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Michael Kohlhass, Heinrich von Kleist (1810) Deutsch LK

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I. Inhaltsangabe

Michael Kohlhaas steht im Mittelpunkt der gleichnamigen Novelle von Heinrich von Kleist
aus dem Jahr 1810. Der Pferdehändler wird Opfer eines Betrugs und bricht zu einem
grausamen Rachefeldzug auf, nachdem ihm der Rechtsweg verweigert wurde. Die
Handlung spielt im 16. Jahrhundert in Brandenburg und Sachsen.

Michael Kohlhaas lebt als ehrbarer und frommer Mann an der Havel in Brandenburg.
Eines Tages reist er mit mehreren Pferden nach Sachsen, um sie dort zu verkaufen. Auf
sächsischem Gebiet wird er von dem Burgvogt des Junkers Wenzel von Tronka
aufgehalten, der von ihm einen Passierschein verlangt. Kohlhaas verspricht, sich einen
solchen in Dresden zu besorgen. Als Pfand verlangt der Junker zwei Rappen, die
Kohlhaas in der Obhut eines treuen Knechtes zurücklässt.

In Dresden erfährt Kohlhaas, dass die Forderung des Junkers ein Akt der Willkür ohne
Rechtsgrundlage ist. Er verkauft seine Pferde und fordert auf dem Rückweg das Pfand
zurück. Zu seinem Entsetzen findet er die Rappen krank und bis auf die Knochen
abgemagert vor. Man hatte diese nämlich zur schweren Feldarbeit eingesetzt, nachdem
der Knecht misshandelt und verjagt wurde. Kohlhaas überlässt die jetzt wertlosen Tiere
dem Junker.

Vor dem zuständigen Gericht in Dresden erhebt Kohlhaas Klage gegen den Junker
Wenzel von Tronka. Einflussreiche Verwandte des Beklagten erreichen jedoch, dass die
Klage abgewiesen wird. Deshalb ersucht Kohlhaas seinen Landesherrn, den Kurfürsten
von Brandenburg, ihm Recht zu verschaffen. Wieder macht sich der Junker
verwandtschaftliche Beziehungen zu den Beratern des Kurfürsten zunutze, und das
Anliegen des betrogenen Pferdehändlers wird auch in Berlin zurückgewiesen.

Kohlhaas setzt nun alle Hoffnung auf eine Bittschrift, die seine Frau Lisbeth dem
Kurfürsten von Brandenburg persönlich aushändigen will. Die Schlosswache greift Lisbeth

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jedoch vor der Übergabe an, sie wird schwer verletzt und stirbt wenig später an den
Folgen. Die Bittschrift erreicht den Kurfürsten nicht.
Nach dem Tod seiner geliebten Frau schwört Kohlhaas grausame Rache. Er verkauft all
seinen Besitz und zieht mit sieben Knechten schwer bewaffnet gegen den Junker zu
Felde. Tronkas Schloss wird niedergebrannt und viele Bewohner werden getötet. Dem
Junker selbst gelingt die Flucht in das Damenstift Erlabrunn, dem die Äbtissin Antonia von
Tronka, seine Tante, vorsteht.
Kohlhaas verfasst ein Mandat, in dem er jeden Bürger Sachsens unter Androhung harter
Strafen auffordert, ihm den Junker auszuliefern. Er vergrößert sein Gefolge und reitet nach
Erlabrunn, wo er erfährt, dass der Junker nach Wittenberg weitergereist sei. Weitere
Mandate verschaffen ihm Zulauf von arbeitslosen Söldnern, und mit mehr als dreißig
Mann hinter sich verlangt Kohlhaas in Wittenberg die Herausgabe des Junkers. Als man
sich dort seinem Ansinnen verweigert, stecken Kohlhaas und seine Leute große Teile der
Stadt in Brand.
Um die Gefahr von Wittenberg abzuwenden, täuscht man vor, den Junker auf die
Pleißenburg in Leipzig zu bringen. Kohlhaas macht sich sofort auf den Weg dorthin. In
Sachsen werden eilig Truppen aufgeboten, die Kohlhaas aufhalten sollen, aber er schlägt
alle nieder, die sich ihm in den Weg stellen. In Leipzig angekommen, steckt er die Stadt an
drei Stellen in Brand, und nur ein plötzlicher Regen verhindert Schlimmes.

