zu rächen der Freunde Not und Leid.
Ritt Hagen ihm zur Seite, betrachtete genau sein Kleid.

Als er das Kreuz gewahrte, da ritten auf sein Wort


Zwei ihm ergebene Leute als falsche Boten fort.
Die kamen bald und sagten, es bleibe Fried im Land:
Mit dieser Botschaft wären von Lüdeger sie abgesandt.

Unwillig ward Herr Siegfried, daß abgesagt der Streit.


Gern hätte er am Feinde gerächt der Freunde Leid.
Doch rieten Gunthers Mannen zur Umkehr. Er gab nach
Und ritt zu König Gunther. Der dankte ihm, indem er sprach:

"Gott möge es euch lohnen, Siegfried, vieledler Freund,


Daß ihr in allen Stücken es ehrlich mit mir meint.
Will auch euch dafür dienen in Treue immerdar.
So wert wie ihr noch keiner von meinen Freunden je mir war.

Da nun die Heerfahrt wurde so plötzlich abgesagt,


Soll uns dafülr ergötzen eine frisch-frohe Jagd
Auf Bären und auf Schweine in Bergen und im Tann!"
Das hatte ihm geraten Hagen, der ungetreue Mann.

(Wie Siegfried erschlagen wurde)


Verkündigte nun Gunther auf Hagens Rat alsbald
Untreuen Sinns ein Jagen im wilden Wasgenwald

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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Wollten den Wisent jagen, den Bären und das Schwein,


So kühne Jagd ! Die mußte recht nach dem Herzen Siegfrieds sein.

Er ging zu Frau Kriemhilde, er küßte ihren Mund.


“Behüte Gott dich, Liebste, daß wir uns bald gesund
Und fröhlich wiedersehen. Mit den Verwandten dein
Wirst du dich unterhalten; denn ich kann jetzt nicht bei dir sein."

Da fiel ihr ein mit Schrecken, was Hagen sie gesagt,


Und fing an wehzuklagen, bis auf den Tod verzagt.
Sie durfte ihrem Gatten die Sorgen nicht gestehn
Und weinte ohne Ende und wollte fast vor Angst vergehn.

Sprach weinend zu dem Recken : "Laßt eure Jägerei!


Ich hab geträumt, euch jagten der wilden Eber zwei –
Hin über Feld und Heide: Da wurden Blumen rot.
Und darum muß ich weinen; ich bin betrübt bis in den Tod.

Ich fürchte mich vor schlimmen Anschlägen und Verrat.


Vielleicht gibt es hier Leute, die man beleidigt hat,
Die wieder uns begegnen mit feindseligem Haß
Bleibt bei mir, lieber Gatte ! In Treue rate ich euch das."

Er sprach : “Geliebte Gattin, ich bin bald wieder hier.


Ich kenne keine Leute, die Feindschaft trügen mir.
Deine Verwandten alle sind freundlich mir gesinnt.
Auch habe ich von ihnen es anders wahrlich nicht verdient."

“O nein, mein lieber Siegfried, wohl fürchte ich deinen Fall.


Ich hab geträumt, zwei Berge stürzten herab ins Tal,
Begrüben dich. Und danach sah ich dich nimmermehr.
Willst du jetzt von mir gehen : das Herz ist mir vor Leide schwer."

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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Er schloß sie in die Arme, sah ihrer Augen Licht


Und küßte sie und koste ihr holdes Angesicht.
Dann ging er rasch von dannen, und sie blieb weinend stehn.
Sie sollte nie im Leben gesund und froh ihn wiedersehn.

So ritten sie frühmorgens hinaus zum tiefen Wald,


Um frbhlich dort zu jagen; erreichten ihn auch bald.
Viel stolze Recken zogen mit König Gunther aus;
Doch blieben seine Brüder Gernot und Gieselher zu Haus.

Nun hatten die Packpferde schon überquert den Rhein,


Die für die Jagdgesellen trugen das Brot, den Wein,
Fleisch reichlich auch und Fische und Dinge aller Art,
Deren ein großer König bedarf auf einer solchen Fahrt.
Als sie am Waldrand hielten, der Tronjer Hagen sprach :
"Wir trennen uns, und jeder mag seinem Wunsche nach
Dann jagen, wo er wollte und wie es ihm behagt.
Leicht sind dann festzustellen die besten Jäger dieser Jagd.
Die Treiber und die Hunde werden gleichfalls verteilt;
Dann mag ein jeder sehen, wie er das Wild ereilt.
Wer bringt die beste Beute, erringt das Ehrenpreis."
Schnell trennen sich die Jäger, zu werben um den schönen Preis.
Siegfried nahm einen Treiber, dem Weg und Steg bekannt,
Und einen guten Bracken, der frische Fährten fand.
Was auch der Hund vom Lager aufjagte : nichts entrann
Dem schnellen Helden Siegfried, der hier das höchste Lob gewann.
Er war in allen Dingen tüchtig und unverzagt.
Die erste Jägerbeute war sein auf dieser Jagd.
Das war ein junges Wildschwein; er schlug es mit der Hand.
Und bald darauf sein Spürhund einen gewaltigen Löwen fand.

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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Mit einem scharfen Pfeil schoß er ihm durch das Blatt,


Daß der getroffene Löwe nur noch drei Sprünge tat.
Dann schlug er einen Wisent und darauf einen Elch,
Vier starke Auerochsen und einen Riesenhirsch, den Schlech.

Auch einen großen Eber die Bracke spürend fand.


Der stutzte, wurde flüchtig, da! auf dem Wechsel stand
Herr Siegfried mit dem Schwerte – nahm ihn wutschnaubend an.
Fällte den starken Eber mit seinem Schwert der starke Mann!
Da sprachen Siegfrieds Leute : “Mehr als genug ist's schon.
Daß doch ein Teil des Wildes komme lebend davon!
Ihr macht uns heute leer noch die Berge und das Holz!"
Da lächelte der Recke und zählte seine Beute stolz.

Man hörte allenthalben Gebell und Lärm und Schall;


Berge und Waldesdickicht tönten vom Widerhall.
Reich war der Jäger Beute, und mancher war dabei,
Der schon im stillen glaubte, daß er des Wettkampfs Sieger sei.

Bevor die Jagd beendet, kamen zur Lagerstatt


Viele der Jagdgesellen, die waren Jagens satt.
Die brachten mit sich Felle und Wildbret auch genug,
Das rasch das Ingesinde zerlegte und zur Küche trug.

Jetzt wollte Gunther kundtun den Jagdgesellen all,


Daß er zu essen wünsche. Da ward ein Hornsignal
Einmal mit Kraft geblasen; das scholl weit übers Land.
Sie wußten nun, daß Gunther sich an der Lagerstatt befand.

Da sprach der Jäger einer zu Siegfried : ,Da erschallt


Ein Hornruf aus der Ferne, daß wir uns aus dem Wald
im Lager sammeln sollen", und blies die Antwort dann.
Und vielfach Ruf und Antwort, daß widerhallten Berg und Tann.
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Der kühne Siegfried sagte : "Auf ! reiten wir zurück !“


Und gab dem Roß die Sporen; so ging's des Wegs ein Stück.
Als da, gescheut vom Lärme, ein Tier durchs Dickicht brach,
Da wandte sich im Reiten Siegfried und zum Gefolge sprach:

,,Dort flieht ein Bär von hinnen. Laßt rasch den Bracken los!
Will ihn für die Gesellen zur Kurzweil greifen bloß.
Soll uns am Lagerfeuer – der plumpe Kerl – erfreun !
Mag er voll Hast auch fliehen: ich fange ihn lebendig ein."

Der Hund war losgelassen. In wilden Fluchten brach


Der Bär durchs Dickicht; Siegfried stürmte zu Roß ihm nach;
Doch sperrten Fels und Baumbruch dem Pferde bald den Steg.
So schien der Bar geborgen, trollte gemächlich seinen Weg.

Absprang vom Roß der Ritter, dem Bären nach er lief,


Der hinter wilden Trümmern in einem Dickicht tief
Sich sicher wähnte, packte ihn unbewehrter Hand,
Bezwang ihn ohne Waffen und ihn mit starken Stricken band.

Er fesselte vorsorglich ihm Tatzen und Gebiß,


Band ihn an seinen Sattel. Wohl wehrte sich und riß
Das wilde Tier: er brachte es doch zum Lagerplatz.
Sollte zum Abschluß geben dort eine lustige Bärenhatz.
So kam dahergeritten Herr Siegfried weidgerecht.
Bestaunten Gunthers Mannen ihn alle, Herr und Knecht.
Sie liefen ihm entgegen, hielten den Zügel ihm.
Da sahen sie am Sattel mit Schreck ein wildes Ungetüm.

Siegfried saß ab und löste dem Tier das Fesselband.


Erhoben alle Hunde, von Jagdgier heiß entbrannt,
Alsbald ein wildes Bellen da sie den Bären sahn.
Der strebte nach dem Walde. Da eilten Leute viel heran.
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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Verwirrt von dem Getöse der Bär zur Küche floh.


Hei ! wie die Köche sprangen ! Die Brände lichterloh,
Die glühendheißen Kessel – mit wütendem Gebrumm
Zerstörte er die Feuer, warf Kessel voller Speise um.

Aufsprangen rasch die Herren, das Lachen wurde still:


Annahm der Bär sie selber mit wütendem Gebrüll.
Rief Gunther: ,, Los die Meute! und hetzt mit Hunden ihn!"
Da flüchtete in Nöten das Tier zum Walde wieder hin.

Nun griffen schnell die Jäger nach Bogen oder Speer,


Und dann in raschem Laufe hinter dem Bäumen her !
Doch da der Hunde wegen niemand den Schuß gewagt,
Brauste mit Lärm und Bellen dem Walde zu die tolle Jagd.

Vermochte ihr zu folgen im Lauf Siegfried allein:


Den schnellen Bären holte der schnelle Recke ein.
Traf ihn mit seinem Schwerte und ihn zu Tode schlug -
Worauf zur Lagerstätte das tote Tier zurück man trug.

Bestaunten Siegfrieds Stärke alle, die dies gesehn.


Nun bat die stolzen Jäger Gunther, zu Tisch zu gehn.
Ein waldumhegter Anger im schönen Wiesental
Vereinigte die Recken zum köstlich reichen Jägermahl.

Doch blieben aus die Schenken. Der König Siegfried sprach :


“Die Küche spendet reichlich, kommt jedem Wunsche nach.
Wo aber sind die Schenken ? Tragt endlich auf den Wein !
Versorgt man uns nicht besser, will ich nicht Jagdgeselle sein.

Daß man mich besser pflegte, heut war es angezeigt."


Sprach Gunther falschen Sinnes, über den Tisch geneigt :
“Daß wir hier Mangel leiden, ertragt es in Geduld.
Wenn wir verdursten müssen: Herr Hagen hat allein die Schuld."
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Da sprach von Tronje Hagen : "Mein lieber Herr, verzeiht!


Ich hatte angenommen, das Jagen wäre heut
Drüben im Spessartwalde: Sandte dorthin den Wein.
Gibt's heute nichts zu trinken, in Zukunft soll es anders sein!"

Sprach Siegfried : ”Wer auch Schuld hat, ich weiß ihm keinen Dank !
Ich tänke sieben Lasten Met und gewürzten Trank,
Wenn sie zur Stelle wären. Da es uns fehlt an Wein,
Hätten wir lagern sollen vorsorglich naher an dem Rhein!"

Sprach Hagen : “Edle Ritter, es sprudelt klar und hell


Nicht weit von dieser Stätte am Berg ein kühler Quell.
Dort kann, verzeiht, sich laben ein jeder, wie er will."
Der Rat schuf manchen Helden Herzleid und Sorgen wahrlich viel.

Den starken Siegfried quälte des Durstes harte Not ;


Die Tafel aufzuheben, der drum alsbald gebot.
Er wollte zu dem Wasser der Quelle kühl und klar,
Nicht ahnend, daß der Ratschlag zum Unheil ihm gegeben war.

Am Berghang, bei der Quelle wölbte ihr Blätterdach


Eine gewaltige Linde. Hagen von Tronje sprach :
"Man sagt, im Wettlauf hole Herrn Siegfried keiner ein.
Wenn er's uns zeigen wollte, wir würden uns darüber freun!"

Da sprach der kühne Siegfried : "Bin gern dazu bereit,


Ihr könnt es gleich versuchen, wenn ihr des Willens seid.
Wir laufen um die Wette zur Quelle. Frisch heran!
Damit ich meine Stärke im Laufen gleich euch zeigen kann."

"So wollen wir's versuchen !" sagte Herr Hagen schnell.


Und Siegfried : "Hier der Ablauf, das Ziel der kühle Quell.
Ich will mich niederlegen ins Gras, zu Füßen euch!"
Das hörte König Gunther sehr gern und war bereit sogleich.
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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Da sprach der kühne Recke : "Vorgebe euch noch mehr :


Will meine Jägerwaffen mittragen und den Ger,
Will auch den Schild behalten sowie das Jagdgewand."
Hing um alsbald den Köcher, das Schwert er an die Hüften band.

Da legten ab die Kleider Hagen und Gunther beid:


In weißen Hemden standen zum Wettlauf sie bereit,
Und wie zwei wilde Panther, so stürmten sie davon.
Doch lange war vor ihnen am Quell der kühne Siegfried schon.

Er war in allen Dingen des höchsten Preises wert,


Ablegte er den Köcher, nahm vom Gehenk das Schwert,
Den starken Jagdspeer lehnte er an der Linde Ast.
Tiefatmend stand und wartend am Quell der herrlich hohe Gast.
Legte dann auch zu Boden den Schild aus seiner Hand.
In ritterlicher Tugend er weiter wartend stand.
Wie sehr der Durst ihn quälte: bevor er selber trank,
Sollte erst Gunther trinken. Erwarb sich damit bösen Dank.
Sprudelte klar das Wasser, kühl und silberhell.
Da neigte König Gunther sich nieder zu dem Quell
Und trank in vollen Zügen – erhob sich wieder nun.
Da neigte sich Herr Siegfried zum Born, sich gütlich auch zu tun.
Empfing für seine Tugend jetzt einen schlimmen Lohn.
Das Schwert und auch den Bogen trug Hagen rasch davon,
Sprang gleich zurück und packte den Ger mit starker Hand
Und spähte nach dem Kreuzchen von Seide auf des Herrn Gewand.

Indes der König Siegfried trinkend verweilte lang,


Schoß Hagen. Traf das Zeichen, und aus der Wunde sprang
Das Blut in dunklem Bogen und netzte Hagens Kleid.
Es tat kein Held dem andern jemals so bitter schweres Leid.
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Ließ ihm beim Herzen stecken den bitter scharfen Ger


Und wandte sich zu fliehen : so lief noch nimmermehr
Sonst Hagen – wie vor diesem zu Tode wunden Mann!
Und Siegfried, als der Wunde und seiner Not er sich versann,

Wie wahnbefallen, tobend er von dem Brunnen sprang :


Ragte ihm aus den Schultern der Schaft des Geres lang.
Griff rasch nach Schwert und Bogen; doch beide waren fort:
Sonst hätte auf der Stelle an Hagen er gerücht den Mord.

Da nun der Todeswunde sein gutes Schwert nicht fand,


Blieb ihm nur noch als Waffe des Schildes harter Rand.
Den riß er auf vom Boden, lief Hagen damit an,
Holte ihn ein und packte mit Grimm und Wut den starken Mann.

War er auch wund zum Tode : er schlug mit solcher Macht,


Daß unter seinen Händen der starke Schild zerkracht,
Daß aus dem Schilde spritzte Zierat und Edelstein.
Rot loderte die Rachgier in ihm wie blutiger Feuerschein.

Strauchelnd vor seinen Schlägen Herr Hagen kam zu Fall.


Weckte des Schildes Dröhnen tosenden Widerhall.
Hätt er das Schwert in Händen, es wäre Hagens Tod.
Gewaltig zürnte Siegfried in seiner bitterlichen Not.

Erblaßte seine Farbe, verließ ihn seine Kraft;


Noch hielt ihn auf den Füßen der Rache Leidenschaft.
Schon war, vom Tod gezeichnet, sein Antlitz bleich und fahl.
Um ihn seither viel Frauen vergossen Tränen ohne Zahl.

Da sank er in die Blumen, der starke, stolze Mann,


Das Blut aus seiner Wunde in schweren Tropfen rann.
Von Herzeleid bezwungen, umkrallt von bittrer Not,
Schalt er die Ungetreuen, die feige ihn geschlagen tot.
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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Sprach : ,Alle seid Verräter, die ihr mir Feindschaft tragt.


Was habe ich verschuldet, daß ihr mich feig erschlagt ?
Meinte es treu und redlich; nun habe ich den Lohn!
Ihr habt mit den Verwandten ewige Schande und Schmach davon.

Geschändet habt ihr heute auch Kind und Kindeskind,


Selbst die, die dieser Tage noch ungeboren sind.
Ihr habt an mir zu feige und tückisch euch gerächt,
Habt euch von allen Guten getrennt als ein verrucht Geschlecht."

Hinliefen alle Ritter, wo er erschlagen lag :


War vielen unter ihnen fürwahr ein schwarzer Tag.
Die treuen Sinnes waren, beklagten tief sein Los,
Wie es der Held verdiente und seine Taten kühn und groß,

Auch der Burgundenkönig beklagte seinen Tod.


Da sprach der Todeswunde: “Schweig du! Es ist nicht not,
Daß der beweint den Schaden, der ihn verschuldet hat.
Verdientest Schimpf und Schande! Wer auch beweint, was selbst er tat?"

Da sprach der grimme Hagen : “Hier ist nicht Klagens Zeit!"


Freut euch ! Nun sind zu Ende die Sorgen und das Leid.
Wo gibt es jetzt noch Recken, denen wir stünden nach ?
Ein Glück für uns, daß endlich ich seine Vorherrschaft zerbrach !"

Und er : “Könnt leicht euch rühmen, daß ich erschlagen bin.


Wenn ich geahnt, ihr trüget so feigen Mord im Sinn:
Ich hätte wohl behütet vor euch leicht meinen Leib !
Mir liegt nichts mehr am Herzen als Kriemhild jetzt, mein armes Weib.

Wohl klag ich auch des Sohnes. Gott nehme ihn in Hut.
Mit Fingern wird man zeigen, wie man Verruchten tut,
Auf ihn, daß feige Mordtat beging einst sein Geschlecht.
"Ich habe", so sprach Siegfried, "das zu beklagen alles Recht."
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Dann sprach in Not und Jammer der todeswunde Held :


"Wenn ihr noch einem Menschen wollt treu sei auf der Welt,
So laßt, vieledler König, nun anbefohlen sein
Der Gnade eures Herzens Kriemhild, die traute Gattin mein.

Ich bitte euch, als Bruder nehmt sie in eure Hut,


Beschwöre euch, als König seid gnädig ihr und gut!
Mein Vater und die Mannen harren vergebens mein.
O niemals einem Weibe könnt antun größere Herzenspein."

Erblühten aus dem Rasen blutheiße Rosen rot.


Aufbäumte sich der Wunde, verröchelte im Tod.
Des Todes Waffe hatte getroffen schwer und tief.
Still war der kühne Recke; der Held für immer lag und schlief.

Legten die Herrn den König, so stille nun und starr,


Auf seinen Schild behutsam, der rot von Golde war.
Dann gingen sie zu Rate, besprachen Herr und Mann
Wie man verhehlen könnte, daß Hagen Tronje es getan.

Manch einer sprach bedenklich : "Es fällt auf unser Haupt.


Müssen das gleiche sagen, damit man uns auch glaubt,
Erklären, daß ihn Räuber im Walde fielen an
Und ihn zu Tode schlugen, als einsam jagte er im Tann."

Da sprach der Tronjer Hagen : “Ich bringe ihn nach Haus.


Mag Kriemhild es erfahren, mir macht das wenig aus.
Sie hat betrübt Brünhilden mit Hohn und bittrer Schmach.
Wenn sie nun weint und jammert, ich, Hagen, frage nicht danach."

(Hier endet die Siegfriedsage und das Lied setzt sich mit der Sage
vom Untergang der Burgunden fort.)

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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Nicht nur daß Gunther Siegfried tötet, er bringt dazu noch den
Leichnam vor Kriemhilds Kemenate. Diese fällt in Ohnmacht und
schreit dann so laut, daß das ganze Haus widerhallt, aus ihrem Mund
fließt Blut vor so viel Schmerz. Sie weiß, daß Gunther der Mörder ist,
der von Brunhild dazu angeheuert wurde. Einige Jahre später
entschließt sie sich dazu, es ihrem Bruder zu vergeben und bekommt
von ihm als Versöhnungsgeste den Nibelungenhort. Sie beginnt aber
ihn großzügig zu verschenken, so daß sich Hagen entscheidet, ihn ihr
wegzunehmen und ihn in den Rhein zu versinken. Kriemhild hat jetzt
keine Mittel mehr, sich zu rächen, da sie mit Geld keine Anhänger
gewinnen kann.
Dreizehn Jahre nach Siegfrieds Tod ergibt sich aber eine
Möglichkeit, aus dieser Situation herauszukommen: der Hunnenkönig
Etzel wirbt um Kriemhild, die diesem Bündnis zustimmt, da ihr
versprochen wird, sie werde sich bald rächen können.
Weitere dreizehn Jahre verbringt sie am Hof des Hunnenkönigs
und entscheidet sich dann dazu, ihre Rache zu verwirklichen, indem
sie Etzel überredet, ihre Brüder und Hagen an seinen Hof einzuladen.
Hagen hat schlimme Ahnungen, die Könige entschließen sich
trotzdem hinzufahren. Sie reiten donauabwärts und treffen unterwegs
Dietrich von Bern, der sie davor warnt, Kriemhilde beweine noch
immer jeden Tag ihren Mann. Doch setzen sie ihren Gang zum Hof
Etzels unbeirrt weiter.
Kriemhilds Begrüßung läßt ebenfalls Schlimmes ahnen. Während
sich die Herren beim Tisch befinden, überfallen die Hunnen die
Gefolgsleute der Burgunden und metzeln sie nieder. Einem gelingt es
jedoch, in den Saal zu kommen und die Nachricht zu bringen.
Infolgedessen tötet Hagen Ortlieb, den Sohn Kriemhields und Etzels.
In diesem Augenblick fängt der Kampf an, bis von den Burgunden nur
Hagen und Gunther und von den Gefolgsleuten der Hunnen alle bis
auf Hildebrand und Dietrich von Bern am Leben bleiben.

(Wie Herr Dietrich mit Gunther und Hagen stritt)


[Da nahm der König Dietrich selbst Schild und Schwert zur Hand.
Umschnallte ihm die Rüstung der alte Hildebrand,
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Indes er weint und klagte so schmerzlich jammervoll,


Daß von der Donnerstimme die ganze Burg erklang und scholl.

Doch bald gewann er wieder den rechten Heldenmut


Und griff zu seinen Waffen in heller Zornesglut,
Packte den Schild entschlossen mit seiner starken Hand.
Dann gingen zum Palaste: Dietrich und Meister Hildebrand.

Da sprach der Tronjer Hagen: "Ich seh gewaffnet gehn


Zum Saale hier Herrn Dietrich : will uns im Kampf bestehn
Wegen des großen Leides, das wir ihm angetan.
Heut also soll sich zeigen, wer sich bewährt als bester Mann.

Mag sich auch immer dünken von Bern Herr Dieterich


Mutig und starken Leibes, im Kampfe fürchterlich:
Doch will er an uns rächen, was Leides ihm geschehn",
So sprach von Tronje Hagen, "ich will ihn wohl allein bestehn."

Die Worte hörten Dietrich und Meister Hildebrand,


Kamen zum Saal, wo Hagen mit König Gunther stand;
Sie hielten auf der Treppe, ans Haus sich lehnend, Rast.
Da setzte König Dietrich den Schild zu Boden ohne Hast.

Und sprach in Not und Sorgen : "Was hab ich euch getan,
Daß ihr so schwer bekümmert mich heimatlosen Mann?
Daß Rüdeger gefallen, beugt tief genug mein Haupt.
Warum habt aller Freude und aller Hilfe mich beraubt?

Und denkt auch an euch seIber und euer eigenes Leid !


Tot sind auch eure Freunde, ihr selbst in Trauer seid.
Doch habt ihr meine Ehre noch weniger bedacht,
Daß ihr um meine Mannen und meine Freuden mich gebracht."

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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

"Wir sind so sehr nicht schuldig", sprach Hagen, "wie ihr denkt.
Da kamen eure Recken, als wären sie gekränkt,
Kamen zudem in Waffen mit Schritten stolz und breit.
Mir scheint, daß von den Dingen ihr selbst schlecht unterrichtet seid."

"Was soll ich davon denken ? Mir sagte Hildebrand :


Als meine Recken wünschten von Amelungenland,
Ihr möchtet ihnen lassen den edlen Rüdeger,
Da hättet ihr gespottet, ihn böslich nicht gegeben her.''
Da sprach vom Rhein der König : "Wohl haben sie gefragt
Um Rüdegers Gebeine. Ich habe sie versagt -
Nicht euch und euren Mannen, nein! Etzeln nur zuleid!
Fing Wolfhart an zu schelten, und darum kam es dann zum Streit."
Da sprach von Bern Herr Dietrich : “Es hat so sollen sein!
Nun, Gunther, edler König, gedenke einmal mein:
Mache mir eine Freude nach allem, was geschehn,
Und sei bereit, die Sühne, die ich dir biete, einzugehn.
Ergib dich mir als Geisel: dich selbst und deinen Mann!
Dann will ich dafüir sorgen, so gut ich irgend kann,
Daß euch hier bei den Huennen kein Unheil widerfährt.
Du sollst mich treu erfinden, als Freund, der sich in Not bewährt."
“Das wolle Gott verhüten", sprach Hagen zornentbrannt
"Daß sich zwei Recken willig , ergeben deiner Hand,
Die noch so wehrhaft aufrecht dir gegenüberstehn
Und die so frei und ledig, wie wir, vor ihren Feinden gehn !"
“Solltest nicht also reden", sprach König Dieterich,
“Gunther und Hagen, beide habt ihr bekümmert mich,
Habt tief und schwer die Seele gekränkt mir und den Mut:
Wenn ihr mir freundlich folgtet, das währe wahrlich recht und gut.
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Verspreche euch die Treue, gebe euch meine Hand,


Daß ich euch sicher führe in euer Heimatland
Mit Ehren, oder finde in diesem Dienst den Tod.
Ich will um euretwillen, vergessen alle meine Not."

Entgegnete Herr Hagen : “Hofft darauf nicht zu sehr !


Das müßt ihr selbst gestehen, daß es unziemlich wär,
wenn zwei so kühne Männer sich beugten eurer Hand.
Sieht man doch euch zur Seite nur noch den alten Hildebrand."

Sprach Hildebrand : “Herr Hagen, es ist der Vogt von Bern,


Der euch den Frieden bietet. Solltet ihn nehmen gern !
Die Stunde kommt gewißlich, in der ihr anders denkt.
Ihr werdet durch die Sühne, die Dietrich bietet, nicht gekränkt."

“Wohl nähm ich lieber Sühne," rief Hagen spottend aus,


“Als daß so eilig liefe ich aus dem Saal heraus,
Wie euch, erfahrener Ritter, man fliehen konnte sehn!
Hab sonst geglaubt, ihr würdet dem Feind im Kampfe besser stehn."

Gab Hildebrand zur Antwort: "Macht mir zum Vorwurf das?


Wer war's, der auf dem Schilde im Wasgenwalde saß,
Indes von Spanien Walther ihm Freunde viel erschlug?
Braucht andrer nicht zu spotten ! Habt an euch selbst fürwahr genug!"

Da sprach der König Dietrich: "Geziemt es Helden wohl,


Sich hier wie alte Weiber zu schelten blind und toll ?
Euch, Hildebrand, verbiete ich jedes weitre Wort.
Mich heimatlosen Recken bedrückt mein Herzleid immerfort.

Doch sagt mir, Recke Hagen", sprach weiter Dieterich,


“Was war's, das ihr soeben, geredet über mich,
Als ihr mich saht in Waften zu diesem Hause gehn?
War's nicht, daß ohne Hilfe ihr mir im Zweikampf wolltet stehn?"
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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

“Ich leugne nichts", sprach Hagen in seinem Übermut.


"Ich möchte wohl versuchen, ob meine Hiebe gut.
Wenn nur in meinen Händen nicht bricht Herrn Siegfrieds Schwert.
Ich bin voll Zorn, daß beide man uns als Geiseln hat begehrt."

Wohl wußte König Dietrich, daß Hagen war ein Mann


Von grimmem Kampfesmute. Vorsichtig er begann
Zu schirmen sich im Kampfe vor manchem harten Schlag
Wohl spürte er, daß Balmung ihm schwer auf Schild und Panzer lag.

Er fürchtete die Waffe, die Hagen Tronje trug,


Weshalb mit allen Künsten er seine Hiebe schlug.
Bis er den starken Tronjer zuletzt doch niederzwang:
Er schlug ihm eine Wunde, die tief durch seinen Panzer drang.

Gedachte König Dietrich: du bist durch Not geschwächt


Der hatte wenig Ehre, der dich ums Leben brächt.
Darum will ich versuchen, ob ich dich zwingen kann,
Als Geisel mir zu folgen.- Da hob ein schweres Ringen an..

Er warf den Schild beiseite. War seine Stärke groß:


Den Recken Hagen Tronje mit Armen er umschloß.
So ward von ihm bezwungen der heldenkühne Mann.
Da hub sein König Gunther zu trauern und zu klagen an.

Mit starken Fesseln Dietrich den kühnen Hagen band,


Gab alsdann Frau Kriemhilden gebunden in die Hand
Den tapfersten der Recken, der je trug Schwert und Schild,
Nach ihrem groben Leide wie fröhlich blickte Frau Kriemhild!

Verneigte sich vor Dietrich Kriemhild, das edle Weib :


“Sei immer deine Seele gesegnet und dein Leib!
Hast endlich mich entbunden von aller meiner Not.
Dafür will ich dir dienen in Treue bis an meinen Tod."
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Da sprach der König Dietrich: "Vieledle Königin,


Begegnet nun dem Helden mit gütig-mildem Sinn.
Laßt es ihn nicht entgelten, was er euch angetan;
Bedenkt bei aller Freude, daß er sich nicht mehr wehren kann."

Sie aber warf Herrn Hagen trotzdem ins Burgverlies.


Da lag er nun gefesselt in Schmutz und Finsternis.
Indessen hub der edle Gunther zu rufen an :
"Wohin entwich der Berner? Er hat viel Leid mir angetan."

Nun kam der König Dietrich. Da stürmte aus dem Saal


Entgegen ihm Herr Gunther. Erhob sich lauter Schall
Von Schwertern und von Schilden. Groß war Herrn Gunthers Kraft :
Ein Wunder, daß Herr Dietrich von ihm nicht wurde hingerafft.
Die Stärke beider Männer glich dem Gewittersturm.
Von ihren harten Schlägen erdröhnten Saal und Turm:
So hämmerten auf Helme sie mit den Schwertern gut
in Gunthers Herzen wohnte ein wahrhaft königlicher Mut.
Bezwang ihn doch Herr Dietrich, wie Hagen er getan
Dem Helden durch die Ringe in roten Bächern rann
Das Blut aus tiefen Wunden von Dietrichs starkem Schwert.
War Gunther auch ermüdet: er hatte sich mit Ruhm gewehrt.
Auch Gunther ward gebunden von König Dietrichs Hand.
Kein König sollte dulden solch ein entehrend Band!
Doch Dietrich wußte : gäbe er ihn und Hagen frei,
Daß jeder, den sie träfen, im Hunnenland des Todes sei.
Nun führte König Dietrich ihn ohne Schwert und Schild
Verwundet und gebunden zur Königin Kriemhild.
Sie sprach: “Willkommen, Gunther, rühmlich bewährter Held!"
Er sprach: “Ich möchte danken, wenn ehrlich ihr die Worte wählt!
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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Würde mit Dank mich neigen, vieledle Schwester mein,


Wenn eure Grüße wollen huldvoll und gnädig sein.
Doch weiß ich, hohe Fürstin, ihr seid so tief empört,
Daß mir und Hagen Tronje ihr keinen guten Gruß gewährt."

“Bedenkt, vieledle Fülrstin", sagte der Held von Bern,


“Daß nie zu Geiseln wurden so hochgeborene Herrn,
Wie ich sie übergeben hab heute eurer Macht.
Seid ihnen gnädig, Herrin, weil ich als Geiseln sie gebracht".
Kriemhild versprach ihm alles. Ging König Dietrich fort
Mit Tränen in den Augen. Sie aber brach ihr Wort :
Hielt sie getrennt. Sie sahen einander nimmermehr,
Bis Kriemhild an den Haaren schleppte des Königs Haupt daher.
Zunächst ging Frau Kriemhilde zu Hagen ins Verließ,
Wo sie feindlichen Sinnes hervor die Worte stieß :
“Wollt ihr mir wiedergeben, was ihr mir einst geraubt ?
So möchte euch die Rückkehr zu den Burgunden sein erlaubt!"
Da sprach der grimme Hagen : “Zwecklos ist jedes Wort,
"Vieledle Frau Kriemhilde. Der Nibelungenhort -
Das habe ich geschworen -, der bleibt im tiefen Rhein
Versenkt, solang am Leben – noch einer ist der Herren mein!"

“Will es zu Ende bringen", sagte das edle Weib,


Ließ ihrem Bruder nehmen erbarmungslos den Leib.
Man schlug ihm von dem Rumpfe das Haupt. Sie selber trug,
Am Haar es zu dem Tronjer. Geschah ihm dadurch Leid genug!

Als er das totenblasse Haupt seines Herren sah,


Wie recht voll Unmut sagte er zu Kriemhilde da:
“Du hast nach deinem Willen zu Ende es gebracht,
Und ist nun so gekommen, wie ich es habe mir gedacht.
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Nun ist von den Burgunden der edle König tot,


Auch Gieselher der junge und mein Herr Gerenot.
Vom Schatze weiß nun keiner als Gott und ich allein.
Bist, Teufel, überlistet: Dir wird er stets verhohlen sei !'

Sie sprach : “Habt mich betrogen! Doch wenn ihr mir verwehrt
Den Hort, will ich behalten doch meines Siegfried Schwert!
Das trug mein holder Liebster, als ich zuletzt ihn sah-
An dem durch euren Anschlag mir grobes Herzeleid geschah."

Sie zog es aus der Scheide. Mit beiden Händen schwang


Sie hoch es in die Lüfte und schlug in Zornes Drang

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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Das Haupt ihm ab. Der Tronjer setzte sich nicht zur Wehr,
Der König Etzel aber – ihm ward das Herz im Busen schwer.

Er rief : "Weh mir ! Erschlagen liegt hier von Weibes Hand


Der allerbeste Recke, der je in Stürmen stand,
Je einen Schild getragen in hartem Männerstreit.
Ist er mein Feind gewesen : doch ist's um ihn mir bitter leid."

"Sie soll sich nimmer freuen", sprach Meister Hildebrand,


“Daß an den Helden legte vermessen sie die Hand !
Obwohl er selbst mich brachte in dringend schwere Not
So will ich dennoch rächen, Hagens des kühnen Recken, Tod."

Der alte Waffenmeister gegen Krienihilde sprang,


Zornflammend er die Klinge hoch in der Rechten schwang
Und schlug mit einem Hiebe zu Tod die Königin :
Schrie gräßlich auf in Ängsten und sank tot neben Hagen hin.

Wie Gras im Schnitt der Sense, so lagen Leib an Leib


Die Toten. Und erschlagen war auch das edle Weib.
Dietrich und Etzel weinten, von Trauer übermannt,
Beklagten tief die Recken, die ihnen dienstbar und verwandt.

Kriegsruhm und Heldenehre : sie lagen stumm und tot,


Und alle Leute klagten in schweren Jammers Not.
So endete in Leide des Königs hohes Fest -
Wie Liebe stets den Menschen zuletzt in Leid versinken läßt.

Ich kann euch nicht mehr sagen, was weiterhin geschah,


Nur daß man Fraun und Ritter weinen und klagen sah,
Dazu die edlen Knechte um ihrer Freunde Tod.
Hier ist das Lied zu Ende : Das ist der Nibelungen Not.]
(Die Übersetzungen aus dem Mittelhochdeutschen von ERNST VON BORRIES)
(Die Übertragung in Versen von MAX VANSELOW)

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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

WOLFRAM VON ESCHENBACH: Parzival


Im Zuge der sich festigenden höfisch-ritterlichen Epik tritt neben
antiken Stoffen auch das französische Muster CHRÉTIEN DE TROYES
(etwa 1135-1190) und damit die Artuswelt in den Vordergrund. So
entsteht Erec, der erste deutsche Artusroman aus der Feder des
HARTMANN VON AUE. Die historische Gestalt des Artus war das große
ethische Vorbild des Rittertums: Ohne viel ins Geschehen einzugreifen,
wird er zum Mittelpunkt der tapferen Ritterschar (Artusrunde,
Tafelrunde). Als Verkörperung ritterlicher Ideale lebt er im Einklang mit
Welt und Gott und vermag somit seine aventiure erfolgreich zu bestehen.

WOLFRAM VON ESCHENBACH (um 1170 – nach 1220) war


Ministeriale und ein fahrender Dichter und war vielseitig literarisch
gebildet. Sein Werk umfaßt acht frühe Minnelieder und drei große
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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Romane. Parzival, dessen Stoff auf der Dichtung CHRÉTIEN DE


TROYES basiert, jedoch sehr eigenständig ist, stellt sein Hauptwerk dar
und umfaßt etwa 25000 Verse. Der Roman wurzelt in der erwähnten
alten Sage vom König Artus und seiner Tafelrunde und der spanischen
Legende vom heiligen Gral. Darin verband WOLFRAM VON ESCHEN-
BACH Einzelthemen und Episoden (Märchen-, Artus- und Gral-
elemente) aus HARTMANNS Werken. Vom Parzival-Roman gibt es
etwa 90 (teilweise bruchstückhafte) Handschriften.
König Artus ist der Vertreter des keltischen Volkstums oder der
letzte Held, der durch Kämpfe gegen die Angelsachsen das
Stammesbewußtsein des keltischen Volkes dichterisch anregte. Sein
Hof lag in Caridol oder Cardnel (jetzt Carlisle) in Wales. Seine Gattin
hieß Ginewra, das Muster aller ritterlichen Damen. Sie waren
umgeben von vielen hundert Rittern. Im Mittelpunkt des glänzenden
Kreises standen 12 der tapfersten und edelsten Ritter, die um einen
runden Tisch saßen, weshalb sie als die Ritter der Tafelrunde genannt
wurden. Artus hatte diesen Orden auf den Rat des Zauberers Merlin
gegründet. Die Ritter sollten in ritterlicher Tugend und Tapferkeit
miteinander wetteifern. Sie sollten sie durch die Länder ziehen, um
mit ihren Taten das Ideal des Rittertums zu verwirklichen.
Unter dem heiligen Gral verstand man eine kostbare, aus Jaspis
verarbeitete Schale. Ihrer bediente sich Jesus, als er das Brot brach,
und in ihr soll Joseph von Arimathea das Blut des Heilands
aufgefangen haben. Im heiligen Gral befinden sich also Leib und Blut
des Herrn. Darum ist er mit allen Kräften des ewigen Lebens
ausgestattet. Nach dem Tod Josephs nahmen die Engel den heiligen
Gral in ihre Obhut und hielten das Heiligtum schwebend in der Luft,
bis Titurel, ein Königssohn von Anjou, auf dem Berg des Heils zu
Salvaterra in Spanien für den heiligen Gral eine Burg bauen ließ. Ein
geistiges Rittertum gründete hier den Orden der Templer, der den Gral
hütete. Niemand konnte durch eigene Kraft diesen Ort finden, dazu
benötigte man die Hilfe Gottes, weil ein unwegsamer Wald 60 Meilen
nach allen Seiten den Berg umgab. Der heilige Gral muß deshalb als
tiefsinniges Symbol aufgefaßt werden.

