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de/tp/features/Paralyse-der-Kritik-Gesellschaft-ohne-Opposition-
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"Rückkehr zur Normalität". Französisches Plakat von 1968. Bild: Pixabay /gemeinfrei
Ein Kongress in Berlin zeigt, wie ein Teil der ehemaligen 68er-Bewegung mit dazu beigetragen hat,
dass sich die Verhältnisse, gegen die man einst kämpfte, noch mehr stabilisierten
Studierende opponieren gegen den in Berlin lehrenden Historiker Jörg Baberowski, dem nicht nur
von ihnen, sondern auch in einem Gastbeitrag in der linksliberalen Frankfurter Rundschau
rechtslastiges Gedankengut vorgeworfen wird.
Eigentlich ist es doch sehr erfreulich, dass 50 Jahre nach 1968 zumindest einige Studierende nicht
nur über diese Ereignisse resümieren, sondern die damalige Parole "Unter den Talaren der Muff von
tausend Jahren" heute zu aktualisieren versuchen. Dass die kritischen Studierenden von den
konservativen Medien FAZ und Welt verurteilt werden, ist nicht verwunderlich.
Diese Zeitungen haben auch vor 50 Jahren wütend auf diejenigen reagiert, die damals die Parole
propagierten. Verwunderlicher ist dann schon, dass die grünennahe Taz, die ja immer ihre Nähe zur
1968er-Bewegung herausstellt, ganz klar Front gegen die Kritiker Baberowskis macht und ihn in
einem langen Artikel als Opfer linker Ideologen hinstellt. Das ist ein gutes Beispiel für die
"Paralyse der Opposition".
So beschrieb Herbert Marcuse 1968 die Gesellschaft in der BRD. Die Gesellschaft für Neue
Psychologie, ein Kreis von Sozialwissenschaftlern, die sich selbst in der Tradition von 1968 sehen,
hat auf ihrem diesjährigen Kongress, der am vergangenen Wochenende in Berlin zu Ende gegangen
ist, Marcuses Verdikt auf die heutige Zeit übertragen. Auch seine Aufforderung "Weitermachen"
wollen sie in die heutige Zeit übernehmen.