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Flugzeugtriebwerke
Grundlagen, Aero-Thermodynamik, ideale
und reale Kreisprozesse, Thermische
Turbomaschinen, Komponenten,
Emissionen und Systeme
4. Auflage
Willy J.G. Bräunling
Freie und Hansestadt Hamburg
Hamburg
Deutschland
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bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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Vierte, überarbeitete und erweiterte Auflage
Mit 1095 Abbildungen, davon 405 in Farbe, und mit 68 vollständig durchgerechneten
Beispielen
Mit überzeugtem Respekt vor den beiden Deutschen, die – jeder auf seine Art –
Triebwerksgeschichte geschrieben haben: Hans-Joachim Pabst von Ohain und Gerhard
Neumann
V
Die Eleganz des Fliegens
Eine Viertelstunde hörte ich selbst mit meinen eigenen Ohren zum ersten Mal jenes
merkwürdige heulende und pfeifende Geräusch, das heute für uns alle fast schon zur
Selbstverständlichkeit geworden ist.
Der Flugzeugbauer Ernst Heinkel über das Triebwerk des Erfinders Pabst von Ohain
VII
Vorwort zur vierten Auflage
Nach wie vor nehme ich mit Wohlwollen zur Kenntnis, dass sich dieses Buch gut verkauft
und somit vermutlich auch auf eine interessierte Leserschaft treffen dürfte. Das allein ist
Ansporn, sich ein weiteres Mal vor den Bildschirm zu setzen, und die Texte und Bilder
nochmals durchzuschauen und zu überarbeiten, auch wenn es von Mal zu Mal schwe-
rer fällt, sich dazu aufzuraffen, um Stunde für Stunde und Tag für Tag und schließlich
monatelang auf wohlbekannte Texte und Bilder zu schauen, die nach wie vor irgendwie
gelungen auszusehen scheinen und schlussendlich dann doch immer noch Ungenauigkei-
ten und Fehler enthalten, die man unaufhörlich übersieht, obwohl sie einem neutralen
Leser eigentlich sofort in die Augen springen müssten. Diese „Betriebsblindheit“ will ein-
fach nicht weichen und die kleinen Fehlerteufelchen reiben sich immer wieder die Hände
vor Freude, wenn sie dem Autor hier und da wieder einmal einen Streich spielen konn-
ten. Ein so umfangreiches Buch, wie das hier vorliegende, ist für einen einzigen Autor,
der auch nur Mensch ist, folglich schwer unter Kontrolle zu halten. Hinzu kommt im-
mer noch der Kampf mit der sich in den letzten Jahren veränderten Rechtschreibung, die
nach wie vor nicht konsequent und zielgerichtet zu sein scheint. Um dafür ein Beispiel
aufzuzeigen, scheint es offensichtlich manche Lesern zu widerstreben, dass aus dem ehe-
maligen Wort Rauhigkeit inzwischen eine Rauigkeit geworden ist, dass sich Potential in
Potenzial gewandelt hat und dass man „st“ inzwischen trennen darf und die so genannten
Schreibprogramme so etwas heute selbstständig erledigen, auch wenn es aufwändig ist,
was sie vor Jahren noch selbständig und ebenso aufwendig tun mussten. Die Kritik an der
Verwendung der neuen Rechtschreibung, die es in der Praxis inzwischen in fünf Varianten
gibt, nämlich Dudenempfehlung, Konservativ, Progressiv, Presse und Tolerant, ist somit
reichhaltiger, als Kritik an den Inhalten Buches. Wie auch immer, waren die ersten drei
Auflagen noch in der progressiven Form der neuen Rechtschreibung gehalten, d. h., gibt
es mehrere Schreibweisen eines Wortes, dann wurde immer die gewählt, die mit der neuen
Rechtschreibung eingeführt wurde, so habe ich jetzt in dieser vierten Auflage die Schreib-
weise meiner Texte der so genannten Dudenempfehlung angepasst d. h., gibt es mehrere
Schreibweisen eines Wortes, dann wurde die gewählt, die die Dudenredaktion empfiehlt.
Andere Kritikpunkte am Buch waren immer wieder Theorie und Praxis. Für die einen
zu viel Theorie und zu wenig Praxis. Für die anderen ist die Darstellung zu idealisiert und
IX
X Vorwort zur vierten Auflage
müsste noch viel mehr – ach so wichtige – Details enthalten. Der von mir sehr geschätzte
Sänger Reinhard Mey hat zu diesem Thema einmal gereimt1 : „Und ich bedenk was ein jeder
zu sagen hat/und schweig fein still/und setz mich auf mein achtel Lorbeerblatt/und mache
was ich will.“ Ähnlich denke und handle ich auch, da es nach wie vor mein Anliegen ist,
mit diesem Buch einen Einstieg in eine komplexe Materie zu verschaffen und nicht meine
Leserschaft mit komprimierten Detailwissen förmlich zu erschlagen, dieses zu vermitteln
bleibt nach wie vor der weiterführenden, mehr wissenschaftlichen Literatur überlassen.
„Video meliora, proboque; deteriora sequor. (Ich sehe das Bessere, heiße es gut und mache
das Schlechtere.)2 .“
In theory there is no difference between theory and practice. In practice there is.
Lawrence Peter „Yogi“ Berra
Theorie bleibt für mich deswegen auch immer das, was ich praktisch meinen Studenten und
Studentinnen zu vermitteln vermag, so dass sie bei allem Abstrakten dennoch begreifen,
das es für sie keinen Weg in eine erfolgreiche Praxis ohne Theorie geben kann. Gerne führe
ich in diesem Zusammenhang keinen geringeren als Nicolas Léonard Sadi Carnot an, der
erkannte, dass man eine Dampfmaschine nicht nur empirisch verbessern kann und sollte,
sondern dass es dringend auch geboten erscheint, die zugehörige Theorie vertiefend zu
begreifen. Das Ergebnis waren seine bahnbrechenden Ausführungen aus dem Jahr 1824:
„Réflexions sur la puissance motrice du feu et sur les machines propres à développer cette
puissance“, (Betrachtungen über die bewegende Kraft des Feuers und die zur Entwicklung
dieser Kraft geeigneten Maschinen). Womit ich dann hier im Vorwort wieder den Weg
zurück zum Strahlantrieb gefunden habe.
Zu den durchgerechneten Beispielen in diesem Buch möchte ich einmal als Lob für
meine Studentinnen und Studenten erwähnen, dass praktisch alle Aufgaben, insbesondere
die schwierigeren und aufwendigeren, vollständig oder teilweise Bestandteile meiner Klau-
suren waren und von dem Gros der Teilnehmer(innen) gut und auch sehr gut bewältigt
wurden.
1
Mit persönlicher Erlaubnis von Reinhard Mey zum Abdrucken seiner Textzeilen an dieser Stelle.
2
Publius Ovidius Naso, genannt Ovid. Römischer Dichter (43 v.Chr. – 17 n.Chr.).
Vorwort zur dritten Auflage
Da sich die bisherigen Auflagen dieses Buches schneller als geplant verkauften, wurde ich
mehr oder weniger überraschend mit der Anfertigung einer weiteren Auflage konfrontiert.
Und da bekanntlich keiner mit nichts zufrieden ist, so wie auch ich bisher noch nie mit
einer der Auflagen meines fertigen Buches wirklich zufrieden war, habe ich das gesamte
Buch kurzerhand noch einmal vollständig neu überarbeitet, korrigiert, aktualisiert und
erweitert. Leider hat das etwas mehr Zeit in Anspruch genommen, als ich ursprünglich
dachte.
Die Erweiterungen des Buches betreffen insbesondere die realen Kreisprozesse und die
Triebwerkssysteme, da diese beiden thematischen Vervollständigungen des Buches häufig
an mich herangetragen wurden. Ich hoffe, dass die Art und Weise, wie ich diese Ergän-
zungen als Autor angegangen bin, dem Leser nach wie vor die Möglichkeit bieten, den
Stoff selbstständig inhaltlich und detailliert nachzuarbeiten, was gerade bei den realen
Kreisprozessen nicht immer leicht ist, da es an vielen Stellen fast unmöglich ist, Rechen-
beispiele zum Thema so anzubieten, dass sie vom Leser auch „von Hand“ nachvollzogen
werden können. Ich habe dennoch versucht, diesen fachlichen „Spagat“ in angemessener
Weise anzugehen und deswegen den entsprechenden Stoff zusätzlich mit einem einfachen
Programmier-Quellcode versehen, sodass die vorgestellten Rechnungen in jedem Fall für
einen Leser vollständig nachvollziehbar bleiben, auch wenn er dazu nun auf einen PC oder
Laptop zugreifen und den Quellcode – wie auch immer – dorthin übertragen muss. Eine
wirkliche Hürde ist hierin wohl nicht zu sehen.
Das Buch ist nach wie vor so angelegt, dass es insbesondere der Studentenschaft von
Fachhochschulen, Technischen Hochschulen und Universitäten und sonst wie Interessier-
ten an dem Fachgebiet der Flugzeugantriebe und Turbomaschinen einen übersichtlichen
und möglichst einfachen – aber dennoch vollständigen Weg in die Thematik aufzeigt. Der
angebotene Stoff kann dabei zusätzlich anhand einiger konzentrierter Beispiele selbststän-
dig eingeübt und vertieft werden. Das Buch ist damit also als eine Art Kompendium (oder
als ein etwas zu umfangreich geratenes Vademekum) anzusehen, dessen Inhalte und didak-
tischer Aufbau sich in meinem ganz persönlichen alltäglichen Hochschulbetrieb als sehr
erfolgreich herausgestellt haben. Damit wäre vielleicht aber auch gesagt, was dieses Buch
ganz ausdrücklich nicht sein will, nämlich eine fachlich tief gehende Monografie hoch
XI
XII Vorwort zur dritten Auflage
3
Lucius Annaeus Seneca, genannt Seneca der Jüngere. Römischer Philosoph, Dramatiker,
Naturforscher und Staatsmann.
Vorwort zur zweiten Auflage
Die erste Auflage dieses Buches ist vergleichsweise gut angenommen worden, sodass es
sich schneller als erwartet ergab, eine weitere Auflage des Buches anzufertigen. Dabei ist
das gesamte Buch noch einmal vollständig neu überarbeitet und korrigiert worden, wobei
mehr als 80 % aller Bilder überarbeitet bzw. durch aktualisierte Inhalte ersetzt wurden.
Unklarheiten und Ungenauigkeiten in einzelnen Formulierungen wurden ebenso nachge-
arbeitet wie auch einige Unschönheiten bei den Seitenumbrüchen. Hierbei waren mir die
diversen Hinweise von Lesern sehr hilfreich.
Trotz mehrfacher Durchsicht enthielt die erste Auflage des Buches zahlreiche Schreib-
fehler, was für den Leser ärgerlich und den Autor ein wenig peinlich ist. Mit der zweiten
Auflage wurde nun versucht, alle bis dahin bekannt gewordenen Errata zu beseitigen. Es
steht aber zu befürchten, dass immer noch nicht alle gefunden und durch die Überarbei-
tung evtl. sogar noch neue hinzugekommen sind. Die hier im Buch vorliegenden Texte
sind zwar durch die Rechtschreib- und Grammatikkontrolle von Microsoft® WORDTM
2003 gelaufen, ebenso wie durch die Rechtschreibkontrolle des Programms KORREKTOR
des Duden-Verlages (http://www.duden.de), aber das ist noch lange keine Garantie für
Fehlerfreiheit. Das KORREKTOR-Programm ist in seiner derzeitigen Version 2 zwar eine
viel Geduld erfordernde und an den Nerven zerrende Leistungsbremse, dafür findet es
aber sehr viele Schreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler. Bezogen auf den vorliegen-
den Buchtext schätze ich, dass das KORREKTOR-Programm sage und schreibe noch weit
mehr als 3.000 kleinere und größere Fehler gefunden haben dürfte, die der WORD Recht-
schreibkontrolle noch entgangen waren. Der Text des Buches ist nach der neuen deutschen
Rechtschreibung verfasst. Als Schreibstil wurde die progressive Variante gewählt, die für
die Schreibweise jeweils die neuste Form benutzt, also die, die vor der Rechtschreibreform
noch nicht existierte.
Was einem Fachbuchautor an Reaktionen von Lesern auf Schreibfehler so alles an
Seltsamkeiten widerfahren kann, hat David Gordon Wilson vortrefflich im Vorwort der
zweiten Auflage seines Buches zusammengefasst, Wilson und Korakianitis (1998). Was
er so aus seinem Erfahrungsschatz zu berichten weiß, ist schier unglaublich, und ich bin
froh, dass ich das nicht so erfahren musste. Er hat dabei auch beschrieben, wie ungeheuer
schwierig es ist, trotz aller modernen Hilfsmittel der Textverarbeitung die Fehlerteufel zu
XIII
XIV Vorwort zur zweiten Auflage
verbannen. Wer es nur einmal versucht hat, einen Text von dem hier vorliegenden Umfang
auf Fehlerfreiheit hin zu korrigieren, wird sehr schnell sehr demütig.
Bei der Überarbeitung der einzelnen Kapitel ergab es sich, einige von ihnen konzep-
tionell vollständig umzuarbeiten und andere mehr oder weniger umfangreich zu ergänzen
und hinsichtlich des ständigen Fortschritts der technischen Entwicklungen zu aktualisie-
ren. Zusätzliche Kapitel zum Triebwerkslärm und zu einer mehr oder weniger allgemein
verständlichen Beschreibung der aero- und thermodynamischen Grundlagen vervollstän-
digen die neue Auflage des Buches. Der thermodynamische Teil des Buches wurde um
ein sehr aktuelles Triebwerkskonzept, den rekuperativen Turbofan mit Zwischenkühlung,
erweitert.
Für die Durchsicht des Kapitels über den Triebwerkslärm und für die hilfreichen An-
regungen dazu möchte ich Herrn Dr. Ulf Michel vom Deutschen Zentrum für Luft- und
Raumfahrt (DLR), Institut für Antriebstechnik, Abteilung Turbulenzforschung Berlin,
recht herzlich danken. Des Weiteren bedanke ich mich ganz ausdrücklich bei Herrn
Flugkapitän Dipl.-Ing. Claus Cordes von der Deutschen Lufthansa für seine fliegerisch-
fachliche Beratung zu allen Themen im Buch, die das Triebwerk und seine Bedienung von
der Warte eines Flugzeugführers aus behandeln.
Mehrfach ist die Bitte an mich herangetragen worden, zu erläutern, wie das Buch und
seine Bilder im Einzelnen entstanden sind. Eine Bitte, der ich hiermit nachkommen möch-
te. Der Text wurde von mir persönlich auf einem PC unter Verwendung von Microsoft®
WORDTM (http://www.microsoft.com) verfasst, wobei Texte, Formeln, Bilder und Dia-
gramme bereits im Textverarbeitungsprogramm entsprechend der endgültigen Druckver-
sion zusammengesetzt, gestaltet und angeordnet wurden. Hierzu stellt der Springer-Verlag
seinen Autoren neben einer persönlichen Beratung auch eine sehr hilfreiche Broschüre
zur Buchgestaltung am PC zur Verfügung. Es hat sich dabei gezeigt, dass eine solcherma-
ßen durchzuführende Texterstellung für ein Buch der vorliegenden Größenordnung für
einen Autor nur dann wirtschaftlich durchführbar ist, wenn ein PC überdurchschnittlicher
Leistungsfähigkeit zur Verfügung steht, der hinsichtlich Prozessor, Hauptspeicher, Fest-
platte, Bildschirmgröße und Back-up-System (zur permanenten Datensicherung) nicht
mit Ausstattungsmerkmalen geizen muss. Die Formeln im Text wurden mit der so ge-
nannten Profiversion des Formel-Editors MathTypeTM (http://www.dessci.com) erstellt.
Zu jedem Bild und Diagramm, dem eine Berechnung zu Grunde liegt, existiert ein in
FORTRAN 95 (http://www.lahey.com und http://www.getsoft.com) geschriebenes Pro-
gramm, das unter Verwendung der kommerziell erwerbbaren Plotsoftware DISLINTM
(http://www.dislin.com) der Max-Planck-Gesellschaft, die entsprechenden Diagramme
ausgibt. Eine abschließende Feinbearbeitung aller Bilder und Diagramme wird zu guter
Letzt mit dem Programm Corel® DESIGNERTM (http://www.corel.com) vorgenom-
men. Fotos wurden entweder von der Triebwerksindustrie digital zur Verfügung gestellt
oder mittels eines Scanners digitalisiert und anschließend mit Adobe® PHOTOSHOPTM
(http://www.adobe.com) nachbearbeitet.
Für jedes einzelne Kapitel des Buches wurden so separate Textdateien angelegt, deren
Größen – je nach Anzahl der Bilder im Kapitel – zwischen 10 und 305 MB schwanken.
Vorwort zur zweiten Auflage XV
Mittels des Programms Adobe® DISTILLERTM erfolgte dann die Umwandlung dieser
Textdateien in das PDF-Format, aus dem heraus der Druck des Buches schließlich vorge-
nommen wird. Der Aufwand, der hier hinsichtlich Hard- und Software erforderlich wird,
ist nicht unerheblich und verlangt einen sicheren Umgang mit diesen Technologien, denn
die üblen Überraschungen zu beschreiben, die einem Autor hierbei begegnen können,
würden ein tragisch-komisches Buch für sich füllen können.
Trotz des hohen Eigenarbeitsanteils an diesem Buch wäre es ohne das freundliche
Entgegenkommen und die vertrauensvolle Unterstützung der Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter des Springer-Verlages nie wirklich zu Stande gekommen, denen ich deswegen
hiermit meinen ausdrücklichen Dank aussprechen möchte. Mein ganz besonderer Dank
gilt Herrn Thomas Lehnert (Planung Technik Fachbuch), der immer ein offenes Ohr für
meine Anliegen hatte.
Einmal mehr bedanke ich mich ganz innig bei meiner Frau und meinem Sohn, die
in relativ kurzem Abstand erneut die aus der Bucherstellung resultierenden familiären
Belastungen mit weiterhin beeindruckender äußerlicher Ruhe ertragen haben.
Das vorliegende Buch ist eine zusammengefasste, und z. T. erweiterte Ausarbeitung der
Vorlesungen Flugzeugtriebwerke und Turbomaschinen, die ich seit 1992 in Hamburg vor
Studentinnen und Studenten des Flugzeugbaus im 4. und 5. Semester halte. Wesentliche
Grundlagen der Höheren Mathematik, Strömungsmechanik und Thermodynamik können
dabei vorausgesetzt werden.
Ergänzend zu den Vorlesungen habe ich den Studenten in den letzten Jahren ein sehr
ausführliches Skript zur Verfügung gestellt, mit dem sie – wenn sie es denn wollten – den
Stoff erheblich vertiefen konnten. Dieses Skript ist Grundlage des vorliegenden Buches.
Auf Grund des Lernprozesses, den auch Lehrende in der Arbeit mit Studierenden erfah-
ren, haben sich Aufbau und Inhalt der Vorlesungen und damit auch des Skripts häufig
gewandelt, sodass ich glaube, dass die hier vorliegende Gliederung des zu vermittelnden
Stoffes in sich so logisch ist, dass die notwendige Wissensvermittlung folgerichtig Kapitel
für Kapitel aufeinander aufbaut.
Im ursprünglichen Skript wurden hinsichtlich der Bedürfnisse der Studenten alle ma-
thematischen Ableitungen vollständig und sehr detailliert dargestellt. Um aber den Umfang
des hier vorliegenden Buches in Grenzen zu halten, musste auf diese ausführliche Art der
Darstellung verzichtet werden.
Flugzeugtriebwerke sind technisch sehr weit entwickelte und komplexe Maschinen, de-
nen man sich nicht unbedingt sofort mit vollem theoretischem Elan annähern sollte. Eine
mehr „populärwissenschaftliche“ Einführung vereinfacht den Einstieg in die Theorie ganz
erheblich und schafft eine breite Grundlage, auf der später auch komplizierteste Dinge, mal
mehr und mal weniger verständlich, aufgebaut werden können. Aus diesem Grunde habe
ich das Buch mit einigen eher beschreibenden Kapiteln beginnen lassen, die es erlauben,
eine sehr große Anzahl von grundlegenden Begriffen und technisch/physikalischen Zu-
sammenhängen anschaulich zu definieren. Erst späteren Kapiteln ist es dann vorbehalten,
die jeweils erforderliche Theorie hinzuzufügen.
Aero- und Thermodynamik sind die physikalischen Grundlagen für eine Triebwerks-
auslegung und gehören zu den durchaus anspruchsvolleren ingenieurwissenschaftlichen
Fächern. Nur wer eine gewisse Affinität zu diesen Fächern zu verspüren vermag, dem
XVII
XVIII Vorwort zur ersten Auflage
kann es schließlich auch gelingen, einen tieferen Einblick in die grundlegende Physik der
Flugzeugtriebwerke zu erlangen.
Ich selbst habe die Grundlagen der in diesem Buch vorgestellten aero-thermodyna-
mischen Betrachtungsweise der Flugzeugtriebwerke erstmals in den Vorlesungen von Prof.
Dipl.-Ing. Otto David(†) an der RWTH-Aachen kennen und schätzen gelernt und später
mit den bemerkenswerten Büchern von Prof. Dr. Gordon C. Oates(†) von der University
of Washington in Seattle erheblich erweitern können.
Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Flugzeugtriebwerke sind die thermischen Turbo-
maschinen, deren Grundlagen ich in den anspruchsvollen Vorlesungen von Prof. Dr.-Ing.
H. E. Gallus(†) an der RWTH-Aachen kennen gelernt habe, bei dem ich später auch
promovieren konnte. Meine 13-jährige Tätigkeit im DLR (Deutsches Zentrum für Luft-
und Raumfahrt) in Göttingen hat ganz erheblich zum tieferen Verständnis der Aero-
Thermodynamik und der Turbomaschinen beigetragen. Hier hat mich gerade die sehr
angenehme und erfolgreiche Zusammenarbeit mit Herrn Dr.-Ing. F. Lehthaus nachhaltig
davon überzeugt, dass Gas- und Thermodynamik eine gediegene und anschauliche Einheit
sein können.
Für die Durchsicht des Kapitels über die Thermischen Turbomaschinen und für die
hilfreichen Anregungen dazu möchte ich meinem ehemaligen Kollegen Herrn Dr. rer.
nat. F. Kost vom DLR Göttingen herzlich danken. Herrn Prof. Dr.-Ing. H. Zingel bin
ich zu ausdrücklichem Dank für die kritische Durchsicht der Kap. 1, 2 und 4, 5 sowie
18.1 und 18.10 verpflichtet. Seine Anregungen zu den einzelnen Kapiteln habe ich gerne
aufgenommen. Bei meinem Kollegen Herrn Prof. Dr.-Ing. L. Schwarz bedanke ich mich
ganz besonders und sehr herzlich für die unkomplizierte Zurverfügungstellung seines
Vorlesungsmaterials über hochwarmfeste Legierungen für Turbinen.
Für die freundliche Genehmigung zum Abdrucken diverser Bildquellen (vollständig
oder auch nur partiell) möchte ich mich ausdrücklich bei den folgenden Firmen bedanken:
Die Ausarbeitung und Erstellung des fertigen Buchmanuskripts, der Bilder, Diagramme
und Beispielaufgaben aus dem bereits bestehenden Vorlesungsmaterial hat neben den all-
täglichen und umfangreichen Verpflichtungen in der Lehre weit über ein Jahr an sehr
konzentrierter Arbeit erfordert. In diesem Zusammenhang bedanke ich mich ganz innig
bei meiner Frau und meinem Sohn, die die daraus resultierenden familiären Belastungen
Vorwort zur ersten Auflage XIX
mit einer beeindruckenden äußerlichen Ruhe ertragen und außerdem auch noch alle zu-
sätzlichen Lasten von mir fern gehalten haben, sodass ich das Buch mehr oder weniger
unbeschwert fertig stellen konnte.
Teil I
1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.1 Physikalisches Prinzip des Strahlantriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.2 Strahltriebwerke sind Wärmekraftmaschinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
1.3 Geschichtlicher Werdegang des Strahlantriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
1.3.1 Frühe Projekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
1.3.2 Sir Frank Whittle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
1.3.3 Prof. Dr. Hans-Joachim Pabst von Ohain . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
1.3.4 Weitere wesentliche Entwicklungen des Strahltriebwerkbaus nach
dem Zweiten Weltkrieg, aufbauend auf deutschem Knowhow . . . . 18
1.3.5 Die ersten Schritte der Strahltriebwerksentwicklung in den USA . 21
1.4 Technische Methoden des Strahlantriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
1.5 Einteilung der Flugantriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
1.6 Der Strahlantrieb als bevorzugter Flugzeugantrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
1.7 Welches Triebwerk bei welcher Geschwindigkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
1.8 Aufbau und Wirkungsweise von Turbofantriebwerken . . . . . . . . . . . . . . . . 35
1.8.1 Hauptteile und Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
1.8.2 Fan und Nebenstromverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
1.8.3 Wellenanzahl und Drehrichtung von Turbofantriebwerken . . . . . 40
1.8.4 Einlauf und Schubdüsen ziviler Turbofans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
1.8.5 Stand der Leistungsfähigkeit heutiger ziviler Turbofantriebwerke 44
1.8.6 Positionierung der Triebwerke am Flugzeug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
1.8.7 Gondel und Schubumkehrer (Reverser) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
XXI
XXII Inhaltsverzeichnis
2.2 Wellenleistungstriebwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
2.2.1 Hilfstriebwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
2.2.2 Propellerturbinentriebwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
2.2.3 Hubschraubertriebwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
2.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
5 Triebwerksschub . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305
5.1 Impulssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305
5.2 Allgemeine Schubgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307
5.2.1 Allgemeine Schubgleichung für Turbojettriebwerke . . . . . . . . . . . 307
5.2.2 Herleitung der Schubgleichung für „Dummies“ . . . . . . . . . . . . . . . 316
5.2.3 Ergänzendes zu Strömungen aus konvergenten Schubdüsen . . . . 320
5.2.4 Simplifizierte Form des Impulssatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323
5.2.5 Die Schubdüse liefert „negativen“ Schub . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330
XXIV Inhaltsverzeichnis
Teil II
9 Triebwerkseinlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 941
9.1 Subsonischer Einlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 943
9.1.1 Basiseigenschaften und Zusammenhänge mit der
Fanrotorströmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 943
9.1.2 Zulauf- und Gondelwiderstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 947
9.1.3 Externe Einlaufverluste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 959
9.1.4 Interne Einlaufverluste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 962
9.1.5 Notwendige Kompromisse bei der Einlaufgestaltung . . . . . . . . . 966
9.1.6 Berechnung einer einfachen Basisgeometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . 967
9.1.7 Aspekte zur dreidimensionalen und zur überkritischen
Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 980
9.2 Supersonischer Einlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 991
9.2.1 Interne Kompression . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 992
9.2.2 Externe Kompression . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 998
9.2.3 Einläufe variabler Geometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1008
9.2.4 Festlegung der Basisgeometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1012
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1016
10 Verdichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1017
10.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1017
10.2 Verdichterwirkungsgrade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1021
10.2.1 Isentroper Verdichterwirkungsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1021
10.2.2 Isentroper Verdichterstufenwirkungsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1022
10.2.3 Polytroper Verdichterwirkungsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1027
XXVIII Inhaltsverzeichnis
11 Brennkammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1147
11.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1147
11.2 Eigenschaften von Flugzeugbrennstoffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1150
11.2.1 Dampfdruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1151
11.2.2 Flammpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1152
11.2.3 Flüchtigkeit, Siedegrenzen und Gefrierpunkt . . . . . . . . . . . . . . . 1154
11.2.4 Schwefel-, Gum- und Wassergehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1155
11.3 Basiseigenschaften von Brennkammern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1156
11.3.1 Physikalische Bedeutung der Brennkammerkomponenten . . . 1157
11.3.2 Wandkühlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1168
11.4 Brennstoffdüsen und Zündung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1175
11.4.1 Druckzerstäubung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1176
11.4.2 Luftstrahlzerstäubung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1178
11.4.3 Verdampfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1181
11.4.4 Zündung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1182
11.5 Schadstoffemissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1185
11.5.1 Umwelt und Luftfahrtantriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1186
11.5.2 ICAO Regularien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1192
11.5.3 Schadstoffreduzierung in konventionellen Brennkammern . . . 1197
Inhaltsverzeichnis XXIX
12 Turbine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1235
12.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1235
12.1.1 Zum aktuellen Stand konventioneller Turbinentechnologie . . 1235
12.1.2 Clocking-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1237
12.1.3 Schnelllaufende Niederdruckturbine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1238
12.2 Turbinenwirkungsgrade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1241
12.2.1 Isentroper Turbinenwirkungsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1242
12.2.2 Isentroper Turbinenstufenwirkungsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1242
12.2.3 Polytroper Turbinenwirkungsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1246
12.3 Auslegungsgesichtspunkte für Axialturbinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1249
12.3.1 Transsonische Turbinenbeschaufelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1249
12.3.2 Anzahl der Stufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1253
12.3.3 Schaufelhöhenverhältnis und Schaufelanzahl . . . . . . . . . . . . . . . 1256
12.3.4 Turbinenaustrittsgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1259
12.3.5 Gegenläufige Turbinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1265
12.4 Turbinenkennfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1268
12.4.1 Reduzierte Kennfeldgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1268
12.4.2 Grundlegender Aufbau des Turbinenkennfeldes . . . . . . . . . . . . 1272
12.4.3 Smith-Korrelation für isentrope Turbinenwirkungsgrade . . . . 1280
12.5 Turbinenmaterialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1281
12.5.1 Turbineneintrittstemperatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1281
12.5.2 Hochwarmfeste Legierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1285
12.6 Turbinenkühlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1305
12.6.1 Methoden der Turbinenkühlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1306
12.6.2 Abschätzung der erforderlichen Kühlluftmenge . . . . . . . . . . . . 1316
12.7 Festigkeit von Rotorschaufeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1320
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1323
13 Schubdüse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1325
13.1 Eigenschaften und Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1325
13.2 Rückwirkung der Schubdüse auf die Triebwerksleistung . . . . . . . . . . . . 1334
XXX Inhaltsverzeichnis
15 Triebwerkslärm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1485
15.1 Akustische Grundlagen zum Triebwerkslärm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1485
15.1.1 Übergreifende Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1485
15.1.2 A-Bewertung des Schalldruckpegels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1488
15.1.3 Empfundener Schallpegel und Lästigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1490
15.1.4 Tonkorrektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1491
15.1.5 Effektiver empfundener Schallpegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1493
15.2 Lärmregularien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1494
15.3 Schallquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1498
15.3.1 Strahllärm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1502
15.3.2 Fan- und Verdichterlärm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1513
15.3.3 Turbinenlärm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1528
15.3.4 Subalterne Schallquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1531
15.4 Schallreduzierende Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1534
15.4.1 Lärmbeeinflussungen konstruktiver Art an Fan und Verdichter 1534
15.4.2 Akustische Triebwerksauskleidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1542
15.4.3 Aktive Lärmminderung durch Gegenschall . . . . . . . . . . . . . . . . 1547
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1550
Inhaltsverzeichnis XXXI
16 Triebwerkssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1553
16.1 Hilfseinrichtungen und Hilfsgeräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1553
16.1.1 Zapfluft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1553
16.1.2 Hilfsgeräteträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1557
16.1.3 Startermotor und Triebwerksstart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1560
16.2 Elektronische Triebwerksregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1566
16.2.1 Generelle Aufgaben und Eigenschaften von
Triebwerksregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1567
16.2.2 Generelle Regelgrundsätze für eine Triebwerksregelung . . . 1568
16.2.3 Komponenten eines Triebwerksregelungssystems . . . . . . . . 1570
16.3 Triebwerkleistungssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1587
16.3.1 Messung und Beurteilung der Triebwerksleistung im Flug . 1594
16.3.2 Maximal zulässige Abgastemperatur EGT . . . . . . . . . . . . . . . 1597
16.3.3 Triebwerksschonung im Alltagsbetrieb durch den so
genannten Flat-Rated und De-Rated Schub . . . . . . . . . . . . . . 1598
16.3.4 FLX-Thrust und FLX-Temperature . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1601
16.4 Brennstoffsystem bzw. Kraftstoffsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1603
16.4.1 Flugzeugbrennstoffsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1604
16.4.2 Triebwerksbrennstoffsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1610
16.5 Ölsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1624
16.6 Wärmemanagementsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1639
16.7 Internes Triebwerksluftsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1644
16.7.1 Kühlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1645
16.7.2 Axialkraftausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1648
16.7.3 Aktive Spaltkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1650
16.8 Verdichterluftregelsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1656
16.8.1 Transiente Vorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1656
16.8.2 Verstellbare Verdichterleitschaufeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1662
16.8.3 Variable Abblaseventile am Niederdruckverdichter . . . . . . . 1664
16.8.4 Abblaseventile am Hochdruckverdichter . . . . . . . . . . . . . . . . 1666
16.9 Triebwerksvereisungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1669
16.9.1 Allgemeines zur Eisbildung und zur Enteisung . . . . . . . . . . . 1669
16.9.2 Vereisungsschutz für den Nasenkonus oder Spinner . . . . . . 1672
16.9.3 Vereisungsschutz für die Gondeleinlauflippen . . . . . . . . . . . . 1673
16.10 Gondelbelüftung und Schutz vor Überhitzung und Feuer . . . . . . . . . . 1674
16.10.1 Kühlung und Belüftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1674
16.10.2 Prävention, Detektion und Löschung von Triebwerksfeuern 1676
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1684
18 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1785
18.1 Thermodynamik thermischer Turbomaschinen sowie idealer und
realer Arbeitsfluide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1785
18.1.1 Thermodynamik thermischer Turbomaschinen . . . . . . . . . . 1785
Inhaltsverzeichnis XXXIII
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1975
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1979
Formelzeichen4
a (m/s) Schallgeschwindigkeit
A (m2 ) Fläche
AP Auslegungspunkt
b (m) Breite, Spannweite
bax (m) axiale Schaufelerstreckung
br (m) radiale Schaufelerstreckung, Schaufelhöhe
br /s Schaufelhöhenverhältnis
BP Betriebspunkt
BS ((kg/h)/kN) spezifischer Brennstoffverbrauch
c (m/s) Absolutgeschwindigkeit
cA Auftriebsbeiwert
cd c/d konvergent-divergent
cW Widerstandsbeiwert
c0 (m/s) Fluggeschwindigkeit
c9 (m/s) Triebwerksaustrittsgeschwindigkeit (Primärkreis)
c19 (m/s) Fandüsenaustrittsgeschwindigkeit (Sekundärkreis)
cp (Nm/(kg · K)) spezifische Wärmekapazität bei konstantem Druck
cv (Nm/(kg · K)) spezifische Wärmekapazität bei konstantem Volumen
C (dB) Tonkorrekturfaktor
C (Nm/(kmol · K)) molare Wärmekapazität
Cp Druckbeiwert
CU Kraftbeiwert nach Zweifel
D (m) Durchmesser
D Diffusionszahl bei Turbomaschinen
4
Auf Grund des thematischen Umfanges des Buches ließ es sich nicht vermeiden, gewissen
Buchstaben verschiedene Bedeutungen zuzuordnen. Die Gebiete und Buchstaben wurden aber so
gewählt, dass es praktisch zu keinen Kollisionen kommen kann. Das folgende Verzeichnis enthält die
am häufigsten verwendeten Buchstaben und ihre Bedeutungen. Einige wenige Abweichungen davon,
die in einzelnen Kapiteln fachlich notwendig waren, sind dort gesondert gekennzeichnet worden.
XXXV
XXXVI Formelzeichen
M (kg/kmol) Molmasse
Ma Machzahl
Ma0 Flugmachzahl
Ma9 Triebwerksaustrittsmachzahl (Primärkreis)
Ma19 Fandüsenaustrittsmachzahl (Sekundärkreis)
n Polytropenexponent
n, n Normalenvektor
n (min−1 ) Drehzahl
ns spez. Drehzahl bei Radialmaschinen
N Anzahl von Stufen in Turbomaschinen
NA Avogadro-Konstante
N1 (min−1 bzw. %) Drehzahl der Niederdruckwelle
N2 (min−1 bzw. %) Drehzahl der Hochdruckwelle
OAT (K) Außentemperatur (T0 )
p (N/m2 ) statischer Druck
p0 (N/m2 ) Umgebungsdruck (Barometerdruck)
pt (N/m2 ) Totaldruck
p̃ (N/m2 ) Schalldruck
P (Nm/s) Leistung
PF (Nm/s) Schubleistung
PF Profile Factor
PN (Nm/s) Nutzleistung
Pr Prandtl-Zahl
PTF Peak Temperature Factor (Pattern Factor)
PVerl (Nm/s) Verlustleistung
q (Nm/kg) spezifische Wärmeenergie
qab (Nm/kg) spez. Wärmeenergie bei der Kreisprozessschließung
qB (Nm/kg) im Brennstoff enthaltene spez. Wärmeenergie
qzu (Nm/kg) in der Brennkammer zugeführte spez. Wärmeenergie
Q (Nm) Wärmeenergie
Q/t (Nm/s) Wärmestrom
r (m) Radius
rE (m) Euler-Radius
rG (m) Gehäuseradius
rN (m) Nabenradius
r1 (m) Eintrittsradius in ein Laufrad
r2 (m) Austrittsradius aus einem Laufrad
rF Recovery-Faktor
rm (m) mittlerer Radius eines Laufrades
Ri (Nm/(kg · K)) spezielle Gaskonstante, hier: 287
Re Reynolds-Zahl
XXXVIII Formelzeichen
Exponent
Indizes
abs absolut
äq äquivalent
ax axial
A auf eine Fläche bezogen
Formelzeichen XLI
is isentrop
j Strahl (Jet) hinter einem Propeller
j bezogen auf eine Stufe
K Kühlung
KL Kühlluft
KL,V Kühlluft, vom Verdichter kommend
kin kinetische Energie
krit kritische Größe
komp Kompression
m geometrischer Mittelschnitt bei Turbomaschinen
m meridional
max Maximum, Maximalwert
mech mechanisch
min Minimum, Minimalwert
M Gondelmittenteil
M Zwangsmischer eines Turbofantriebwerks
M Mittenschnitt am Eulerradius einer Turbomaschine
MTOW maximales Abfluggewicht (Startmasse)
N Nabenschnitt bei Turbomaschinen
N Nutzen eines Kreisprozesses
N Nabe bei Turbomaschinen
N Normalkomponente einer Geschwindigkeit
NB Nachbrenner
NDT Niederdruckturbine
NDV Niederdruckverdichter
opt Optimalwert an der Stelle von Maxima oder Minima
P Druckkraft
PL transportierte Nutzlast (Passagiere + Gepäck + Fracht)
PG Pumpgrenze
Prop Propeller
red reduzierte Größe nach Machscher Ähnlichkeit
ref Referenzdruck oder Referenztemperatur hier meist:
pref = 1 013 hPa,
Tref = 298.15 K
rel relativ
res resultierend
R Reibung
R Rotor bei Turbomaschinen
RT Radialturbine
RT Reaktionsturbine
RV Radialverdichter
s isentrop
SG Schmerzgrenze
Formelzeichen XLIII
stall Strömungsabriss
stöch stöchiometrisch
S spezifische Größe
S Schaufel bei Turbomaschinen
SW Seitenwind
St Stützkraft
St Triebwerksstirnfläche
STR Flugzeugstruktur (Rumpf + Flügel + Leitwerk)
t Totalgröße
t,HG Totalgröße des Heißgases in der Turbine
tech technische Arbeit
th thermisch
th theoretisch, bei Radialmaschinen
T Turbine
T Tachometerwelle
TF Turbofan
TJ Turbojet
TO take-off (Startfall)
TP Turboprop
TS Turboshaft
TW Triebwerk
u Umfangsrichtung
uF nicht installierter Schub
U Übergangsstück hinter der Turbine
v relativ, Relativgeschwindigkeit
V Vortrieb
V Verdichter
V Gondelvorderteil (Vorkörper)
Verl Verlust
VGG Vortrieb, Gasgenerator
VTP Vortrieb, Turboprop
W Wand
W Widerstand
W,a adiabate Wand
WG Gondelwiderstand
WGV Widerstand des Gondelvorkörpers
WÜ Überlaufwiderstand
WZ Zulaufwiderstand
x x-Koordinate (horizontal)
y y-Koordinate (vertikal)
z z-Koordinate
Z Zapfluft (bleed air)
XLIV Formelzeichen
Turbomaschinen
Sonderzeichen
∗ kritische Strömungsgröße
κ- und cp -Werte eines heißen Verbrennungsgases
. zeitabhängige Größe
vektorielle Größe
– arithmetisch gemittelte Größe
= logarithmisch gemittelte Größe
Teil I
Einführung
1
Sowohl zur Bewegung oder Beschleunigung eines Fahrzeuges als auch zur Überwindung
von Widerstandskräften wird eine Antriebskraft benötigt, die üblicherweise von einer
Kraftmaschine (Motor) bereitgestellt wird. Bei Fahrzeugen, die sich auf dem Land bewegen,
wird die Antriebskraft über die abrollenden Räder infolge von Reibung auf den Untergrund
übertragen.