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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

(Einleitung)
Die *Mär, die wir erneuern,
die sagt von großen Treuen,
von Weiblichkeit auf rechtem Pfad,
von Mannes Mannheit fest und grad,
die sich von keiner Härte bog,
vom Mann, den nie sein Mut betrog,
daß, wo sich ein Streit entspann,
sein Stahlarm nicht den Sieg gewann
mit manchem hohen Preise.
Der Kühne, spät erst Weise,
ich seh‘ ihn vor mir stark und mild,
für Weibes Aug‘ ein süßes Bild,
für Weibes Herz ein sehnend Leid,
doch rein von Makel allezeit.

Gahmuret von Anjou wirbt im fernen Morgenland um die Hand


der schönen Mohrenkönigin Belakane. Kurz nach der Heirat verläßt er
sie, obwohl er weiß, daß sie ein Kind von ihm erwartet. Der Sohn, der
geboren wird, heißt Feirefiz, weil er aus der Mischung der
verschiedenen Farben seines weißen Vaters und seiner schwarzen
Mutter geboren worden ist. In der Zwischenzeit gewinnt Gahmuret
durch ein Turnier das Herz der Königin Herzeloyde von Waleis, der
Enkelin des Gralkönigs Titurel. Er kann aber nicht lange bei seiner
Frau bleiben, denn sein Verlangen nach Abenteuern läßt ihn nicht
lange dort verweilen und er geht in den Dienst des Kalifen von
Bagdad. Dort findet er auch den Tod auf dem Schlachtfeld. Kurz
nachdem seine Frau die traurige Nachricht erfährt, gebährt sie einen
Sohn, dem sie den Namen Parzival gibt.
Herzeloyde zieht sich mit ihrem Sohn in die Einsamkeit zurück in
der Hoffnung, daß sie dadurch ihren Sohn vor demselben Schicksal,
wie es seinem Vater widerfuhr, bewahren kann. Der Junge wächst
geschützt vor den Gefahren des ritterlichen Lebens auf. Eines Tages
aber trifft er drei Ritter in glänzenden Gewändern, von denen er
glaubt, daß sie Götter wären. Sie erklären ihm, daß sie Ritter seien und
bieten ihm die Möglichkeit, zu dem Hof König Artus' zu gehen, um
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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

ebenfalls in den Ritterstand zu treten. Schweren Herzens stimmt seine


Mutter zu und gibt ihm "guten" Rat und ein "ritterliches" Gewand, das
aber ein Narrengewand ist. Parzival zieht fort und Herzeloyde sinkt tot
zu Boden, indem sie ihm nachschaut.
Den Ratschlägen seiner Mutter folgend, richtet Parzival nur
Unheil an. Er raubt der Herzogin Jeschute Kuß, Ring und Spange und
wird dadurch unbewußt zur Zielscheibe ihrer schwersten
Verdächtigung und Prüfung. Dann begegnet er Base Sigune, die die
Leiche ihres beliebten Schionatulander beweint. Er verspricht ihr
darüber am Artus Hof zu berichten und dann den Tod ihres Mannes zu
rächen. Vor Nantes, wo Artus seinen Hof hält, tötet er schließlich den
roten Ritter Ither, mit dem er eigentlich blutverwandt ist. Er nimmt als
Beute sein Pferd und seine Rüstung und geht damit zum Hofe Artus'.
Hier erkennt man in ihm den künftigen Helden, welcher nur noch
einer ritterlichen Unterweisung bedarf. Aus diesem Grunde wird der
erfahrene Ritter Gurnemanz zu seinem Lehrer ernannt.

(Die Lehren des Gurnemanz)


Dann ging's zum Palas, wo im Saal
der Tisch gedeckt zum Morgenmahl.
Der Wirt ihn an die Seite nahm;
er ließ sich munden, was da kam.
"Herr", sprach der Fürst voll Höflichkeit,
"wird Euch nicht meine Frage leid,
so hätt' ich gern vernommen,
wo wannen Ihr gekommen."
Er läßt nicht lange sich erbitten,
erzählt,wie er von Haus entritten;
von Ring und Spange sagt er dann,
und wie den Harnisch er gewann.
Der Rote Ritter ward genannt;
da seufzt der Fürst, der ihn gekannt:
"Der Name sei nun Euch verliehn"-
Den Roten Ritter hieß er ihn,
Doch als man weg die Tafel nahm,

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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

macht` er den wilden Mut ihm zahm


und ließ ihm Lehren angedeihn:
"Ihr redet wie die Kinderlein.
Müßt Ihr denn stets die Mutter nennen,
als wolltet ihr nichts anders kennen?
Nun haltet Euch an meinen Rat!
Der scheidet Euch von *Missetat.
So hört! Um edel zu empfinden,
laßt Scham nicht aus der Seele schwinden.
Ein schamlos Herz, was taugt da noch,
wenn aller Ehren Zierde doch
gleich Mauserfedern ihm entfällt
und es der Hölle sich gesellt?
Ihr seid von Anblick auserkoren
und wohl zum Volkesherrn geboren.
Daß Euer Adel sich nicht neige,
nein, hoch und immer höher steige,
laßt Euch der Dürftigen erbarmen
und helft in Ihren Not den Armen
mit Milde und mit Gütigkeit.

63
Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Wollt Ihr die Drangsal ihm versüßen,


so wird Euch Gottes Gnade grüßen;
denn ihm geht´s schlimmer als den andern,
die bettelnd vor die Fenster wandern.
Prägt fest Euch diese Vorschrift ein:
Lernt weislich arm und reich zu sein.
Denn wirft der Herr sein Gut dahin,
das ist nicht echter Herrensinn;
doch nur den Schatz zu mehren,
das wird ihn auch nicht ehren.
Gebt jedem Ding sein rechtes Maß.
Ich kann nicht leugnen, denn ich sah´s,
daß Ihr des Rats bedürftig seid.
Was sich nicht ziemt, das laßt beiseit.
Vor allem sollt Ihr nicht viel fragen,
doch wohlbedächtig Antwort sagen,
daß, was der Frager Ihr entnimmt,
auch recht zu seiner Frage stimmt.
Gebrauchet aller Euer Sinne,
daß Ihr des Wahren werdet inne.
Folgt meinem Wort und übt im Streit
bei kühnem Mut Barmherzigkeit.
Sofern Ihr nicht im Lanzenbrechen
habt schweres Herzeleid zu rächen,
will der Besiegte sich ergeben,
so nehmt sein Wort und laßt ihn leben.
Ihr sollt nun oft die Waffen tragen;
da wird Euch Eisenruß beschlagen.
Legt Ihr sie ab, so säumet nicht
und wascht Euch Hand und Angesicht;
laßt wieder Euch in Anmut schau´n,
denn darauf achten edle Fraun.
Seid mannlich stets und wohlgemut;
so lobt man Euch und wird Euch gut.
Denkt, daß Ihr Frauen liebt und ehrt;

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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

denn das erhöht des Junglings Wert.


Bleibt ihnen treu ergeben;
das adelt Mannes Leben.
Verlegt ihr Euch auf Lügen,
ist manche zu betrügen.
Wer aber Lieb´ mit Lust erringt,
dem wird ein Sieg, der Schande bringt.
Den Dieb, wie leis er schleichen mag,
verrät das dürre Holz im Hag,
das unter ihm zerbist und kracht,
sodaß der Wächter drob erwacht.
Auf solchen Räuberwegen
ist mancher schon erlegen.
So get´s auch in der Minne:
Ein Weib von edlem Sinne
kennt wachsam jeden falschen Laut;
wenn sie entrüstet Euch durchschaut,
mußt Ihr in allen Tagen
Schmach und Verachtung tragen.
Ich sag´ Euch mehr von Mann und Weib:
die beiden sind ein einz´ger Leib,
gleichwie der Tag, der heute scheint,
der Sonne sich untrennbar eint;
aus einem Kern erblühen sie.
Das wissen und vergessen nie."

Parzival wird nun ein wahrer Ritter und *zieht aus. Er befreit die
Königin Kondwiramur, die in ihrer Burg belagert war, heiratet sie und
teilt mit ihr das Reich. Nach einer Weile wird er von der Sehnsucht
nach seiner Mutter und nach seiner Heimat geplagt und *macht sich
auf den Weg. Unterwegs verirrt er sich und gelangt zur Gralsburg.

(Parzival in der Gralsburg)


Schon rückt die Abendzeit heran;
da lag vor ihm ein See in Tann,

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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

wo er auf Rufesweite nah


ein Boot mit Fischern ankern sah,
und unter ihnen ruhte
ein Mann im Pfauenhute;
der trug so prächtige Gewande,
als ob ihm dienten alle Lande.
Den bat er: “Gott und Euch zu ehren,
geruhet, Herr, mich zu belehren,
wo ich hier *Herberg finden kann!”
“Herr”, sprach der traurig-ernste Mann,
“auf dreißig Meilen in der Rund
ist mir kein Menschenwohnsitz kund
als eine Burg, nicht fern von hier.
Die sucht! Denn sonst, wo bliebet Ihr?
Dort, wo die Felsen enden,
müßt Ihr nach rechts Euch wenden.
Wenn Ihr das Roß zum Graben lenkt,
so heischt, daß man die Brücke senkt,
daß Euch der Zugang werde frei!”
Er dankt’ dem Herrn und ritt vorbei.
Der rief noch: “Wenn Ihr nicht verirrt,
bin dort ich selbst heut Euer Wirt,
und Euer Dank sei wie Pflege.
Habt acht! Es geh’n da falsche Wege,
dort, wo die Halden abwärts gleiten,
könntet Ihr leicht irre reiten.
Das wär’ mir leid, bei meinem Wort”
Der Held ritt von den Männern fort
und folgte gleich in scharfem Traben
dem rechten Pfad bis an den Graben.
Die Brücke war emporgeschlagen:
wer nicht vom Winde wird getragen
oder fliegt mit Vogelschwingen,

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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

der denke nicht, dort einzudringen.


Die Feste, die er vor sich sah,
wie glattgedrechselt stand sie da,
unnahbar trotzend jedem Sturm.
Manch ein Palast und manch ein Turm
ragt’ auf mit wunderbarer Wehr.
Zög’ aller Völker Macht daher,
man achtet’ ihrer nicht ein Haar,
und lägen sie da dreißig Jahr.
Ein Knappe, der ihn wahrgenommen,
fragt’ ihn, von wannen er gekommen
und was am Orte sein Begehr.
“Der Fischer”, rief er, “schickt mich her.”
Er wollte gastlich mein gedenken
und sprach: “Heißt Euch die Brücke senken,
und ist’s geschehn, so reitet ein!”
“Herr, Ihr sollt willkommen sein!
Da es der Fischer Euch versprach,
beut man Euch Ehre und Gemach
ihm, der Euch sandte, zu Gafallen.”
Er rief’s und ließ die Brücke fallen.
Der Held ritt durch des Tores Gang
auf einen Burhof, breit und lang,
der ganz mit Gras bewachsen war.
Ritterspiel und Roßgestampf,
fliegender Banner lustiger Kampf.
Doch er, der Gast, sah nichts von Leid;
denn zum Empfange dienstbereit
war eine Ritterschar zur Stätte:
Jungherrlein sprangen um die Wette,
ergriffen seinen Zügel
und hielten ihm die Bügel.
Er stieg vom Roß und trat ins Haus:

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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

rasch zog man ihm die Waffen aus.


Er wusch sich, und sein Angesicht
erglänzt’ wie neuen Tages Licht.
Dann in arabischer Seide Pracht
ward ihm ein Mantel dargebracht;
er legt’ ihn leicht mit offner Schnur
um seine Schultern und erfuhr,
daß ihn, gelieh’n als Ehrenspende,
die Künigin Repanse sende.
Man schenkt den Wein, und ihm zu dienen,
zeigt ihre Trauer heitre Mienen.
Hundert Lichterkronen hingen
im Königssaal, zu dem sie gingen;
von kleinen Kerzen strahlt die Wand.
Hundert Ruhebetten fand
man rings im Kreise aufgeschlagen,
auf denen hundert Polster lagen.
Je viere saßen dort an Tischen,
mit einer Scheidewand dazwischen,
davor ein Teppich farbenbunt.
Drei Marmorherde steh’n im Rund,
viereckig, kunstvoll aufgerichtet;
drauf liegt ein seltnes Holz geschichtet,
geheißen Lignum Aloe.
Wer sah so große Feuer je
hier bei uns in Wildenberg?
Das war ein köstlich Wunderwerk.
Man trug den Burgherrn auf ein Bette
nah bei der mittlern Feuerstätte.
Ihm war vom Glück Valet gegeben;
ein qualvoll Sterben war sein Leben.
Und doch empfing er voller Gnaden
den lichten Gast, den er geladen;
zu sich setzt huldreich er den Degen.
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Er brauchte seines Siechtums wegen


große Feuer, warm Gewand;

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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

daher umhüllt’ ihn mancherhand


Gedoppelt auch war an der Mütze
der Zobel, daß sein Haupt er schütze,
die einer Borte Gold umspann,
ein Glanzrubin als Knopf daran.
Still saßen rings der Ritter Reih’n;
da plötzlich zog der Jammer ein.
Ein Knappe kam zum Saal gerannt
mit einer Lanze in der Hand,
die aus der Schneide Blut ergoß,
das ihm bis in die Ärmel floß,
und durch den weiten Palas scholl
Geschrei und Weinen jammervoll.
Die Wände trug er sie entlang,
bis er hinaus zur Türe sprang,
durch die er sie hereingetragen.
Da stillte sich des Volkes Klagen.
Im Hintergrund zum andernmal
erschließt sich eine Tür von Stahl.
Da kommt ein lieblich Mädchenpaar,
den Kranz im langen, blonden, Haar.
Sie tragen Kerzen hellentbrannt
auf goldnen Leuchtern in der Hand.
Ein andres Paar folgt diesen zwei’n
mit Tischgestell aus Elfenbein.
Ihr roter Mund glüht minniglich.
Alle vier verneigen sich,
und von den zweien werden jetzt
die Stollen vor den Herrn gesetzt.
Dann tritt die holde Schar beiseit;
sie steh’n im braunen Scharlachkleid
von gleicher Farb’ und gleichem Schnitte,
mit Gürteln um die schlanke Mitte.
Acht andre Jungfrau’n folgen dann;
mit Kerzen schreiten vier voran;
vier andre tragen einen Stein,
den hell am Tag der Sonne Schein
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

durchstrahlt. Dafür ist er bekannt:


der Stein war ein Granat-Jachant,
den man zu eines Tisches Platte
dünn und leicht geschnitten hatte.
Zum Burgherrn treten diese acht
und neigen sich; dann legen sacht
die letzten vier den edlen Stein
auf das Gestell von Elfenbein.
Drauf tritt auch diese Schar beiseit;
von grünem Sammet, lang und weit
war ihr Gewand, das schmal und lang
ein zierer Gürtel eng umschlang.
Auch ihren blonden Scheitel schmückt
ein Kränzlein, leicht aufs Haupt gedrückt.
Und wiederum vier Jungfräulein
geleiten unter Kerzenschein
zwei junge Gräfinnen herbei;
die tragen Silbermesser zwei
auf weißsen Tüchern in den Saal
mit Klingen, schärfer noch als Stahl.
Die legen sie mit Schweigen,
indem die sechs sich neigen,
auf dem jachanten Tische nieder
und treten zu den andern wieder;
nun mögen’s ihrer achtzehn sein.
Doch sieh, noch sechse treten ein,
die letzten sechs im Anzug gleich:
an ihnen schimmert bunt und reich
zwiefarbig halbgeteilte Tracht
aus Goldgewirk und Seidenpracht.
Dann kam die Künigin herein;
ihr Antlitz gab so lichten Schein:
sie meinten all’, es wolle tagen.
Als Kleid sah man die Jungfrau tragen
Arabiens schönste Weberei.
Auf einem grünen Achmardei
trug sie des Paradieses Preis,
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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

des Heiles Wurzel, Stamm und Reis,


Das war ein Ding, das hieß der Gral,
ein Hort von Wundern ohne Zahl.
Repanse de Schoye sie hieß,
durch die der Gral sich tragen ließ.
Die hehre Art des Grales wollte,
daß, die sein würdig pflegen sollte,
wohl mußte keuschen Herzens sein,
von aller Falschheit frei und rein.
Die Jungfrau’n tragen vor dem Gral
sechs Glasgefäße, lang und schmal,
aus denen Balsamfeurer flammt.
Sie wandeln züchtig insgesamt
mit angemeßnem Schritte
bis in des Saales Mitte.
Die Königin verneigte sich
mit ihren Jungfrau’n feierlich
und setzte vor den Herrn den Gral.
Gedankenvoll saß Parzival
und blickte nach ihr unverwandt,
die ihren Mantel ihm gesandt.
Drauf teilt sich all das Gralgeleite,
zwölf Jungfrau’n steh’n auf jeder Seite,
und in der Mitte steht allein
die Magd in ihrer Krone Schein.
Nun traten vor des Mahls Beginn
die Kämmrer zu den Rittern hin,
ein jeder ihrer vier zu dienen
mit lauem Wasser, das er ihnen
in schwerem, goldnem Becken bot,
dabei ein Jungherr wangenrot,
das weiße Hadtuch darzureichen.
Da sah man Reichtum ohnegleichen.
Der Tafeln mußten’s hundert sein,
die man zur Türe trug herein,
vor je vier Ritter eine;
darauf von edlem Leine
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

deckten sie mit Fleiße


Tischtücher, blendend weiße.
Der Wirt in seiner stummen Qual
nahm selber Wasser; Parzival
wusch sich mit ihm zugleich die Hände.
Drauf bracht’ ein Grafensohn behende
ein seidnes Handtuch farbenklar
und bot es ihnen kniend dar.
Ein jeder Tisch, soviel da steh’n,
ist von vier Knappen zu verseh’n:
die einen knien, um vorzuschneiden;
Aufwärter sind die andern beiden.
Nun rollen durch den Saal vier Wagen,
die Goldgeschirr in Fülle tragen;
das wird von Rittern unverweilt
an all die Tafeln ausgeteilt.
Man zog im Ring sie Schritt für Schritt,
und jedem ging ein Schaffner mit,
dem dieser Hort zur Hut befohlen,
ihn nach dem Mahl zurückzuholen.
Hundert Knappen traten dann
mit Tüchern auf der Hand heran;
voll Ehrfurcht kamen sie gegangen,
das Brot vom Grale zu empfangen.
Denn wie ich selber sie vernommen,
soll auch zu euch die *Märe kommen:
was einer je vom Gral begehrt,
das wird ihm in die Hand gewährt,
Speise warm und Speise kalt,
ob sie frisch sei oder alt,
ob sie wild sei oder zahm.
Wer meint, daß dies zu wundersam
und ohne Beispiel wäre,
der schelte nicht die Märe!
Dem Gral entquoll ein Strom vom Segen,
vom Glück der Welt ein vollster Regen,
Er galt fast all dem Höchsten gleich,
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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

wie man’s erzählt vom Himmelreich.


In kleinen, goldnen Schalen kam,
was man zu jeder Speise nahm:
Gewürze, Pfeffer, leckre Brüh’n.
Aß einer zaghaft oder kühn,
sie fanden insgesamt genug,
wie man’s mit Anstand vor sie trug.
Wein, Maulbeertrank, Siropel rot,
wonach den konnt’ er gleich darin erkennen,
alles durch des Grales Kraft.
Die ganze werte Ritterschaft
war so zu Gaste bei dem Gral.
Wohl sah mit Staunen Parzival
die Pracht der Wunder sich bezeigen;
jedoch aus Anstand wollt’ er schweigen.
Er dachte: der getreue Mann,
Gurnemanz, befahl mir an,
vieles Fragen zu vermeiden.
Drum will ich höflich mich bescheiden
und warten, bis man ungefragt
von diesem Haus mir alles sagt,
wie man bei Gurnemanz getan.
Drauf sah er einen *Knappen nah’n
mit einem Schwerte, schön und stark;
die Scheide galt wohl tausend Mark,
der Griff ein einziger Rubin.
Das ward vom Wirt dem Gast verlieh’n:
“Ich hab’ es oft im Kampf getragen,
bis Gott am Leibe mich geschlagen.
Herr, nemt es als Ersatz entgegen,
sollt’ man Euch hier nicht wohl verpflegen!”
Ach, daß auch jetzt er nicht gefragt!
Um seinetwillen sei’s geklagt,
da mit dem Schwert, das er empfing,
die Manhung doch an ihn erging.
Auch jammert mich sein Wirt zumal;
denn von der ungenannten Qual
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

würd’ er durch seine Frage frei.


Damit war nun das Mahl vorbei.
Die Diener griffen nach dem Gold;
die Wagen wurden hergerollt
und vollgeladen insgesamt,
und jede Jungfrau tat ihr Amt,
jedoch die letzte nun als erste.
Mit dem Geleite trat die hehrste
von allen wieder zu dem Gral,
und vor dem Wirt und Parzival
neigt wiederum die Herrin sich
mit allen Jungfrau’n feierlich,
worauf den Gral sie mit sich nahmen
zur Tür hinaus, durch die sie kamen.
Parzival blickt’ ihnen nach
in das eröffnete Gemach;
dort lag der schönste, alte Mann,
von dem er Kunde je gewann,
weißer noch als Reif sein Haar.
Der Hausherr auch, die Burg, das Land
wird euch zur rechten Zeit genannt.
Drauf sprach der Wirt dem Gaste zu:
“Herr, Ihr bedürft nun wohl der Ruh;
ich denke, daß Ihr müde seid!
Geht, Euer Lager steht bereit!”
Ach und Weh den beiden,
daß sie nun so sich scheiden!
Indem der Gast auf diesen Rat
sich rasch erhob und vor ihn trat,
bot ihm der Burgherr gute Nacht.
Von Rittern ward er hingebracht,
wo ihm in einem prächt’gen Zimmer
sei Bett stand in Glanz und Schimmer...

An den Sünden, die Parzival auf seiner ersten Aventiure-Fahrt


auf sich geladen hat, hebt WOLFRAM das Absichtslose,
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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Unwissentliche hervor und betont so gegenüber persönlicher Schuld


die grundsätzliche Sündhaftigkeit des Menschen seit Adam
(Erbsünde), die Schuldhaftigkeit allen menschlichen Handelns. Diese
zerstört auch Parzivals höfisches Ansehen, bis sich seine
ursprünglliche Berufung zum Gralskönig – nach Phasen des Hasses
auf den als ungerecht empfundenen Gott – durch seine
Sündenerkenntnis und Treue, schließlich auch durch sein neues
Vertrauen auf Gottes triuwe doch noch erfüllt. Damit findet die
stufenweise Harmonisierung von höfischer Welt und christlichem Gott
in der die Spannung lösenden Heiterkeit des Humors ihren prägnanten
Ausdruck. Parzivals Begegnung mit seinem schwarzgefleckten
Halbbruder Feirefiz – Frucht der Ehe des Gahmuret mit der
heidnischen Mohrenkönigin Belakane – sowie dessen Taufe und seine
Heirat mit der Gralsträgerin Repanse de Schoie, der Schwester des
durch Parzival geheilten Anfortas, geben dieser utopischen
Gralsherrschaft am Ende des Romans eine universale, theokratische
Perspektive.
Am nächsten Tag findet Parzival die Burg verlassen vor. Er reitet
eilig durch das geöffnete Tor hinaus, wobei ein Knappe hinter ihm her
ruft, er sei mundfaul, weshalb ihm die hohen Ehren versagt geblieben
seien, und schlägt das Tor zu.
Kurz darauf begegnet er Sigune, von der er erfährt, daß er auf der
Gralsburg gewesen, daß der weißhaarige Greis sein Ahnherr Titurel
und der kranke König sein Oheim Amforats seien. Er hat allerdings
die Mitleid bezeugende Frage nicht gestellt, die seinem Onkel
Gesundheit und ihm Ehre hätte einbringen können. In Gedanken
vertieft, reitet er fort, und als er drei Tropfen Blut im Schnee sieht,
erinnert er sich an seine Frau und bleibt in Gedanken versunken, bis
Gawan, ein erfahrener Ritter der Tafelrunde, die Blutstropfen
verdeckt. Beide erreichen den Hof des Königs Artus, wo Parzival in
die Tafelrunde aufgenommen werden soll. Die Aufnahme erweist sich
jedoch als nicht möglich, da die Gralsbotin erscheint und ihn wegen
des Versäumnisses in der Gralsburg verflucht. Parzival ist sich
keinerlei Schuld bewußt, reitet aber von der Tafelrunde weg, um sie
durch seine Anwesenheit nicht zu entehren. Vier Jahre lang irrt er
umher, heimgesucht von der Sehnsucht nach seiner Gattin und vom
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Verlangen nach dem Gral. Er will aber nicht zu seiner Frau zurück
kehren, bis er nicht den Gral gefunden hat. Er trifft einen frommen
Ritter, der ihn zu einem Einsiedler schickt. Das ist Trevrizent, der
Bruder des Gralskönigs Amfortas und Herzeloydens. Zu ihm geht
Parzival, um sich über die Sehnsucht nach seiner Gattin, nach dem
Gral und über seinen Abfall von Gott zu beklagen. Da schildert
Trevrizent die Wunder des Grals.

(Trevrizent berichtet von dem Gral)


“Nun, so vernehmt!” sprach Parzival,
“mein höchstes Leid ist um den Gral,
danach um mein geliebtes Weib;
auf Erden hat kein schönrer Leib
an einer Mutter Brust gelegen.
Den beiden drängt mein Herz entgegen.” –
“Ihr redet, Herr, aus rechtem Sinn,
sehnt Ihr nach Eurem Weib Euch hin.
Eint euch ein ehlich treues Leben,
dürft Ihr nicht von der Hölle beben:
Ihr seid bewahrt vor ihrer Qual.
Doch strebt Ihr wirklich nach dem Gral,
muß Eure Einfalt ich beklagen.
Denn niemals wird den Gral erjagen
ein irdscher Mann, den nicht zuvor
des Himmels Ratschluß auserkor.
Glaubt mir, laßt Euch den Wunsch vergeh’n!
Ich weiß es, hab’ es selbst geseh’n.” –
“Wie?” fragt der Degen, “wart Ihr da?” –
Und Trevrizent erwidert: “Ja.” –
Der Held verriet mit keinem Laut,
daß einst auch er den Gral geschaut,
und bat nur, daß er künde,
wie’s mit dem Grale stünde.
Sein Wirt sprach: “Mir ist wohl bekannt,
es wohnt gar manche tapfre Hand
auf Munsalvaesche bei dem Gral,
und rastlos zieh’n durch Berg und Tal
sie, die Templeisen, in die Weite.

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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Ob Sieg, ob Fall ihr Los im Streite,


sie tragen alles mit Geduld;
sie tun’s um ihrer Sünden Schuld.
Doch soll ich Kunde geben,
wovon die Helden leben,
so sag’ ich Euch; sie speist ein Stein
die man, wenn Ihr sie noch nicht kennt,
von einer Art so hehr und rein,
Lapis electrix benennt.
Er ist es, der das Wunder tut,
stürzt sich der Phönix in die Glut
und hebt sich aus der Asche wieder;
in Flammen mausernd sein Gefieder
strahlt er verjüngt so schön wie eh.
Auch wurde keinem Mann so weh,
kommt dieser Stein ihm zu Gesicht,
stirbt er die nächste Woche nicht,
und von dem Tag an altert er
in Farb’ un Antlitz nimmermehr.
Ein jeder blüht, sei’s Mann, sei’s Maid,
wie in des Lebens bester Zeit,
mag er zweihundert Jahr ihn schau’n,
nur daß die Locken ihm ergrau’n.
So gibt dem Menschen dieser Stein
die Kraft, daß er von Fleisch und Bein
jung bleibt trotz der Jahre Zahl,
und dieser Stein heißt auch der Gral.
Zu ihm kommt eine Sendung heut,
die seine höchste Kraft ihm beut;
denn am Karfreitag jedes Jahr
zeigt sich ein Anblick wunderbar:
weiß aus blauen Himmelshöh’n
fliegt eine Taube leuchtend schön
und bringt herab zu diesem Stein
eine *Oblat weiß und fein;
die legt sie auf dem Steine nieder
und schwingt sich auf zum Himmel wieder.
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Davon ist ihm die Macht gegeben,


mit paradiesisch reichem Leben
in Speisen und Getränken
die Seinem zu beschenken,
daß alles frei der Wunsch genießt,
was Duftiges von Früchten sprießt,
und was von Wild auf Erden lebt,
läuft, schwimmt und in den Lüften schwebt.
Die Pfründe gibt des Grales Kraft
der ritterlichen Bruderschaft.
Doch höret auch, wie man vernimmt,
wer für des Grales Dienst bestimmt.
Schriftzüge an des Steines Rand
verkünden, wie der ist genannt
und welch Geschlecht ihn hat geboren,
der zu der sel’gen Fahrt erkoren,
es seien Mägdlein oder Knaben.
Die Schrift brauch niemand abzuschaben;
kaum hat den Namen man gelesen,
verschwindet sie wie nie gewesen.
So viel dort der Erwaschsnen sind,
sie kamen alle hin als Kind.
Wohl ihr, die solch ein Kind gebar,
das dienen darf in dieser Schar!
Ergeht der Ruf an arm, an reich,
bei allen ist die Freude gleich.
Man holt sie weitum in den Landen.
Von allen Sünden, allen Schanden
sind sie behütet hier hinfort,
und reicher Lohn harrt ihrer dort.
Denn ihnen wird nach diesem Leben
des Himmels Herrlichkeit gegeben.
Im Heer der Engel waren
einst hocherlauchte Scharen;
die standen teilnahmslos beiseit,
als Luzifer mit Gott im Streit.
Zur Strafe mußten sie auf Erden
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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

des Steines erste Hüter werden.


Ob ihnen Gott die Schuld erließ,
ob er noch tiefer sie verstieß,
nicht weiß ich’s. Nahm im Zeitenlauf
er wieder sie zu Gnaden auf,
die Gnade wie das Recht ist sein.
Seitdem bewahrten jenen Stein
die Hüter, die Gott selbst benannte
und ihnen seinen Engel sandte.
Seht, Herr, so steht es um den Gral.” –
“Wenn Ritterschaft”, sprach Parzival,
zugleich der Seele Seligkeit
sich samt des Leibes Ruhm im Streit
erjagen kann mit Schild und Schwert,
stets hab’ ich Ritterschaft begehrt.
Ich stritt, wo ich zu streiten fand;
auch sind die Taten meiner Hand
vom Ruhme nicht mehr allzu weit.
Versteht sich Gott auf rechten Streit,
so soll er mich zum Gral ernennen.
Fürwahr, sie sollen bald mich kennen:
wer Kampf sucht, findet ihn bei mir -”
“Herr”, sprach der Wirt, “dort müßtet Ihr
vor zu hochfahrendem Gebaren
mit sanftem Willen Euch bewahren...”
(Übertragen von WILHELM HERTZ)

Getröstet und mit Gott ausversöhnt, verläßt Parzival den


Einsiedler Trevizent, der ihn versichert, daß er den Gral finden werde,
wenn er mit Mut und mit Glauben an Gott weiterziehe.
Viele Kapitel schildern Gawans Leben, bis er Parzival trifft.
Parzival zeigt seine Überlegenheit gegenüber Gawan und besiegt
dessen Gegner. Nun wird er als tapferster Ritter in Artus Tafelrunde
aufgenommen. Jetzt lernt er die schönen Frauen an Artus Hof kennen
und entdeckt den Minnedienst, doch die Frauen wecken erneut seine
Sehnsucht nach seiner Gattin und nach dem Gral. Infolge dessen zieht
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

er wieder nach dem Gral, um dadurch auch seine Frau erneut


gewinnen zu können. Unterwegs trifft er seinen Halbbruder Feirefiz
und, ohne ihn zu erkennen, fordern sie sich zum Zweikampf auf.
Obwohl Parzivals Schwert zerspringt, wird er nicht getötet, schließlich
erkennen sie einander.
Parzivals *Läuterung ist endlich vollendet: die Gralsbotin
verkündet, daß die Gralsinschrift ihn als König bezeichnet hat. Mit
Feirefiz zieht er dann zur Gralsburg, wo er die entscheidende Frage
stellt. Amfortas wird gesund und Parzival Gralskönig. Anstelle der
drei Bluttropfen findet er seine Gattin mit seinen zwei Zwillingen
Kardeiß und Loherangrin. Von nun an, so wird vom Grale bestimmt,
dürfen die von Munsalvaesche ausgesandten Ritter keine Frage nach
ihrer Herkunft gestatten. Loherangrin wird später zur Herzogin von
Brabant geschickt und durch eine solche Frage wieder vertrieben.
Feirefiß wird durch die Gralswunder bewogen, sich taufen zu lassen,
und gewinnt die Gralsträgerin Repanse zur Gattin.
WOLFRAM betrachtet die dichterische Arbeit als ritterliche
Tätigkeit, nicht als Zeichen von Bildung, wie dies bei HARTMANN
VON AUE geschah. Deshalb ist seine Sprache deutlicher,
verständlicher als die gepflegte Stilkunst des HARTMANN. Parzifal
gehört zu den meistgelesenen Werken des Mittelalters: Neben
RICHARD WAGNERS musikalischem Drama gleichen Namens werden
GOETHES Faust und DAS NIBELUNGENLIED oft als vergleichbare
Werke genannt.

GOTTFRIED VON STRASSBURG: Tristan

Das Werk GOTTFRIED VON STRASSBURGS Tristan wurde nicht


von Anfang an begeistert aufgenommen, obwohl der Autor als der
drittgrößte Epiker des Hochmittelalters gilt. Die Germanisten des 19.
Jahrhunderts bezeichneten dieses Werk als unmoralisches,
schlüpfrig-elegantes Erotikon. Dabei war Tristan eigentlich der
kunstvollste und in seiner Psychologie der modernste Roman jener

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Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Generation. An diesem Roman schrieb GOTTFRIED wahrscheinlich bis


zum Jahre 1210, als ihn der Tod ereilte.
Der Autor selbst wurde dadurch bekannt, daß sein Fragment
gebliebenes Werk von späteren Dichtern, die seinen Namen überlieferten,
aufgegriffen und fortgesetzt wurde. In den späteren Handschriften wurde
er als meister – und nicht als her – bezeichnet, was bedeutet, daß er ein
Bürger, ein Schulmeister oder sogar ein Kleriker war, um seiner hohen
akademischen Bildung nach zu urteilen. Daß eigentlich ein Stadtbürger in
den Adelsstand erhoben wurde, ist etwas Neues für diese Zeit und
spiegelt den Aufschwung der Städte und das wachsende
Selbstbewußtsein des Bürgerstands wider.

82
Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

GOTTFRIED VON STRASSBURG galt unter den Dichtern seiner


Epoche als der größte Gelehrte, der im theologischen, antiken und
französischen Schrifttum seiner Zeit sehr belesen war. Für sein Werk
wählte er die in Bruchstücken erhaltene altfranzösische Version des
Tristan-Romans von THOMAS VON BRETAGNE als Vorlage. Diese
wird aber nicht einfach übernommen und übersetzt, sondern
GOTTFRIED bearbeitet den Stoff, allegorisiert, kommentiert das
Geschehen, um es so zu vertiefen, psychologisch zu veranschaulichen
und ins Allgemeingültige zu erheben.
GOTTFRIED VON STRASSBURG wird im Rahmen des höfischen
Romans als Antipode von WOLFRAM VON ESCHENBACH betrachtet.
Während der letzte seine Kunst durch originelle, phantasievolle
Erzählungen und durch die Tiefe seiner ethisch-religiösen Gedanken
ausdrückt, ist GOTTFRIED VON STRASSBURG ein Meister der
poetischen Form, ein Stilist, der den Stoff, wie ihn die Vorlage
überlieferte, in eine kunstvolle Darstellung umarbeitete. In Tristan
wird das höfische Ideal zugunsten der absoluten Minne relativiert. Bei
GOTTFRIED begegnet man einer wesentlich radikaleren
Problematisierung der höfischen Welt- und Liebesauffassung. Diese
höfisch-gekünstelte Position konfrontiert er durchaus kritisch mit der
esoterischen, nur der Lesergemeinde der “edelen herzen”
zugänglichen, Mann und Frau gleichstellenden, seelisch-sinnlichen
Liebe von Tristan und Isolde. Diese zweckfreie, absolute Liebe *um
ihrer selbst willen steht nicht nur im Gegensatz zur Sexualethik der
Kirche und zur feudalen Ehe, wie sie König Marke mit Isolde
eingegangen ist, sondern auch im Gegensatz zur einseitigen,
belohnungfordernden Dienstminne des Minnesangs. Für ihre
plötzliche Unausweichlichkeit steht der Minnetrank. Die Minne
sprengt bei GOTTFRIED alle Konventionen und moralischen
Kategorien und bringt die Ganzheit zweier zum Leben aufeinander
angewiesener Menschen zum Vorschein. Seine Auffassung von Minne
gibt er in Glossen und Exkursen wieder. Wie in WOLFRAMS Parzival
der heilige Gral Sinn und Ziel allen Strebens wird, stellt GOTTFRIED
VON STRASSBURG die wahre Liebe als höchsten Wert des zu
vollkommener sittlicher Reife gelangten Menschen dar.

83
Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Im Prolog deutet GOTTFRIED das Programm seines Romans an,


wobei die neue Qualität der Liebe, die er dem höfischen Ideal
entgegenstellt, eine außergewöhnliche Faszination ausstrahlt.

Ich han mir eine unmüezekeit


der werlt ze liebe vür geleit
und edelen herzen z‘einerhage,
den herzen, den ich herze trage,
der werlde, in die min herze siht.
ine meine ir aller werlde niht
als die, von der ich hoere sagen,
diu keine swaere enmüge getragen
und niwan in vröuden welle sweben.
die laze ouch got mit vröuden leben !
Der werlde und diseme lebene
enkumt min rede niht ebene.
ir leben und minez zweient sich.
ein ander werlt die meine ich,
diu samet in eime herzen treit
ir süeze sur, ir liebez leit,
ir herzeliep, ir senede not,
ir lebez leben, ir leiden tot,
ir lieben tot,ir leidez leben.
(Verse 45-63; 204-240)

...
swem nie von liebe leit geschach
dem geschach ouch liep von liebe nie.
liep unde leit waren ie
an minnen ungescheiden.
man muoz mit disen beiden
ere unde lop erwerben
oder ane sie verderben.
von den diz senemaere seit,

84
Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

und haeten die durch liebe leit,


durch herzewunne senedez clagen
in einem herzen niht getragen,
sone waere ir name und ir geschiht
so manegem edelen herzen niht
ze saelden noch ze liebe komen
uns ist noch hiute liep vernomen
süeze und iemer niuwe
ir inneclichiu triuwe
ir liep, ir leit, ir wunne, ir not;
al eine und sin si lange tot,
ir süezer name der lebet iedoch
und sol ir tot der werlde noch
ze guote lange und iemer leben,
den trluwe gernden triuwe geben,
den ere gernden ere:
ir tot muoz iemer mere
uns lebenden leben und niuwe wesen;
wan swa man noch hoeret lesen
ir triuwe, ir triuwen reinekeit,
ir herzeliep, ir herzeleit,
Deist aller edelen herzen brot.
hie mite so lebet ir beider tot.
wir lesen ir leben, wir lesen ir tot
und ist uns daz süeze alse brot.
Ir leben, ir tot sint unser brot.
sus lebet ir leben, sus lebet ir tot.
sus lebent si noch und sint doch tot
und ist ir tot der lebenden brot ...
(204-240)

[Ich habe mir eine Arbeit


der Welt zuliebe vorgenommen,
um den edlen Herzen zu gefallen,
85
Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

den Herzen, für die ich ein Herz habe,


und der Welt, in die mein Herz blickt.
Ich meine nicht all derer Herzen,
von denen ich sagen höre,
daß sie kein Leid ertragen können
und stets nur in Freuden schweben wollen.
Die lasse Gott auch in Freuden leben !
Zu solchen Leuten und zu solcher Lebensweise
fügt sich meine Geschichte nicht glatt.
Deren Lebensweise und die meine sind entzweit !
Andere Menschen meine ich,
die beides in ihrem Herzen tragen
süße Bitterkeit [Säure], liebes Leid,
Herzensfreude und Sehnsuchtsnot,
glückliches Leben und leidvollen Tod,
glücklichen Tod und leidvolles Leben...
Wem nie um der Liebe willen Leid geschah,
dem widerfuhr auch nie Glück durch sie.
Glück und Leid waren von jeher in der Liebe ungeschieden.
Man muß mit ihnen beiden
Ehre und Ruhm erwerben
oder ohne beides umkommen.
Wenn die, von denen diese Geschichte von Liebesglück und -leid
/berichtet,
das Leid um ihrer Liebe willen,
ihr bitteres Klagen um ihrer Herzenswonne willen
nicht in einem Herzen ertragen hätten,
so würden ihr Name und ihre Geschichte
nicht so vielen edelen Herzen Glück und Freude bedeuten können.
Noch heute ist es uns lieb,
angenehm und immer neu,
von ihrer inniglichen Treue zu hören,
ihrem Glück, ihrem Leid, lhrer Seligkeit, lhrer Not;
auch wenn sie schon so lange tot sind,
86
Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

ihr süßer Name lebt dennoch weiter.


