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Einleitung Einleitung
• Adornos Formulierung ist bemerkenswert, da • Die Arbeiten von Axel Malik, von denen einige
sie Kunstwerken einen eigentümlichen zur Zeit in der Philologischen Bibliothek zu
Schriftcharakter zuschreibt. sehen sind, begreife ich als Werke, die den
• Adorno charakterisiert diesen Schriftcharakter Status von Kunstwerken als unlesbaren
auch, indem er von einem Menetekel spricht: Schriften reflektieren.
Kunstwerke konfrontieren mit Schriftzusam- • Das Hervorheben der Unlesbarkeit sagt
menhängen, die immer nur kurz aufblitzen. etwas über Kunst insgesamt: Letztlich können
• Das lässt sich folgendermaßen verstehen: Kunstwerke nicht entziffert werden.
Kunstwerke bleiben grundsätzlich unver- • Wir folgen Kunstwerken immer und immer wie-
ständlich. In kurzen Momenten aber kommt der und kommen doch zu keinem Endpunkt
es doch zu Erfahrungen des Verstehens. des Verstehens.
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Einleitung Einleitung
• In diesem Vortrag interessiert mich die Frage, I. Was ist Schrift? Wie ist das Verhältnis von
was es heißt, Kunstwerke als unlesbare
Schriften zu charakterisieren. gesprochener und geschriebener Sprache zu
verstehen?
• Aus diesem Grund frage ich zuerst danach,
was Schrift ist. II. Was heißt es, Kunstwerke als Schriften zu
• Dann kann ich mich der Frage widmen, was es begreifen?
heißt, mit dem Begriff der Schrift Kunst zu
bestimmen. Ich kann dann auch Adornos III. Welchen Wert hat künstlerische Schrift?
Worte genauer interpretieren.
IV. Unlesbare Zeichen als künstlerische
• Abschließend komme ich auf die Werke von Reflexion auf Kunst
Axel Malik zurück.
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I. Was ist Schrift?
• Ein solches Verständnis ist möglich, wenn man • Durch Schrift wird die gesprochene Sprache
Schrift als produktiv in Bezug auf gesproche- unter anderem normiert: Wenn die gespro-
ne Sprache begreift. chene Sprache verschriftlicht wird, werden
• Nun ist wiederum klar, dass Schrift nicht ein- unterschiedliche Formen des (variantenrei-
fach die gesprochene Sprache hervorbringt. chen) Sprechens zunehmend vereinheitlicht.
Sie ist also nicht ursprünglich produktiv, son- • Schrift erweist sich dabei als ein anderer Mo-
dern in einem sekundären Sinn. dus von Sprache. Sie hat in eigenständiger
• Eine Produktivität im sekundären Sinn haben Weise Bedeutung (vgl. formale Sprachen),
Reflexionen. Als Reflexion verstanden gilt für kann aber auch so eingerichtet sein, dass sie
Schrift: Schrift klärt gesprochene Sprache gesprochene Sprache in ihren Zusammenhän-
und entwickelt sie dadurch weiter. gen klärt und/oder weiterentwickelt.
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I. Was ist Schrift?
6. Zwischenstand
I. Was ist Schrift? Wie ist das Verhältnis von
• Ich schlage also vor, Schrift im buchstäblichen gesprochener und geschriebener Sprache zu
Sinn (alphabetische Schriften, Bilderschriften, verstehen?
formale Schriften etc.) als eine Form der
Sprache zu verstehen, die eigenständig ist, II. Was heißt es, Kunstwerke als Schriften zu
sich aber zugleich auf gesprochene Sprache begreifen?
beziehen kann.
• Das Verhältnis zwischen Schrift und gespro- III. Welchen Wert hat künstlerische Schrift?
chener Sprache lässt sich dann als eines der
Reflexion bestimmen: Schrift reflektiert Ge- IV. Unlesbare Zeichen als künstlerische
sprochenes, indem sie es in seinen Struktu- Reflexion auf Kunst
ren normiert und/oder verändert.