In der Atmosphäre dagegen wird der ständige Vortrieb eines Luftfahrzeuges durch Im-
pulswirkung realisiert, indem Luft entgegengesetzt zur Flugrichtung beschleunigt wird.
Dieses machen sich sowohl Propeller- als auch Strahltriebwerke zu Nutze. Eine verein-
fachende Darstellung dieses Prinzips, das auf dem dritten Newtonschen Axiom (actio =
reactio) beruht, gibt Abb. 1.1 wieder, welches eine Analogie zwischen der Rückstoßkraft
einer Pistole und dem Schub eines Triebwerks zeigt.
Zur Erklärung der Entstehung des Triebwerksschubes braucht man im Wesentlichen
drei physikalische Grunddefinitionen:
1. Impuls: I = m · c,
2. Das zweite Newtonsche Axiom: F = İ = dI/dt ,
3. Das dritte Newtonsche Axiom: actio = reactio.
Ein großer Teil der Darstellungen und Beschriftungen in Abb. 1.1 sind selbsterklärend.
Es entstehen zusammengefasst zwei Kräfte, eine vorwärts- und eine rückwärtsgerichtete,
aus deren Differenz sich die Schubkraft F ergibt. Die vorwärtsgerichtete Kraft FV entsteht
dadurch, dass Luftmasse aus dem Triebwerk nach hinten mit einer bestimmten Geschwin-
digkeit austritt. Entgegen der Richtung dieser Geschwindigkeit entsteht – als Reaktion
darauf – eine nach vorne wirkende Kraft FV . Gleichzeitig trifft bei einem sich vorwärts
Reaktion Aktion
... erzeugt einen „Rückschlagimpuls“ Das Austreten des Geschosses der
entgegen der Richtung der Austritts- Masse m aus der Pistole mit der
geschwindigkeit des Geschosses. Geschwindigkeit c ...
Austrittsimpuls m ⋅c
.
− FV mI ⋅ c9
+x
Austrittsimpulsstrom
.
mII ⋅ c19
Eintrittsimpulsstrom
.
m0 ⋅ c0 +FR
− +x
Eintrittsimpuls m ⋅c
Faust der Masse m trifft ... erzeugt einen Impuls, der den Sand-
mit der Geschwindigkeit c sack in Richtung der Auftreffgeschwin-
gegen einen Sandsack und ... digkeit des Faustschlages bewegt.
Aktion Reaktion
Brutto-Schub
− FV
|F | = | F v| − F R
+ FR Netto-Schub
+y
−F
+x
Abb. 1.1 Analogie zum physikalischen Verständnis des Vortriebs in der Atmosphäre
bewegenden Triebwerk eine Luftmasse auf das Triebwerk, die sich dessen Bewegungsrich-
tung „entgegenstellt“. Es entsteht als Reaktion auf den Vorgang der auftreffenden Luft eine
rückwärts gerichtete Kraft FR am Triebwerk. Es entsteht als Reaktion auf den Vorgang
der auftreffenden Luft eine rückwärts gerichtete Kraft FR am Triebwerk. Der Impuls I
1.1 Physikalisches Prinzip des Strahlantriebs 5
(Vektor) ist eine physikalische Größe, die per Definition aus der Masse m (Skalar) und der
Geschwindigkeit c (Vektor) zusammengesetzt ist:
I := m · c (1.1)
Der Impuls I hat also dieselbe Richtung wie die Geschwindigkeit c . Damit zeigt der
Austrittsimpuls in Richtung der positiven Austrittsgeschwindigkeit, bezüglich der ein-
gezeichneten positiven x-Koordinate. Er erzeugt aber eine negative Reaktionskraft −FV ,
entgegen der Impulsrichtung. Der Eintrittsimpuls zeigt auch in positive Richtung, bezüg-
lich der positiven x-Koordinate. Er bewirkt dabei aber nun – im Gegensatz zur zuvor
beschriebenen Situation – eine ebenfalls positiv gerichtete Reaktionskraft +FR . Der Schub
F des Triebwerks ist bezüglich der x-Koordinate negativ. Wird nun die Summe aller Kräfte
in x-Richtung aufgeschrieben, so ergibt sich:
Fx = 0 = F + FR + FV
−F = FV + FR := −FV + FR
|F| = |FV | − FR . (1.2)
Die Stärke des Rückstoßes einer abgefeuerten Pistole wird durch die Masse des Geschosses
und durch dessen Austrittsgeschwindigkeit bestimmt. Je größer Masse und oder Geschwin-
digkeit sind, umso größer wird der Rückstoß werden1 . Überträgt man diese Eigenschaft
auf ein Strahltriebwerk, so wird dessen Schub, der mit dem Rückstoß der Pistole vergleich-
bar ist, umso größer ausfallen, je größer die aus ihm austretende Luftmasse ist und/oder
je größer die Ausströmgeschwindigkeit der Luft aus dem Triebwerk ist. Das Produkt aus
Masse m und Geschwindigkeit c nennt man in der Physik den Impuls: I := m · c . Die
wesentliche physikalische Schubgröße eines Triebwerks ist damit sein sog. Austrittsimpuls,
den man auch als Bruttoschub bezeichnet. Durch die mit der Fluggeschwindigkeit in das
Triebwerk einströmende Luftmasse wird ebenfalls ein Impuls – der sog. Eintrittsimpuls
– erzeugt, der aber der Richtung des Austrittsimpulses entgegen wirkt. Im Flug ist damit
der Triebwerksschub proportional zur Differenz zwischen dem Aus- und dem Eintrittsim-
puls (Nettoschub), wobei nur dann Schub entsteht, wenn der Austrittsimpuls größer als
der Eintrittsimpuls ist. Da die in das Triebwerk eintretende Luftmasse praktisch identisch
mit der aus ihm austretenden ist, kann diese Impulsdifferenz nur durch eine Geschwin-
digkeitserhöhung zwischen Triebwerksein- und Triebwerksaustritt hervorgerufen werden.
Die Triebwerksaustrittsgeschwindigkeit muss, um Schub zu erzeugen, stets größer sein als
1
Eine Kanone, deren Geschosse viel größer als die einer Pistole sind, hat bekanntlich auch einen viel
stärkeren Rückstoß. Die Stärke des Rückstoßes ist vollkommen unabhängig davon, ob eine Pistole
oder Kanone in der freien Atmosphäre, im Wasser oder im Vakuum abgefeuert werden würde.
Das hierdurch beschriebene physikalische Phänomen des Rückstoßes ist somit nicht – wie häufig
vollkommen fälschlich angenommen wird – das Resultat der Druckwirkung des Geschosses auf die
umgebende Atmosphäre.
6 1 Einführung
thermische
mechanische Beschleunigung
Beschleunigung
Abb. 1.2 Prinzipdarstellung zur Impulswirkung bei der Schuberzeugung von Propeller- und
Strahltriebwerken
die Eintrittsgeschwindigkeit. Die Aufgabe des Triebwerks besteht also darin, die in das
Triebwerk eintretende Luft zu beschleunigen.
Beim Propellertriebwerk erfolgt die Beschleunigung der Luft durch rotierende Pro-
pellerblätter. Dieses sind schräg zur anströmenden Luft angeordnete tragflügelähnliche
Flächen, welche die in ihrer Rotationsebene befindliche Luft rein mechanisch stromabwärts
beschleunigen, Abb. 1.2 links. Der Antrieb des Propellers erfolgt dabei entweder durch ei-
ne Verbrennungskraftmaschine (Kolbenmotor) oder durch eine Gasturbine (Turboprop-
oder Wellenleistungstriebwerk). Beim Strahltriebwerk erfolgt die Vortriebserzeugung in
Form einer thermischen Beschleunigung. Es wird, basierend auf der Grundlage eines ther-
modynamischen Kreisprozesses, innerhalb des Strahltriebwerks ein schneller Gasstrahl
erzeugt und dieser entgegen der Bewegungsrichtung des Triebwerks ausgestoßen, Abb. 1.2
rechts.
Das vielleicht älteste Beispiel für die Impulswirkung könnte der sog. Heronsche Ball 2
sein, Abb. 1.3 links. Hierbei handelt es sich um ein kugelförmiges, an zwei Stellen gelagertes
Gefäß, aus dem zwei rechtwinklig abgebogene Röhrchen herausragen. In einem darunter
befindlichen Kessel wird solange Wasser erhitzt, bis sich Dampf bildet, der über eine der
seitlichen Kugelhalterungen, die innen hohl ist, in den Kugelkörper gelangt, wo es schließ-
lich aus den rechtwinklig gebogenen Röhrchen herausströmt und so den Heronschen Ball
rotieren lässt3 .
Einen frühen Gedanken zur Ausnutzung des dritten Newtonschen Axioms (actio =
reactio) als Fahrzeugantrieb zeigt der rechte Teil von Abb. 1.3. In einem in einem Fahrgestell
2
Heron von Alexandria, griechischer Mathematiker und Physiker, um 150 . . . 100 v. Chr. Vielseitiger
Verfasser geometrischer und physikalischer – z. T. aber verstümmelt überlieferter – Schriften.
3
Es ist nicht bekannt, von wem die in Abb. 1.3 (links) dargestellte Skizze stammt. Man nimmt
aber an, dass der tatsächliche Heronsche Ball etwas anders aussah als er hier dargestellt ist und eher
die Form eines Zylinders hatte. Manchmal wird auch kolportiert, dass der Heronsche Ball dazu
dienen sollte, die Tore ägyptischer Tempel ohne sichtbaren Arbeitseinsatz zu öffnen, um so die
übernatürlichen Fähigkeiten ägyptischer Priester zu unterstreichen, Casamassa und Bent (1965).
1.1 Physikalisches Prinzip des Strahlantriebs 7
Abb. 1.3 Historische Darstellungen zur Impulswirkung; links der sog. Ball des Heron, rechts die
sog. pferdelose Kutsche
gelagerten Kessel wird Wasser zu Dampf erhitzt, der aus einer vom Fahrer regulierbaren
Düse nach hinten ausströmt und so die sog. pferdelose Kutsche antreibt4 .
Im alltäglichen Leben begegnet uns die Strahl- oder Impulswirkung in unzähligen
Fällen. So rotiert z. B. ein Gartensprenger als Reaktion auf die aus ihm austretenden Wasser-
strahlen. Hochdruckrohre der Feuerwehr sind ein weiteres Beispiel dieser Impulswirkung.
Auf Grund der Reaktion auf den austretenden Wasserstrahl treten solche Kräfte auf, dass
die Hochdruckrohre von mehreren Feuerwehrleuten zugleich gehalten werden müssen.
Somit ist ein Strahltriebwerk lediglich ein „simpler Apparat“ in dem ein Gas- oder
Luftstrahl beschleunigt und dann nach hinten, mit hoher Geschwindigkeit ausgestoßen
wird. Für die technische Umsetzung dieses Vorgangs gibt es eine Vielzahl von Varianten.
Alle haben zum Ergebnis, dass als Reaktion ein Vortrieb oder Schub erzeugt wird, der dem
Produkt aus durchströmender Luftmasse und der Geschwindigkeitsänderung zwischen
Triebwerksaustritt und Triebwerkseintritt proportional ist. Diese Proportionalität besagt
aber auch, dass ein und derselbe Schub entweder dadurch erzeugt werden kann, indem
eine große Luftmasse mit einer kleinen Geschwindigkeitsänderung oder aber eine kleine
Luftmasse mit einer großen Geschwindigkeitsänderung versehen wird.
Die erste Kombination ist typisch für ein Turbofantriebwerk und die letztere für ein
Turbojettriebwerk. Turbofantriebwerke sind im zivilen Flugverkehr die heute bevorzugte
Lösung, da die geringere Geschwindigkeitsänderung zu einem besseren Vortriebswir-
kungsgrad des Triebwerks und zu weniger Lärm führt.
4
Es gibt Literaturstellen, die behaupten, dass die pferdelose Kutsche ein Gedanke Isaac Newtons war
(Newton’s Steam Carriage/Newton’s Horseless Carriage). Das ist aber wohl eher falsch, Smith (1950).
Die Darstellung in Abb. 1.3 dient nur der Veranschaulichung des dritten Newtonschen Axioms und
hat ansonsten nichts mit Sir Isaac Newton zu tun.
8 1 Einführung
Triebwerke sind generell gesehen Maschinen, die eine andere Energieform in mechanische
Arbeit umwandeln. Flugzeugtriebwerke gehören damit zu den sog. Wärmekraftmaschinen.
In diesen Wärmekraftmaschinen wird Wärmeenergie entweder in mechanische Arbeit
umgewandelt und so mittels einer Arbeitsturbine zum Antrieb eines Propellers oder eines
Hubschrauberrotors genutzt oder aber in kinetische Energie gewandelt und so in Form
eines schnellen Gasstrahles in Strahltriebwerken zum Einsatz gebracht. Die Umwand-
lung von Wärmeenergie in mechanische Arbeit setzt praktisch immer das Vorhandensein
komplizierter Maschinen voraus. Wird einem Gas Wärme zugeführt, so vergrößert sich
dessen Wärmeinhalt. Dadurch steigt entweder der Druck (Otto-Motor, Kolbenmaschine)
oder die Geschwindigkeit (Gasturbine). Eine anschließende Ausdehnung des Gases (Ex-
pansion) kann zur Kraftübertragung verwendet werden, sodass in Kolbenmaschinen ein
Kolben oder in Gasturbinen eine Turbine in Bewegung versetzt und so mechanische Arbeit
(Kraft × Weg) verrichtet wird.
In Luftfahrzeugen wird ein Triebwerk entsprechend der jeweiligen Anforderungen ent-
weder zur Erzeugung mechanischer Arbeit (Propeller- und Hubschraubertriebwerk) oder
aber zur Entwicklung kinetischer Energie (Strahltriebwerk) genutzt. Beträgt z. B. der Schub
F eines Triebwerks 250 kN (Kraft) und wird damit in der Luft eine Flugzeugreichweite RW
von 10.000 km (Weg) realisiert, so beträgt die Arbeit W (Kraft × Weg):
Das Beispiel zeigt ganz anschaulich, dass die mechanische Arbeit, die beim Fliegen zu
verrichten ist, sehr groß ist und mehrere TJ (Terajoule = 1012 J) betragen kann. Eine
solche riesige Menge an mechanischer Energie kann natürlich nicht gespeichert werden
und entsteht deswegen aus einer kontinuierlichen Umwandlung von Wärmeenergie, die
innerhalb des Triebwerks durch Verbrennen von Brennstoff freigesetzt wird. Die notwen-
dige Energiemenge wird also in Form von Brennstoff vom Flugzeug mitgeführt und durch
einen chemischen Vorgang (Oxidation, Verbrennung) in Wärme und anschließend in
mechanische Arbeit oder kinetische Energie gewandelt.
Der Gedanke des Strahlantriebes ist der Menschheit seit mindestens tausend Jahren be-
kannt. Der erste dokumentarische Bericht über die Benutzung von Raketen bei einem
Feuerwerk stammt aus China und wurde während der Sung-Dynastie, die als 2. kulturelle
und wirtschaftliche Glanzzeit Chinas gilt, zwischen 960 und 1279 verfasst. Eine spätere
1.3 Geschichtlicher Werdegang des Strahlantriebs 9
c
Abb. 1.4 Erste Gedanken zum Einsatz des Impulsantriebes in der Luftfahrt; a Illustration aus der
Zeitschrift Flying von 1903, b Patententwurf von René Lorin (1909), c Entwurf von René Lorin
(1913)
chinesische Chronik aus dem 12. Jahrhundert beschreibt in diesem Zusammenhang so ge-
nannten „Lanzen des stürmischen Feuers“, womit Pfeile mit einem Pulvertreibsatz gemeint
waren, die gegen mongolische Invasoren eingesetzt wurden.
Viele Kinder in China kennen die Sage von Wan Hu, dem verträumten Mandarin, der
alles über die Sterne wissen wollte. Eines Tages im 15. Jahrhundert, so heißt es, setzte er
sich in einen fliegenden Stuhl, der die Form eines Drachen hatte, und an dem 47 Feuer-
werksraketen befestigt waren. Er befahl seinen 47 Assistenten, jeder ausgerüstet mit einer
brennenden Fackel, die Raketen gleichzeitig zu entzünden. Sie taten, wie ihnen geheißen,
und es kam, wie es kommen musste: Wan Hus Versuch, die Sterne zu erreichen, schlug auf
dramatische Weise fehl. Der Mandarin verschwand in einer ungeheuren Explosion, und
niemand sah ihn jemals wieder.
Die sehr frühen Arbeiten zum Strahlantrieb beziehen sich also weniger auf einen Antrieb
für Flugzeuge, so wie wir sie heute verstehen, sondern vielmehr auf das, was wir heute unter
dem Begriff Rakete zusammenfassen. In dem hier vorliegenden Buch soll sich im Folgenden
primär mit der Gasturbine und dem Strahltriebwerk als Flugzeugantrieb (luftatmender
Flugantrieb) beschäftigen werden.
Einen visuellen Zusammenhang zwischen der Ausnutzung der Impulswirkung und
der Luftfahrt zeigt die Darstellung in Abb. 1.4a, die in der Zeitschrift „Flying“ im Jahr
1903 erschienen ist. Ähnlich wie bei einem Gartensprenger drehen sich die gegenläufig
rotierenden Rotoren eines Hubschraubers infolge des Austritts eines Antriebsgases aus
den Blattspitzen. Solche Blattspitzenantriebe (Reaktionsantrieb) sind im Übrigen keine
Fantasie geblieben, sondern fanden später bei einigen wenigen Hubschraubern durchaus
ihre Anwendung: Hughes XH17, Sud-Quest SO 1221 Dijnn oder Dornier DO-32 K Kiebitz.
10 1 Einführung
Der französische Ingenieur René Lorin erhielt 1908 ein Patent auf eine Art von Strahl-
antrieb, dessen eigentliche Grundlage eine Kolbenmaschine war, Abb. 1.4b aus dem
Jahr 1909. Das Abgas des herkömmlich arbeitenden Kolbenmotors sollte direkt aus dem
Kolben in eine Düse5 geleitet und an deren Austritt infolge der Impulswirkung zur Schu-
berzeugung verwendet werden. Da die Luftmenge, die im Zylinder eines Kolbenmotors
verarbeitet werden kann, gering ist, wird auch der zu erwartende Schub – trotz der hohen
Geschwindigkeit in der konvergent-divergenten Austrittsdüse – nicht sehr üppig ausfallen.
René Lorin stellte sich deswegen vor, den Flügel eines Flugzeuges mit einer ganzen Serie
solcher Düsen auszustatten.
Dieser gravierende Nachteil der geringen Luftmasse veranlasste René Lorin, weitere
Überlegungen anzustellen, sodass er sich 1913 einen weitergehenden Gedanken zu einem
Strahlantrieb patentieren lassen konnte. Diesen Strahlantrieb, der heute als Staustrahl-
triebwerk (Ram Jet) bezeichnet werden würde, zeigt skizzenhaft Abb. 1.4c. In diesem
so genannten Athodyd (Akronym für Aero-Thermodynamic-Duct, Casamassa und Bent
1965) wird Brennstoff zusammen mit Luft verbrannt. Das dabei entstehende Heißgas
dehnt sich auf Grund der Wärmezufuhr um das Vier- bis Fünffache aus. Da der Verbren-
nungsraum in Radialrichtung begrenzt ist, führt die Volumenzunahme zu einer axialen
Beschleunigung, die das heiße Gas nach hinten durch eine Düse austreten lässt. Voraus-
setzung ist, dass bei diesem Vorgang ständig Luft mit ausreichend kinetischer Energie dem
Athodyd zuströmt, damit das Heißgas nicht auch nach vorne entweichen kann.
Mit diesem Patententwurf konnten nun große Mengen an Luft verarbeitet werden,
die zusammen mit den hohen Austrittsgeschwindigkeiten auch zu signifikanten Schü-
ben führen. Zu der damaligen Zeit war es aber weder möglich, ein solches Triebwerk zu
fertigen noch es zu nutzen. Zum einen gab es nicht die dazu notwendigen wärmebestän-
digen Materialien und zum anderen war der Strahlantrieb in dieser Form für die damals
existierenden und nur langsam fliegbaren Flugapparate vollkommen inakzeptabel. Die
vollkommen untauglichen und extrem hohen Kraftstoffverbräuche, die ein Athodyd bei
kleineren Fluggeschwindigkeiten im Unterschallbereich erzeugt, waren damals noch gar
nicht Bestandteil einer bewertenden Diskussion dieser Antriebsform.
Angemessene Luftdurchsätze und gemäßigter Kraftstoffverbrauch versprach der 1917
von dem Franzosen O. Morize entwickelte Ejektorantrieb, der in Abb. 1.5 dargestellt
ist. Ein Kolbenmotor treibt einen Verdichter an, der die von ihm angesaugte Luft, nach
Durchströmen einer Beruhigungsstrecke, unter erhöhtem Druck zu einer hitzebeständigen
Brennkammer fördert. Vor dem Eintritt in die Brennkammer wird diese Luft mit Kraftstoff
vermischt. Der Kraftstoff wird von einer Kraftstoffpumpe, die ebenfalls von dem Kolben-
motor angetrieben wird, aus einem separaten Tank zur Brennkammer hin gefördert. Eine
5
Als Düse war eine sog. konvergent-divergente Düse vorgesehen, die immer dann verwendet wird,
wenn die Austrittsgeschwindigkeit aus der Düse größer als die Schallgeschwindigkeit sein soll. An
dieser Stelle des Buches soll aber auf diese besondere Düseneigenschaft noch nicht tiefer eingegangen
werden. Sie wird aber in späteren Kapiteln – zu geeigneten Zeitpunkten – noch mehrfach sehr
eingehend behandelt und diskutiert werden.
1.3 Geschichtlicher Werdegang des Strahlantriebs 11
Kraftstoffpumpe
Kraftstoffleitung
Kraftstofftank
Verdichter
Luft-
einlass
Kolben- Multi-Düsen-
motor Brennkammer
Zündkerze
seitliche Luftzufuhr
Ejektorröhre
Brennkammer
Brennstoff-Ejektordüse Ringbrennkammer
Abb. 1.5 Ejektorantrieb des Franzosen O. Morize; links Prinzipdarstellung des Gesamtaufbaus,
rechts zwei mögliche Variationen des Brennkammerteils
Zündkerze entflammt das Kraftstoff Luft-Gemisch. Der nachfolgende Ejektorteil des An-
triebskonzepts, dessen grundlegende Funktionsweise praktisch in jedem Physikbuch unter
dem Begriff „Wasserstrahlpumpe“ beschrieben ist, hat die Aufgabe, dem Strahlantrieb wei-
tere Umgebungsluft zuzuführen. Dazu strömt das Verbrennungsgas aus der Brennkammer
in ein sich erst verengendes und dann wieder erweiterndes Rohr. Infolge der Querschnitts-
verengung in der Düse hat das Abgas eine große Geschwindigkeit und von daher einen
niedrigen Druck. Der niedrige Druck saugt über die seitlichen Ansaugöffnungen weitere
Luft aus der Umgebung an und erhöht so die Luftmasse dieses Antriebskonzepts. Während
des Ersten Weltkrieges (1914 . . . 1918) experimentierten die französischen Militärbehör-
den mit Derivationen des Ejektorantriebs von Morize, auf die 1920 der Franzose Mélot ein
Patent erhielt (Mehrfachdüsen Schubverstärker nach dem Ejektorprinzip).
Ebenfalls aus dem Jahr 1917 stammt das in Abb. 1.6 dargestellte Antriebskonzept von H.
S. Harris aus England, das ähnlich arbeitet wie der in Abb. 1.5 dargestellte Ejektorantrieb.
Ein Kolbenmotor treibt ein einfaches Radialgebläse an, das Luft in eine Brennkammer
fördert. Dort kommt es wieder zur Gemischbildung und zur Verbrennung. Das Abgas tritt
mit hoher Geschwindigkeit in die düsenförmig ausgebildeten Abgasröhren ein und saugt
durch seinen dabei erzeugten Unterdruck von außen weitere Luft an.
Genauso wenig geschichtliche Beachtung wie dem Konzept von H. S. Harris in Abb. 1.6
wurde dem in Abb. 1.7 dargestellten Patententwurf des Franzosen Maxime Guillaume
aus dem Jahr 1921 geschenkt, obwohl dieser Entwurf mit Sicherheit die erste eindeutige
Beschreibung einer Luft atmenden Gasturbine mit Verdichter, Brennkammer und Turbine
sein dürfte. Auch dieser Entwurf wurde – genau wie der von H. S. Harris – nie in die Praxis
umgesetzt.
12 1 Einführung
Kraftstoffdüse Brennkammer
Abgasrohr
Kraftstofftank
Radial-
gebläse
2-Zylinder-Kolbenmotor
Druckbeaufschlagung
des Kraftstofftanks
durch Verdichterluft Kraftstofftank
Rotor Kraftstoffzufuhr
Stator
Stator
Über-
setzungs-
getriebe
Brenn- Axialturbine
Axialverdichter kammer Rotor
Magnetspule
Anlasskurbel
Abb. 1.7 Früher Entwurf eines Patentes (Propulseur par réaction sur l’air) über eine Luft atmende
Gasturbine von Maxime Guillaume, das er am 3. Mai 1921 beantragt hatte und das ihm am 13. Januar
1922 zugeteilt wurde
Der deutsche Erfinder des Strahltriebwerks, Prof. Dr. Hans-Joachim Pabst von Ohain,
vermutet in seinem Vorwort zum Buch von Jack D. Mattingly (1996), dass alle diese frü-
hen Überlegungen zu den Strahltriebwerken für längere Zeit in Vergessenheit gerieten,
weil eine im Auftrag der NACA durchgeführte Studie von Edgar Buckingham (1922) vom
amerikanischen Bureau of Standards anhand von theoretischen Überlegungen zu dem Er-
1.3 Geschichtlicher Werdegang des Strahlantriebs 13
gebnis6 kam, dass der Strahlantrieb nur für Fluggeschwindigkeiten von mehr als 750 km/h
wirtschaftlich sein kann. Sowohl auf Grund der exzellenten Studie als auch auf Grund des
Renommees von Edgar Buckingham und der Tatsache, dass damalige Flugzeuge kaum
schneller als 370 km/h fliegen konnten, schwand das Interesse der Flugmotorenindustrie
und der Luftfahrtforschung am Strahlantrieb in dieser Zeit nahezu vollkommen.
Die Erinnerung an diese frühen Entwicklungen und Patente ging im Laufe der Zeit voll-
kommen verloren. Erst in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts wurden diese Dinge –
im wahrsten Sinne des Wortes – wieder vollkommen neu erfunden und darauf in England
(1930/1932) und Deutschland (1935/1937) neue Patente beantragt und erteilt. Den beiden
Patenthaltern, in England Frank Whittle und in Deutschland H.-J. Pabst von Ohain, waren
weder die Existenz der frühen Projekte und Patente noch die jeweiligen aktuellen Patente
in dem anderen Land bekannt. Erst 1939 stellte das deutsche Patentamt – durch den Pa-
tentprüfer Gohlke – eine Auflistung aller bis dato bekannt gewordenen Triebwerksprojekte
und -patente zusammen und veröffentlichte sie in einem zusammenfassenden Rückblick,
Mattingly (1996).
Im Oktober 1932 wurde dem Briten Frank Whittle7 , damals Kadett am Royal Air Force
College in Cranwell, ein von ihm am 16. Januar 1930 beantragtes Patent (British Patent No.
347 206) über eine Gasturbine zur Erzeugung eines energiereichen Antriebstrahls zuge-
sprochen. Abbildung 1.8 zeigt eine Reproduktion der Patentskizze für diesen Strahlantrieb.
Ein zweistufiger Axialverdichter und ein anschließender einstufiger Radialverdichter wer-
den über eine gemeinsame Welle von einer zweistufigen Axialturbine angetrieben. Die
beiden Rotorbeschaufelungen der Turbine befinden sich auf einer einzigen, gemeinsamen
Turbinenscheibe. Die Schubdüse ist als Ringdüse in Lavalform (konvergent/divergent)
ausgebildet.
Zwischen 1930 und 1935 versuchte Whittle seine Idee zum Strahlantrieb, der Luftwaffe,
dem Luftfahrtministerium und verschiedenen Herstellerfirmen anzubieten. Bedauerli-
cherweise konnte er nirgends Interessen für seine Ideen wecken8 , sodass er 1936 seine
6
„Without going into any quantitative analysis of this ingenious suggestion, it may safely be predicted
that no such method of jet production would have an appreciably higher thermal efficiency than the
one we have considered in detail; the fundamental disadvantage of high jet speed and poor ratio
of conversion of heat into thrust work would remain as an insuperable obstacle to the use of such
jets.The only hope of success lies in the thrust augmenters, and if any experimental work is to be
done, it should be on them. For it would be most unwise to undertake the difficult work of developing
apparatus for producing the jet until it had at least been made probable that the jet could be helped
out enough to bring its economy within the range of what is tolerable in practice.“
7 ∗
1. Juni 1907 Coventry, UK, †9. August 1996, Baltimore, USA.
8
The life of Frank Whittle „. . . is the story of a genius throttled by British government bureaucracy,
for even when in 1943 Rolls-Royce became involved with the successful design and manufacture of
14 1 Einführung
Gehäuse
Abgasaustritt
Abb. 1.8 Nachbildung der Skizze, die Frank Whittle seinem Patentantrag beigefügt hatte
eigene Firma, Power Jets Ltd., gründete. Zusammen mit der Fertigungsfirma British
Thomson-Houston Company in Rugby9 wurde so schließlich das erste britische flugfertige
Strahltriebwerk, die sog. W1 (Whittle Engine One), gefertigt. Am 12. April 1937 konnte
das erste Experimentaltriebwerk dieses Triebwerks, die sog. WU (Whittle Unit), ihren er-
sten erfolgreichen Testlauf verbuchen. Es folgten die Experimentaltriebwerke WU Model
2 (Erstlauf am 16. April 1938) und WU Model 3 (Erstlauf am 26. Oktober 1938). Am 30.
Juni 1939 war das Triebwerk WU3 dann so weit ausgereift, dass man sich entschloss, ein
Experimentalflugzeug mit einer leicht modifizierten Version dieses Antriebs auszurüsten,
dem sog. W1 Triebwerk. Am 15. Mai 1941 konnte so Frank Whittle’s Strahltriebwerk W1
in Großbritannien einen erfolgreichen Erstflug in einer British Gloster E28/39, geflogen
von dem Gloster Chefpiloten P. E. G. (Garry) Sayer, verbuchen. Abbildung 1.9 zeigt eine
Skizze des W1-Triebwerks und des Experimentalflugzeuges Gloster E28/39.
Von Anfang an war es Frank Whittle klar, dass das von ihm ausgearbeitete Trieb-
werkskonzept (Turbojet) über einen verbesserten Vortriebswirkungsgrad verfügen musste,
d. h. über eine effektivere Umsetzung der thermischen Nutzleistung des Triebwerks-
kreisprozesses in Vortriebsleistung (= Schub · Fluggeschwindigkeit). Seine diesbezüglichen
Überlegungen resultierten am 4. März 1936 in einem Patent für ein Triebwerkskonzept,
das heute als Zweikreistriebwerk (Bypass Jet oder Turbofan) bezeichnet werden würde. Er
setzte dazu, um große konstruktive Veränderungen an seinem ursprünglichen Konzept zu
vermeiden, dem bisherigen Turbojet im hinteren Bereich einen Bläser oder Fan auf (Pa-
tente am 2. März 1940 und am 17. November 1942). Ein Triebwerkskonzept, das später als
engines based on Whittle’s concepts, his company (Power Jets Ltd.) was nationalized and banned
from engine production!“, Golley (1997).
9
Alteingesessene britische Firma zu Fertigung von Industrieturbinen.
1.3 Geschichtlicher Werdegang des Strahlantriebs 15
Fuel
Tank
Abb. 1.9 Frank Whittle’s erstes flugfähiges Triebwerk; oben links Frank Whittle mit einem Modell
seines Triebwerks, oben rechts Schnittbild der Whittle Engine W1, unten Experimentalflugzeug
Gloster E28/39 mit dem integrierten W1-Triebwerk
Aft-Fan bezeichnet wurde. Dadurch wird ein größerer Anteil an Luft um das Kerntriebwerk
herumgeführt, sodass trotz kleiner Austrittsgeschwindigkeiten aus dem Kerntriebwerk
dennoch ein großer Schub erzeugt werden kann. Die kleineren Austrittsgeschwindigkei-
ten sind ursächlich für eine signifikante Verbesserung des Vortriebswirkungsgrades. Somit
kann Frank Whittle mit Sicherheit als der alleinige „Vater“ der heutigen Bypass-Triebwerke
angesehen werden. Am 9. Dezember 1939 wurde ihm ein Patent über einen sog. Verdamp-
fer (vaporizer) in Brennkammern zugesprochen und am 28. Juli 1947 ein Patent für einen
Turbopropantrieb. Insgesamt bekam er in den Jahren 1930 . . . 1949 vom britischen Patent-
amt 27 Patente zugeteilt, die im Zusammenhang mit Strahltriebwerken standen. Hierzu
zählen z. B. auch der Radialverdichter mit doppelseitigem Einlass (16.5.1935), der Schau-
felentwurf von Verdichtern und Turbinen nach den sog. Wirbelgesetzen (15.12.1937) und
die Schubverstärkung durch Ammoniakeinspritzung (17.11.1942). Eine vollständige Auf-
listung seiner Patente, Orden, Auszeichnungen und Ehrungen (insgesamt sind es ca. 100)
ist bei Golley (1997) zu finden.
Frank Whittle war Testpilot und technischer Offizier der Royal Air Force, studierte in
Cambridge und gründete 1936 die Firma Power Jets Ltd, die 1944 verstaatlicht wurde und
schließlich 1946 mit allen Rechten zur Konstruktion und Entwicklung von Triebwerken
für ihn persönlich verloren ging. Später war er bei den Firmen Shell und Bristol Siddeley
Engines (später Rolls-Royce) tätig. Seit 1974 beschäftigte er sich freiberuflich mit SST-
Antrieben (Super SonicTransport). Er emigrierte 1976 in die USA, wo er am 8. August
1996 im Alter von 89 Jahren starb.
16 1 Einführung
10
Das Vorwort der Literaturstelle (Mattingly 1996) enthält eine 40-seitige geschichtliche Darstellung
der Dinge von Prof. Dr. Hans-Joachim Pabst von Ohain persönlich, der 86-jährig am 13. März 1998
in den USA (Melbourne, Florida) verstarb. H.-J. Pabst von Ohain wurde am 14.12.1911 in der
„Fliegerstadt“ Dessau in Sachsen-Anhalt geboren und war seit 1951 US-Bürger. Er wirkte in den
USA seit 1946/1947 bei den Aerospace Research Laboratories der Wright-Patterson Air Force Base in
Dayton, Ohio.
11 ∗
1904, †1997.
12 ∗
18. Oktober 1906, Hattingen a. d. Ruhr, †12. Juli 1983, Lugano, Schweiz.
1.3 Geschichtlicher Werdegang des Strahlantriebs 17
Brennkammer
Radialverdichter Radialturbine
1-stufiger
Axialverdichter
Abb. 1.11 links Hans Joachim Pabst von Ohain während eines Besuches bei Ernst Heinkel im März
1936, rechts das Demonstrator-Triebwerk He.S1 mit Wasserstoffverbrennung (gebaut 1936, getestet
im April 1937)
Experimentalflugzeug
Heinkel He 178
Triebwerk
He.S3B
Abb. 1.12 oben das erste Strahl getriebene Flugzeug der Welt, die Heinkel He-178, unten Bild des
Nachbaus des Strahltriebwerks He.S3B, das 1973 nach Zeichnungen von Pabst von Ohain in zwei
Exemplaren und in Originalgröße nachgebaut wurde
Im Jahr 1941 wurde dann bereits in Deutschland das erste zweistrahlige Düsenflugzeug
gebaut, die He 280. Diese rasante Entwicklung in Deutschland war nur durch die persönli-
che und großzügige Förderung von Ernst Heinkel möglich geworden, der – begeistert von
hohen Geschwindigkeiten – sehr schnell die innovativen Möglichkeiten erkannte, die im
Strahlantrieb für Flugzeuge lagen. Auf Grund dieser glücklichen Randbedingungen konn-
te die Strahltriebwerksentwicklung in Deutschland zu dieser Zeit schneller Fortschritte
18 1 Einführung
machen als in England, wo Frank Whittle praktisch nirgendwo wirkliche Gönner und
Interessenten für seine Ideen fand.