Die Geschichte ihres Todes soll den Menschen
zu Nutzen lang und immer weiter leben,
den Treue Suchenden Treue zeigen,
den Ehre Suchenden Ehre:
ihr Tod soll auf immer
uns Lebenden lebendig neu bleiben;
doch wo man noch vortragen hört,
von ihrer Treue, der Reinheit ihrer Treue,
ihrem Herzensglück und ihrem Herzeleid,
da finden alle edelen Herzen Brot.
Damit lebt ihr beider Tod.
Wir lesen von ihrem Leben, wir lesen von ihrem Tod,
und das ist uns so süß wie Brot.
Ihr Leben, ihr Tod sind unser Brot.
So lebt ihr Leben, lebt auch ihr Tod.
So leben sie noch und sind doch tot,
und ist ihr Tod den Lebenden Brot ...]

Der Roman besteht aus drei wichtigen Teilen. Der erste Teil
berichtet über die Liebe zwischen den Eltern Tristans: dem Vater,
Rivalin, Fürst von Parmenien, der auf dem Schlachtfeld fällt, und der
Mutter, Blanchefleur, der Schwester König Markes von Cornwall, die
bei der Geburt stirbt. Des Sohnes nimmt sich der treue Marschall Rual
an, der ihn Tristan (Traurig) nennt, weil er unter den traurigsten
Umständen geboren wurde. Von Rual wird er vorbildlich erzogen, in
den Wissenschaften und Fremdsprachen ausgebildet, in Gesang und
Saitenspiel ebenso wie in allen höfisch-ritterlichen Fertigkeiten. Nach
einigen Ereignissen gelangt Tristan an den Hof König Markes, der ihn
als Edelknaben aufnimmt. Durch seine vollkommenen höfischen
Tugenden macht er sich dort beliebt und nach einigen Jahren, als Rual
nach Cornwall kommt, erfährt Marke, daß er eigentlich sein Neffe ist.
Infolge dessen wird Tristan von Marke zum Ritter geschlagen.
Der Autor appeliert an das "edele herze" des Publikums, damit es
dem Liebespaar Tristan und Isolde verzeiht. Die beiden intrigieren
87
Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

unter der Wirkung eines Zaubertranks gegen Isoldes Mann, König


Marke. Man kann dabei die Auflösung der geordneten ritterlich-
höfischen Gesellschaft bereits erkennen: Die Macht der Leidenschaft
drängt bis dahin unverzichtbare und unantastbare höfische und
religiöse Verhaltensnormen in den *Hintergrund.
Der irische König, der Marke besiegt hatte, schickt nämlich den
Bruder seiner Frau Isolde, den gewaltigen Morolt, den Tribut nach
Irland zu bringen. Tristan tötet ihn im Kampf, aber wird von dessen
vergifteten Schwert verletzt. Nur noch seine Schwester konnte ihn
heilen, so daß er als Spielmann unter dem Namen Tantris nach Irland
zieht. Dort bezaubert er alle mit seiner Musik und wird auch geheilt.
In Irland hält er sich noch ein halbes Jahr auf und erteilt der
blondhaarigen Tochter Isolde Musikunterricht. Nachher kehrt er nach
Cornwall zurück und wird von König Marke als sein Erbe eingesetzt.
Als die großen des Landes deutlich zeigen, daß sie mit diesem
Entschluß nicht zufrieden sind, empfiehlt Tristan seinem Oheim zu
heiraten. Er erzählt ihm begeistert über die Schönheit Isoldes und
bietet sich an, für ihn um sie zu werben.
In Irland als Kaufmann verkleidet angekommen, tötet Tristan
einen Drachen, der das Land verwüstete und für dessen Vernichtung
Isoldes Hand ausgesetzt war. Als unableugbaren Beweis für seinen
Sieg nimmt Tristan die Zunge des Drachens mit, fällt jedoch in
Ohnmacht, als er den giftigen Dunst aus dem Hals des Tieres spürt.
Ein *Truchseß nimmt aber den Kopf und prahlt damit, daß er den
Drachen vernichtet hätte. Tristan entlarvt ihn aber als Betrüger und
wird schließlich von den beiden Frauen erkannt. Die junge Isolde stellt
zugleich fest, daß er ihren Oheim Morolt getötet hat. Sie wird von der
Königin und ihrer *Kammerzofe Brangäne besänftigt, so daß sie
Tristans Wunden heilen. Tristan spricht nun seine Werbung für König
Marke vor und, obwohl Isolde Tristan gerne hatte, gelingt es ihm
schließlich, Isoldes Zusage zu erwirken.
Um sicher zu sein, daß alles wieder seinen ordentlichen Gang
nehmen wird, bereitet die Königin einen besonderen Liebestrank, den
Isolde und Marke nach ihrer bevorstehenden Vermählung trinken
sollten. Die einzige, die aber um die eigentliche unheilvolle Wirkung
des Zaubertranks weiß, ist Brangäne. Auf der Heimfahrt geschieht
88
Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

jedoch ein Unglück, so daß Isolde und Tristan von diesem Getränk
trinken, ohne daß Brangäne etwas davon weiß, und hoffnungslos der
Minne verfallen.

(Der Minnetrank)
So strichen denn die Kiele hin
Sie hatten gleich von Anbeginn
guten Wind und gute Fahrt.
Jedoch den zarten Frauen ward,
Isot und dem Gesinde
im Wasser und im Winde
von ungewohnter Mühsal bang;
bald brachte sie des Schiffes Gang
in eine nie gekannte Not.
Tristan, der Schiffer Herr, gebot,
am Lande anzulegen,
um dort der Ruh zu pflegen.
Man hielt an eines Hafens Strand;
zur Kurzweil ging das Volk ans Land,
und still und einsam ward's an Bord.
Tristan aber kam sofort
ins Kämmerlein der Frauen,
um nach Isot zu schauen,
und als er bei den Lichten saß
und plauderte bald dies, bald das
von ihrer beider Dingen,
hieß er zu trinken bringen,
Nun war da bei der Königin
niemand in der Kammer drin
als ein'ge kleine Mägdelein,
von denen rief eins : Hier steht Wein,
ein Glas voll, seht, in diesem Schrank. –
Wohl glich dem Weine dieser Trank:
Ach, leider nein, es war kein Wein,
89
Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

es war die ungestillte Pein,


die endlos heiße Herzensnot,
von, der einst beide lagen tot.
Doch arglos sprang das Kind empor,
zog den verborgnen Trank hervor
und reicht' ihn seinem Meister hin;
der bot ihn erst der Königin.
Ungern und nur auf sein Begehr
trank sie, und danach trank auch er,
und beide wähnten, es sei Wein.
Inzwischen trat Brangäne ein;
die hatte kaum das Glas gesehn,
so wußte sie, was hier gescheh'n.
Da fuhr ihr durch die Glieder
der Schrecken lähmend nieder,
und ihr Gesicht war totenbleich.
Mit totem Herzen ging sie gleich,
nahm das unsel'ge Glas zur Hand
und warf es von des Schiffes Rand
ins Toben der empörten See.
"O weh, mir Armen! rief sie, weh,
daß ich zur Welt je ward geboren!
Wie hab' ich Ehr' und Treu verloren!
Weh immerdar mir Armen!
Das möge Gott erbarmen,
daß ich zu dieser Reise kam,
daß mich der Tod nicht mit sich nahm,
als ich zu dieser Unglücksfahrt
hier mit Isot beschieden ward!
O weh Tristan, o weh Isot,
der Trank ist euer beider Tod! –
90
Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Doch als die Jungfrau und der Mann,


als nun Isolde und Tristan
den Trank getrunken, was geschah?
Gleich war der Welt Unruhe da,
Minne, die Herzensjägerin,
und schlich zu ihren Herzen hin.
Sie ließ, eh beide sich's verseh'n,
ihr Siegspanier darüber weh'n
und unterwarf sie mit Gewalt.
Eins und einig wurden bald,
die zwei gewesen und entzweit.
Nun hatten sie nach langem Streit
in raschem Frieden sich gefunden.
Der Haß Isoldens war geschwunden:
Minne, die Versöhnerin,
die hatte ihrer beider Sinn
von Hasse so gereinigt,
in Liebe so vereinigt,
daß eins dem andern hell und klar,
und lauter wie ein Spiegel war.
Sie hatten nur ein einz'ges Herz:
Isoldens Leid war Tristans Schmerz
und Tristans Schmerz Isoldens Leid.
Sie einten sich für alle Zeit
in Freude und in Leide
und hehlten sich's doch beide.
Das tat die Scham, daß sie nichts sagten
der Zweifel tat's, daß sie verzagten,
sie an ihm und er an ihr.
Und riß auch ihre Herzensgier
nach einern Ziel sie blindlings fort
sie bangten vor dem ersten Wort.
91
Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Drum blieb in Scheu und Sorgen


ihr Sehnen noch verborgen.
Als Tristan fühlt' der Minne Bann,
da rief er Treu und Ehre an.
Und diese beiden mahnten ihn,
vor ihrer Lockung zu entflieh'n.
Nein, dacht' er fort und fort bei sich,
sei standhaft,Tristan, hüte dich!
Laß ab und schlag dir's aus dem Sinn. –
Doch drängte stets sein Herz dahin.
Mit seinem Willen kämpft' er schwer,
begehrte wider sein Begehr:
es zog ihn ab, es zog in an.
So wand sich der gefangne Mann
und suchte aus den Schlingen
sich mühsam loszuringen
und hielt sich tapfer lange Zeit.
Es ging dabei ein zweifach Leid,
seinem treuen Herzen nah
wenn er in ihre Augen sah
und ihm die süße Minne
verzehrte Herz und Sinne
mit ihrem holden Angesicht,
so dacht' er an der Ehre Pflicht
und die entriß ihn ihrem Bann.
Gleich griff ihn Minne wieder an,
seine Erbekönigin,
und trieb ihn wieder zu ihr hin.
Bedrängt ihn Ehr' und Treue schwer,
Minne bedrängt ihn doch noch mehr;
sie tat ihm mehr zu leide
als Treu' und Ehre beide.
Schaute sein Herz sie lachend an,
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

so blickte weg der treue Mann


doch sollt' er sie nicht sehen,
wollt' ihm das Herz vergehen.
Oft, wie Gefangne sinnen,
oft sann er zu entrinnen
und dachte : Sieh nach andern,
laß dein Begehren wandern
und liebe, was sich lieben läßt! –
Da hielt ihn stets die Schlinge fest.
Oft prüft' er sorgsam Herz und Sinn,
als spürt' er eine Wandlung drin:
doch fand er nur darinne
Isolden und die Minne.
Nicht anders war es mit Isot.
Sie kämpfte mit derselben Not;
auch ihr war Angst und Weh zu Mut.
Kaum fühlt sie in der weichen Flut
der zauberischen Minne
versinken ihre Sinne,
da – in jähem Schreck und Graus
spähte sie nach Rettung aus
und wollte schnell auf und davon:
jedoch verloren war sie schon,
und haltlos sank sie nieder.
Sie sträubte sich dawider,
suchte nach allen Enden
mit Füßen und mit Händen
und wandte sich bald hin, bald her;
doch so versenkte sie nur mehr
die Hände und die Füße
tief in die blinde Süße
des Mannes und der Minne.
Wie die gefangnen Sinne
93
Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

sich mochten dreh'n und regen,


auf allen ihren Wegen,
– auf jedem Schritt, auf jedem Tritt
ging Minne, ihre Herrin, mit,
rund alles, was sie dacht' und sann,
war Minne nur und nur Tristan.

In Cornwall heiratet Isolde Marke und in der ersten Nacht legt


sich die Kammerzoffe, um die Wahrheit zu vertuschen, zu Marke, der
nichts ahnt.

(Die Hochzeitsnacht)
Nu si dem site gegiengen mite,
beidiu getrunken nach dem site,
diu junge künigin lsot
diu leite sich mit maneger not,
mit tougenlichen smerzen
ir muotes unde ir herzen
zuo dem künege ir herren nider.
der greif an sine vröude wider:
er twanc si nahe an sinen lip.
in duhte wip alse wip:
er vant ouch die vil schiere
von guoter maniere.
ime was ein als ander:
an ietwederre vander
golt unde messinc.
ouch leistens ime ir teidinc
also dan und also dar,
daz er nie nihtes wart gewar.

[Als sie dem Brauch gefolgt waren,


und beide, wie es sich gehörte, getrunken hatten,
die junge Königin Isolde,
94
Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

die legte sich mit manchem Kummer,


mit heimlichen Schmerzen
ihres Geistes und ihres Herzens
zu dem König, ihrem Herren, nieder.
Der griff an seine Freude wieder:
er zwang sie nahe an seinen Leib.
Ihm dünkte Weib soviel wie Weib:
Er empfand sie auch alsbald
von guter Manier.
Ihm war eine wie die andere:
Er unterschied bei beiden nicht
Gold von Messing.
Auch erfüllten sie ihm ihre Pflicht,
so vorher und so auch jetzt,
daß er nie irgend etwas merkte.]

Tristan und Isolde sind aber mächtig ineinander verliebt. Obwohl


sie sich sehr darum bemühen, ihre Liebe zu verbergen, kommt Marke
diesem Geheimnis dahinter und verbannt beide in die Wildnis. Nun
kommt es jedoch dazu, daß die Liebenden in einem schwer
zugänglichen Wald eine Grotte entdecken, in der sie in
weltabgeschiedener Seligkeit höchstes Liebesglück genießen.

ouch saget uns diz maere,


diu fossiure waere
sinewel, wit, hoch und ufreht,
snewiz, alumbe eben unde sleht.
daz gewelbe daz was obene
geslozzen wol ze lobene;
oben uf dem sloze ein crone,
diu was vil harte schone
rnit gesmide gezieret,
mit gimmen wol gewieret
und unden was der esterich

95
Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

glat und luter unde rich,


von grüenem marmel alse gras
ein bette in mitten inne was
gsniten schone und reine
uz cristallinem steine
hoch unde wit, wol uf erhaben,
alumbe ergraben mit buochstaben,
und seiten ouch die maere,
daz ez bemeinet waere
der gottinne Minne.
zer fossiure oben inne
da waren cleiniu vensterlin
durch daz lieht gehouwen in,
diu luhten da unde hie.
da man uz und in gie,
da gienc ein tür eriniu vür;
und uzen stuonden obe der tür
estericher linden dri
und obene keiniu me derbi;
aber umbe und umbe hin ze tal
da stuonden bourne ane zal …
...
sic sahen beide ein ander an,
da generten si sich van;
der wuocher, den daz ouge bar,
daz was ir zweier lipnar;
sin azen niht dar inne
wan muot unde minne.

[Auch erzählt uns die Geschichte,


die Höhle sei
rund, weit, hoch und senkrecht,
schneeweiß und überall glatt und eben gewesen.
Das Gewölbe war oben höchst rühmenswert geschlossen;
oben als Abschluß saß eine Krone,
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

die war überaus schön


mit Geschmeide verziert,
mit goldgefaßten Edelsteinen.
Unten war der Boden
glatt, sauber und kostbar,
von grünem Marmor wie Gras.
Ein Bett stand in der Mitte,
schön und klar geschnitten
aus Bergkristal
hoch und weit, aufragend;
rund herum waren Buchstaben eingemeißelt:,
die berichteten auch,
daß das Bett bestimmt sei
für die Göttin Minne .
In die Höhle oben
waren kleine Fensterlein
wegen des Lichts gehauen,
die leuchteten hie und da.
Wo man ein- und ausging,
da stand ein ehernes Tor davor;
und draußen, oberhalb des Tores, standen
drei astreiche Linden;
sonst keine mehr da oben.
Aber um und um, das Tal hinab
standen Bäume ohne Zahl ...
Sie sahen beide einander an,
davon ernährten sie sich;
der Gewinn, den das Auge brachte,
der war die Leibesnahrung der zwei;
sie aßen nichts in der Grotte
als Begehren und Liebe]
(Aus dem Mittelhochdeutschen von ERNST VON BORRIES)

Das Liebesglück kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß


es zugleich im Zeichen dämonischer Naturgewalt steht, die zu Schuld,
97
Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Betrug, Untreue und sündhafter Verstrickung führt. Im Zauber dieser


unwiderstehlichen Leidenschaft wird die Antinomie von Schuld und
Unschuld symbolträchtig deutlich: "ouwe Tristan unde Isot,/ diz tranc
ist iuwer beider tot."
Nach einer Zeit tut es Marke Leid für das, was er getan hat, und
ruft die Beiden zurück zum Hof. Der Zauber des Minnetrankes wirkt
aber fort, so daß Tristan endgültig des Landes verwiesen wird.
Er durchzieht viele Länder, erlebt viele Abenteuer, aber nichts
läßt ihn Isolde vergessen. Nur als Tristan Isolde Weißhand trifft,
glaubt er, aufgrund der verwirrenden Namengleichheit, neues
Liebesglück wiedergefunden zu haben.
Hier bricht GOTTFRIEDS Dichtung ab. ULRICH VON TÜRHEIM und
HEINRICH VON FREIBERG versuchten das Werk fortzusetzen und
erzählten, daß sich Tristans Hoffnung auf neues Glück als vergeblich
erwies. So kehrt er immer wieder zur blonden Isolde zurück, auch
nachdem er die andere geheiratet hat.
Eines Tages wird Tristan von einem giftigen Speer verwundet
und schickt nach Isolde Blondhaar, die ihn heilen soll. Die Ankunft
des Heilmittels verzögert sich und Tristan gesteht in der Zwischenzeit
alles seiner Frau. Als das Schiff in Sicht erscheint, fragt er Isolde
Weißhand, ob sie das Zeichen sehe, daß sich Isolde auf dem Schiff
befinde. Obwohl sie das positive Zeichen erblickt, sagt sie ihm, jene
sei nicht am Bord des Schiffes. Vor Kummer stirbt Tristan, und als ihn
Isolde Blondhaar erblickt, sinkt sie auch tot zu Boden. Marke, der
ihnen verzeihen wollte, kommt zu spät. Da er nun die Wahrheit kennt,
läßt er die beiden nach Cornwall bringen und nebeneinander bestatten.
Auf Tristans Graben wächst ein Rosenstrauch, auf Isoldes eine
Weinrebe. Beide wachsen in der Höhe und verschlingen sich unlöslich
über der Kapelle.
Minne, die Kraft der Liebe also, ist für GOTTFRIED VON
STRASSBURG eine menschliche Eigenschaft, eine grenzenlose
Leidenschaft, die sich über jegliche Ordnung und Konvenienz, über
Sittlichkeit und religiösen Schranken hinwegsetzt. Durch ihr Leid
gelangen die Geliebten zu einer Art "unio mystica" und vereinen sich
in der leiblich-seelischen Harmonie: "Tristan und Isot, ir und ich, / wir
zwei sîn iemer beide / ein dinc ân' underscheide."
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Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Der Minnesang
Mit den großen Versepen setzt in der höfischen Klassik ab Mitte
des 12. Jahrhunderts eine kunstvolle Liebeslyrik ganz eigener Prägung
ein: der Minnesang. Minne bedeutete ursprünglich “Gedenken”,
innige Erinnerung und erst nachher Liebe. Die meisten Lieder des
Minnesangs (sie wurden meist gesungen – bei einigen davon hat man
auch noch die Noten gefunden) wurden in großen
Sammelhandschriften überliefert, deren kostbarste die MANNESISCHE
HANDSCHRIFT in Heidelberg ist.

Der frühe Minnesang


Den ersten Beweis der Liebeslyrik wurde durch eine TEGERNSEER
HANDSCHRIFT überliefert, in der in einer ausgeprägt einfachen
sprachlichen Form die Offenheit, die Echtheit und die Dauerhaftigkeit
der Gefühle der Liebenden zum Ausdruck gebracht werden:

Du bist min...
Du bist min, ich bin din:
des solt du gewis sin.
du bist beslozzen
in minem herzen:
verlorn ist daz slüzzelin:
du muost ouch immer drinne sin.

Ebenfalls auf eine frühe volkssprachliche Liebeslyrik verweist


das folgende Tanzlied, das in die Handschrift der CARMINA BURANA
(geschrieben vor 1250 in Süddeutschland) Eingang fand. Hier ist
besonders der "Wechsel" von Frauen- und Männerstrophe
hervorzuheben.

Chume, chume, geselle min...


Chume, chume, geselle min,
ih enbite harte din!
99
Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

ih enbite harte din,


chum, chum, geselle min!

Suozer rosevarwer munt,


chum unde mache mich gesunt!
chum unde mache mich gesunt,
suozer rosevarwer munt!

(Frauenstrophe: Komm, komm, mein Geliebter,


ich warte sehr auf dich!
Ich warte sehr auf dich,
komm, komm, mein Geliebter!)

Männerstrophe: Süßer rosenfarbener Mund,


komm und mache mich gesund!
Komm und mache mich gesund,
süßer rosenfarbener Mund!)

Die ersten namentlich bekannten Minnesänger stammen aus dem


bayerisch-österreichischen Raum. Diese erste archaisch-aristokrati-
sche Liebeslyrik unterscheidet sich in Form und Thematik von der
späteren staufisch-höfischen Minnelyrik.

DER KÜRENBERGER
Der Oberösterreicher KÜRENBERGER (nach 1150) ist der
bekannteste Vertreter des frühen Minnesangs. Sein Falkenlied zählt zu
den meistzitierten Gedichten dieser Zeit:

Ich zog mir einen Falken...

Ich zog mir einen Flaken länger als ein Jahr,


Und da ich ihn gezähmet, wie ich ihn wollte gar,
Und ich ihm sein Gefieder mit Golde wohl umwand,
Stieg er hoch in die Lüfte, flog in ein anderes Land.
100
Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Seither sah ich den Falken so schön und herrlich fliegen,


Auf goldrotem Gefieder sah ich ihn sich wiegen,
Er führte an seinem Fuße seidene Riemen fein;
Gott sende sie zusammen, die gerne getreue sich möchten sein!
(Übertragen von GOTTFRIED KELLER)

101
Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Das deutsche Mittelalter wird in hohem Maße durch den bereits


erwähnten Minnesang beherrscht. Um die Gunst der geliebten Frau zu
erlangen, die das Sinnbild des Schönen und Guten auf Erden darstellt,
wirbt und singt der Sänger-Dichter zu Ehren der "Sonne des Lebens" –
wie HEINRICH VON MOHRUNGEN die Rolle der Frau in dieser Zeit
treffend charakterisierte. Im Minnesang machten sich zwei Tendenzen
sichtbar: die hohe und die niedere Minne. In der niederen streben die
Liebenden nach körperlicher Vereinigung, nach ephemerem
sinnlichem Glück, während in der hohen die Frauengestalt meist als
unerreichbar und vollkommen erscheint. Auch wenn die Erotik nicht
verdrängt werden kann, so überwiegen in der hohen Minne schließlich
"schame" und "kiusche" gegenüber der "edlen frouwe". Dabei
verbinden sich Liebesverlangen und aufrichtig empfundenes Leid zum
ergreifenden Liebeslied.
In den staufischen Gebieten im Westen des Heiligen Römischen
Reiches Deutscher Nation entwickelte der Minnesang ein neues
Verhältnis zur Frau. Die neuen höfischen Tugenden, die der Hof
Kaiser Friedrichs I. Barbarossa aus Frankreich entlehnt hatte, ließen
neue Modelle der Liebeslyrik entstehen, für die auch in Vers- und
Strophenform das Vorbild der französischen Troubadoure bestimmend
wurde. In der hohen Minne wird die Frau – wie angedeutet – hoch
gepriesen, sublimiert zu einem Ideal an Schönheit und Tugend. Sie
wird auf einem unerreichbaren Thron gehoben, dem Ritter bleibt nur
die Anbetung aus der Ferne, auch Trauer und Not darüber, daß die
Angebetene sein Herz so ganz gefangen nimmt und so sparsam seinen
Minnedienst belohnt: nur mit einem Gruß, nur mit einem Blick. Das
Werben, der Dienst an der Frau ersetzt also die Liebeserfüllung.
Im Vergleich zur hohen Minne, bedeutet die niedere Minne ein
Zusammenwirken von Mann und Frau. Hier geht es um die einfache
Liebe, die offen ausgesprochen, offen erwidert wird und, vor allem, in
Erfüllung geht.

HEINRICH VON MORUNGEN


Der Thüringer HEINRICH VON MORUNGEN (1155-1222) gehört zu
den bildkräftigsten, "lyrischsten" unter den Minnesängern.
102
Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Wüßt‘ ich, ob ...

Wüßt‘ ich, ob es möchte wohl verschwiegen sein,


Ich ließ‘ euch sehen meine lieben Frauen:
Wer entzwei mir bräche hier das Herze mein,
Der könnte sie schön darinnen schauen.
Sie kam mir
durch die Augen sonder Tür gegangen.
Ach, könnt‘ ich von der reinen Minn‘ einmal ich sein
also würdig doch empfangen!

Riefe lange wer in einem tauben Wald,


Es kämen ihm draus der Antwort Töne.
Meine Klag‘, die ich getan so mannichfalt
Von meiner Not, hör‘ sie doch die schöne!
Klagt‘ ihr doch
oft genug mein Leid ein Bote mit Gesange!
Wehe mir, schlief denn die Liebliche bisher
oder schwieg sie allzu lange?
Es hätten wohl seitdem ein Papagei und Star
Gelernt doch, daß sie sagten „Minne“.
Ich hab‘ ihr gedient nun so manches Jahr,
Daß sie doch meiner Red‘ entsinne!
Wollte Gortt,
da sie es nicht tut, ein Wunder an ihr zu zeigen!
Leichter könnt‘ mit meiner Bitt‘ ich einen Baum
ohne Axt mir niederneigen.
(Übertragen von KARL PANNIER)

REINMAR VON HAGENAU


REINMAR VON HAGENAU (1160-1205) stammte aus einem
elsässischen Ministerialgeschlecht und wird als der reinste Verfechter
der hohen Minneidee bezeichnet.
103
Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Ich habe ihr so manches Jahr...

Ich habe ihr so manches Jahr


Gelebt, und sie mir selten einen Tag.
Davon gewinn ich noch das Haar,
Das man in weißer Farbe sehen mag.
Ihre Macht, die färbt mich weiß,
Ach zürnte sie doch andern und gäbe diese Preis.

Wähnt sie, daß ich das Herz


Von ihr wende jetzt in hellem Zorn?
Kränkt sie mich durch bittern Schmerz,
So bin ich doch anders nicht geborn.
Als daß ich dem Troste lebe,
Wie ich ihr wohl dien, und sie dem Leid ein Ende gäbe.
(Übertragen von CURT HOHOFF)

HARTMANN VON AUE


HARTMANN VON AUE (1165-1215) hatte mit ganz
konventionellen Minnegedichten begonnen, stellte jedoch nachher als
einer der ersten das einseitige Schema des Werbens und Dienens in
Frage. Im Rückgriff auf die alte Form des üblichen Wechsels von
Männer- und Frauenstrophe konnte er sich eine freiere Behandlung
des Minnethemas leisten.

Überhöhte Minne

Mancher wohl begrüßt mich so


(mäßig macht der Gruß mich froh):
“Hartmann, gehn wir schauen
ritterliche Frauen!”
Lass’ er mich nur in Frieden stehen
und mag er zu den Stolzen gehen!
104
Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Gewinn glaub ich dort nicht zu sehn,


Verdruß nur bieten sie als Lehn.
Als ich in meiner Torheit sprach
zu einer Frau im Burggemach:
“Ich wandte meine Sinne,
Herrin, auf Eure Minne”,
ward schief ich von ihr angesehen.
Drum soll mein Blick, muß ich gestehen,
nach Frauen solcher Art nur gehn,
wo das mir nimmer kann geschehen.

Zu Edelfraun heg ich den Sinn,


daß, wie sie mir, ich ihnen bin.
Die Zeit mir zu vertreiben,
mag ich bei Mägden bleiben.
Wohin ich komm, gibt’s ihrer viel,
da find ich, die mich haben will,
die ist mein trautes Herzenspiel.
Was taugt mir ein zu hohes Ziel?
(Übertragen von KURT ERICH MEURER)

WALTHER VON DER VOGELWEIDE


WALTHER VON DER VOGELWEIDE (1170-1230) besaß die größte
und vielseitigste lyrische Begabung der höfischen Generation. Mit
seinem Namen wird auch heute noch der Minnesang assoziiert. Seine
Herkunft und sein Lebenslauf zeigen ihn als einen Dichter, dessen
gesellschaftliche Stellung, aber auch dessen Lebensunterhalt von der
Qualität seiner Werke abhing.
Mit seinem Lehrer, Reinmar, den er aus seiner Position als
Hofdichter in Wien verdrängen wollte, führte WALTHER eine
berühmte Dichterfehde. Dabei nutzte er die "moderneren" kritischen
Strömungen und protestierte gegen das sterile, weltfremde
Minneideal, das Reinmar verabsolutierte. WALTHER hatte als
105
Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Nachahmer Reinmars begonnen, aber nach 1198 änderte er infolgfe


seines Wanderlebens seine Auffassung von der Liebe. Anstelle der
vornehmen Dame – der “frouwe” – tritt das lebensvolle Mädchen auf
– das “wip”; anstelle der Unerreichbarkeit der Geliebten, die sinnliche
Hingabe. Das ästhetische Spiel und die höfische Konvention weichen
in dieser Art allmählich dem natürlichen Gefühl der echten
Lebensfülle aus. Das, was er neues bringt, ist eine Synthese aus
hohem Minnesang und volkstümlicher Liebeslyrik. WALTHER will die
Gleichberechtigung in der Liebe, die Wiederherstellung der
natürlichen Liebesbeziehungen.

106
Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Was ist Minne ...

Was ist Minne ?Wie ein Rätsel scheint


Mir ihr Wesen. Sagt, wie kommt es nur,
daß man ihretwillen oft so weint,
Wie ich‘s leider nur zu oft erfuhr?
Wahre Minne, denk ich, tut doch wohl.
Tut sie weh, ist‘s keine Minne;
Sagt mir denn, wie ich sie heißen soll.

Oder laßt mich raten, was sie ist,


Und wenn ich‘s errate, so sagt: ja!
Wenn du zweier Herzen Wonne bist
Gleichgeteilt, dann, Minne, bist du nah.
Aber wenn du ungeteilt willst sein,
Kann kein Herz allein dich tragen,
Hilf mir teilen drob, o Herrin mein!

Viel zu schwer wird mir die Liebeslast.


Willst du helfen, hilf mir mitzutragen.
Aber wenn du keine Liebe hast,
Will ich aller Bande mich entschlagen,
Daß ich wieder bin ein freier Mann.
Doch dann wisse, daß dich niemand
So wie ich im Liede preisen kann.

Gibst du Liebesleid für Liebeslust,


Dann verlang nicht Liebeslust für Leid!
Tönt mein Lied mir darum aus der Brust,
Daß du den verhöhnst, der dir‘s geweiht?
Nimmer könnt ich dann dein Herz verstehn.
Doch was red ich Aug- und Ohrenloser:
Wie kann der, den Liebe blendet, sehn?
(Übertragen von EDWARD SAMHABER)

107
Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Ich saß auf einem Steine...


Ich saß auf einem Steine
Und deckte Bein mit Beine;
den Ellenbogen setzt ich auf
und schmiegte in die Hand darauf
das Kinn und eine Wange.
So grübelte ich lange,
wie in der Welt man könnte leben:
Die Antwort konnt‘ ich mir nicht geben,
wie man drei Dinge erwürbe,
daß keins davon verdürbe.
Der‘n zwei sind Ansehn, irdisch gut
– das oft einander Abbruch tut –,
das dritt ist Gottes Segen,
den zweien überlegen.
Die wünscht ich mir in einen Schrein.
Doch leider kann es nimmer sein,
daß Gut und weltlich Ehre
und Gottes Huld je kehre
ein in dasselbe Menschenherz.
Sie finden Hemmnis allerwärts:
Lug gibt‘s im Übermaße,
Gewalt herrscht auf der Straße,
Friede und Recht sind todeswund,
es finden keinen Schutz die drei1,
eh diese zwei2 nicht sind gesund.
(Übertragen von RICHARD SCHAEFFER)

1
Ansehen, Reichtum und Gottes Huld
2
Friede und Gerechtigkeit
108
Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Ich hört ein Wasser rauschen...

Ich hört ein Wasser rauschen,


den Fischlein konnt ich lauschen,
ich schaute, was erfüllt die Welt,
Laub, Rohr und Gras und Wald und Feld,
was kriechet und was flieget,
das Bein zur Erde bieget,
das sah ich und verkünd‘ euch das:
Nicht eins lebt ohne Kampf und Haß.
Das Wild und das Gewürme,
sie zwingen Zwistes Stürme;
auch bei den Vögeln herrschet Streit,
Doch eins ist, was Verstand gebeut:
daß man sich meint vernichtet,
wenn niemand ist, der richtet.
Sie wählen Kön‘ge, ordnen Recht,
sie setzen Herren ein und Knecht‘.
Wie steht im deutschen Lande
die Ordnung ! Welche Schande,
daß selbst die Mücke wird regiert,
doch deine Ehre sich verliert!
Bekehre dich, bekehre!
Die Krönlein brauchen Lehre,
die armen Kön‘ge drängen dich.
Herrn Philipp setzt den Waisen auf und laßt
die andern beugen sich!
(Übertragen von RICHARD SCHAEFFER)

Unter den Linden ...

Unter den Linden


An der Heide,
Da unser zweier Bette was,
109
Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Da möget ihr finden


Schöne beide
Gebrochen Blumen und Gras.
Vor dem Walde in einem Tal,
Tandaradei ! schöne sang die Nachtigall.

Ich kam gegangen


Zu der Aue,
Da was mein Friedel kommen eh;
Da ward ich empfangen:
Here Fraue,
Daß ich bin selig immer meh.
Er küßte mich wohl tausend Stund,
Tandaradei ! seht wie rot ist mir der Mund!

Da hat er gemachet
Also reiche
Von Blumen eine Bettestatt,
Des wird noch gelachet
Innigliche,
Kömmt jemand an dasselbe Pfad;
Bei den Rosen er wohl mag
Tandaradei ! merken, wo mir‘s Haupt lag.

Daß er bei mir lege,


Wüßt es jemand,
Behüte Gott, so schämt ich mich.
Was er mit mir pflege,
Nimmer niemand
Befinde das, wann er und ich,
Und ein kleines Vögelein,
Tandaradei ! das mag wohl getreue sein.
(Übertragen von JOSEPH GÖRRES)

110
Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Herzeliebes Mädchen mein...

Herzeliebes Mädchen mein,


Gott schenk dir Glück zu jeder Zeit!
Könnt ich daß gedenken dein,
wie gern wär ich dazu bereit.
Was kann ich dir sagen mehr,
als daß dich niemand lieber hat als ich? Das macht das Herz mir schwer.

Viele tadeln mich, daß ich


an niedrer Statt nun singen will.
Wenn sie doch besännen sich,
was Liebe sei – sie schwiegen still.
Sie beglückte Liebe nie:
die nach Besitz nur und nach Schönheit lieben, weh wie lieben die!

Bei der Schönheit Haß oft wohnt,


nach Schönheit strebe nicht zu jach;
Lieblichkeit das Herz belohnt,
Der Armut steht die Schönheit nach.
Anmut macht die Frau erst schön:
daß Schönheit mache liebenswert, hat niemand noch bisher gesehen.

Ich ertrag ihn und ertrug,


trag länger deren Tadel noch:
du bist schön und hast genug.
Man sage, was man wolle, doch:
dich allein hab ich im Sinn
und nehm dein gläsern Fingerring für alles Gold der Königin.

Hast du Treu und Stetigkeit,


so bin ich ohne Sorgen gar,
daß mir jemals Herzeleid
von deinem Mutwill widerfahr.
111
Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Hast du aber diese nicht,


so möcht ich dich besitzen nimmer; weh, wenn das Herz mir bricht!
(Übertragen von RICHARD SCHAEFFER)

Mailied...

Wollt ihr schaun, was im Maien


wunders sich bewegt?
Seht an Pfaffen, seht an Laien,
wie sich alle regt!
Groß ist sein‘ Gewalt:
hat zu zaubern er begonnen?
Wo er naht mit seinen Wonnen,
da ist niemand alt.

Alles wird uns gut gelingen!


Frohgemut nun seid,
helft mir tanzen, lachen, singen
ohne Dreistigkeit.
Wer wär jetzt nicht froh?
Ringsum alle Vögel preisen
laut den Mai mit ihren Weisen:
tun wir‘s ebenso!

Wie du alles friedlich schlichtest,


holde Maienzeit,
wie du Wald und Heide richtest
mit dem schönsten Kleid!
War es bunter je?
“Ich bin größer, du bist kleiner!”
also streitet sich mit einer
Blume leis der Klee.

112
Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Roter Mund, was dich entehret,


ist das Lachen dein.
Schäm dich, da du mich beschweret,
noch zu lachen mein.
Ist es recht getan?
Weh der verlornen Stunde –
soll von minniglichem Munde
mir Unminne nahn?
Was mich hindert, froh zu werden,
das seid ihr allein.
Könnt ihr euch so hart gebärden
und ohn Gnade sein?
Wißt ihr, was ihr tut?
Zeigt euch gnädig doch, bedenket:
wenn ihr kein Gehör mir schenket,
so seid ihr nicht gut.

Löset, Herrin, mich von Sorgen,


macht mir froh die Zeit,
oder ich muß Freude borgen
Daß ihr glücklich seid!
Wollt ihr um euch sehen,
Wie die Welt so fröhlich scheine?
Könnt von euch doch eine kleine
Freude mir geschehen!
(Übertragen von RICHARD SCHAEFFER)

WALTHER VON DER VOGELWEIDE markiert Höhepunkt und


Ausklang des höfischen Minnesangs. Er war ritterlichen Standes und
führte ein unstetes, abenteuerliches, oft gefährliches Wanderleben. Für
ihn gilt es – wie bereits bewiesen – nur geteilte Liebe als begehrens- und
lobenswert, die unerreichbare angebetete Herrin reizt ihn nicht, denn
"minne ist zweier herzen wunne!" Das dichterische Selbstbewußtsein
sowie die vaterländische Gesinnung erreichen bei WALTER einen hohen

113
Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Stellenwert in einer bewegten Zeit allgemeiner staatlicher Zerrüttung.