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1. Unplausibilität 2. Plausibilität
• Die Bestimmung von Kunstwerken als • Die Bestimmung von Kunstwerken als Schrift
Schrift ist gleichermaßen plausibel wie ist aber auch plausibel, da alle Kunstwerke
unplausibel. eine Lektüre erfordern.
• Im wörtlichen Sinn realisieren nur literarische • Gerade für Werke der bildenden Kunst lässt
und wenige andere Kunstwerke Schrift. sich die Rede von einer Lektüre gut nachvoll-
• So ist die Bestimmung unplausibel, da viele ziehen. Auch für notierte Musik kann man
Kunstwerke keine schriftlichen Elemente sehr nachvollziehbar davon reden, dass sie
beinhalten. Zudem weisen viele Kunstwerke gelesen werden muss.
keinen Bezug zu gesprochener Sprache auf, • Aber die Metapher der Lektüre lässt sich noch
wirken also nicht mit an ihrer Klärung weiter ausdehnen: Auch Tänze, Filme, Jazz-
und/oder Weiterentwicklung. Improvisationen etc. müssen gelesen werden.
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• Inwiefern kann man bei Kunstwerken also • Die in einem Kunstwerk hergestellten Konstel-
insgesamt von einer Lektüre sprechen? lationen müssen in der Rezeption als solche
• Kunstwerke stellen Konstellationen unter- nachvollzogen werden.
schiedlicher Elemente her (Farben und • In diesem Sinn kann man von einer Lektüre
Formen auf einem Tafelbild, Wörter in einem der Kunstwerke sprechen. Die Lektüre be-
Gedicht, etc.). steht darin, die Relationen des Kunstwerks in
• Im Rahmen der Konstellationen gewinnen die ihrer Eigenart zu verfolgen.
Elemente eine eigenständige Bestimmtheit • Der Nachvollzug ist dabei nicht als eine Zu-
(selbst wenn sie auch unabhängig von dem sammensetzung aus Elementen zu begreifen,
Kunstwerk als Elemente Bestand haben – wie da die Elemente aus den Relationen, in
Wörter einer natürlichen Sprache). denen sie stehen, heraus bestimmt sind.
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II. Kunstwerke als Schrift II. Kunstwerke als Schrift
• Die Elemente des Werks können aus diesem • Aufgrund der Eigenart der Konstellationen des
Grund nur erschlossen werden, wenn man den Kunstwerks können Elemente nicht abschlie-
im Werk hergestellten Relationen folgt. ßend bestimmt werden.
• Rezipierende müssen in besonderer Weise • Im Anschluss an Adorno ist deshalb die
aktiv werden, um eine solche Erschließung zu These vertreten worden, dass Kunstwerke
leisten. konstitutiv unverständlich bleiben.
• Die entsprechenden Aktivitäten bezeichne ich • Das aber ist übertrieben. Kunstwerke werden
als interpretative Aktivitäten: Durch körperli- durch angemessene Bewegungen, Wahrneh-
che Aktivität, durch Wahrnehmungsaktivität, mungen etc. durchaus verstanden. Kein ge-
durch emotionale oder symbolische Aktivitä- wonnenes Verständnis aber erschöpft ein
ten können Kunstwerke entziffert werden. Kunstwerk; in diesem Sinn ist es momentan.
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7. Neuerlicher Zwischenstand
I. Was ist Schrift? Wie ist das Verhältnis von
• Die Überlegungen dieses Teils lassen sich gesprochener und geschriebener Sprache zu
zusammenfassen, indem man sagt, dass die verstehen?
Lektüre eines Kunstwerks eigenartig ist.
Diese Eigenart habe ich doppelt bestimmt: II. Was heißt es, Kunstwerke als Schriften zu
(a) Kunstwerke werden nicht dadurch gelesen, begreifen?
dass ihre Elemente zusammengesetzt
werden; vielmehr wird die Bewegung III. Welchen Wert hat künstlerische Schrift?
zwischen den Elementen nachvollzogen.