Der deutsche Erfinder des Strahltriebwerks H.-J. Pabst von Ohain versicherte immer
wieder, dass er persönlich erst 1937 von den Patenten Frank Whittle’s erfuhr, also zwei Jah-
re nach seiner eigenen Patentausarbeitung im Jahr 1935. Beide zusammen, Frank Whittle
und H.-J. Pabst von Ohain, und mit ihnen auch das deutsche und das britische Patentamt,
sollen dann erstmals im Jahre 1939 von den mehr oder weniger historischen Patenten von
R. Lorin und M. Guillaume gehört haben, ebenso wie von den ähnlichen Arbeiten, die
damals bei der Firma Milo AB in Schweden stattfanden. Gunston (1997, S. 126) zitiert
spätere Notizen von Wilhelm Gundermann, die die Aussagen darüber, was die Kenntnisse
und Inhalte der ausländischen Patente hinsichtlich der Entwicklungsarbeiten bei Heinkel
anbelangt, durchaus in einem anderen Licht erscheinen lassen können.
Die weitere Entwicklung des Triebwerkbaus in Deutschland – hin zu den legendären
Turbojets Junkers Jumo 004, BMW 003 und Heinkel-Hirth HE S011 – ist zwar außeror-
dentlich interessant, würde aber an dieser Stelle sowohl den Sinn als auch den Umfang
dieses Buches bei weitem überschreiten. Der interessierte Leser sei deswegen hinsichtlich
dieser Dinge primär auf die ausführlichen Literaturstellen Gersdorff et al. (1995), Mewes
(1997), Müller (2006) und Schubert (1999) verwiesen.
Nicht unerwähnt bleiben soll, dass gerade nach dem 2. Weltkrieg führendes deutsches Per-
sonal der Triebwerksindustrie mehr oder weniger freiwillig in die USA (Garrett, General
Electric und Avco-Lycoming), nach Frankreich (Snecma, Turboméca und SEPR) und in
die Sowjetunion (Kusnezov) abwanderten und dort ganz maßgeblich am Aufbau der dor-
tigen Triebwerksindustrie beteiligt waren. Auch in Ägypten (Triebwerke E200, E300) und
in Spanien (Triebwerk INI-11) entstanden in den Fünfzigerjahren Strahltriebwerke unter
deutscher Federführung, deren Basis noch die ursprünglichen deutschen Entwicklungen
Jumo und Heinkel-Hirth waren.
Dr. Hermann Oestrich (∗ 1903 †1973), der zunächst an der Entwicklung des Strahltrieb-
werks BMW 003 beteiligt und ab 1943 schließlich Leiter der Gasturbinenentwicklung
bei BMW war, ging nach dem Zweiten Weltkrieg mit einer größeren Gruppe von z.
T. ehemaligen Mitarbeitern (z. B. Hans-Georg Münzberg13 , August Wilhelm Quick14 ,
Otto David15 ) in die ehemaligen Dornier Werke in Lindau-Rickenbach innerhalb der
13
von 1957 bis 1964 Professor für Luftfahrtriebwerke an der TU-Berlin (parallel dazu weiterhin in
Frankreich tätig, 1961 Direktor für Forschung und Entwicklung bei SNECMA) und von 1964 bis
1982 Professor für Flugantriebe an der TU-München.
14
von 1954 bis 1974 Professor für Luftfahrt später für Luft- und Raumfahrt an der RWTH-Aachen.
15
von 1964 bis 1970 Professor für Luftfahrtantriebe an der TU-Berlin und von 1971 bis 1982
Professor für Strahlantriebe und Turboarbeitsmaschinen an der RWTH-Aachen.
1.3 Geschichtlicher Werdegang des Strahlantriebs 19
Abb. 1.13 Strahltriebwerk SNECMA ATAR 101 B (Turbojet) mit einem Schub von 23.5 kN. Eine 1-
stufige Turbine treibt einen 7-stufigen Verdichter mit einem Druckverhältnis von 4.2 an. Dazwischen
ist eine Ringbrennkammer mit 20 Brennstoffdüsen angeordnet
französisch besetzten Zone Deutschlands und gründete dort unter dem Namen „Atelier
Technique Aéronautique de Rickenbach“ (ATAR) eine Entwicklungsgruppe, die Frankreich
zuarbeiten sollte. Hier wurde das Triebwerk BMW 003 zu einem größeren und leistungs-
stärkeren Aggregat mit der Bezeichnung ATAR 101, Abb. 1.13, weiterentwickelt. Dieses
Arbeiten gingen dann in den französischen Staatskonzern SNECMA (Société nationale
d’études et de constructions de moteurs d’aviation: Nationale Gesellschaft zur Erforschung
und Konstruktion von Flugmotoren) über, dessen technischer Direktor Oestrich 1950
in Villaroche (Seine-et-Marne) wurde. Für seine Verdienste um die Entwicklung des
ATAR-Triebwerkes16 wurde er 1962 zum Ritter der Ehrenlegion geschlagen.
Der Leiter der Vorentwicklung für Strömungsmaschinen bei den Junkers Flugzeug-
und Motorenwerken, Dr. Anselm Franz17 , der wesentlich in die serienreife Entwicklung
des Jumo 004 Strahltriebwerks (Messerschmitt18 Me 262, Arado19 Ar 234) involviert war,
wechselte nach dem Zweiten Weltkrieg im Rahmen des Programms „Paperclip20 “, genau
16
ATAR 101 D3 (Kampfflugzeug Dassault Super Mystère), ATAR 8 (Jagdflugzeug Dassault Étendard
IV), ATAR 9 (Jagdflugzeuge Dassault Mirage III, 5, IV, F1 und 50).
17 ∗
21. Januar 1900, Schladming, Österreich, † 18. November 1994 Bridgeport, Connecticut, USA.
18
Die Messerschmitt AG war ein in Augsburg ansässiger deutscher Flugzeughersteller. Er fusionierte
1968 zu Messerschmitt-Bölkow-Blohm.
19
Die Arado Flugzeugwerke GmbH waren ein deutscher Flugzeughersteller aus Warnemünde.
20
Im Sommer 1945 stimmte US-Präsident Truman der Operation „Paperclip“ zu, die führende
Rüstungsfachleute des ehemaligen NS-Regimes in die USA holen sollte, um dort ihre Arbeiten
20 1 Einführung
Abb. 1.14 Wellenleistungstriebwerk (Turboshaft) Lycoming T53-L-13 mit einer Wellenleistung von
1.040 kW beim Start und einem Luftmassenstrom von 4.8 kg/s
wie Pabst von Ohain, in die USA, wo er einige Zeit für die United States Air Force in der
Wright-Patterson Air Force Base tätig war. Im Jahr 1951 wechselte er zur Firma Lycoming,
wo er in Stratford, Connecticut die Aufgabe hatte, einen neuen Gasturbinenbereich aufzu-
bauen, der sich insbesondere mit kleineren Antrieben beschäftigen sollte, um so nicht in
unmittelbare Konkurrenz mit den größeren Firmen General Electric und Pratt & Whitney
zu kommen. Bevor er in den Ruhestand trat, war er stellvertretender Vorstandsvorsitzender
der AVCO Lycoming Engines. Seine erste Entwicklung war das Wellenleistungstriebwerk
(Turboshaft) T53, Abb. 1.14, den Antrieb für die Hubschrauber Bell UH-1 Iroquois und
Bell AH-1 Cobra. Von 1967 bis 1970 wurde bei KHD, Klöckner-Humboldt-Deutz in Ober-
ursel (heute Firmensitz der Rolls-Royce Deutschland Ltd & Co KG), das T53 in Lizenz
gebaut. Später folgte in den USA das T55 (ein maßstäblich größer skaliertes T53) für die
Hubschrauber Boeing CH-47 Chinook und Bell 309 King Cobra. Das T55 kam auch an
der Piper PA-48 Enforcer als Turboprop zum Einsatz. Das T55 wurde schließlich auch das
Kerntriebwerk des Lycoming ALF 502, das 1980 zertifiziert wurde und einer der ersten
Geared Turbofan21 Antriebe war.
fortzusetzen zu können. Das Unternehmen stand unter der Prämisse, dass unter keinen Umständen
„führende deutsche Gehirne“ der Sowjetunion überlassen werden dürfen.
21
Der aktuelle Geared Turbofan Pratt & Whitney PW1000G hat seine technologischen Vorläufer
im Turbofan Garrett TFE731 aus dem Jahr 1972 und den beiden Turbofanantrieben Lycoming
ALF 502 und Honeywell LF 507. Die Firma Textron hat Lycoming 1986 gekauft und 1994 den
Gasturbinenbereich an das Unternehmen AlliedSignal weiterverkauft, das ihn schließlich mit ihrem
1.4 Technische Methoden des Strahlantriebs 21
In Amerika fand der erste Strahltriebwerksflug mit der eigens dafür entwickelten Bell
Aircomet XP-59A am 3. Oktober 1942 statt. Hierzu war dieses Flugzeug mit zwei Trieb-
werken ausgestattet worden, die auf einem Nachbau der Whittle Engine W2B basierten.
Die Firma General Electric, deren Erfahrungen bis dato in der Entwicklung und im Bau
von Turboladern lagen, hatte dafür aus Großbritannien die Whittle Engine W1X und
einen Zeichnungssatz der Engine W2B bekommen. Initiator war der amerikanische Ge-
neral Henry H. Arnold (US Army Corp), der 1941 in England an den Flugversuchen der
Gloster E28/39 (mit der integrierten Whittle W1 Engine) als Beobachter teilnahm. Am
18. März 1942 hatte dieses Triebwerk dann unter der Bezeichnung GE-I-A seinen ersten
erfolgreichen Testlauf.
Da das GE-I-A Triebwerk mit einem Schub von 1 250 lbf (5 562 N) nicht sehr leistungs-
stark war, erreichte die Bell Aircomet XP-59A auch nur Fluggeschwindigkeiten, die wenig
schneller waren als die damaliger Hochleistungs-Propellerflugzeuge. Aus diesem Grund
wurde von General Electric – ebenfalls auf der Basis des W2B Triebwerks von Frank Whittle
– das Triebwerk GE-I-40 mit 4 000 lbf (17 800 N) Schub entwickelt. Die Firma Lockheed
baute hierzu passend die Strahlflugzeugprototypen XP-80A und YP-80A Shooting Star, von
denen das erste am 11. Juni 1944 flog. Als dieses Flugzeug mit der Bezeichnung P-80A in
Serie ging, erhielt das bisherige Triebwerk GE-I-40 die Bezeichnung J33-GE-11-Turbojet
und hatte einen Schub von 3 850 lbf (17 130 N). Dasselbe Triebwerk wurde etwas später
– nach dem 2. Weltkrieg – von der Firma Allison (damals zu General Motors gehörig)
unter der Bezeichnung J33-A-9 gebaut. Allison hatte die Produktion und Entwicklung des
J33 Triebwerks von General Electric übernommen, verbesserte es und entwickelte darauf
basierend neue Modelle.
Für die Firma Pratt & Whitney begann der Strahltriebwerksbau mit der Lizenzfertigung
der Turbojettriebwerke J42 und J48, die auf den Rolls-Royce Triebwerken Nene und Tay
basierten. Diese beiden Aggregate, von denen das Nene Triebwerk noch dem typischen
Whittle Design (Abb. 1.9) mit doppelseitigem Radialverdichter entsprach, waren die tech-
nologische Grundlage einer eigenständigen Triebwerksentwicklung und -produktion, die
bis heute Bestand hat.
Anteil an Garrett Engines zu AlliedSignal Aerospace verschmolzen hat. Im Jahr 1999 wurde daraus
ein Firmenteil des heutigen Unternehmens Honeywell Aerospace.
22 1 Einführung
supersonische
Außengehäuse super-
Zuströmung
Kraftstoffdüsen Flammhalter sonischer
Verdichtungsstöße Abgas-
strahl
Kraftstoffzuleitung
Kraftstoff-
pumpe
Newtonschen Axiom (actio = reactio) und unterscheiden sich nur dadurch voneinander,
wie der jeweilige Schuberzeuger (Triebwerk) die Energie in eine für den Flug nutzbare
Leistung umwandelt.
Die einfachste Form des Staustrahltriebwerks (Ramjet) besitzt keinerlei rotierende
Komponenten und ist nichts weiter als eine Röhre mit einem divergenten Einlass (Dif-
fusor), einer Brennkammer und einem konvergent divergenten Auslass (Lavaldüse),
Abb. 1.15. Hat ein solches Triebwerk von einer externen Quelle erst einmal eine ausrei-
chend hohe Vortriebsbewegung erfahren, was Voraussetzung für dessen Betrieb ist, dann
wird im Wesentlichen infolge des aerodynamischen Aufstaus im Triebwerkseinlass die Be-
wegungsenergie (kinetische Energie) in eine Druckerhöhung (Druckenergie) gewandelt.
Im anschließenden inneren Diffusor (zwischen Außengehäuse und dem Zentralkörper)
kommt es zu einer weiteren – aber nicht mehr ganz so ausgeprägten – Druckerhöhung.
Durch die Zufuhr von Brennstoff, der zusammen mit dem in der Luft enthaltenen Sauer-
stoff in einer nachgeschalteten Brennkammer verbrannt wird, erhöht sich die Totalenergie
des durch die „Röhre“ strömenden Gases ganz erheblich. Dabei dehnt sich das in der
Röhre eingeschlossene Gas aus, wodurch es beschleunigt und in eine der Brennkammer
nachgeschalteten Düse gelangt, die das Gas ihrerseits noch mehr beschleunigt, sodass
es mit sehr hoher Geschwindigkeit in die umgebende Atmosphäre nach hinten austritt.
Staustrahltriebwerke dieser Art können der typische Antrieb für atmosphärische Hy-
perschallflugzeuge und militärische Zielflugkörper (Missiles) sein. Für den Antrieb von
Flugzeugen sind sie in dieser Art weniger geeignet, da sie erst dann Schub liefern können,
wenn sie bereits eine ausreichend hohe Fluggeschwindigkeit besitzen.
1.4 Technische Methoden des Strahlantriebs 23
Einlass Jalousien-Ventile
Kraftstoffdüse
Brennkammer
Zündkerze
Strahlrohr
Schubdüse
Abb. 1.16 links typische Gestalt eines Puls- oder Verpuffungsstrahltriebwerks, rechts unbemannte
Zieldrohne (Fieseler Fi 103, V-1), angetrieben durch ein Pulsstrahltriebwerk
Eine erweiterte Version des Staustrahltriebwerks ist das in Abb. 1.16 dargestellte Puls-
oder Verpuffungsstrahltriebwerk (Pulsejet), welches, entgegen dem Staustrahltriebwerk,
auch im Standfall oder bei geringen Fluggeschwindigkeiten betrieben werden kann. Hi-
storische deutsche Bezeichnungen für diesen Antrieb sind Schmidt-Rohr, Argus-Rohr
oder auch Argus-Schmidt-Rohr, benannt nach der Berliner Motorenfirma Argus und
dem Münchner Erfinder Paul Schmidt. Das Argus-Schmidt-Rohr war der Antrieb für die
im Zweiten Weltkrieg eingesetzten „fliegenden Bomben“ Fieseler Fi 103 (V1). Der Vor-
teil dieses Antriebskonzepts lag in der einfachen und kostengünstigen Fertigung und der
wesentliche Nachteil in der geringen Lebensdauer (≈ 15 bis 30 bis 60 min).
Pulsstrahltriebwerke arbeiten intermittierend. Das generelle Arbeitsprinzip, das in vier
Phasen unterteilt werden kann, zeigt Abb. 1.17. Der Betrieb eines Pulstriebwerks be-
ginnt damit, dass durch aerodynamisch gesteuerte Blattfeder-Einlassventile Luft in das
Triebwerk gelangt und diese mit Kraftstoff in der Brennkammer vermischt wird. Bei den
Ventilen handelt es sich um eine größere Anzahl (> 120) an Paaren kleiner Flatter- oder
Jalousien-Ventile, die wie zweitürige Schwingtüren arbeiten. Die Vielzahl an Ventilen er-
gibt sich daraus, dass ein einziges oder nur wenige Ventile zu träge wären, um in der
erforderlichen Frequenz zum Öffnen und Schließen erreichen zu können. Ganz zu Beginn
wird die Luft entweder als Pressluft in das Triebwerk geblasen oder aber das Triebwerk auf
einem Startkatapult durch die Luft bewegt. Das Triebwerk hat jetzt den sog. Initialzustand
gemäß Abb. 1.17a erreicht. Bei diesem Aufladungsvorgang steigt der Druck im divergen-
ten Brennkammerbereich an. Durch Entzündung des eingespritzten Brennstoffs mittels
einer Zündkerze findet ein weiterer explosionsartig starker Druckanstieg statt, wodurch
die aerodynamisch arbeitenden Jalousien-Ventile schließen. Daran anschließend wird die
24 1 Einführung
Jalousien-Ventile
Schub-
(offen) Brennkammer Strahlrohr
düse
a
Zündung
Jalousien-Ventile
(geschlossen)
b
Jalousien-Ventile
(geschlossen) entleerter
c Bereich
Jalousien-Ventile
von hinten nach-
(offen)
strömende Luft
d
Entleerung des infolge Erhitzung expandierenden Gases durch das Schubrohr nach hinten
eingeleitet, Abb. 1.17b. Der Entleerungsvorgang, der auf Grund des Impulses der bewegten
Gasmasse kontinuierlich abläuft, erzeugt einen Unterdruck im Brennraum, Abb. 1.17c. Auf
Grund des höheren Druckes vor den Jalousien-Ventilen öffnen diese nun wieder aerody-
namisch und der Ablauf der Vorgänge im Triebwerk beginnt erneut. In Abhängigkeit der
Fluggeschwindigkeit erfolgt eine gewisse Rückströmung des verbrannten Gases bzw. ein
Nachströmen von Frischluft von hinten, Abb. 1.17d. Des Weiteren strömt auch während
der Auffüllphase und während der Verbrennung ein Teil der Gasmasse nach hinten ab, da
das Triebwerk in Rückwärtsrichtung stets offen ist. Das frische Gasgemisch entzündet sich
periodisch an den heißen Restgasen (Abb. 1.17d) und an der heißen Rohrwandung ohne
Fremdzündung.
Ein Pulsstrahltriebwerk ist ein hin und her schwingendes Luftdrucksystem, das sich im
Betrieb aufgrund seiner geometrischen Dimensionierung selbst reguliert. Es arbeitet nur
bei bestimmten geometrischen Abmessungen der beteiligten Rohrabschnitte optimal, wo-
bei es zu akustischer Resonanz zwischen Brennraum und Abströmrohr kommt, was so ganz
maßgeblich die Form und die Länge des Rohres dimensioniert, Timnat (1996, Kap. 4). Das
1.4 Technische Methoden des Strahlantriebs 25
Grundprinzip dazu findet sich heute auch bei der so genannten Resonanzaufladung von
Motoren wieder oder beim Resonanzauspuff von Zwei-Takt-Motoren. Bei diesen Verfah-
ren wird die kinetische Energie der im Ansaugbereich strömenden Luft im Zusammenspiel
mit den Schwingungen des ausgestoßenen Heißgases genutzt, um die Beaufschlagung des
Brennraumes mit Luft (Füllungsgrad) zu optimieren. Negativ kann sich aber auch die
Wärmezufuhr im Rohr auswirken, nämlich dann, wenn sie eine Gassäulenschwingung
erzeugt und durch eine dazu phasenverschobene Brennstoffzufuhr eine thermoakustische
Instabilität entsteht. Stimmen dann auch noch akustische und mechanische Resonanz-
frequenz überein, kann es so schließlich zu kritischen Schwingungen für das gesamte
Aggregat kommen, was die Physik mit dem Rayleigh Index beschreibt. Hierbei ist also die
Wärmemengenschwankung mit einem Phasenverzug proportional zur akustischen Ge-
schwindigkeitsschwankung des Heißgases. Je nach Vorzeichen des Rayleigh-Index kommt
es zu einer Anfachung oder zu einer Dämpfung der Heißgasschwingung und damit zu
der akustischen Resonanz. Wesentliche Parameter der Auslegung, die auf die Pulsanzahl
einen signifikanten Einfluss haben, sind demnach die Gestaltung des Brennraums und des
Einlaufbereiches, die Geometrie der Ventile und natürlich auch die Länge des Strahlrohrs
selbst. Weitere Faktoren werden durch die Art des verwendeten Brennstoffs, die Außen-
temperatur, den Umgebungsdruck und die Luftfeuchtigkeit bestimmt. Die Arbeitsfrequenz
eines Pulsstrahltriebwerks liegt bei 24 Verbrennungen pro Sekunde, die sich auf 50 Hz im
betriebswarmen Zustand steigern kann, was sich dann wie ein sehr tiefes Brummen anhört.
Beim Anlassen des Triebwerks und im Standbetrieb muss der pulsierende Triebwerk-
sprozess durch Einblasen von Pressluft eingeleitet werden. Pulsstrahltriebwerke zeichnen
sich durch eine große Lärmentwicklung, einen hohen Brennstoffverbrauch und sehr
geringe Laufzeiten aus, sodass sie für bemannte Luftfahrzeuge ungeeignet sind.
Obwohl auch das Raketentriebwerk von seinem Funktionsprinzip her ein Strahl-
triebwerk ist, hat es hinsichtlich aller anderen hier behandelten Strahltriebwerke einen
wesentlichen und entscheidenden Unterschied. Dieser liegt darin, dass das Raketentrieb-
werk für die Verbrennung keinen atmosphärischen Sauerstoff und somit auch für den
Antriebsstrahl keine atmosphärische Luft verwendet. Vielmehr produziert sich ein Rake-
tentriebwerk sein für den Vortrieb erforderliches Strömungsfluid selbst, indem es flüssigen
oder chemischen Treibstoff zusammen mit einem Sauerstoffträger den die Rakete mit sich
führt, verbrennt. Dadurch kann eine Rakete auch außerhalb der Erdatmosphäre operie-
ren. Zwischen 1939 und 1944 wurde bei BMW in Berlin auch an einer Entwicklung von
Raketentriebwerken für Flugzeuge gearbeitet. So sollte z. B. für den Messerschmitt Rake-
tenjäger Me163B das Triebwerk P-3390 A entwickelt werden, für welches als Treibstoff
Methanol und Salpetersäure als Sauerstoffträger vorgesehen waren, Schubert (1999). Die
Abb. 1.18 zeigt das BMW Raketentriebwerk P-3395, welches als Zusatztriebwerk auf das
Strahltriebwerk BMW 003 A aufgesetzt werden sollte. Als Treibstoff wurde T-Stoff (Ton-
ka) und als Sauerstoffträger Salpetersäure verwendet. Beides zusammen ergibt schließlich
ein selbstzündendes (hypergolisches) Gemisch.
Die Verwendung der Gasturbine als Strahlantrieb von Flugzeugen vermeidet alle bis-
her genannten Nachteile und Schwächen der zuvor angeführten Antriebsformen. Durch
26 1 Einführung
Abb. 1.18 Zusatzraketentriebwerk BMW P-3395 für das Strahltriebwerk BMW 003A, das auch die
beiden Treibstoffpumpen antreiben sollte. (Gersdorff et al. 1995)
den Einsatz eines turbinengetriebenen Verdichters wird auch bei kleinen Fluggeschwin-
digkeiten eine Schubproduktion mit moderatem Brennstoffverbrauch und vernünftigem
Wirkungsgrad bei vergleichsweise geringem Lärm möglich. Dabei saugt die Gasturbine
atmosphärische Luft an, komprimiert und erhitzt sie und gibt so Energie und Impuls an
die angesaugte Luft ab. Mit Geschwindigkeiten von bis zu 600 oder 900 m/s (und mehr)
verlässt diese dann als Heißgas das Triebwerk durch die Schubdüse nach hinten. Zuvor
gibt das Heißgas einen nicht unerheblichen Anteil an Energie und Impuls an die Turbine
ab, die ihrerseits den Verdichter antreibt. Etwa Zweidrittel der Energie in einem Triebwerk
werden dazu benötigt, damit die Turbine den Verdichter und diverse Hilfsgeräte antreiben
kann. Nur das jetzt noch übrige Drittel an Energie verbleibt, um es zur Schuberzeugung
nutzen zu können.
Die Anordnung der Komponenten einer Gasturbine ist vergleichsweise einfach. Sie
besteht prinzipiell nur aus den beiden rotierenden Komponenten Verdichter und Tur-
bine und einer Brennkammer, was zusammengefasst als Gasgenerator bezeichnet wird.
Typische Komponentenanordnungen in Gasturbinen verdeutlicht Abb. 1.19. Hinsichtlich
zahlreicher Detailaspekte ist die Gasturbine aber ein bemerkenswert aufwendiges techni-
sches Produkt. Speziell die aerothermodynamischen Probleme, im Zusammenwirken mit
Festigkeits-, Schwingungs- und Werkstofffragen sind von sehr komplexer Natur.
Das Turbostaustrahltriebwerk, Abb. 1.20, kombiniert die herkömmliche Gasturbine
(Turbo-Kerntriebwerk), die aus Wirtschaftlichkeitsgründen bis zu Flugmachzahlen von
etwa zwei bis drei benötigt wird, mit dem Staustrahltriebwerk, das dann oberhalb dieser
Machzahlen zum Einsatz kommt und ab hier sehr gute Leistungs- und Verbrauchswerte
aufweist. Die Gasturbine dieses Triebwerks ist von einem Kanal mit einem variablen Ein-
lauf umgeben. Im hinteren Teil dieses Kanals befindet sich ein sog. Nachbrenner, an den
eine variable konvergent-divergente Düse (Lavaldüse) anschließt. Während des Starts und
der Beschleunigung arbeitet das Triebwerk wie ein konventionelles Turbojettriebwerk mit
1.4 Technische Methoden des Strahlantriebs 27
Nachbrenner. Bei anderen Flugzuständen unterhalb von Mach 2 bis 3 arbeitet der Nach-
brenner nicht, Abb. 1.20 oben. Wenn das Triebwerk anschließend in den Staustrahlbetrieb
übergehen soll, wird die Gasturbine abgeschaltet und der Verdichter im Einlaufbereich
durch verstellbare Leitschaufeln verschlossen. Der einströmende Luftstrom wird nun um
die Gasturbine herumgeleitet und so direkt in den ursprünglichen Nachbrenner geführt,
der jetzt zur Brennkammer des Staustrahltriebwerks wird.
Erste praktische Untersuchungen an Staustrahltriebwerken wurden 1941 von Prof. Dr.
Eugen Sänger bei der DFL (Deutsche Forschungsanstalt für Luftfahrt) vorgenommen.
28 1 Einführung
unterer Flugmachzahlbereich
Turbo-Kerntriebwerk (an)
Nachbrenner (aus)
oberer Flugmachzahlbereich
Turbo-Kerntriebwerk (aus)
Nachbrenner (an)
Abb. 1.20 Prinzipskizze zur Funktionsweise eines Turbo-Staustrahltriebwerks bei niedriger und
bei hoher Flugmachzahl
Als Flugerprobungsträger dienten damals die Flugzeuge Do 17 Z und später die Do 217
E. Eine praktische Umsetzung erfolgte aber nie, ebenso wie bei anderen Projekten zu
diesem Antriebskonzept, die bis 1945 bei den Firmen Dornier, Focke-Wulf, Heinkel und
Daimler-Benz bearbeitet wurden.
Mit den bisherigen Aussagen zu den verschiedenen Triebwerkstypen soll nun eine sy-
stematische Einteilung der Flugantriebe erfolgen, Abb. 1.21, bei denen grundsätzlich
zwischen Raumfahrt- und Luftfahrtantrieben unterschieden werden kann. Im vorliegen-
den Text soll eine Themenbeschränkung auf die Luftfahrtantriebe und hier wiederum auf
die Luft atmenden Strahltriebwerke erfolgen. Die auch zu den Luftfahrtantrieben gehören-
den Kolbenmotoren werden nicht behandelt, da ihre heutige Bedeutung auf den Bereich
der Kleinflugzeuge beschränkt ist.
Bei den Luft atmenden Triebwerken ist zwischen solchen mit und ohne Verdichter zu
unterscheiden. Triebwerke ohne Verdichter sind Stau- und Pulsstrahltriebwerke, welche
die in sie einströmende Luft ausschließlich durch aerodynamischen Aufstau verdichten.
Bei Luft atmenden Strahltriebwerken mit Verdichtern wird die einströmende Luft erst
durch aerodynamischen Aufstau moderat vorverdichtet und anschließend durch Rotati-
1.5 Einteilung der Flugantriebe 29
Flugantriebe
Raumfahrtantriebe Luftfahrtantriebe
Kolbenmotoren Strahltriebwerke
onsverdichter (Axial- oder Radialverdichter) auf den endgültigen Druck komprimiert. Der
Verdichterantrieb erfolgt praktisch immer mittels einer Turbine. Zwar gibt es auch Ent-
wicklungen (das Caproni-Campini22 N.1 Triebwerk), bei denen der Verdichter durch einen
Kolbenmotor angetrieben wird, denen aber nur noch historische Bedeutung zukommt.
Die einfachste, aus den Komponenten Einlauf, Verdichter, Brennkammer, Turbine und
Schubdüse bestehende Bauform ist das Turbojet- oder TL-Triebwerk (Turbo-Luftstrahl-
Triebwerk), das den Schub ausschließlich durch einen einzigen schnellen Abgasstrahl
erzeugt. Es wird von daher auch als Einkreis- oder Einstromtriebwerk bezeichnet. Die
Komponenten Verdichter, Brennkammer und Turbine eines Turbojettriebwerks, die zu-
sammen als Gasgenerator bezeichnet werden, sind im Wesentlichen identisch mit dem
„Kern“ von Turbofan- und Turboproptriebwerken. Im Turbofan- oder ZTL-Triebwerk
22
Der italienische Ingenieur Secondo Campini entwickelte zwischen 1930 und 1941 eine besondere
Art von Strahltriebwerk, bei dem ein 3-stufiger Axialverdichter durch einen 12-Zylinder Asso-
Kolbenmotor (670 kW) von Isotto-Fraschine angetrieben wurde. Der mit verstellbarer Beschaufelung
ausgestattete Verdichter förderte die von ihm angesaugte Luft zu einer zentralen Düse zwecks Schub-
erzeugung. In einem vor der Schubdüse gelegenen Strahlrohr konnte in der austretenden Luft zur
Schubverstärkung zusätzlicher Kraftstoff verbrannt werden. Der italienische Flugzeugkonstrukteur
Caproni baute passend zu diesem Antriebskonzept ein Flugzeug, das erstmals am 27. August 1940
flog, dessen Leistung aber schlechter als das eines propellergetriebenen Flugzeuges war.
30 1 Einführung
Gasgenerator und Der Gasgenerator ist die Kernkomponente, die allen Gasturbinen
Kerntriebwerk gemeinsam ist und aus Verdichter, Brennkammer und Turbine besteht.
Bei Turbojettriebwerken ist der Gasgenerator identisch mit dem sog.
Kerntriebwerk. Der Gasgenerator, zusammen mit dem
Triebwerkseinlauf und der Schubdüse, ist ein Turbojettriebwerk. Bei
Turbofantriebwerken ist dem Kerntriebwerk (Hochdruckverdichter,
Brennkammer, Hochdruckturbine) eine Arbeitsturbine nachgeschaltet,
die einen vorgeschalteten Niederdruckverdichter und den Fan oder
Bläser antreibt
TL oder Turbojet Turbo-Luftstrahl-Triebwerk. Wird auch als Einkreis- oder
Einstromtriebwerk bezeichnet. Es besteht aus einem Gasgenerator,
einem Triebwerkseinlauf und einer Schubdüse
ZTL oder Turbofan Zweistrom-Turbo-Luftstrahl-Triebwerk. Wird auch als Zweikreis-
oder Zweistromtriebwerk bezeichnet. Weitere Bezeichnungen sind
Bläser- oder Bypasstriebwerk. Dem Kerntriebwerk des Turbojets
werden dazu ein Fan/Niederdruckverdichter und eine sie antreibende
Niederdruckturbine zugefügt. Hinzu kommen Triebwerkseinlauf und
Schubdüse
PTL oder Turboprop Propeller-Turbo-Luftstrahl-Triebwerk. Eine Arbeitsturbine, die dem
Kerntriebwerk folgt, gibt über eine Welle und ein Getriebe Leistung an
einen Propeller zur Vortriebserzeugung ab. Ein geringer Vortriebsanteil
wird außerdem in der Schubdüse durch den Abgasstrahl erzeugt
1.6 Der Strahlantrieb als bevorzugter Flugzeugantrieb 31
ṁII
μ= typische Werte sind μ = 0.4 . . . 4 und 6 . . . 8 . . . 12 (1.3)
ṁI
P
F= · ηP (1.5)
c0
Hierin ist ηP der Wirkungsgrad des verwendeten Propellers. Das Zusammenführen der
beiden obigen Gleichungen ergibt dann:
cW ρ
P= · · A · c03 (1.6)
ηP 2
Gleichung (1.4) zeigt, dass es für eine Verdoppelung der Fluggeschwindigkeit c0 erfor-
derlich ist, den Schub F um das Vierfache zu erhöhen. Dabei ist außerdem zu beachten,
32 1 Einführung
Die letzten großen Verkehrsflugzeuge mit Kolbentriebwerken waren, die Douglas DC-7C
und die Lockheed L-1049G Super Constellation, die mit je vier 18-Zylinder-Kolbenmotoren
(mit jeweils drei Turboladern) vom Typ Wright-R-3350 (Turbo Compound) ausgestattet
waren, von denen jeder einzelne rund 3 500 PS (2 575 kW) Leistung lieferte. Die Su-
per Constellation erreichte in 6 900 m Flughöhe günstigste Fluggeschwindigkeiten von ca.
570 km/h, bei einer Reichweite von 8 200 km. Die Compound- oder Verbundtriebwerke
dieser Leistungsklasse waren im Betrieb und in der Unterhaltung sehr kostspielig, sodass
sie beim Aufkommen des reinen Gasturbinenantriebs nicht mehr wettbewerbsfähig waren.
Das erste zivile Strahlverkehrsflugzeug war die Vickers Viking, deren Kolbenmotoren
durch zwei Strahltriebwerke vom Typ Rolls-Royce Nene ersetzt worden waren. Sie startete
am 6. April 1948 zu ihrem Jungfernflug. Insgesamt gesehen war dieses Flugzeug aber
eher ein Forschungsflugzeug. Am 2. Mai 1952 startete die de Havilland Comet mit vier
23
Bei Compound- oder Verbundtriebwerken wird bis zu 20 % der Energie des Abgases des
Kolbenmotors sowohl zum Antrieb eines Turboladers als auch zur zusätzlichen Strahlschuberzeu-
gung genutzt, indem es nicht durch einen Auspuff sondern durch eine Schubdüse geleitet wird.
Bei manchen dieser Lösungen wird zusätzlich im Abgas Kraftstoff zur Leistungssteigerung der
Turboladerturbine verbrannt. Solche Maschinen stellten in der Vergangenheit hinsichtlich einer
maximierten Leistung den höchsten technologischen Stand beim Bau von Kolbenflugmotoren dar.
34 1 Einführung
100 100
Turbojet
Vortriebswirkungsgrad [%]
Vortriebswirkungsgrad [%]
offener Prop-Fan
80 80
60 60
Turboprop ummantelter
40 40 Prop-Fan
20 20
0 0
0 600 1200 0 300 600
Fluggeschwindigkeit [km/h] Fluggeschwindigkeit [km/h]
Abb. 1.22 Vergleich der Vortriebswirkungsgrade von Strahltriebwerken. Die Grafiken sind nur
reine Prinzipskizzen
Rolls-Royce Avon Triebwerken vom Londoner Flughafen Heathrow und läutete damit das
Düsenzeitalter für die kommerzielle Verkehrsluftfahrt ein. Zwei Jahre später, am 15. Mai
1954 verließ die Boeing B707 (damals noch unter der Bezeichnung 367-80), ausgestattet
mit vier Pratt & Whitney JT3 Triebwerken, die Werkshallen.
Dass unterhalb von Fluggeschwindigkeiten von etwa 800 km/h das Turbojettriebwerk
weniger effizient ist als das Turboproptriebwerk, zeigt Abb. 1.22, wo der sog. Vortriebswir-
kungsgrad (die Definition erfolgt später) über der Fluggeschwindigkeit aufgetragen ist. Es
ist zum einen zu sehen, dass das Turbojettriebwerk erst bei hohen Fluggeschwindigkeiten
einen Vorteil gegenüber dem Propellertriebwerk hat und dass zum anderen der Vortriebs-
wirkungsgrad des Turboproptriebwerks ab einer Fluggeschwindigkeit von etwa 600 km/h
rapide abnimmt. Ursächlich dafür sind die bereits erwähnten, in diesem Fluggeschwindig-
keitsbereich stark zunehmenden Verluste auf Grund hoher Blattspitzengeschwindigkeiten.
Diese Charakteristiken machen klar, warum im Bereich mittlerer Fluggeschwindigkeiten
das Turboproptriebwerk den klaren Vorzug gegenüber dem Turbojettriebwerk und z. T.
auch gegenüber dem Turbofantriebwerk genießen sollte. Es ist jedoch zu beobachten, dass
manchmal dennoch ein Turbofanantrieb einem Turbopropantrieb vorgezogen wird. Be-
gründungen dafür sind zumeist Wünsche von Fluggesellschaften, die bei ihren Passagieren
eine größere Akzeptanz von Flugzeugen mit reinen Strahlantrieben beobachten. Propel-
lerantriebe werden von Passagieren oft als laut und vibrationsintensiv eingestuft. Subjektiv
1.8 Aufbau und Wirkungsweise von Turbofantriebwerken 35
Fanleitrad Kerntriebwerk
Niederdruckturbine
Fanstator
Hochdruckturbine
Fanlaufrad
Niederdruck- Hochdruck-
Brennkammer
Fanrotor
verdichter verdichter
Stützen
Splitter (Struts)
Sekundär-
strom
Primär-
strom
Spinner
N2-Welle N1-Welle
Hochdruckwelle Niederdruckwelle
Fanstufe äußere Welle innere, zentrale Welle
Gasgenerator
Niederdruckverdichter + Kerntriebwerk + Niederdruckturbine
werden sie manchmal auch als weniger sicher empfunden, wofür es aber keine belegbaren
Gründe gibt.