WALTER hat Glanz und Elend des florierenden und nun ausklingenden
höfischen Zeitalters miterlebt und literarisch verarbeitet.
Die menschlichen Gebrechen seiner Zeit, die Unstetigkeit und
Unbehaustheit seines Wanderlebens erweckten in ihm das
Bewußtsein, im Namen des gesamten Menschengeschlehts zu
sprechen. Aus diesem Bewußtsein rührt die Representativität seiner
gesamten Lyrik her, für die abschließend auch die drei Teile seiner
großen Elegie (1227) Zeugnis ablegen sollen:

I.
Owê war sint verswunden alliu mîniu jâr!
ist mir mîn leben getroumet oder ist ez wâr?
daz ich ie wânde ez waere was daz alles iht?
dar nâach hân ich geslâfen und enweiz es niht.
nu bin ich erwachet, und ist mir unbekant
daz mir hie vor was kündic als mîn ander hant.
liut unde lant, dar inn ich von kinde bin erzogen,
die sint mir worden frömde reht als ez sî gelogen.
die mîne gespilen wâren, die sint traege und alt.
bereitet ist daz velt, verhouwen ist der walt:
wan daz daz wazzer fliuzet als ez wîlent flôz,
für wâr mîn ungelücke wânde ich wurde grôz.
mich grüezet maneger trâge, dermich bekande ê wol.
diu welt ist allenthalben ungenâden vol.
als ich gedenke an manegen wünneclîchen tac,
die mir sint enpfallen als in daz mer ein slac,
iemer mêre owê

[Oweh wohin entschwanden alle meine Jahre!


War mein Leben ein Traum, oder ist es Wirklichkeit?
Was ich immer glaubte, es sei – war all das etwas?
Dann habe ich geschlafen, und weiß es nicht.
Nun bin ich erwacht, und ich kenne nicht mehr
was mir zuvor bekannt war wie meine eigene Hand.
Leute und Land, in deren Mitte ich von Kind an aufgezogen worden
/bin,
114
Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

die sind mir fremd geworden, als hätte es sie gar nicht gegeben.
Mit denen ich gespielt habe, die sind jetzt müde und alt.
Bebaut ist das Land, gerodet der Wald.
Liefe der Fluß nicht wie er einst lief –
glaubte ich wahrlich, mein Land wäre groß.
So mancher grüßt mich überhaupt nicht mehr, der mich einst sehr
/wohl kannte:
Die Welt ist überall voller Undank.
Wenn ich so manchen strahlenden Tags gedenke
der spurlos mir entglitten ist, wie ins Wasser ein Schlag -
immerdar: oweh.]

II.
Owê wie jaemerlîche junge liute tount,
den ê vil hovelîchen ir gemüete stuont!
die kunnen niuwan sorgen: owê wie tuont si sô?
swar ich zer werlte kêre, dâ ist nieman frô:
tanzen, lachen, singen zergât mit sorgen gar:
nie kristenman gesaehe sô jaemerlîche schar.
nû merket wie den frouwen îr gebende stât;
die stolzen ritter tragend dörpellîche wât.
uns sint unsenfte brieve und fröide gar benomen.
daz müet mich inneclîchen (wir lebten ê vil wol),
daz ich nû für mîn lachen weinen kiesen sol.
die vogel in der wilde betrüebet unser klage:
waz wunders ist ob ich dâ von an fröiden gar verzage?
Wê waz spriche ich tumber durch mînen boesen zorn?
Swer dirre wünne volget, hât jene dort verlorn,
iemer mêr owê

[Oweh wie kkümmerlich geben die jungen Leute sich,


die einstmals fröhlich und wohlerzogen waren,
die verstehn sich nur noch auf Sorgen – ach warum sind sie so?
Wohin auch ich mich wende – niemand ist vergnügt:
115
Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Tanzen, Lachen, Singen vergehen ganz in Sorgen.


Nie hat ein Christenmensch eine derart klägliche Gesellschaft gesehn.
Man sehe nur, wie den Damen ihr Kopfschmuck steht;
und stolze Ritter tragen bäurische Kleidung!
Böse Briefe sind uns aus Roma gekommen.
Das schmerzt mich zutiefst, (wir lebten einst nicht übel),
daß ich jetzt mein Lachen gegen tränen eintauschen soll.
Selbst die Vögel im wilden Wald werden bedrückt von unsrer Klage:
was Wunder daß auch ich darob alle frohe Stimmung einbüße?
Aber ach, was sage ich Narr da in meiner schlimmen Empörung!
Wer dem Glück dieser Welt nachgeht hat das ewige schon eingebüßt,
immerdar oweh.]

III.
Owê wie uns mit süezen dingen ist vergeben!
ich sihe die bittern gallen in dem honege sweben.
diu Welt ist ûzen schoene, wîz grüen unde rôt,
und innân swarzer varwe, vinster sam der tôt.
swen si nû habe verleitet, der schouwe sînen trôst:
er wirt mit swacher buoze grôzer sünde erlôst.
Dar an gedenket, ritter: ez ist iuwer dinc.
ir traget die liehten helme und manegen herten rinc,
dar zuo die vesten schilte und diu gewîhten swert.
wolte got, wan waere ich der segenunge wert!
Sô wolte ich nôtic armman verdienen rîchen solt.
joch meine ich niht die huoben noch der hêrren golt:
ich wolte saelden krône êweclîchen tragen:
die mohte ein soldenaere mit sîme sper bejagen.
möht ich die lieben reise gevaren über sê,
sô wolte ich denne singen wol, und niemer mêr owê,
niemer mêr owê.

[Oweh wie wir mit süßen Dingen vergiftet sind!


Ich sehe die bittere Galle inmitten des Honigs schwimmen.
116
Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Die Welt ist außen schön, weiß, grün und rot –


und innen von schwarzer Farbe und finster wie der Tod.
Wen aber sie verführt hat, der sehe jetzt auf seine Rettung:
mit geringer Bußleistung wird er von schwerer Sünde erlöst.
Daran denkt, ihr Ritter; es ist eure Sache.
Ihr tragt die strahlenden Helme und die harten Ringpanzer,
und dazu feste Schilde und geweihte Schwerter:
wollte Gott auch ich wäre solcher Segnung noch wert!
Dann würde ich meiner Dürftigkeit mir reichen Lohn erdienen.
Doch damit meine ich keinen Landbesitz noch das Gold der Großen:
die Krone der Seligkeit wollte ich ewig tragen!
Die konnte einst schon ein Söldner mit seiner Lanze erringen.
Könnte ich den ersehnten Zug mitfahren übers Meer,
dann würde ich freudig singen, und niemals mehr oweh,
niemals mehr oweh!]
(Übersetzt von PETER WAPNEWSKI)

Auch bei WALTHER VON DER VOGELWEIDE ist ein hohes


Selbstbewußtsein des Dichters festzustellen: "Kein deutschprachiger
Dichter des Mittelalters, nicht einmal der eigenwillige WOLFRAM,
verwirklicht sich selbst so leidenschaftlich in Versen, malt sich so
*ichbesessen in ihnen ab, bedient sich ihrer so selbstbefangen als eines
Instrumentes persönlicher Lebensbewältigung wie WALTHER. Er ist
nie selbstvergessen, ist immer selbstbedacht. Redet von und über sich,
nennt seinen Namen, drängt das 'Ich' vor: kein anderer der deutschen
Dichter damals tut das so oft, so laut, so heftig wie er." (PETER
WAPNEWSKI) Seine Lebenserlebnisse in der Gemeinschaft und im
persönlichen Liebesverhältnis ernähren eine Lyrik des edlen Gefühls
und hoher Leidenschaftlichkeit, die an die hohe Minne erinnert. Doch
die Zeit und die Umstände, die diese erst ermöglichten, gehörten
bereits der Geschichte an, so daß diese *Unzeitgemäßheit einer
existenziell erlittenen Dichtung umso tragischer anmutet.

117
Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

NEIDHART VON REUENTHAL

NEIDHART VON REUENTHAL (1190-1240) setzte den Schlußstrich


unter den klassischen Minnesang und kündete den Verfall der
feudalen Literatur an. Seine Lieder zerreißen die Illusion einer elitären
Standeslyrik, zerstören die vorgegebenen Minnekonstellationen,
indem sie mit den Versatzstücken derber Bäuerlichkeit parodiert
werden.

118
Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

Horch auf, ich hör...

Horch auf, ich hör in der Stube tanzen.


Junge Mann,
stellt euch an!
Da ist der Frauen eine große Menge.
Hei, da sah man mächtiges Ridewanzen1.

Und zwei Geigen:


Wenn sie schweigen,
ist von Bauernburschen groß Gedränge:
denn da ward im Wechsel vorgesungen.
Durch die Fenster drang der Schall.
Adelhalm2
tanzet nur noch zwischen zweien Jungen.

Räumet aus die Schemel und die Stühle!


Heiß die Schragen
fürder tragen!
Heute wollen vom Tanze wir werden müder.
Machet auf die Stube, so ist es kühle,
daß der Wind
an die Kind
sanfte wehe durch die heißen Mieder.
Wenn die Vortänzer dann etwas schweigen,
so sollt ihr alle sein gebeten,
daß wir treten
noch ein Hoftänzel wohl nach der Geigen.
(Übertragen von FRIEDRICH SACHER)

1
eine beliebte Tanzart

119
Antologia literaturii germane – Anthologie der deutschen Literatur (1)

Im Wald...

Im Wald
Klingt‘s bald
Von kleinen süßen Vogelstimmen wieder
Und ringsum schallen alte liebe Lieder.
Wird doch in jeder Vogelbrust
Der Gram zur Lust
Im Maien –
Drum, Mädchen, kommt zum Reien!
Im Freien
Allein
Kann frohe Jugend ihre Freude finden.
Laßt uns den Lenz denn feiern bei der Linden,
Die sich in neuem Laube bauscht;
Ihr Wipfel rauscht
Schon mächtig –
Wie ist der Mai doch prächtig.

Es blinkt
Und sinkt
Der Tau leis in die Blumenaugen nieder.
Ihr hübschen Mädchen, kommt in Scharen wieder!
zu schmücken euch, sei Zeitvertreib,
Jungfrau und Weib, ihr kommt in Scharen wieder!
zu schmücken euch, sei Zeitvertreib,
Jungfrau und Weib,
Im Maien
Geziemt sich Tanz und Reien.
„Wie wollt
Ich hold
Dem Manne sein und immer ihm gewogen,“
(Sprach Udelhild, ein Mädchen wohlerzogen)
2
Name eines Bauern
120
Perioada de vârf a Evului Mediu – Das Hochmittelalter (1170-1270)

„Der Fessel löste mir und Band!


An seiner Hand
Ich spränge.
Daß Laut sein Degen klänge!

Mein Haar
Fürwahr
Hätt ich beim Tanz mit Seide schön umwunden,
Nur dem zuliebe, der mich alle Stunden
Zu sich hinwünscht nach Reuenthal.
Des Winters Qual
Muß enden.
Ihn lieb ich – wer kann‘s wenden?“
(Übertragen von RICHARD ZOOZMANN)

121
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

333966666666333

DAS SPÄTMITTELALTER
(1270-1500)

Der Niedergang des Adels und der Verlust seines politischen


und wirtschaftlichen Einflusses hat als Folge ein langsames
Verschwinden der Adelsliteratur. Obwohl sich der Adel bemühte sein
Bild und die Rittertradition in der Literatur lebendig zu halten,
verfügten sie nicht mehr über eine so große Macht und einen so
großen Einfluß, um die Dichter für ihre Werke bezahlen zu können.
So erscheinen immer mehr Dichtungen über das schwächende Adel
und, vor allem, über das verfallende Rittertum. Die guten alten Sitten
und Tugenden werden parodistisch dargestellt und die Handlung wird
von der Adelswelt in die Bäuerliche umgesetzt.

WERNHER DER GARTENAERE - Meier Helmbrecht


Ungefähr 1270/80 verfaßte WERNHER DER GARTENAERE das
kurze "maere von dem helmprechte" (1934 Verse). Ähnlich wie
NEIDHART VON REUENTHAL, der die Themen der Minneslyrik auf die
bäuerliche Welt übertrug, verwendet WERNHER das Schema des
klassischen Artusromans, um das widersinnige Bestreben, als Bauer in
die elitäre Hofgesellschaft der Ritter aufgenommen zu werden,
wiederzugeben. Er nimmt auch Elemente der Heldendichtung auf,
verwendet Anspielungen auf bekannte literarische Stoffe, um den
parodistischen Reiz zwischen Sein und Schein des *hoffärtigen ganz
unheldischen Bauernhelden besser illustrieren zu können.
Der Bauernsohn, Meier Helmbrecht, wird von Mutter und
Schwester nach Kräften verzogen: die beiden Frauen kleiden den
schönen Jüngling in kostbare Gewänder aus feinstem Tuch, behängen
ihn mit Pelz und rotvergoldeten und silbernen Knöpfen,
Gürtelschnallen, Kettenhemd und Schwert. Der Gipfel seiner
höfischen Ausstattung ist die reichbestickte Seidenhaube, die
122
Evul Mediu târziu - Das Spätmittelalter (1270-1500)

seinerzeit eine ganze Kuh gekostet hat. Diese Haube wird Symbol für
Helmbrechts Gelüsten nach höfischem Glanz und Ansehen.

Helmbrecht

Einer erzählt von dem, was er gesehen hat,


ein zweiter von dem, was ihm widerfahren ist,
der dritte von Liebe,
der vierte von Handel und Wandel,
der fünfte von Reichtum,
der sechste von hohen Idealen.
Hier will ich erzählen,, was ich selbst erlebt
und mit eigenen Augen gesehen habe.
Ich habe, das ist absolut zuverlässig! –
einen Bauernsohn gekannt, dessen
lockiges blondes Haar
über die Schulter
lang herabfiel.
Diese Haarpracht bändigte er in eine
mit Bildern kunstreich verzierte Kappe.
Ich glaube: Niemand hat bisher
so viele Vögel auf einer Kappe abgebildet gesehen:
Papageien und Tauben
waren darauf gestickt.

Hört nun, wie es mit dieser Kappe bestellt war.


Ein Gutspächter hieß Helmbrecht.
Dessen Sohn ist der Held
dieser Geschichte.
Der Junge hieß ebenso wie sein Vater.
Beide hießen sie Helmbrecht.
Knapp und ohne Umschweife
will ich euch berichten,
was auf der Kappe
123
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

noch für wundersame Dinge dargestellt waren


(diese Geschichte ist nicht eitel Phantasie;
ich berichte es nicht bloß so auf Verdacht hin):
Hinten von den Ringelglöckchen im Nacken
bis zum Scheitel
mitten auf dem Kopf
war der Mittelsstreifen der Kappe mit Vögeln bestickt;
die wirkten, als wären sie eben
aus dem Spessart herangeflogen.
Noch niemals hat ein Bauernschädel
eine so herrliche Kopfbedeckung getragen
wie hier Helmbrecht.
Diesem Bauerntölpel
war auf die rechte Seite
der Kappe gestickt-

Wollt ihr wirklich hören, was darauf gestickt war? –,


wie Troja belagert wurde,
Nachdem Paris in seiner Vermessenheit
dem König von Griechenland seine Frau entführt hatte,
die er wie das eigene Leben liebte,
und wie Troja erobert wurde
und von dort allein Äneas
mit den Schiffen aufs Meer entkam
und wie die Türme
und Steinmauern geschleift wurden.
Schlimm, daß jemals ein Bauer
eine solche Kappe hat tragen können,
von der es so viel zu erzählen gibt!

Wollt ihr nun noch weiter hören,


womit die andere Seite der Kappe
in Seide bestickt war?
Die Geschichte hält euch gewiß nicht zum Narren:
124
Evul Mediu târziu - Das Spätmittelalter (1270-1500)

Links war zu sehen,


wie vier Kampfgefährten:
König Karl und Roland,
Turpin und Olivier,
was die für Heldentaten im grimmigen Kampf
mit den Heiden vollbrachten:
Die Provence und das Arelat
hat bekanntlich König Karl
durch Tapferkeit und durch Klugheit unterworfen,
ebenso auch die Leidenschaft Galizien,
in der vorher nur Heiden gelebt hatten.

Wollt ihr nun auch weiter hören, was hinten auf der Kappe
von Schnalle zu Schnalle zu sehen war
(es ist wirklich wahr, was ich euch vortrage!)
in ihrer Breite von einem Ohr zum anderen?
Von den Söhnen der Königin Helche,
wie einst in Ravenna
ihr Leben lassen mußten,
als Held Witege,
der kampfwütige Hudegen,
sie und Diether von Bern erschlug.
Auch könnt ihr gespannt noch weiter hören,
was dieser Tölpel und Tor
sonst noch auf seiner Kappe zur Schau trug.
Dieser gottverlassene Narr hatte
vorn am Saum ringsherum
vom rechten Ohr bis hin
zum Linken (jedenfalls ist mir das
als vollkommen glaubhaft versichert worden;
hört nur, wie es weitergeht) –
mit Vergnügen konnte man betrachten,
wie von Rittern und adligen Damen
- keiner war dort übergangen -,
125
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

von Edelfräulein und Knappen


vorn am Saum eine Tanzszene
mit glänzender Seide aufgestickt war.
Zwischen zwei Edelfrauen stand,
wie man noch heute tanzt,
ein Ritter und hielt sie in den Händen.
Am anderen Ende
schritt eine Knappe zwischen zwei Edelfräulein
und hielt sie an den Händen gefaßt.
Auch Musikanten standen dabei.
Hört jetzt, wie die Kappe
für Helmbrecht angefertigt worden war,
diesen einfältig-verwegenen Burschen.
Denn bisher habt ihr noch nichts davon gehört,
woher die Kappe gekommen ist:
Eine lebenslustige Nonne nämlich hatte sie genäht.
Weil ihr ganzes Sinnen und Trachten dem Hofleben galt,
war sie aus ihrer Klosterzelle entwichen.
Und dann war es dieser Nonne ergangen,
wie es immer wieder vielen ergeht:
ich habe nur zu oft solche gesehen,
die der Leib in die Irre geführt hat,
so daß die Seele nun in Schaden dasteht.
Helmbrechts Schwester Gotelint
hatte der Nonne dafür ein gutgemästetes Rind
als Vorrat für die Küche geschenkt.
Die Nonne nämlich verstand ihre Sache
und verdiente sich ihren Unterhalt mit ihrer Handarbeit
an der Kappe und Kleidung.
Als Gotelint ihr diese Kuh geschenkt hatte,
hört nun, was die Mutter tat.
Die schenkte der Nonne
so viele Käse und Eier,
daß sie während der ganzen Zeit,
126
Evul Mediu târziu - Das Spätmittelalter (1270-1500)

als sie noch zum Essen ins Refektorium gegangen war,


niemals derart viele Eier in die Pfanne geschlagen
und so viele Käse verspeist hatte.
Ferner schenkte die Schwester
dem Bruder, damit er rechte Ehre einlegen konnte,
feine weiße Linnen,
wie niemand besseres besitzt.
Es war derart fein gesponnen,
daß gut sieben Weber
aus dem Webstuhl davongelaufen waren,
bevor dies Linnen fertig gewebt war.
Auch schenkte ihm die Mutter
eine prachtvolle Sackleinwand,
wie sie in dieser Qualität noch nie mit der Schere
von einem Schneider zugeschnitten worden war, und einen Unterpelz
aus dem Fell von jenem Getier,
das auf dem Felde Gras frißt:
Weißeres gab es im ganzen Lande nicht.
Danach schenkte die treusorgende Mutter
ihrem lieben Jungen
eine Rüstung und ein Schwert:
die hatte der junge Herr gewiß verdient!
Dazu schenkte sie diesem Junker
zwei Gewänder, die er unbedingt brauchte,
dazu ein Fahrtenmesser und eine geräumige Satteltasche;
noch heute käme sich einer verwegen vor, dem sie gehörte!
Als sie den Junker so ausgestattet hatte,
sagte er: "Mutter, ich muß
noch ein Kittelrock darüberziehen;
wenn ich auf den verzichten müßte,
so wäre ich nicht fein genug.
Der muß sich so großartig ausnehmen,
daß wenn du ihn bloß anschaust,
du dir sagen kannst:
127
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

Du legst mit deinem Sohn Ehre


überall dort ein, wohin ich komme."
Bisher hatte sie den Einschlagtüchern
noch ein Stück Stoff zurückbehalten;
auch das mußte sie zu ihrem Leidwesen
für die Kleidung ihres Sohnes drangeben
Sie kaufte ihm blaues Tuch dafür.
Werder hier noch anderswo
hat je ein Pächter
einen Rock getragen, der auch nur zwei Eier
mehr wert gewesen wäre als seiner:
das müßt ihr mir aufs Wort glauben! Sitte beizubringen
Der hatte es wahrhaftig verstanden, ihm Anstand und
und sein hohes Ansehen noch zu steigern,
der ihn mit diesem Rock ausstaffiert hatte.
Auf dem Rückenteil saß
vom Gürtel bis zum Nacken
ein goldener Knopf
am andern.

Wenn ihr noch mehr von dem Rock hören wollt,


so will ich euch zu Gefallen gern davon erzählen.
Von dort, wo der Kragen ans Kinn reichte,
bis zur Gürtelschnalle
glänzten die Knöpfe hell wie Silber.
Noch niemals
hat ein Bauer so viel Sorgfalt
auf seinen Kittel verwendet
und so kunstvolle Arbeit
zwischen Hohenstein/Wels und Haldenberg/dem Traunberg.
Urteilt selbst, wie euch das gefällt:
Mit drei Knöpfen aus Kristall,
keiner zu klein und keiner zu groß,
schloß er den Kittelschlitz vor der Brust,
128
Evul Mediu târziu - Das Spätmittelalter (1270-1500)

dieser unglaubliche Tor und Narr.


Das Oberteil war ringsherum
von Knöpfen übersät;
die glitzerten weithin,
gelb, blau, grün, lila und rot,
schwarz und weiß, genauso, wie er es hatte haben wollen
Die funkelten so hell,
daß er
beim Tanz
von Frauen und Mädchen
ganz verliebt angeschaut wurde
Um die Wahrheit zu gestehen:
Neben diesem vornehmen Junker
hätte ich auf die Frauen überhaupt keinen Eindruck gemacht!
Dort, wo der Ärmel am Wams angesetzt ist,
war die Naht ringsherum
mit Glöckchen behängt;
lieblich klingelten sie,
wenn er im Reigen tanzte:
den Frauen tönte es angenehm in die Ohren.
Neidhart von Reuental, wenn er noch lebte,
dem hätte Gott die Begabung verliehen,
daß er es viel schöner als Lied vorzutragen gewußt hätte,
als bloß mit Worten. Hört nur:
Die Mutter hatte viele Hühner und Eier verkaufen müssen
bevor sie ihm
noch Hosen und wunderschönes Schuhzeug hatte kaufen können.

Helmbrecht will Ritter werden und trotz aller Mahnungen


seines Vaters läßt er nicht davon ab. Die Befürchtungen des
selbstbewußten Vaters, der sich den Verfall des Rittertums
mitangesehen hat und der seine Standeszugehörigkeit akzeptiert und
schätzt, erweisen sich als rechtfertigt. Die Gesellschaft, in die sein
Sohn gerät, sind Raubritter.

129
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

Rasch nahm er Abschied von zu Haus


und stürmte in die Welt hinaus.
Von seiner Fahrt berichten,
hieß’ wohl drei Tage dichten;
ja selbst in sechsen fände
der Worte ich kein Ende.

Einst kam er keck geritten


zu einer Burg. Die Sitten
des Wirtes waren grob und wild,
er liebte Kampf und Streit und hielt
sich nur die besten Reiter
und ganz verweg’ne Streiter.
Dort trat er ein in das Gesind.
Zu rauben lernt’ er so geschwind,
daß er noch stopfte in den Sack,
was liegen ließ das andre Pack.
Und alles, alles steckt’ er ein,
nichts war zu wertlos, nichts zu klein,
ob es gerade war, ob krumm,
der wilde Helmbrecht raufte drum,
des Meier Helmbrecht böses Kind.
Er stahl das Roß, er nahm das Rind,
er ließ nicht eines Löffels Wert,
er nahm das Koller, nahm das Schwert,
er stahl den Mantel und den Rock,
er nahm die Geiß mitsamt den Bock,
er raubte Schaf und Widder –
das büßte er noch bitter –,
er zog dem ärmsten Weiße
selbst Rock und Hemd vom Leibe,
den Mantel und das Miederstück.
Gern hätt’ erstattet er zurück,
130
Evul Mediu târziu - Das Spätmittelalter (1270-1500)

was er den Weibern alles nahm,


als ihn der Scherge machte zahm:
das halt’ ich heute noch für wahr. -
So trieb er es ein ganzes Jahr.
Es führt’ ein günst’ger Wind sein Schiff
vorbei an Klipp’ und Felsenriff
und steigert seinen Übermut.
So ward ihm auch das schönste Gut
zuteil von jedem Raubgwinn. –

Da richtet heimzu sich sein Sinn


wie es oft manchen überfällt,
den Sehnsucht nach den Seinen quält.

Nach einem Jahr kommt Helmbrecht nach Hause zurück. Die


großtuerische Begrüßung der Seinen, er verwendet dabei ständig
Brocken aus fremden Sprachen, bringt den Vater dazu, ihn erst als
Sohn anzuerkennen, nachdem er die Namen der Kühe genannt hat.
Mutter und Schwester aber verhätscheln und bewundern ihn. Der
Vater erzählt, wie es in seiner Jugend bei den Rittern zuging und
fordert den Sohn auf, zu berichten, wie es jetzt sei. Aus der
Gegenüberstellung der Berichte von Vater und Sohn ergibt sich ein
schreckliches Bild des Verfalls.

Als sie zu Tische waren,


da wollte gern erfahren
der Alte, welche Sitten man
bei Hofe eben finden kann.
War doch der Sohn bei Hof zu Gast.
“Sag, Junge, was ihr tut und laßt,
dann sollst du gern erfahren,
was ich in jungen Jahren,
als ich zu Hofe mußte geh’n,
an edlen Sitten hab geseh’n.”

131
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

“Nein, Vater, das erzählst du mir


sogleich, dann will ich melden dir
von unsrer Ritterherrlichkeit,
ich weiß darum gar wohl Bescheid.”
“Ich war bei meinem Vater Knecht,
der hieß wie du und ich Helmbrecht,
als Meier war er wohlbekannt;
der hat mich oft zu Hof gesandt,
zu liefern Käs’ und Eier,
wie wir es tun als Meier.
Da sah ich oft die Ritterschar
und nahm ihr höfisch Treiben wahr.
Sie waren edel, stolz und froh
und haßten das Gemeine so,
wie es jetzt gerne Weib und Mann
als Lebensregel sehen an.
Besonders übten sie ein Spiel,
das allen Frauen wohlgefiel,
es wurde der Buhurt genannt.
Man machte mich damit bekannt,
als ich die Knappen fragte,
wie man dazu wohl sagte.
Da stürmten unter lautem Schrei’n
wild aufeinander zwei Partei’n,
die Frauen klatschen Beifall vorn.
Man nahm den Gegner fest aufs Korn
und stieß ihn flink vom Pferde.
Solang ich leben werde,
wird unter Bauern nie gescheh’n
ein Spiel, wie ich es dort geseh’n.
War das Turnier beendet dann,
so traten sie zum Tanze an
mit einem heiteren Gesang,
und keinem ward die Zeit zu lang.
132
Evul Mediu târziu - Das Spätmittelalter (1270-1500)

Schnell trat ein Spielmann auf den Plan


und setzte seine Geige an.
Da standen die Frauen –
gern möchte ich sie noch schauen –,
ein jeder neigte sich gewandt,
nahm seine Dame bei der Hand.
Das war ein herrlich Reigenspiel,
so köstlich, wie mir keins gefiel,
sooft ich auch zu Hofe ging,
wie Edelfrau und Edeling
im Tanze schwebten engelgleich
und ausgeglichen arm und reich.
Verklang die Reigenmusik leis,
dann trat ein Sänger in den Kreis,
besang vom Herzog Ernst die Fahrt.
Was jedem gern nach seiner Art
zu tun beliebt, das tat man jetzt.
Es ward ein festes Ziel gesetzt,
zu dem die Pfeile flogen,
und andre wieder zogen
zur frohen Pirsch, zur tollen Jagd,
das hätte keinem Herrn behagt,
was heute als das Feinste gilt.
da trug noch hell und blank den Schild,
wer Treu und Ehre übte,
den nun Unehre trübte.
Den Falschen und den Frechen,
die Recht und Treue brechen
mit tausend Listen können,
mochte kein Ritter gönnen
bei Hofe Trank und Speise.
Doch heut ist der Weise,
der lügen und betrügen kann;
bald gilt er als ein Edelmann,
133
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

und reiches Gut und Ritterehr’


empfängt er über Nacht weit mehr
als einer, der in Tugend lebt
und fromm nach Gottes Gnade strebt.
Das weiß ich noch von der alten Zeit.
Nun, Junge, mache dich bereit,
erzähl die Sitten deiner Herrn!”

“Das, lieber Vater, tu ich gern.


Das oberste Gesetz im Haus
heißt: Trinke, trinke, Herr, sauf aus!
Und säufst du ex, so trink’ ich auch.
Nichts Schön’res gibt’s als diesen Brauch.
Wer lügen kann, ist wohl gelitten,
Betrug zählt zu den bess’ren Sitten.
Als höfisch gilt, wer einen Mann
mit spitzem Wort verletzen kann.
Wer so veraltet lebt wie Ihr,
mein lieber Vater, glaubt es mir,
den legen wir in Acht und Bann,
dann ist er jedem, Weib und Mann,
grad wie der Henker, den man flieht,
sooft man ihn von ferne sieht.
Die Reichsacht ist ein Kinderspott.”

Der Alte sprach: “Erbarm dich, Gott,


und laß dir immer klagen,
wie weit sich Laster wagen!
Turnier und Tanz sind abgetan
und eine böse Zeit bricht an.”

Die weiteren Schilderungen des Sohnes entsetzen den Vater


immer mehr. Der Kampfruf der Ritter "Jage, Ritter, Jage, Jag, stich,
stich, schlag, schlag, verstümmle den, henke diesen, fange jenen", wie
134
Evul Mediu târziu - Das Spätmittelalter (1270-1500)

der junge Helmbrecht zu erzählen weiß, und die Namen seiner


Spießgesellen sind bereits beredt genug. Doch er erzählt noch
ausführlicher über ihr Räuberleben. Selbst was Helmbrecht an
Geschenken mitgebracht hat, ist geraubtes Gut. Als der Sohn nach
einer Woche fort will, versucht der alte Vater ihn noch einmal
zurückzuhalten. Das bringt Helmbrecht dazu, von weiteren
Schandtaten als von Bravourstücken zu erzählen. Es gelingt ihm sogar
seine Schwester Gotelind zu überreden, heimlich von zu Hause
wegzulaufen, um die Frau eines seiner Spießgesellen zu werden. Beim
Festmahl werden sie vom Richter und seinen Schergen überrascht.
Neun werden gehengt, den zehnten, Helmbrecht, läßt der Richter
blenden und eine Hand und einen Fuß werden ihm abgehauen . Ein
Jahr lang irrt er als Bettler herum bis er nach Hause zurück kommt.
Nichts hilft ihm die späte Reue. Die Mutter gibt ihm noch ein Stück
Brot, der Vater aber jagt ihn hohnlachend davon. Als ihn die Bauern
erkennen, reißen sie ihm die Seidenhaube vom Kopf, das Zeichen
seines Rittertraums, und hängen ihn an den nächsten Baum.
*
In verschiedenen Bemühungen wird im späten Mittelalter
versucht, die Bibel zu erläutern und dem Volk näher zu bringen. So
entsteht eine beachtliche geistliche Literatur, die der erbaulichen Lektüre
bibelexegetischer Schriften dienen und Zentralanliegen des christlichen
Glaubens und Lebens thematisieren. Dazu gehören auch die
EVANGELIENHARMONIEN, deren älteste, die Übersetzung der lateinischen
Harmonie des Tatian, zu den wichtigsten Taten der althochdeutschen
Übersetzungsliteratur (um 830) gehört. Das Bedürfnis, den
Evangelienbericht und die *Heilsgeschichte in zusammengfaßter,
verständlicher Form zur Verfügung zu stellen, läßt seit 1300 eine größere
Anzahl vornehmlich von PASSIONSHARMONIEN entstehen. Doch ganz
anderen Ansprüchen will eine andere Art Literatur gerecht werden: sie
will christlichen Glauben und christliches Leben vermitteln, so wie es
MEISTER ECKHART (um 1260 bis um 1327/28) versuchte. Er war der
größte Meister deutscher Prosa dieses Zeitraums, ein hochbedeutender
Theologe und als solcher ein lateinischer Autor von Rang. Doch seine
mystische These formuliert er in der Sprache seines Volkes, in deutscher
Sprache also: sein Kerngedanke liegt in der Verkündigung der
135
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

Gottesgeburt in der Seele des Menschen. Seine mystische Theorie


drückte er deshalb in der Volkssprache aus, denn seine Traktate und
Predigten zielten auf Unterweisung und Erziehung schlechthin. ECKHART
hatte nämlich erkannt, daß die lateinische Sprache als systematische
Sprache der Wissenschaften den neuen Erfahrungen nicht so
aufnahmefähig gegenüberstand wie das Gebrauchsdeutsch. Somit liegt
die bedeutendste Leistung des MEISTER ECKHART gerade in dieser
*Sprachwerdung seiner mystischen Theologie. Der 1260 in Hochheim
bei Gotha geborene dominikanische Mönch hielt seit 1314 Predigten in
Köln, von denen 200 Handschriften erhalten geblieben sind. Die Geburt
des Sohnes aus dem *Gottvater erfolgt in der erkennenden Seele, die
somit zur himmlischen Heimstätte des trinitarischen Gottes wird:
"Daß Gott eben Gott ist, des bin ich eine Ursache; wäre ich
nicht, so wäre Gott nicht Gott." In dem Moment, in dem Gott
"das Wort in die Seele spricht und die Seele wieder spricht in
dem lebenden Worte, da wird der Sohn lebendig in der Seele."
"Und wäre der Mensch in Verzückung wie St. Paulus und wüßte
einen Kranken, der eines Süppleins bedürfe, ich hielte es für viel
besser, du ließest aus Liebe die Verzückung *fahren und dientest
dem Bedürftigen in um so größerer Liebe."
Eckhart ist als Sprachschöpfer ein Vorgänger Luthers und
Goethes, denn in seinem Bestreben, neuen Gedanken einen
entsprechenden *Ausdruck zu verleihen, bediente er sich neuer
Wortschöpfungen, tiefgründiger Gleichnisse, Antithesen und
Paradoxien. In dem Prozeß, den die Inquisition gegen ihn einleitete,
verteidigte er sich und nahm Stellung gegen Anklagen in seiner
Rechtfertigungsschrift, in der er an seiner früheren Ideen festhielt und
seine Richtigkeit und Rechtgläubigkeit nachzuweisen versucht. Doch
auch nach seinem Tode wurde ihm in der päpstlichen Bulle In agro
dominico (1329) aufgrund einiger seiner Sätze Ketzertum
vorgeworfen. Erst die Romantiker entdecken MEISTER ECKHART
wieder und 1838 erschien die erste Monographie über ihn, die Carl
Schmidt verfaßte. Später wurden seine sprachlich-stilistischen
Neuerungen auf ihren philosophisch-theologischen Sinn hin geprüft
und gedeutet.

136
Evul Mediu târziu - Das Spätmittelalter (1270-1500)

*
* *
Das ausgehende Mittelalter wird von politischen,
wirtschaftlichen, religiösen und sozialen Kämpfen dominiert, zu
denen Seuchen und Naturkatastrophen hinzukamen. Die höfische
Welt, in der das Rittertum tonangebend war, klingt aus, an die Stelle
ritterlicher Tugende ("hohe Minne", "hoher Mut") treten bürgerliche
Derbtheit und bäuerliche Urwüchsigkeit. Neue Töne voller Sarkasmus
und Ironie werden im Werk eines ULRICH VON LICHTENSTEIN oder
eines TANNHÄUSER (beide um 1200) oder WERNHER DER
GARTENAERE (Mitte des 13. Jh.), während die Werke eines OSWALD
VON WOL-KENSTEIN (1377-1445) den Weg zum sogenannten
Volkslied ebnen. Von HERDER erst später geprägt, meint der Begriff
Volkslied das Volkstümlichwerden der liedhaften Gedichte, die auf
diese Art und Weise zu Gemeinschaftsliedern werden, in denen
allgemein menschliche Gefühle (Liebeslust und -leid, Trinken,
Heimweh und Abschied etc.) vorherrschen. Volksballaden und
Volkspredigten (etwa von MEISTER ECKHART: 1260-1327) und
Mysterien (mystische Spiele) bereichern ihrerseits die deutsche
Sprache und ihre künstlerische Ausdruckskraft.
Am Horizont stand eine neue Epoche menschlicher Eroberungen
und Entdeckungen, die sowohl Welt- und Menschenbild als auch das
religiöse Empfinden radikal zu verändern vermochten. Humanismus
und Reformation bestimmen den Verlauf des nächsten
weltgeschichtlichen Abschnittes und prägen unverwechselbar die
daraus erwachsenden literarischen Erzeugnisse.

137
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

138
Anhang - Anexe

Anhang

Deutsche Literaturgeschichte im Überblick


1. Teil: Anfänge und Mittelalter

1. Die germanischen schriftlichen Denkmäler


Die ersten schriftlichen Zeugnisse germanischer Kultur
können schon in der vorkarolingischen Zeit gefunden werden.
Hauptsächlich durch den Kontakt mit der römischen Großmacht
und der antiken Kultur drang die Schriftlichkeit ins Leben der
Germanen – die Runen stammen vermutlich von einem
norditalienisch-etruskischen Alphabet ab. Das erste Beispiel
germanischer Schriftlichkeit, die gotische Bibelübersetzung
WULFILAS, entstand bereits im 4. Jh.
Die Zustände in Germanien wurden vor allem durch
römische Autoren – CÄSAR, PLINIUS D. ÄLTERE, TACITUS –
erschlossen, durch deren Berichte teilweise auch germanische
Worte überliefert wurden. Nach dem Fall des römischen Reiches
war die Kontinuität der Schriftlichkeit auf christlich-religiöser
Ebene – insbesondere durch das Mönchstum – gewährleistet. Als
amtliche Sprache setzte sich dabei in Franken und im westlichen
Europa das Latein durch.
Zugleich jedoch gerieten die tieferen Schichten germanischen
Volksglaubens nicht in Vergessenheit. Dabei handelt es sich
einerseits um Zaubersprüche oder um Rätsel, andererseits um
sagenartiges Material, das seinen Niederschlag in der
139
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

Heldendichtung findet. Aus der Zeit vor 750 stammen die


MERSEBURGER ZAUBERSPRÜCHE, die im 10. Jh. in einer geistlichen
Handschrift gefunden und zum ersten Mal über ein Jahrtausend
später – und zwar 1842 – von JAKOB GRIMM veröffentlicht wurden.
Die spätere Verschmelzung mit christlichen Glaubensinhalten hatte
noch nicht stattgefunden – so wie dies im 9. Jahrhundert beim
WURMSEGEN oder auch im 10. Jh. beim LORSCHER BIENENSEGEN
und beim TRIERER BLUTSEGEN der Fall war. Die letzteren Beispiele
verdeutlichen die bis ins Frühmittelalter auftretende Form der
Verdrängung germanischer mythologischer Vorstellungen durch
christliche: a) der Segen wirkt durch die Kraft Gottes und nicht der
Götter, b) dem Spruch (Lösezauber oder Segen) wird noch ein
frommes Gebet angehängt, c) der heidnische Teil enthält eine
Besprechung des Schadens sowie eine Erinnerung an in der
Vergangenheit durchgeführte Heilungen; die Anrufung der Götter
wird zum Gebet an die Heiligen.
Auch die germanische Heldendichtung lebte in verschiedenen
Überlieferungen weiter. Die größte dabei ist die um 1260
entstandene LIEDER-EDDA, die zusammen mit dem isländischen
Skaldenhandbuch des SNORRI STURLUSON (ein Lehrbuch der
Dichtkunst) die Götter- und Heldenlieder der Germanen
enthielten, unter anderm auch das Lied von Hildebrand. Das
ÄLTERE HILDEBRANDSLIED, das im Gegensatz zum Hildebrands-
Text aus der Edda nicht vollständig überliefert wurde, gehört zur
langobardischen Dichtung des 7. Jahrhunderts und wurde ca. 830
von zwei Mönchen – vermutlich als Schreibübungen – in die
Innendeckel eines Gebetsbuches niedergeschrieben wurde. So wie
viele andere heidnische oder heroische Stoffe wurde auch das
Hildebrandslied in späterer Zeit verarbeitet, u. zw. in den zwei
Fassungen des JÜNGEREN HILDEBRANDSLIED (16. Jh.), in dem
jedoch der volksballadenhafte Charakter der Handlung zutage tritt

140
Anhang - Anexe

und der nicht mehr vom heroischen germanischen Götterglauben


gekennzeichnet ist.
Charakteristisch für die althochdeutsche Heldendichtung war
der Stabreim. Die drei „Stäbe“ – die durch den gleichen Anlaut
ihrer Stammsilben (der Alliteration) hervorgehoben wurden –
bildeten die Langzeile des reinen Stabreims, zwei vor und ein Stab
nach der Zäsur. Bei den Merseburger Zaubersprüchen, sowie bei
den bayrischen WESSOBRUNNER GEBET und MUSPILLI (9. Jh.)
kommen diese Regeln jedoch nicht mehr vor. Im MUSPILLI treten
schon teilweise Endreime auf. Zur Regelmäßigkeit werden diese –
unter dem Einfluß spätantiker bibelepischer Formen – zum ersten
Mal in OTFRIED VON WEISSENBURGS (~800 – 875)
EVANGELIENHARMONIE (LIBER EVANGELIORUM, um 870), einer
Darstellung des Leben Jesu.