Der von Kohlhaas verehrte Martin Luther wendet sich nun in einem öffentlichen Aufruf an
Kohlhaas, bezichtigt ihn des Unrechts und ermahnt ihn zur Gottesfurcht. Kohlhaas begibt
sich daraufhin verkleidet zu einer Unterredung mit Martin Luther. Dieser hört Kohlhaas an
und will sich beim sächsischen Kurfürsten für ihn einsetzen. Das Sakrament der Beichte
verweigert Luther ihm jedoch, weil Kohlhaas dem Junker nicht vergeben will.
Auf die Fürsprache von Luther hin und aus politischen Erwägungen wird Kohlhaas freies
Geleit in die Stadt Dresden zugesagt. Kohlhaas löst seine Truppen auf und begibt sich
nach Dresden, wo es schließlich zu einer Verhandlung gegen den Junker kommen soll.
Während Kohlhaas in Dresden weilt, setzen einige seiner ehemaligen Knechte unte
führung von Nagelschmidt das Brandschatzen und Morden in seinem Namen fort. Die
Stimmung im Volk schlägt zu seinen Ungunsten um. Auch die Vertrauten des Kurfürsten

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beginnen wieder gegen Kohlhaas zu intrigieren. Aus der ihm zugesagten Amnestie wird
Gefangenschaft in seinem eigenen Haus. In der Hoffnung dieser zu entkommen, lässt er
sich von der Obrigkeit in eine Falle locken. Er geht auf das scheinbare Angebot eines
brandschatzenden Knechts ein, ihm zur Flucht zu verhelfen. In der Folge wird Kohlhaas
zum Tode verurteilt.
Jetzt setzt sich der Kurfürst von Brandenburg als Kohlhaas‘ Landesherr für dessen
Überstellung nach Berlin und einen fairen Prozess ein. Auf Betreiben des sächsischen
Kurfürsten ist jedoch bereits eine Klage gegen Kohlhaas am kaiserlichen Hof in Wien
anhängig.
Der Kurfürst von Sachsen erfährt, dass Kohlhaas im Besitz eines Amuletts ist, das er zu
Beginn seines Rachefeldzugs von einer Zigeunerin erhalten hat. Diese Zigeunerin trägt
auf unerklärliche Weise Züge seiner verstorbenen Frau Lisbeth. Das Amulett enthält eine
Prophezeiung, die die Zukunft des sächsischen Kurfürstengeschlechts voraussagt.
Deshalb setzt der Kurfürst alles daran, die Weissagung in seine Hände zu bekommen; er
versucht sogar die Klage in Wien zurückzuziehen und Kohlhaas erneut unter seinen
Schutz zu stellen, was Kohlhaas jedoch ablehnt. Kohlhaas wird wegen
Landfriedensbruchs zum Tode verurteilt. Unmittelbar vor seiner Hinrichtung verschluckt
Kohlhaas das Stück Papier vor den Augen des Kurfürsten.
Als Kohlhaas hört, dass der Junker Wenzel von Tronka zu zwei Jahren Haft und zur
Wiederherstellung der Gesundheit der Rappen verurteilt worden ist, geht er ruhig in seinen
Tod und stirbt mit der Genugtuung, dass ihm am Ende Gerechtigkeit widerfahren ist.

Der Klassiker »Michael Kohlhaas« hat über den deutschen Sprachraum hinaus weite
Verbreitung gefunden. Wie häufig in seiner Dichtung greift Kleist auch in dieser Novelle ein
juristisches Thema auf. Dabei geht es um das Verhältnis des Individuums zur Obrigkeit,
das nur durch für alle verbindliche und einklagbare Gesetze gesichert werden kann.
Michael Kohlhaas sieht seine Rechte wiederholt und dauerhaft verletzt. Er folgt einer stark
empfundenen inneren Verpflichtung, gegen die Rechtskränkung vorzugehen. Selbstjustiz
und Gewalt erscheinen ihm als letzte, aber gerechtfertigte Mittel, die Ordnung
wiederherzustellen. Um der Gerechtigkeit willen beugt er sich schließlich sogar der
eigenen Verurteilung zum Tode.