Die vorteilhafte Kombination von Gasturbine und Propeller stand auch bei der Ent-
wicklung der Turbofan- und der offenen und ummantelten Propfantriebwerke Pate. Der
Fan oder Bläser dieser Triebwerke kommt von seiner Aufgabe und Wirkungsweise einem
Propeller nahe. Turbofan- und Propfantriebwerke setzen im Vergleich zum Turbojettrieb-
werk insgesamt eine höhere Luftmasse bei deutlich geringer Strahlgeschwindigkeit durch,
wodurch es zu einer Verbesserung des Vortriebswirkungsgrades kommt.
Das heute nahezu ausschließlich in der Zivilfliegerei eingesetzte Strahltriebwerk ist der
so genannte Turbofan, das auch als Zweikreis-, Bläser- oder Bypasstriebwerk bezeichnet
wird. Zusammen mit den Bezeichnungen seiner Hauptkomponenten ist es in Abb. 1.23
dargestellt. Eine ältere deutsche Bezeichnung ist auch ZTL-Triebwerk (Zweistrom-Turbo-
Luftstrahl-Triebwerk).
36 1 Einführung
Ein solches Turbofantriebwerk teilt sich in zwei Luftströme auf, den äußeren Sekun-
därstrom, durch den bei zivilen Triebwerken die meiste Luft strömt, und den inneren
Primärstrom. Der Primärstrom durchströmt den eigentlichen Triebwerksmotor, der sich
aus den Komponenten Verdichter, Brennkammer und Turbine zusammensetzt. Die Turbi-
ne ist der Antrieb für den Verdichter. Beide sind über eine gemeinsame Welle miteinander
verbunden. In Abhängigkeit des Druckniveaus im Triebwerk unterscheidet man beim Ver-
dichter zwischen Niederdruck- und Hochdruckverdichter und bei der Turbine zwischen
Hoch- und Niederdruckturbine. Hochdruckverdichter, Brennkammer und Hochdruck-
turbine bilden das so genannte Kerntriebwerk. Hierbei treibt die Hochdruckturbine
über eine gemeinsame Welle den Hochdruckverdichter an. Diese Welle nennt man die
Hochdruck- oder auch N2-Welle. Die Drehzahl N2 dieser Welle wird im Cockpit in
Prozent angezeigt.
Niederdruckverdichter und Niederdruckturbine bilden zusammen mit dem Kerntrieb-
werk den so genannten Gasgenerator. Hierbei treibt die Niederdruckturbine über eine
gemeinsame Welle den Niederdruckverdichter und den Fan an. Diese Welle nennt man
die Niederdruck- oder auch N1-Welle. Die Drehzahl N1 dieser Welle wird im Cockpit
ebenfalls in Prozent angezeigt. Die N1-Drehzahl ist für viele Triebwerke die Hauptlei-
stungsanzeige. Der nabennahe Teil des Fans gehört mit zum Niederdruckverdichter, er
ist das erste Laufrad des Niederdruckverdichters, und gehört somit zum Primärstrom des
Triebwerks. Der Fan, den man sich als eine Art von Propeller vorstellen kann, erzeugt über
den Sekundärstrom den wesentlichen Anteil am Gesamtschub des Triebwerks.
Ein drehendes beschaufeltes Rad heißt Rotor oder Laufrad und ein stehendes beschau-
feltes Rad heißt Stator oder Leitrad. Ein solches drehendes Rad und das unmittelbar darauf
folgende nicht drehende Rad heißen beide zusammen im vorderen Triebwerksteil jeweils
Fan- oder Verdichterstufe. Bei der Turbine, im hinteren Triebwerksteil, ist das ähnlich, nur
das eine Turbinenstufe mit einem Leitrad (Stator) beginnt und mit einem Laufrad (Rotor)
endet, also genau die umgekehrte Reihenfolge wie bei Fan und Verdichter. Bezüglich des
Begriffes der Stufe ist in Abb. 1.23 insbesondere die Fanstufe beispielhaft markiert worden.
Fan, Verdichter und Turbinen sind in zivilen Großtriebwerken also meist ein-, mehr- oder
vielstufige Axialmaschinen, was bedeutet, dass die Hauptströmungsrichtung durch diese
Maschinen mehr oder weniger parallel zur Achse erfolgt. Abgesehen vom Fan, findet man
einstufige Axialmaschinen bei zivilen zweiwelligen Triebwerken, wie es die Abb. 1.23 zeigt,
manchmal in Hochdruckturbinen, auch wenn das hier im Bild dargestellte Triebwerk eine
zweistufige Hochdruckturbine aufweist. Das in Abb. 1.24 dargestellte dreiwellige Trieb-
werk hat aber dagegen jeweils eine einstufige Hoch- und Mitteldruckturbine. Das Laufrad
des einstufigen Niederdruckverdichters (N1-Welle) dieses Triebwerks ist der nabennahe,
untere Teil der Fanschaufel. Das zugehörige Leitrad ist die erste Schaufelreihe im Gasge-
nerator. Daran schließen sich ein mehrstufiger Mittel- und ein Hochdruckverdichter (N2-
und N3-Welle) an. Der Fan und/oder Niederdruckverdichter wird von einer mehrstufigen
Niederdruckturbine (N1-Welle) angetrieben.
1.8 Aufbau und Wirkungsweise von Turbofantriebwerken 37
Einlauf
diffusor
Drehrichtung
Austritts-
konus
Einlauf oder
Pitot-Einlauf
(inlet or intake) Hochdruck- Primärkreisdüse
Splitter Teil (N3) Sekundärkreisdüse
Gondel Mitteldruck-
(Nacelle) Teil (N2)
Niederdruck-
Teil (N1)
Fan + Niederdruckturbine
Abb. 1.24 Dreiwelliges Turbofantriebwerk der Triebwerksserie RB211-Trent der Firma Rolls-
Royce. Bild mit freundlicher Genehmigung der Rolls-Royce plc
Der Fan, die Verdichter und die Turbinen sind Turbomaschinen, wobei der Begriff
„Turbo“ aus dem Lateinischen kommt und soviel wie „verwirbeln“ oder „sich drehen“
bedeutet. Turbomaschinen bestehen aus Schaufeln, die man sich wie kleine Tragflügel
vorstellen kann. Es gibt dabei im Fan und Verdichter immer ein drehendes Rad mit
Schaufeln und eine stehendes Rad mit Schaufeln.
Der äußere und damit der größere Anteil der Fan-Rotor-Schaufeln gehören zum Sekun-
därkreis oder Nebenstrom und beschleunigen den größten Anteil der vom Triebwerk
angesaugten Luftmasse am Gasgenerator vorbei. Wie viel Luftmasse am Gasgenerator
vorbeigeführt wird, beschreibt das so genannte Bypass- oder Nebenstromverhältnis μ:
ṁFan ṁ0 − ṁCore ṁ0 − (ṁ0 − ṁII ) ṁII
μ= = = = (1.7)
ṁCore ṁCore ṁI ṁI
In der vorhergehenden Gleichung bedeuten:
ṁ0 = ṁI + ṁII = ṁCore + ṁFan = gesamter angesaugter
(1.8)
Luftmassenstrom
38 1 Einführung
Daraus ergibt sich für die Massenströme durch Primär- und Sekundärkreis durch einfaches
Umformen:
ṁ0 μ · ṁ0
ṁI = ṁII = (1.11)
1+μ 1+μ
Hochdruck-
dreistufige
einstufige
schnelllaufende
turbine
Niederdruckturbine
Untersetzungs-
getriebe
Abb. 1.25 Ein Geared-Turbofan (GTF) der Firma Pratt & Whitney, PW1000G (PurePower) – unter
Beteiligung der MTU Aero Engines. Das Bild zeigt eine frühe Demonstratorversion, bei der die
Hochdruckturbine noch einstufig ist
Pratt & Whitney, PW1000G, unter Beteiligung der MTU Aero Engines eine dreistufige,
schnelllaufende transsonische Niederdruckturbine vor, die über das Getriebe den Fan und
einen ebenfalls schnelllaufenden zwei- oder dreistufigen Niederdruckverdichter antreibt.
Zum Fan hin wird die Drehzahl durch ein kompaktes Planetengetriebe (Übersetzung:
3:1, Systemgewicht 113 kg) reduziert. Das Getriebegewicht, dessen Schmierungszubehör
und Wärmemanagement fallen dabei unter Umständen geringer aus als das Gewicht der
eingesparten Turbinenstufen, sodass es in der Gesamtgewichtsbilanz zu einem Gewichts-
vorteil gereicht, Abb. 1.25. Der Geared-Turbo-Fan (GTF) PW1000G ist derzeit für die
drei Flugzeuge Bombardier C-Series (PW1524G mit F = 107 kN), Mitsubishi Regional Jet
(PW1217G mit F = 76 kN) und Irkut MS-21 (PW1433G mit F = 147 kN) vorgesehen.
Ab 2016 oder 2017 soll es auch möglich sein, dieses Triebwerk für den Airbus A320neo
(New Engine Option) als eine mögliche Triebwerksoption wählen zu können (PW1124G
mit F = 147 kN). Bei der Triebwerksbezeichnung bezieht sich die erste Ziffer „1“ auf die
Baureihe „1000“ und die zweite Ziffer auf den jeweiligen Kunden, wobei „0“ für Boeing,
„1“ für Airbus, „2“ für Mitsubishi, „4“ für Irkut, „5“ für Bombardier und „7“ und „9“ für
Embraer. Die letzten beiden Ziffern geben den Schub jeweils in 1 000 lbf an. ‘
40 1 Einführung
Abb. 1.26 Frontansicht auf den jeweiligen Fan zweier moderner, leistungsstarker Turbofantrieb-
werke zur Erläuterung der Drehrichtung des Fans
Abb. 1.27 Seitenriss des Rolls-Royce-Großtriebwerks RB211-Trent 900, zur Beschreibung der
Drehrichtungen seiner 3 Wellen. Bild mit freundlicher Genehmigung der Rolls-Royce plc
900, Airbus A380) zeigt ergänzend dazu, dass aber die Hochdruckwelle (N3) anders herum
dreht als die beiden N1- und N2- Wellen. Eine diesbezügliche Ausnahme stellt das neu ent-
wickelte Triebwerk GEnx (Boeing B787 Dreamliner, Boeing B747-8, Airbus A350) dar. Bei
diesem Triebwerk dreht der Fan (N1-Welle), von hinten aus gesehen, genau wie ein Rolls-
Royce-Fan, nämlich links herum, während der Hochdruckteil (N2-Welle) herkömmlich
rechts herum dreht, Abb. 1.28. Das GEnx Triebwerk wurde aus Gründen der Gewichts-
und Brennstoffeinsparung mit einer gegenläufigen Turbine ausgestattet, wodurch es erfor-
derlich wurde, entweder die Drehrichtung der N1- oder die der N2-Welle zu ändern. Da es
konstruktiv einfacher war, die Drehrichtung des Fan und des Niederdruckverdichters (N1-
Welle) zu ändern, als die des Hochdruckverdichters (N2-Welle) mit seinem komplexen
System an verstellbaren Leitschaufeln und seiner großen Anzahl an Stufen mit aufwendig
dreidimensional gestalteten Stufen, ist das GEnx das erste nichtenglische Serientriebwerk,
dessen Fan, von hinten gesehen, gegen der Uhrzeigersinn dreht (Counter-Clockwise).
Die Abb. 1.24 zeigt, dass sich vor den in Abb. 1.23 beschriebenen Bauteilen (dem
eigentlichen Basistriebwerk) ein so genannter Einlauf befindet, der Bestandteil der
Triebwerksgondel ist. Dem Prinzip nach wird die Gondel mit Einlauf und Düse der
42 1 Einführung
Boeing 777
Boeing 787
GE 90
GE nx
rechts drehend links drehend
NDT
HDT
NDT
HDT
rechts drehend
Abb. 1.28 Vergleichende Darstellung zur Wellendrehrichtung bei den Triebwerken GE90 und
GEnx. Bilder mit freundlicher Genehmigung von General Electric Aviation
Flugzeugaerodynamik zugeordnet und nicht dem Triebwerk, Der Pylon, der zum Flug-
zeugflügel führt, trägt Triebwerk und Gondel. Über den in Abb. 1.24 gekennzeichneten
Service Pylon werden alle Verbindungen (Brennstoff, Druckluft, Strom und Messdaten)
zwischen Triebwerk und Flugzeug geleitet, Abb. 1.29.
Aufgabe des Einlaufes ist es, das Geschwindigkeitsniveau der vom Triebwerk an-
gesaugten Luft möglichst verlust- und turbulenzarm so zu reduzieren, sodass eine
für den nachfolgenden Fan/Verdichter geeignete Zuströmung entsteht. Dabei sind die
Geschwindigkeits- und Totaldruckverteilungen im Endbereich des Einlaufs, die dort mög-
lichst gleichförmig sein sollten, maßgebliche Größen, die mit dem Fan/Verdichter in
erheblicher strömungsmechanischer Wechselwirkung stehen.
Im Flugfall kommt es vor dem Einlauf zum aerodynamischen Aufstau vom statischen
Umgebungsdruck p0 auf den Totaldruck pt0 . Im Einlauf wird die, dem Triebwerk mit
der Fluggeschwindigkeit c0 zuströmende Luft durch Diffusion auf ein niedrigeres vor
dem Verdichter vorliegendes Geschwindigkeitsniveau c2 gebracht, dabei kommt es zu
einer Druckerhöhung vom statischen Umgebungsdruck p0 auf den statischen Fan- bzw.
Verdichtereintrittsdruck p2 . Der Totaldruck ändert sich nicht so viel, er fällt aufgrund von
Verlusten leicht von pt0 auf pt2 ab. Hinsichtlich seiner durchströmten Querschnitte hat
ein solcher subsonischer Einlauf eine divergente Diffusorform. Seine Strömungsverluste
sind bis hin zu Flugmachzahlen von etwa Ma0 ≈ 0.9 vergleichsweise gering. Der Einlauf
verzögert die Strömung so, dass bei einem typischen Flugfall von etwa Ma0 ≈ 0.82 die
Machzahl am Faneintritt bei etwa 0.5 . . . 0.6 liegt.
1.8 Aufbau und Wirkungsweise von Turbofantriebwerken 43
Abb. 1.29 Der Pylon des Airbus A380 und seine Schnittstellen zum Triebwerk RB211-Trent 900.
Bilder mit freundlicher Genehmigung von Airbus Deutschland und der Rolls-Royce plc
Das hintere Ende eines Strahltriebwerks stellen seine Schubdüsen dar. Beurteilt man ein
Strahltriebwerk von außen, so ist es die Aufgabe der Schubdüse, die nach dem Fan bzw. der
Turbine in der Strömung enthaltene Strömungsenergie in kinetische zu wandeln und so
Schub zu erzeugen. Die Auslegung des Schubdüsenbereiches hat von daher wesentlichen
Einfluss auf das Leistungspotenzial eines Triebwerks. Die Wahl der Strömungsquerschnitte
beeinflusst sowohl die Turbineneintrittstemperatur und den Triebwerksmassenstrom als
auch Druck und Geschwindigkeit im Austrittsstrahl.
Beurteilt man ein Strahltriebwerk von vom Inneren her, so besteht die Hauptaufgabe
einer Schubdüse darin, das Druckniveau im Triebwerk aufrechtzuerhalten. Denn wer-
den nur die internen Kräfte im Triebwerk betrachtet, so erzeugt die Schubdüse generell
eine negative Kraft, also eine Kraft, die entgegen der eigentlichen Schubrichtung (nach
vorne) eines Triebwerks wirkt.
Die Schubdüse ist eine Art von Regelorgan am Ende des Triebwerks, das mittels seines
Querschnitts den Massendurchsatz ṁ und damit das Triebwerksdruckniveau kontrolliert.
Je enger der Düsenquerschnitt wird, umso mehr Masse „staut“ sich vor der Schubdüse
im Triebwerk auf und umso höher wird der Druck im hinteren Triebwerksteil ausfallen.
Bei einer konstanten Düsenaustrittsfläche A8 steigt der Durchsatz ṁ durch die Düse an,
wenn der Druck vor der Düse steigt. Dieser Druck wird vom Verdichter bzw. von seiner
Drehzahl gesteuert. Hält man anderseits die Verdichterdrehzahl konstant und verkleinert
dabei aber dann die Düsenfläche A8 , so wird der Massendurchsatz ṁ sinken und auch
44 1 Einführung
5.1 m
Pratt & Whitney PW 4098
3m
17 m
11 m
Abb. 1.30 Zur Verdeutlichung, wie viel Luft sekündlich durch einen modernen Turbofan der
oberen Schubklasse während des Take-Off strömt
der Druck wird sich ändern. Um zu wissen, wie sich der Druck ändert, benötigt man den
Zusammenhang zwischen dem Massendurchsatz ṁ und dem Verdichterdruckverhältnis
πV . Dieser Zusammenhang geht aus dem so genannten Verdichterkennfeld hervor.
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F = dard-S 300ER 90 – 1
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Abb. 1.31 Zur Verdeutlichung, wie viel an Maximalschub heutige Turbofantriebwerke erreichen
können
3.251 m und hält einen Weltrekord im Guinnessbuch der Rekorde für die höchste erzielte
Schubkraft von 569 kN. Dieser Rekord wurde unbeabsichtigt während eines einstündigen
Belastungstests auf einem Prüfstand erreicht, bei dem die spezifizierten Betriebsgren-
zen versehentlich überschritten wurden. Zugelassen ist diese Triebwerksversion für einen
Schub von F = 513 kN. Dieser Schub entspricht einer Gewichtskraft F = i · m · g von i = 65
kleineren PKW (z. B.: VW Polo II, Typ 86C), die eine Einzelmasse von m = 805 kg haben.
Ein weiterer wichtiger Aspekt zur Beurteilung heutiger Triebwerke hinsichtlich Wirt-
schaftlichkeit und abgegebener Schadstoffemissionen ist der so genannte spezifische
Brennstoffverbrauch.
Die heute weltweit fliegende Flotte an Passagierflugzeugen hat einen Brennstoffver-
brauch pro Passagier von etwa 4.5 L pro 100 km, wenn das Flugzeug voll besetzt ist.
Modernere Flugzeuge, wie z. B. der Airbus A330 mit zwei Rolls-Royce Trent 700 Triebwer-
ken verbrauchen pro Passagier nur noch 3.4 L pro 100 km. Das sind etwa 36 % weniger, als
ein mit 2 bis 3 Personen besetzter Mittelklasse PKW pro Person verbrauchen würde. Bei
der Angabe „pro Person“ wird von einem in der Art und Weise besetzten Fahrzeug aus-
gegangen, bei der jeder Person in jedem zu betrachtenden Fahrzeug derselbe umgebende
Freiraum zugesprochen wird, wie es in einem Flugzeug der Fall ist.
Der Airbus A380, als derzeit modernstes ziviles Flugzeug, bringt es mit vier Rolls-
Royce GP7277 Triebwerken hier auf gegenwärtige Bestwerte von nur noch 3.24 L pro
46 1 Einführung
Abb. 1.32 Zur Abschätzung des durchschnittlichen Verbrauchs eines Flugzeuges pro Passagier und
Flugkilometer, am Beispiel des Airbus A380
Passagier pro 100 km in der Standardbestuhlung und 2.11 L Pro Passagier pro 100 km in
der dichtesten Bestuhlung. Wie man solche Angaben aus einigen wenigen Flugzeugdaten
leicht abschätzen kann, verdeutlicht die Abb. 1.32. Die Vorgehensweise ist dabei dieselbe,
wie man sie als Privatmann anwendet, um den Verbrauch seines Autos pro Person zu
bestimmen: Tankfüllung dividiert durch gefahrene (geflogene) Kilometer und dividiert
durch Anzahl der Personen im Fahrzeug.
Wo ein Triebwerk genau am Flugzeug zu positionieren ist, wird durch mehrere Parameter
beeinflusst:
Abb. 1.33 Möglichkeiten der Positionierung von Triebwerken am Flugzeug. a Falcon 50EX,
b Airbus A340, c VFW 614, d MD-11. (Quellen: Fundus des Autors)
Die Abb. 1.32 und 1.33b zeigen in diesem Zusammenhang, dass die unter dem Tragflügel
angebrachten Triebwerke vergleichsweise weit vor der Flügelvorderkante positioniert sind.
Ein wichtiger Grund dafür sind Sicherheitsaspekte. Das Triebwerk ist deswegen so weit
vorne, dass beim Eintreten eines fatalen Schadens, zerfetzende Teile der letzten rotieren-
den Triebwerkskomponente, d. h. des letzten Turbinenrotors, nicht in die im Tragflügel
befindlichen Tanks einschlagen können. Zwar sind alle modernen Triebwerke heute von
innen mit Aramidfaserwerkstoffen (Kevlar, Nomex) ausgekleidet, um wegfliegende Bau-
teile daran zu hindern, die Außenwandungen eines Triebwerks zu durchschlagen. Dass
das aber in Praxis dennoch hin und wieder passieren kann, zeigt die Abb. 1.34. Teile einer
zerborstenen Turbinenscheibe haben die Gondel des Triebwerks durchschlagen und den
Flügel und Teile der darin befindlichen Tanks und der Elektrik beschädigt.
Triebwerke sollten darüber hinaus möglichst nahe am Flugzeugrumpf angebrachte sein,
da dann das Giermoment, das entsteht, wenn eins der Triebwerke ausfallen sollte, gering
bleibt. Der Pilot muss in einem solchen Fall in die Seitenruderpedale treten und das
Giermoment mit dem Seitenruder ausgleichen. Ist das Giermoment groß, so muss das Sei-
tenruder passend dazu dimensioniert sein. Die Größe und das Gewicht eines Seitenruders
bestimmen sich also nach diesem Notfallgiermoment. Tritt der Notfall nie ein, was eher
die Regel ist, so muss dennoch das Flugzeug stets ein mehr oder weniger „überdimen-
48 1 Einführung
Abb. 1.34 Triebwerk nach dem Bersten einer Turbinenscheibe im hintersten Triebwerksbereich
und daraus resultierende Beschädigungen in den Flügeltanks. (Quelle: ATSB 2010)
sioniertes“ Seitenruder als eine Art von Ballast „mitschleppen“. Nahe am Rumpf liegende
Triebwerke minimieren diesen Gewichtsaspekt für das Leitwerk.
Eine günstige Position für Triebwerke ist also nahe am Rumpf und dann auch im Be-
reich des Hecks, hinter der Kabine. Diese Position führt zu einer deutlichen Minderung
des Geräuschpegels innerhalb der Kabine. Reicht die Schubkraft von zwei Triebwerken
nicht aus, wird manchmal noch ein drittes im Bereich des Seitenleitwerks hinzugefügt,
Abb. 1.33a oder 1.33d. Die Triebwerksinstallation in Abb. 1.33a hat zusätzlich den Vorteil,
dass die Aerodynamik des Tragflügels vom Triebwerk und seiner Aufhängung unbe-
einflusst bleibt. Gleichzeitig kann diese Art der Triebwerksaufhängung aber auch sehr
gefährlich werden, was die Abb. 1.35 verdeutlicht. Bei der Flugerprobung der beiden Flug-
zeuge BAC 1-11 und Hawker-Siddeley „Trident“ (beide mit T-Leitwerk und hinten am
Rumpf angebrachten Triebwerken) kam es zum Triebwerkspumpen (Strömungsablösung
an allen Verdichterschaufeln) mit anschließendem Erlöschen der Triebwerke, nachdem bei
großen Flugzeuganstellwinkeln die Strömungsablösungen der Tragflügel in die Triebwerke
eingesaugt wurden. Die daraus resultierende Manövrierunfähigkeit – im Zusammenspiel
mit weiteren unglücklichen Umständen – die das Flugzeug in eine so genannte Deep
1.8 Aufbau und Wirkungsweise von Turbofantriebwerken 49
Normalflug
Abgelöste
Tragflügelströmung
Hoher Anstellwinkel, sodass Triebwerkseinlauf
und Höhenleitwerk im „Windschatten“ des
Tragflügels liegen (Deep Stall).
„Windschatten“
des Tragflügels
Abb. 1.35 Die so genannte „Deep Stall“-Situation, in die ein Flugzeug unter Umständen mit im
hinteren Heckbereich integrierten Triebwerken geraten kann
Stall Situation getrieben haben, führte schließlich zu tragischen Verlusten an Mensch und
Material.
Hinsichtlich der Position des Triebwerks kann es manchmal erforderlich sein, auch
ungewöhnliche Positionen zu wählen, so wie es z. B. bei dem deutschen Flugzeug VFW
614 (Vereinigte Flugtechnischen Werke in Bremen) seinerzeit der Fall war, Abb. 1.33c. Die
Eigenheit dieses ansonsten konventionellen Flugzeuges war die Position seiner Triebwerke,
die sich oberhalb der Tragflächen befanden, was insbesondere störend für die saugseitige
Flügelaerodynamik ist. Ursächlich für diese Positionierung war der geplante Einsatz der
Maschine auf unbefestigten Pisten in Dritte-Welt-Ländern, wo die Triebwerke leicht Sand
und kleine Steine ansaugen können, sodass es unter Umständen im Inneren der Triebwerke
zu schweren Beschädigungen kommen kann. Die Abdeckung durch den Tragflügel –
zwischen Einlauf und Piste – sollte dies unterbinden.
Die immer größer und schwerer werdenden Triebwerke (GE90, B777: 8 300 kg, Trent
900, A380: 6 400 kg) verbieten praktisch eine Triebwerksinstallation am Heck des Flug-
zeuges, da dies zu einer ungünstigen Massenverteilung (Schwerpunktslage) am Flugzeug
führen würde. Bei solch schweren Triebwerken ist die beste Lage unmittelbar unterhalb der
Auftriebskraft des Tragflügels, was aber nicht immer perfekt möglich ist, da – wie bereits
weiter oben erläutert – die Triebwerke aus Sicherheitsgründen ein gewisses Stück vor der
Flügelvorderkante platziert werden müssen.
Zusätzlich zu den bisher erläuterten Gesichtspunkten ist es bei der Triebwerksposi-
tionierung auch wichtig, dass der Triebwerksstrahl nicht mit dem Leitwerk interferiert.
50 1 Einführung
Abb. 1.36 Sichtbarmachung der Strömung aus einem Modelltriebwerk (Durchflussgondel) an ei-
nem Halbmodell des Airbus A300 im ehemaligen 3-Meter-Niedergeschwindigkeitswindkanal des
DLR in Göttingen
Die Teilbilder A, C und D in Abb. 1.33 zeigen, wie Triebwerk und Höhenleitwerk zuein-
ander angeordnet sind, um Interferenzen zu vermeiden und der Triebwerksstrahl nicht
das Leitwerk anströmt. Die Abb. 1.36 zeigt im Gegensatz dazu anhand eines Experimen-
talaufbaus in einem Windkanal, wie Trieb- und Leitwerk nicht zueinander angebracht
sein sollten. Deutlich ist zu sehen, dass die durch Wasser mittels Anleuchtung sichtbar
gemachte Triebwerksabströmung voll auf das Höhenleitwerk trifft.
Die Abb. 1.37 zeigt eine typische Gondel, die das Triebwerk in seinem Inneren trägt,
aerodynamisch verkleidet und über den Pylon die Verbindung zum Flugzeug herstellt.
Eine solche Gondel weist an ihrem Umfang zahlreiche Öffnungen auf, die den Zugang
zum Triebwerk für Wartungsarbeiten am Boden ermöglichen. Zudem müssen Öffnungen
vorhanden sein, die Kühlluft für am äußeren Triebwerk angebrachte Hilfsaggregate zu-
und auch wieder abströmen lassen. Darüber hinaus ist der innere Spaltraum zwischen
Triebwerk und Gondel in Feuerschutzzonen unterteilt, die eine ständige Durchspülung
benötigen, um dort das Bilden zündfähiger Gemische zu unterbinden. In diesem Sinne
befindet sich unterhalb des Triebwerks auch ein Drainagemast, über den feuergefährli-
che Flüssigkeitsreste (Brennstoff-, Schmier- und Hydrauliköl-Leckagen), die sich durch
Schwerkraft unten im Triebwerk sammeln, abfließen können.
1.8 Aufbau und Wirkungsweise von Turbofantriebwerken 51
Außen an den Gondeln fallen oft auch seitlich angebrachte Bleche ins Auge, die so
genannten „Aerodynamic Fan Cowl Strakes“. Ihre Bedeutung betrifft nicht unmittelbar
das Triebwerk, sondern vielmehr die aerodynamische Wechselwirkung zwischen Trieb-
werk und Tragflügel (insbesondere bei hohen Anstellwinkeln), da die Triebwerke sich
nahe am Flügel befinden, um so die Fahrwerkshöhe (Fahrwerksgewicht) und den Trieb-
werksabstand (Minimierung der Gefahr des Ansaugens von Fremdkörpern) zur Start- und
Landebahn zu optimieren. Die Abb. 1.38 zeigt sehr schön, wie diese Strakes, die Luft zur
Tragflügeloberseite drängen. Bei hohen Anstellwinkeln mit ausgefahrenen Klappen (Flaps)
und Vorflügeln (Slats) zeigt sich häufig ein verminderter maximaler Auftriebsbeiwert,
der die Abreißgeschwindigkeit (Stall Speed) des Flugzeuges um bis zu 5 Knoten erhöhen
kann. Dabei beginnt der Strömungsabriss am Tragflügel im Allgemeinen im Bereich hinter
der Gondel und vor dem inneren Querruder (Inboard Aileron). Ursächlich dafür ist die
Kombination aus der Gondelumströmung bei hohen Anstellwinkeln und dem Fehlen der
Vorflügel (Slats) in diesem Tragflügelbereich, Abb. 1.39. Die Strakes selbst wirken nun
wie große Wirbelgeneratoren (Vortex Generators), die die Gondelgrenzschichten mit der
freien Außenströmung vermischen und diese dann über den Bereich ohne die Vorflügel
(Slats) und so schließlich auch über die Tragflügeloberseite hinweg transportieren, wobei
sich der Mischungseffekt fortsetzt. Die Strakes sind so in der Lage, die erforderlichen Start-
und Landestrecken eines Flugzeuges um bis zu 6 % zu reduzieren, was vergleichsweise viel
ist, Shevell (1986).
52 1 Einführung
Abb. 1.38 Visualisierung der Wirkung der „Aerodynamic Cowl Strakes“ an einem bei Regenwetter
startendem Flugzeug. Die Nässe in der Luft bewirkt die Sichtbarmachung. (Quellen: Fotofundus des
Autors)
Grenzschichtablösung durch
Auf die Strömung verzögernd Aufplatzen der Gondelwirbel
wirkende Druckspitzen in der
Tragflügeldruckverteilung
Druckverteilung der ab-
gelösten Strömung auf
der Tragflügeloberseite
Gondel-
wirbel
Slats
Flaps
Abb. 1.39 Strömungsablösung auf der Tragflügeloberseite bei hohen Anstellwinkeln, im Bereich
der Triebwerksgondel, wenn keine „Aerodynamic Cowl Strakes“ vorhanden wären
1.8 Aufbau und Wirkungsweise von Turbofantriebwerken 53
Abb. 1.40 Zwei Beispiele für heute üblicher Weise eingesetzte Cold Stream Reverser, die den
Umkehrschub (30 bis 35 % des Startschubes) ausschließlich im Sekundärkreis produzieren (Bilder
mit freundlicher Genehmigung der Lufthansa Technik AG)
Mehr als Nebenaufgabe von Schubumkehrern können die folgenden drei Funktionen
angesehen werden:
• Bei einigen wenigen militärischen Flugzeugen agieren Schubumkehrer auch als eine Art
von Spoiler oder Speed Brakes zum Reduzieren der Fluggeschwindigkeit beim Abstieg
(Descend).
• Zur Begrenzung der Bremsentemperaturen kann beim Rollen der Schubumkehrer auf
den Rollwegen benutzt werden, wenn diese abschüssig sind.
• Rückwärtssetzen des Flugzeuges aus einer Parkposition heraus (Push Back Operation).
Zu dem letztgenannten Punkt ist anzumerken, dass bei vielen Flugzeugen das Rückwärts-
setzen mit Schubumkehrer laut Flughandbuch explizit verboten ist. Das Triebwerk könnte
nämlich unter Umständen seine eigenen heißen Abgase ansaugen. Dieses kann schließlich
im hinteren Verdichterbereich zu so hohen Temperaturen führen, dass dieser beschä-
digt wird. Außerdem würden solchermaßen angesaugte Abgase über den Verdichter in
die Klimaanlage gelangen und so ganz erheblich die Gesundheit der Passagiere gefähr-
den. Zu bedenken ist auch, dass beim Rückwärtssetzen mit Schubumkehrer das Flugzeug
nur mit Vorwärtsschub gebremst werden kann, denn bei Benutzung der Radbremsen be-
stünde die Gefahr, dass das Flugzeug auf sein Heck kippt (Tail-Tipping), insbesondere
dann, wenn eine ansonsten stets sehr wünschenswerte rückwärtige Schwerpunktslage des
Flugzeugs vorliegt. Da bei heutigen Turbofantriebwerken nur der Fanstrahl für den Um-
kehrschub genutzt wird, erzeugt der Abgasstrahl stets einen Vorwärtsschubanteil, sodass
ein sehr hohes Umkehrschubniveau erforderlich wäre, um das Flugzeug überhaupt rück-
wärts bewegen zu können. Dadurch könnte es zu Gefährdungen von Personen und Sachen
hinter dem Flugzeug kommen. Gerade aber auch vor dem Hintergrund enorm gestiege-
ner Brennstoffpreise ist ein Zurücksetzen mit Umkehrschub völlig undenkbar. Vielmehr
wird angestrebt, die Triebwerke so spät wie irgend möglich anzulassen. In der Tat ist das
Rückwärtssetzen mit Reverser aber vor einigen Jahren bei amerikanischen Gesellschaften
regelmäßig angewendet worden, allerdings infolge der Aufhängungsposition der Trieb-
werke am Heck nur bei der Boeing 727 und bei den Flugzeugen der DC 9 Baureihe und
deren Nachfolger MD 80/90. Wegen der zuvor genannten Gründe ist man aber sehr bald
wieder davon abgegangen.
Zwei typische Vertreter von Schubumkehrern zeigt Abb. 1.40. Der links im Bild darge-
stellte Typ ist für heutige Zweikreistriebwerke sehr gebräuchlich. Dabei befinden sich in
1.8 Aufbau und Wirkungsweise von Turbofantriebwerken 55
Abb. 1.41 Blocker Doors im hinteren Teil des Sekundärkanals eines Rolls-Royce Trent 877
Turbofan. (Quelle: Fotofundus des Autors)
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Klassifizierung der Flugzeugtriebwerke
2
• Turbostrahltriebwerke1
• Wellenleistungstriebwerke
Innerhalb dieser beiden Kategorien können jeweils die folgenden weitergehenden Unter-
scheidungen getroffen werden:
• Einwellentriebwerke
• Mehrwellentriebwerke (Zwei- oder Dreiwellentriebwerke).
Unter dem Begriff Welle (Shaft) wird eine solche verstanden, die sowohl eine Verdichter-
als auch eine Turbinenbeschaufelung trägt. Abbildung 2.1 verdeutlicht diese Definition.
Beide dort dargestellten Triebwerke sind sog. Wellenleistungstriebwerke, die über eine
Welle einen Propeller bzw. einen Rotor antreiben und primär keinen schnellen Gasstrahl
zur Schuberzeugung produzieren, so wie es bei den Turbostrahltriebwerken der Fall ist.
Der untere Bildteil zeigt ein Triebwerk, das zwar drei Wellen hat, aber dennoch zu den
Zweiwellentriebwerken zu zählen ist, da die zentrale dritte Welle nur eine Turbinen- aber
keine Verdichter-Beschaufelung trägt. Diese Turbine ist eine sog. Arbeitsturbine (Free
power turbine), die dem Gasgenerator nachgeschaltet ist und über deren separate Welle
Leistung nach außen abgegeben wird. In den Fällen, in denen Wellenabschnitte durch
Kupplungen oder Getriebe miteinander verbunden sind, sind diese als eine einzige Welle
aufzufassen.
1
Der Begriff „Turbo“ leitet sich von dem lateinischen Ausdruck „turbare“ ab, der in etwa „sich
drehen, herumwirbeln“ bedeutet. Turbo-Strahltriebwerke sind also Triebwerke mit sich drehenden
Bauteilen, nämlich Verdichter und Turbine, die als Turbomaschinen bezeichnet werden.
Mehrwellige Triebwerke kommen praktisch immer dann zur Anwendung, wenn das
Druckverhältnis des Verdichters (Compressor) größer als 8 oder 10 ist und auf ver-
stellbare Leitschaufeln (Variable inlet guide vanes) in dessen ersten Stufen2 verzichtet
werden soll. Andernfalls müssten etwa 40 % der Verdichtereingangsstufen eine Leitschau-
felverstellung erhalten. Zusätzlich kann auch das Ausblasen von Verdichterluft (Bleed
air) aus den mittleren und/oder hinteren Stufen erforderlich sein. Sowohl Leitschau-
felverstellung als auch Abblasen von Verdichterluft sind nur für das Anlassen und den
unteren Drehzahlbereich, oberhalb des Leerlaufs (Idle) relevant. Vielstufige Verdichter
mit hohen Druckverhältnissen könnten ansonsten nicht in ihren oberen Drehzahlbe-
reich gefahren werden. Die obere Hälfte des möglichen Schubbereichs eines Triebwerks
wird von Drehzahlen oberhalb von 80 . . . 90 % der maximal möglichen Verdichterdreh-
zahl abgedeckt. Nicht nur 1-wellige Triebwerke machen eine Leitschaufelverstellung und
das Abblasen von Verdichterluft erforderlich, sondern auch die modernen Mehrwellen-
triebwerke mit ihren sehr hohen Verdichterdruckverhältnissen von 35 und mehr. Hier
ist insbesondere der Hochdruckverdichter angesprochen. Bei 3-Wellen-Triebwerken der
Mitteldruckverdichter.
Bei zweiwelligen Triebwerken teilt sich der Verdichter in einen Niederdruck- und einen
Hochdruckverdichter auf (Low pressure and high pressure compressor). Die zugehörigen
Turbinen heißen entsprechend Niederdruck- und Hochdruckturbine (Low pressure and
2
Eine Stufe ist bei einem Verdichter die direkte Reihenfolge von Lauf- und Leitrad (Rotor und
Stator). Bei einer Turbine sind die Stufen in der Reihenfolge Leit- und Laufrad angeordnet. Diese
Zusammenhänge werden im späteren Kap. 8 noch ausführlich behandelt und dargestellt.
