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Jugendliche
"Bei Pornos geht's nur um das Eine. Also, es gibt – jetzt sag ich's mal so -
gute Pornos, und es gibt eklige und lustige." – "Geschlechtsverkehr
zwischen zwei oder halt mehreren Personen; halt gruppensexmäßig. Oder
es gibt auch Videos mit Tieren, wo Frauen mit Tieren verkehren oder
Männer mit Tieren." – "Wenn zum Beispiel ältere Damen oder – ja,
Frauen... das ist schon eklig - und lustig, ja." (lacht)
Sprecherin
"Wir haben viele, die wohl zu Hause unkontrolliert Zugang zum Internet
haben und sich dann dort verschiedene Sachen runterladen und das dann
unheimlich lustig und cool finden, wenn sie dann in kleinen Gruppen im
Schulhof zusammenstehen und sich dann diese Clips rüberschicken; und
so wird das halt auch ziemlich schnell weit verbreitet."
Sprecher
"Pornografie statt Aufklärung. - Wie das Internet die Sexualentwicklung
steuert." Eine Sendung von Wilm Hüffer.
Jugendliche
"Ja, ich denk, mit so 13, 14 fängt man mit Freunden so was vielleicht mal
an anzugucken; vielleicht hat's einer auf dem Computer, dann zeigt man's
dem anderen." – "O Gott, ich würd sagen, das fängt schon an bei 9, 10,
bei den jüngeren Schülern ist es schon so, dass sie sich das zusammen
angucken und dann der eine auch sagt: 'Ja, schick mir das doch mal bitte,
und das ist ja so geil.'" – "Eher von den unteren Klassen geben dann
damit an oder haben so was wie 'ne Sammlung auf dem Handy von
kleineren Pornos."
Sprecher
Jäger und Sammler in Sachen Pornografie - noch nie zuvor konnten
Jugendliche derart leicht auf Pornos zugreifen. Handy-Clips, also
Kurzfilme, mit harten sexuellen Inhalten sind allgegenwärtig an den
Schulen. Egal ob in Rheinland-Pfalz, in Baden-Württemberg oder
anderswo. Ein qualitativer Umbruch: Noch vor wenigen Jahren lag die Zahl
der Jugendlichen, die regelmäßig mit pornografischen Bildern oder Filmen
in Berührung kamen, allenfalls im einstelligen Prozentbereich. Eine
Entwicklung, die in Deutschland bislang empirisch kaum untersucht
worden ist. Der Psychotherapeut Andreas Hill vom Hamburger Institut für
Sexualforschung und Forensische Psychiatrie:
Sprecher
Welche Folgen hat der massenhafte Pornokonsum unter Jugendlichen?
Darüber gehen die Meinungen auseinander - nicht zuletzt wegen der
fehlenden Untersuchungen. Eines aber ist sicher: Pornografie ist alles
andere als ein Beitrag zur Sexualaufklärung. Sozialpädagogen
beobachten, dass reales Wissen über Sexualität eher abnimmt. Kinder und
Jugendliche sind heute schlechter aufgeklärt als die Generationen zuvor,
sagt Sozialarbeiter Ingo Brehm aus Villingen:
Ingo Brehm
"Wir Erwachsenen denken, Sex ist überall Thema in unserer Gesellschaft,
und deshalb müssten auch die Jugendlichen, die Kids, sehr gut Bescheid
wissen. Das ist definitiv nicht der Fall; viele haben vordergründig eine
ganz, ganz große Ahnung, und wenn's dann wirklich mal drauf ankommt,
was ist Sex überhaupt, wie entsteht ein Kind, beziehungsweise was
passiert, wenn die miteinander schlafen, kommt relativ schnell raus, dass
einfach nicht so viel Ahnung da ist."
Sprecher
Zu dieser Ahnungslosigkeit trägt Pornografie entscheidend bei. Sie liefert
etliche Fiktionen für das, was Sexualität zu sein scheint. Und führt dabei
immer mehr in die Irre. Denn durch das Internet hat sich das Spektrum
rasant erweitert:
Sprecher
Häufig sind es Kinder oder Jugendliche selbst, die zu Entdeckern werden.