2. Das Frühmittelalter (750 – 1170)


Überreste magischer Texte und Zauber- oder Segenssprüche
treten, wie im vorigen Abschnitt erwähnt, bis im Frühmittelalter
innerhalb von Gebeten auf; auch mehrere Beichtbekenntnisse (aus
dem Zeitraum zwischen dem 9. und dem 11. Jh.) sind überliefert
(ahd. bigicht, Beichte). So etwa beweist die ZWEITE BAYRISCHE
BEICHTE (die sich gegen die Zauberpraktikten richtet) das weitere
Vorhandensein magisch-heidnischer Glaubensvorstellungen. Darin
kommen jedoch nicht exklusiv Götter des germanischen
Pantheons allein, sondern auch die im Christentum wichtigen
Gestalten (Christus, Maria) vor.
Die älteste bekannte deutsche Schrift ist die ABROGANS
(764/2) benannte deutsche Bearbeitung einer lateinischen
Synonymensammlung (der Name ist auf das erste lateinische
Stichwort der Sammlung zurückzuführen). Noch aus der Zeit vor
der schon erwähnten EVANGELIENHARMONIE stammt der im

141
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

sächsischen Raum verfaßte HELIAND (830), eine Erzählung des


Lebens Jesu, in der insbesondere heldenhafte Züge des Heilands
unterstrichen werden, wohl um den christlichen Glauben mit Hilfe
geläufiger Stilmittel zu veranschaulichen.
Einen heroischen Stoff verarbeitet das Ende des 9. Jh.
verfaßte Heldenepos WALTHARIUS, das in lateinischen
Hexametern die Flucht Walthers von Aquitanien vom Hofe Attilas
beschreibt, wo er zusammen mit seiner Verlobten Hildegund
gefangen gehalten wurde. Die Schrift entstand vermutlich nach der
Vorlage eines verlorengegangenen germanischen Heldenlieds.
Um die Jahrtausendwende wirkte im Kloser von St. Gallen
NOTKER DER DEUTSCHE (oder NOTKER LABEO, der
„Großlippige“ – zu unterscheiden von dem 912 gestorbenen
NOTKER BALBULUS von St. Gallen, dem Schöpfer von lateinischen
Sequenzen, also von hymnischen Texten, die in Silbenanzahl dem
Gesang der Lobpreisung Gottes folgen). Als Vorsteher des
Klosters übersetzte NOTKER DER DEUTSCHE für den Unterricht
BOETHIUS und ARISTOTELES (der bis ins 12. Jh. nur in der
lateinischen Übersetzung bekannt war), sowie andere Autoren;
einige dieser Übersetzungen (z. B. VERGILS Bucolica, TERENZ’
Andria) sind nicht erhalten.
Im ersten in Deutschland bekannten, lehrhaften Ritterspiegel
werden die Abenteuer des Ruodlieb beschrieben. In lateinischen
Hexamtern geschrieben, umfaßt das RUODLIEB (Mitte 11. Jh.) eine
Anzahl von Lehren, die das höfische Verhalten in einer Zeit noch
vor dem Minneideal verdeutlichen soll und die in der Hauptgestalt
einen „Miles christianus“ sieht.
Überhaupt ist im 11. Jahrhundert eine neue Einstellung der
Literatur gegenüber zu bemerken, die sich in einer
differenzierenden und systematisierenden Annäherung
niederschlägt. Schwerpunktmäßig werden religiöse, geistliche und
geschichtstheologische Themen verarbeitet (das EZZOLIED, um
142
Anhang - Anexe

1065; die KAISERKRONIK, 1135/55; das Alexanderlied des Pfaffen


LAMBRECHT, 1140/50, das auf dem altfranzösischen Heldenepos
CHANSON DE ROLAND bauende Rolandslied des Priesters
KONRAD). Das frühmittelhochdeutsche ANNOLIED (ca.
1077/1105), das 1639 von OPITZ herausgegeben wurde, ist eine
zeitbiographische Schrift (die erste in deutscher Sprache) über das
Leben und Wirken des Erzbischofs Anno von Köln, ein Werk, in
dem die Geschichte als Heilsgeschichte dargestellt wird.
Im 12. Jahrhundert vollzieht sich ein Wandel in der Literatur,
in dem die weltliche Komponente immer mehr Oberhand gewinnt;
diese Bewegung erfaßt nicht allein die deutsche, sondern auch die
lateinische Dichtung. (Dabei handelt es sich insbesonders um die
Vagantenlyrik, deren wichtigste Liedersammlung die CARMINA
BURANA aus dem 13. Jh. war).

3. Das Hochmittelalter (1170 – 1270)


Vor allem im geistlichen Bereich sind Bestrebungen
bemerkbar, die eine Verweltlichung der Literatur verhindert. Dies
wird vor allem durch die Verwendung weltlicher Sujets in
geistlichen Liedern versucht, so wie dies die spielmännische, aus
den tief religiös empfundenen Kreuzzügen schöpfende Epik
(KÖNIG ROTHER, ORENDEL, SALMAN UND MOROLF) zeigt. Den
abenteuerlichen Handlungen ist eine Weltabsage der Helden
gemeinsam; die ritterliche Kultur überwindet jedoch die
asketischen Darstellungen – Klostereintritt, Verzicht auf ein
weltliches, eheliches Leben – durch eine neue Formkultur, die sich
insbesondere durch den Unterhaltungscharakter auszeichnet.
Unter dem Schlagwort „höfisch“ wird eine ganze Reihe von
Tugenden verstanden – vornehm, schön, edel, die das ritterliche
Gesellschaftsideal bilden. Der Ritter – ursprünglich im 11.
Jahrhundert der unfreie Lehensträger, miles / ministerialis – wurde

143
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

durch die adlige Übernahme zum Sinnbild der abendländischen


Kultur. Die wichtigste Tugend der ritterlichen Gemeinschaft war
das Maß, die „mâze“ so wie sie schon in der stoischen Philosophie
auftritt. In diesem Zusammenhang sind auch die anderen
Tugenden – wie z. B. „triuwe“, „staete“ oder „êre“ zu verstehen,
die das höfische Weltbild prägten und auf das Minneideal
übertragen wurden.
In der Literatur werden verschiedene thematische Richtungen
eingeschlagen, die in der Kreuzzugs- und Heldenepik, im Artus-
und Gralsroman und in der Kontinuität der Antike anzutreffen
sind.
Das zur Helden- bzw. Volksepik gehörende NIBELUNGEN-
LIED (~ 1200) ist bis in die Zeit der Staufer mündlich vermittelt
worden und verarbeitet die noch aus der Zeit der
Völkerwanderung stammenden Heldenlieder. Die ursprünglichen
Epen und Sagen, die dem NIBELUNGENLIED einverleibt werden
sind in „Aven-tiuren“ (Abenteuern) gegliedert. Dabei werden
heroisch-krie-gerische in höfisch-ritterliche Gestalten übertragen.
Diese „Ritter“ traten nun für die Ideale der höfischen Gesellschaft
ein, ihre Handlungsweise jedoch weist unverkennbar einen
archaisch-mythischen, kriegerischen Charakter auf. Diese
Merkmale können jedoch nur als Gegensatz zur literarischen
Konvention und nicht zur Realität der Zeit gesehen werden.
Eine andere Charakteristik ist den höfischen Romanen eigen:
die französischen Vorbilder hatten das höfische Weltbild
vorgeprägt. Der erste deutsche Artusroman, Erec, wurde 1180/85
vom schwäbischen Ministerialen HARTMANN VON AUE nach dem
französischen Vorbild von CHRÉTIENS DE TROYES verfaßt. Die
historische Gestalt des britannischen König Artus (5.-6. Jh.) wird
zum Ideal der ritterlichen Tugenden; seine Tafelrunde gilt als
Modell ritterlicher Gemeinschaft. Die Artusritter müssen sich im
Rahmen von Aventiuren verschiedenen Prüfungen stellen, die ihren
144
Anhang - Anexe

Wert als Ritter offenbaren. Im Falle Erecs sind es die ritterlichen


Pflichten, die er nach der Heirat mit Enite vernachlässigt; auf einer
Bußfahrt muß er wieder zur „mâze“ wiederfinden und hoffähig
werden. Erst nach seiner zweiten Reihe von Aventiuren läutert er
sich durch den Sieg über Mabonagrin, der im Wundergarten „Joie
de la curt“ achtzig Frauen gefangen hielt. Umgekehrt ist der Fall
mit Iwein, der Hauptgestalt des zweiten Artusromans HARTMANNS
(~1200). Quelle ist wiederum ein Werk des Chrétien de Troyes,
Yvain. Iwein verfällt in das andere Extrem der Rittertugend und
vergißt seine Frau Laudine. Lunete, dessen Zofe, verflucht ihn vor
der Tafelrunde, und Iwein, wahnsinnig und weltfremd, zieht sich
in die Wildnis zurück. So wie Erec muß auch Iwein seine
Läuterung in einer Reihe von Aventiuren finden, bis er, von der
Schuld der Vernachlässigung des Minnedienstes erlöst, wieder von
seiner Frau und Minneherrin Laudine empfangen wird.
Eines der umfangreichsten Bilder der höfischen Gesellschaft
zeichnet WOLFRAM VON ESCHENBACH in den 24840 Versen seines
Epos Parzival. Die Quelle Wolframs ist wiederum CHRÉTIEN DE
TROYES’ unvollendetes Epos Li Contes del Graal (vor 1190).
Parzival, der Sohn Gahmurets und Herzeloydes wächst auf
Wunsch seiner Mutter zusammen mit ihr dem höfischen Leben
und der Rittergesellschaft auf. Die Kindheit Parzivals endet mit
einem Schlag als er drei Ritter trifft; zum großen Kummer seiner
Mutter zieht er aus, um selbst Ritter zu werden. In unbeholfener
„tumbheit“ gelangt er durch Zufall in die Gralsburg
Munsalwaesche, in der er – die ritterlichen Regeln wörtlich
beachtend – nicht die rettende Frage stellt. Zwar steht ihm der
weltliche Hof – durch die Tafelrunde des König Artus – offen,
jedoch die Gralsburg bleibt für ihn unerreichbar. Sein Oheim
Trevrizent wird ihn auf den Weg der Reue führen, und, von
seinem Halbbruder Feirefiz besiegt, wird er sich offen für den Gral
und für seine Frau Condwiramur einsetzen. Die Handlung folgt

145
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

der biblischen Heilsgeschichte: Paradies – Sündenfall (durch den


Tod Herzeloydes) – Erlösung. PARZIVAL besitzt auch zwei
Ebenen der Handlung, die sich nach dem Ideal der geistlichen
Welt (Gralsburg) und des weltlichen Lebens (Artushof) richten.
Während Parzival das weltliche Leben in der Tafelrunde auf der
Suche nach dem Gral verläßt, ist Gawan, der vorbildliche
Artusritter, in seinen Aventiuren auf das Ideal der Tafelrunde
ausgerichtet. Parzival dagegen ist zugleich weltlich und geistlich,
höfisch und heilig.
Gedruckt wurde PARZIFAL zuerst im Jahre 1477. Bis zu dem
Zeitpunkt wurde das Epos in zahlreichen Handschriften aus dem
14. und 15. Jh. überliefert und erfreute sich einer großen
Beliebtheit. Zwei weitere höfische Epen stammen aus der Hand
WOLFRAMS: Willehalm (~1215) und Titurel (nach 1215). In
Willehalm wird schon eine im PARZIFAL in der Gestalt von Feirefiz
und seiner Mutter, Belakane – die Geliebte Gahmurets –
offenbarte Humanität weitergeführt. Eine getaufte Sarazenin, Frau
des Ritters Willehalm, verteidigt in dessen Abwesenheit seine Burg,
wobei auch die ritterlichen Tugenden der Heiden aufgezeigt
werden. So wie Willehalm, ist auch Titurel nicht vollendet. Dieses
höfische Epos in Strophen nimmt den Parzifalstoff wieder auf und
erweitert ihn. Er wird als Jüngerer Titurel von einem Verfasser
namens ALBRECHT 1270 unter dem Namen WOLFRAMS
weitergeführt und thematisiert die höfische Ethik um die tragische
Geschichte von Sigune und Schionatulander, die schon von
WOLFRAM in seiner Minnekritik im Titurel verdeutlicht wurde.
Auch GOTTFRIED VON STRASSBURG konzentriert sich ebenso
wie sein poetischer Widersacher WOLFRAM insbesondere auf die
Epik; der zentrale Konflikt wurde jedoch nicht wie im PARZIFAL
durch den Versuch der Vereinbarung zwischen Gottesdienst und
höfischem Dienst bestimmt, sondern durch die Unvereinbarkeit
von innig empfundender Minne und gesellschaftlichem Zwang.
Tristan und Isolde, die eigentlich König Marke als zukünftige
146
Anhang - Anexe

Gattin zugesprochen war, finden nicht menschlich-psychologisch


begründet, sondern durch einen Zaubertrank zueinander. Nach der
Eheschließung zwischen Isolde und Marke versuchen beide
Liebhaber dennoch ihre Liebesbeziehung weiterzuführen, was zu
ihrer Verbannung vom Hofe führt. Das glückliche Leben in der
Minnegrotte währt jedoch nicht ewig und durch die List Markes
werden sie ein weiteres Mal getrennt. Das Epos blieb unvollendet.
Die Handlung ist durch die Abkehr vom höfischen Ideal geprägt,
das nicht dem Inhalt, sondern allein der Form nach erlebt wird: die
„êre“ ist gesellschaftlich, nicht tugendmäßig relevant.
Ein zentrales Thema der höfischen Kunst war die Minne
(hauptsächlich eine ideale, gedankliche Form der Liebe, siehe lat.
memini = gedenken, sich erinnern). Der Minnesang gehört dabei
nicht zur Erlebnislyrik, sondern ist höfische Konvention. Gepflegt
wurde die Minnedichtung insbesondere durch den Adel; WALTHER
VON DER VOGELWEIDE und HARTMANN VON AUE sprechen zum
ersten Mal von einer „niederen Minne“; dabei wird nicht der
soziale Status der Frau, sondern die „Erhebung“ des Mannes (im
Falle der „höheren Minne“) bzw. die leidenschaftliche und blinde
Verstrickung in der Abhängigkeit („niedere Minne“) verdeutlicht.
Der deutsche Minnesang ist durch die Dichtung der
Troubadours und Trouvèrs geprägt worden. Als höfische Literatur
geht diese Dichtung von Aquitanien aus (WILHELM VON POITOU,
1071 – 1127) und verbreitete sich zunächst im Norden Frankreichs
(hier werden die Minnedichter Trouvèrs genannt) aber auch in
Italien und Flandern. Aufgenommen und weitergeführt wird die
Minnedichtung von HEINRICH VON VELDEKE (Minnelieder, 1170 –
1190). Weitere Minnesänger: FRIEDRICH VON HAUSEN (Minnelieder,
1170 – 1190). Er hat eine ganze Generation von Minnesängern
geprägt: ULRICH VON GUTENBERG, BLIGGER VON STEINACH,
BERNGER VON HORHEIM, HEINRICH VON MORUNGEN (seit 1180),
REINMAR VON HAGENAU (seit 1185); auch HARTMANN VON AUE
und WOLFRAM VON ESCHENBACH schufen Minnelieder.
Insbesondere der Schülder REINMARS, WALTHER VON DER
VOGELWEIDE (nach 1197), hat in der Thematik der niederen
147
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

Minne – als Kontrast zur unerfüllbaren höheren Minne – Lieder


geschaffen, die einen besonderen Einfluß auf die deutsche
Dichtung ausüben sollten. Zugleich leitete er während einer
politisch sehr unsicheren und wechselhaften Zeit die erste
*Hochzeit der deutschen Spruchdichtung.
In die spätere Zeit fällt die durch höfische „Meister“ in Umlauf
gesetzte Spruchdichtung, die in ihrer epischen Form eine starke
Verbreitung erfahren sollte. Es war dies DER SÄNGERKRIEG AUF DER
WARTBURG (1250/60). Am Hofe des Landgrafs Hermann treffen sich
Walther, Wolfram und weitere Minnesänger, die durch Heinrich von
Ofterdingen zu einem Sängerwettberwerb herausgefordert wurden.
Wolfram unterliegt jedoch Walther, darf aber Klingsor aus
Siebenbürgen zu Hilfe rufen. Darauf wird Klingsor im Rätselstreit von
Wolfram besiegt, der alle seine Rätsel löst und auch den von Klingsor
herbeigerufenen Teufel Nasion vertreibt.
Der am Ende des 13. Jahrhunderts bemerkbare Verfall des
Rittertums zeigt sich insbesondere in der Verserzählung Meier
Helmbrecht (1250/80) von WERNHER DER GÄRTNER. Inhalt der
Erzählung ist das Heranwachsen eines Bauernburschen aus dem
Innviertel zum Strauchritter. WERNHER übt in seinen Versen Kritik an
der Gesellschaft seiner Zeit, die insbesondere durch die Auflösung der
Ständeordnung (Bauer will ein Ritter sein) geprägt ist.

4. Das Spätmittelalter (1270 – 1500)

Das späte Mittelalter, geprägt durch den Zerfall der Staufer, ist
zugleich der Beginn der bürgerlichen Machtübernahme und der
humanistischen Anfänge. Zugleich wurde das höfische Mittelalter
nicht verneint, sondern als Vorbild angesehen. Die fahrenden
Sänger adliger Abstammung wurden im 14. Jahrhundert durch
bürgerliche Sänger abgelöst, die – zum Unterschied von den
Meistersingern des 15. Jahrhunderts – die Kunst als Erwerb

148
Anhang - Anexe

betrieben. Die in den Dichtungen des frühen und Hochmittelalters


enthaltene Weltfreude weicht im Spätmittelalter einer düsteren und
pessimistischen Zeitdarstellung aus. Seuchen, Not und Mißstände
rücken auch in das literarische Bewußtsein der Zeit, das aber
dadurch realistische Züge annimmt, die sich von den idealistischen
der höfischen und vorhöfischen Dichtung absetzen und zugleich
den Platz des Menschen in der Welt zu bestimmen versuchen.
Diese literarischen Darstellungen gehen insbesondere in eine
religiöse Richtung: einerseits als Versuche mystischer
Gotteserkenntnis und andererseits als Versinnbildlichung der
Untergangs- und Todesstimmung.
Folgende die Literatur des Spätmittelalters prägende Elemente
sind in diesem Zusammenhang hervorzuheben:
1) Die Pflege der Tradition
Die Auctoritas der höfischen Dichtung bestand selbst im
Spätmittelalter. Auch der französische Einfluß war noch immer –
wenn auch nicht mit derselben Intensität wie vorher zur Zeit der
höfischen Dichtung – bemerkbar: die durch die CHANSONS DE
GESTE verarbeiteten Sagenstoffe gelangten durch Übersetzungen
in den deutschen Sprachraum. Zugleich fand im Zuge der
Entwicklungen, deren Merkmale sich immer deutlicher von der
höfischen Zeit abheben, eine rege Auseinandersetzung mit jenen
höfischen Inhalten, die sich insbesondere im Sammeln (und
oftmals Verändern) des Tradierten zeigte: so stammen die meisten
handschriftlichen PARZIVAL-Kopien aus dem 14. und 15.
Jahrhundert. 1331/36 werden über 36000 Verse in die PARZIVAL-
Dichtung ESCHENBACHS eingefügt; die beiden Straßburger Bürger
WISSE und COLIN präsentieren somit einen Nüwer Parzival. Unter
dem Namen WOLFRAMS wurde das über 7000 Verse lange
höfische Epos LOHENGRIN veröffentlicht. Die Aventiuren der
Ritterepen wurden zu Abenteuer- und Liebesromanen (wie dies
JOHANN VON WÜRZBURGs Wilhelm von Österreich, 1314, unter
149
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

Beweis stellt). Aber auch die Heldenepik wurde in


Abenteuerromane – und oftmals in eine niedere stilistische Schicht
(als Lied, Bänkelsang etc.) – umgewandelt. Der Minnesang allein
erfährt durch die Distanzierung von dem Hofe eine
Weiterentwicklung (z.B. durch HEINRICH VON MEISSEN, genannt
FRAUENLOB, oder durch HEINRICH VON MÜGELN, die von den
Meistersingern später zur Tradition gerechnet wurden.
2) Die Entwicklung der didaktischen Literatur
Das „docere“ war neben dem „delectare“ stets wirksam
gewesen, wie es auch aus den Texten der Minnelieder ersichtlich
wird. Gepflegt werden die Spruchdichtung und das Lehrgedicht,
aber auch die Fabel, die zum einen selbst erfunden sein kann (wie
z. B. bei HEINRICH VON MÜGELN) oder aus der Antike rezipiert
wurde. Eine weite Verbreitung kennt auch die aus dem Italien
stammende Novelle (vor allem durch BOCCACCIO), in der die
Verschiebung von der Minne zum eros ersichtlich wird.
3) Der Schwerpunkt der Literatur bleibt jedoch trotzdem im
geistlichen Bereich. Zum einen besitzen die Legenden eine
wichtige Rolle: indem sie über wunderbare Ereignisse berichteten,
wirkten sie durch das Erzählen außerordentlicher Taten auf den
Leser, zeigten aber zugleich auch einen moralisch-lehrreichen,
erzieherischen Hintergedanken. In dieselbe Richtung bewegen sich
auch die Legendenspiele und, damit verbunden, auch das geistige
Drama und das Passionsspiel.
Eine Vorrangstellung bezieht in der geistlichen Literatur des
Spätmittelalters die Mystik, die besonders durch die Orden (der
Zisterzienser, Dominikaner, Franziskaner und Benediktiner)
gepflegt wird. Eines der meistgelesenen Bücher des späten
Mittelalters war THOMAS VON KEMPENs Imitatio Christi (um 1410).
Besonders wirksam waren auch die Schriften des Dominikaners
MEISTER ECKHART (1260-1327/28), dessen mystische

150
Anhang - Anexe

Vorstellungen die geistliche Literatur der späteren Zeit prägen


sollten. Zu seinen zahlreichen Schülern zählten HEINRICH SEUSE
(1295-1366) und JOHANNES TAULER (1300-1361). Außerdem war
auch die von RULMAN MERSWIN (gestorben 1382; er war ein
Schüler Taulers) initiierte Mystik der „Gottesfreunde“ im geistigen
Bereich besonders wichtig, und die aus diesen Gedanken
schöpfende Theologia Deutsch wirkte bis in den Humanismus und
die Reformation hinein. Jedoch auch im Rahmen der Frauenorden
fand die mystische Literatur – insbesondere unter dem extatisch-
empfindsamen Aspekt – eine große Aufnahme: Unter den
wichtigsten Mystikerinnen befand sich die Franziskanerin
HILDEGARD VON BINGEN, aber auch BEGINE HADEWYCH und
MECHTHILD VON MAGDEBURG.
Sowohl geistliche als auch weltliche Schauspiele prägen den
Charakter des Spätmittelalters. Aus den Feiern des Weihnachts- und
Osterfestes entstanden, wurden die geistlichen lateinischen Spiele
Bestandteil der liturgischen Feiern. Das erste deutsche Osterspiel
entsteht 1250 und wird im 14. und 15. Jh. durch eine große Anzahl
von Stücken weitergeführt: so z. B. 1493 das GROSSE FRANKFURTER
PASSIONSSPIEL, das auf das ALTE FRANKFURTER PASSIONSSPIEL
zurückgeht, das drei Tage dauert und für 280 Personen gedacht ist.
Zu den Spielen mit liturgischem Kontext gehören aber auch andere
Schauspiele mit geistlichen Themen, wie z.B. das Kommen des
Antichrist (DES ENTKRIST VASNACHT, 1350).
Das weltliche Schauspiel blickt, anders als das geistliche, auf
einen eher unklaren Ursprung. Heidnisch-archaische Elemente –
Fruchtbarkeit, Abwendung von Zauber und Dämonen – bilden
wohl den latenten Grundstein, der durch festliche Handlungen zur
Frühlingszeit, Streit- und Gerichtsszenen, Schwänken überlagert
wurde. Das erste überlieferte Spiel ist das ALTE ST. PAULER
NEIDHARTSPIEL (14. Jh.) und beschreibt den Kampf zwischen Mai
und Herbst. In diesen Spielen sind ansatzweise schon Merkmale

151
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

der späteren Fastnachspiele zu finden. Hauptvertreter des


Fastnachtspiels im 15. Jahrhundert waren HANS ROSENPLÜT und
HANS FOLZ, der eigentliche Höhepunkt aber bildent die 85 Spiele
des HANS SACHS (1494-1576).
Am Ende des 15. Jh. dringen durch italienischen und
französischen Einfluß die ersten humanistischen Anzeichen in die
Literatur. Diese neue Geisteshaltung wird auch im „Ackermann
aus Böhmen“ (1401) des böhmischen Notars Johann von Tepl
verdeutlicht. Mittelalterliche Frömmigkeit verbindet sich mit
Auflehnung des Menschen gegen das von Gott gegebene
Schicksal. Lebensbejahung und Sterblichkeit des Menschen bilden
den Widerspruch, der zum Kern dieses Werkes wird, das durch
seinen humanistischen Gehalt der Renaissance in Deutschland das
erste große Denkmal setzt.

152
Anhang - Anexe

Zeittafel
(750-1500)

Unsere Zeittafel zur frühen Zeit der deutschen Literatur bietet


einen Überblick über den historischen und literaturgeschichtlichen
Hintergrund für ein zusammenhängendes Verständnis sowie für die
Einordnung der literarischen Werke sowie des Wirkens der Autoren in
ihre Zeit. Dabei gelangt das chronologische Anordnungsprinzip zur
Geltung. Vollständigkeit wurde selbstverständlich nicht angestrebt,
wichtig war es, die kennzeichnenden Meilensteine historischer und
literarischer Vorgänge sichtbar zu machen.
Werke, deren Verfasser nicht angegeben werden, sind fett gedruckt.
Die jeweils verwendeten Abkürzungen sind am Ende der Zeittafel
erklärt.

751 Beginn der Herrschaft der Ältere oder Lieder-Edda


Karolinger (Pippin der Kleine) (germanisch-heidnische
768-814 Regierungszeit Karls Liedersamm-lung, aufgezeichnet
des Großen (Unterwerfung im 13. Jh. in Skandinawien) –
und Christianisierung der
Sachsen; "Karolingische (Merseburger) Zaubersprüche
Renaissance": der Hof in (germanisch-heidnisch,
Aachen als kulturelles aufgezeichnet im 10. Jh.) –
Zentrum, Einrichtung von Sbrogans (lat.-ahdt. Wörterbuch,
Dom- und Klosterschulen, ~ 760) – Vocabularius Sancti
Buchmalerei) Galli (lat.-ahdt. Ü., zwischen 770
800 Kaiserkrönung Karls des und 900) – Würzburger
Großen in Rom Markbeschreibungen (vor 790)
842 Straßburger Eide: Ludwig – Admonition Generalis
(Bildungsprogramm Karls des
153
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

Großen, 789) – Wessobrunner


der Deutsche und Karl der Schöpfungsgedicht (Ende 8. Jh.)
Kahle verbünden sich gegen – Althochdeutscher Isidor (Ü-
ihren Bruder Lothar I. TS, kurz vor 800) – Muspilli
(religiöse Stabreimdichtung,
843 Vertrag von Verdun: frühes 9. Jh.) – Tatians
Teilung des Reiches unter Evangelieharmonie (~ 830) –
Ludwig dem Deutschen Einhart: Vita Caroli Magni
(ostfr. Reich), Lothar I. (Biographie, ~ 830) –
(mittleres Reich) und Karl Hildebrandslied
dem Kahlen (westfr. Reich) (Heldengedicht, ~ 830/840) –
910 Gründung des Klosters Heliand (religiöse
Cluny: Ausgangspunkt der Stabreimdichtung, ~ 830-850) –
klösterlichen Altsächsische Genesis (idem) –
Reformbewegungen Straßburger Eide (842) –
919 Beginn der Herrschaft der Otfried von Weißenburg:
Ottonen (Heinrich I.) Evangelienharmonie (~ 870) –
Ludwigslied (hist. G, 881/882) –
936-73 Regierungszeit Ottos
Cristus und die Samariterin
I. (Die Kirche wird zur Stütze (G, ~ 900) – Quem quaeritis in
des Reiches; "Ottonische sepulchro, o christicolae
renaissance": lateinische (Ostertropus, Mitte 10. Jh.) –
Dichtung, Buchmalerei im Notker Labeo: Psalter (Ü,
Kloster Reichenau) frühes 11. Jh.) – Ruodlieb (R,
955 Schlacht auf dem Mitte 11. Jh.)
Lechfeld: Beendigung der
ungarischen Beutezüge
962 Kaiserkrönung Ottos I. in
Rom
1054 Kirchenschisma: Bruch Ezzo: Ezzo-Lied (Weltchronik,
zwischen der (griechischen)
Ostkirche und der lateinischen 1063) – Noker von Zwiefalten:
(Westkirche) Memento mori (religiöse
1075-1122 Investiturstreit: Dichtung, ~ 1070) – Annolied
Auseinandersetzung um die (religiöse Chronikdichtung, ~
Vormachststellung von 1085) – Chanson de Roland

154
Anhang - Anexe

Kaisertum (Heinrich IV.) und (altfrz. E, ~ 1110) – Pfaffe


Papsttum (Gregor VII.) wird Lamprecht: Alexanderlied (zw.
durch das Wormser 1120 und 1150) –
Konkordat 1122 beendet Kaiserchronik (~ 1150) –
1077 Gang nach Canossa: König Rother (Spielmanns-E, ~
Heinrich IV. Bittet Papst 1150) – Heinrich von Melk:
Priesterleben (religiöse
Gregor VII. um Aufhebung
Dichtung, ~ 1160), Erinnerungen
des Kirchenbanns an den Tod (idem, ~ 1160) –
1079-1142 Petrus Abälard, Pfaffe Konrad: Rolandslied (~
erster bedeutender 1170) – Wernher: Marienleben
Scholastiker (idem, 1172) – Herzog Ernst
1096-99 Erster Kreuzzug, (Spielmanns-E, ~ 1180) –
Melker Marienlied (12. Jh.) –
Eroberung Jerusalems Arnsteiner Gebet – Der von
1138-1268 Herrschaft der Kürenberg: Ich zôch mir einen
Staufer valken (Minnelied, 2. Hälfte 12.
12. Jh. Entstehung des Jh.) – Friedrich von Hausen:
Rittertums, deutsche Mîn herze und mîn lip diu
Ostkolonisation, Kreuzzüge, wellent scheiden (Minnelied, 2.
Ketzerbewegungen
Hälfte 12. Jh.) – Reimar von
1152-90 Regierungszeit Hagenau: Minnelieder (2. Hälfte
Friedrichs I. Barbarossa
12. Jh.) – Walther von der
1190 Deutsche Kaufleute Vogelweide: Minnelieder und
gründen den Deutschen politische Lyrik (Ende
Orden, zunächst 12./Anfang 13. Jh.) – Wolfram
Krankenpflegeorden, ab 1198 von Eschenbach: Minnelieder
geistlicher Ritterorden (~ 1165-~ 1215) – Heinrich von
1198-1210 Deutscher Veldeke: Eneit (Höfischer R,
Thronstreit: Staufer siegreich 1189) – Hartmann von Aue:
über die Welfen Erec (Artus-R, ~ 1180/1185),
13. Jh. Höhepunkt der Gregorius, der gute Sünder
Städtegründungen; (höfische Verslegende, 1187/89
Entstehung der Bettelorden; oder ~ 1195), Der arme Heinrich
Blütezeit von Scholastik und (idem, 1195), Iwein (Artus-R, ~
Mystik 1202/1205)
1212-50 Regierungszeit
Wolfram von Eschenbach:
155
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

Friedrichs II. Parzival (Vers-R, 1200/1210),


1215 Viertes Laterankonzil Willehalm (Fragm. Einer
unter Papst Innozenz III.: höfischen Ez, zw. 1212 und
Höhepunkt geistlicher und 1218), Titurel (Vers-Ez, zw.
weltlicher Macht des
Papsttums, u.a. Inquisition, 1215 und 1219) – Gottfried von
Judenkennzeichnung Straßburg: Tristan und Isolt
1257-73 Interregnum: Ausbau (Vers-R, 1200/ 1210) –
der Macht der Fürsten Nibelungenlied (Helden-E, ~
1273-91 Regierungszeit 1200) – Schwänke des Pfaffen
Rudolfs von Habsburg Amîs (zw. 1220 und 1250) –
1309 Verlegung des Kudrunlied (Helden-E, ~ 1230/
Papstsitzes von Rom nach 1240; überliefert im Ambraser
Avignon (bis 1376) Heldenbuch, 1516) – Mechthild
1339-1454 Hundertjähriger von Magdeburg: Das fließende
Krieg zwischen England und
Frankreich Licht der Gottheit (mystische
1343 Deutsche Hanse Schrift, 1250-1281/82) –
1347-78 Regierungszeit Karls Wernher der Gartenaere:
IV. Meier Helmbrecht (Vers-Ez, zw.
1348 Gründung der ersten 1250 und 1282) – Konrad von
deutschen Universität in Prag Würzburg: Der Welt Lohn
Ca. 1350 Entwicklung von (Vers-N, ~ 1260) – Manessische
Feuerwaffen trägt zum Handschrift (Sammlung mhdt.
Niedergang des Rittertums bei Minnedichtung, ~ 1300- ~ 1340)
1414-18 Das Konstanzer – Osterspiel von Muri (Mitte
Konzil beendet das 13. Jh.) – Thomas von Aquin:
Kirchenschisma
Summa Theologiae
1415 Verbrennung des
tschechischen Reformators (scholastische TS, 1267-1273) –
Johannes Huß Heinrich von Seuse: Der Seuse
1445 Gutenberg entwickelt )Ab, 1362) – Innsbrucker
bewegliche Lettern für den Osterspiel (1391) – Johannes
Buchdruck von Tepl: Der Ackermann aus
Böhmen (Prosadialog, ~ 1400)
Verzeichnis der Abkürzungen:
156
Anhang - Anexe

afrz. = altfranzösisch GS = Gedichtsammlung


ahdt. = althochdeutsch lat. = lateinisch
E = Epos mhdt. = mittelhochdeutsch
Ez = Erzählung TS = theoretische Schrift
frz. = französisch Ü = Übersetzung
G = Gedicht zw. = zwischen

157
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

Fragen für die Selbstevaluation

Nachstehende Fragen und Problemstellungen dienen der Festigung


der erworbenen inhaltlichen und Sprachkenntnisse, der gedanklichen
Vertiefung der Problematik sowie der Herstellung von
Zusammenhängen und Querverbindungen.
Anhand dieser Selbstevaluationsschwerpunkte, die sich
hauptsächlich auf die in vorliegender Anthologie berücksichtigten Texte
und Autoren beziehen, können die Studierenden sich einer eigenen
Prüfung unterziehen und gegebenenfalls weiterführende
Sekundärliteratur heranziehen.

1. Welche Dialekte gab es hauptsächlich auf dem Gebiet des Heiligen


Römischen Reichs Deutscher Nation?
2. Was ist die Ethymologie des Begriffs "deutsch" und wann bildete er
sich heraus?
3. Welche Gattungen waren in der anfänglichen althochdeutschen
Dichtung vertreten? Wie erklärt sich ihre Vorherrschaft in der
damaligen Entstehungsphase der literarischen Produktion?
4. Was sind die "runen"?
5. Welche Merkmale sind in der althochdeutschen Dichtung
feststellbar? Wie wurde diese tradiert und wie sah die sprachlich-
künstlerische Struktur aus?
6. Was sind die Merseburger Zaubersprüche? Wieso werden sie so
bezeichnet? Wozu diente diese Art Sprüche?
7. Heben sie die sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten im Text des
Wurmsegens hervor!

158
Anhang - Anexe

8. Welches war das bekannteste Heldenlied altdeutscher Herkunft und


welches Thema steht im Mittelpunkt seiner Handlung?
9. Wer waren Hildebrand und Hadubrand? In welchem Verhältnis
standen Sie zueinander?
10. Welche Gebrauchstexte entstehen im 8. und 9. Jh. und wozu dienten
sie hauptsächlich?
11. Was ist das Zentralthema des Wessobrunner Gebets? Worauf deutet das
im Titel enthaltene Wort "Gebet" hin? Welches Weltbild läßt sich
aus dem gesamten Text ableiten?
12. Welcher weltliche Inhalt gelangt im Muspilli zum Ausdruck? Wieviele
Abschnitte können in diesem Text festgestellt werden?
13. Wie kam es zum Gebrauch des Begriffs "höfisch"? Welche
Tugenden waren darunter mitgemeint? Nennen Sie sie und belegen
Sie die eine oder die andere mit konkreten Textbeispielen!
14. Welches war der religiöse Hintergrund der höfischen Epik und
Lyrik? Aus welcher Erfahrung heraus entstanden die Werke, die
diesen Gattungen zuzurechnen sind?
15. Erläutern Sie knapp die Entstehungsgeschichte des Nibelungenlieds!
16. Was war der Auslöser des innengermanischen Königinnenstreites?
17. Charakterisieren Sie die Gestalten des Siegfried und der Kriemhild
und erläutern Sie die Folgen ihres Liebesverhältnisses.
18. Vergleichen Sie Abschnitte des Originaltextes des Nibelungenlieds mit
der nachstehend angegebenen hochdeutschen Übersetzung und
stellen Sie Hypostasen und Vorgänge der deutschen
Sprachentwicklung fest!
19. Unter welchen Umständen tötet Gunther den Haupthelden
Siegfried? Wessen Verfall wurde damit eingeleitet?
20. Wie verlief der Streit von König Dietrich mit Gunther und Hagen?
21. Aus welchen Quellen entstand die Artussage? Was symbolisiert der
heilige Gral und in welchem Zusammenhang steht er zum Rittertum
und den von diesem vertretenen Tugenden und Idealen?
22. Wie gelangt Parzival dazu, durch Gurnemanz als Ritter unterwiesen
zu werden? Welche Ratschläge werden ihm erteilt?
159
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

23. Beschreiben Sie den Auftritt des Parzival in der Gralsburg! Welche
Macht strahlt der Gral aus; mit welchen und wessen Worten wird
dies zum Ausdruck gebracht? Verwenden Sie zur Beantwortung
dieser Frage Stellen aus dem wiedergegebenen Text!
24. Aus wievielen Teilen bestand eine mittelalterliche Burg? Erläutern
Sie eine solche Anlage anhand der Illustrationen auf der Seite 82!
25. Wie wandelt sich des Menschen Parzival Verhältnis zu Gott in
seinen ersten und späteren Abenteuern, wie erfolgt der Übergang
von Sünde zu Vertrauen in Gott, zu innerer Läuterung?
26. Welchen Platz nahm Gottfried von Straßburg unter den
zeitgenössischen Dichtern ein?
27. In welches neue Verhältnis setzt Gottfried das höfische Ideal zur
absoluten Minne? Welche schicksalshafte Rolle kommt dem
Minnetrank zu? Welches sind die wichtigsten Aspekte des
Programms in Gottfrieds Roman Tristan in bezug auf die neue
Qualität der Liebe?
28. Übersetzen Sie selbst einige Stellen des mittelhochdeutschen
Originals! Vergleichen Sie sie mit den gleichen, ins Hochdeutsche
übersetzten Stellen! Was fällt Ihnen sprachlich dabei auf?
29. Interpretieren Sie folgende Textstelle aus dem Tristan:

Die Geschichte ihres Todes soll den Menschen


zu Nutzen lang und immer weiter leben,
den Treue Suchenden Treue zeigen,
den Ehre Suchenden Ehre:
ihr Tod soll auf immer
uns Lebenden lebendig neu bleiben;
doch wo man noch vortragen hört,
von ihrer Treue, der Reinheit ihrer Treue,
ihrem Herzensglück und ihrem Herzeleid,
da finden alle edelen Herzen Brot.
Damit lebt ihr beider Tod.
Wir lesen von ihrem Leben, wir lesen von ihrem Tod,
und das ist uns so süß wie Brot.
Ihr Leben, ihr Tod sind unser Brot.