2 Klassifizierung der Flugzeugtriebwerke 59
Brenn-
kammer Niederdruck-
turbine
high pressure turbine). Dem Niederdruck- folgt der Hochdruckverdichter und dann –
nach der zwischengeschalteten Brennkammer – folgen Hoch- und Niederdruckturbine.
Sowohl Niederdruckverdichter und Niederdruckturbine als auch Hochdruckverdichter
und Hochdruckturbine befinden sich jeweils auf einer gemeinsamen, separaten Welle,
Abb. 2.2. Die Begriffe Hoch- und Niederdruck beziehen sich auf das im jeweiligen Bauteil
vorliegende Druckniveau.
Dreiwellige Triebwerke sind i. Allg. nur bei den Zweistromtriebwerken zu finden und
eine ausgesprochene Spezialität der britischen Firma Rolls-Royce. Der Gasgenerator erhält
dabei zwei Wellen. Die dritte Welle ist für den Fan oder Bläser vorbehalten. Bei dieser An-
ordnung werden dann bei Verdichter und Turbine zwischen Niederdruck-, Mitteldruck-
(Intermediate pressure) und Hochdruckteilen unterschieden. Der Fan, der in seiner Funk-
tionsweise wie eine Axialverdichterstufe anzusehen ist, ist hierbei mit seinem unteren
Schaufelbereich der Niederdruckverdichter selbst und sitzt auf einer dritten Welle. Die
ersten Stufen eines Niederdruckverdichters, die bei Zwei-Wellen-Triebwerken direkt dem
Fan folgen, werden auch als Booster oder Booster-Stufen bezeichnet und zeichnen sich
heutzutage konstruktiv durch schräg nach hinten geneigte Leit- und Laufschaufeln (Canted
vanes and blades) aus.
Der Niederdruckteil eines Triebwerks dreht langsamer als sein Hochdruckteil. Diesen
Umstand macht der auf der Niederdruckwelle installierte Fan mit seinem großen Au-
ßendurchmesser erforderlich. An seinen Blattspitzen soll nach dem derzeitigen Stand der
Technik aus Gründen der Festigkeit, der Aerodynamik und des Lärms die relative Zu-
strömmachzahl Werte von 1.4 nicht überschreiten. Je größer also der Durchmesser eines
Fans ausfällt, umso langsamer muss konsequenterweise die Niederdruckwelle drehen. Die
60 2 Klassifizierung der Flugzeugtriebwerke
Steuerung der Wellendrehzahl erfolgt dabei über die Aerodynamik der zugehörigen Nie-
derdruckturbine. Geringe Drehzahlen bei gleichzeitig großen Leistungen, die ebenfalls der
große Fan impliziert, führen von daher zu einer Vielzahl von Turbinenstufen, die das
Triebwerk zum einen schwerer und zum anderen auch teurer werden lassen. Ein moder-
ner Getriebefan, wie er später noch in diesem Kapitel beschrieben werden wird, kann hier
Abhilfe schaffen.
2.1 Turbostrahltriebwerke
Unter den Begriff der Turbostrahltriebwerke fallen alle bereits in Kap. 1 definierten
Turbojet-, Turbofan- und Propfantriebwerke (mit und ohne Nachbrenner), also solche,
die ihren Schub ausschließlich durch die aerothermodynamische Beschleunigung des sie
durchströmenden Gases erzeugen. Prinzipiell könnten auch die Turboproptriebwerke hier
eingeordnet werden, da sie in gewisser Weise eine Art Sonderfall der Turbofantriebwerke
sind. Es ist jedoch üblich, die Turboproptriebwerke den Wellenleistungstriebwerken zu-
zuschlagen, da die bei ihnen zur Verfügung stehende Wellenleistung klar definiert werden
kann, wogegen aber ihr Schub zur Hauptsache von der Wahl des verwendeten Propellers
abhängt. Turbostrahltriebwerke weisen drei weitere Unterscheidungsmerkmale auf:
2.1.1 Einstromtriebwerke
e
Turbin
kam mer
Brenn
hter
Verdic
luftgekühltes Turbinenleitrad
Ringbrennkammer mit 12 Kraftstoffdüsen
Ausgangsöffnung für die Abblaseluft
Steuerring zur Verstellung der Eintrittsleitschaufeln
Ring(hohl)raum zur Triebwerksenteisung
verstellbare Eintrittsleitschaufeln
Abb. 2.3 Beispiel für ein einfaches einwelliges Turbojettriebwerk, GE CJ610. Bilder mit freundlicher
Genehmigung von General Electric Aircraft Engines
Kurzzeitantrieb für unbemannte Flugkörper (Missile) geplant, gewann im Laufe der Jahr-
zehnte aber mehr und mehr an Bedeutung für Kampf- und Trainingsflugzeuge (Fighters
and trainers). In der zivilen Version GE CJ 610 wurde es gerne in Geschäftsflugzeugen
(Business jets or Bizjets) eingesetzt. Alle jemals von diesem Triebwerk hergestellten Varian-
ten überdeckten einen Schubbereich von 12.7 . . . 22.3 kN. Eine Version mit Nachbrenner,
das J85-GE-5H, erreichte sogar einen verstärkten Schub von 71.2 kN. Die Produktion der
gesamten J85 Triebwerkspalette, die 1953 begann, endete immerhin erst 1988.
Weitere klassische Vertreter von bedeutenden Turbojettriebwerken – die bis heute
noch in Betrieb sind bzw. noch gebaut werden – sind das mehr oder weniger französische
Triebwerk Snecma ATAR, das britische Triebwerk Rolls-Royce Viper.
62 2 Klassifizierung der Flugzeugtriebwerke
Von dem militärischen ATAR3 Turbojettriebwerk, das bis zu einer maximalen Flug-
machzahl von 2.2 zum Einsatz kam, wurden mehr als 5 000 Exemplare gebaut. Es ist bzw.
war der Antrieb Kampfflugzeuge Dassault-Breguet Mirage F.1/III-V/50 und der Super
Étendard. Fast alle ATAR-Triebwerke waren mit Nachbrenner ausgerüstet, lediglich das
ATAR 8K-50 für die Super Étendard war eines der wenigen Modelle ohne Nachbrenner.
Das ATAR 9K-50 (Abb. 2.4 oben), die letzte Version dieses Triebwerktyps, ist bzw. war
der Antrieb aller je produzierten Mirage F1 und Mirage 50 Kampfflugzeuge. Es ist das
Leistungsstärkste dieses Typs, das bei einem Gewicht von 1 587 kg und einer Drehzahl
von 8 700 min−1 einen Schub zwischen 49.2 kN (ohne Nachbrenner) und 70.6 kN (mit
Nachbrenner) produzieren kann. Bei einem Verdichterdruckverhältnis von πV = 6.2 ist
das Triebwerk in der Lage, einen Luftmassenstrom von bis zu ṁ = 72 kg/s aufzunehmen.
Aus dem ATAR-Triebwerk wurde später das sog. Super ATAR, aus dem sich das M53
entwickelte, das schließlich in das einwellige M53-P2 Turbofantriebwerk überging, den
Antrieb der Mirage 2000. Wegen der starken konstruktiven Anlehnung dieses Triebwerks
an den ATAR-Turbojet, wird es auch manchmal als M53-P2 Bypass-Turbojet bezeichnet.
Ein seit über 60 Jahren im Dienst befindliches und in weit mehr als 5 000 zivilen
und militärischen Exemplaren ausgeliefertes Turbojettriebwerk ohne Nachbrenner ist das
Rolls-Royce Viper, Abb. 2.4 unten. Alle je gebauten Viper Triebwerke zusammen dürften
im Laufe der Zeit auf eine Laufleistung von mehr als zwölf Millionen Betriebsstunden ge-
kommen sein. Die Viper 600 Serie hat einen achtstufigen Axialverdichter, der von einer
zweistufigen Axialturbine angetrieben wird. Das Viper 601 ist eine zivile Version, die den
Bizjet BAe 125-600 mit einem maximalen Schub von 16.7 kN antreibt. Die militärische
Version, der Turbojet Viper 632 mit einem Schub von 17.8 kN, wird u. a. in Lizenz in
Italien, Rumänien und in Ex-Jugoslawien gebaut. Auf der Basis des Vipers 632 wird das
Viper 633 produziert, das einzige Triebwerk dieses Typs, das mit einem Nachbrenner
ausgestattet ist. Sein maximaler Nachbrennerschub beträgt 22.3 kN. Das leistungsstärkste
Triebwerk der Typen ohne Nachbrenner ist das Viper 680, das den Trainer Aermacchi
MB339 antreibt und das bei einem Gewicht von 379 kg einen Schub von bis zu 21.7 kN
produzieren kann. Bei einem Verdichterdruckverhältnis von πV = 6.8 ist das Triebwerk
in der Lage, einen Luftmassenstrom von bis zu ṁ = 26.5 kg/s aufzunehmen.
Soll ein Triebwerk häufig im Überschallflug zum Einsatz kommen, so ist das Turbo-
jettriebwerk mit Nachbrenner – u. a. wegen seiner geringen Stirnfläche – dafür besonders
gut geeignet, Abb. 2.5. Das oben dargestellte Triebwerk GE J79-11A war der Antrieb des
Lockheed F-104G Starfighter. Das Einwellentriebwerk wurde in Deutschland bei der MTU-
München in Lizenz gebaut. Mit Nachbrenner erreichte es einen Schub von FTO = 80.8 kN
3
ATAR bedeutet „Atelier Technique Aéronautique Rickenbach“. Rickenbach ist ein Ort nahe Lin-
dau, am Bodensee, wo 1945 in einem kleinen Ingenieurbüro vom früheren Chefkonstrukteur des
BMW 003 Triebwerks, Dr. H. Oestrich, zusammen mit einigen seiner ehemaligen Mitarbeiter, die-
ses Turbojettriebwerk entwickelt wurde. Das somit ursprünglich deutsche Triebwerk wurde 1946
vom französischen Luftfahrtministerium gekauft und die Weiterentwicklung und Produktion nach
Frankreich verlagert, wo es im März 1948 in den damals völlig neuen Werksanlagen in Melun Vil-
laroche montiert wurde. Im Jahr 1950 wurde das ATAR-Triebwerk Eigentum der Firma SNECMA
(Société Nationale d’Études et de Construction des Moteurs d’Aviation).
2.1 Turbostrahltriebwerke 63
Abb. 2.4 Zwei Beispiele für sehr erfolgreiche Einwellen-Turbojettriebwerke; oben das französische
Nachbrennertriebwerk ATAR 9K-50, unten der bis 2011 im Einsatz gewesene britische Turbojet
Rolls-Royce Viper 632. Bilder mit freundlicher Genehmigung von SNECMA und Rolls-Royce plc
und ohne Nachbrenner von FTO = 53.5 kN. Der siebzehnstufige Axialverdichter mit einem
Druckverhältnis von πV = 13.5 wurde von einer dreistufigen Axialturbine angetrieben
und hatte einen Luftmassendurchsatz von rund ṁ ≈ 77 kg/s. Das in Abb. 2.5 unten darge-
stellte Triebwerk GE J79-J1K hat identische Leistungsdaten, ist aber eine hinsichtlich der
Zuverlässigkeit weiterentwickelte Variante des GE J79-11A und kam später als GE J79-17
in der McDonnell Douglas F-4E Phantom II zum Einsatz.
Eine weitere besondere Eignung des einwelligen Turbojettriebwerks als Hubtriebwerk
(Lift engine) zeigt Abb. 2.6. Solche Triebwerke sollen senkrechten Schub in der Start- und
Landephase von V/STOL-Flugzeugen (Vertical and Short take-off and landing) erzeugen.
64 2 Klassifizierung der Flugzeugtriebwerke
3-stufige
Brenn- Axialturbine Flammhalter verstellbare
17-stufiger Axialverdichter kammer Nachbrenner Schubdüse
Hilfsantriebe
Da diese Triebwerke während der normalen Flugphase nicht benutzt werden, müssen sie
möglichst leicht und kleinvolumig ausfallen. Die Firma Rolls-Royce hat hier mit dem in
Abb. 2.6 rechts dargestellten XJ99 ein zweiwelliges Exemplar mit einem Schub-zu-Masse-
Verhältnis von 200 N/kg entwickelt (40 kN Schub bei 200 kg Masse). Dieser gute Wert wird
durch einen möglichst simplen konstruktiven Aufbau und durch extensiven Gebrauch von
Kompositmaterialien erreicht. Das XJ99 hat mit einer Baulänge von nur 292 mm die kür-
zeste je gebaute Brennkammer. Die Brennkammeraustrittstemperatur liegt typischerweise
bei 1 635 K. Die der Brennkammer nachfolgende Turbine besteht aus einem Eintrittsleit-
rad, das Bestandteil der Brennkammer ist, und aus zwei gegenläufigen Rotoren, sodass auf
eine weitere Leitradreihe verzichtet werden kann. Bemerkenswert ist auch die sehr kurze
Schubdüse dieses Triebwerks. Das XJ99 war für das deutsch-amerikanische Flugzeugpro-
jekt AVS (Advanced vertical strike aircraft) vorgesehen, das neben zwei links und rechts
vor dem Tragflügel angeordneten Paaren von ein- und ausfahrbaren XJ99-Hubtriebwerken
auch zwei Haupt-Nachbrennertriebwerke mit Strahlumlenkung haben sollte. Durch diese
sog. Schwenknachbrenner mit „milder Nachverbrennung“, die bei 90◦ Umlenkung für
eine Nachverbrennungstemperatur von ca. 1 300 K vorgesehen waren, sollte der Schub
beim Vertikalstart zusätzlich erhöht werden. Das sehr komplexe AVS-Projekt wurde 1968
eingestellt und war, was die Kompliziertheit betrifft, das genaue Gegenstück zu dem viel
simpleren Harrier Senkrechtstarterprojekt der Briten, auf der Basis des Rolls-Royce Pe-
gasus Triebwerks (Turbofan mit vier Deflektordüsen), das bekanntlich noch bis heute
Bestand hat.
Bei Verdichter und Turbinen können bei Turbojettriebwerken in Abhängigkeit des
Luftmassenstroms ṁ0 folgende groben Unterscheidungen getroffen werden:
100 %
←z
Wirkungsgradverhältnis η/ηref
une
hm
en
de
r Tri
eb
we
r ks
ma
ss
en Blattspitzenspalt
str
o m
Schaufel-
höhe
0% Blattspitzenspalt/Schaufelhöhe 10 %
Abb. 2.7 Einfluss des Verhältnisses von Blattspitzenspalt zu Schaufelhöhe auf den Wirkungsgrad
von Axialverdichtern
mit Schüben im Bereich von 1 kN ≤ F ≤ 10 kN (z. B. KHD T117 oder MTU ETJ 1081), die
in militärischen Waffensystemen, wie unbemannten Lenkwaffen und Drohnen, Einsatz
finden. Etwas größere Turbojettriebwerke mit Schüben im Bereich von 10 kN ≤ F ≤ 25 kN
finden Einsatz bei Reise- und Geschäftsflugzeugen, wie dem Learjet 24/25 (GE CJ610-8A),
oder bei militärischen Trainern, wie dem Aermacchi MB339 (RR Viper 680). Noch größere
Turbojettriebwerke mit Schüben von 25 kN ≤ F ≤ 75 kN sind in Kampfflugzeugen, wie der
Mirage F1 (Snecma ATAR 9K-50), oder in Transportflugzeugen, wie der B707-320 oder
DC8-20 (PW JT4A-3), zu finden. Das PW J58P (Lockheed SR71) und das RR-Olympus
602 (BAC Concorde) schließlich sind sehr leistungsstarke Nachbrennertriebwerke mit 145
bzw. 170 kN Schub.
Die Turbojettriebwerke mit Schüben von bis zu etwa 20 kN weisen im Vergleich zu Tur-
bofantriebwerken i. Allg. immer den höheren spezifischen Brennstoffverbrauch auf. Da
aber die Wartungskosten dieser einfach aufgebauten Turbojettriebwerke im Vergleich zu
den aufwendiger ausgestatteten Turbofantriebwerken geringer sind, können sie – je nach
Einsatzaufgabe – durchaus den Vorzug bekommen. Soll ein Turbojettriebwerk häufiger im
Überschallflug zum Einsatz kommen, wie es z. B. bei Kampfflugzeugen der Fall sein kann,
so ist die im Vergleich zu Turbofantriebwerken kleinere Stirnfläche hinsichtlich des Flug-
widerstandes ein bedenkenswerter Aspekt. Werden solche Triebwerke zudem mit hohen
Verdichterdruckverhältnissen ausgeführt, so sind durchaus kleinere und damit günstigere
spezifische Brennstoffverbräuche zu erzielen. Zusätzlich angebrachte Nachbrenner erhö-
hen zwar den Schub dieser Triebwerke um 30 . . . 70 %, steigern aber gleichzeitig auch
deren spezifischen Brennstoffverbrauch um 80 . . . 120 %.
Einstromtriebwerke haben hohe Düsenaustrittsgeschwindigkeiten, die im Überschall-
bereich liegen und dadurch sehr lärmintensiv sind (Strahllärm). Die sich ständig
verschärfenden Lärmvorschriften (z. B. FAR 36 oder Annex 16 of ICAO, Volume I)
schränken die Verwendung von Turbojettriebwerken zunehmend ein und/oder verlangen
aufwendige Lärmreduzierungsmaßnahmen.
2.1 Turbostrahltriebwerke 67
Abb. 2.8 Beispiele für aktuelle große und moderne Zweistromtriebwerke. Triebwerksfamilie Trent
Turbofan der Firma Rolls-Royce mit Triebwerken in einem Schubbereich zwischen 236 kN (Trent
500) und 423 kN (Trent 800). Bilder mit freundlicher Genehmigung der Rolls-Royce plc
2.1.2 Zweistromtriebwerke
Turbofantriebwerk wird der Fan oder Bläser (Sekundärkreis oder Nebenstrom), den man
auch ganz grob als eine Art ummantelten Propeller ansehen kann, von einer hinter dem
Kerntriebwerk (Primärkreis) angeordneten mehrstufigen Niederdruckturbine angetrieben
und so ein großer Anteil der vom Triebwerk angesaugten Luftmasse am Kerntriebwerk
(Core engine) vorbei beschleunigt. Die Strahlgeschwindigkeiten im Primär- und Sekundär-
kreis sind im Vergleich zum Turbojet deutlich geringer, was den Vortriebswirkungsgrad
verbessert und sowohl die Lärmemission als auch den spezifischen Brennstoffverbrauch
senkt. Wie viel Luftmasse am Kerntriebwerk vorbeigeführt wird, beschreibt das sog.
Bypass- oder Nebenstromverhältnis (Bypass ratio) μ:
ṁFan ṁ0 − ṁCore ṁ0 − (ṁ0 − ṁII ) ṁII
μ= = = = (2.1)
ṁCore ṁCore ṁI ṁI
Außendurchmesser des Fans größer ist als der Eintrittsdurchmesser des Kerntriebwerks,
darf – damit an den Spitzen der Fanbeschaufelung aus aerodynamischen und lärmtechni-
schen Gründen keine zu hohen Umfangsgeschwindigkeiten auftreten – die Welle, auf der
der Fan sitzt, nicht so schnell drehen wie die anderen Wellen des Gasgenerators. Für den
Fanaußendurchmesser ist wegen der durchströmenden Luftmasse das Bypassverhältnis μ
maßgeblich, sodass sich auch die Drehzahlabstimmung zwischen Fan und Gasgenerator
nach dem jeweiligen Nebenstromverhältnis richtet. Eine relativ geringe Fandrehzahl ist die
Folge. Im Vergleich zur Hochdruckturbine erhält die Niederdruckturbine dazu eine grö-
ßere Anzahl von Stufen (5 . . . 7), was eine Gewichtszunahme für das Triebwerk bedeutet.
Eventuell kann es günstiger sein, anstelle einer Vielzahl von Turbinenstufen lieber zwi-
schen Niederdruckturbine und Fan ein Untersetzungsgetriebe zur Drehzahlreduzierung
anzuordnen (Geared TurbofanTM GTF). Moderne Auslegungs- und Fertigungsverfahren
erlauben es inzwischen, kompakte und damit auch leichte und dennoch leistungsfähige
Getriebe zu konstruieren. Das Getriebe ermöglicht unterschiedliche Drehzahlen von Fan
und Niederdruckturbine im Triebwerk, was es sowohl dem Fan als auch der Turbine erlau-
ben, in einem verbesserten Leistungsbereich zu arbeiten. Der Fan dreht dabei langsamer
als bei konventionellen Turbofanantrieben und die Niederdruckturbine schneller. So sieht
z. B. das Triebwerk PW1000G, das ein Gemeinschaftsprojekt der Firmen Pratt & Whitney
70 2 Klassifizierung der Flugzeugtriebwerke
Abb. 2.10 Der Geared TurbofanTM GTF von Pratt & Whitney und der MTU Aero Engines mit
fortschrittlicher Komponententechnologie. Bild mit freundlicher Genehmigung der MTU Aero
Engines
und MTU Aero Engines ist, eine 3-stufige, schnell laufende transsonische Niederdrucktur-
bine vor, die einen ebenfalls schnell laufenden 2- oder 3-stufigen Niederdruckverdichter
antreibt. Zum Fan hin wird dann die Drehzahl durch ein kompaktes Getriebe mit einem
Untersetzungsverhältnis von 3:1 (i = nAntrieb /nAbtrieb ) reduziert, Abb. 2.10. Die intensive
Entwicklungsphase dieses Triebwerks begann im Juli 2009. Im Oktober 2010 begannen die
Prüfstandsläufe des Triebwerks als PW1524G. Der Erstlauf der Version PW1217G fand im
Mai 2011 in Florida statt. Die Flugerprobung des PW1524G an einer Boeing 747SP begann
am 21. Juni 2011, Abb. 2.11.
2.1 Turbostrahltriebwerke 71
Abb. 2.11 Die Flugerprobung des PW1524G an einer Boeing 747SP, die am 21. Juni 2011 begann.
Bild mit freundlicher Genehmigung der MTU Aero Engines
Der erste Getriebefan wurde bereits 1970 von der Firma (damals) Garrett AiResearch
als TFE731, Abb. 2.13 unten, entwickelt (heute Honeywell TFE731) und kam erstmals
im August 1972 an einer Dassault Falcon 10 als Serientriebwerk zum Einsatz. Das Trieb-
werk wurde seither mehr als 11 000 Mal gebaut. Die aktuelle Triebwerksversion ist das
TFE731-50, die im Jahr 2002 ihre Zulassung erhielt und z. B. an der Dassault Falcon
900DX fliegt. An den Flugzeugen Learjet 36, Cessna Citation II und Hawker Siddeley
HS.125 ist das Triebwerk ebenfalls im Einsatz. Ein weiterer Getriebefan wurde von Lyco-
ming/AlliedSignal im Jahr 1980 erstmals zertifiziert. Heute firmiert dies Triebwerk unter
72 2 Klassifizierung der Flugzeugtriebwerke
Abb. 2.12 Turbofantriebwerke kleiner Schubklasse der Firma Pratt & Whitney of Canada; oben
PWC JT15D, unten PWC 530 A. Bilder mit freundlicher Genehmigung von Pratt & Whitney of
Canada
dem Namen Honeywell LF 507. Das Triebwerk kommt an dem Flugzeug British Aerospace
146 (BAe 146/Avro RJ) zum Einsatz, dass u. A. auch bei der Deutschen Lufthansa fliegt.
Abbildung 2.12 zeigt zwei Turbofantriebwerke kleiner Schubklasse. Das Triebwerk
PWC 530A ist der Nachfolger des sehr erfolgreichen PWC JT15D. Unter dem Gesichts-
punkt, Einfachheit mit moderner Technologie zu verbinden, begann 1966 die Konstruktion
des zweiwelligen Turbofantriebwerks JT15D. Das ursprüngliche JT15D-1, das 1971 zerti-
fiziert wurde und erstmals in der zweistrahligen Cessna Citation zum Einsatz kam, hatte
einen Fan, der aerodynamisch vom viel größeren PW-JT9D übernommen und auf einen
Massenstrom von 34 kg/s herunter skaliert worden war. Die letzten beiden Typen dieses
2.1 Turbostrahltriebwerke 73
Triebwerks, das JT15-5D und das JT15D-5F, wurden 1993 zertifiziert. Alle je hergestellten
Typen des JT15D decken einen Schubbereich von 9.3 . . . 14.9 kN ab. Das Triebwerk, das
eine Bypassverhältnis von μ = 3.3 bei einem Fandruckverhältnis von πFan = 1.5 aufweist,
hat einen Kombinationsverdichter, der aus einem einstufigen Axialverdichter (Booster)
und einem abschließenden Radialverdichter besteht. Das gesamte Verdichterdruckver-
hältnis des Gasgeneratorteils (nabennaher Fanbereich, Booster und Radialverdichter
zusammen) beläuft sich auf πV = 10. Der Massenstrom durch das Kerntriebwerk beträgt
ṁI = ṁ0 /(1 + μ) = 34/4.3 = 7.9 kg/s. Der Radialverdichter (Hochdruckverdichter)
wird von einer einstufigen Hochdruckturbine und der Fan und die Booster-Stufe werden
von einer zweistufigen Niederdruckturbine angetrieben. Beim JT15D-5 ist die Hochdruck-
turbine mit einkristallinen Schaufeln versehen. Die Brennkammer ist, wie bei sehr vielen
Triebwerken mit Radialverdichter üblich, eine sog. Umkehrbrennkammer. Der Fan und
das Laufrad der Booster-Stufe sind in der sog. Blisk-Technologie (Bladed disk) ausgeführt,
d. h., die Laufräder werden durch Hochgeschwindigkeitsfräsen aus dem Vollen gefertigt.
Die Blisk-Technologie ermöglicht eine Reduzierung der Triebwerksmasse durch Wegfall
der einzelnen Schaufelfüße und damit einen Nutzlast/Reichweitengewinn für das Flug-
zeug. In der Kombination von geringen Herstellungs- und Reparaturkosten sind sowohl
der Ersatzteil- als auch der Wartungsaufwand gering.
Die zweiwelligen Turbofantriebwerke der Serie PWC 500 von Pratt & Whitney of Cana-
da sind die Nachfolger der PWC-JT15D Triebwerke für Bizjets im Schubbereich zwischen
13.3 kN und 18.5 kN. Die PWC 500 Triebwerke haben mit einem spezifischen Reiseflug-
Brennstoffverbrauch von BS = 72 (kg/h)/kN einen rund 15 % günstigeren Verbrauch als
ihre JT15D Vorgänger. Bei einem Bypassverhältnis von μ = 4.1 ist das 347 kg schwere
Triebwerk, das einen Fandurchmesser von 693 mm hat, in der Lage, einen Luftmassen-
strom von bis zu ṁ = 58.5 kg/s aufzunehmen. Die Turbineneintrittstemperatur wird mit
1 625 K angegeben. Das PWC 530A mit einem Starschub von 13.2 kN ist der Antrieb für
das Flugzeug Cessna Citation Bravo. Für die Cessna Citation Excel ist das PWC 545A mit
FTO = 16.2 kN Startschub gedacht.
Das in Abb. 2.13 oben dargestellte zweiwellige Turbofantriebwerk Honey-
well/AlliedSignal TFE 109 mit einem Bypassverhältnis von μ = 2.2 und einem Startschub
von FTO = 5.9 kN war ursprünglich als Antrieb für das vorzeitig gestoppte US Air Force
Schulungsflugzeug Fairchild T-46A vorgesehen und ist nun bzw. war für die Prototypen der
Promavia Jets Squalus 1300 als TFE 109-1 und Squalus 1600 als TFE 109-3 (FTO = 7.1 kN)
angedacht. Das TFE 109 basiert – versehen mit diversen Leistungsverbesserungen – auf
dem Kerntriebwerk des Garrett Turboproptriebwerks TPE 331 (militärische Bezeich-
nung T76), das im Übrigen das erste Garrett Triebwerk im Bereich der Flugzeugantriebe
überhaupt war. Bis dahin hatte Garrett nur Erfahrungen im Bereich der Hilfstriebwer-
ke (APU’s) gewonnen. Das Kerntriebwerk des TFE 109 wiederum ist identisch mit dem
Hubschraubertriebwerk LHTEC T800 (Light Helicopter Turbine Engine Company).
Erfolgreicher als das TFE 109 in der Vermarktung ist das in Abb. 2.13 unten darge-
stellte zweiwellige TFE 731, von dem schon weit mehr als 11.000 Exemplare existieren, die
zusammen mehr als 22 Mio. Flugstunden zu verbuchen haben. Das Triebwerk hat eine drei-
74 2 Klassifizierung der Flugzeugtriebwerke
Abb. 2.13 Zweiwellige Turbofantriebwerke kleiner Schubklasse der Firma Honeywell (früher: Gar-
rett und AlliedSignal); oben Turbofan F109, unten Geared Turbofan TFE 731. Bilder mit freundlicher
Genehmigung der Firma Honeywell
stufige Niederdruckturbine, die – zur Drehzahlreduzierung – den Fan (aus Titan) und einen
vierstufigen Niederdruckverdichter über ein Planetengetriebe antreibt. Der als Hochdruck-
verdichter fungierende Radialverdichter wird von einer einstufigen Hochdruckturbine
angetrieben, die hinter einer Umkehrbrennkammer mit zwölf Brennstoffdüsen angeord-
net ist. Das TFE 731-5B, das die Bizjets BAe 125-800 und Dassault Falcon 900B mit einem
maximalen Schub von 21.1 kN antreibt, hat bei einem Fandurchmesser von 716 mm und ei-
nem Bypassverhältnis von μ = 3.5 einen sekündlichen Massendurchsatz an Luft von 65 kg.
Das Verdichterdruckverhältnis von Fan, Nieder- und Hochdruckverdichter zusammen
beträgt 14.6 und die Turbineneintrittstemperatur 1 225 K.
Das in Abb. 2.14 dargestellte Zweistromtriebwerk Garrett ATF3-6-2C heißt in sei-
ner militärischen Version F104-GA-100, hat ein Bypassverhältnis von μ = 2.8 und einen
Startschub von FTO = 24.2 kN. Damit ist es schubstärker als die in Abb. 2.12 und 2.13
dargestellten Turbofantriebwerke. Dieses vom Aufbau her sehr ungewöhnliche Aggregat
setzt einen Luftmassenstrom von 73.5 kg/s durch und kombiniert dabei eine Dreiwellen-
konstruktion mit einer Umkehrbrennkammer, umgekehrt durchströmten Turbinen und
einem gemischten Abgasstrom, d. h., die aus Primär- und Sekundärkreis ausströmenden
Massenströme werden im Nebenstromkanal miteinander vermischt. Das Triebwerk dient
2.1 Turbostrahltriebwerke 75
als Antrieb für den Dassault Mystère-Falcon 200 Bizjet bzw. für den HU-25 Guardian, der
entsprechenden Falcon Version für die US-Coast-Guard.
Beim ATF3 Triebwerk strömt die eintretende Luft durch einen einstufigen Fan und
einen anschließenden fünfstufigen Mitteldruckverdichter, der von einer zweistufigen Nie-
derdruckturbine angetrieben wird. In Abb. 2.13 sind dies die beiden im Turbinenteil ganz
vorne liegenden Turbinenstufen (etwa in der Mitte des Triebwerks). Die aus diesem Mittel-
druckverdichter kommende Luft wird seitlich um das Triebwerk herumgeführt und strömt
ganz hinten im Triebwerk in einen Hochdruck-Radialverdichter, der von einer einstufi-
gen Hochdruckturbine (unterhalb der Umkehrbrennkammer) angetrieben wird. Dieses
Hochdrucksystem, bestehend aus Radialverdichter, Umkehrbrennkammer und Axialtur-
bine, ist vom übrigen Teil des Triebwerks mechanisch vollkommen unabhängig. Aus
der Hochdruckturbine strömen die heißen Abgase dann in die im Triebwerk mittig lie-
gende dreistufige Mitteldruckturbine, die den Fan antreibt. Von der Mitteldruckturbine
strömt das Heißgas in die zweistufige Niederdruckturbine, die – wie bereits erwähnt –
den fünfstufigen Mitteldruckverdichter antreibt. Alle Turbinenstufen werden entgegen
der sonst bei Triebwerken üblichen Strömungsrichtung durchströmt. Am Austritt der
Niederdruckturbine wird das aus dem Triebwerk ausströmende Heißgas mittels zwei Rei-
hen von Umlenkschaufeln um 180◦ nach hinten umgelenkt und so im Nebenstromkanal
mit dem Sekundärstrom vermischt. Mit dieser unkonventionellen Anordnung der ein-
zelnen Triebwerkskomponenten werden relativ große Verdichterdruckverhältnisse von
πV ≈ 25 bei kleinen Luftmassenströmen im Primärkreis von 19.4 kg/s erreicht, wodurch
sich ein guter spezifischer Brennstoffverbrauch von BS ≈ 50 (kg/h)/kN ergibt, der in die-
ser Größenordnung sonst nur von Turbofantriebwerken mit großen Bypassverhältnissen
μ erzielt wird. Die konstruktive Anordnung mit drei Wellen ist zwar aufwendig, erspart
aber ein Getriebe zum Antrieb des Fans, sodass dieser weitestgehend unabhängig von der
76 2 Klassifizierung der Flugzeugtriebwerke
Abb. 2.15 Turbofantriebwerke mittlerer Schubklasse; oben BR 715 von Rolls-Royce Deutschland,
das einen Schubbereich von 75.6 . . . 102.3 kN abdecken kann, unten CF34-8C1 von General Electric
mit 56.4 kN Schub. Bilder mit freundlicher Genehmigung der Firmen Rolls-Royce Deutschland und
General Electric Aircraft Engines
Gasgeneratordrehzahl betrieben werden kann und so schließlich ein Betrieb bei optimier-
ten Fandrehzahlen möglich wird. Nieder-, Mittel- und Hochdruckwelle drehen bei 8.900,
14 600 bzw. 34 700 min−1 . Die Mischung von Sekundär- und Primärstrom ermöglicht
zudem einen relativ leisen Triebwerksbetrieb.
Deutlich schubstärkere Triebwerke als die bisher behandelten zeigt Abb. 2.15. Das im
Bild unten dargestellte zweiwellige GE CF34 ist ein ziviler Ableger des militärischen TF34
Turbofantriebwerks, das von der US Navy als TF34-GE-400 für die zweistrahlige Lockheed
S-3A Viking (ASW, Anti-submarine warfare) und von der US Air Force als TFE34-GE-100
für die ebenfalls zweistrahlige Fairchild A-10A Thunderbolt (Ground attack) verwendet
wird. Die beiden TF34 Triebwerke haben 41.3 kN bzw. 40.3 kN Schub. Das in Abb. 2.15 dar-
gestellte CF34-8C1 ist gegenüber dem TF34 aerodynamisch durch und durch neu ausgelegt
worden und hat eine vollkommen neue Brennkammer erhalten, die dem des F414-GE-400
2.1 Turbostrahltriebwerke 77
Abb. 2.16 Turbofantriebwerke gehobener Schubklasse; oben PW 2037 von Pratt & Whitney mit
170,1 kN Schub, unten CFM56-5C2 von CFM-International, das einen Schubbereich von 138.8 . . .
160,2 kN abdecken kann. Bilder mit freundlicher Genehmigung der Firmen Pratt & Whitney und
CFM-International
dessen erste fünf Stufen mit verstellbaren Leitschaufeln versehen sind. Superkritische
Schaufelprofile im Hochdruckverdichter und aktive Spaltkontrollen in beiden Turbinen
und im Hochdruckverdichter führen zu verbesserten Wirkungsgraden im Reiseflug. Die
Schaufeln der Hochdruckturbine sind einkristallin ausgeführt und die Rotorscheiben der
Turbinen und des Hochdruckverdichters sind aus Pulvermetall mit einem isostatischen
Heißpressverfahren hergestellt. Das PW2037 hat einen Schub von FTO = 170.1 kN bei ei-
nem Luftmassenstrom von 549 kg/s und einem Bypassverhältnis von μ = 6; das gesamte
Verdichterdruckverhältnis von Fan und Gasgeneratorverdichter ist πVges = 27 und die Tur-
bineneintrittstemperatur Tt4 = 1 678 K. Der Außendurchmesser des Fans beträgt 1 994 mm
und die Länge des Triebwerks – das 3 250 kg schwer ist – 3 590 mm.
Das in Abb. 2.16 unten dargestellte CFM56 Triebwerk entstammt der Gemeinschaftsfir-
ma CFM-International, die von den beiden Mutterfirmen General Electric Aircraft Engines
(USA) und Snecma (Frankreich) 1974 gegründet wurde. Das Kerntriebwerk der CFM56
Triebwerke hat sich aus dem des militärischen Turbofantriebwerks F101-GE-102 ent-
wickelt, das für den vierstrahligen Bomber Rockwell B1-B vorgesehen war. Das in Abb. 2.16
2.1 Turbostrahltriebwerke 79
Abb. 2.17 Turbofantriebwerke hoher Schubklasse; oben CF6-80C2 von General Electric Aircraft
Engines, das einen Schubbereich von 234 . . . 283 kN abdeckt (A300, A310, B767, B747, MD11), unten
das älterer CF6-80A, das einen Schubbereich von 224 . . . 240 kN abdeckt. Bilder mit freundlicher
Genehmigung der Firma General Electric Aircraft Engines
unten dargestellte CFM56-5C2 ist das Triebwerk des vierstrahligen Airbus A340. Bei ei-
nem angesaugten Luftmassenstrom von 465.8 kg/s, einem Bypassverhältnis von 6.6 und
einem gesamten Verdichterdruckverhältnis von 31.5 entwickelt das zweiwellige Triebwerk
einen Schub von 138.8 kN. Der Fan des Triebwerks, der einen Außendurchmesser von
1.836 m hat, besteht aus 36 massiven Titanschaufeln, mit einer sog. Mid-span shroud. Die
Niederdruckwelle läuft bei einer Drehzahl von 4 800 min−1 und die Hochdruckwelle bei
15 180 min−1 . Eine fünfstufige Niederdruckturbine treibt den Fan und vier Booster-Stufen
an. Eine einstufige Hochdruckturbine, deren Stator und Rotor jeweils luftgekühlt sind
und die aus gerichtet erstarrtem Material bestehen, ist der Antrieb eines neunstufigen
Hochdruckverdichters, dessen erste vier Stufen mit verstellbaren Leitschaufeln verse-
hen sind. Die Rotoren der ersten drei Stufen des Hochdruckverdichters sind aus Titan
gefertigt und die verbleibenden Rotoren sowie alle Leiträder aus Stahl. Der spezifische
Brennstoffverbrauch wird mit 55.6 (kg/h)/kN angegeben.