Und zwar unabhängig vom Schultyp, von Bildung und Elternhaus. Nach
Meinung von Sozialpädagogen und Sozialarbeitern ist Pornografie
omnipräsent auf den Schulhöfen. Das Handy eines 13-Jährigen aus Mainz
liegt inzwischen bei der Kriminalpolizei. Die versucht herauszufinden,
woher sich der Junge die brutalen Filme beschafft hat. Ihm gefällt vor
allem die Geschichte von Schneewittchen und den sechs Zwergen - ein
Comic-Film, der eine Vergewaltigung zeigt:
Sprecher
Dieser 13-Jährige gilt an seiner Schule als einer der besonders auffälligen
Pornokonsumenten. Ohnehin ist Pornografie vor allem Jungensache. Den
amerikanischen Studien zufolge dürften etwa 90 Prozent der jugendlichen
Pornokonsumenten Jungen sein. Am Beispiel des 13-Jährigen lässt sich
besonders gut veranschaulichen, welche Folgen der exzessive Konsum für
die Persönlichkeit des Jungen möglicherweise haben kann.
Sexualwissenschaftler Andreas Hill:
Sprecher
Die Sozialforscher sind sich weitgehend einig, worin diese Risikofaktoren
bestehen. Pornografie fördert demnach Gewalttätigkeit vor allem bei
Personen, die ohnehin bereits zu Gewalt neigen. Etwa weil sie selbst
geschlagen oder missbraucht worden sind. Aber auch im Zusammenspiel
mit einer restriktiven Sexualerziehung kann Pornografie extrem schädlich
sein - wenn also Sexualität in der Familie tabuisiert wird, Jugendliche im
stillen Kämmerlein Pornos konsumieren und das Verbotene dann zu einer
eigenen Fantasiewelt ausbauen:
Sprecher
Derart verzerrte Vorstellungen von Sexualität sind nach Auffassung des
Experten trotz allem eher der Ausnahmefall. Das größere Problem besteht
darin, dass Pornografie immer stärker auch die Jugendkultur beeinflusst -
und damit das Sozialverhalten von Jugendlichen insgesamt. Sie prägt
Musik und bestimmte Formen der Fernsehunterhaltung. Die Botschaft ist
immer dieselbe: Gewinner ist, wer andere dominiert, wer andere
erniedrigt, wer sich Lust verschafft auf Kosten des anderen. Rapper wie
Sido oder Bushido haben sich zu Klassikern dieser Pornokultur entwickelt.
Jugendliche aus Villingen und Mainz erzählen, was an ihrer Hauptschule
angesagt ist:
Jugendliche
"Sachen wie von Frauenarzt, King Orgasmus, Prinz Porno, wo es wirklich
nur darum geht: Ich nehm die und die in dieser gewissen Stellung, und
ich besorg's der mal richtig und so was – das ist schon für mich niveaulos.
Ja, man kann schon sagen, dass die Texte frauenfeindlich sind." – "Nach
dem Motto, dass alle Frauen Schlampen sind eigentlich." – "Da werden
halt die Frauen dargestellt, als ob sie also so... zweiter Stand wären, dass
die Männer da Oberhand haben und die Mädels da unten halt so nix zu
sagen hätten."
Sprecher
Chauvinismus und Sexismus im Porno-Rap färben dabei ab auf den
Sprachgebrauch. Beschimpfungen, die Erwachsene als Tabubruch und
extrem abstoßend empfinden, sind unter Jugendlichen inzwischen völlig
normal.
Jugendliche
"Man hört halt schon sehr viel: 'Wichser', 'Hurensohn', 'ich fick Deine
Mutter', 'Missgeburt'. Ich glaub, das ist teilweise schon recht ernst." – "Bei
uns im Freundeskreis weiß man, dass es aus Spaß ist, dass wir das nicht
ernst meinen. Aber bei wirklich fremden Leuten ist es schon dazu da, um
die runterzumachen, auf jeden Fall." – "Nein, also ich denke, man meint's
gar nicht so. Man kann auch zu jemandem sagen: 'He, du bist so schwul,
und man meint's gar nicht, dass er schwul ist, sondern zum Beispiel
einfach nur viel zu weiblich. Das muß ja nicht heißen, dass der mit
anderen Jungs schläft oder so. Also man meint es wirklich nicht so, wie
man's sagt, ja."
Sprecher
Sexistisches Niedermachen in Raptexten, beim Beschimpfen, in
Internetforen – alles nicht so gemeint? Die Pädagogin Ursula Enders vom
Verein Zartbitter in Köln therapiert seit zwanzig Jahren sexuell
misshandelte Kinder und sieht das ganz anders:
Ursula Enders
"Die Jugendlichen sagen immer: 'Es ist nicht so gemeint, es ist nur Spaß,
es ist Gag, regt euch nicht so auf!' Wir bekommen aber in der
Beratungssituation mit, dass Jugendliche dadurch zutiefst verletzt sind
und häufig in der Schule noch ein cooles Gesicht dazu machen, weil sie
Angst haben, wenn sie ihre Verletzung zeigen, als uncool zu gelten oder
noch mehr abzubekommen. Und das beobachten wir besonders bei
männlichen Opfern, denn viele haben im Kopf: 'Das passiert nur
Mädchen', aber wir bekommen hier mit, dass auch gerade Jungen Opfer
von Erniedrigungen werden, sexistischer Erniedrigung und Mobbing."