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II. Der Fall / der Konflikt


→ Der Fall: Bewusste Gewalttätigkeit, Willkürhandlung, Unverschämtheit seitens des
Junkers Wenzel von Tronka, Kohlhaas fühlt sich verhöhnt
Junker nutzt seine Machtposition aus (Adel → Vetternwirtschaft)
→ Die Handlungsmöglichkeiten: gibt sich geschlagen, nimmt seine Rappen trotzdem
mit, hätte auch dann noch rechtlich gegen Junker vorgehen können, Klage einreichen,
direkte Rache organisieren
→ Handlungsmöglichkeiten: Flucht/ Umzug in ein anderes Land, Ungerechtigkeit
hinnehmen, Selbstjustiz => Ungerechtigkeit bleibt bestehen, Verhältnisse ändern sich nicht
→ Der Konflikt: Kohlhaas möchte Waage der Gerechtigkeit ausgleichen, aufgrund seines
gr0ßen Rechtsgefühls, jedoch wird ihn der Rechtsweg auf zwei Wegen verwehrt; Sein
Versuch Gerechtigkeit zu schaffen endet in Straftaten → er recht sich Willkürlich und reist
dabei viele unschuldige Menschen in den Tod. Es entsteht eine Rachsucht auf Seiten des
Kohlhaas, um sein Rechtsgefühl zu befriedigen und um sich selber und möglichen
Nachfolgern Gerechtigkeit einzuräumen.
(→ Kohlhaas Rechtsgefühl = Gespür eines Menschen für Recht und Gerechtigkeit, aber
auch das Gefühl eines Menschen, dass er gerecht und richtig handel. AMBIVALENT)

III. Stationen der Gewalt


→ Tronkenburg: Einäscherung der Burg; Tötet Schlossvogt, Verwalter, Frauen + Kinder,
zwingt seinen knecht in brennenden Schuppen, welcher kurz darauf zusammenbricht,
Lässt seine Rappen und den Knecht stehen, weil er keine Verwendung für die Rappen hat
→ Kloster Erlabrunn: Bereitschaft, das Stift anzuzünden, jedoch ist Junker schon weg
→ Wittenberg: Einäscherung der Stadt (3x), weil er der festen Überzeugung ist, dass
Junker sich in Wittenberg aufhält; Am Abend vor Pfingsten → Kein Respekt vor
Feiertagen; Vortäuschung das Junker weitergereist sei, um Gewalt von Wittenberg
abzuwenden
→ Leipzig: Kohlhaas steckt die Stadt an drei Stellen in Brand, nur ein Schauer kann
schlimmeres verhindern und den Brand stoppen
→ Das Ziel: Junker fassen (töten), Rache an Wenzel für die fehlende Wiedergutmachung
an seine Rappen und Gerechtigkeit für sich selbst

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IV. Kohlhaas` Rollenverständnis


→ Eigener Rechtsschluss „Kraft der mir angeborenen Macht“ - stellt sich auf gleiche
Ebene mit dem Landsherren, da ihm die Gerechtigkeit verwehrt wird
→ Sieht sich als Rächer des Volkes und der Betrogenen (will wieder Gerechtigkeit für sich
und andere herstellen)
→ „Kohlhaasisches Mandat“: „Gerechter Krieg“, Privatkrieg gegen Junker + Unterstützer
deswegen Einäscherung der Stationen der Gewalt!), Einseitiger Krieg
→ Mandat: Vorkämpfer für eine gerechte politische Ordnung
→ Außerdem: Rache als persönliches Motiv

V. Plakat: Luthers Vorwürfe an Kohlhaas


→ Vorwurf der Vermessenheit + „stockblinde Leidenschaft“ (Kohlhaas denkt er handle im
Recht und sieht daher nicht was er anrichtet)
→ Streitgegenstand: nichtiges Gut
→ Verweis auf Jüngstes Gericht → Sünder
→ Landesherr in Unkenntnis der rechtlichen Angelegenheit
→ Appell an Untertänigkeit eines jeden Bürgers
→ Luther versucht Kohlhaas mit seinem Aufruf seine schlimmen Taten vor Augen zu
führen
→ Er bezeichnet ihn als „vermessen“, „im Wahnsinn stockblind“und als „Ungerechtigkeit
selbst“ (S. 36/ 3-4)
→ Bezeichnet ihn als „Gottesvergessenen“ (S.46/ 22) – Er selbst sieht sich als ein von
Gott ausgesannter um gegen die Ungerechtigkeit und die Ungleichheit innerhalb der
Gesellschaft zu dieser Zeit zu sorgen (→ VETTERNWIRTSCHAFT)
→ Luther vertritt die Position Kohlhaas zu belehren und ihn somit von seinen Taten
abzuhalten
→ Kohlhaas: Mordlust ↔ „gerechter Krieg“ für eine „gute Sache“, Kampf für gerechte
Ordnung; nichtiger Streitgegenstand ↔ Es geht um Grundsätzliches (Rechtsgarantie für
jeden, gerechte Justiz); Landesherr in Unkenntnis der Sache ↔ Aufgabe des Landesherr
Vetternwirtschaft etc unterbinden, Recht auf legalem Weg sonst nicht möglich.
→ Gewalt = Mittel zum Zweck (→ Utilitarismus)