Seit nun über 44 Jahren ist das CF6-Triebwerk von General Electric, Abb. 2.17, an weit
über tausend Großflugzeugen, wie z. B. Airbus A300, A310, A330, Boeing B747, B767
80 2 Klassifizierung der Flugzeugtriebwerke
und McDonnell Douglas MD-11, im Einsatz und das mit so viel Flugstunden wie kein
anderes Triebwerk für Großflugzeuge. Das CF6 baut auf dem militärischen Modell TF39
auf (Lockheed C-5 Galaxy). Dieses TF39 Triebwerk war das erste von General Electric,
mit einem hohen Bypassverhältnis von etwa 8 und ermöglichte es so, den spezifischen
Brennstoffverbrauch gegenüber älteren Modellen deutlich zu reduzieren. Das daraus ent-
wachsene CF6-50 deckte einen Schubbereich zwischen 200 und 240 kN ab. In den 1980er
Jahren wurde daraus das modernisierte CF6-80. Es überdeckt in seinen verschiedenen
Varianten einen weiten Schubbereich von 230 . . . 320 kN. In der dreistrahligen McDon-
nell Douglas DC-10 kam das CF6-Triebwerk 1971 erstmals zum Einsatz. Bei den CF6-80
Triebwerken, die alle einen einstufigen Fan haben, wird der vierzehnstufige Hochdruckver-
dichter, dessen ersten sechs Stufen mit verstellbaren Leitschaufeln versehen sind, von einer
zweistufigen Hochdruckturbine angetrieben. Die CF6-80A-Triebwerke haben einen drei-
stufigen Niederdruckverdichter, angetrieben von einer vierstufigen Niederdruckturbine
und die CF6-80C Triebwerke haben einen vierstufigen Niederdruckverdichter, angetrie-
ben von einer fünfstufigen Niederdruckturbine. In den Niederdruckturbinen wird der
radiale Blattspitzenspalt im Reiseflug minimiert. Dazu strömt Luft, die vom Verdichter
abgezapft wird, in Ringleitungen um das Turbinengehäuse herum, von denen sie durch
kleine Bohrungen auf das Gehäuse gelangt und dieses kühlt. Die thermische Ausdehnung
des Gehäuses wird damit reduziert. Das CF6-80C2A8, der Antrieb des Airbus A310-300,
hat einen Schub von FTO = 262.5 kN bei einem Luftmassenstrom von 796 kg/s und ei-
nem Bypassverhältnis von μ = 5.2. Das gesamte Verdichterdruckverhältnis ist 30.4 und
die Turbineneintrittstemperatur Tt4 = 1 553 K. Der Außendurchmesser des Fans beträgt
2.362 m und die Länge des 4 066 kg schweren Triebwerks beträgt 4.087 m. Der spezifische
Brennstoffverbrauch in 11 km Flughöhe beträgt bei einer Flugmachzahl von Ma0 = 0.8
etwa 60 (kg/h)/kN. Der dabei erzielbare maximale Reiseschub wird mit 56 kN angegeben.
Der neuste Abkömmling der erfolgreichen CF6 Serie ist das CF6-80E1. Es wurde ent-
wickelt, um höhere Schubniveaus zur Verfügung zu stellen, die insbesondere für die
fortschrittlicheren und gestreckten Versionen der Flugzeuge des Typs A330 von Airbus
erforderlich wurden. Das Triebwerk ist dem CF6-80C2 zwar sehr ähnlich, hat aber einen
neuen Fan mit einem Durchmesser von 2.44 m Durchmesser und einen neuen 4-stufigen
Niederdruckverdichter (Booster) fortschrittlicher aerodynamischer Auslegung, der ein
höheres Druckverhältnis aufweist als das Vorgängermodell. Das CF6-80E1A2 wurde ur-
sprünglich im Jahr 1993 für einen Schub von 300 kN ausgelegt. Das CF6-80E1A4 aus dem
Jahr 2001 hat dann bereits einen Schub von 311.4 kN und das CF6-80E1A3 aus dem Jahr
2003 sogar einen Schub von 320.3 kN.
Die Abb. 2.18 zeigt zwei ausgewählte 3-wellige Turbofantriebwerke des Typs Trent4
der Firma Rolls-Royce. Die ursprüngliche Bezeichnung der Trent Triebwerksfamilie war
RB211-524L, was zeigt, dass sie eine Weiterentwicklung der erfolgreichen RB211-22C
4
Der Triebwerksname Trent wurde von Rolls-Royce erstmals für den Turboprop RB 50 Trent ver-
wendet. Mit zwei dieser Triebwerke ausgestattet war eine Gloster Meteor am 20. September 1945 das
erste turbopropangetriebene Flugzeug der Welt. Der Name Trent ist der Name des mittelenglichen
Flusses, der unweit der englischen Stadt Derby fließt, in der sich die Rolls-Royce Entwicklungs- und
Produktionsstätte für Triebwerke befindet.
2.1 Turbostrahltriebwerke 81
Triebwerke sind, die ihren Ursprung im Jahr 1972 haben. Die verschiedenen Typen der der-
zeit existierenden RB211-Trent Triebwerke decken einen Schubbereich von 249 kN (Trent
556) . . . 423 kN (Trent 895) ab. Das in Abb. 2.18 oben dargestellte Trent 800 (siehe auch
Abb. 2.18, Mitte links) zählt zusammen mit den Pratt & Whitney Triebwerken der 4000-er
Serie (112 in Fan, PW 4098) und dem GE90 von General Electric zu den leistungsstärksten
konventionellen Flugzeugtriebwerken auf der Welt und ist für die zweimotorigen Boeing
B777-200 und B777-300 gedacht. Das Trent 875 (FTO = 332 kN) ist mit einem Gewicht
von 5.950 kg das leichteste Triebwerk seiner Schubklasse und hat damit weltweit das beste
Schub-zu-Gewicht-Verhältnis von 56 N/kg. Das vergleichbare PW4098 (FTO = 440.5 kN),
das ebenfalls für die B777 gedacht ist, hat ein Schub-zu-Gewicht-Verhältnis von 59 N/kg
und das GE90-115B (FTO = 489 kN) eines von 62 N/kg. Gegenüber seinen Mitkonkur-
renten hat das Trent 800 den weiteren Vorteil, dass seine Turbineneintrittstemperatur gut
100 Grad niedriger ausfällt, was einen signifikanten Vorteil bei der Lebensdauer, bei der
Wartung und beim spezifischen Brennstoffverbrauch bedeutet. Das Trent 800 hat einen
82 2 Klassifizierung der Flugzeugtriebwerke
Fan mit einem Außendurchmesser von 2 794 mm, der beim Starten zwischen 1 079 und
1 778 kg Luft pro Sekunde ansaugt. Das Triebwerk hat ein Bypassverhältnis von etwa 6,
bei einer Triebwerkslänge von 4 369 mm. Der Fan auf der zentralen Welle wird von einer
5-stufigen Niederdruckturbine angetrieben. Der Verdichter besteht aus einem 8-stufigen
Mitteldruckteil und einem 6-stufigen Hochdruckteil. Beide Verdichter werden von jeweils
einer einstufigen Turbine angetrieben.
Das in Abb. 2.18 unten dargestellte dreiwellige Rolls-Royce Trent 772 Turbofantrieb-
werk ist der Antrieb des Airbus A330 und kam erstmals 1995 an Flugzeugen der Airline
Cathay Pacific zum Einsatz. Das Trent 700 (Abb. 2.8, oben rechts) ist das erste Triebwerk
der Trent Turbofanfamilie und wurde ausschließlich für den Airbus A330 entwickelt. Bei
einem Bypassverhältnis von 5.0, einem Fanaußendurchmesser von 2.474 m, einem ge-
samten Verdichterdruckverhältnis von 35.5 und einem angesaugten Luftmassenstrom von
919.5 kg/s entwickelt das Triebwerk einen Startschub von 316.4 kN. Der spezifische Brenn-
stoffverbrauch in 11 km Flughöhe beträgt bei einer Flugmachzahl von Ma0 = 0.85 etwa 57.3
(kg/h)/kN. Der dabei erzielbare maximale Reiseschub wird mit 53.4 kN angegeben.
Das Trent 500 Triebwerk (Abb. 2.8, oben links) wurde von der Firma Airbus 1997 als
Antrieb für den Typ A340 ausgewählt und wurde für einen Schub von 287 kN ausgelegt.
Auf dieser Grundlage sollten die, für die gestreckten Flugzeugtypen des Baumusters A340,
A340-500 und A340-600 angestrebten Schubanforderungen von 236 bzw. 249 kN einge-
halten werden können. Das Trent 500 konnte im Dezember 2000 zertifiziert5 werden und
hatte im August 2002 bzw. im Dezember 2003 seinen sog. Entry into service (EIS)6 . Das
Trent 500 hat zwar dieselben Fanabmessungen wie das zuvor beschriebene Trent 700, aber
dennoch nicht dasselbe Bypassverhältnis. Das Zentraltriebwerk des Trent 500 wurde näm-
lich vom Trent 800 herunterskaliert, sodass sich dadurch das Bypassverhältnis gegenüber
dem Trent 700 auf 7.5 erhöht hat. Das Trent 500 saugt beim Starten zwischen 860.5 und
879.5 kg Luft pro Sekunde an. Das Triebwerk hat eine Triebwerkslänge von 3 937 mm.
Das Trent 900 (Abb. 2.8, Mitte rechts), ist neben dem GP 7200 der Antrieb für das
Großraumflugzeug Airbus A380, und stellt die 4. Generation der Trent Triebwerke dar.
Das Triebwerk wurde für einen Schub von 356 kN zertifiziert, sodass die geplanten Schu-
banforderungen von 311.5 . . . 340.5 kN gut eingehalten werden können. Das Trent 900
hat einen Fan mit einem Außendurchmesser von 2 946.5 mm, der beim Starten zwischen
1 204 und 1 245 kg Luft pro Sekunde ansaugt. Das Triebwerk hat ein Bypassverhältnis von
ca. 8.5, bei einer Triebwerkslänge von 4 545 mm. Der Fan auf der zentralen Welle wird
von einer 5-stufigen Niederdruckturbine angetrieben. Der Verdichter besteht aus einem
8-stufigen Mitteldruckteil und einem 6-stufigen Hochdruckteil. Beide Verdichter werden
5
Zertifizierung ist ein Prozess, bei dem eine oder mehrere unabhängige Stellen schriftlich versichern,
dass ein Produkt, Service oder Verfahren bestimmte Anforderungen erfüllt. In Europa war hier bisher
die JAA (Joint Aviation Authorities) als übergeordnete Behörde maßgeblich. Mit Wirkung vom
28. 9. 2003 hat die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA, European Aviation Safety Agency)
ihren Betrieb aufgenommen und wird zukünftig für Zertifizierungen in Europa maßgeblich sein.
6
Entry into service (EIS) ist ein in der Luftfahrt häufig verwendeter Begriff (Datum) dafür, wann ein
spezielles Flugzeug oder ein Bauteil davon (Triebwerk) betriebsfähig wird bzw. wurde.
2.1 Turbostrahltriebwerke 83
Abb. 2.19 Das 2-wellige Turbofantriebwerk GP7270 der amerikanischen Engine Alliance (General-
Electric und Pratt & Whitney), das neben dem Rolls-Royce Trent 900 der Antrieb für den Airbus
A380 ist. Bild mit freundlicher Genehmigung der MTU Aero Engines
Abb. 2.20 Zwei aktuelle Turbofantriebwerke der Firma Pratt & Whitney; oben PW 4098, eine der
Antriebsalternativen für die Boeing B777 mit bis zu 436 kN Schub, unten PW 6124, der Antrieb für
den „Mini“-Airbus A318, mit dem Hochdruckverdichter HDV12 der MTU. Bilder mit freundlicher
Genehmigung der Firma MTU Aero Engines
den Boeing B747-Nachfolger B747X gedacht war. Als Hauptpartner sind am Triebwerk
GP7200 die MTU Aero Engines zu 22.5 % mit beteiligt und zu 10 % die SNECMA. Hinzu
kommen kleinere Partner in Belgien und Schweden. In seiner Grundstruktur basiert das
Triebwerk auf dem Niederdruckteil des Triebwerks PW4084/4098 (Abb. 2.20) sowie dem
Hochdruckteil des Triebwerks GE 90 (Abb. 2.21). Darüber hinaus beinhaltet das Trieb-
werk aber auch eine Vielzahl weiterer neuer Technologien, um so den Kunden ein sehr
modernes Antriebsaggregat zur Verfügung zu stellen, das die ursprünglich geforderten
Leistungen nicht nur erfüllt, sondern in vielen Bereichen sogar übertrifft. Mit dem offiziel-
len Start des Airbusprogramms A380 im Dezember 2000 bekam auch das GP 7000 neuen
Schwung. Dieses manifestierte sich in einer ganzen Reihe von Modifikationen, wie z. B.
einem größeren Durchmesser des Fans, Fanschaufeln mit geschwungenen Vorderkanten
und jeweils einer zusätzlichen Stufe im Niederdruckverdichter und in der Hochdruck-
turbine. Das GP 7000 hat ein Bypassverhältnis von 8.7, einen maximalen Startschub von
340 kN und in 11 km Höhe einen Reiseflugschub von 56 kN. Der gesamte Verdichter, der
aus 5 Niederdruck- und 9 Hochdruckstufen besteht, hat ein Druckverhältnis von 45.6.
Fan und Niederdruckverdichter werden von einer 6-stufigen Niederdruckturbine ange-
2.1 Turbostrahltriebwerke 85
Brenn-
Fan aus Verbund- Hochdruck- kammer
werkstoff Verdichter
Niederdruckturbine
Hoch-
druck-
turbine
Sp
inn
er
Niederdruck-
Verdichter
Abb. 2.21 Das 2-wellige Turbofantriebwerk GE90 der amerikanischen Firma General Electric Air-
craft Engines, das neben dem PW 4098 der Antrieb für die Boeing B777 ist. Bilder mit freundlicher
Genehmigung von General Electric Aircraft Engines
trieben und der Hochdruckverdichter von einer 2-stufigen Hochdruckturbine. Das 4.75 m
lange Triebwerk hat einen maximalen Durchmesser von 3 160 mm, wobei der Fan einen
Außendurchmesser von 2 960 mm hat.
Die Abb. 2.20 zeigt im oberen Teil das Triebwerk PW4098 aus der Triebwerksreihe
PW4000 der Firma Pratt & Whitney. Das Triebwerk PW4098 ist ein Derivativ der 4000-er
Reihe und wurde mit einem Fandurchmesser von 2 845 m für die zweimotorige Boeing
B777-300 mit einem Schub von 440 5 kN zertifiziert. In 1999 hatte das Triebwerk seinen
Entry into service (EIS). Das Bypassverhältnis dieses Triebwerks liegt zwischen 5.8 und
6.4 und das gesamte Verdichterdruckverhältnis bei 34 . . . 43. Der Fan macht dabei ein
Druckverhältnis zwischen 1.7 und 1.8.
Die Abb. 2.19 zeigt im unteren Teil das Triebwerk PW6124 aus der Triebwerksreihe
PW6000 der Firma Pratt & Whitney. Das Triebwerk ist der Antrieb für den „Mini“-Airbus
A3187 und wird in Lizenz bei der MTU-Maintenance in Hannover-Langenhagen gebaut.
7
Im Februar 2013 wurde von Airbus der letzte bestellte A318 ausgeliefert. Seit der Erstauslieferung
eines A318 im Jahr 2003 wurden damit lediglich 79 Exemplare des Flugzeugs, das in der Passagier-
86 2 Klassifizierung der Flugzeugtriebwerke
Ursächlich hierfür war, dass der eigentliche Hochdruckverdichter von Pratt & Whitney die
in ihn gesteckten Erwartungen nicht erfüllte. Um dieses Problem möglichst schnell aus-
gleichen zu können, griff man auf den bereits fertigen und für das Triebwerk geeigneten
MTU-Verdichter (HDV12) zurück8 . Dafür warb die MTU für sich den Bau des Triebwerks
in Deutschland ein. Dieser Verdichter entstand ursprünglich in dem von der Bundesregie-
rung geförderten Technologieprogramm Engine 3E (Abb. 2.10). Der Verdichter hat sechs
Stufen mit transsonischer Strömung und liefert ein Druckverhältnis von 11. Er zeichnet
sich durch das höchste Stufendruckverhältnis und den besten Wirkungsgrad seiner Klasse
aus. Positiver Effekt einer solchen Wirkungsgradoptimierung ist eine drastische Redu-
zierung beim Kraftstoffverbrauch und im Emissionsausstoß. Entworfen wurde der neue
Verdichter mittels dreidimensionaler aerodynamischer Rechenverfahren. In seinen an-
schließenden Versuchsläufen traf er alle vorhergesagten Leistungsdaten punktgenau. Seine
robuste Auslegung sorgt dafür, dass Produktions- und Instandhaltungskosten im Vergleich
zu ähnlichen Verdichtern deutlich sinken. Ein weiterer Vorzug ist die teilweise Anwendung
der besonders leichten Blisk-Bauweise, d. h. Scheibe und Schaufeln sind integral gefertigt.
Diese Technologie wurde bei der MTU ursprünglich für das Eurofighter-Triebwerk EJ200
entwickelt.
Das in Abb. 2.21 dargestellte Triebwerk GE90 der Firma General Electric und die schon
behandelten Triebwerke CF6 und CFM56, an denen GE ebenfalls beteiligt ist, treiben
mehr als 50 % aller weltweit neu georderten Flugzeuge mit einer Sitzkapazität von über 100
Passagieren an. Das Triebwerk GE90 war 1995 mit einem ursprünglichen Schub von 377 kN
zertifiziert worden. Dass heute an der Boeing B777-300ER installierte GE90-115B erreicht
einen Schub von 511. 5 kN. Im Jahr 2001 kam dieses letztgenannte Triebwerk sogar in das
Guinness-Buch der Rekorde als „World’s most powerful commercial jet engine“ nach dem es
während eines Bodenstandlaufes im Testbetrieb einen Schub von 547 kN entwickelt hatte.
Im Jahr 2002 wurde dieser Rekord sogar noch mit 569 kN im Rahmen einer Zertifizierung
übertroffen. Neben der Firma General Electric sind noch die Firmen Snecma in Frankreich,
IHI in Japan und Avio in Italien an dem GE90 Programm beteiligt. Der Fan hat einen
Außendurchmesser von 3.25 m und das Triebwerk einen maximalen Durchmesser von
4.19 m. Eine Fanschaufel des Triebwerks GE90-115B steht sogar im Museum of Modern
Art in New York. Das GE90-115B ist mehr als 7 m lang und über 8 t schwer.
Eine weitere Variante des Turbofantriebwerks ist der sog. Aft-Fan, der als GE CF700
in Abb. 2.22 dargestellt ist und auf dem Gasgenerator des Turbojets GE CJ610 (Abb. 2.3)
version maximal 117 Passagieren Platz bietet, verkauft. Damit bleibt dieser kleinste und kommerziell
am wenigsten erfolgreiche Airbus erstmals seit zehn Jahren ohne Neubestellung. Dennoch soll der
A318 als Passagierflugzeug und auch als Firmenjet im Verkaufsprogramm von Airbus bleiben. Als
Folge dieser Situation ist auch das Triebwerk PW 6000 kein Verkaufsschlager am Markt. Die MTU
baut derzeit keine weiteren PW 6000 am Standort Langenhagen.
8
Mit Pratt & Whitney verbindet die MTU die längste Partnerschaft. Sie geht bis in die 1920er-
Jahre zurück. 1990 entschlossen sich beide Unternehmen, ihre Bindung noch enger zu knüpfen und
vereinbarten eine strategische Partnerschaft, deren Kernpunkt es ist, dass Pratt & Whitney und MTU
sich gegenseitig bei allen neuen zivilen Triebwerksprogrammen mit einbeziehen.
2.1 Turbostrahltriebwerke 87
Verdichter
Gasgenerator
Aft-Fan
Abb. 2.22 Zweistrom-Aftfan-Triebwerk GE CF700 von General Electric (Dassault Falcon 20). Bild-
quellen General Electric Aircraft Engines und Wikimedia Commons, das freie Medienarchiv. (Bild
Falcon 20, Urheber: Jerry Gunner from Lincoln, UK)
basiert. Bei dem Aft-Fan ist der Fan hinter dem Austritt des Gasgenerators angeordnet.
Die Fanschaufeln sind als Verlängerung auf die Schaufeln der separaten Niederdrucktur-
bine (Arbeitsturbine) außen aufgesetzt. Durch ein geschlossenes Deckband, das durch
die nebeneinander angeordneten einzelnen Fußplatten der Fanschaufeln entsteht, wird
der Sekundärkreis (Fanluftstrom) vom Strömungskanal der Niederdruckturbine getrennt.
Der Vorteil dieser Anordnung besteht darin, dass das Triebwerk einwellig ausfallen kann,
da die ansonsten benötigte Welle zwischen Fan und Niederdruckturbine entfällt. Aus
Festigkeitsgründen (hohe Drehzahlen und dadurch hohe Fliehkräfte) dürfen aber die Fan-
schaufeln nicht zu lang sein, sodass die Bypassverhältnisse praktisch auf Werte von rund
zwei begrenzt sind. Das CF700 hatte ein Bypassverhältnis von 1.6. bei einem Luftmassen-
strom von 40 kg/s wurde ein Schub von 18.7 kN erreicht. Gegenüber dem ursprünglichen
88 2 Klassifizierung der Flugzeugtriebwerke
Turbojet CJ610 hatte der CF700-Aft-Fan einen um gut 35.5 % reduzierten spezifischen
Brennstoffverbrauch von ca. 63.3 (kg/h)/kN.
Neben dem in Abb. 2.22 dargestellten Aft-Fan-Triebwerk ist außerdem auch noch das
GE CJ-805-23 zu erwähnen, das an der Convair 990 zum Einsatz kam und ein ziviler
Ableger des erfolgreichen J79 Turbojets war. Ende der 60-er Jahre war von der Firma
Daimler-Benz in Stuttgart ebenfalls ein Aft-Fan-Triebwerk unter der Bezeichnung DB
730H projektiert worden, das als Antrieb für einen Schnellhubschrauber mit separatem
Hubrotor dienen sollte. Der Fan wurde in diesem Fall nicht der Arbeitsturbine aufge-
setzt, sondern am Heck des Gasgenerators mittels einer Welle angeordnet, sodass ein
Bypassverhältnis von μ = 5.5 vorgesehen werden konnte, Schubert (1999).
Abb. 2.23 Das militärische EJ200 Turbofantriebwerk mit Nachbrenner der Eurojet Turbo GmbH,
München. Bild mit freundlicher Genehmigung der MTU Aero Engines in München
Abb. 2.24 Das militärische M88-2 Turbofantriebwerk mit Nachbrenner der Firma SNECMA für
das französische Kampfflugzeug Rafale. Bild mit freundlicher Genehmigung SAFRAN/Snecma
90 2 Klassifizierung der Flugzeugtriebwerke
Das in Abb. 2.9 oben dargestellte Triebwerk RB 199 ist ein dreiwelliges Turbofantrieb-
werk mit Nachbrenner, dessen Auslegungsziel es war, einen höchstmöglichen Grad an
Kompaktheit bei extrem geringem Gewicht zu erreichen. Die Gesamtlänge des Trieb-
werks, einschließlich Nachbrenner und integriertem Schubumkehrer, beträgt somit auch
nur 3.232 m bei einem Komplettgewicht von lediglich 1 084 kg. Der Eintrittsdurchmesser
beträgt 0.731 m und der größte Durchmesser im hinteren Bereich des Triebwerks 1.02 m.
Verantwortlich für das RB199 Triebwerk (RB = Rolls-Royce-Bristol), das der Antrieb
der Typen IDS, ADV und ECR9 des europäischen Kampfflugzeuges Tornado ist, ist die
Firma Turbounion, deren Mutterfirmen zu jeweils 40 % Rolls-Royce-International und
MTU Aero Engines sind und zu weiteren 20 % die Firma Avio. Der offizielle Geschäfts-
sitz der Firma ist in Bristol in Großbritannien. In München existiert ein Direktionsbüro.
Alle Versionen des RB199 haben einen dreistufigen Fan (Niederdruckverdichter), einen
dreistufigen Mitteldruck- und einen sechsstufigen Hochdruckverdichter. Die jeweils auf
einer separaten Welle angeordneten Verdichter werden von einer einstufigen Hochdruck-
und einer einstufigen Mitteldruckturbine angetrieben, der sich eine zweistufige Nieder-
druckturbine anschließt. Die Hoch- und Mitteldruckturbine ist jeweils luftgekühlt. Die
Turbineneintrittstemperatur liegt oberhalb von 1 600 K und die Nachbrennertemperatur
oberhalb von 1 900 K. Alle RB199 Triebwerke haben eine Ringbrennkammer mit jeweils
13 T-förmigen Verdampfern (Vaporizers) als Brennstoffdüsen. Je nach Bautyp (Mark 103
oder Mark 105) des Triebwerks schwankt sein Massenstrom zwischen 72.6 und 75.3 kg/s
und sein Verdichterdruckverhältnis zwischen 23.5 und 24.5, ohne Nachbrenner wird ein
Schub zwischen 40.5 kN und 42.5 kN erreicht. Mit Nachbrenner betragen die Werte 72.6 kN
bzw. 75.3 kN. Das Bypassverhältnis variiert dabei zwischen 1.08 und 0.97.
Das in Abb. 2.23 dargestellte Triebwerk EJ200 ist das derzeit fortschrittlichste Nach-
brennertriebwerk in Europa. Verantwortlich für die Koordination der Entwicklung,
Serienfertigung und Produktbetreuung dieses Triebwerks ist das Firmenkonsortium Eu-
rojet Turbo GmbH. Konsortiumspartner sind zu jeweils 33 % die Firmen MTU Aero
Engines und Rolls-Royce-International, zu 21 % Avio und zu 13 % die spanische Firma
ITP. Das EJ200 wurde auf der Basis des XG 40 Triebwerks von Rolls-Royce entwickelt,
dessen Erprobung 1986 begann und das in der 90-kN-Schubklasse (mit Nachbrenner)
weniger als 900 kg wiegen sollte. Das zweiwellige EJ200 Turbofantriebwerk hat ein By-
passverhältnis von 0.4 und besteht aus einem dreistufigen Fan (Niederdruckverdichter),
einem fünfstufigen Hochdruckverdichter, einer Ringbrennkammer mit Verdampfern als
Brennstoffdüsen sowie einer jeweils einstufigen Hochdruck- und Niederdruckturbine, wo-
durch das Triebwerk sehr robust und einfach gestaltet ist. Das Verdichterdruckverhältnis
beträgt 26, was für insgesamt nur acht Verdichterstufen (Niederdruck- und Hochdruck-
verdichter) ein beachtliches Ergebnis ist und einem mittleren Stufendruckverhältnis von
9
IDS Tornado Interdictor Strike (RB 199 Mark(Mk) 101, Mk 103, Mk 104)
ADV Air Defense Variants (RB 199 Mark(Mk) 101, Mk 103, Mk 104)
ECR Tornado Electronic Combat and Reconnaissance (RB 199 Mark(Mk) 105)
2.1 Turbostrahltriebwerke 91
etwas mehr als 1.5 entspricht (26 ≈ 1.58 ). Die Verdichter, die von der MTU entwickelt
wurden, demonstrieren den eindrucksvollen Fortschritt, der in den letzten Jahren in
der Verdichterentwicklung erreicht wurde. Moderne numerische Aerodynamik hat zu ei-
ner dreidimensionalen Auslegung von superkritischen Verdichterschaufelprofilen geführt.
Obwohl das EJ200 leistungsstärker als das RB199 ist, hat es auf Grund dieser Fortschritte,
die u. a. zu Schaufeln mit größeren Sehnenlängen (Wide chord blades) geführt haben, rund
50 % weniger Schaufeln. Ein Novum bei diesem Triebwerk ist u. a. auch der von Avio
entwickelte rotierende Öltank, der auch bei negativen g-Beschleunigungen des Flugzeugs
im Öltank positive g-Belastungen, und damit eine sichere Schmierung des Treibwerks bei
allen möglichen Flugmanövern, gewährleistet. Eine digitale Triebwerksregelung (FADEC),
einkristalline Turbinenschaufeln, Pulvermetallscheiben und neuartige Bürstendichtungen
sind weitere hochmoderne technologische Merkmale dieses Triebwerks.
Das in Abb. 2.24 dargestellte Snecma M88-2 ist das Triebwerk für das Flugzeug Ra-
fale ACT/ACM der französischen Luftwaffe und Marine. Dieses Triebwerk erreicht in
der Basiskonfiguration einen Schub von 50 kN ohne Nachbrenner und von 75 kN mit
Nachbrenner. Das Bypassverhältnis ist μ = 0.25 bei einem ins Triebwerk eintretenden
Massenstrom von 65 kg/s und einem Verdichterdruckverhältnis von 24.5, der dreistufige
Fan (Niederdruckverdichter) hat dabei ein Druckverhältnis von 3.9 und besitzt ein verstell-
bares Vorleitrad, ebenso wie die folgenden Stufen des Niederdruckverdichters auch. Die
ersten drei Stufen des anschließenden sechsstufigen Hochdruckverdichters sind ebenfalls
mit verstellbaren Leitschaufeln versehen. Die Turbineneintrittstemperatur erreicht den be-
achtlichen Wert von Tt4 = 1 850 K. Dieser Wert kann nur deswegen realisiert werden, weil
die Brennkammer eine Keramikbeschichtung besitzt und weil die anschließende Hoch-
druckturbine aus einkristallinen Schaufeln mit Luftkühlung und aus Pulvermetallscheiben
besteht.
Mit der Beschreibung der letzten beiden Triebwerke werden die Anforderungen
offensichtlich, die an solche Aggregate heute gestellt werden:
Mit dem EJ200 oder dem M88-2 hat sich gegenüber einem Vorgängertriebwerk gleicher
Schubklasse das Volumen um 35 %, die Masse um 45 % und die Länge um 40 % verringert.
Dagegen hat sich das Schub-zu-Gewicht-Verhältnis um bis zu 90 % verbessert und er-
reicht beim EJ200 einen Spitzenwert von 100 N/kg und beim M88-2 immerhin beachtliche
84 N/kg. Dank des modularen Aufbaus der Triebwerke können die Wartungsarbeiten sehr
92 2 Klassifizierung der Flugzeugtriebwerke
2.2 Wellenleistungstriebwerke
Um die Leistungsfähigkeit dieser Triebwerksart zu spezifizieren, ist die Angabe des Schu-
bes ungeeignet. Vielmehr ist es hier üblich, die sog. Wellenleistung anzugeben, die das
Triebwerk mittels seiner Welle – die von einer separaten Arbeitsturbine (Free power
turbine) angetrieben wird – nach außen abgibt. Diese Leistung wird i. Allg. über ein
zwischengeschaltetes Getriebe auf eine Welle zum Antrieb von Impellern, Propellern, Hub-
schrauberrotoren oder Generatoren übertragen. Da in einigen Fällen – wie z. B. bei den
Turboproptriebwerken – nicht alle aus dem thermodynamischen Triebwerkskreisprozess
zur Verfügung stehende Leistung vollständig an die Welle abgegeben wird, sondern auch
immer noch eine gewisse Restleistung im Heißgas verbleibt und in Strahlschub umgesetzt
werden kann, ist es üblich, aus diesen beiden Leistungsanteilen (Wellenleistung, Strahllei-
stung) eine sog. äquivalente Leistung, die auch Wellenvergleichsleistung genannt wird,
zu definieren.
Es wird zwischen Ein- und Zweiwellenmaschinen unterschieden. Einwellenmaschinen,
bei denen die leistungsübertragende Welle identisch mit der Gasgeneratorwelle ist, wer-
den bevorzugt dort eingesetzt, wo es auf Drehzahlkonstanz und die Möglichkeit schneller
Leistungsänderung ankommt, wie z. B. beim Generatorbetrieb für die elektrische Stromer-
zeugung. Zweiwellenmaschinen, bei denen dem Gasgenerator eine separate Arbeitsturbine
nachgeschaltet ist, werden bevorzugt dort eingesetzt, wo es auf ein hohes Anfahrdrehmo-
ment (Drehmomentenüberhöhung) und ein gutes Beschleunigungsverhalten ankommt.
Hinsichtlich des spezifischen Brennstoffverbrauchs ist die Einwellenmaschine bei Volllast
zwar etwas günstiger als die mit zwei Wellen, dafür kehren sich diese Verhältnisse im
Teillastbereich aber deutlich zu Gunsten der Zweiwellenmaschine um.
2.2 Wellenleistungstriebwerke 93
2.2.1 Hilfstriebwerke
Hilfstriebwerke, sog. APUs10 liefern elektrische und pneumatische Energie für ein Flugzeug
und sind bei Verkehrsflugzeugen i. Allg. in deren Heckkonus installiert. Die APU ist eine
autonome Gasturbine, die das Flugzeug von einer externen Versorgung mit Druckluft und
Elektrik unabhängig macht. Am Boden liefert die APU sowohl Luft für den Triebwerksstart
und die Klimatisierung des Flugzeuges als auch elektrische Energie für das Bordnetz. Im
Flug kann die APU – mit gewissen Einschränkungen hinsichtlich der Flughöhe und den
etwas später noch zu diskutierenden EROPS-Regeln – als Reservequelle zur Versorgung
der Flugzeugsysteme mit Luft und elektrischer Energie genutzt werden. Die APU lässt sich
alleine mit den bordeigenen Batterien eines Flugzeuges starten.
Die Luft wird durch eine seitlich zu öffnende, im hinteren Rumpfbereich angeordnete
Klappe angesaugt und das Heißgas aus der Heckspitze wieder ausgeblasen. Eine solche APU
besteht aus zwei Radialverdichtern, wovon der eine zur APU-Antriebseinheit (Power sec-
tion) und der andere zur Drucklufterzeugung (Load compressor) für die Klimaanlage bzw.
zum Starten der Haupttriebwerke dient, Abb. 2.25. Modernere APUs laufen mit konstanter
Drehzahl (Constant speed APU), die auf einen Generator zur Stromerzeugung übertragen
wird und so das Flugzeug am Boden mit Energie versorgen. Der spezifische Brennstoffver-
brauch solcher Kleingasturbinen ist relativ ungünstig und nur dann zu rechtfertigen, wenn
kurze Laufzeiten vorliegen, also dann, wenn der Brennstoffverbrauch von sekundärer und
eher das Gewicht von primärer Bedeutung ist, was ein typisches Anforderungsprofil für
APUs ist. Die in Abb. 2.25 dargestellte APU ist ein von der Firma AlliedSignal Aerospace
(heute Honeywell) entwickeltes Hilfstriebwerk für Verkehrsflugzeuge. Die APU besteht aus
drei Hauptbaugruppen: der Antriebseinheit (Power section), der Einheit für die Druckluft-
versorgung (Load compressor) und der Hilfsgeräteträgereinheit (Accessory gearbox section).
Der Antrieb erfolgt durch eine Radialturbine und wird über eine gemeinsame Welle so-
wohl auf zwei separate einstufige Radialverdichter (πV = 6.1: Power section und πV = 5.6:
Load compressor) als auch auf den Hilfsgeräteträger mit zwischengeschaltetem Getriebe
übertragen. Die Brennkammer ist als Umkehr-Ringbrennkammer ausgeführt und liefert
eine Turbineneintrittstemperatur von Tt4 = 1 315 K. Der Luftdurchsatz der Antriebsein-
heit beträgt 0.6 kg/s und die Wellenleistung 335.5 kW. Die APU hat eine Trockenmasse
(d. h. ohne Schmier- und Kraftstoffe) von 130 kg. Das Starten der APU ist bis in Flughöhen
von ca. 12 000 m möglich. Die Material- und Öltemperaturen können sich dann – speziell
nach längeren Flugzeiten – bis auf − 40 ◦ C heruntergekühlt haben.
10
Der ehemalige Leiter des Instituts für Strömungsmaschinen der Deutschen Versuchsanstalt für
Luftfahrt (DVL), Professor Werner von der Nüll, übernahm 1948 bei Garrett-AiResearch in Los
Angeles die Projektleitung der Gas- und Luftturbinen. Unter seiner technischen Leitung entstanden
die ersten kleinen APUs in den USA. Die Arbeiten wurden 1951 von Helmut Schelp, dem ehemaligen
Referatsleiter im Reichsluftfahrtministerium für Sondertriebwerke, weitergeführt. Unter seiner Lei-
tung entstand die APU GTCP 85, die in den Verkehrsflugzeugen B-727, B-737 und DC9 eingesetzt
wurde. Darauf basierend entstand die leistungsstärkere APU GTCP 700, die in der DC10 und in der
A300 Verwendung fand, Gersdorff et al. (1995).
94 2 Klassifizierung der Flugzeugtriebwerke
Starter-
motor verstell- und
Kraftstoff- regelbare
modul
Schmierstoffmodul Leitschaufeln
ölgekühlter Generator Auslass von Druckluft
zum Flugzeug hin
kraftstoffgesteuertes Abluftleitung für Abblaseluft
Regelventil für Abblaseluft (surge bleed air exhaust)
Abb. 2.25 Auxiliary Power Unit (APU). Das Hilfstriebwerk GTCP36-280 von AlliedSignal-Garrett
(heute Honeywell). Bild mit freundlicher Genehmigung der Firma Honeywell
Der Load Compressor, der mit derselben Drehzahl läuft wie die Antriebseinheit (Power
section), liefert Druckluft an das pneumatische System eines Flugzeuges. Die vom Flugzeug
jeweils benötigte Menge an Luft für die Klimatisierung und den Start der Haupttriebwerke
wird durch verstellbare Leiträder im Eintrittsbereich des Load Compressor reguliert. Die
Verstellung der Leitschaufeln erfolgt hydraulisch. Als Hydraulikflüssigkeit dient Kraftstoff.
Für die Flugzeuge Airbus A330 und A340 wurde ebenfalls von AlliedSignal das Hilf-
striebwerk GTCP 331-350 mit einer Leistung von ca. 745 kW entwickelt. Es basiert
auf der leistungsschwächeren GTCP 331-250, die für den Airbus A300-600 und A310
gebaut wurde. Die A320 APU besteht in der Antriebseinheit aus einem zweistufigen
Radialverdichter, einer Umkehr-Ringbrennkammer und einer dreistufigen Axialturbine.