Sprecher
Ob nun vorgeblich spielerisch oder wirklich verletzend: Pornografie bringt
einen neuen Ton in die Jugendkultur. Einen schärferen,
menschenverachtenden Akzent, wenn es um die Frage geht, wer der
Stärkere ist. Wer sich behauptet, indem er andere verbal herabsetzt.
Ursula Enders sieht darin mehr als nur eine Pornografisierung der
Sprache. Sie spricht von einer regelrechten Kultur der Erniedrigung.
Ursula Enders
"Es ist ein Kommunikationsstil, dass Jugendliche dann gesehen werden,
wenn sie niedergemacht werden – auch mit Worten, nicht nur mit Taten.
Wenn Sie sich heute Fernsehsendungen angucken wie zum Beispiel die
Casting-Shows oder Top-Model-Shows – dort werden Jugendliche
abgewertet. Schauen wir uns doch einfach Dieter Bohlen an, mit welchen
sexistischen Sprüchen er wirklich Jugendliche bloßstellt, und ich finde,
auch Heidi Klum – die Abwertung, wie sie die jungen Frauen vorführt, das
ist wirklich schon eine Form seelischer Grausamkeit. Das beobachten wir
auch unter den Jugendlichen, z. B. dass Jugendliche sich in Internetforen
gegenseitig beschimpfen, niedermachen und sagen: 'Das ist doch nicht so
gemeint, das ist nur ein Spaß – wir ballern uns halt an, und das ist
witzig'."
Sprecher
Diese "Anballerei" spielt immer auch in den sexuellen Bereich hinein. Denn
das ist der Kern der Beschimpfungen: Der andere wird zum Objekt
herabgewürdigt. Auch zum Sex-Objekt. Ein beliebtes Mittel: andere mit
dem Handy in peinlichen Situationen zu filmen oder zu fotografieren. In
Bochum zwangen Schüler vor Kurzem eine 12-Jährige, in der Schultoilette
die Hosen herunterzulassen und verschickten die Bilder per Handy. Die
Formen der Erniedrigung sind vielfältig - und sie nehmen zu:
Ursula Enders
"Zum Beispiel, indem Jugendliche die Köpfe von Mitschülerinnen und
Mitschülern auf Pornografie montieren, diese dann als Plakat in der Schule
aufhängen oder ins Netz stellen oder per Handys rummailen. Vor drei, vier
Jahren war das selten, da hörte man das in Einzelfällen. Inzwischen haben
wir dieses Thema in sehr vielen öffentlichen Veranstaltungen auch, und
die Kinder berichten immer wieder davon, dass Ältere oder Gleichaltrige
sie wirklich über pornografische Darstellungen zutiefst verletzt haben."
Sprecher
Immer häufiger erleben Jugendliche, dass sie andere zum Objekt machen
können - und genau so schnell auch selbst zum Opfer werden. Laut
Studien aus den USA macht jeder dritte diese Erfahrung, zum Beispiel
beim Chatten in öffentlichen Chat-Foren. Die stehen zwar unter Aufsicht;
die Inhalte werden angeblich regelmäßig kontrolliert. Wie effektiv diese
Kontrollen sind, steht jedoch dahin. Ursula Enders hat im Selbstversuch
getestet, was Jugendliche erleben, wenn sie in öffentlichen Chatforen
unterwegs sind:
Ursula Enders
"Ich selbst habe mich in Chaträumen über drei Jahre lang als Jugendliche,
11- und 13-Jährige, ausgegeben, und mir ist sexuelle Anmache, sexuelle
Gewalt, Konfrontation mit Pornografie, tagtäglich begegnet, auch wenn ich
mich total passiv verhalten habe. Sobald die Leute gefragt hatten: 'Nutzt
du diesen Internetanschluss alleine oder sind deine Eltern da?' – und ich
'nein' gesagt habe, hatte ich Exhibitionisten auf dem Bildschirm; ich habe
ganz massive Kinderpornografie geschickt bekommen, ich bin in
Gespräche verwickelt worden, es haben sich zig Leute mit mir verabreden
wollen."