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VI. Legitimierung staatlicher Gewalt


→ Kohlhaas: „Verstoßen (…) nenne ich den, dem der Schutz der Gesetze versagt ist!
Denn dieses Schutzes zum Gedeihen eines friedlichen Gewerbes bedarf ich; ja er ist es,
dessen habe ich mich mit dem Kreis dessen, was ich erworben, in diese Gemeinschaft
flüchte; und wer ihn mir versagt, der stößt mich zu den Wilden der Einöde hinaus; er gibt
mir (…) die Keule, die mich selbst schützt, in die Hand.“

→ Luther: Landesherr untersteht nur Gott

Gottesgnadentum
Absolutismus
Herrscher

Legislative Exekutive Judikative

→ John Locke:Der Grund warum Menschen in die Gesellschaft eintreten, ist die
Erhaltung ihres Eigentums und das Ziel, um dessentwillen sie eine Legislative wählen und
ihr Autorität verleihen, ist, dass Gesetze und Vorschriften geschafft werden, um über das
eigentum der Gesellschaft zu wachen und zu schützen und die Macht und die Herrschaft
jedes Teils der Gesellschafts zu minimieren
Wenn der Staat seinen Aufgaben nicht nachkommt, versetzen sie sich gegenüber dem
Volk in einen Kriegszustand und das Widerstandsrecht ist geboten (→ Vgl. Michael
Kohlhaas)

→ Vergleich Locke und Kohlhaas: Beide sagen in etwa, dass eine Gesellschaft nur so
lange funktioniert, wie alle das gleiche Recht haben innerhalb eines Staates haben und für
jeden z.B. die gleiche Rechtsgarantie besteht

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VII. Charakterisierungen Michael Kohlhaas


In der thematisierten Novelle wird der Protagonist gleich zu Beginn als „einer der
rechtschaffensten zugleich und entsetzlichsten Menschen seiner Zeit“ beschrieben.
Dadurch wird bereits angedeutet, dass Michael Kohlhaas zu Extremen neigt und
charakterlich nicht einfach festzulegen ist.

Der 30jährige Pferdehändler aus dem heutigen Kohlhaasenbrück lebt „um die Mitte des
sechzehnten Jahrhunderts“ und wird als vorbildlich, ordentlich, pflichtbewusst, fleißig,
hilfsbereit, freundlich, gerecht, gläubig, als guter Vater und beliebter Mann, kurz, als
„Muster eines guten Staatsbürgers“ (S.1) vorgestellt.

Sein Verhalten in dem Konflikt um den angeblich benötigten Passschein (vgl. S. 66ff.)
lassen ebenfalls einige Schlussfolgerungen über Michael Kohlhaas´ Charakter zu: Er
behandelt den Burgvoigt freundlich, zeigt aber auch Selbstbewusstsein, indem er sich
nicht einfach alles gefallen lässt und daher verlangt, den Junker selbst zu sprechen. Im
Dialog mit dem Junker ist zu erkennen, dass der Pferdehändler kompromissbereit und
sogar teils nachgiebig ist, um unnötigen Streit zu verhindern. Das zeigt sich vor allem
darin, dass er einwilligt, die Pferde, die er ja eigentlich verkaufen wollte, als Pfand bei dem
Junker zu lassen.

Die Tatsache, dass Kohlhaas, als er merkt, dass der Junker ihn betrogen hat, „ohne irgend
weiter ein bitteres Gefühl“ (S.73) seine Pferde abholen möchte, verdeutlicht, dass er sehr
versöhnlich und nicht nachtragend ist. Die Reaktion auf den Zustand seiner Pferde betont
seine starke Fähigkeit zur Selbstbeherrschung und zur Kontrolle seiner Emotionen sowie
seine Bemühung, keinen Menschen vorschnell zu verurteilen. Diese
Unvoreingenommenheit macht sich auch in seinem Gespräch mit dem Knecht Herse
bemerkbar: Er fragt sehr genau nach, um zu prüfen, ob die Schuld wirklich bei dem Junker
liegt.

Andererseits ist Michael Kohlhaas auch stolz und nicht bereit, Ungerechtigkeit einfach
hinzunehmen. In seiner Klage gegen den Junker und seiner Forderung nach
Wiedergutmachung zeichnen sich große Entschlossenheit und Zielstrebigkeit ab (vgl. S.
91ff.)