Der Load-Compressor ist ein einstufiger Radialverdichter mit verstellbaren Eintritts-
leitschaufeln zur Massenstromregelung der Druckluftseite, ihm angeschlossen ist die
Hilfsgeräteeinheit (Accessory gearbox) mit Elektrostarter, Kraftstoff- und Ölpumpe,
Kühlgebläse und 115 kVA Generator.
Von der Firma Klöckner-Humboldt-Deutz (KHD) in Oberursel (heute Rolls-Royce
Deutschland) wurde die Einwellen-APU T-312 (Abb. 2.26) für das Kampfflugzeug MRCA
Tornado zur kombinierten Abgabe von Wellenleistung und Druckluft entwickelt. Die APU
ist außerdem Bestandteil des so genannten Sekundärenergiesystems (Secondary power sy-
stem, SPS). Das SPS wird im Bodenbetrieb des MRCA Tornado von der T-312 APU
angetrieben und besteht aus zwei jeweils an Steuer- und Backbord angeordneten Hilfsge-
2.2 Wellenleistungstriebwerke 95
Abgabe von
Wellenleistung
Getriebe
Brennkammer
Abb. 2.26 Schnittdarstellung der APU T 312-04 von KHD (heute Rolls-Royce Deutschland) für das
Kampfflugzeug MRCA Tornado. (Quelle: Bildarchiv des Autors)
räteträgern, die untereinander über eine Welle (Cross drive) verbunden sind. An jedem
Geräteträger sind ein Generator, eine Hydraulikpumpe und eine Kraftstoffvordruckpum-
pe angebracht. Letztere versorgt den Ölkühler, in dem das Öl mit Kraftstoff gekühlt wird.
Der Radialverdichter hat ein Druckverhältnis von πV = 5 und wird von einer zweistufigen
Axialturbine angetrieben. Über seine Welle und ein zwischengeschaltetes Planetengetrie-
be wird eine maximale Leistung von 114 kW bei einer Drehzahl von 8.000 min−1 nach
außen abgegeben. Die größte Entnahmeluftmenge ist 0.22 kg/s, bei einem Druck von
3.8 · 105 Pa. Bei einer Gasgeneratordrehzahl von 64 000 min−1 hat die 36 kg schwere APU
einen Gesamtluftdurchsatz von 0.87 kg/s.
Nach den Erfahrungen im Zweiten Golfkrieg (2. August 1990 bis 5. März 1991) hat
KHD bzw. Rolls-Royce Deutschland eine leistungsstärkere Tornado APU mit 136 kW
unter der Bezeichnung T 312-04 entwickelt, die seit 1994 in Serie gefertigt wird. Der
Leistungszuwachs wurde sowohl durch eine Steigerung des Luftdurchsatzes auf 0.975 kg/s
als auch eine Erhöhung des Verdichterdruckverhältnisses auf πV = 5.6 erreicht.
96 2 Klassifizierung der Flugzeugtriebwerke
Abb. 2.27 Hilfstriebwerk APU 36-150 von AlliedSignal/Garrett (heute Honeywell). Eine modifi-
zierte Version dieses Aggregats, die APU 36-170, kommt im europäischen Jagdflugzeug Eurofighter
Typhoon zum Einsatz und war für die Dornier DO328 gedacht. Bild mit freundlicher Genehmigung
der Firma Honeywell
Für das europäische Jagdflugzeug Typhoon EFA-2000 Eurofighter wurde von Al-
liedSignal (heute Honeywell) die APU EFA 36-170 entwickelt, Abb. 2.27. Wegen
der außerordentlichen militärischen Anforderungen hinsichtlich Masse, Zuverlässigkeit,
Lebensdauer und Leistungskonzentration wurden bei der 36-170 APU ganz neue konstruk-
tive Lösungswege beschritten. Zur Reduzierung der Gesamtmasse wurde eine integrale
Bauweise gewählt, bei der mehrere Bauteile miteinander kombiniert sind, was zwar die
Anzahl der Verbindungselemente reduziert aber den Fertigungsaufwand verkompliziert.
So wurde z. B. das Einlass- mit dem Verdichtergehäuse kombiniert und die Rückwand
des Getriebes gleichzeitig zur Aufnahme des Rotorlagergehäuses vorgesehen. Diese APU
wird ausschließlich im Bodenbetrieb des Flugzeuges verwendet. Seine Druckluft wird zum
Starten der beiden EJ200 Haupttriebwerke verwendet, zum Betreiben der Klimaanlage und
zur Versorgung des flugzeugseitigen Sauerstoffgewinnungssystems. Die APU liefert eine
Generatorleistung von bis zu 15 kW und einen Druckluftmassenstrom von 0.91 kg/s mit
einem Druck von 4.9 · 105 Pa.
Die drei größten Hersteller von Hilfstriebwerken dürften die Firmen Honeywell, Ha-
milton Sundstrand und inzwischen auch Pratt & Whitney of Canada (PWC) sein. Für die
Boeing B747-400 hat PWC die APU PW 901A entwickelt, aus der die PW 980A für den
Airbus A380 hervorgegangen ist, die mit 1 342 kW (1 800 hp) Wellenleistung die bisher lei-
stungsstärkste APU ist, die je gebaut wurde. An diesem Hilfstriebwerk für die A380 ist auch
die Firma Hamilton Sundstrand beteiligte, wobei PWC für die Gasturbine verantwortlich
zeichnet und Hamilton Sundstrand für die Systemintegration. Die Firma Hamilton Sund-
strand ist der größte Hersteller von APUs für das US-Militär. Im zivilen Bereich dominiert
2.2 Wellenleistungstriebwerke 97
Schmier-
stoff-
modul Zün- Abgas
dung
Kraftstofffilter
Messstelle
Öltemperatur
Abgastemperatur
und -menge
elektrische Verbindung zum Flugzeug Getriebegehäuse Kraftstoffverteilung
Abb. 2.28 Die APU RE 220 von Honeywell für Regional- und Executivejets. Bild mit freundlicher
Genehmigung der Firma Honeywell
die Firma Honeywell (vormals: Garrett, später AlliedSignal) mit der 131-Serie, die in den
wesentlichen Flugzeugen von Airbus und Boeing zum Einsatz kommt. Von Rolls-Royce
Deutschland (vormals KHD) wurde die APU RE 220 für Regional- und Executivejets
mit einer Leistung von 220 kW in Zusammenarbeit mit Honeywell, Kawasaki, Singapore
Aerospace und Avio entwickelt, Abb. 2.28. Honeywell hat mit 20 % – nach Rolls-Royce
Deutschland mit 18.6 % – den größten Anteil an diesem Programm. Der Firma obliegen
98 2 Klassifizierung der Flugzeugtriebwerke
dabei die Systemführung, das Marketing und die Endmontage. Die APU RE 220 hat einen
einstufigen Radialverdichter, von dem bis zu 50 % der durchströmenden Luft entnommen
und so auf einen separaten Load-Compressor verzichtet werden kann. Die APU kann bis
zu Flughöhen von 14 500 m gestartet werden und gibt in dieser Höhe noch eine Leistung
von ca. 40 kW ab.
Entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der APUs haben in den letzten zehn
Jahren die sog. EROPS/ETOPS11 -Regeln genommen. Nach den EROPS-Regeln müssen
u. a. im Flug stets zwei unabhängige Generatoren zur Stromerzeugung existieren. Bei
zweimotorigen Flugzeugen sind dies die jeweiligen Generatoren an den Haupttriebwerken.
Fällt aber eines der Haupttriebwerke aus, so muss die APU zusätzlich zur Stromversorgung
zugeschaltet werden. Dieses muss bis hin zu einer Flughöhe von ca. 12 500 m (41 000 ft)
geschehen können. In dieser Höhe ist eine APU nach mehreren Stunden Flugzeit aber
sehr kalt, sodass ein zuverlässiges Starten des Hilfstriebwerks hohe Anforderungen an
die Brennstoffsteuerung, das Ölsystem, die diversen Regelventile und Schalter und an
den APU-Starter stellt. Darüber hinaus muss eine sehr hohe mechanische Zuverlässigkeit
der APU garantiert werden können, was u. a. durch eine konsequente Reduzierung der
APU-Bauteile erreicht wird.
2.2.2 Propellerturbinentriebwerke
11
ETOPS-Regeln (Extended-Range Twin-Engine Operation Performance Standards) schreiben ins-
besondere in den USA vor, dass im gewerblichen Einsatz 2-motorige Flugzeuge mit einer
nachgewiesenen Zuverlässigkeit lange Strecken über Wasser oder unbewohnte Gebiete befliegen
dürfen. Im europäischen Bereich ist in diesem Zusammenhang durch die JAA der analoge Begriff
EROPS (Extended Range Operations) eingeführt worden. EROPS wird scherzhaft auch übersetzt als:
Engines Run Or Passengers Swim. Bereits in den 50-er Jahren wurde festgelegt, dass 2-motorige
Flugzeuge von jedem Punkt einer Route aus in der Lage sein sollen, innerhalb von 60 min mit einem
Motor einen Ausweichflugplatz zu erreichen. Diese Regel hat sich als Grundlage bis heute erhalten.
Mit zunehmender Zuverlässigkeit der Triebwerke empfahl die ICAO aber immer länger werdende
Zeitenspannen, die sukzessive von 90 min über 120, 150 und auf heute 180 min ausgeweitet wur-
den. Mit der 180-Minuten-Regel ist der Nordatlantik heute praktisch uneingeschränkt 2-motorig
befliegbar. Inzwischen formuliert man aber bereits zukünftige ETOPS 207 und 240 Regeln, was
insbesondere für die USA mit ihrer 2-motorigen Boeing 777 von Interesse ist. Darüber hinaus sind
als Ersatz der bisherigen Regularien die sog. LROPS-Regeln (Long Range Operational Performance
Standards) in Planung, die dann schließlich auch für 3-, 4- und 6-motorige Flugzeuge gelten sollen.
2.2 Wellenleistungstriebwerke 99
nerator stets deutlich schneller dreht als der große Propeller, ist ein Untersetzungsgetriebe
immer unvermeidlich. Demgegenüber steht aber ein niedrigerer spezifischer Brennstoff-
verbrauch im Vergleich zu Turbojet- und Turbofantriebwerken, vgl. hierzu Abb. 2.12.
Wesentliche Hauptmerkmale von Turboproptriebwerken sind:
Der Schub von Turboproptriebwerken setzt sich aus zwei Anteilen zusammen, einem
dominanten Propellerschub und einem Restschub infolge des aus dem Gasgenerator aus-
tretenden Heißgases. Von daher ist es wichtig, Propeller und Gasgenerator so aufeinander
abzustimmen, dass ein möglichst optimaler Gesamtschub erreicht werden kann. Ein Op-
timum an Vortriebsleistung wird erreicht, wenn Propeller- und Vortriebswirkungsgrad
etwa gleich groß sind.
Das in Abb. 2.29 dargestellte Turboproptriebwerk galt bislang als die leistungsstärk-
ste westliche „Propellerturbine“. Dieses vergleichsweise alte Rolls-Royce Triebwerk wurde
von 1965 bis Ende 1986 mit einer Stückzahl von 1 860 bei der MTU in München in Lizenz
gefertigt. Es ist der Antrieb des militärischen Transportflugzeugs C 160 Transall und des
Seeaufklärungsflugzeuges Breguet Atlantic. Im zivilen Bereich kommt es an den Flugzeugen
Aerospace Vanguard Merchantman, Canadair CL 44 und Short Belfast zum Einsatz. Das
zweiwellige Triebwerk hat einen sechsstufigen Niederdruckverdichter, der von einer drei-
stufigen Niederdruckturbine angetrieben wird. Den neunstufigen Hochdruckverdichter
treibt eine einstufige, luftgekühlte Hochdruckturbine an. Die Brennkammer ist als Ring-
Rohr-Brennkammer mit zehn Flammrohreinsätzen ausgeführt. Der Propeller wird über
100 2 Klassifizierung der Flugzeugtriebwerke
Abb. 2.30 Turboproptriebwerk GE T700/CT7 (Saab 340 Regional Airliner, CASA CN235-M Milita-
ry Transport, CN235 Regional Airliner). Bilder mit freundlicher Genehmigung von General Electric
Aircraft Engines
ein Planetengetriebe angetrieben, das integraler Bestandteil des Triebwerks ist. Die lei-
stungsstärksten Typen Mark (Mk) 21, Mark 22 und Mark 515-101W des Tyne-Triebwerks
haben eine Wasser-Methanol-Einspritzanlage, die am Boden bis zu einer Umgebungs-
temperatur von 30 ◦ C die maximal mögliche Triebwerksleistung garantiert. Die Typen
Mark21/22 geben eine maximale Wellenleistung von 4 226 kW ab und haben dabei einen
Restschubanteil von 5 kN. Die Dauerleistung beträgt 3 872 kW bei einem Restschuban-
teil von 4.42 kN. Der Luftdurchsatz bei Maximalleistung des Treibwerks beträgt 21.1 kg/s
bei einem Verdichterdruckverhältnis von 13.5 und einer Turbineneintrittstemperatur von
1 272 K. Die Hochdruckwelle des Triebwerks dreht mit 18 150 min−1 und die Niederdruck-
welle mit 15 250 min−1 , während der Propeller eine Drehzahl von 975 min−1 erreicht. Das
Triebwerk hat bei einem Gewicht von 1 129 kg eine Länge von 2.76 m und einen größten
Durchmesser von 1.4 m.
2.2 Wellenleistungstriebwerke 101
Abb. 2.31 Der Turboprop TP400-D6 der Firma EPI (Europrop International GmbH). Antrieb des
militärischen Airbus A400M. Bild mit freundlicher Genehmigung der MTU Aero Engines
Das in Abb. 2.30 dargestellte Turboproptriebwerk (Wellenleistung beim Start 1 305 kW,
im Reiseflug 1 114 kW, im Notfall kurzzeitig 1 395 kW) hat einen Kombinationsverdich-
ter, der aus fünf Axialverdichterstufen und einer abschließenden Radialverdichterstufe
besteht. Es schließt sich eine normale Ringbrennkammer an, die trotz der Verwendung
eines Radialverdichters keine Umkehrbrennkammer ist. Es folgt eine gekühlte zweistufige
Gasgeneratorturbine und danach eine 2-stufige Arbeitsturbine. Die Gasgeneratordrehzahl
beträgt beachtliche 45 000 min−1 und die der Arbeitsturbine 21 000 min−1 . Das Getrie-
be reduziert die Drehzahl der Arbeitsturbine auf 1 384 min−1 . Der Luftmassenstrom
durch das Triebwerk beträgt 4.5 kg/s, das Verdichterdruckverhältnis πV = 18 und die
Turbineneintrittstemperatur Tt4 = 1 100 K.
Bei Turboproptriebwerken kann gezeigt werden, dass der spez. Brennstoffverbrauch
in Abhängigkeit der Turbineneintrittstemperatur ein Minimum hat. Die sich bei die-
sem Minimalwert einstellende Temperatur ist deutlich niedriger als bei Turbojet- oder
Turbofantriebwerken, wo der günstigste spezifische Verbrauch mehr vom Verdichter-
druckverhältnis bestimmt wird als von der Turbineneintrittstemperatur.
Die Abb. 2.31 zeigt den Turboprop TP400-D6, der den militärischen Airbus A400M
antreibt. Der TP400-D6 ist die leistungsstärkste „Propellerturbine“ der westlichen Welt
und löst hinsichtlich dieser Eigenschaft den Rolls-Royce Tyne Turboprop (Abb. 2.29) ab.
Vermarktet wird das Triebwerk von der Europrop International (EPI) mit Hauptsitz in
München. Dieses ist ein Zusammenschluss der Firmen Rolls-Royce, Snecma in Frank-
reich, MTU Aero Engines in München und der ITP (Industria de Turbo Propulsores) in
Spanien. Der TP400-D6 ist eine dreiwellige Konstruktion, die 8 200 kW Wellenleistung an
einen 8-Blatt-Ratier-Figeac FH386 Propeller (Durchmesser 5.33 m) abgibt. Zwischen dem
Gasgenerator und der Turbine ist ein Untersetzungsgetriebe angeordnet, das die Propeller-
102 2 Klassifizierung der Flugzeugtriebwerke
drehzahl auf Werte zwischen 655 min−1 (Low attitude cruise), 730 min−1 (Normal cruise)
und 842 min−1 (Take-off and Special maneuvers) einstellt. Das Getriebe kann die Propeller
links oder rechts herum drehen lassen. Beim A400M wird es erstmals so sein, dass auf
jeder Flugzeugseite die dort befindlichen Propellerpaare zueinander jeweils eine andere
Drehrichtung haben. Die sich daraus ergebende gegenläufige Charakteristik wird als DBE
(Down between engines) bezeichnet. Die Vorteile des DBE haben weit reichende Effekte
sowohl auf die Aerodynamik als auch auf die Struktur des Flugzeugs. Die Strömung über
die Tragflügel wird dadurch symmetrisch, was die Auftriebseigenschaften und die Seiten-
stabilität des Flugzeuges positiv verbessert. Das gesamte Flügel- und Leitwerkdesign kann
symmetrisch optimiert werden, da die sonst üblichen Effekte durch die Propellernachläufe
und Propellerdrehmomente nicht mehr so dominant sind. Darüber hinaus reduziert DBE
den Giermomenten-Effekt, wenn ein sog. kritisches, d. h. außen liegendes Triebwerk aus-
fällt. Solche Giermomente bei einem Triebwerksausfall müssen durch den Piloten über das
Seitenruder ausgeglichen werden. Die Größe des Giermomenten-Effekts beeinflusst damit
die Dimensionen des Seitenruders und damit des gesamten Leitwerks. In der Summe ver-
bessert also DBE den Auftrieb der Flügel und die Handhabung des Flugzeugs durch den
Piloten. Durch eine Reduzierung des Leitwerks nimmt DBE einen verbessernden Einfluss
auf die Flugzeugstruktur.
Das TP400-D6 besteht aus einem 5-stufigen Mitteldruckverdichter, mit einem Druck-
verhältnis von 3.5, der von einer 1-stufigen, gekühlten Mitteldruckturbine angetrieben
wird. Der anschließende 6-stufige Hochdruckverdichter, mit einem Druckverhältnis von
7, wird von einer 1-stufigen, gekühlten Hochdruckturbine angetrieben. Die 3-stufige,
nicht gekühlte Niederdruckturbine, gibt als separate Arbeitsturbine (Power turbine) die
Wellenleistung in das Getriebe ab.
2.2.3 Hubschraubertriebwerke
Abb. 2.32 Das Turboshafttriebwerk MTR 390 ist der Antrieb für die Eurocopter Hubschrauber
Tiger UHT/HAP/HAC und Panther. Bild mit freundlicher Genehmigung der MTU Aero Engines
Abb. 2.33 Das Turboshafttriebwerk Allison 250-C20B war der Antrieb der Hubschrauber MBB BO
105C, Bell Jet Ranger und Hughes 500. Bild mit freundlicher Genehmigung der MTU Aero Engines
104 2 Klassifizierung der Flugzeugtriebwerke
hen der Rotoren, zum Starten des Hubschraubers, laufen die Triebwerke bei konstanter
Drehzahl im Leerlauf. Für den Parallelbetrieb von Hubschraubertriebwerken, der heute
die überwiegende konstruktive Lösung darstellt, werden zweiwellige Triebwerke eingesetzt,
die ohne Fliehkraftkupplung arbeiten.
Das in Abb. 2.32 dargestellte Wellenleistungstriebwerk mit der Bezeichnung MTR-390
(MTR = MTU, Turboméca und Rolls-Royce) ist für militärische und zivile Anwendungen
sowohl in Hubschraubern als auch in Flächenflugzeugen als Einzel- und Doppeltriebwerk
geeignet. Entwicklungsziele für dieses Triebwerk, das ursprünglich MTM 380 hieß und
für den Panzerabwehrhubschrauber PAH 2 vorgesehen war, waren neben einer hohen
Lebensdauer und Zuverlässigkeit eine geringe Triebwerksmasse, ein niedriger spezifi-
scher Brennstoffverbrauch im Teillastbereich, geringe Schadstoffemissionen, eine einfache
Wartbarkeit und hohe Leistungsreserven. Der zweistufige Radialverdichter mit einem
Druckverhältnis von πV = 13, der einen Luftmassenstrom von 3.2 kg/s durchsetzt, wird
von einer einstufigen, luftgekühlten Axialturbine angetrieben, der eine zweistufige Ar-
beitsturbine folgt. Wie es häufig bei Triebwerken mit Radialverdichter der Fall ist, ist die
Brennkammer eine Umkehr-Ringbrennkammer. Die Startleistung des Triebwerks beträgt
2.3 Zusammenfassung 105
2.3 Zusammenfassung
• Turbo-Strahl-Triebwerke
– Turbojet ohne Nachbrenner
Eine „aussterbende“ Triebwerksklasse im Unterschallflug, die heute, wenn man vom
RR Viper 632 evtl. einmal absieht, praktisch nicht mehr gebaut wird. Turbojets sind
vergleichsweise simpel und robust aufgebaut und dadurch einfach zu warten, was
sie ausgesprochen preisgünstig macht. Ihre kleine Stirnfläche und einige Beson-
derheiten ihres thermodynamischen Kreisprozesses prädestinieren sie aber für den
Überschallflug. Für die Zivilfliegerei sind der relativ hohe Brennstoffverbrauch und
die inakzeptablen Lärmemissionen als wesentliche Nachteile zu vermerken.
106 2 Klassifizierung der Flugzeugtriebwerke
• Wellenleistungstriebwerke
– Turboprop
Wegen ihrer unschlagbaren Wirtschaftlichkeit die optimale Triebwerksklasse im
zivilen und militärischen Transportbereich, wenn die Flugmachzahlen unterhalb
von 0.7 liegen. Beste Verbrauchswerte werden bei vergleichsweise niedrigen Tur-
bineneintrittstemperaturen erreicht, was die thermische Belastung der Turbinen
minimiert. Es ist immer ein schweres Getriebe erforderlich, das die hohen Gasge-
neratordrehzahlen für den Propellerbetrieb adäquat reduziert. Der Schub wird im
Wesentlichen durch den Propeller bestimmt und weniger durch den Gasgenera-
tor. Über den Abgasstrahl steht ein gewisser zusätzlicher Anteil an Strahlschub zur
Verfügung.
– Turboshaft
Wird auch als Turbomotor bezeichnet, der über eine Welle zu Antriebszwecken
Leistung an ein anderes Bauteil oder eine andere Maschine abgibt. Im Bereich
der Luftfahrt ist diese Triebwerksklasse der typische Antrieb von Hubschraubern.
Literatur 107
Literatur
Gersdorff von K., Grasmann K., Schubert H (1995) Flugmotoren und Strahltriebwerke. Entwick-
lungsgeschichte der deutschen Luftfahrtantriebe von den Anfängen bis zu den internationalen
Gemeinschaftsentwicklungen, Bernard & Graefe Verlag, Bonn, 3. Auflage
Oates GC (1988) Aerothermodynamics of gas turbine and rocket propulsion – revised and enlarged,
AIAA education series. AIAA, Washington DC (3rd Printing)
Schubert H (1999) Deutsche Triebwerke, Flugmotoren und Strahltriebwerke von den Anfängen bis
1999, 3. erweiterte Aufl. Aviatic, Oberhaching (Auch erschienen unter dem Titel „Erinnerungen,
1934–1999, Flugtriebwerkbau in München“)
Was man weiß – was man wissen sollte
3
Energie ist die Fähigkeit Arbeit zu verrichten. Die Bedeutung des Wortes Arbeit im
mechanischen Sinne ist das Durchführen eines „Ertrag bringenden Vorganges“ unter Ver-
wendung mechanischer Hilfsmittel. Mechanische Arbeit kommt immer dann zu Stande,
wenn eine Kraft längs eines Weges verschoben wird. In Flugzeugtriebwerken findet dies
z. B. in den rotierenden Bauteilen statt, d. h. in Verdichter und Turbine. Auf den Rotoren
dieser Bauteile befinden sich kleine, aerodynamisch gestaltete Schaufeln, die einem Trag-
flügel ähnlich sind. Wie ein Tragflügel, so erzeugen auch diese Schaufeln Auftriebskräfte,
die eine Turbine dazu bringen, sich wie ein Windrad zu drehen. Dadurch werden die ge-
nannten aerodynamischen Auftriebskräfte in Drehrichtung bewegt. Es werden also Kräfte
längs eines Weges verschoben, sodass die Turbine Arbeit verrichtet. Diese mechanische
Arbeit gibt die Turbine über eine gemeinsame Welle, die sie mit dem Triebwerksverdichter
verbindet, an diesen Verdichter ab. Die Turbine kann damit als der „Antriebsmotor“ für
den Verdichter angesehen werden. Durch die, dem Verdichter „aufgezwungene“ Rotation
entstehen an dessen Schaufeln aerodynamische Kräfte, die auf das durch den Verdich-
ter strömende Fluid derart wirken, dass sie dessen Druckniveau und damit auch dessen
Energiegehalt anheben. Die von der Turbine abgegebene mechanische Arbeit wird im
Verdichter in eine Energieerhöhung des Fluides gewandelt.
Ganz allgemein gesehen wird zwischen einer Vielzahl von Energieformen unterschie-
den. Im Folgenden sind einige Energieformen, soweit sie für Triebwerke relevant sein
können, aufgelistet:
• Potenzielle Energie (Epot = m · g · z). Wasser, das von oben auf ein Mühlrad „fällt”,
lässt das Mühlrad sich drehen. Das Mühlrad kann dadurch Arbeit verrichten. Mögliche
potenzielle Energien sind in Flugtriebwerken im Vergleich zu den anderen auftretenden
Energien vernachlässigbar klein und werden von daher nicht berücksichtigt.
• Kinetische Energie (Ekin = m · c 2 /2). Jedes sich bewegende Teil, so auch das Fluid,
das durch ein Triebwerk strömt, hat eine Energie der Bewegung, die man als kinetische
Energie bezeichnet. Bei der Beurteilung von Drücken und Temperaturen im Fluid eines
Triebwerks ist dieser Energieteil mitzuberücksichtigen.
• Chemische Energie. Die Energie, die durch eine chemische Reaktion erzeugt wird.
Der in der Triebwerksbrennkammer zugeführte Brennstoff enthält chemische Ener-
gie, die durch eine chemische Reaktion (Verbrennung = Oxidation) in Wärmeenergie
gewandelt wird.
• Wärmeenergie. Energie, die in einer Triebwerksbrennkammer dem Fluid zugeführt
wird, und die in der anschließenden Turbine in mechanische Arbeit gewandelt werden
kann.
• Druckenergie. Energie, die vor einem Triebwerk durch aerodynamischen Aufstau
und/oder in einem anschließenden Triebwerksverdichter dem Fluid zugeführt wird,
und die in der später folgenden Turbine in mechanische Arbeit gewandelt werden
kann. Wir werden später noch sehen, dass ein Triebwerk ohne Druckerhöhung keinen
Schub erzeugen kann.
• Mechanische Energie. Die Form von Energie, die von einer Maschine oder von einem
Lebewesen aufgebracht wird.
• Elektrische Energie. Die Form von Energie, die durch die Erzeugung von Elektrizität
entsteht.
Alle Formen der Energie sind in der Lage Arbeit zu verrichten. Es kann keine Energie „ver-
loren“ gehen, sondern immer nur eine Form der Energie in eine andere Form gewandelt
werden (Satz von der Erhaltung der Energie). Diese Energieumwandlung erfolgt in der
Praxis aber nicht immer vollständig. Durch die allgegenwärtige Reibung wird immer ein
gewisser Anteil an Energie in nicht weiter nutzbare Wärme gewandelt. Dieser Energieanteil
wird mit dem Fachbegriff „Dissipation“ belegt.
Die für einen mechanischen Vorgang aufgewandte Energie ist damit praktisch immer
größer als die daraus gewonnene Energie. Setzt man diese beiden Energien ins Verhältnis,
3.1 Energie, Arbeit und Wirkungsgrad 111
Schub umgesetzt werden kann, um damit dann schließlich eine ganz bestimmte
Fluggeschwindigkeit fliegen zu können.
• Gesamtwirkungsgrad. Er ist das Produkt aus dem thermischen Wirkungsgrad und dem
Vortriebswirkungsgrad. Ein technologischer Fortschritt bei Triebwerksentwicklungen
manifestiert sich am Eindeutigsten an diesem Produkt und nicht an den Zahlenwerten
der beiden beteiligten Wirkungsgrade. Der Kehrwert des Gesamtwirkungsgrades ist
dem spezifischen Brennstoffverbrauch eines Triebwerks proportional.
• Komponentenwirkungsgrade. Dieses sind z. B. die Wirkungsgrade der Triebwerks-
hauptkomponenten: Einlauf, Verdichter, Brennkammer, Turbine und Schubdüse. Ihre
wesentliche Definition als sog. isentroper oder polytroper Wirkungsgrad kann auf jede
weitere Komponente oder Unterkomponente eines Triebwerks übertragen werden.
• Prozesswirkungsgrad. Das Durchlaufen eines Triebwerks vom Umgebungszustand
an seinem Eintritt bis hin zum Umgebungszustand an seinem Austritt, mit allen
damit verbundenen Druck- und Temperaturänderungen wird als thermodynami-
scher Kreisprozess bezeichnet. Der Prozesswirkungsgrad ist das Verhältnis von
einem real durchlaufenen Prozess zu einem idealen Prozess ohne Verluste bzw. mit
Komponentenwirkungsgraden, die alle gleich Eins sind.
Ein Triebwerk saugt sowohl im Flugfall als auch im Bodenstandfall Luft an und fördert diese
durch das Triebwerk hindurch und bläst sie anschließen hinten aus diesem wieder heraus,
sodass sich schnell die grundlegende Frage erhebt, wie ist das möglich? Die Abb. 3.1 erklärt
das Basisprinzip, das darauf aufbaut, das die natürliche Strömungsrichtung eines Gases,
wie z. B. Luft, stets von Bereichen mit hohem Druck zu Bereichen mit niedrigerem Druck
hin verläuft. Abbildung 3.1a zeigt ein röhrenförmiges Gebilde ohne jegliche Einbauten, das
vorne und hinten offen ist und sich selbst auch nicht bewegt. Vor und hinter dieser Röhre
herrscht der Umgebungsdruck p0 und es wird deswegen mangels Druckgefälle auch keine
Strömung durch die Röhre hindurch existieren. In der Röhre herrscht deswegen ebenfalls
der Druck p0 .
Um nun eine Strömung in der Röhre zu initiieren, ist es erforderlich, innerhalb der
Röhre einen Ventilator, Verdichter oder Kompressor zu installieren. Eine solche Maschine
erhöht den Druck in einem Gas, braucht dazu aber einen Antrieb, d. h. einen Motor,
Abb. 3.1b. Vor dem Kompressor, in der Ebene , 2 herrscht in etwa der Umgebungsdruck
p2 ≈ p0 . Hinter dem Kompressor, in der Ebene , 3 ist der Druck – durch das Zuführen
von Energie von außen – im Gas angestiegen, p3 > p2 ≈ p0 . Zum Ende der Röhre hin
existiert nun ein Druckgefälle, da ja am Ende der Röhre wieder der Umgebungsdruck
herrscht. Das Gas strömt deswegen nun hinter dem Kompressor aus der Röhre aus. Die
Luftmasse die dabei die Röhre nach hinten verlässt, muss vorne, am Eintritt der Röhre,
wieder ersetzt werden. Es strömt also Luft in die Röhre hinein bzw. die Röhre fängt damit
3.2 Warum saugt ein Triebwerk überhaupt Luft an? 113
p0 keine Strömung p0
Externer Motor
(Energiezufuhr von
2 3 außen)
p2 < p3 > p0
C p0 ≈ p2
p3 ≈ p4
p5 < p4 ≈ p0
p0 keine keine p0
Kompressor Turbine Strömung
Strömung
2 3 4 5
p2 < p3 > p0
D p0 ≈ p2
p3 ≈ p4
p0
Einströ- Ausströ-
mung Kompressor Turbine mung
p0
höherer
Brennkammer Druck niedriger
p5 < p4 > p0 Druck
2 3 Brennstoffein- 4 5
spritzung (Ener-
giezufuhr von außen)
Abb. 3.1 Eine grundsätzliche Schritt-für-Schritt-Erläuterung, warum Luft durch ein Triebwerk
strömt und das auch dann, wenn das Triebwerk sich selbst nicht bewegen sollte. Diese Erklärungen
gelten deswegen sowohl für am Boden stehende als auch für in der Atmosphäre fliegende Triebwerke.
E-Motor im Bildteil B: „Fotolia-Bild 43317501 © iconshow / fotolia.com“
114 3 Was man weiß – was man wissen sollte
an, Luft aus der Umgebung anzusaugen. Solange der externe Motor läuft und funktio-
niert, wird im Triebwerk auch eine Strömung existieren. Wird der Motor abgeschaltet,
hört auch der Strömungsvorgang auf. Der hier beschrieben Vorgang ist identisch mit der
Arbeitsweise eines Staubsaugers und ist auch das Grundprinzip eines Strahltriebwerks, das
Luft vom Umgebungszustand p0 ansaugt und mittels eines druckerhöhenden Verdichters
nach hinten fördert, bis dort wieder der Umgebungsdruck p0 erreicht ist. Anfang und Ende
eines Triebwerksprozesses werden also durch den Umgebungsdruck p0 markiert. Wir wer-
den diese Eigenschaft später beim Triebwerksschub und auch beim thermodynamischen
Arbeitsprozess wiederfinden und als wichtige Grundlage im Gedächtnis behalten müssen.
Die Abb. 3.1c „spinnt“ diesen Gedankengang nun ein Stück weiter und zwar dadurch,
dass die Strömung nun dazu verwendet werden soll, ein Windrad anzutreiben, ein Gerät,
das wie eine Turbine arbeitet. Eine Turbine braucht ein strömendes Gas, um sich zu
drehen. Diese Drehung kann über eine Welle als Antriebsenergie für eine andere Maschine
verwendet werden, in unserem Fall für den Kompressor. In Abb. 3.1c ist die Turbine (das
Windrad) also zum Motor für den Kompressor geworden. Das Problem dieser Darstellung
ist es nun, dass die Turbine die Energie des strömenden Gases benötig, um den Kompressor
anzutreiben, der ursächlich für die Erzeugung der Strömung ist. Turbine und Kompressor
stehen dabei in einem Leistungsgleichgewicht. Die Turbine gibt also immer genauso viel
Leistung ab, wie der Kompressor für seinen Antrieb benötigt, mit der Folge, dass sich
in einem solchen System nie eine Strömung aufbauen kann, da vor dem Kompressor
und hinter der Turbine derselbe Druck, nämlich der Umgebungsdruck, herrscht. Das
notwenige Druckgefälle entsteht nicht.
Nun ist aber ein Triebwerk gerade so auf gebaut, wie es in Abb. 3.1c beschrieben ist:
Eine Turbine treibt über eine gemeinsame Welle einen Verdichter an und die Turbine
liefert genau die Leistung, die der Verdichter benötigt. Damit nun aber dennoch das er-
forderliche Druckgefälle für das Durchströmen eines Triebwerks entstehen kann, muss
etwas getan werden, was primär eigentlich keinen unmittelbaren Einfluss auf den Druck
hat. Es muss nämlich von außen dem Triebwerk Energie zugeführt werden und zwar in
Form von Wärme bzw. in Form von Brennstoff, der in das Triebwerk von außen eingeleitet
und im Triebwerk verbrannt wird. Die Verbrennung selbst erhöht den Druck nicht, da in
Triebwerken der Brennraum nach vorne und hinten offen ist (Gleichdruckverbrennung),
Abb. 3.1d. Eine Druckerhöhung kann durch Wärmezufuhr nur in einem geschlossenen
Raum entstehen. In einer Triebwerksbrennkammer dehnt sich das Gas durch Erwärmen
zwar aus, ein Druckanstieg bleibt dabei aber aus, da das sich ausdehnende Gas in Rich-
tung niedrigen Drucks (Umgebungsdruck) mit erhöhter kinetischer Energie „entweichen“
kann, nämlich nach hinten, in Richtung des niedrigeren Umgebungsdruckes. Solange der
Kompressor vor der Brennkammer Druckluft nachfördert, ist ein „Entweichen“ des Ga-
ses nach vorne nicht möglich. Die Verbrennung in einer Triebwerksbrennkammer erfolgt
deswegen bei konstant bleibendem Druckniveau, was man als Gleichdruckverbrennung
bezeichnet. Wie kommt es also zu einem Druckgefälle hinter der Turbine und damit zu ei-
ner Strömung im Triebwerk bzw. zum Ansaugen von weiterer Luft von außen? Der Grund
dafür ist, dass das Windrad (Turbine) zum Drehen eine geeignete Energieform braucht,
3.3 Thermodynamischer Arbeitsprozess 115
diese Energie kann Druckenergie, kinetische Energie, aber auch Wärmeenergie sein. Ein
Windrad (Turbine) wandelt jede Form dieser Energien in einer Strömung in mechanische
Arbeit an einer sich drehenden Welle um, in so genannte Wellenleistung (zum Antrieb
des Kompressors). Die Turbine entzieht der Strömung dabei Druck und Wärme, sodass
das Druck- und Temperaturniveau über die Turbine zwar abnimmt, aber im Vergleich
zu Abb. 3.1c kommt es nun bei Abb. 3.1d zu einem Verbleib einer Restenergie in der
Strömung hinter der Turbine, die sich in einem erhöhten Druck und einer erhöhten Tem-
peratur (Abgastemperatur) manifestiert. Der gegenüber dem Umgebungsdruck p0 höhere
Druck p5 hinter der Turbine, in der Ebene , 5 leitet den bereits bei Abb. 3.1b erklärten
Strömungsvorgang im hinteren Triebwerksbereich ein, der aufgrund der Massenerhaltung
im vorderen Triebwerksbereich schließlich zum Ansaugen neuer, auffüllender Luft führt.
Wir fassen zusammen, damit Luft in und durch ein Triebwerk strömt, muss im Trieb-
werk nicht eine Unterdruckerzeugung stattfinden, sondern vielmehr genau das Gegenteil,
nämlich es muss Überdruck erzeugt werden, was für manchen im ersten Augenblick
durchaus erstaunlich klingen mag. Wie zuvor bereits erwähnt, ein Haushaltsstaubsauger
funktioniert (saugt) nach demselben Prinzip.