(b) Die Lektüren eines Kunstwerks finden im IV. Unlesbare Zeichen als künstlerische
Rahmen eines unabschließbaren Prozesses Reflexion auf Kunst
statt.
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• Da ich die These vertreten habe, dass die • Die Antwort auf die genannte Frage kann von
Schrift von Kunstwerken sich nicht auf ge- interpretativen Aktivitäten ausgehen. Rezi-
sprochene Sprache bezieht, stellt sich aber pierende sind in sehr unterschiedlicher Weise
nun folgende entscheidende Frage: Worauf aktiv (Bewegung, Wahrnehmung etc.).
bezieht sich die Schrift von Kunstwerken dann? • Die ‚Ergebnisse‘ der Lektüre eines Kunst-
• Wenn Schrift grundsätzlich als Reflexion zu werks lassen sich nicht von diesen Aktivitä-
verstehen ist, mit der es zur Klärung und/oder ten lösen. Die ‚Ergebnisse‘ hängen also
Weiterentwicklung von etwas kommt: Was konstitutiv mit dem Nachvollzug zusammen.
wird durch Kunst weiterentwickelt? • Das lässt sich erklären, indem man sagt: Die
• Ein Verständnis von Kunst ist nur überzeu- interpretativen Aktivitäten (Sehen) wirken auf
gend, wenn diese Frage beantwortet ist. sonstige Aktivitäten desselben Typs zurück.
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III. Wert künstlerischer Schrift III. Wert künstlerischer Schrift
• So kann man eine verbreitete Idee artikulieren: 3. Der Wert der Unabschließbarkeit?
In der Auseinandersetzung mit Kunstwerken
lernen wir rhythmische Orientierungen neu,
lernen auf neue Weise zu sehen und zu • Nun habe ich behauptet, dass kein Ver-
hören etc. ständnis ein Kunstwerk erschöpfen kann. Die
• Der Wert der Lektüren von Kunstwerken liegt Lektüre eines Kunstwerks bleibt also unab-
so darin, dass durch diese Lektüren Neube- schließbar.
stimmungen von anderweitig für uns rele- • Insofern stellt sich die Frage, inwiefern die
vanten Praktiken angestoßen werden. Unabschließbarkeit für die Schriftlichkeit von
• Allgemein gesagt: Die Schrift der Kunstwerke Kunstwerken relevant ist.
bezieht sich auf unterschiedliche in Prakti- • Oder (im Sinne Adornos) anders gefragt:
ken realisierte Sinnzusammenhänge. Was Was bedeutet es, dass die Schrift von Kunst-
etwas zum Beispiel in optischer Weise bedeu- werken (momentan) lesbar und (insgesamt)
tet, wird einer Revision unterzogen. unlesbar zugleich ist?
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IV. Unlesbare Zeichen als Reflexion IV. Unlesbare Zeichen als Reflexion
• Abschließend geht es mir um die Frage, • Bevor ich diese Aspekte kommentiere, will ich
inwiefern die Bibliothek der unlesbaren erst noch skizzieren, in welchem Zusammen-
Zeichen als eine künstlerische Reflexion auf hang die Frage nach einer künstlerischen
Kunst zu begreifen ist. Reflexion von Kunst für mich steht.
• Ich beschränke mich dabei – auch aus Zeit- • Wir sind gewohnt, die Ikonen der modernen
gründen – auf zwei Aspekte: Kunst wie Ready Mades oder Werke der Pop
(a) Erstens geht es um die Frage, was unles- Art als besondere künstlerische Reflexionen
bare Zeichen in Bezug auf den Schriftcharak- auf Kunst zu begreifen.
ter der Kunst bedeuten. • Ich halte das für irreführend, da nicht die
(b) Zweitens geht es mir um die spezifische bloße Gegenständlichkeit, sondern die Frage
Schreibszene, die sich in der Bibliothek zeigt. der Lesbarkeit im Zentrum der Kunst steht.
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IV. Unlesbare Zeichen als Reflexion IV. Unlesbare Zeichen als Reflexion
5. Zum Abschluss