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Seine Unterhaltung mit seiner Frau Lisbeth (vgl. S. 109 ff.) zeigt ihn als liebevollen, aber
auch willensstarken Ehemann. Er scheint seiner Frau sehr zu vertrauen, was daraus zu
schließen ist, dass er ihr erlaubt, an seiner Stelle nach Berlin zu reisen.

Dass der so gerechte und gutherzige Familienvater aber auch unbarmherzig und grausam
sein kann, belegt sein Verhalten als Brandstifter (vgl. S.120 ff.). Die Wut über die
ungerechte Behandlung durch die Behörden hat in dem sonst so friedfertigen
Pferdehändler offenbar einen großen Zerstörungsdrang verursacht. Es scheint, als sei
durch den Verlust seiner Frau gewissermaßen „ein Schalter umgelegt worden“ – Michael
Kohlhaas wirkt wie ausgewechselt.

Das Gespräch mit Martin Luther (S. 149 ff.) lässt erkennen, dass Kohlhaas großen
Respekt vor dem Reformator hat und ihm der christliche Glaube sehr wichtig ist.
Andererseits ist er nicht bereit, Luthers Forderung, auch dem Junker zu vergeben, zu
erfüllen. Davon ist abzuleiten, dass sich in Kohlhaas durch die lange Ungerechtigkeit der
Behörden und besonders durch den Tod seiner Frau eine große Bitterkeit entwickelt hat.

Dennoch ist seine Wut nicht völlig blind, sondern er ist noch immer kooperativ: Sobald ihm
die Amnestie und ein gerechter Prozess angeboten werden, gibt er die Brandstiftungen auf
und erklärt sich bereit zur Zusammenarbeit.

Die erneute Enttäuschung über die gebrochene Amnestie scheint die Gutherzigkeit
Kohlhaasens noch mehr zu verringern. Er empfindet Grausamkeit nicht mehr nur als Weg,
sich Recht zu verschaffen, sondern genießt es sogar, den Kurfürsten von Brandenburg zu
quälen, indem er ihm den geheimnisvollen Zettel um jeden Preis vorenthält. In diesem
Verhalten kommen starke Rachegelüste zum Ausdruck.

Die Zufriedenheit, die der Pferdehändler in seinen letzten Tagen ausstrahlt (vgl. S.283) ist
ein erneutes Indiz für einen starken Ehrgeiz und seine Entschlossenheit: Für sein Ziel, sich
Recht zu verschaffen, bezahlt er sogar bereitwillig den Preis des Todes. Sein Verhalten am
Tag der Hinrichtung weist auf Dankbarkeit und auch auf seine, zu Anfang der Novelle
beschriebene, Nächstenliebe hin – so bedenkt er noch kurz vor seinem Tod Herses Mutter
mit Geld. Dies mag eine Anlehnung an den Kreuzestod Jesu sein, der sich noch kurz vor
seiner Hinrichtung um seine Mutter und einen seiner Jünger kümmert.

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Im Gegensatz zu Jesus, der noch im Angesicht des Todes um Vergebung für seine Mörder
bittet, kommt in Kohlhaasens Verhalten jedoch erneut sein Drang nach Rache zum
Vorschein, indem er die Kapsel mit dem geheimnisvollen Zettel vor den Augen des
Kurfürsten von Brandenburg hinunterschluckt. Mit diesem Wunsch nach persönlichem
Triumph können sich aber vermutlich die meisten Leser identifizieren und so ist der
Eindruck, der von Kohlhaas am Ende der Novelle vermittelt wird, letztlich ein guter: Der
Pferdehändler hat zwar falsch gehandelt, indem er durch Brandstiftungen hunderten
Menschen Gewalt angetan hat und diese Straftat wird durch die Hinrichtung eindeutig
verurteilt. Dennoch werden das eigentliche Wesen und die Intention von Kohlhaas, gegen
die Willkür der Behörden anzugehen, durchweg positiv bewertet. Der zu Beginn fast schon
unwirklich vorbildlich erscheinende Kohlhaas wird nun dargestellt als authentischer
Mensch – ein Mensch, der Fehler begangen hat, der aber im Grunde doch stets das Gute
wollte.