Sprecher
Mögliche Missbrauchstäter nutzen dabei aus, dass Jugendliche cool wirken
wollen, sich deshalb freizügig geben und versuchen, auf sexistische
Anmache souverän zu reagieren.
Auch die meisten dieser Kontakte entstehen in öffentlichen Chat-Foren.
Annika aus Mainz und Leonie aus Villingen-Schwenningen, beide 17,
beschreiben, was sie in solchen Foren erlebt haben:
Sprecher
Für die Pädagogin Ursula Enders ist klar, worauf das hinausläuft. Die Täter
versuchen auszunutzen, dass Jugendliche attraktiv wirken wollen, dass sie
glauben, in einen öffentlichen Wettbewerb treten zu müssen um Sex-
Appeal und den schönsten Körper. Sie sieht für Jugendliche die Gefahr...
Ursula Enders
"...dass sie im Chat überredet werden, sich selbst zu zeigen vor der
Webcam, das auch schick finden, das Gegenüber diese Bilder mitzeichnet,
und wenn sie dann zum Beispiel sexuelle Handlungen vor der Kamera
ausgeführt haben, sind sie für die Produktion von Pornografie missbraucht
worden. Das heißt, dieses pornografische Produkt bleibt bestehen und
kann überall verwendet werden."
Sprecher
Und diese Variante ist sogar noch die harmlosere gegenüber der
bedeutend gefährlicheren Möglichkeit: Dass nämlich Missbrauchstäter
beim Chatten die Identität der Jugendlichen zu knacken versuchen, um sie
dann im wirklichen Leben zu belästigen, beispielsweise ihnen an der
Schule aufzulauern.
Sprecher
Unabhängig davon, wie weit der Austausch solcher Fantasien im Chat
gehen mag - erstmals machen auch Jugendliche die Erfahrung, dass mehr
möglich ist als der bloß passive Konsum solcher Inhalte. Im Kontakt mit
anderen können sie eine aktive Rolle übernehmen, abseitige Vorstellungen
gemeinsam weiterentwickeln:
Sprecher
Was der Sexualwissenschaftler hier beschreibt, sind vorläufig
Ausnahmefälle. Die Forschungsergebnisse zeigen aber auch, dass es in
der Internet-Pornografie klassische Opfer- und Täterrollen nicht mehr gibt.
Jugendliche, die sich darauf einlassen, sexuelle Vorlieben zu diskutieren,
selber pornografisches Material herzustellen oder weiterzuverbreiten,
werden automatisch zu Mittätern, ob gewollt oder ungewollt. Sie werden,
anders als früher, zu Mitproduzenten des neuen pornografischen
Mainstreams.
Sprecher:
Und diese Grenzen verschwimmen nicht nur im Internet. Auch was in der
Musik und in der Unterhaltungsszene geschieht, übertragen Jugendliche
zunehmend auf ihren Alltag. Ob verbale Abwertung in Songs, abstraktes
Rollenspiel im Internet oder Anmache im Chat - all das funktioniert auch
in der Realität, auf dem Schulhof oder auf der Straße. Eine Imitation von
pornografischen Musik- und Videoclips, von Gangster-Rap und Casting-
Show. Wer nicht mitspielt, ist uncool. Eine 17jährige aus Mainz schildert
eine solche Atmosphäre an ihrer Schule:
Jugendliche
"Hier laufen generell schon jüngere Schülerinnen schon sehr – sag ich mal
- aufreizend angezogen rum – und da springen halt die Jungens in deren
Klasse auch direkt drauf an und grabschen die halt mal an oder sagen
irgendwas von wegen: 'Ja, hast Du heute Nacht mal Zeit?' oder so was,
und das finde ich in dem Alter von 10, 11 schon ein bisschen krass. Also,
ich glaub, die ziehen sich hauptsächlich so an, wie die Jungens auch, weil
die das bei ihren Stars so sehen: Beyonce läuft so rum, Rihanna läuft so
rum, die sind halt alle sehr freizügig gekleidet, und ich denke, da nehmen
sie sich ein Beispiel dran. Und da springen die Jungens natürlich drauf an,
vor allem wenn die solche Texte hören wie zum Beispiel von Prinz Porno
oder King Orgasmus."