160
Anhang - Anexe

So lebt ihr Leben, lebt auch ihr Tod.


So leben sie noch und sind doch tot,
und ist ihr Tod den Lebenden Brot ...

30. Erklären Sie die Herkunft des Namens Tristan!


31. Wie erlebt Tristan dennoch des Lebens höchsten Genuß im Zeichen
der "Göttin Minne"? Was symbolisieren Rosenstrauch und
Weinrebe?
32. Was ist unter Minnesang zu verstehen? Was unterscheidet die hohe
von der niederen Minne?
33. Welche Bedeutung kommt der Lyrik des Walther von der
Vogelweide im Zuge des Ausklingens des höfischen Zeitalters zu?
34. Wie kommt die Einsicht von der Vergänglichkeit aller Herrlichkeit
der Welt im folgenden Teil der Elegie Walthers zum Ausdruck?
Belegen Sie Ihre inhaltlichen und weltanschaulichen Beobachtungen
sowie die sich daraus ergebenden möglichen Fragestellungen mit
Textstellen!

I.
Owê war sint verswunden alliu mîniu jâr!
ist mir mîn leben getroumet oder ist ez wâr?
daz ich ie wânde ez waere was daz alles iht?
dar nâach hân ich geslâfen und enweiz es niht.
nu bin ich erwachet, und ist mir unbekant
daz mir hie vor was kündic als mîn ander hant.
liut unde lant, dar inn ich von kinde bin erzogen,
die sint mir worden frömde reht als ez sî gelogen.
die mîne gespilen wâren, die sint traege und alt.
bereitet ist daz velt, verhouwen ist der walt:
wan daz daz wazzer fliuzet als ez wîlent flôz,
für wâr mîn ungelücke wânde ich wurde grôz.
mich grüezet maneger trâge, dermich bekande ê wol..
diu welt ist allenthalben ungenâden vol.
als ich gedenke an manegen wünneclîchen tac,
die mir sint enpfallen als in daz mer ein slac,

161
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

iemer mêre owê

35. Wie charakterisierte Peter Wapnewski die Vorzüge sowie die


inhaltliche Wende in den Werken des Dichters Walther von der
Vogelweide?
36. Wie und in welchem Werk überträgt Wernher der Gartenaere die
Themen der Minnelyrik auf die bäuerliche Welt?
37. Zeigen Sie zugleich auch Aspekte des Verfalls des Rittertums im
Werk desselben Autors!
38. Wie treten bürgerliche und volkstümliche Wertvorstellungen und
Verhaltensweisen im ausgehenden Mittelalter literarisch zum
Vorschein? Welche Autoren erweisen sich als Vertreter der neuen
Ausrichtung?
39. Versuchen Sie die Hauptentwicklungslinien der literarischen
Produktion in Deutschland in der Zeit des Mittelalters zu skizzieren!
Berücksichtigen Sie dabei die in vorliegender Anthologie gelegten
Meilensteine anhand der darin enthaltenen Originaltexte!
40. Welche möglichen inhaltlichen und wertemäßigen
Querverbindungen können Sie zu unserer Gegenwart im 21. Jh.
herstellen? Welche Ähnlichkeiten bzw. Unterschiede fallen Ihnen
dabei auf?

162
Anhang - Anexe

Worterläuterungen
(für die mit * ~ gekennzeichneten Wörter und Ausdrücke)

ausziehen – 1. a pleca la drum; 2. a dezbrăca


die Mär(e) (e), -en – 1. ştire, veste, zvon, ştire mincinoasă; 2. legendă, basm,
poveste, istorie
Dietrich – Dietrich von Bern, d.h. Theoderich, Ostgotenkönig, Begründer des
Ostgotenreiches
Fabel (e), -n – 1. fabulă, poveste (cu animale); 2. basm; 3. invenţie, născocire,
minciună; 4. fabulaţie, subiect (al unei opere literare)
entfahr – entfliehe!
Eschenschaft – Eschenholz, aus dem meist die Speere angefertigt wurden
etwas fahren lassen – a renuţa la ceva
Frija – Göttin der Liebe
Ger – Speer (lance)
Geschlecht (s), -s, -er – 1. sex; 2. gen, neam; 3. (poet.) familie, neam, spiţă,
stirpe; 4. generaţie; 5. (gram.) gen; 6. (reg.) turmă, stână
Haft – Bande (legături)
Heilsgeschichte – 1. (rel.) istoria mântuirii (sufletului prin graţia divină); 2. viaţa
Mântuitorului
Herberge (e), – n – 1. adăpost, azil; 2. gazdă, han, ospătărie; 3. casă de adăpost
pentru turişti, cabană
hinter etwas kommen – a dezlega o taină, a înţelege ceva
Hochgestimmtsein (s) – predestinţia pentru fapte, opere mari

163
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

hoffärtig – übetrieben stolz, verletzend hochmütig / arogant, exagerat de


mândru
ichbesessen, vom eigenen Ich besessen – a fi obsedat de propriul eu, egocentric
Idise – Walküre, nach der nordischen Heldensage Begleiterin des Göttervaters
Wodan; sie hilft den Helden im Kampf und geleitet die Gefallenen zum
Göttersitz Walhalla
in den Hintergund treten – a trece în plan secund
in Hülle und Fülle – din abundenţă
Jüngstes Gericht = Weltgericht am Jüngsten Tag; Jüngster Tag = der letzte Tag
der Welt nach christlicher Auffassung – Judecata de Apoi
Kammerzofe (e), -n – cameristă, subretă
Knappe (r), -n, -n – 1. scutier; 2. miner, ortac; 3. calfă de morar
Läuterung (e), -n – 1. curăţire, limpezire; 2. purificare, îndreptare
Lehnsmann (r), -s, -leute – arendaş (jmd., der vom Lehnsherrn ein Gut zu Lehen
bekommen hat)
maßhaltenkönnen (s) – a fi capabil de a păstra măsura
Maure (r), -n, -n – maur [a nu se confunda cu Maurer – zidar, constructor!]
Missetat (e), -en – faptă rea, nelegiuire, crimă
Oblate (r), -n, -n – 1. persoană destinată călugăririi; 2. novice, frate
Otacher – Otocker, Odoaker, germanischer Söldnerführer in römischem Dienst, der
467 Rom einnahm, später aber vom Ostgotenkönig Theodorich bei Ravenna
besiegt wurde
Selbstzucht (e) – autodisciplină
sich auf den Weg machen – a o poni la drum
Sinthgunt – Göttin der Sonne
Spielmannsdichtung = Dichtung der fahrenden Spielleute (= Musikanten) –
literatura menestrelilor
Sprachwerdung – întruparea în cuvinte, exprimarea în cuvinte
Spruch, ¨-e – 1. maximă, sentinţă, aforism, zicală; 2. (jur.) sentinţă, hotărâre,
verdict; 3. (lit.) poezie sau strofă gnomică din literatura germană medievală;
verset (din Biblie)
164
Anhang - Anexe

tonangebend – care dă tonul; den Ton angeben – a da tonul


tradieren, -te, -t – a transmite în timp, de-a lungul vremii
Truchseß (r), (Truchsessen, Truchsesses), (Truchsessen) – stolnic
um ihrer selbst willen – doar de dragul ei
um um Kriemhildes Hand zu bitten – ca să ceară mâna Kriemhildei [um zu
bitten – ca să ceară; um etwas bitten – a cere, a solicita ceva]
Unzeitgemäßheit (e), -n – inactualitate, nepotrivire cu timpul, cu epoca
v. Chr. – vor Christi, înainte de Hristos ; n. Chr. – nach Christi, după Hristos
Vol / Fol – Balder, Baldur oder Baldr, der Lichtgott
Volla / Folla – Göttin der Fruchtbarkeit
Walküre (e),-n – (mitol.) valkirie
Wendelmeer – westliches Mittelmeer, nach den Wandalen, die es im 5. Und 6.
Jahrhundert befuhren (s Mittelmeer = Marea Mediterană)
Wotan – Wodan, der Göttervater

165
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

Kleines deutsch-rumänisches Wörterbuch


(zur vorliegenden Anthologie)

Abenteuer (s), -s, – – aventură


allmählich (adj.) – treptat
Auffassung (e), -, -en – concepţie, interpretare
begehren, -te, -t (vt.) – a cere, a dori; ~ nach (vi) – a rîvni, a dori
belagern, -te, -t (vt.) – a asedia
Barmherzigkeit (e), -en – milostenie, îndurare
Begriff (r), – (e)s, -e – noţiune, termen
beschwören (vt.), -te, -t – a implora, a conjura
Beständigkeit (e), -, – statornicie
bestehen, bestand, bestanden (vi.) – a se compune din, a consta în
bewahren, -te, -t (vt.) – a păstra
blutsverwandt (adj.) – înrudit, rudă de sânge
bruchstückhaft (adj.) – fragmentar
Burg (e), -, -en – cetate
Bürger (r), -s, – cetăţean, burghez
Derb (adj.) – 1. solid, compact, tare; 2. straşnic, zdravăn, aspru; 3.
grosolan, brutal, dur
Dienstmann (r), -(e)s, -¨er – servitor
Durchsetzen, sich ~ (vt.vr.) – a impune, a se ~

166
Anhang - Anexe

edel (adj.) – nobil


Ehre (e), -, – cinste, onoare
einzeln (adj.) – izolat, în parte
entwickeln, -te, -t (vt.) – a dezvolta
erben, -te, -t (vt.) – a moşteni
Ereignis (s), -ses, -se – eveniment, întâmplare
Erniedrigung (e), -, en – înjosire
erwerben, erwarb, erworben (vt.) – a dobândi, a câştiga
Erziehung (e), -, -en – educaţie, instrucţie
ewig (adj.) – veşnic, etern
fesseln, -te, -t (vt.) – a lega
freiwillig (adj.) – de bună voie, benevol
fromm (adj.) – evlavios, credincios
Fürstentum (s), – (e)s, -¨er – principat
Gebet (s), -(e)s, -e – rugăciune
Gebiet (s), -(e)s, -e – 1. teritoriu, regiune; 2. Domeniu (de activitate)
Gebrechen (s), -s, – – 1. infirmitate, boală; 2. cusur, defect
Gefolgsleute (pl.) – membrii unei suite
Gegensatz (r), -es, -¨e – contrast, opoziţie
Geisel (r), -, -n – ostatic
geistlich (adj.) – clerical, bisericesc
geläufig (adj.) – obişnuit, uzual
Gewand (s), -(e)s, -¨er – veşmânt
Grundlagen legen – a pune bazele
Gott (r), -es, -¨er – Dumnezeu, zeu
Grundlage (e), -, -n – bază, temelie, fundament
Handlung (e), -, -en – acţiune
Handschrift (e), -, -en – manuscris, scriere
Heer (s), -es, -e – armată
167
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

heidnisch (adj.) – păgân


heilen, -te, -t (vt.) – a vindeca
heilig (adj.) – sfânt
Heilung (e), -, en – vindecare, însănătoşire
heischen, -te, -t (vt.) – a cere, a pretinde, a ruga stăruitor
Held (r), -en, -en – erou
Helm (r), -(e)s, -e – coif, cască
hemmen, -te, -t (vt.) – a împiedica, a timora
Herzog (r), -s, -¨e – duce
höfisch (adj.) – de curte, curtenesc
Hort (r), -(e)s, -e – comoară, tezaur
Kampf (r), -(e)s, -¨e, – luptă
Kemenate (e), -, -n – cameră (a unei doamne în evul mediu)
Kreuzzug (r), -(e)s, -e, – cruciadă
kühn (adj.) – viteaz, îndrăzneţ, cutezător
Kummer (r), -s, – necaz, supărare
Laut (r), -(e)s, -e – sunet
Lebensweise (e), -, -n – mod de viaţă
Leibeigener (r), -n, -n – şerb, iobag
Leichnam (r), -(e)s, -e – cadavru
Macht (e), -, -¨e – putere
Maß (s), -es, -e – măsură
Milde (e), -, – blândeţe, îngăduinţă
Ministeriale (r), -n, -n – nobil angajat în serviciul regelui în evul mediu
Minne (e), -, – dragoste (cavalerească)
Mittelalter (s), -s – Evul Mediu
Mundart (e), -, -en – dialect
Mut (e), -, – curaj
Oberhaupt (s), -(e)s, ¨-e – stăpân, conducător, şef (de stat)
168
Anhang - Anexe

Opfer (s), -s, – – victimă


prägen (vt.vr.) -te, -t – a (fi) caracteriza(t)
Prunk (r), -(e)s, – pompă, fast
rächen, -te, -t (vr.) – a se răzbuna
Rat (r), -(e)s, pl. Ratschläge – sfat
Recke (r), -en, -en – viteaz
reichhaltig (adj.) – bogat, îmbelşugat
Ritter (r), -s, – – cavaler
ritterlich (adj.) – cavaleresc
Ritterorden (r), -s, -, – ordin cavaleresc
Rittertum (s), -s, – casta cavalerilor
Rüstung (e), -, -en – armură
Sage (e), -, -en – legendă
Schicksal (s), -s, -e – soartă, destin
Schild (r), -(e)s, -er – scut
Schlacht (e), -, en – bătălie
Schöpfung (e), -, -en – creaţie
Schwert (s), -(e)s, -er – spadă, sabie
seelisch (adj.) – sufletesc
Segen (r), -s, -, – binecuvântare
Sieg (r), -(e)s, -e – victorie
sinnlich (adj) – senzorial, senzual
Sippe (e), -, -en – neam, trib, ginte
Sitte (e), -, -n – obicei, datină
Spruch (r), -(e)s, -¨e – maximă, zicală, descântec (Zauberspruch)
Stabreim (r), -(e)s, -e – aliteraţie
Stamm (r), -(e)s, ¨-e – 1. trunchi, tulpină; 2. neam, trib, seminţie; 3.
radical etc.
Stimmung (e), -, en – dispoziţie, stare de spirit
169
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

Tafelrunde (e), -, -n – masă rotundă


Tapferkeit (e), -, – vitejie
Tarnkappe (e), -, -n – glugă fermecată (care te face invizibil)
Treue (e), -, – fidelitate, credinţă
Tugend (e), -, -en – virtute
überliefern, -te, -t – a transmite
übersichtlich (adj.) – clar, sistematic
umgeben, umgab, umgeben (vt.) – a fi înconjurat
Unheil (s), -(e)s – nenorocire, dezastru
unmittelbar (adj.) – nemijlocit
Untergang (r), -(e)s – apus, decădere
urwüchsig – nativ, primitiv, natural, simplu, naiv
verbannen, -te, -t (vt.) – a exila
Verfall (r), -(e)s – decădere, ruinare, prăbuşire
Verfassung (e), -, -en – 1. condiţie; 2. constituţie
Verkehrssprache (e) – limba uzuală de comunicare
Verlauf (r), -(e)s, -¨e – curs, decurs, desfăşurare
Versatzstück (s), -(e)a, -e – 1. amanet, obiect amanetat; 2. (teatru)
piesă de décor mobil, flanc mobil
verstauchen, -te, -t (vr.) – a-şi scrânti, luxa…
Völkerwanderung (e), -, -en – migraţia popoarelor
volkssprachlich (adj.) – în limbaj popular
Vorfahr (r), -en, -en – strămoş
vorgeschichtlich (adj.) – preistoric
Waffenmeister (r), -s, -, – maestru de arme
Weltabgeschieden (adj.) – izolat de lume
Weltuntergang (r), -(e)s, -¨e – sfârşitul lumii
werben, warb, geworben (vi) – a face curte, a peţi
Werden (s), -s – devenire
170
Anhang - Anexe

Wesen (s), -s, -, – existenţă, esenţă, fiinţă


Wirkung (e), -, en – efect
Zauber (r), -s, – – vrajă
Zeugnis (s), -ses, -se, – mărturie, dovadă
ziemen, -te, -t (vr.) – a se cuveni, a se cădea
Zofe (e), -, -n – fată în casă
Zucht (e), -, – cultivare (a spiritului); ordine severă

Erläuterung der rumänischen Abkürzungen:


adj. = adjectiv (Adjektiv)
pl. = plual (Plural)
vi. = verb intranzitiv (Intransitivverb)
vr. = verb reflexiv (Reflexivverb)
vt. = verb tranzitiv (Transitivverb)

171
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

Bibliographische und Quellennachweise

1. Berceanu, Maria, Geschichte der altdeutschen Literatur und


Zivilisation. Ediţia a II-a. Pentru uzul studenţilor. Universitatea
din Timişoara, 1984
2. Bertau, K., Deutsche Literatur im europäischen Mittelalter,
München 1972-73 (2 Bände)
3. Bogdan Boeriu, Prefaţă / Vorwort zu: Meister Eckhart, Cartea
mângâierii dumnezeieşti. Traducere şi prefaţă de B.B., Botoşani
1995
4. Bumke, J., Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im
hohen Mittelalter, München 1986 (2 Bände)
5. Cormeau, C. (Hg.), Deutsche Literatur im Mittelalter. Kontakte
und Perspektiven, Stuttgart 1979
6. Curschmann, M. / Glier, I. (Hgg.) Deutsche Dichtung des
Mittelalters, München 1980 (2 Bände)
7. Curtius, Ernst Robert, Europäische Literatur und lateinisches
Mittelalter, Bern 1948
8. De Boor, H. / Newald, R., Geschichte der deutschen Literatur,
Bd. 1, 2, 3/1, München 1964-1966
9. Deutsche Literaturgeschichte. Von den Anfängen bis zur
Gegenwart. Dritte, überarbeitete auflage. Mit 400
Abbildungen. Von Wolfgang Beutin, Klaus Ehlert, Wolfgang
Emmerich, Helmut Hoffacker, Bernd Lutz, Volker Meid, Ralf
Schnell, Peter Stein und Inge Stephan. J.B. Metzlersche
Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 1989, S. 1-50
10. Dumitrescu-Buşulenga, Zoe, Renaşterea, umanismul şi destinul
artelor, Bucureşti 1975

172
Anhang - Anexe

11. Ehrismann, G., Geschichte der deutschen Literatur bis zum


Ausgang des Mittelalters, München 1966
12. Geerds, J., Deutsche Literaturgeschichte in einem Band, Berlin
1966
13. Glaser, H.A. (Hg.), Deutsche Literatur. Eine Sozialgeschichte,
Reinbek bei Hamburg 1991 (Band 1 und 2)
14. Hahn, G. / Ragotzky, H. (Hgg.), Grundlagen des Verstehens
mittelalterlicher Literatur, Stuttgart 1992
15. Hauptwerke der deutschen Literatur. Bd. 1: Von den Anfängen
bis zur Romantik. Einzeldarstellungen und Interpretationen,
München 1994
16. Heinzle, J. (Hg.), Modernes Mittelalter, Frankfurt / Leipzig
1994
17. Isbăşescu, Mihai, Istoria literaturii germane, Bucureşti 1968
18. Jackson, W. T. A., The Literature of the Middle Ages, New
York 1960
19. Killy, W. (Hg.), Deutsche Autoren. Vom Mittelalter bis zur
Gegenwart. Bertelsmann Lexikon, München 1994 (5 Bände)
20. Kuhn, H., Dichtung und Welt im Mittelalter, Stuttgart 1969
21. Langosch, K. (Hg.), Überlieferungsgeschichte der
mittelalterlichen Literatur, Zürich 1964
22. Lexikon des Mittelalters, München / Zürich 1980-1993 (6
Bände)
23. Marschang, Eva, Geschichte der altdeutschen Literatur,
Universitatea din Timişoara 1969
24. Martini, F., Deutsche Literaturgeschichte, Stuttgart 1972
25. Oţetea, Andrei, Renaşterea şi Reforma, Bucureşti 1968
26. Ricklefs, U. (Hg.), Fischer Lexikon Literatur. Frankfurt am
Main 1996, Bd. 2, S. 1252-1286
27. Ruh, K. (Hg.), Die deutsche Literatur des Mittelalters.
Verfasserlexikon. Berlin / New York 1978-1992 (8 Bände)
28. Schweikle, G., Minnesang, Stuttgart 1988
29. Walz, H., Die deutsche Literatur im Mittelalter, München 1976

173
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

30. Wapnewski, Peter (Hg.), Mittelalter-Rezeption, Stuttgart 1986


31. Wehrli, Mnfred, Literatur im deutschen Mittelalter. Eine
poetologische Einführung, Stuttgart 1984

Rumänische Ausgaben von literarischen Texten in Auswahl:

1. Auswahl literarischer Texte für die IX. Klasse, Staatsverlag für


didaktische und pädagogische Literatur, Bukarest 1961, S. 3-55
2. Auswahl literarischer Texte für die IX. Klasse. Hgg. v.
Dorothea Götz, Michael Markel, Hans Müller, Editura
didactică şi pedagogică, Bucureşti 1978, S. 3-56
3. Auswahl literarischer Texte für die XI. Klasse. Hgg. v. Georg
Aescht, Dorothea Götz, Michael Markel, Editura didactică şi
pedagogică, Bucureşti 1981, S. 3-37
4. Deutsche Literatur. Textauswahl für die VIII. Klasse. 1. Band,
Staatsverlag für didaktische und pädagogische Literatur,
Bukarest 1954, S. 3-48
5. Livescu, Jean, Textsammlung zur deutschen Sprach- und
Literaturgeschichte, Bukarest 1962 (2 Bände)

174
Anhang - Anexe

I n h a l t:

Einleitende Bemerkungen ................................................................... 5

Das frühe Mittelalter (750-1170)...................................................... 9


Sprachgeschichtliche Grundlagen der "deutschen Sprache".......... 9
Zum Begriff "deutsch" ................................................................. 10
Die althochdeutsche Dichtung ..................................................... 11
Die Zaubersprüche: Der Wurmsegen; Die Merseburger
Zaubersprüche ........................................................................ 13
Die Heldendichtung: Das Hildebrandslied .................................. 15
Übersetzungsliteratur, Glossare, althochdeutsche Schriften ........ 20
Die geistlichen Dichtungen: Das Wessobrunner Gebet;
Muspilli ................................................................................... 20

Das Hochmittelalter (1170-1270).................................................... 24


Zum Begriff "höfisch".................................................................. 24
Die höfische Epik und Lyrik ........................................................ 26
Das Nibelungenlied...................................................................... 26
Wolfram von Eschenbach: Parzival............................................. 59
Gottfried von Straßburg: Tristan.................................................. 81
Der Minnesang ............................................................................. 99
Der frühe Minnesang.................................................................... 99
Der Kürenberger......................................................................... 100
Heinrich von Morungen ............................................................. 102
Reinmar von Hagenau................................................................ 103

175
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

Hartmann von Aue ..................................................................... 104


Walther von der Vogelweide...................................................... 105
Neidhard von Reuenthal ............................................................. 118

Das Spätmittelalter (1270-1500) .................................................. 122


Wernher der Gartenaere – Meier Helmbrecht ............................ 122

A n h a n g....................................................................................... 139

Deutsche Literaturgeschichte im Überblick. 1. Teil: Anfänge


und Mittelalter ............................................................................ 139
Zeittafel (750-1500)......................................................................... 153
Fragen für die Selbstevaluation ....................................................... 158
Worterläuterungen (für die mit * ~ gekennzeichneten Wörter
und Ausdrücke) .......................................................................... 163
Kleines deutsch-rumänisches Wörterbuch ...................................... 166
Bibliographische und Quellennachweise......................................... 172
Inhalt................................................................................................ 175

176
Anhang - Anexe

TEXTE AUS DER BUKOWINA


«Es war eine Gegend, in der Menschen und Bücher lebten» Paul Celan

Moses Rosenkranz Blaueule Leid


Kindheit – Fragment einer Autobiogra- Gedichte aus der Bukowina
phie (Texte aus der Bukowina, Bd. 10)
(Texte aus der Bukowina, Bd. 9) 100 S., geb., 2001
Hg. v. George Guţu ISBN 3-89086-806-1 DM 35,–
256 S., geb., 2001 Der Band enthält Gedichte von P.
ISBN 3-89086-758-8 DM 48,– Celan, R. Ausländer, K. Blum, A.
Kittner, M. Rosenkranz, A. Gong,
Der Autor, geb. 1904 in Berhometh am A. Margul-Sperber, S. Meerbaum-
Pruth, lebte bis 1930 vorwiegend in der Eisinger, I. Weißglas und I. Manger.
Bukowina, dann in Bukarest. 1941 bis
1944 war er in Arbeitslagern der rumäni- Alfred Margul-Sperber
schen Faschisten interniert; 1947, ver- Sinnloser Sang
schleppt nach Rußland, verschwand er Ausgewählte Gedichte
für 10 Jahre im Gulag. 1961, wieder poli- (Texte aus der Bukowina, Bd. 8)
tisch verfolgt, mußte er aus Rumänien 96 S., fadengeh., 2001
fliehen und kam nach Deutschland. ISBN 3-89086-765-0 DM 34,–
Der Autor wurde 1898 in Storoshi-
Die Kindheit bis zum 1. Weltkrieg er- netz (Bukowina) geboren und starb
lebte Moses Rosenkranz in den Dörfern 1967 in Bukarest.
zwi- schen Pruth und Czeremosch in
einer kinderreichen Bauernfamilie. Dann Heinrich-Böll-Stiftung (Berlin)
«Czernowitz is gewen an alte,
folgten Flucht, der Tod des Vaters, völ-
jidische Schtot …»
lige Verarmung; danach Wanderjahre auf Jüdische Überlebende berichten
Arbeitssuche. Eine Projektarbeit von Kol Čern,
’96.
Die ersten fünfzehn Jahre dieses Lebens, Gaby Coldewey, Anja Fiedler,
das noch viele Katastrophen unseres Melinda Filep, Stefan Gehrke, Axel
Jahrhunderts durchlaufen sollte, schildert Halling, Eliza Johnson,
der Dichter im vorliegenden Buch nach- Nils Kreimeier, Gertrud Ranner
denklich und direkt, in epischer Breite, (Texte aus der Bukowina, Bd. 11)
mit poetischer Wucht und Bildhaftigkeit. ca. 160 S., brosch., 3. Auflage 2001
Damit erreicht er selber in hohem Maße, ISBN 3-89086-776-6 DM 38,–
was ihn in manchen Dichtungen anderer
beeindruckt: «die genaue Unterkunft der
Realität in der Phantasie».
Rimbaud Verlagsgesellschaft mbH
Postfach 86 · D-52001 Aachen
Oppenhoffallee 20 · D-52066 Aachen
Telefon +49-241-542532 · Fax

177
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)
514117
www.rimbaud.de

178
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

GGR-BEITRÄGE ZUR
GERMANISTIK
Herausgegeben von George Guţu

Lieselotte Pătruţ
"Es ist an der Zeit, eine landesweite Fachreihe "Nu credeam să-nvăţ a muri vrodată." Frie-
drich Hölderlin şi Mihai Eminescu
Germanistik zu starten, die wir 'GGR-Beiträge (Studiu de literatură comparată)
zur Germanistik' nennen möchten. Angedeutet (Bd. 4)
wird damit, daß die Reihe allen in Rumänien 234 S., Editura Paideia, Bucureşti 1998
lebenden oder aus Rumänien stammenden Ger- ISBN 973-9368-41-7
manisten, zugleich auch unseren ausländischen
KollegInnen zur Verfügung steht. Auslandsger- Cornelia Cujbă
manistisch besonders relevante Aspekte des Daf- Influenţa germană asupra vocabularului
Unterrichts, der Interkulturalität, der Imagolo- limbii române literare contemporane
gie, der Rezeptionsgeschichte und -ästhetik sowie (Bd. 5)
der linguistischen Forschung und der Lan- 270 S., Editura Paideia, Bucureşti 1999
deskunde werden dabei Berücksichtigung fin- ISBN 3-89086-776-6 DM 38,–
den.."
(George Guţu) Ştefan Alexe
Wissenschaftliche Arbeit im Internet. Ein
Handbuch für Germanisten
Beiträge zur Geschichte der Germanistik in
Rumänien (I) (Bd. 6)
(Bd. 1) 132 S., Editura Paideia, Bucureşti 2000
Hgg. v. George Guţu und Speranţa ISBN
Stănescu
319 S., Charme-Scott, Bucureşti 1977 Gheorghe Nicolaescu
Georg Büchner und die metaliterarische
ISBN 973-96538-10 Reflexion
(Bd. 7)
Wehn vom Schwarzen Meer… Literaturwis-
senschaftliche Aufsätze
215 S., Editura Paideia, Bucureşti 2001
(Bd. 2) ISBN 973-8064-85-6
Hg. v. George Guţu
Mihaela Zaharia
324 S., Editura Paideia, Bucureşti 1998 Die andere Wirklichkeit: Phantastik in der
ISBN 973-9368-08-5 verfilmten deutschsprachigen Literatur
(Bd. 8)
Die Sprache ist das Haus des Seins. 210 S, Editura Paideia, Bucure;ti 2001
Sprachwissenschaftliche Aufsätze
ISBN 973-8064-85-7
(Bd. 3)
Hgg. v. George Guţu und Speranţa
Stănescu. Unter Mitarbeit von
Doina Sandu
348 S., Editura Paideia, Bucureşti 1998 Herausgegeben von der
ISBN 973-9368-09-3 Gesellschaft der Germanisten
Rumäniens (GGR)

178
Anhang - Anexe

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DIE
Zeitschrift der Germanisten Rumäniens
HERAUSGEGEBEN VON DER
“GESELLSCHAFT DER GERMANISTEN RUMÄ-
NIENS”
Schriftleiter: George Guţu

BISHER SIND ERSCHIENEN:


HEFT 1, 1992
HEFT 2, 1992
HEFT 1-2 (3-4), 1993
HEFT 1-2 (5-6), 1994
HEFT 1-2 (7-8), 1995
HEFT 1-2 (9-10), 1996
- AB 1997 IN NEUEM FORMAT! -
HEFT 1-2 (11-12), 1997
HEFT 1-2 (13-14), 1998
HEFT 1-2 (15-16), 1999
HEFT 1-2 (17-18), 2000
HEFT 1-2 (19-20), 2001
*
AUF BESCHLUSS DES KOMITEES DER GGR ERSCHEINT AB 2002
DAS
JAHRBUCH DER GERMANISTEN RUMÄNIENS
ALS FACHORGAN DER GGR

HERAUSGEBER:
GESELLSCHAFT DER GERMANISTEN RUMÄNIENS
DEUTSCHER AKADEMISCHER AUSTAUSCHDIENST

179
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

Societatea Germaniştilor din România (S.G.R.)


Gesellschaft der Germanisten Rumäniens (GGR)
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Das Landeskomitee der GGR (Zusammensetzung)


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Publizististische Tätigkeit
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Die Gesellschaft der Zeitschrift der Germanisten Rumäniens (ZGR)
GGR-Beiträge zur Germanistik
Germanisten Rumäniens Germanistik in Rumänien (Verzeichnis)
(GGR) wurde am 22. März
1990 gegründet; Aktuell: Protest der Germanistiklehrstuhlleiter
zu ihren Mitgliedern Mitteilungen unserer KollegInnen im Ausland
zählen DeutschlehrerInnen
Perspektiven: ZGR wird Jahrbuch
aus Hoch-, Mittel- und
Grundschulen in Rumänien Statut der GGR | Internationale Kontakte
und im Ausland. Über Geschichte und Gegenwart der GGR
Mitteilungen der GGR
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Wenn Sie GermanistIn bzw. - Symposion und Ausstellung "Rose Ausländer"
DeutschlehrerIn sind – wollen --------------------
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180
Anhang - Anexe

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Vol. XV: Scrieri autobiografice III Schriften II (DuW, I) - 391 S.
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Călătorie pe Rin) - 400 p. Schriften III - 400 S.
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Neckar în anii 1814-1815 und Neckar 1814-1815
Coordonator: George Guţu. Leitung: George Guţu.
Colaborează: Carmen Iliescu, Gheorghe Mitarbeiter: Carmen Iliescu,
Nicolaescu, Sorin Toma şi Mihaela Gheorghe Nicolaescu, Sorin Toma
Zaharia und Mihaela Zaharia

Ediţie critică. Kritische Ausgabe.


Începută de Jean Livescu Begonnen von Jean Livescu
Reconcepută şi continuată de Neukonzeption und Fortsetzung
George Guţu et al. George Guţu et al.
În colaborare cu Jochen Golz (Weimar), In zus. mit Jochen Golz (Weimar),
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181
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)
Herbert Zeman (Viena) Herbert Zeman (Viena)

Redactor: Janeta LUPU

Bun de tipar: 31.01.2002; Coli tipar: 11,5


Format: 16/61 x 86

Editura şi Tipografia Fundaţiei România de Mâine


Splaiul Independenţei, nr. 313, Bucureşti, Sector 6, O. P. 78
Telefon: 410 43 80; Fax. 411 33 84; www.SpiruHaret.ro

182
Anhang - Anexe

Anhang

Deutsche Literaturgeschichte im Überblick


1. Teil: Anfänge und Mittelalter

1. Die germanischen schriftlichen Denkmäler


Die ersten schriftlichen Zeugnisse germanischer Kultur
können schon in der vorkarolingischen Zeit gefunden werden.
Hauptsächlich durch den Kontakt mit der römischen Großmacht
und der antiken Kultur drang die Schriftlichkeit ins Leben der
Germanen – die Runen stammen vermutlich von einem
norditalienisch-etruskischen Alphabet ab. Das erste Beispiel
germanischer Schriftlichkeit, die gotische Bibelübersetzung
WULFILAS, entstand bereits im 4. Jh.
Die Zustände in Germanien wurden vor allem durch
römische Autoren – CÄSAR, PLINIUS D. ÄLTERE, TACITUS –
erschlossen, durch deren Berichte teilweise auch germanische
Worte überliefert wurden. Nach dem Fall des römischen Reiches
war die Kontinuität der Schriftlichkeit auf christlich-religiöser
Ebene – insbesondere durch das Mönchstum – gewährleistet. Als
amtliche Sprache setzte sich dabei in Franken und im westlichen
Europa das Latein durch.
Zugleich jedoch gerieten die tieferen Schichten germanischen
Volksglaubens nicht in Vergessenheit. Dabei handelt es sich
einerseits um Zaubersprüche oder um Rätsel, andererseits um
sagenartiges Material, das seinen Niederschlag in der
139
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

Heldendichtung findet. Aus der Zeit vor 750 stammen die


MERSEBURGER ZAUBERSPRÜCHE, die im 10. Jh. in einer geistlichen
Handschrift gefunden und zum ersten Mal über ein Jahrtausend
später – und zwar 1842 – von JAKOB GRIMM veröffentlicht wurden.
Die spätere Verschmelzung mit christlichen Glaubensinhalten hatte
noch nicht stattgefunden – so wie dies im 9. Jahrhundert beim
WURMSEGEN oder auch im 10. Jh. beim LORSCHER BIENENSEGEN
und beim TRIERER BLUTSEGEN der Fall war. Die letzteren Beispiele
verdeutlichen die bis ins Frühmittelalter auftretende Form der
Verdrängung germanischer mythologischer Vorstellungen durch
christliche: a) der Segen wirkt durch die Kraft Gottes und nicht der
Götter, b) dem Spruch (Lösezauber oder Segen) wird noch ein
frommes Gebet angehängt, c) der heidnische Teil enthält eine
Besprechung des Schadens sowie eine Erinnerung an in der
Vergangenheit durchgeführte Heilungen; die Anrufung der Götter
wird zum Gebet an die Heiligen.
Auch die germanische Heldendichtung lebte in verschiedenen
Überlieferungen weiter. Die größte dabei ist die um 1260
entstandene LIEDER-EDDA, die zusammen mit dem isländischen
Skaldenhandbuch des SNORRI STURLUSON (ein Lehrbuch der
Dichtkunst) die Götter- und Heldenlieder der Germanen
enthielten, unter anderm auch das Lied von Hildebrand. Das
ÄLTERE HILDEBRANDSLIED, das im Gegensatz zum Hildebrands-
Text aus der Edda nicht vollständig überliefert wurde, gehört zur
langobardischen Dichtung des 7. Jahrhunderts und wurde ca. 830
von zwei Mönchen – vermutlich als Schreibübungen – in die
Innendeckel eines Gebetsbuches niedergeschrieben wurde. So wie
viele andere heidnische oder heroische Stoffe wurde auch das
Hildebrandslied in späterer Zeit verarbeitet, u. zw. in den zwei
Fassungen des JÜNGEREN HILDEBRANDSLIED (16. Jh.), in dem
jedoch der volksballadenhafte Charakter der Handlung zutage tritt

140
Anhang - Anexe

und der nicht mehr vom heroischen germanischen Götterglauben


gekennzeichnet ist.
Charakteristisch für die althochdeutsche Heldendichtung war
der Stabreim. Die drei „Stäbe“ – die durch den gleichen Anlaut
ihrer Stammsilben (der Alliteration) hervorgehoben wurden –
bildeten die Langzeile des reinen Stabreims, zwei vor und ein Stab
nach der Zäsur. Bei den Merseburger Zaubersprüchen, sowie bei
den bayrischen WESSOBRUNNER GEBET und MUSPILLI (9. Jh.)
kommen diese Regeln jedoch nicht mehr vor. Im MUSPILLI treten
schon teilweise Endreime auf. Zur Regelmäßigkeit werden diese –
unter dem Einfluß spätantiker bibelepischer Formen – zum ersten
Mal in OTFRIED VON WEISSENBURGS (~800 – 875)
EVANGELIENHARMONIE (LIBER EVANGELIORUM, um 870), einer
Darstellung des Leben Jesu.