VIII. Thematischer Vergleich Kohlhaas und die Gerechten

Kohlhaas Stepan Jennek


Motive für die Mittel zum Zweck; Hass durch Mittel zum Zweck
Gewalt Kritik an Gewalterfahrung; will (eigentlich gegen
Vetternwirtschaft; Gerechtigkeit für Gewalt); Möchte
Gerechtigkeit Russland ebenfalls
Gerechtigkeit
Ziele Gerechtigkeit in Systemveränderung Gewaltsamer
eigener Sache; Umsturz
Rache am Junker Revolution einleiten Sterben für
Revolution und
Gerechtigkeit
Persönliche Eigentlich negativ, im Zu allem bereit, sogar Bereit zu töten aber
Haltung Gewalt Verlauf negativ um Kinder zu töten keine Kinder
Das Ende Tod, wurde erhangen Gibt Bombe an Dora Tod, erhangen für
ab, welche sich für die
Stepans Tod rechen Sozialrevolutionäre
will → erneute
Schaffung von
Gerechtigkeit

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IX. Inhalt „Die Gerechten“


In einer Wohnung in Moskau treffen sich Annenkov, Stepan, Dora, Woinow und Kaljajev,
um das Attentat auf den Großfürsten Sergej zu planen. Kaljajev soll die erste Bombe
werfen. Stepan, der kürzlich aus dem Zuchthaus entlassen wurde, stößt als letzter zur
Gruppe hinzu.

Am Abend des darauffolgenden Tages soll das Attentat stattfinden; Dora und Annenkov
verfolgen das Geschehen aus der Wohnung mit. Doch Kaljajev schafft es nicht, die Bombe
zu werfen, da er sieht, dass mit dem Großfürsten dessen Neffen in der Kutsche sitzen.
Zurück in der Wohnung diskutiert die Gruppe, wie sie weiter vorgehen will. Nur Stepan hält
Kaljajevs Zögern für falsch, die anderen unterstützen ihn, da es ihrer Moral widerspricht,
Kinder zu töten.

Nach einem längeren Gespräch zwischen Dora und Kaljajev, aus dem unter anderem ihre
gegenseitige Anziehung klar wird, entscheidet sich Kaljajev zwei Tage später es zum
zweiten Mal zu versuchen, den Großfürsten zu ermorden und hat Erfolg. Er wird
festgenommen.

Im Gefängnis spricht Kaljajev mit Foka, einem anderen Häftling. Dieser ist gleichzeitig für
die Hängung der Gefangenen zuständig und bekommt für jede Hängung ein Jahr
Hafterlass. Darauf kommen der Vorsitzende des Polizeidepartements Skouratov und
später die Großfürstin, um mit ihm zu sprechen. Die Großfürstin will, dass er sich dazu
bekennt, einen Menschen ermordet zu haben, was Kaljajev nicht tut, da die Ermordung
des Großfürsten für ihn einen Akt der Gerechtigkeit darstellt. Skouratov schlägt ihm einen
Deal vor: er bleibe am Leben, wenn er seine Gefährten verrät. Auch darauf geht Kaljajev
nicht ein.

In einer neuen Wohnung rätseln die andern, ob Kaljajev sie verraten hat. Durch einen
Informanten erfahren sie, dass dem nicht so ist und Kaljajev gehängt wurde. Dora stellt
sich zur Verfügung, die nächste Bombe zu werfen, um damit Kaljayev zu rächen und
Gerechtigkeit zu erzielen oder - ebenso wie er - hingerichtet zu werden.

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X. Charakter des Terrorismus


→ Faszination der Gewalt und das Gefühl absoluter Macht
→ nicht nur eine Antwort auf politischen Mangel,tötet
→ Rechtfertigen ihre taten, indem sie moralische und politische Begründungen entwickeln
→ In Russland ein Symbol der Machtlosigkeit
→ Anschläge sollen regierung verunsichern und herausfordern
→ Antwort auf politischen Mangel

Kohlhaas Stepan Janek Kaljajew


→ Absolutsetzung → Gewalt um jeden → Bereit Großfürsten
eines Prinzips Preis um für für gerechtigkeit zu
→ erzeugt Gerechtigkeit zu töten, aber keine
Idee
Terror/Gewalt um sorgen Kinder
→ Gerechtigkeit
Gerechtigkeit → strebt nach Macht → Mittel zum Zweck,
zuerzeugen → radikaler eigentlich gegen
Revolutionär Gewalt

Kohlhaas tötet jeden, der sich seinem Ziel in den


Weg stellt, Jannek begrenzt die Gewalt auf das
eigentliche Problem
Beide wollen Gerechtigkeit erzeugen und werden
Aktiv.
Beide begründen ihre taten mit dem Utilitarismus
(Mittel zum Zweck)

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