Sprecher:
Das ist mehr als pubertäre Spielerei. Im frühesten Alter gewöhnen sich
Jugendliche an sexuelle Übergriffe. Mädchen daran, dass sie befummelt
und begrapscht werden. Jungen daran, dass sie begrapschen dürfen. Vor
allem aber entsteht ein Umfeld, in dem sexuelle Übergriffe für Täter
immer einfacher werden. Die Hemmschwellen werden abgebaut. Das hat
direkte Auswirkungen auf Jugendliche, die bereits eine Anlage zur
Gewalttätigkeit mitbringen. In einem Klima, in dem sexuelle Übergriffe
toleriert werden, können sie diese Anlage bedeutend leichter ausbilden,
sich also zu echten Gewalttätern entwickeln. Entsprechende Folgen
verzeichnet auch der Hamburger Sexualwissenschaftler Andreas Hill:
Dr. Andreas Hill
Ein Indiz dafür, dass sich sexuell aggressives Verhalten bei Jugendlichen
in den letzten Jahren verstärkt hat, ergibt sich aus den polizeilichen
Kriminalstatistiken, Strafverfolgungsstatistiken. Da gibt es Anstiege, die
sind auch deutlich, und die betreffen eben insbesondere die Kinder und
Jugendlichen, während in den anderen Altersgruppen das nicht
wahrnehmbar ist. Es ist nicht bekannt, auch unter Experten nicht,
dass Jugendliche und Heranwachsende die höchsten sogenannten
Tatverdächtigen-Belastungsziffern haben – für Kindesmissbrauch
und auch für sexuelle Gewaltdelikte. Also bezogen auf den Anteil, den
sie an der Bevölkerung haben, werden von Kindern und Jugendlichen am
häufigsten sexuelle Missbrauchstaten gegenüber Kindern und Jugendlichen
begangen und auch sexuelle Gewaltdelikte, also Nötigung und
Vergewaltigung.
Sprecher
Auch das dürfte zum Teil eine Folge der Porno-Kultur sein. Und
möglicherweise der Beginn einer längerfristigen Entwicklung. Denn diese
Jugendkultur beginnt ihre Wirkung gegenwärtig erst richtig zu entfalten.
Wie stark sie die Entwicklung von Verhaltensauffälligkeiten beeinflusst und
verstärkt, wird sich also Jahre später erst richtig zeigen. Das heißt: Schon
die heutigen Acht- bis Zwölfjährigen müssen dringend lernen, dass
sexuelle Übergriffe ein Tabu sind - und bleiben.
Ursula Enders
"Herrscht aber eine Kultur der Grenzverletzung, in der Jugendliche von
Eltern und von Pädagogen kein Stopp-Zeichen bekommen, dann wird dies
zur Gruppennorm; und einige Jugendliche, die hinterher massive Täter
sind, steigen genau über diese Gruppensituation in die Karriere ein.
Gelingt es uns, am Anfang dieser Karriere, gerade bei den 8- bis 12-
Jährigen, andere Normen zu etablieren, so können wir viele davor
bewahren, langfristig gewalttätig zu werden."
Sprecher
Bislang freilich setzt die Porno-Kultur andere Maßstäbe. Die Jugendlichen
von heute sind überhaupt die erste Generation, die in einer Kultur des
massenhaften Pornokonsums aufwächst. Sie erscheint daher auch
besonders anfällig für ein Phänomen, das unter Erwachsenen bereits
verbreitet ist: die Porno-Sucht. Der Sexualwissenschaftler Andreas Hill
schätzt sie tatsächlich als eine Sucht im pathologischen Sinne ein,
vergleichbar mit Alkoholismus. Das ist dann wie eine Krankheit mit einem
progredienten, also sich stetig verschlimmernden Verlauf:
Sprecher
Wie lässt sich die Pornoflut an Schulen stoppen? Darüber beginnen Eltern-
und Lehrerverbände gerade erst nachzudenken. Jugendliche müssten
lernen, Internet und Handy sinnvoller zu nutzen als bisher - mehr hat die
Suche nach Gegenrezepten bislang noch nicht ergeben. Wie noch niemals
zuvor sind Jugendliche in ihrer Sexualentwicklung auf die eigene Vernunft
angewiesen. Und darauf, dass sie schließlich die eigene Erfahrung zum
Maßstab erheben - nicht die irreführende Fiktion.
Jugendlicher
"Ich denke, dass Jugendliche von solchen Pornos eine völlig falsche
Einstellung gegenüber Sex bekommen, da das sich einfach so nicht
abspielt, auch nicht beim ersten Mal, nicht beim zweiten Mal, und nicht
beim dritten Mal. Das sind einfach Filme, die zur Befriedigung von
Lustgefühlen da sind. Ich denke nicht, dass das den Jugendlichen
weiterhilft."
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