2. Das Frühmittelalter (750 – 1170)


Überreste magischer Texte und Zauber- oder Segenssprüche
treten, wie im vorigen Abschnitt erwähnt, bis im Frühmittelalter
innerhalb von Gebeten auf; auch mehrere Beichtbekenntnisse (aus
dem Zeitraum zwischen dem 9. und dem 11. Jh.) sind überliefert
(ahd. bigicht, Beichte). So etwa beweist die ZWEITE BAYRISCHE
BEICHTE (die sich gegen die Zauberpraktikten richtet) das weitere
Vorhandensein magisch-heidnischer Glaubensvorstellungen. Darin
kommen jedoch nicht exklusiv Götter des germanischen
Pantheons allein, sondern auch die im Christentum wichtigen
Gestalten (Christus, Maria) vor.
Die älteste bekannte deutsche Schrift ist die ABROGANS
(764/2) benannte deutsche Bearbeitung einer lateinischen
Synonymensammlung (der Name ist auf das erste lateinische
Stichwort der Sammlung zurückzuführen). Noch aus der Zeit vor
der schon erwähnten EVANGELIENHARMONIE stammt der im

141
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

sächsischen Raum verfaßte HELIAND (830), eine Erzählung des


Lebens Jesu, in der insbesondere heldenhafte Züge des Heilands
unterstrichen werden, wohl um den christlichen Glauben mit Hilfe
geläufiger Stilmittel zu veranschaulichen.
Einen heroischen Stoff verarbeitet das Ende des 9. Jh.
verfaßte Heldenepos WALTHARIUS, das in lateinischen
Hexametern die Flucht Walthers von Aquitanien vom Hofe Attilas
beschreibt, wo er zusammen mit seiner Verlobten Hildegund
gefangen gehalten wurde. Die Schrift entstand vermutlich nach der
Vorlage eines verlorengegangenen germanischen Heldenlieds.
Um die Jahrtausendwende wirkte im Kloser von St. Gallen
NOTKER DER DEUTSCHE (oder NOTKER LABEO, der
„Großlippige“ – zu unterscheiden von dem 912 gestorbenen
NOTKER BALBULUS von St. Gallen, dem Schöpfer von lateinischen
Sequenzen, also von hymnischen Texten, die in Silbenanzahl dem
Gesang der Lobpreisung Gottes folgen). Als Vorsteher des
Klosters übersetzte NOTKER DER DEUTSCHE für den Unterricht
BOETHIUS und ARISTOTELES (der bis ins 12. Jh. nur in der
lateinischen Übersetzung bekannt war), sowie andere Autoren;
einige dieser Übersetzungen (z. B. VERGILS Bucolica, TERENZ’
Andria) sind nicht erhalten.
Im ersten in Deutschland bekannten, lehrhaften Ritterspiegel
werden die Abenteuer des Ruodlieb beschrieben. In lateinischen
Hexamtern geschrieben, umfaßt das RUODLIEB (Mitte 11. Jh.) eine
Anzahl von Lehren, die das höfische Verhalten in einer Zeit noch
vor dem Minneideal verdeutlichen soll und die in der Hauptgestalt
einen „Miles christianus“ sieht.
Überhaupt ist im 11. Jahrhundert eine neue Einstellung der
Literatur gegenüber zu bemerken, die sich in einer
differenzierenden und systematisierenden Annäherung
niederschlägt. Schwerpunktmäßig werden religiöse, geistliche und
geschichtstheologische Themen verarbeitet (das EZZOLIED, um
142
Anhang - Anexe

1065; die KAISERKRONIK, 1135/55; das Alexanderlied des Pfaffen


LAMBRECHT, 1140/50, das auf dem altfranzösischen Heldenepos
CHANSON DE ROLAND bauende Rolandslied des Priesters
KONRAD). Das frühmittelhochdeutsche ANNOLIED (ca.
1077/1105), das 1639 von OPITZ herausgegeben wurde, ist eine
zeitbiographische Schrift (die erste in deutscher Sprache) über das
Leben und Wirken des Erzbischofs Anno von Köln, ein Werk, in
dem die Geschichte als Heilsgeschichte dargestellt wird.
Im 12. Jahrhundert vollzieht sich ein Wandel in der Literatur,
in dem die weltliche Komponente immer mehr Oberhand gewinnt;
diese Bewegung erfaßt nicht allein die deutsche, sondern auch die
lateinische Dichtung. (Dabei handelt es sich insbesonders um die
Vagantenlyrik, deren wichtigste Liedersammlung die CARMINA
BURANA aus dem 13. Jh. war).

3. Das Hochmittelalter (1170 – 1270)


Vor allem im geistlichen Bereich sind Bestrebungen
bemerkbar, die eine Verweltlichung der Literatur verhindert. Dies
wird vor allem durch die Verwendung weltlicher Sujets in
geistlichen Liedern versucht, so wie dies die spielmännische, aus
den tief religiös empfundenen Kreuzzügen schöpfende Epik
(KÖNIG ROTHER, ORENDEL, SALMAN UND MOROLF) zeigt. Den
abenteuerlichen Handlungen ist eine Weltabsage der Helden
gemeinsam; die ritterliche Kultur überwindet jedoch die
asketischen Darstellungen – Klostereintritt, Verzicht auf ein
weltliches, eheliches Leben – durch eine neue Formkultur, die sich
insbesondere durch den Unterhaltungscharakter auszeichnet.
Unter dem Schlagwort „höfisch“ wird eine ganze Reihe von
Tugenden verstanden – vornehm, schön, edel, die das ritterliche
Gesellschaftsideal bilden. Der Ritter – ursprünglich im 11.
Jahrhundert der unfreie Lehensträger, miles / ministerialis – wurde

143
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

durch die adlige Übernahme zum Sinnbild der abendländischen


Kultur. Die wichtigste Tugend der ritterlichen Gemeinschaft war
das Maß, die „mâze“ so wie sie schon in der stoischen Philosophie
auftritt. In diesem Zusammenhang sind auch die anderen
Tugenden – wie z. B. „triuwe“, „staete“ oder „êre“ zu verstehen,
die das höfische Weltbild prägten und auf das Minneideal
übertragen wurden.
In der Literatur werden verschiedene thematische Richtungen
eingeschlagen, die in der Kreuzzugs- und Heldenepik, im Artus-
und Gralsroman und in der Kontinuität der Antike anzutreffen
sind.
Das zur Helden- bzw. Volksepik gehörende NIBELUNGEN-
LIED (~ 1200) ist bis in die Zeit der Staufer mündlich vermittelt
worden und verarbeitet die noch aus der Zeit der
Völkerwanderung stammenden Heldenlieder. Die ursprünglichen
Epen und Sagen, die dem NIBELUNGENLIED einverleibt werden
sind in „Aven-tiuren“ (Abenteuern) gegliedert. Dabei werden
heroisch-krie-gerische in höfisch-ritterliche Gestalten übertragen.
Diese „Ritter“ traten nun für die Ideale der höfischen Gesellschaft
ein, ihre Handlungsweise jedoch weist unverkennbar einen
archaisch-mythischen, kriegerischen Charakter auf. Diese
Merkmale können jedoch nur als Gegensatz zur literarischen
Konvention und nicht zur Realität der Zeit gesehen werden.
Eine andere Charakteristik ist den höfischen Romanen eigen:
die französischen Vorbilder hatten das höfische Weltbild
vorgeprägt. Der erste deutsche Artusroman, Erec, wurde 1180/85
vom schwäbischen Ministerialen HARTMANN VON AUE nach dem
französischen Vorbild von CHRÉTIENS DE TROYES verfaßt. Die
historische Gestalt des britannischen König Artus (5.-6. Jh.) wird
zum Ideal der ritterlichen Tugenden; seine Tafelrunde gilt als
Modell ritterlicher Gemeinschaft. Die Artusritter müssen sich im
Rahmen von Aventiuren verschiedenen Prüfungen stellen, die ihren
144
Anhang - Anexe

Wert als Ritter offenbaren. Im Falle Erecs sind es die ritterlichen


Pflichten, die er nach der Heirat mit Enite vernachlässigt; auf einer
Bußfahrt muß er wieder zur „mâze“ wiederfinden und hoffähig
werden. Erst nach seiner zweiten Reihe von Aventiuren läutert er
sich durch den Sieg über Mabonagrin, der im Wundergarten „Joie
de la curt“ achtzig Frauen gefangen hielt. Umgekehrt ist der Fall
mit Iwein, der Hauptgestalt des zweiten Artusromans HARTMANNS
(~1200). Quelle ist wiederum ein Werk des Chrétien de Troyes,
Yvain. Iwein verfällt in das andere Extrem der Rittertugend und
vergißt seine Frau Laudine. Lunete, dessen Zofe, verflucht ihn vor
der Tafelrunde, und Iwein, wahnsinnig und weltfremd, zieht sich
in die Wildnis zurück. So wie Erec muß auch Iwein seine
Läuterung in einer Reihe von Aventiuren finden, bis er, von der
Schuld der Vernachlässigung des Minnedienstes erlöst, wieder von
seiner Frau und Minneherrin Laudine empfangen wird.
Eines der umfangreichsten Bilder der höfischen Gesellschaft
zeichnet WOLFRAM VON ESCHENBACH in den 24840 Versen seines
Epos Parzival. Die Quelle Wolframs ist wiederum CHRÉTIEN DE
TROYES’ unvollendetes Epos Li Contes del Graal (vor 1190).
Parzival, der Sohn Gahmurets und Herzeloydes wächst auf
Wunsch seiner Mutter zusammen mit ihr dem höfischen Leben
und der Rittergesellschaft auf. Die Kindheit Parzivals endet mit
einem Schlag als er drei Ritter trifft; zum großen Kummer seiner
Mutter zieht er aus, um selbst Ritter zu werden. In unbeholfener
„tumbheit“ gelangt er durch Zufall in die Gralsburg
Munsalwaesche, in der er – die ritterlichen Regeln wörtlich
beachtend – nicht die rettende Frage stellt. Zwar steht ihm der
weltliche Hof – durch die Tafelrunde des König Artus – offen,
jedoch die Gralsburg bleibt für ihn unerreichbar. Sein Oheim
Trevrizent wird ihn auf den Weg der Reue führen, und, von
seinem Halbbruder Feirefiz besiegt, wird er sich offen für den Gral
und für seine Frau Condwiramur einsetzen. Die Handlung folgt

145
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

der biblischen Heilsgeschichte: Paradies – Sündenfall (durch den


Tod Herzeloydes) – Erlösung. PARZIVAL besitzt auch zwei
Ebenen der Handlung, die sich nach dem Ideal der geistlichen
Welt (Gralsburg) und des weltlichen Lebens (Artushof) richten.
Während Parzival das weltliche Leben in der Tafelrunde auf der
Suche nach dem Gral verläßt, ist Gawan, der vorbildliche
Artusritter, in seinen Aventiuren auf das Ideal der Tafelrunde
ausgerichtet. Parzival dagegen ist zugleich weltlich und geistlich,
höfisch und heilig.
Gedruckt wurde PARZIFAL zuerst im Jahre 1477. Bis zu dem
Zeitpunkt wurde das Epos in zahlreichen Handschriften aus dem
14. und 15. Jh. überliefert und erfreute sich einer großen
Beliebtheit. Zwei weitere höfische Epen stammen aus der Hand
WOLFRAMS: Willehalm (~1215) und Titurel (nach 1215). In
Willehalm wird schon eine im PARZIFAL in der Gestalt von Feirefiz
und seiner Mutter, Belakane – die Geliebte Gahmurets –
offenbarte Humanität weitergeführt. Eine getaufte Sarazenin, Frau
des Ritters Willehalm, verteidigt in dessen Abwesenheit seine Burg,
wobei auch die ritterlichen Tugenden der Heiden aufgezeigt
werden. So wie Willehalm, ist auch Titurel nicht vollendet. Dieses
höfische Epos in Strophen nimmt den Parzifalstoff wieder auf und
erweitert ihn. Er wird als Jüngerer Titurel von einem Verfasser
namens ALBRECHT 1270 unter dem Namen WOLFRAMS
weitergeführt und thematisiert die höfische Ethik um die tragische
Geschichte von Sigune und Schionatulander, die schon von
WOLFRAM in seiner Minnekritik im Titurel verdeutlicht wurde.
Auch GOTTFRIED VON STRASSBURG konzentriert sich ebenso
wie sein poetischer Widersacher WOLFRAM insbesondere auf die
Epik; der zentrale Konflikt wurde jedoch nicht wie im PARZIFAL
durch den Versuch der Vereinbarung zwischen Gottesdienst und
höfischem Dienst bestimmt, sondern durch die Unvereinbarkeit
von innig empfundender Minne und gesellschaftlichem Zwang.
Tristan und Isolde, die eigentlich König Marke als zukünftige
146
Anhang - Anexe

Gattin zugesprochen war, finden nicht menschlich-psychologisch


begründet, sondern durch einen Zaubertrank zueinander. Nach der
Eheschließung zwischen Isolde und Marke versuchen beide
Liebhaber dennoch ihre Liebesbeziehung weiterzuführen, was zu
ihrer Verbannung vom Hofe führt. Das glückliche Leben in der
Minnegrotte währt jedoch nicht ewig und durch die List Markes
werden sie ein weiteres Mal getrennt. Das Epos blieb unvollendet.
Die Handlung ist durch die Abkehr vom höfischen Ideal geprägt,
das nicht dem Inhalt, sondern allein der Form nach erlebt wird: die
„êre“ ist gesellschaftlich, nicht tugendmäßig relevant.
Ein zentrales Thema der höfischen Kunst war die Minne
(hauptsächlich eine ideale, gedankliche Form der Liebe, siehe lat.
memini = gedenken, sich erinnern). Der Minnesang gehört dabei
nicht zur Erlebnislyrik, sondern ist höfische Konvention. Gepflegt
wurde die Minnedichtung insbesondere durch den Adel; WALTHER
VON DER VOGELWEIDE und HARTMANN VON AUE sprechen zum
ersten Mal von einer „niederen Minne“; dabei wird nicht der
soziale Status der Frau, sondern die „Erhebung“ des Mannes (im
Falle der „höheren Minne“) bzw. die leidenschaftliche und blinde
Verstrickung in der Abhängigkeit („niedere Minne“) verdeutlicht.
Der deutsche Minnesang ist durch die Dichtung der
Troubadours und Trouvèrs geprägt worden. Als höfische Literatur
geht diese Dichtung von Aquitanien aus (WILHELM VON POITOU,
1071 – 1127) und verbreitete sich zunächst im Norden Frankreichs
(hier werden die Minnedichter Trouvèrs genannt) aber auch in
Italien und Flandern. Aufgenommen und weitergeführt wird die
Minnedichtung von HEINRICH VON VELDEKE (Minnelieder, 1170 –
1190). Weitere Minnesänger: FRIEDRICH VON HAUSEN (Minnelieder,
1170 – 1190). Er hat eine ganze Generation von Minnesängern
geprägt: ULRICH VON GUTENBERG, BLIGGER VON STEINACH,
BERNGER VON HORHEIM, HEINRICH VON MORUNGEN (seit 1180),
REINMAR VON HAGENAU (seit 1185); auch HARTMANN VON AUE
und WOLFRAM VON ESCHENBACH schufen Minnelieder.
Insbesondere der Schülder REINMARS, WALTHER VON DER
VOGELWEIDE (nach 1197), hat in der Thematik der niederen
147
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

Minne – als Kontrast zur unerfüllbaren höheren Minne – Lieder


geschaffen, die einen besonderen Einfluß auf die deutsche
Dichtung ausüben sollten. Zugleich leitete er während einer
politisch sehr unsicheren und wechselhaften Zeit die erste
*Hochzeit der deutschen Spruchdichtung.
In die spätere Zeit fällt die durch höfische „Meister“ in Umlauf
gesetzte Spruchdichtung, die in ihrer epischen Form eine starke
Verbreitung erfahren sollte. Es war dies DER SÄNGERKRIEG AUF DER
WARTBURG (1250/60). Am Hofe des Landgrafs Hermann treffen sich
Walther, Wolfram und weitere Minnesänger, die durch Heinrich von
Ofterdingen zu einem Sängerwettberwerb herausgefordert wurden.
Wolfram unterliegt jedoch Walther, darf aber Klingsor aus
Siebenbürgen zu Hilfe rufen. Darauf wird Klingsor im Rätselstreit von
Wolfram besiegt, der alle seine Rätsel löst und auch den von Klingsor
herbeigerufenen Teufel Nasion vertreibt.
Der am Ende des 13. Jahrhunderts bemerkbare Verfall des
Rittertums zeigt sich insbesondere in der Verserzählung Meier
Helmbrecht (1250/80) von WERNHER DER GÄRTNER. Inhalt der
Erzählung ist das Heranwachsen eines Bauernburschen aus dem
Innviertel zum Strauchritter. WERNHER übt in seinen Versen Kritik an
der Gesellschaft seiner Zeit, die insbesondere durch die Auflösung der
Ständeordnung (Bauer will ein Ritter sein) geprägt ist.

4. Das Spätmittelalter (1270 – 1500)

Das späte Mittelalter, geprägt durch den Zerfall der Staufer, ist
zugleich der Beginn der bürgerlichen Machtübernahme und der
humanistischen Anfänge. Zugleich wurde das höfische Mittelalter
nicht verneint, sondern als Vorbild angesehen. Die fahrenden
Sänger adliger Abstammung wurden im 14. Jahrhundert durch
bürgerliche Sänger abgelöst, die – zum Unterschied von den
Meistersingern des 15. Jahrhunderts – die Kunst als Erwerb

148
Anhang - Anexe

betrieben. Die in den Dichtungen des frühen und Hochmittelalters


enthaltene Weltfreude weicht im Spätmittelalter einer düsteren und
pessimistischen Zeitdarstellung aus. Seuchen, Not und Mißstände
rücken auch in das literarische Bewußtsein der Zeit, das aber
dadurch realistische Züge annimmt, die sich von den idealistischen
der höfischen und vorhöfischen Dichtung absetzen und zugleich
den Platz des Menschen in der Welt zu bestimmen versuchen.
Diese literarischen Darstellungen gehen insbesondere in eine
religiöse Richtung: einerseits als Versuche mystischer
Gotteserkenntnis und andererseits als Versinnbildlichung der
Untergangs- und Todesstimmung.
Folgende die Literatur des Spätmittelalters prägende Elemente
sind in diesem Zusammenhang hervorzuheben:
1) Die Pflege der Tradition
Die Auctoritas der höfischen Dichtung bestand selbst im
Spätmittelalter. Auch der französische Einfluß war noch immer –
wenn auch nicht mit derselben Intensität wie vorher zur Zeit der
höfischen Dichtung – bemerkbar: die durch die CHANSONS DE
GESTE verarbeiteten Sagenstoffe gelangten durch Übersetzungen
in den deutschen Sprachraum. Zugleich fand im Zuge der
Entwicklungen, deren Merkmale sich immer deutlicher von der
höfischen Zeit abheben, eine rege Auseinandersetzung mit jenen
höfischen Inhalten, die sich insbesondere im Sammeln (und
oftmals Verändern) des Tradierten zeigte: so stammen die meisten
handschriftlichen PARZIVAL-Kopien aus dem 14. und 15.
Jahrhundert. 1331/36 werden über 36000 Verse in die PARZIVAL-
Dichtung ESCHENBACHS eingefügt; die beiden Straßburger Bürger
WISSE und COLIN präsentieren somit einen Nüwer Parzival. Unter
dem Namen WOLFRAMS wurde das über 7000 Verse lange
höfische Epos LOHENGRIN veröffentlicht. Die Aventiuren der
Ritterepen wurden zu Abenteuer- und Liebesromanen (wie dies
JOHANN VON WÜRZBURGs Wilhelm von Österreich, 1314, unter
149
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

Beweis stellt). Aber auch die Heldenepik wurde in


Abenteuerromane – und oftmals in eine niedere stilistische Schicht
(als Lied, Bänkelsang etc.) – umgewandelt. Der Minnesang allein
erfährt durch die Distanzierung von dem Hofe eine
Weiterentwicklung (z.B. durch HEINRICH VON MEISSEN, genannt
FRAUENLOB, oder durch HEINRICH VON MÜGELN, die von den
Meistersingern später zur Tradition gerechnet wurden.
2) Die Entwicklung der didaktischen Literatur
Das „docere“ war neben dem „delectare“ stets wirksam
gewesen, wie es auch aus den Texten der Minnelieder ersichtlich
wird. Gepflegt werden die Spruchdichtung und das Lehrgedicht,
aber auch die Fabel, die zum einen selbst erfunden sein kann (wie
z. B. bei HEINRICH VON MÜGELN) oder aus der Antike rezipiert
wurde. Eine weite Verbreitung kennt auch die aus dem Italien
stammende Novelle (vor allem durch BOCCACCIO), in der die
Verschiebung von der Minne zum eros ersichtlich wird.
3) Der Schwerpunkt der Literatur bleibt jedoch trotzdem im
geistlichen Bereich. Zum einen besitzen die Legenden eine
wichtige Rolle: indem sie über wunderbare Ereignisse berichteten,
wirkten sie durch das Erzählen außerordentlicher Taten auf den
Leser, zeigten aber zugleich auch einen moralisch-lehrreichen,
erzieherischen Hintergedanken. In dieselbe Richtung bewegen sich
auch die Legendenspiele und, damit verbunden, auch das geistige
Drama und das Passionsspiel.
Eine Vorrangstellung bezieht in der geistlichen Literatur des
Spätmittelalters die Mystik, die besonders durch die Orden (der
Zisterzienser, Dominikaner, Franziskaner und Benediktiner)
gepflegt wird. Eines der meistgelesenen Bücher des späten
Mittelalters war THOMAS VON KEMPENs Imitatio Christi (um 1410).
Besonders wirksam waren auch die Schriften des Dominikaners
MEISTER ECKHART (1260-1327/28), dessen mystische

150
Anhang - Anexe

Vorstellungen die geistliche Literatur der späteren Zeit prägen


sollten. Zu seinen zahlreichen Schülern zählten HEINRICH SEUSE
(1295-1366) und JOHANNES TAULER (1300-1361). Außerdem war
auch die von RULMAN MERSWIN (gestorben 1382; er war ein
Schüler Taulers) initiierte Mystik der „Gottesfreunde“ im geistigen
Bereich besonders wichtig, und die aus diesen Gedanken
schöpfende Theologia Deutsch wirkte bis in den Humanismus und
die Reformation hinein. Jedoch auch im Rahmen der Frauenorden
fand die mystische Literatur – insbesondere unter dem extatisch-
empfindsamen Aspekt – eine große Aufnahme: Unter den
wichtigsten Mystikerinnen befand sich die Franziskanerin
HILDEGARD VON BINGEN, aber auch BEGINE HADEWYCH und
MECHTHILD VON MAGDEBURG.
Sowohl geistliche als auch weltliche Schauspiele prägen den
Charakter des Spätmittelalters. Aus den Feiern des Weihnachts- und
Osterfestes entstanden, wurden die geistlichen lateinischen Spiele
Bestandteil der liturgischen Feiern. Das erste deutsche Osterspiel
entsteht 1250 und wird im 14. und 15. Jh. durch eine große Anzahl
von Stücken weitergeführt: so z. B. 1493 das GROSSE FRANKFURTER
PASSIONSSPIEL, das auf das ALTE FRANKFURTER PASSIONSSPIEL
zurückgeht, das drei Tage dauert und für 280 Personen gedacht ist.
Zu den Spielen mit liturgischem Kontext gehören aber auch andere
Schauspiele mit geistlichen Themen, wie z.B. das Kommen des
Antichrist (DES ENTKRIST VASNACHT, 1350).
Das weltliche Schauspiel blickt, anders als das geistliche, auf
einen eher unklaren Ursprung. Heidnisch-archaische Elemente –
Fruchtbarkeit, Abwendung von Zauber und Dämonen – bilden
wohl den latenten Grundstein, der durch festliche Handlungen zur
Frühlingszeit, Streit- und Gerichtsszenen, Schwänken überlagert
wurde. Das erste überlieferte Spiel ist das ALTE ST. PAULER
NEIDHARTSPIEL (14. Jh.) und beschreibt den Kampf zwischen Mai
und Herbst. In diesen Spielen sind ansatzweise schon Merkmale

151
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

der späteren Fastnachspiele zu finden. Hauptvertreter des


Fastnachtspiels im 15. Jahrhundert waren HANS ROSENPLÜT und
HANS FOLZ, der eigentliche Höhepunkt aber bildent die 85 Spiele
des HANS SACHS (1494-1576).
Am Ende des 15. Jh. dringen durch italienischen und
französischen Einfluß die ersten humanistischen Anzeichen in die
Literatur. Diese neue Geisteshaltung wird auch im „Ackermann
aus Böhmen“ (1401) des böhmischen Notars Johann von Tepl
verdeutlicht. Mittelalterliche Frömmigkeit verbindet sich mit
Auflehnung des Menschen gegen das von Gott gegebene
Schicksal. Lebensbejahung und Sterblichkeit des Menschen bilden
den Widerspruch, der zum Kern dieses Werkes wird, das durch
seinen humanistischen Gehalt der Renaissance in Deutschland das
erste große Denkmal setzt.

152
Anhang - Anexe

Zeittafel
(750-1500)

Unsere Zeittafel zur frühen Zeit der deutschen Literatur bietet


einen Überblick über den historischen und literaturgeschichtlichen
Hintergrund für ein zusammenhängendes Verständnis sowie für die
Einordnung der literarischen Werke sowie des Wirkens der Autoren in
ihre Zeit. Dabei gelangt das chronologische Anordnungsprinzip zur
Geltung. Vollständigkeit wurde selbstverständlich nicht angestrebt,
wichtig war es, die kennzeichnenden Meilensteine historischer und
literarischer Vorgänge sichtbar zu machen.
Werke, deren Verfasser nicht angegeben werden, sind fett gedruckt.
Die jeweils verwendeten Abkürzungen sind am Ende der Zeittafel
erklärt.

751 Beginn der Herrschaft der Ältere oder Lieder-Edda


Karolinger (Pippin der Kleine) (germanisch-heidnische
768-814 Regierungszeit Karls Liedersamm-lung, aufgezeichnet
des Großen (Unterwerfung im 13. Jh. in Skandinawien) –
und Christianisierung der
Sachsen; "Karolingische (Merseburger) Zaubersprüche
Renaissance": der Hof in (germanisch-heidnisch,
Aachen als kulturelles aufgezeichnet im 10. Jh.) –
Zentrum, Einrichtung von Sbrogans (lat.-ahdt. Wörterbuch,
Dom- und Klosterschulen, ~ 760) – Vocabularius Sancti
Buchmalerei) Galli (lat.-ahdt. Ü., zwischen 770
800 Kaiserkrönung Karls des und 900) – Würzburger
Großen in Rom Markbeschreibungen (vor 790)
842 Straßburger Eide: Ludwig – Admonition Generalis
(Bildungsprogramm Karls des
153
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

Großen, 789) – Wessobrunner


der Deutsche und Karl der Schöpfungsgedicht (Ende 8. Jh.)
Kahle verbünden sich gegen – Althochdeutscher Isidor (Ü-
ihren Bruder Lothar I. TS, kurz vor 800) – Muspilli
(religiöse Stabreimdichtung,
843 Vertrag von Verdun: frühes 9. Jh.) – Tatians
Teilung des Reiches unter Evangelieharmonie (~ 830) –
Ludwig dem Deutschen Einhart: Vita Caroli Magni
(ostfr. Reich), Lothar I. (Biographie, ~ 830) –
(mittleres Reich) und Karl Hildebrandslied
dem Kahlen (westfr. Reich) (Heldengedicht, ~ 830/840) –
910 Gründung des Klosters Heliand (religiöse
Cluny: Ausgangspunkt der Stabreimdichtung, ~ 830-850) –
klösterlichen Altsächsische Genesis (idem) –
Reformbewegungen Straßburger Eide (842) –
919 Beginn der Herrschaft der Otfried von Weißenburg:
Ottonen (Heinrich I.) Evangelienharmonie (~ 870) –
Ludwigslied (hist. G, 881/882) –
936-73 Regierungszeit Ottos
Cristus und die Samariterin
I. (Die Kirche wird zur Stütze (G, ~ 900) – Quem quaeritis in
des Reiches; "Ottonische sepulchro, o christicolae
renaissance": lateinische (Ostertropus, Mitte 10. Jh.) –
Dichtung, Buchmalerei im Notker Labeo: Psalter (Ü,
Kloster Reichenau) frühes 11. Jh.) – Ruodlieb (R,
955 Schlacht auf dem Mitte 11. Jh.)
Lechfeld: Beendigung der
ungarischen Beutezüge
962 Kaiserkrönung Ottos I. in
Rom
1054 Kirchenschisma: Bruch Ezzo: Ezzo-Lied (Weltchronik,
zwischen der (griechischen)
Ostkirche und der lateinischen 1063) – Noker von Zwiefalten:
(Westkirche) Memento mori (religiöse
1075-1122 Investiturstreit: Dichtung, ~ 1070) – Annolied
Auseinandersetzung um die (religiöse Chronikdichtung, ~
Vormachststellung von 1085) – Chanson de Roland

154
Anhang - Anexe

Kaisertum (Heinrich IV.) und (altfrz. E, ~ 1110) – Pfaffe


Papsttum (Gregor VII.) wird Lamprecht: Alexanderlied (zw.
durch das Wormser 1120 und 1150) –
Konkordat 1122 beendet Kaiserchronik (~ 1150) –
1077 Gang nach Canossa: König Rother (Spielmanns-E, ~
Heinrich IV. Bittet Papst 1150) – Heinrich von Melk:
Priesterleben (religiöse
Gregor VII. um Aufhebung
Dichtung, ~ 1160), Erinnerungen
des Kirchenbanns an den Tod (idem, ~ 1160) –
1079-1142 Petrus Abälard, Pfaffe Konrad: Rolandslied (~
erster bedeutender 1170) – Wernher: Marienleben
Scholastiker (idem, 1172) – Herzog Ernst
1096-99 Erster Kreuzzug, (Spielmanns-E, ~ 1180) –
Melker Marienlied (12. Jh.) –
Eroberung Jerusalems Arnsteiner Gebet – Der von
1138-1268 Herrschaft der Kürenberg: Ich zôch mir einen
Staufer valken (Minnelied, 2. Hälfte 12.
12. Jh. Entstehung des Jh.) – Friedrich von Hausen:
Rittertums, deutsche Mîn herze und mîn lip diu
Ostkolonisation, Kreuzzüge, wellent scheiden (Minnelied, 2.
Ketzerbewegungen
Hälfte 12. Jh.) – Reimar von
1152-90 Regierungszeit Hagenau: Minnelieder (2. Hälfte
Friedrichs I. Barbarossa
12. Jh.) – Walther von der
1190 Deutsche Kaufleute Vogelweide: Minnelieder und
gründen den Deutschen politische Lyrik (Ende
Orden, zunächst 12./Anfang 13. Jh.) – Wolfram
Krankenpflegeorden, ab 1198 von Eschenbach: Minnelieder
geistlicher Ritterorden (~ 1165-~ 1215) – Heinrich von
1198-1210 Deutscher Veldeke: Eneit (Höfischer R,
Thronstreit: Staufer siegreich 1189) – Hartmann von Aue:
über die Welfen Erec (Artus-R, ~ 1180/1185),
13. Jh. Höhepunkt der Gregorius, der gute Sünder
Städtegründungen; (höfische Verslegende, 1187/89
Entstehung der Bettelorden; oder ~ 1195), Der arme Heinrich
Blütezeit von Scholastik und (idem, 1195), Iwein (Artus-R, ~
Mystik 1202/1205)
1212-50 Regierungszeit
Wolfram von Eschenbach:
155
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

Friedrichs II. Parzival (Vers-R, 1200/1210),


1215 Viertes Laterankonzil Willehalm (Fragm. Einer
unter Papst Innozenz III.: höfischen Ez, zw. 1212 und
Höhepunkt geistlicher und 1218), Titurel (Vers-Ez, zw.
weltlicher Macht des
Papsttums, u.a. Inquisition, 1215 und 1219) – Gottfried von
Judenkennzeichnung Straßburg: Tristan und Isolt
1257-73 Interregnum: Ausbau (Vers-R, 1200/ 1210) –
der Macht der Fürsten Nibelungenlied (Helden-E, ~
1273-91 Regierungszeit 1200) – Schwänke des Pfaffen
Rudolfs von Habsburg Amîs (zw. 1220 und 1250) –
1309 Verlegung des Kudrunlied (Helden-E, ~ 1230/
Papstsitzes von Rom nach 1240; überliefert im Ambraser
Avignon (bis 1376) Heldenbuch, 1516) – Mechthild
1339-1454 Hundertjähriger von Magdeburg: Das fließende
Krieg zwischen England und
Frankreich Licht der Gottheit (mystische
1343 Deutsche Hanse Schrift, 1250-1281/82) –
1347-78 Regierungszeit Karls Wernher der Gartenaere:
IV. Meier Helmbrecht (Vers-Ez, zw.
1348 Gründung der ersten 1250 und 1282) – Konrad von
deutschen Universität in Prag Würzburg: Der Welt Lohn
Ca. 1350 Entwicklung von (Vers-N, ~ 1260) – Manessische
Feuerwaffen trägt zum Handschrift (Sammlung mhdt.
Niedergang des Rittertums bei Minnedichtung, ~ 1300- ~ 1340)
1414-18 Das Konstanzer – Osterspiel von Muri (Mitte
Konzil beendet das 13. Jh.) – Thomas von Aquin:
Kirchenschisma
Summa Theologiae
1415 Verbrennung des
tschechischen Reformators (scholastische TS, 1267-1273) –
Johannes Huß Heinrich von Seuse: Der Seuse
1445 Gutenberg entwickelt )Ab, 1362) – Innsbrucker
bewegliche Lettern für den Osterspiel (1391) – Johannes
Buchdruck von Tepl: Der Ackermann aus
Böhmen (Prosadialog, ~ 1400)
Verzeichnis der Abkürzungen:
156
Anhang - Anexe

afrz. = altfranzösisch GS = Gedichtsammlung


ahdt. = althochdeutsch lat. = lateinisch
E = Epos mhdt. = mittelhochdeutsch
Ez = Erzählung TS = theoretische Schrift
frz. = französisch Ü = Übersetzung
G = Gedicht zw. = zwischen

157
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

Fragen für die Selbstevaluation

Nachstehende Fragen und Problemstellungen dienen der Festigung


der erworbenen inhaltlichen und Sprachkenntnisse, der gedanklichen
Vertiefung der Problematik sowie der Herstellung von
Zusammenhängen und Querverbindungen.
Anhand dieser Selbstevaluationsschwerpunkte, die sich
hauptsächlich auf die in vorliegender Anthologie berücksichtigten Texte
und Autoren beziehen, können die Studierenden sich einer eigenen
Prüfung unterziehen und gegebenenfalls weiterführende
Sekundärliteratur heranziehen.

1. Welche Dialekte gab es hauptsächlich auf dem Gebiet des Heiligen


Römischen Reichs Deutscher Nation?
2. Was ist die Ethymologie des Begriffs "deutsch" und wann bildete er
sich heraus?
3. Welche Gattungen waren in der anfänglichen althochdeutschen
Dichtung vertreten? Wie erklärt sich ihre Vorherrschaft in der
damaligen Entstehungsphase der literarischen Produktion?
4. Was sind die "runen"?
5. Welche Merkmale sind in der althochdeutschen Dichtung
feststellbar? Wie wurde diese tradiert und wie sah die sprachlich-
künstlerische Struktur aus?
6. Was sind die Merseburger Zaubersprüche? Wieso werden sie so
bezeichnet? Wozu diente diese Art Sprüche?
7. Heben sie die sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten im Text des
Wurmsegens hervor!

158
Anhang - Anexe

8. Welches war das bekannteste Heldenlied altdeutscher Herkunft und


welches Thema steht im Mittelpunkt seiner Handlung?
9. Wer waren Hildebrand und Hadubrand? In welchem Verhältnis
standen Sie zueinander?
10. Welche Gebrauchstexte entstehen im 8. und 9. Jh. und wozu dienten
sie hauptsächlich?
11. Was ist das Zentralthema des Wessobrunner Gebets? Worauf deutet das
im Titel enthaltene Wort "Gebet" hin? Welches Weltbild läßt sich
aus dem gesamten Text ableiten?
12. Welcher weltliche Inhalt gelangt im Muspilli zum Ausdruck? Wieviele
Abschnitte können in diesem Text festgestellt werden?
13. Wie kam es zum Gebrauch des Begriffs "höfisch"? Welche
Tugenden waren darunter mitgemeint? Nennen Sie sie und belegen
Sie die eine oder die andere mit konkreten Textbeispielen!
14. Welches war der religiöse Hintergrund der höfischen Epik und
Lyrik? Aus welcher Erfahrung heraus entstanden die Werke, die
diesen Gattungen zuzurechnen sind?
15. Erläutern Sie knapp die Entstehungsgeschichte des Nibelungenlieds!
16. Was war der Auslöser des innengermanischen Königinnenstreites?
17. Charakterisieren Sie die Gestalten des Siegfried und der Kriemhild
und erläutern Sie die Folgen ihres Liebesverhältnisses.
18. Vergleichen Sie Abschnitte des Originaltextes des Nibelungenlieds mit
der nachstehend angegebenen hochdeutschen Übersetzung und
stellen Sie Hypostasen und Vorgänge der deutschen
Sprachentwicklung fest!
19. Unter welchen Umständen tötet Gunther den Haupthelden
Siegfried? Wessen Verfall wurde damit eingeleitet?
20. Wie verlief der Streit von König Dietrich mit Gunther und Hagen?
21. Aus welchen Quellen entstand die Artussage? Was symbolisiert der
heilige Gral und in welchem Zusammenhang steht er zum Rittertum
und den von diesem vertretenen Tugenden und Idealen?
22. Wie gelangt Parzival dazu, durch Gurnemanz als Ritter unterwiesen
zu werden? Welche Ratschläge werden ihm erteilt?
159
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

23. Beschreiben Sie den Auftritt des Parzival in der Gralsburg! Welche
Macht strahlt der Gral aus; mit welchen und wessen Worten wird
dies zum Ausdruck gebracht? Verwenden Sie zur Beantwortung
dieser Frage Stellen aus dem wiedergegebenen Text!
24. Aus wievielen Teilen bestand eine mittelalterliche Burg? Erläutern
Sie eine solche Anlage anhand der Illustrationen auf der Seite 82!
25. Wie wandelt sich des Menschen Parzival Verhältnis zu Gott in
seinen ersten und späteren Abenteuern, wie erfolgt der Übergang
von Sünde zu Vertrauen in Gott, zu innerer Läuterung?
26. Welchen Platz nahm Gottfried von Straßburg unter den
zeitgenössischen Dichtern ein?
27. In welches neue Verhältnis setzt Gottfried das höfische Ideal zur
absoluten Minne? Welche schicksalshafte Rolle kommt dem
Minnetrank zu? Welches sind die wichtigsten Aspekte des
Programms in Gottfrieds Roman Tristan in bezug auf die neue
Qualität der Liebe?
28. Übersetzen Sie selbst einige Stellen des mittelhochdeutschen
Originals! Vergleichen Sie sie mit den gleichen, ins Hochdeutsche
übersetzten Stellen! Was fällt Ihnen sprachlich dabei auf?
29. Interpretieren Sie folgende Textstelle aus dem Tristan:

Die Geschichte ihres Todes soll den Menschen


zu Nutzen lang und immer weiter leben,
den Treue Suchenden Treue zeigen,
den Ehre Suchenden Ehre:
ihr Tod soll auf immer
uns Lebenden lebendig neu bleiben;
doch wo man noch vortragen hört,
von ihrer Treue, der Reinheit ihrer Treue,
ihrem Herzensglück und ihrem Herzeleid,
da finden alle edelen Herzen Brot.
Damit lebt ihr beider Tod.
Wir lesen von ihrem Leben, wir lesen von ihrem Tod,
und das ist uns so süß wie Brot.
Ihr Leben, ihr Tod sind unser Brot.

160
Anhang - Anexe

So lebt ihr Leben, lebt auch ihr Tod.


So leben sie noch und sind doch tot,
und ist ihr Tod den Lebenden Brot ...

30. Erklären Sie die Herkunft des Namens Tristan!


31. Wie erlebt Tristan dennoch des Lebens höchsten Genuß im Zeichen
der "Göttin Minne"? Was symbolisieren Rosenstrauch und
Weinrebe?
32. Was ist unter Minnesang zu verstehen? Was unterscheidet die hohe
von der niederen Minne?
33. Welche Bedeutung kommt der Lyrik des Walther von der
Vogelweide im Zuge des Ausklingens des höfischen Zeitalters zu?
34. Wie kommt die Einsicht von der Vergänglichkeit aller Herrlichkeit
der Welt im folgenden Teil der Elegie Walthers zum Ausdruck?
Belegen Sie Ihre inhaltlichen und weltanschaulichen Beobachtungen
sowie die sich daraus ergebenden möglichen Fragestellungen mit
Textstellen!

I.
Owê war sint verswunden alliu mîniu jâr!
ist mir mîn leben getroumet oder ist ez wâr?
daz ich ie wânde ez waere was daz alles iht?
dar nâach hân ich geslâfen und enweiz es niht.
nu bin ich erwachet, und ist mir unbekant
daz mir hie vor was kündic als mîn ander hant.
liut unde lant, dar inn ich von kinde bin erzogen,
die sint mir worden frömde reht als ez sî gelogen.
die mîne gespilen wâren, die sint traege und alt.
bereitet ist daz velt, verhouwen ist der walt:
wan daz daz wazzer fliuzet als ez wîlent flôz,
für wâr mîn ungelücke wânde ich wurde grôz.
mich grüezet maneger trâge, dermich bekande ê wol..
diu welt ist allenthalben ungenâden vol.
als ich gedenke an manegen wünneclîchen tac,
die mir sint enpfallen als in daz mer ein slac,

161
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

iemer mêre owê


35. Wie charakterisierte Peter Wapnewski die Vorzüge sowie die
inhaltliche Wende in den Werken des Dichters Walther von der
Vogelweide?
36. Wie und in welchem Werk überträgt Wernher der Gartenaere die
Themen der Minnelyrik auf die bäuerliche Welt?
37. Zeigen Sie zugleich auch Aspekte des Verfalls des Rittertums im
Werk desselben Autors!
38. Wie treten bürgerliche und volkstümliche Wertvorstellungen und
Verhaltensweisen im ausgehenden Mittelalter literarisch zum
Vorschein? Welche Autoren erweisen sich als Vertreter der neuen
Ausrichtung?
39. Versuchen Sie die Hauptentwicklungslinien der literarischen
Produktion in Deutschland in der Zeit des Mittelalters zu skizzieren!
Berücksichtigen Sie dabei die in vorliegender Anthologie gelegten
Meilensteine anhand der darin enthaltenen Originaltexte!
40. Welche möglichen inhaltlichen und wertemäßigen
Querverbindungen können Sie zu unserer Gegenwart im 21. Jh.
herstellen? Welche Ähnlichkeiten bzw. Unterschiede fallen Ihnen
dabei auf?

162
Anhang - Anexe

Worterläuterungen
(für die mit * ~ gekennzeichneten Wörter und Ausdrücke)

ausziehen – 1. a pleca la drum; 2. a dezbrăca


die Mär(e) (e), -en – 1. ştire, veste, zvon, ştire mincinoasă; 2. legendă, basm,
poveste, istorie
Dietrich – Dietrich von Bern, d.h. Theoderich, Ostgotenkönig, Begründer des
Ostgotenreiches
Fabel (e), -n – 1. fabulă, poveste (cu animale); 2. basm; 3. invenţie, născocire,
minciună; 4. fabulaţie, subiect (al unei opere literare)
entfahr – entfliehe!
Eschenschaft – Eschenholz, aus dem meist die Speere angefertigt wurden
etwas fahren lassen – a renuţa la ceva
Frija – Göttin der Liebe
Ger – Speer (lance)
Geschlecht (s), -s, -er – 1. sex; 2. gen, neam; 3. (poet.) familie, neam, spiţă,
stirpe; 4. generaţie; 5. (gram.) gen; 6. (reg.) turmă, stână
Haft – Bande (legături)
Heilsgeschichte – 1. (rel.) istoria mântuirii (sufletului prin graţia divină); 2. viaţa
Mântuitorului
Herberge (e), – n – 1. adăpost, azil; 2. gazdă, han, ospătărie; 3. casă de adăpost
pentru turişti, cabană
hinter etwas kommen – a dezlega o taină, a înţelege ceva
Hochgestimmtsein (s) – predestinţia pentru fapte, opere mari

163
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

hoffärtig – übetrieben stolz, verletzend hochmütig / arogant, exagerat de


mândru
ichbesessen, vom eigenen Ich besessen – a fi obsedat de propriul eu, egocentric
Idise – Walküre, nach der nordischen Heldensage Begleiterin des Göttervaters
Wodan; sie hilft den Helden im Kampf und geleitet die Gefallenen zum
Göttersitz Walhalla
in den Hintergund treten – a trece în plan secund
in Hülle und Fülle – din abundenţă
Jüngstes Gericht = Weltgericht am Jüngsten Tag; Jüngster Tag = der letzte Tag
der Welt nach christlicher Auffassung – Judecata de Apoi
Kammerzofe (e), -n – cameristă, subretă
Knappe (r), -n, -n – 1. scutier; 2. miner, ortac; 3. calfă de morar
Läuterung (e), -n – 1. curăţire, limpezire; 2. purificare, îndreptare
Lehnsmann (r), -s, -leute – arendaş (jmd., der vom Lehnsherrn ein Gut zu Lehen
bekommen hat)
maßhaltenkönnen (s) – a fi capabil de a păstra măsura
Maure (r), -n, -n – maur [a nu se confunda cu Maurer – zidar, constructor!]
Missetat (e), -en – faptă rea, nelegiuire, crimă
Oblate (r), -n, -n – 1. persoană destinată călugăririi; 2. novice, frate
Otacher – Otocker, Odoaker, germanischer Söldnerführer in römischem Dienst, der
467 Rom einnahm, später aber vom Ostgotenkönig Theodorich bei Ravenna
besiegt wurde
Selbstzucht (e) – autodisciplină
sich auf den Weg machen – a o poni la drum
Sinthgunt – Göttin der Sonne
Spielmannsdichtung = Dichtung der fahrenden Spielleute (= Musikanten) –
literatura menestrelilor
Sprachwerdung – întruparea în cuvinte, exprimarea în cuvinte
Spruch, ¨-e – 1. maximă, sentinţă, aforism, zicală; 2. (jur.) sentinţă, hotărâre,
verdict; 3. (lit.) poezie sau strofă gnomică din literatura germană medievală;
verset (din Biblie)
164
Anhang - Anexe

tonangebend – care dă tonul; den Ton angeben – a da tonul


tradieren, -te, -t – a transmite în timp, de-a lungul vremii
Truchseß (r), (Truchsessen, Truchsesses), (Truchsessen) – stolnic
um ihrer selbst willen – doar de dragul ei
um um Kriemhildes Hand zu bitten – ca să ceară mâna Kriemhildei [um zu
bitten – ca să ceară; um etwas bitten – a cere, a solicita ceva]
Unzeitgemäßheit (e), -n – inactualitate, nepotrivire cu timpul, cu epoca
v. Chr. – vor Christi, înainte de Hristos ; n. Chr. – nach Christi, după Hristos
Vol / Fol – Balder, Baldur oder Baldr, der Lichtgott
Volla / Folla – Göttin der Fruchtbarkeit
Walküre (e),-n – (mitol.) valkirie
Wendelmeer – westliches Mittelmeer, nach den Wandalen, die es im 5. Und 6.
Jahrhundert befuhren (s Mittelmeer = Marea Mediterană)
Wotan – Wodan, der Göttervater

165
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

Kleines deutsch-rumänisches Wörterbuch


(zur vorliegenden Anthologie)

Abenteuer (s), -s, – – aventură


allmählich (adj.) – treptat
Auffassung (e), -, -en – concepţie, interpretare
begehren, -te, -t (vt.) – a cere, a dori; ~ nach (vi) – a rîvni, a dori
belagern, -te, -t (vt.) – a asedia
Barmherzigkeit (e), -en – milostenie, îndurare
Begriff (r), – (e)s, -e – noţiune, termen
beschwören (vt.), -te, -t – a implora, a conjura
Beständigkeit (e), -, – statornicie
bestehen, bestand, bestanden (vi.) – a se compune din, a consta în
bewahren, -te, -t (vt.) – a păstra
blutsverwandt (adj.) – înrudit, rudă de sânge
bruchstückhaft (adj.) – fragmentar
Burg (e), -, -en – cetate
Bürger (r), -s, – cetăţean, burghez
Derb (adj.) – 1. solid, compact, tare; 2. straşnic, zdravăn, aspru; 3.
grosolan, brutal, dur
Dienstmann (r), -(e)s, -¨er – servitor
Durchsetzen, sich ~ (vt.vr.) – a impune, a se ~

166
Anhang - Anexe

edel (adj.) – nobil


Ehre (e), -, – cinste, onoare
einzeln (adj.) – izolat, în parte
entwickeln, -te, -t (vt.) – a dezvolta
erben, -te, -t (vt.) – a moşteni
Ereignis (s), -ses, -se – eveniment, întâmplare
Erniedrigung (e), -, en – înjosire
erwerben, erwarb, erworben (vt.) – a dobândi, a câştiga
Erziehung (e), -, -en – educaţie, instrucţie
ewig (adj.) – veşnic, etern
fesseln, -te, -t (vt.) – a lega
freiwillig (adj.) – de bună voie, benevol
fromm (adj.) – evlavios, credincios
Fürstentum (s), – (e)s, -¨er – principat
Gebet (s), -(e)s, -e – rugăciune
Gebiet (s), -(e)s, -e – 1. teritoriu, regiune; 2. Domeniu (de activitate)
Gebrechen (s), -s, – – 1. infirmitate, boală; 2. cusur, defect
Gefolgsleute (pl.) – membrii unei suite
Gegensatz (r), -es, -¨e – contrast, opoziţie
Geisel (r), -, -n – ostatic
geistlich (adj.) – clerical, bisericesc
geläufig (adj.) – obişnuit, uzual
Gewand (s), -(e)s, -¨er – veşmânt
Grundlagen legen – a pune bazele
Gott (r), -es, -¨er – Dumnezeu, zeu
Grundlage (e), -, -n – bază, temelie, fundament
Handlung (e), -, -en – acţiune
Handschrift (e), -, -en – manuscris, scriere
Heer (s), -es, -e – armată
167
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

heidnisch (adj.) – păgân


heilen, -te, -t (vt.) – a vindeca
heilig (adj.) – sfânt
Heilung (e), -, en – vindecare, însănătoşire
heischen, -te, -t (vt.) – a cere, a pretinde, a ruga stăruitor
Held (r), -en, -en – erou
Helm (r), -(e)s, -e – coif, cască
hemmen, -te, -t (vt.) – a împiedica, a timora
Herzog (r), -s, -¨e – duce
höfisch (adj.) – de curte, curtenesc
Hort (r), -(e)s, -e – comoară, tezaur
Kampf (r), -(e)s, -¨e, – luptă
Kemenate (e), -, -n – cameră (a unei doamne în evul mediu)
Kreuzzug (r), -(e)s, -e, – cruciadă
kühn (adj.) – viteaz, îndrăzneţ, cutezător
Kummer (r), -s, – necaz, supărare
Laut (r), -(e)s, -e – sunet
Lebensweise (e), -, -n – mod de viaţă
Leibeigener (r), -n, -n – şerb, iobag
Leichnam (r), -(e)s, -e – cadavru
Macht (e), -, -¨e – putere
Maß (s), -es, -e – măsură
Milde (e), -, – blândeţe, îngăduinţă
Ministeriale (r), -n, -n – nobil angajat în serviciul regelui în evul mediu
Minne (e), -, – dragoste (cavalerească)
Mittelalter (s), -s – Evul Mediu
Mundart (e), -, -en – dialect
Mut (e), -, – curaj
Oberhaupt (s), -(e)s, ¨-e – stăpân, conducător, şef (de stat)
168
Anhang - Anexe

Opfer (s), -s, – – victimă


prägen (vt.vr.) -te, -t – a (fi) caracteriza(t)
Prunk (r), -(e)s, – pompă, fast
rächen, -te, -t (vr.) – a se răzbuna
Rat (r), -(e)s, pl. Ratschläge – sfat
Recke (r), -en, -en – viteaz
reichhaltig (adj.) – bogat, îmbelşugat
Ritter (r), -s, – – cavaler
ritterlich (adj.) – cavaleresc
Ritterorden (r), -s, -, – ordin cavaleresc
Rittertum (s), -s, – casta cavalerilor
Rüstung (e), -, -en – armură
Sage (e), -, -en – legendă
Schicksal (s), -s, -e – soartă, destin
Schild (r), -(e)s, -er – scut
Schlacht (e), -, en – bătălie
Schöpfung (e), -, -en – creaţie
Schwert (s), -(e)s, -er – spadă, sabie
seelisch (adj.) – sufletesc
Segen (r), -s, -, – binecuvântare
Sieg (r), -(e)s, -e – victorie
sinnlich (adj) – senzorial, senzual
Sippe (e), -, -en – neam, trib, ginte
Sitte (e), -, -n – obicei, datină
Spruch (r), -(e)s, -¨e – maximă, zicală, descântec (Zauberspruch)
Stabreim (r), -(e)s, -e – aliteraţie
Stamm (r), -(e)s, ¨-e – 1. trunchi, tulpină; 2. neam, trib, seminţie; 3.
radical etc.
Stimmung (e), -, en – dispoziţie, stare de spirit
169
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

Tafelrunde (e), -, -n – masă rotundă


Tapferkeit (e), -, – vitejie
Tarnkappe (e), -, -n – glugă fermecată (care te face invizibil)
Treue (e), -, – fidelitate, credinţă
Tugend (e), -, -en – virtute
überliefern, -te, -t – a transmite
übersichtlich (adj.) – clar, sistematic
umgeben, umgab, umgeben (vt.) – a fi înconjurat
Unheil (s), -(e)s – nenorocire, dezastru
unmittelbar (adj.) – nemijlocit
Untergang (r), -(e)s – apus, decădere
urwüchsig – nativ, primitiv, natural, simplu, naiv
verbannen, -te, -t (vt.) – a exila
Verfall (r), -(e)s – decădere, ruinare, prăbuşire
Verfassung (e), -, -en – 1. condiţie; 2. constituţie
Verkehrssprache (e) – limba uzuală de comunicare
Verlauf (r), -(e)s, -¨e – curs, decurs, desfăşurare
Versatzstück (s), -(e)a, -e – 1. amanet, obiect amanetat; 2. (teatru)
piesă de décor mobil, flanc mobil
verstauchen, -te, -t (vr.) – a-şi scrânti, luxa…
Völkerwanderung (e), -, -en – migraţia popoarelor
volkssprachlich (adj.) – în limbaj popular
Vorfahr (r), -en, -en – strămoş
vorgeschichtlich (adj.) – preistoric
Waffenmeister (r), -s, -, – maestru de arme
Weltabgeschieden (adj.) – izolat de lume
Weltuntergang (r), -(e)s, -¨e – sfârşitul lumii
werben, warb, geworben (vi) – a face curte, a peţi
Werden (s), -s – devenire
170
Anhang - Anexe

Wesen (s), -s, -, – existenţă, esenţă, fiinţă


Wirkung (e), -, en – efect
Zauber (r), -s, – – vrajă
Zeugnis (s), -ses, -se, – mărturie, dovadă
ziemen, -te, -t (vr.) – a se cuveni, a se cădea
Zofe (e), -, -n – fată în casă
Zucht (e), -, – cultivare (a spiritului); ordine severă

Erläuterung der rumänischen Abkürzungen:


adj. = adjectiv (Adjektiv)
pl. = plual (Plural)
vi. = verb intranzitiv (Intransitivverb)
vr. = verb reflexiv (Reflexivverb)
vt. = verb tranzitiv (Transitivverb)

171
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

Bibliographische und Quellennachweise

1. Berceanu, Maria, Geschichte der altdeutschen Literatur und


Zivilisation. Ediţia a II-a. Pentru uzul studenţilor. Universitatea
din Timişoara, 1984
2. Bertau, K., Deutsche Literatur im europäischen Mittelalter,
München 1972-73 (2 Bände)
3. Bogdan Boeriu, Prefaţă / Vorwort zu: Meister Eckhart, Cartea
mângâierii dumnezeieşti. Traducere şi prefaţă de B.B., Botoşani
1995
4. Bumke, J., Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im
hohen Mittelalter, München 1986 (2 Bände)
5. Cormeau, C. (Hg.), Deutsche Literatur im Mittelalter. Kontakte
und Perspektiven, Stuttgart 1979
6. Curschmann, M. / Glier, I. (Hgg.) Deutsche Dichtung des
Mittelalters, München 1980 (2 Bände)
7. Curtius, Ernst Robert, Europäische Literatur und lateinisches
Mittelalter, Bern 1948
8. De Boor, H. / Newald, R., Geschichte der deutschen Literatur,
Bd. 1, 2, 3/1, München 1964-1966
9. Deutsche Literaturgeschichte. Von den Anfängen bis zur
Gegenwart. Dritte, überarbeitete auflage. Mit 400
Abbildungen. Von Wolfgang Beutin, Klaus Ehlert, Wolfgang
Emmerich, Helmut Hoffacker, Bernd Lutz, Volker Meid, Ralf
Schnell, Peter Stein und Inge Stephan. J.B. Metzlersche
Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 1989, S. 1-50
10. Dumitrescu-Buşulenga, Zoe, Renaşterea, umanismul şi destinul
artelor, Bucureşti 1975

172
Anhang - Anexe

11. Ehrismann, G., Geschichte der deutschen Literatur bis zum


Ausgang des Mittelalters, München 1966
12. Geerds, J., Deutsche Literaturgeschichte in einem Band, Berlin
1966
13. Glaser, H.A. (Hg.), Deutsche Literatur. Eine Sozialgeschichte,
Reinbek bei Hamburg 1991 (Band 1 und 2)
14. Hahn, G. / Ragotzky, H. (Hgg.), Grundlagen des Verstehens
mittelalterlicher Literatur, Stuttgart 1992
15. Hauptwerke der deutschen Literatur. Bd. 1: Von den Anfängen
bis zur Romantik. Einzeldarstellungen und Interpretationen,
München 1994
16. Heinzle, J. (Hg.), Modernes Mittelalter, Frankfurt / Leipzig
1994
17. Isbăşescu, Mihai, Istoria literaturii germane, Bucureşti 1968
18. Jackson, W. T. A., The Literature of the Middle Ages, New
York 1960
19. Killy, W. (Hg.), Deutsche Autoren. Vom Mittelalter bis zur
Gegenwart. Bertelsmann Lexikon, München 1994 (5 Bände)
20. Kuhn, H., Dichtung und Welt im Mittelalter, Stuttgart 1969
21. Langosch, K. (Hg.), Überlieferungsgeschichte der
mittelalterlichen Literatur, Zürich 1964
22. Lexikon des Mittelalters, München / Zürich 1980-1993 (6
Bände)
23. Marschang, Eva, Geschichte der altdeutschen Literatur,
Universitatea din Timişoara 1969
24. Martini, F., Deutsche Literaturgeschichte, Stuttgart 1972
25. Oţetea, Andrei, Renaşterea şi Reforma, Bucureşti 1968
26. Ricklefs, U. (Hg.), Fischer Lexikon Literatur. Frankfurt am
Main 1996, Bd. 2, S. 1252-1286
27. Ruh, K. (Hg.), Die deutsche Literatur des Mittelalters.
Verfasserlexikon. Berlin / New York 1978-1992 (8 Bände)
28. Schweikle, G., Minnesang, Stuttgart 1988
29. Walz, H., Die deutsche Literatur im Mittelalter, München 1976

173
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

30. Wapnewski, Peter (Hg.), Mittelalter-Rezeption, Stuttgart 1986


31. Wehrli, Mnfred, Literatur im deutschen Mittelalter. Eine
poetologische Einführung, Stuttgart 1984

Rumänische Ausgaben von literarischen Texten in Auswahl:

1. Auswahl literarischer Texte für die IX. Klasse, Staatsverlag für


didaktische und pädagogische Literatur, Bukarest 1961, S. 3-55
2. Auswahl literarischer Texte für die IX. Klasse. Hgg. v.
Dorothea Götz, Michael Markel, Hans Müller, Editura
didactică şi pedagogică, Bucureşti 1978, S. 3-56
3. Auswahl literarischer Texte für die XI. Klasse. Hgg. v. Georg
Aescht, Dorothea Götz, Michael Markel, Editura didactică şi
pedagogică, Bucureşti 1981, S. 3-37
4. Deutsche Literatur. Textauswahl für die VIII. Klasse. 1. Band,
Staatsverlag für didaktische und pädagogische Literatur,
Bukarest 1954, S. 3-48
5. Livescu, Jean, Textsammlung zur deutschen Sprach- und
Literaturgeschichte, Bukarest 1962 (2 Bände)

174
Anhang - Anexe

I n h a l t:

Einleitende Bemerkungen ................................................................... 5

Das frühe Mittelalter (750-1170)...................................................... 9


Sprachgeschichtliche Grundlagen der "deutschen Sprache".......... 9
Zum Begriff "deutsch" ................................................................. 10
Die althochdeutsche Dichtung ..................................................... 11
Die Zaubersprüche: Der Wurmsegen; Die Merseburger
Zaubersprüche ........................................................................ 13
Die Heldendichtung: Das Hildebrandslied .................................. 15
Übersetzungsliteratur, Glossare, althochdeutsche Schriften ........ 20
Die geistlichen Dichtungen: Das Wessobrunner Gebet;
Muspilli ................................................................................... 20

Das Hochmittelalter (1170-1270).................................................... 24


Zum Begriff "höfisch".................................................................. 24
Die höfische Epik und Lyrik ........................................................ 26
Das Nibelungenlied...................................................................... 26
Wolfram von Eschenbach: Parzival............................................. 59
Gottfried von Straßburg: Tristan.................................................. 81
Der Minnesang ............................................................................. 99
Der frühe Minnesang.................................................................... 99
Der Kürenberger......................................................................... 100
Heinrich von Morungen ............................................................. 102
Reinmar von Hagenau................................................................ 103

175
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

Hartmann von Aue ..................................................................... 104


Walther von der Vogelweide...................................................... 105
Neidhard von Reuenthal ............................................................. 118

Das Spätmittelalter (1270-1500) .................................................. 122


Wernher der Gartenaere – Meier Helmbrecht ............................ 122

A n h a n g....................................................................................... 139

Deutsche Literaturgeschichte im Überblick. 1. Teil: Anfänge


und Mittelalter ............................................................................ 139
Zeittafel (750-1500)......................................................................... 153
Fragen für die Selbstevaluation ....................................................... 158
Worterläuterungen (für die mit * ~ gekennzeichneten Wörter
und Ausdrücke) .......................................................................... 163
Kleines deutsch-rumänisches Wörterbuch ...................................... 166
Bibliographische und Quellennachweise......................................... 172
Inhalt................................................................................................ 175

176
Anhang - Anexe

TEXTE AUS DER BUKOWINA


«Es war eine Gegend, in der Menschen und Bücher lebten» Paul Celan

Moses Rosenkranz Blaueule Leid


Kindheit – Fragment einer Autobiogra- Gedichte aus der Bukowina
phie (Texte aus der Bukowina, Bd. 10)
(Texte aus der Bukowina, Bd. 9) 100 S., geb., 2001
Hg. v. George Guţu ISBN 3-89086-806-1 DM 35,–
256 S., geb., 2001 Der Band enthält Gedichte von P.
ISBN 3-89086-758-8 DM 48,– Celan, R. Ausländer, K. Blum, A.
Kittner, M. Rosenkranz, A. Gong,
Der Autor, geb. 1904 in Berhometh am A. Margul-Sperber, S. Meerbaum-
Pruth, lebte bis 1930 vorwiegend in der Eisinger, I. Weißglas und I. Manger.
Bukowina, dann in Bukarest. 1941 bis
1944 war er in Arbeitslagern der rumäni- Alfred Margul-Sperber
schen Faschisten interniert; 1947, ver- Sinnloser Sang
schleppt nach Rußland, verschwand er Ausgewählte Gedichte
für 10 Jahre im Gulag. 1961, wieder poli- (Texte aus der Bukowina, Bd. 8)
tisch verfolgt, mußte er aus Rumänien 96 S., fadengeh., 2001
fliehen und kam nach Deutschland. ISBN 3-89086-765-0 DM 34,–
Der Autor wurde 1898 in Storoshi-
Die Kindheit bis zum 1. Weltkrieg er- netz (Bukowina) geboren und starb
lebte Moses Rosenkranz in den Dörfern 1967 in Bukarest.
zwi- schen Pruth und Czeremosch in
einer kinderreichen Bauernfamilie. Dann Heinrich-Böll-Stiftung (Berlin)
«Czernowitz is gewen an alte,
folgten Flucht, der Tod des Vaters, völ-
jidische Schtot …»
lige Verarmung; danach Wanderjahre auf Jüdische Überlebende berichten
Arbeitssuche. Eine Projektarbeit von Kol Čern,
’96.
Die ersten fünfzehn Jahre dieses Lebens, Gaby Coldewey, Anja Fiedler,
das noch viele Katastrophen unseres Melinda Filep, Stefan Gehrke, Axel
Jahrhunderts durchlaufen sollte, schildert Halling, Eliza Johnson,
der Dichter im vorliegenden Buch nach- Nils Kreimeier, Gertrud Ranner
denklich und direkt, in epischer Breite, (Texte aus der Bukowina, Bd. 11)
mit poetischer Wucht und Bildhaftigkeit. ca. 160 S., brosch., 3. Auflage 2001
Damit erreicht er selber in hohem Maße, ISBN 3-89086-776-6 DM 38,–
was ihn in manchen Dichtungen anderer
beeindruckt: «die genaue Unterkunft der
Realität in der Phantasie».
Rimbaud Verlagsgesellschaft mbH
Postfach 86 · D-52001 Aachen
Oppenhoffallee 20 · D-52066 Aachen
Telefon +49-241-542532 · Fax

177
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)
514117
www.rimbaud.de

178
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

GGR-BEITRÄGE ZUR
GERMANISTIK
Herausgegeben von George Guţu

Lieselotte Pătruţ
"Es ist an der Zeit, eine landesweite Fachreihe "Nu credeam să-nvăţ a muri vrodată." Frie-
drich Hölderlin şi Mihai Eminescu
Germanistik zu starten, die wir 'GGR-Beiträge (Studiu de literatură comparată)
zur Germanistik' nennen möchten. Angedeutet (Bd. 4)
wird damit, daß die Reihe allen in Rumänien 234 S., Editura Paideia, Bucureşti 1998
lebenden oder aus Rumänien stammenden Ger- ISBN 973-9368-41-7
manisten, zugleich auch unseren ausländischen
KollegInnen zur Verfügung steht. Auslandsger- Cornelia Cujbă
manistisch besonders relevante Aspekte des Daf- Influenţa germană asupra vocabularului
Unterrichts, der Interkulturalität, der Imagolo- limbii române literare contemporane
gie, der Rezeptionsgeschichte und -ästhetik sowie (Bd. 5)
der linguistischen Forschung und der Lan- 270 S., Editura Paideia, Bucureşti 1999
deskunde werden dabei Berücksichtigung fin- ISBN 3-89086-776-6 DM 38,–
den.."
(George Guţu) Ştefan Alexe
Wissenschaftliche Arbeit im Internet. Ein
Handbuch für Germanisten
Beiträge zur Geschichte der Germanistik in
Rumänien (I) (Bd. 6)
(Bd. 1) 132 S., Editura Paideia, Bucureşti 2000
Hgg. v. George Guţu und Speranţa ISBN
Stănescu
319 S., Charme-Scott, Bucureşti 1977 Gheorghe Nicolaescu
Georg Büchner und die metaliterarische
ISBN 973-96538-10 Reflexion
(Bd. 7)
Wehn vom Schwarzen Meer… Literaturwis-
senschaftliche Aufsätze
215 S., Editura Paideia, Bucureşti 2001
(Bd. 2) ISBN 973-8064-85-6
Hg. v. George Guţu
Mihaela Zaharia
324 S., Editura Paideia, Bucureşti 1998 Die andere Wirklichkeit: Phantastik in der
ISBN 973-9368-08-5 verfilmten deutschsprachigen Literatur
(Bd. 8)
Die Sprache ist das Haus des Seins. 210 S, Editura Paideia, Bucure;ti 2001
Sprachwissenschaftliche Aufsätze
ISBN 973-8064-85-7
(Bd. 3)
Hgg. v. George Guţu und Speranţa
Stănescu. Unter Mitarbeit von
Doina Sandu
348 S., Editura Paideia, Bucureşti 1998 Herausgegeben von der
ISBN 973-9368-09-3 Gesellschaft der Germanisten
Rumäniens (GGR)

178
Anhang - Anexe

LESEN UND ABONNIEREN SIE


DIE
Zeitschrift der Germanisten Rumäniens
HERAUSGEGEBEN VON DER
“GESELLSCHAFT DER GERMANISTEN RUMÄ-
NIENS”
Schriftleiter: George Guţu

BISHER SIND ERSCHIENEN:


HEFT 1, 1992
HEFT 2, 1992
HEFT 1-2 (3-4), 1993
HEFT 1-2 (5-6), 1994
HEFT 1-2 (7-8), 1995
HEFT 1-2 (9-10), 1996
- AB 1997 IN NEUEM FORMAT! -
HEFT 1-2 (11-12), 1997
HEFT 1-2 (13-14), 1998
HEFT 1-2 (15-16), 1999
HEFT 1-2 (17-18), 2000
HEFT 1-2 (19-20), 2001
*
AUF BESCHLUSS DES KOMITEES DER GGR ERSCHEINT AB 2002
DAS
JAHRBUCH DER GERMANISTEN RUMÄNIENS
ALS FACHORGAN DER GGR

HERAUSGEBER:
GESELLSCHAFT DER GERMANISTEN RUMÄNIENS
DEUTSCHER AKADEMISCHER AUSTAUSCHDIENST

179
Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)

Societatea Germaniştilor din România (S.G.R.)


Gesellschaft der Germanisten Rumäniens (GGR)
http://www.canad.ro/ggr

Das Landeskomitee der GGR (Zusammensetzung)


Str. Pitar Moş 7 - 11,
Zweigstellen der GGR
RO-70151 Bukarest 1
Tel. + Fax.: 0040-1- 252.59.72 Aktivitäten der GGR seit 1990
Tel.: 0040-1-252.15.51; Hier finden Sie auch Angaben zu
0040-1-211.18.20 Goethe-Gesellschaft in Rumänien
Tätigkeit der DeutschlehrerInnen in Rumänien
E-mail: gutu@canad.ro DAAD-Lektorate in Rumänien
Österreich-Bibliotheken/ -Lektorate in Rumänien

Publizististische Tätigkeit
Hier finden Sie auch Angaben zu
Die Gesellschaft der Zeitschrift der Germanisten Rumäniens (ZGR)
GGR-Beiträge zur Germanistik
Germanisten Rumäniens Germanistik in Rumänien (Verzeichnis)
(GGR) wurde am 22. März
1990 gegründet; Aktuell: Protest der Germanistiklehrstuhlleiter
zu ihren Mitgliedern Mitteilungen unserer KollegInnen im Ausland
zählen DeutschlehrerInnen
Perspektiven: ZGR wird Jahrbuch
aus Hoch-, Mittel- und
Grundschulen in Rumänien Statut der GGR | Internationale Kontakte
und im Ausland. Über Geschichte und Gegenwart der GGR
Mitteilungen der GGR
Neue Vorhaben der GGR?! ***

Wollen Sie an unserer Das war das germanistische Ereignis des Jahres
2000:
wissenschaftlichen und V. Kongreß der GGR, Jassy (22.-25. 5.2000)
publizistischen Tätigkeit Neue Vorhaben der GGR:
teilnehmen? - Studienführer Deutsch in Rumänien
- Internationales literaturwissenschaftliches Symposion
Wenn Sie GermanistIn bzw. - Symposion und Ausstellung "Rose Ausländer"
DeutschlehrerIn sind – wollen --------------------
Sie Die Seite http://www.canad.ro/ggr wurde zuletzt Mitte
Mitglied der GGR werden? April 2001 aktualisiert. Sie wurde von der GGR kreiert und
ist mit freundlicher Unterstützung der Firma Canad Systems
srl Bukarest (E-mail: minea@canad.ro;
Bitte, schreiben Sie uns! http://www.canad.ro) abrufbar.

180
Anhang - Anexe

Procuraţi-vă în curând vol. al XV-lea Besorgen Sie sich demnächst


din seria de Bd. 15 der Reihe
OPERE ALESE AUSGEWÄHLTE WERKE
de Johann Wolfgang Goethe von Johann Wolfgang Goethe
în 18 volume! in 18 Bänden!
Vol. I: Poezii - 365 pagini Bd. I: Gedichte - 365 S.
Vol. II: Divanul occidental-răsăritean 350 p. Bd. II: Wets-östlicher Divan 350 S.
Vol. III: Teatru I - 399 p. Bd. III: Theater I - 399 S.
Vol. IV: Teatru II - 437 p. Bd. IV: Theater II - 437 S.
Vol. V: Teatru III - 500 p. Bd. V: Theater III - 500 S.
Vol. VI: Proză I - 486 p. Bd. VI: Prosa I - 486 S.
Vol. VII: Proză II - 470 p. Bd. VII: Prosa II - 470 S.
Vol. VIII: Proză III - 366 p. Bd. VIII: Prosa III - 366 S.
Vol. IX: Proză IV - 207 p. Bd. IX: Prosa IV - 207 S.
Vol. X: Studii de ştiinţe ale naturii - 300 p. Bd. X: Naturwiss. Aufsätze - 300 S.
Vol. XI: Despre Teoria culorilor. Anunţ şi Bd. XI: Zur Farbenlehre.
Tabel sinoptic - 387 p. Ankündigung und Zeittafel - 387 S.
Vol. XII: Materiale privind istoria Bd. XII: Materialien zur
Teoriei culorilor - 349 p. Geschichte der Farbenlehre - 349
Vol. XIII: Scrieri autobiografice I S.
(Poezie şi adevăr, I) - 524 p. Bd. XIII: Autobiographische
Vol. XIV: Scrieri autobiografice II Schriften I (DuW, I) - 524 S.
(Poezie şi adevăr, II) - 391 p. Bd.: XIV: Autobiographische
Vol. XV: Scrieri autobiografice III Schriften II (DuW, I) - 391 S.
(Campania în Franţa, Asediul Mainz-ului, Bd. XV: Autobiographische
Călătorie pe Rin) - 400 p. Schriften III - 400 S.
Vol. XVI: Scrieri autobiografice IV Bd. XVI: Autobiographische
(Călătorie în Italia, A doua şedere în Italia) - 500 Schriften IV - 500 p.
p. Bd. XVII: Maximen und
Vol. XVII: Maxime şi reflecţii / Studii Reflexionen - 400 S.
despre literatură şi artă - 400 p. Bd. XVIII: Briefwechsel. Eine
Vol. XVIII: Corespondenţă. - 400 p. Auswahl - 400 S.
Vol. al XV-lea cuprinde: Bd. XV enthält:
Scrieri autobiografice (III) Autobiographische Schriften (III)
● Campania din Franţa ● Campagne in Frankreich
● Asediul Mainzului ● Belagerung von Mainz
● Dintr-o călătorie pe Rin, Main şi ● Aus einer Reise am Rhein, Main
Neckar în anii 1814-1815 und Neckar 1814-1815
Coordonator: George Guţu. Leitung: George Guţu.
Colaborează: Carmen Iliescu, Gheorghe Mitarbeiter: Carmen Iliescu,
Nicolaescu, Sorin Toma şi Mihaela Gheorghe Nicolaescu, Sorin Toma
Zaharia und Mihaela Zaharia

Ediţie critică. Kritische Ausgabe.


Începută de Jean Livescu Begonnen von Jean Livescu
Reconcepută şi continuată de Neukonzeption und Fortsetzung
George Guţu et al. George Guţu et al.
În colaborare cu Jochen Golz (Weimar), In zus. mit Jochen Golz (Weimar),
Werner Keller (Köln), Werner Keller (Köln),

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Antologia literaturii germane - Anthologie der deutschen Literatur (1)
Herbert Zeman (Viena) Herbert Zeman (Viena)

Redactor: Janeta LUPU

Bun de tipar: 31.01.2002; Coli tipar: 11,5


Format: 16/61 x 86

Editura şi Tipografia Fundaţiei România de Mâine


Splaiul Independenţei, nr. 313, Bucureşti, Sector 6, O. P. 78
Telefon: 410 43 80; Fax. 411 33 84; www.SpiruHaret.ro

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Einleitende Bemerkungen
Mit vorliegendem Band beginnen wir die Herausgabe einer
Geschichte der deutschen Literatur, die prioritär didaktische Ziele
anvisiert. Der literaturgeschichtliche Prozeß soll anhand relevanter
Momente und ihrer bedeutendsten Autoren und Werke in seinem
kausalen und bedingenden Zusammenhang mit der geschichtlich-
politischen sowie geistig-kulturellen Entwicklung sichtbar gemacht
werden. Die einzelnen Bände, die sich als Textanthologien
verstehen, streben keinesfalls Vollständigkeit an, sondern bieten
exemplarische Texte der deutschen Literaturgeschichte in
chronologischer Reihenfolge sowie kurze Angaben zum größeren
historisch-kulturellen Zusammenhang. Dabei sind die Verfasser
darum bemüht gewesen, relevante Momente, Autoren und Werke
zu berücksichtigen, die zum bleibenden Bestand dieser äußerst
vielfältigen Literatur gehören. Chronologie und Auswahl
entsprechen den geltenden Gepflogenheiten der deutschen
Literaturgeschichtsschreibung und sollen die Lehrveranstaltungen
mit anschaulichem, konkretem Material ergänzen und vertiefen.
Die Anthologie ist in folgenden Abschnitten konzipiert:
Band 1: Ältere deutsche Literatur (750-1500)
Band 2: Humanismus. Reformation. Barock. Rokoko (1470-1700)
Band 3: Aufklärung. Sturm und Drang (1700-1790)
Band 4: Klassik. Romantik (1786-1830)
Band 5: Biedermeier. Junges Deutschland (1815-1850)
Band 6: Realismus (1850-1890)
Band 7: Moderne (Naturalismus. Literatur der Jahrhundertwende.
Expressionismus – 1880-1925)
Band 8: Magischer Realismus. Neue Sachlichkeit. Exilliteratur (1918-
1945)
Band 9: Deutsche Gegenwartsliteratur (I)
Band 10: Deutsche Gegenwartsliteratur (II)
Die einzelnen Teile enthalten die wichtigsten
literaturgeschichtlichen Angaben zur prozeßhaften Entwicklung
der literarischen Produktion im Laufe der Zeit, wobei der Blick
hauptsächlich auf die literarischen Erzeugnisse gerichtet ist und
gegelegentlich – wo dies für das Verständnis der jeweiligen Werke
unerlässlich ist –relevante und aussagekräftige Zusammenhänge
historischer oder sozialer und geistig-kultureller Natur in knappster
Form erläutert werden.
Im Anhang eines jeden Bandes werden zusammenhängende
Überblicksdarstellungen (hier S. 139-152) geboten, die die
literaturgeschichtlichen Informationen ergänzen und die
bedeutendsten Meilensteine der literarisch-kulturellen Entwicklung
noch einmal zusammenfassend sichtbar machen.
Den schnellen Überblick über die wichtigsten historischen
Umstände, die Autoren und Werke geprägt haben, ermöglicht eine
Zeittafel.
Vorliegende Anthologie ist als Arbeitsmaterial für
Studentinnen und Studenten der privaten Universität "Spiru
Haret", Fachrichtung Deutsch als Nebenfach, sowie für all
diejenigen gedacht, die sich für die Entwicklung der deutschen
Literatur in ihren grundlegenden und sie definierenden Momenten
interessieren. Zweck des vorliegenden Abrisses ist es also, die
Studierenden zur Vertiefung der literarischen Entwicklung und
Problematik anzuregen.
Die Texte können nicht nur im Literaturseminar, sondern
auch in den Lehrveranstaltungen des praktischen Kurses Deutsch
als Fremdsprache (Aufsatz-, Textinterpretations-, Referate- und

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Übersetzungsseminare) eingesetzt werden, um dadurch die
Sprachkenntnisse und die Ausdrucksfertigkeiten der Studierenden
zu optimieren.
Aus diesem Grunde sind die Texte durch gelegentliche
Hinweise auf Polysemantik oder durch notwendige Erläuterungen
(die jeweiligen Wörter sind durch *~ gekennzeichnet), z.T. auch
durch Übersetzungen ins Rumänische didaktisiert worden. In den
gleichen Zusammenhang gehören auch Fragen und Aufgaben, die
nach jedem Abschnitt eingebaut wurden und der Selbstevaluation
der Studierenden dienen. Insofern eignet sich vorliegende
Anthologie auch als Fernstudieneinheit.
Ein kleines Wörterbuchteil sowie bibliographische und
Quellenangaben schließen die Bände ab, die in zeitlich loser Folge
erscheinen.

George Guţu

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