Ein Strahltriebwerk – oder allgemeiner ausgedrückt, eine Gasturbine – ist im rein ther-
modynamischen Sinne nichts weiter als eine sog. Wärmekraftmaschine, die Luft als
Arbeitsfluid verwendet, um damit Schub oder Wellenleistung zu erzeugen. Zum Errei-
chen dieser Aufgabe wird die Luft innerhalb des Triebwerks beschleunigt, sodass dessen
kinetische Energie am Triebwerksaustritt größer ist als an dessen Eintritt, ein Vorgang,
den man durch einen sog. thermodynamischen Kreisprozess beschreiben kann und des-
sen Grundprinzip im vorhergehenden Kapitel beschrieben wurde. Dazu wird die Luft
zuerst verdichtet, und damit seine Druckenergie erhöht, anschließend wird dieser Luft
weitere Energie in Form von Verbrennungswärme zugeführt. Rund 2/3 der so in der
Luft enthaltenen Energie wird zur internen Aufrechterhaltung dieses thermodynamischen
Kreisprozesses benötigt, während das verbleibende Drittel an Energie zur Beschleunigung
des Fluides genutzt werden kann. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer
sog. thermodynamischen Beschleunigung des Fluides. Die dazu im Fluid zur Verfügung
stehende Leistung, die man Nutzleistung PN nennt, und die das Endresultat des Ener-
gieaustausches im Kreisprozess ist, ist schließlich nichts weiter als die Differenz aus den
kinetischen Energien zwischen Aus- und Eintritt des Triebwerks:
ṁ 2
PN = · cAUS − cEIN
2
(3.2)
2
Hierin entspricht cEIN der Fluggeschwindigkeit des Triebwerks und cAUS dessen Düsen-
austrittsgeschwindigkeit. Die Masse an Luft, die sekündlich durch das Triebwerk strömt,
116 3 Was man weiß – was man wissen sollte
Luft Abgas
cEIN cAUS
1 2 3 4
Luft Abgas
Abb. 3.2 Vergleich zwischen dem Arbeitsprozess eines Viertakt-Kolbenmotors nach dem Otto-
Verfahren (Gleichraumverbrennung) und dem eines kontinuierlich arbeitenden Turbojettriebwerks
(Gleichdruckverbrennung)
wird mit ṁ bezeichnet. Ein solcher Vorgang beginnt dort, wo vor dem Triebwerk der unge-
störte Umgebungsdruck p0 vorliegt und er endet hinter dem Triebwerk dort, wo ebenfalls
wieder ein ungestörter Umgebungsdruck erreicht wird. Dazwischen ist das Druckniveau
höher als das der Umgebung.
Der Arbeitsprozess einer Gasturbine ist ähnlich zu dem eines Viertakt-Kolbenmotors,
wenn man davon absieht, dass der Verbrennungsvorgang der Gasturbine bei konstantem
Druck und der eines Kolbenmotors nach dem Otto-Verfahren bei konstantem Volumen
stattfindet. Abbildung 3.2 verdeutlicht, dass bei beiden Maschinen der Arbeitsablauf jeweils
durch die vier grundlegenden Vorgänge:
1 ansaugen,
2 komprimieren,
3 verbrennen,
4 ausstoßen,
beschrieben werden kann. Dieser Prozess findet bei Gasturbinen kontinuierlich statt, wäh-
rend er bei Kolbenmotoren intermittierend ist. Das heißt, dass bei einem Kolbenmotor
praktisch nur einer der vier Takte für die Arbeitsabgabe verantwortlich ist, während die
anderen drei Takte das Ansaugen, Komprimieren und Ausstoßen (Leerhub) des Arbeits-
fluides durchführen. Der kontinuierlich ablaufende Gasturbinenprozess eliminiert durch
3.3 Thermodynamischer Arbeitsprozess 117
Druck
Verbrennung
t)
(A xpa
(Arbe nsion
itstak
rb n t
ei sio
ts ns
ta n co
Expa
kt =
) V
2
2
4 Kompression
Komp 4
ressio ausstoßen
n 1 1
V = const Volumen Temperatur
Joule-Prozess als Vergleichsprozess der Gasturbine
Gleichdruckprozess
Druck
Verbrennung 3 Druck
2 Verbrennung
2 p = const 3
p = const p = const
ion
Ko
Expansion in
ss
mp
pre
Turbine und Düse Expansion
res
inTurbine
sio
Ko
und Düse
n
1 4 1 4
Umgebungsdruck Umgebungsdruck
Volumen Temperatur
seine Arbeitsweise die drei „leer laufenden“ Takte des Arbeitsprozesses, sodass dadurch
mehr Brennstoff in kürzerer Zeit verbrannt werden kann, wodurch es schließlich – bei
vergleichbarer Maschinengröße – zu einer größeren Leistungsabgabe kommt.
Der Brennraum (Brennkammer) einer Gasturbine ist kein abgeschlossener Raum, so
wie es beim Kolbenmotor der Fall ist. Aus diesem Grund kommt es in der Gasturbine beim
Verbrennungsprozess nicht zu einem Druckanstieg, sondern nur zu einer Volumenzu-
nahme. Das Gasvolumen dehnt sich infolge der Verbrennung um das Vier- bis Fünffache
seines ursprünglichen Volumens aus. Ein solcher Vorgang wird als Gleichdruckverbren-
nung bezeichnet. Beim Kolbenmotor nach dem Otto-Verfahren ändert sich im Zylinder
während der Verbrennung das Volumen praktisch nicht, wogegen aber der Druck bis auf
Spitzenwerte von rund 70 · 105 Pa (70 bar) ansteigen kann. Diese fluktuierenden Spitzen-
werte des Druckes verlangen konstruktiv – im Vergleich zum Brennraum einer Gasturbine
– eine schwerere Bauweise des Kolbenmotors und außerdem auch noch hochoktanige
Brennstoffe, während die Gasturbine mit dieselähnlichen Niedrig-Oktan-Brennstoffen
auskommt.
Die wesentlichen Unterschiede zwischen dem Arbeitsprozess eines Kolbenmotors und
dem einer Gasturbine zeigt Abb. 3.3 in der Form sog. vereinfachender Vergleichsprozes-
118 3 Was man weiß – was man wissen sollte
se. Für Viertaktmotoren ist der Otto-Prozess einer der üblichen Vergleichsprozesse. Bei
Gasturbinen wird dazu der Joule-Prozess verwendet, der in der angelsächsischen Literatur
auch als Brayton-Prozess bezeichnet wird. Der Arbeitsprozess des Kolbenmotors läuft in
einem sog. geschlossenen System ab, d. h., die verschiedenen Teilabschnitte des Arbeitspro-
zesses finden immer in ein und demselben Zylinder des Motors statt und wiederholen sich
dort zyklisch, man spricht in diesem Zusammenhang auch von einem intermittieren-
den Prozess. Beim Arbeitsprozess der Gasturbine dagegen, der in einem sog. offenen,
stetig durchströmten System stattfindet, laufen die verschiedenen Teilabschnitte des Ar-
beitsprozesses in unterschiedlichen Bauteilen ab, die dabei kontinuierlich durchströmt
werden.
Der Arbeitsprozess einer Gasturbine ist in seiner einfachsten Form in unten links
Abb. 3.3 dargestellt. Punkt 1 repräsentiert atmosphärische Luft beim Umgebungsdruck
in der Brennkammer durch Verbrennen von Kraftstoff Wärme bei konstantem Druck
zugeführt. Nach der Brennkammer expandiert das Gas in der Turbine und der Schub-
düse zurück auf den Umgebungsdruck p0 . Während des Expansionsvorganges wird ein
Teil der Energie des expandierenden Gases durch die Turbine in mechanische Energie
gewandelt und dazu genutzt, über eine gemeinsame Welle den Verdichter anzutreiben.
Die restliche Energie des Gases wird in der Schubdüse in kinetische Energie gewandelt und
so ein hoher Austrittsimpuls am Triebwerksaustritt erzeugt, der schließlich für den Schub
verantwortlich ist.
Da die Gasturbine eine Wärmekraftmaschine ist, fällt die Expansion des Gases um-
so stärker aus, je höher die Verbrennungstemperatur ist. Die Höhe dieser Temperatur
wird praktisch nur durch das Material der anschließenden Turbine begrenzt, da deren
Schaufeln durch zu hohe Temperaturen nicht zu Schaden kommen dürfen. Die Schaufeln
heutiger Triebwerksturbinen werden von innen durch Luft gekühlt, sodass praktisch die
Gastemperatur am Eintritt der Turbine immer oberhalb der Schmelztemperatur des Tur-
binenmaterials liegt. Die Differenz dieser beiden Temperaturen kann heute bis zu 700 ◦ C
betragen.
Die Art und Weise und die Häufigkeit des Durchlaufens des Gasturbinenarbeitsprozes-
ses haben einen signifikanten Einfluss auf die Lebensdauer eines Triebwerks. Man spricht in
diesem Zusammenhang von sog. Lastzyklen, die während eines Fluges durchlaufen werden,
wenn das Triebwerk dabei unterschiedlichen Anforderungen (Gashebelstellungen) ausge-
setzt ist. Häufige Lastwechsel, wie sie bei Flugzeugen im Kurzstreckeneinsatz oder bei mi-
litärischen Flugzeugen typisch sind, verkürzen die Lebensdauer von Triebwerksbauteilen
bzw. die Wartungsintervalle eines Triebwerks ganz erheblich1 .
1
Zur Anschaulichkeit kann man sich diesen Zusammenhang wie bei einer Glühbirne vorstellen,
die andauernd ein- und ausgeschaltet wird. Als Folge davon wird die Glühbirne sehr schnell kaputt
gehen. Lässt man die Glühbirne dagegen aber sehr lang im eingeschalteten Zustand brennen, so wird
ihre Lebensdauer ein Vielfaches betragen.
3.4 Statischer Druck und Totaldruck 119
ρ 2
pt = p + ⋅c
2
reibungs- Pitotsonde
freies
c Strömungskanal
Fluid der
Dichte p Thermo- oder Pt-100-Element
Abb. 3.4 Prinzipskizze zur Messung des statischen Druckes, des Totaldruckes und der Totaltempe-
ratur in einer inkompressiblen Kanalströmung
Unter dem Begriff des statischen Druckes p versteht man den Druck eines Fluides (Gas
oder Flüssigkeit), den dieses im Ruhezustand hat, also, wenn es nicht strömt bzw. wenn
seine Strömungsgeschwindigkeit c gleich null ist. Der statische Druck p ist der wahre
Druck eines Fluides, ohne dass zusätzliche Druckanteile, die in der Bewegung des Flui-
des – auf Grund von kinetischer Energie – begründet sind, Berücksichtigung finden. Ein
typisches Beispiel für den statischen Druck ist der atmosphärische Barometerdruck (Umge-
bungsdruck) p0 = p∞ , der keinerlei Einflüsse auf Grund von Windgeschwindigkeiten mit
beinhaltet. Bei umströmten Körpern wird der statische Druck p direkt auf der Körperober-
fläche gemessen, die dazu mit kleinen, senkrecht (normal) zur Oberfläche angeordneten
Messbohrungen versehen wird. Bei einem Flugzeug z. B. befinden sich solche Messstellen
direkt auf der Rumpfoberfläche, ein kurzes Stück hinter dem Cockpitbereich. Der dabei ge-
messene Druck p entspricht dem atmosphärischen Barometerdruck (Umgebungsdruck)
p0 = p∞ der jeweiligen Flughöhe, in der sich das Flugzeug befindet (vgl. hierzu auch
Abb. 3.5).
Auf Grund der Bewegung eines Gases, wenn es z. B. mit der Geschwindigkeit c strömt,
entwickelt dieses einen weiteren Druck, den man als dynamischen Druck q bezeichnet und
welcher der kinetischen Energie des Gases proportional ist:
ρ 2
q= ·c (3.3)
2
Der Total- oder Gesamtdruck pt eines Gases ist dann die Summe aus statischem und
dynamischem Druck (vgl. hierzu auch Abb. 3.4):
120 3 Was man weiß – was man wissen sollte
statische Druckanbohrungen
Backbord 2 Pitot-Rohre
3 Pitot-Rohre
Einlass-
öffnung
werden)
Pitot-Rohr
statische Druckanbohrungen
in der Rumpfoberfläche
Abb. 3.5 Beispiel für eine praktisch ausgeführte Totaldrucksonde (Pitot-Sonde) und für eine Mess-
stelle zur Bestimmung des statischen Druckes an einem Flugzeug vom Typ Airbus. Die Messstellen
gehören zum sog. Air-Data System des Flugzeuges
ρ 2
pt = p + q = p + · c = const (3.4)
2
Dieser Ausdruck ist die sog. Bernoulligleichung der Strömungsmechanik und listet bei rei-
nen Strömungsvorgängen im Prinzip nur die Druckenergien auf, die in einer Gasströmung
enthalten sein können. Der Totaldruck pt ist somit die Summe aller Druckenergien einer
Strömung. Abb. 3.5 zeigt die Messung des Totaldruckes und des statischen Druckes an ei-
nem Flugzeug. Die Anordnung der verwendeten Messfühler, die zum sog. Air-Data System
eines Flugzeuges gehören, ist vergleichbar mit der prinzipiellen Darstellung in Abb. 3.5.
In einer reibungsfreien Strömung ist der Totaldruck (= Summe aller Druckenergien)
nach dem Prinzip der Energieerhaltung stets konstant, sodass mit steigender Geschwin-
digkeit c der statische Druck p immer kleiner werden muss (Düsenströmung). Nimmt die
Geschwindigkeit c dagegen ab, so wird der statische Druck p ansteigen (Diffusorströmung).
Misst man in einer Düse oder einem Diffusor an deren Ein- und Austritt den statischen
Wanddruck, so ändert sich dieser so, wie es zuvor beschrieben wurde, das Messergebnis
ist also dann unmittelbar gleich der Differenz der dynamischen Drücke zwischen Ein- und
Austritt. Im Falle einer ruhenden Strömung (c = 0) wird der dynamische Druck gleich null
(q = 0), und der Totaldruck ist mit dem statischen Druck identisch.
Wird Reibung in einer Strömung mitberücksichtigt, so bedeutet dies, dass ein Teil an
Strömungsenergie in Wärme gewandelt wird und damit hinsichtlich der Druckenergien
nicht mehr zur Verfügung steht. Reibungsverluste sind also stets Totaldruckverluste,
3.4 Statischer Druck und Totaldruck 121
P ρ ρ
= p2 + · c22 + ptVerlust − p1 + · c12 = (pt2 + ptVerlust ) − pt1 (3.6)
V̇ 2 2
Hierin ist V̇ der Volumenstrom durch die Turbomaschine Verdichter bzw. Turbine.
Die Leistungsfähigkeit einer Triebwerkskomponente wird über deren Totaldrücke be-
schrieben, dazu wird i. Allg. der Totaldruck am Austritt einer Komponente ins Verhältnis
zum Totaldruck am Eintritt dieser Komponente gesetzt. Der sich so ergebende Quo-
tient ist das sog. Totaldruckverhältnis π = (pt )AUS /(pt )EIN der jeweiligen Komponente,
das manchmal auch nur kurz als Druckverhältnis bezeichnet wird. Bei einem Verdichter
spricht man in diesem Zusammenhang z. B. vom Verdichterdruckverhältnis πV , das dessen
Totaldruckerhöhung bzw. dessen Leistungsfähigkeit zur Druckerzeugung beschreibt. Im
Triebwerkseinlauf kann eine Energieänderung in erster Linie nur durch Reibungsverluste
erfolgen. Wie oben bereits erwähnt, drücken sich Reibungsverluste als Totaldruckverluste
aus, sodass der Totaldruck am Ende des Einlaufs kleiner sein wird als an dessen Beginn.
Folglich ist das Druckverhältnis eines Einlaufs praktisch immer kleiner als eins. Es be-
schriebt damit die aerodynamische Güte bzw. die aerodynamische Leistungsfähigkeit des
Einlaufs, die umso besser ist, je weniger Reibungsverluste existieren.
Die Leistungsfähigkeit eines Triebwerks im Fluge wird dem Piloten u. A. in Form des
sog. Triebwerksdruckverhältnis EPR (Engine Pressure Ratio) angezeigt, bei dem der To-
taldruck am Turbinenaustritt zum Totaldruck am Verdichtereintritt ins Verhältnis gesetzt
wird. Auch die elektronische Triebwerksregelung (EEC, electronic engine control) greift
auf das Triebwerksdruckverhältnis EPR als Regelgröße zurück. Die EEC justiert über das
122 3 Was man weiß – was man wissen sollte
EPR den Triebwerksschub so, dass Änderungen in der Fluggeschwindigkeit und in den
Umgebungsbedingungen (Druck und Temperatur) den vom Piloten einmal vorgewählten
Schub nicht verändern.
Messtechnisch gesehen ist der Totaldruck eine vergleichsweise einfach zu messende
Strömungsgröße, die relativ genau ermittelbar ist, und das auch dann, wenn schwierige
Randbedingungen vorliegen, so wie es in einem Triebwerk mit hohen Geschwindigkeiten,
Turbulenzen und Temperaturen gewöhnlich der Fall ist. Der statische Druck dagegen ist
hinsichtlich der Genauigkeit der Messung vergleichsweise schwierig zu ermitteln, wobei
der messtechnische Aufwand aber nicht komplizierter ist als der bei einer Totaldruckmes-
sung. Abbildung 3.4 und 3.5 zeigen prinzipiell, wie der statische Druck und der Totaldruck
eines Gases in einem durchströmten Rohr zu messen wären. Zur Totaldruckmessung
dient ein einfaches, rechtwinklig gebogenes Röhrchen (Pitot-Rohr2 ), das so in die Strö-
mung eingebracht wird, dass das Fluid hineinströmen kann. Am Ende des Röhrchens
wird die Strömung durch den Aufstau auf null verzögert und in diesem Zustand durch ein
geeignetes Druckmessgerät, das sich dem Röhrchen anschließt, der Totaldruck ermittelt.
Selbst eine Schräganströmung (Fehlanströmung) des Röhrchens von bis zu 45◦ verfälscht
das Messergebnis für den Druck praktisch nicht.
Der erste Hauptsatz der Thermodynamik lehrt unter anderem, dass aus Wärme Arbeit
gewonnen werden kann. Flugzeugtriebwerke bzw. Gasturbinen basieren auf diesem grund-
legenden physikalischen Zusammenhang, indem sie die in der Brennkammer über den
Brennstoff (durch den Verbrennungsvorgang) zugeführte Wärme in Wellenarbeit bzw.
Wellenleistung (Drehung bzw. Drehmoment von Turbine und Verdichter) wandeln. Ein
Teil dieser Wellenarbeit wird in gewissem Umfang auch wieder in Wärme zurückgewan-
delt, wenn z. B. der Verdichter den Druck in der Strömung erhöht, so erhöht er dabei
auch deren Temperatur. Wärme kann in Arbeit und umgekehrt kann Arbeit in Wärme
gewandelt werden.
An dieser Stelle sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Begriffe Wärme (Sym-
bol Q) und Temperatur (Symbol T) nicht identisch sind, was schon daran zu sehen ist,
dass die Einheit der Wärme [J] ist und die der Temperatur [K]. Zwar führt die Zu- und
Abfuhr von Wärme Q zu einer Temperaturänderung T, wobei aber ein grundlegen-
der Unterschied zwischen den beiden Größen existiert. Die Temperatur T eines Fluides
kann mit geeigneten Messinstrumenten, wie Thermometern, Thermoelementen oder Wi-
derstandsthermometern, direkt gemessen werden. Dagegen ist die Wärme Q bzw. der
2
Nach dem französischen Physiker Henri Pitot (*1695 †1771) benannt, der 1732 diverse
Messinstrumente zur Messung der Geschwindigkeit des französischen Flusses Seine entwickelte.
3.5 Temperatur und Wärme 123
3
Unter dem Begriff des Wärmestroms versteht man die Wärme Q pro Zeiteinheit t, also Q/t. In der
Mathematik kennzeichnet man eine solche Größe, die auf die Zeit bezogen ist, dadurch, dass man
einen Punkt auf die Größe setzt, d. h. hier Q̇ = Q/t. Eine ähnliche Größe, die für die Triebwerke
wichtig ist, ist der sog. Massenstrom, also die Masse, die pro Zeiteinheit durch ein Triebwerk oder
eine seiner Komponenten strömt ṁ = m/t.
4
In der angloamerikanischen Literatur wird anstelle der Einheit [◦ C] mit Grad Fahrenheit [◦ F]
gearbeitet. Die zugehörige thermodynamische Temperatur TR wird dann in Grad Rankine [◦ R]
angegeben. Die Umrechnung zwischen den beiden Temperaturen erfolgt mit der Beziehung TR = ϑF
+ (1.8 · 273.15) = ϑF + 459.67, wenn TR in [◦ R] und ϑF in [◦ F] angegeben wird. Die Umrechnung
von ϑ in [◦ C] nach ϑF in [◦ F] erfolgt über die Gleichung ϑF = ϑ · 1.8 + 32.
124 3 Was man weiß – was man wissen sollte
Brennkammer bei gleicher Temperatur freisetzen und dann in Arbeit wandeln können
wie der letztgenannte kleinere Turbojet. Wir fassen deswegen an dieser Stelle ausdrück-
lich noch einmal zusammen, dass Temperatur und Wärme nicht identisch sind. Für die
Arbeitsumsetzung in einem Triebwerk ist somit die Wärme und nicht die Temperatur
maßgeblich.
statischer Temperatur und Totaltemperatur vernachlässigbar klein ist. Erst bei hohen Ge-
schwindigkeiten wird der Unterschied signifikant, wie die nachfolgende Rechnung für
cp = 1 004.5 [Nm/(kg · K) ] zeigt:
Beim Fahrrad liegt der Unterschied im Zehntelbereich, beim Rennwagen sind es auch
„nur“ 3.5 K, aber beim Flugzeug immerhin 49 K.
Beide Temperaturen unterscheiden sich durch den Anteil an kinetischer Energie, den
die Strömung auf Grund ihrer Bewegung hat. Kommt die Strömung zum Stillstand (c = 0),
so werden Totaltemperatur und statische Temperatur identisch. Wie auch schon beim To-
taldruck erwähnt, machen sich Energieänderungen in der Strömung durch eine Änderung
in den Totalgrößen – also hier in der Totaltemperatur – bemerkbar. Ein Verdichter, der
den Energiegehalt einer Strömung anhebt, wird dabei sowohl den Totaldruck als auch die
Totaltemperatur anheben. Eine Turbine, die den Energiegehalt einer Strömung verringert,
wird dabei sowohl den Totaldruck als auch die Totaltemperatur absenken. In einer Brenn-
kammer dagegen wird sich durch die zugeführte Wärme (= zugeführte Energie) praktisch
nur die Totaltemperatur signifikant verändern aber kaum der Totaldruck. Wie in Kap. 3.4
bereits erläutert, gibt es Totaldruckänderungen entweder infolge von Reibung oder aber
infolge der Zu- oder Abfuhr von Arbeit, so wie es in Verdichtern und Turbinen der Fall
ist. Durch Reibung wird immer – wenn auch vergleichsweise gering – die Totaltempera-
tur einer Strömung angehoben, da Reibung grundsätzlich mit einer Wärmezufuhr in eine
Strömung gleichzusetzen ist.
Zusammenfassend kann man sagen, dass es beim Durchströmen eines jeden Trieb-
werksbauteils infolge von Reibung stets zu einer Totaldruckabnahme und immer auch
zu einer gewissen Totaltemperaturzunahme kommt, wobei der letztere Vorgang mit dem
Fachbegriff Dissipation7 belegt wird. In einem Verdichter wird der Strömung über die
rotierende Beschaufelung Energie in Form von mechanischer Arbeit zugeführt, sodass es
zusätzlich zur Dissipation auch noch zu einer weiteren – und im Vergleich zur Dissipati-
on außerordentlich dominanten – Steigerung des Totaldruckes und der Totaltemperatur
kommt. In einer Turbine wird der Strömung über die rotierende Beschaufelung Energie in
Form mechanischer Arbeit8 entzogen, sodass es zusätzlich zu den Effekten der Dissipation
auch noch zu einer weiteren – wiederum im Vergleich zur Dissipation sehr dominanten
7
Unter dem Begriff der Dissipation versteht man jegliche Energie, die infolge von Reibung in
nicht weiter nutzbare Wärme gewandelt wird. Man sagt, Energie wird dissipiert bzw. Energie wird
entwertet.
8
Wird von Reibungsverlusten abgesehen, so entzieht in einem Triebwerk die Turbine der Strö-
mung genau die Energie, die sie für den Antrieb des Verdichters benötigt. Man sagt, Verdichter
und Turbine stehen im Leistungsgleichgewicht. Werden Reibungsverluste, die in den Lagern der
gemeinsamen Welle von Verdichter und Turbine entstehen, mitbetrachtet, so muss die Turbine
126 3 Was man weiß – was man wissen sollte
zusätzlich zur Energie für den Verdichter auch noch die Energie zum Ausgleich der Lagerverluste
aufbringen. Die von der Turbine abgegebene Leistung PT ist damit praktisch immer etwas größer
als die vom Verdichter aufgenommene Leistung PV . Der Unterschied in den Leistungen wird durch
den sog. mechanischen Wirkungsgrad ηmech erfasst, der das Verhältnis von Verdichterleistung zu
Turbinenleistung ηmech = PV / PT darstellt.
3.6 Statische Temperatur und Totaltemperatur 127
Anschlüsse an die
Flugzeugsysteme
Ein
str
öm
un Außenhaut
g
Außenhaut
Tempera-
tursensor
Einströmung
Entlüftung
B
Gr e- u Umlenkung
en nd
zs E mit Partikel-
ch ntl
ich üft abscheidung
ma ung
ter fü
ial r Partikelaus-
scheidung
Außenhaut
Abb. 3.6 Beispiel für eine praktisch ausgeführte Totaltemperatursonde (TAT-Sonde, Total Air
Temperature Probe) an einem Verkehrsflugzeug. Die Messstelle gehört zum sog. Air-Data System
eines Flugzeuges
Belüftung bei geringen Durchströmgeschwindigkeiten der Sonde wird ständig die aktuelle
Temperatur der frisch zuströmenden Luft gemessen. Analog zu Abb. 3.5 zeigt die Abb. 3.7
eine Kombinationssonde, so wie sie permanent in Triebwerken installiert ist. Die hier
dargestellte Sonde misst über zwei separate Öffnungen den Totaldruck und die Totaltem-
peratur (pt2 und Tt2 ) im Triebwerkseintrittsbereich. Die statische Temperatur T ist im
Rahmen der erforderlichen Genauigkeiten nicht messbar und wird deswegen praktisch
immer berechnet. Zur Berechnung der statischen Temperatur T ist es erforderlich, den
Totaldruck pt , den statischen Druck p und die Totaltemperatur Tt eines strömenden Gases
zu messen, so wie es die Abb. 3.5 und 3.6 am Flugzeug demonstrieren:
Tt
T=
(3.11)
κ −1 pt
1+ · −1
κ p
128 3 Was man weiß – was man wissen sollte
Akustik-
auskleidung
pt2-Druck-
weiterleitung
Ventilations-
öffnungen
pt2-Messöffnung Tt2-Messöffnung
Abb. 3.7 Kombinierte Totaldruck- und Totaltemperatursonde im Einlauf des Triebwerks IAE
V2500
Hierin ist κ der sog. Isentropenexponent des Gases. Gleichung (3.11) entsteht aus der
Kombination der Gln. (3.10) und (3.4), wenn zusätzlich die sog. allgemeine Gasgleichung:
p κ −1
= Ri · T = · cp · T (3.12)
ρ κ
verwendet wird. Hierin ist Ri die spezifische Gaskonstante, deren Zahlenwert nur vom
verwendeten Gas abhängt, wobei in einem Triebwerk Luft das dominierende Gas ist. Die
Zahlenwerte für κ und cp sind ebenfalls abhängig von der Art des Gases, aber zusätz-
lich auch noch von seiner Temperatur. Im vorderen Teil des Triebwerks, wo die Luft
noch kühler ist, gilt etwa κ ≈ 1.4. Im hinteren heißen Triebwerksteil gilt dagegen etwa
κ ≈ 1.3. Der Isentropenexponent κ, die spezifische Gaskonstante Ri und die spezifische
Wärmekapazität cp können im gesamten Triebwerk für überschlägige Berechnungen in
durchaus guter Näherung als konstante Zahlenwerte mit κ ≈ 1.4, Ri ≈ 287 Nm/(kg · K)
und cp = 1 004.5 Nm/(kg · K)angesehen werden. Nach Gl. (3.12) ergibt sich für die spez.
3.7 Reynoldssches Ähnlichkeitsgesetz 129
κ · Ri
cp = (3.13)
κ −1
Der englische Physiker Osborne Reynolds9 führte 1883 Versuche zu Strömungen in Rohren
durch, bei denen er durch ein langes Glasrohr Wasser aus einem Behälter ausfließen ließ.
Zur besseren Sichtbarmachung der Strömung gab er dem ausfließenden Stromfaden eine
Farblösung bei. Bei kleinen Strömungsgeschwindigkeiten zeigte die so eingefärbte Flüssig-
keit einen klaren geraden Faden im Auslaufrohr. Die Strömungsteilchen bewegten sich auf
geraden Bahnen, d. h., sie glitten in einzelnen Schichten übereinander. Bei Vergrößerung
der Strömungsgeschwindigkeit änderte sich das Aussehen der Strömung grundsätzlich.
Der gefärbte Stromfaden geriet in heftige Querbewegungen und füllte kurz darauf den
ganzen Querschnitt des Rohres aus. Die Strömung war von der laminaren10 Form in
die turbulente11 Strömungsform übergegangen. Eigentlich ist die turbulente Strömung
eine instationäre Strömung, da die Geschwindigkeit an einem festgehaltenen Ort laufend
eine andere ist. Betrachtet man jedoch die mittleren Bahnen der einzelnen Teilchen, so
kann man näherungsweise auch diese Bewegungsform in eine stationäre Strömungsform
übertragen, Abb. 3.8.
Aus seinen Versuchen fand Reynolds heraus, dass die sog. „kritische“ Geschwindig-
keit c = ckrit , bei der der Umschlag von laminar nach turbulent stattfindet, umso größer
ist, je kleiner der Rohrdurchmesser D ist. Darüber hinaus wird die kritische Geschwin-
digkeit umso größer, je größer die kinematische Zähigkeit ν des Fluides ist. Aus diesen
drei Parametern bildete er eine dimensionslose Kennzahl, die später nach ihm benannte
Reynoldssche Zahl Re:
c·D
Re = (3.14)
η
9
Osborne Reynolds (*23.8.1842 †21.2.1912). Seine Arbeit über das Konzept zur Einführung eines
dimensionslosen Parameters (der später nach ihm benannten Reynoldsschen Zahl) zur Beschreibung
des Umschlages von laminarer nach turbulenter Rohrströmung wurde 1883 in den Proceedings of
the Royal Society unter dem (länglichen) Titel „An Experimental Investigation of the Circumstances
which Determine whether the Motion of Water in Parallel Channels Shall be direct or Sinuous, and of
the Law of Resistance in Parallel Channels“ veröffentlicht.
10
Laminare Strömung = Schichtenströmung. Abgeleitet vom lateinischen Wort lamina, das Blatt,
Blech oder Schicht bedeutet.
11
Turbulente Strömung = verwirbelte, regellose Strömung. Abgeleitet vom lateinischen Wort
turbulentus (zu turbare), das unruhig, aufgeregt oder stürmisch bedeutet.
130 3 Was man weiß – was man wissen sollte
Die beiden Strömungsformen, laminare und turbulente Strömung, treten nicht nur bei
Rohrströmungen auf, sondern können auch bei anderen Strömungsformen festgestellt
werden. Ein aus einem Wasserhahn austretender frei fließender Wasserstrahl kann la-
minar (Strahl ist glasklar) oder turbulent (Strahl hat keine glatte Oberfläche mehr und
er ist milchig trüb) sein. Die Strömung um einen Körper (Kugel, Zylinder oder Tragflü-
gel) kann laminar oder turbulent sein. Wobei beide Strömungsformen an verschiedenen
geometrischen Orten durchaus gleichzeitig auftreten können.
Hinsichtlich des Erfassens von Reibungsvorgängen sind zwei unterschiedliche Strö-
mungen nur dann ähnlich, wenn ihre Reynoldszahlen gleich sind. Dabei kann es durchaus
vorkommen, dass die dabei beteiligten Strömungsgeschwindigkeiten krass voneinander
verschieden sind. Zur anschaulichen Demonstration dieser Aussage soll die strömungsme-
chanische Untersuchung an einem verkleinerten Automodell im Windkanal herangezogen
werden. Damit diese beiden zu vergleichenden Strömungsfälle ähnlich sind, müssen als
erste Voraussetzung das Automodell und dessen Original in ihren Abmessungen geo-
metrisch ähnlich sein. Vergleicht man eine charakteristische Länge M (z. B. die Länge
des Autos) mit der entsprechenden Länge O des Originals, dann ergibt sich daraus der
Maßstab des Modells, nämlich: M = M /O . Bei der Umströmung zweier solchermaßen
geometrisch ähnlicher Körper müssen bei vergleichbaren Strömungen auch die Stromlini-
en um den Körper herum ähnlich verlaufen. Wie man aus Überlegungen bezüglich der an
einem Teilchen des Strömungsmittels wirkenden Kräfte nachweisen kann, ist dies genau
dann der Fall, wenn bei Modell und Original die Reynoldsschen Zahlen jeweils gleich groß
sind, d. h. wenn ReM = ReO gilt. Vom Original des Autos seien folgende Daten bekannt:
Fahrgeschwindigkeit cO = 50 km/h = 14 m/s
Autolänge O = 4.0 m
−6
kinematische Zähigkeit der Luft νO = 15 · 10 m2 /s
Daraus ergibt sich eine Reynoldszahl für das Original von:
cO · O 14 · 4
ReO = = · 106 = 3.7 · 106
νO 15
Die Windkanaluntersuchungen sollen mit einem Modell der Länge M = 0.25 m durch-
geführt werden. Das Strömungsmittel im Windkanal sei ebenfalls Luft, genauso wie
3.8 Strömungsgrenzschichten 131
beim Original, mit νM = 15 · 10−6 m2 /s. Nach dem Reynoldsschen Ähnlichkeitsgesetz mit
ReO = ReM ergibt sich daraus eine sehr beachtliche Windkanalgeschwindigkeit cM von:
Die Größe μ ist eine von der Temperatur stark abhängige Stoffeigenschaft des Fluides,
die als Zähigkeit bzw. als dynamische Zähigkeit bezeichnet wird. Mit ρ wird in Gl. (3.15)
die Dichte des Fluides gekennzeichnet. Bei Gasen nimmt die Dichte ρ sowohl mit der
Temperatur T als auch mit der Geschwindigkeit c ab, sodass ν eine starke Zunahme in
Abhängigkeit von T und c besitzt. Da die Temperatur T der Luft in der Atmosphäre mit
steigender Flughöhe H0 abnimmt, nimmt die kinematische Zähigkeit folglich auch mit der
Flughöhe zu. In der Standardatmosphäre beträgt die Viskosität am Boden ν0 = 1.461 · 10−5
m2 /s und in einer Höhe von 11 km ν0 = 3.906 · 10−5 m2 /s. Bei großen Fluggeschwindig-
keiten kommt hinzu, dass sich in der Nähe von umströmten Körpern die Luft infolge von
Kompressibilität und Reibung aufheizt. Durch Erwärmung nimmt die Zähigkeit μ eines
Gases zu. Nach Gl. (3.15) hat dies einen zusätzlich Anstieg der kinematischen Zähigkeit ν
zur Folge. Zusammengefasst heißt das, die kinematische Zähigkeit ν ist dann besonders
hoch, wenn ein schneller Flug in großen Flughöhen vorliegt.
Die Folge dieser Zunahme der kinematischen Viskosität ist, dass die Reynoldszahl
mit der Flughöhe und der Geschwindigkeit – entsprechend der Gl. (3.14) – kleiner wird.
Eine Eigenschaft, die sich besonders signifikant oberhalb von Flughöhen von 10.000 m
bemerkbar macht.
3.8 Strömungsgrenzschichten
Infolge der dynamischen Zähigkeit μ eines Fluides werden zwischen dem Fluid und der
umströmten Oberfläche Tangentialkräfte übertragen, was man sich anschaulich als Ober-
flächenreibung begreiflich machen kann. Durch atomare Kräfte haften in unmittelbarer
132 3 Was man weiß – was man wissen sollte
C∞
y
C∞
dc
δ(X)
c(x) dy
Abb. 3.9 Grundlegende Darstellungen zur Entwicklung einer Grenzschicht längs einer ebenen
Platte. Die reibungsfreie Außenströmung ist nicht beschleunigt und hat längs der Platte die konstante
Geschwindigkeit C ∞
Wandnähe die Fluidmoleküle direkt an der Wand. Sie haben also keine Geschwindig-
keit. Dieses bezeichnet man als Haftbedingung, Abb. 3.9. Durch Reibungskräfte werden in
Normalenrichtung die benachbarten Teilchen abgebremst, welche ihrerseits ihre benach-
barten Teilchen beeinflussen. Innerhalb einer mehr oder weniger dünnen Schicht der Dicke
δ macht sich so ein Reibungseinfluss bemerkbar. Außerhalb der Schicht ist die Geschwin-
digkeit so groß wie bei einer reibungsfreien Strömung. Die Strömungsmittelschicht, die
nicht die Geschwindigkeit der reibungsfreien Außenströmung besitzt, in der sich also die
Reibungseinflüsse bemerkbar machen, wird nach Ludwig Prandtl (1904) Grenzschicht ge-
nannt. Sie wird auch manchmal einfach nur als Reibungsschicht bezeichnet. In Abb. 3.9 ist
die Geschwindigkeitsverteilung c(x) in einer solchen Grenzschicht schematisch dargestellt.
Die Grenzschichtdicke δ(x) ist hier übertrieben stark eingezeichnet worden. Mit wachsen-
dem Abstand x von der Vorderkante nimmt die Dicke der Grenzschicht zu, weil durch die
Zähigkeit fortschreitend weiter außen strömende Fluidteilchen abgebremst werden.
Die Grenzschicht fällt umso dünner aus, je größer die kinetische Energie m · c 2 /2
des Fluides und je kleiner seine Zähigkeit ν ist. Für identische Anströmgeschwindigkeiten
C∞ = const und identische Geometrien = const können näherungsweise folgende
Aussagen gemacht werden:
dc
τ = ν · ρ∞ · (3.16)
dy
3.8 Strömungsgrenzschichten 133
Dr u
all g c
bf igu n Ver kan
n zög s i e
ka
eu
uc
g
t
er
hl
un
Dr
sc
Umschlag g
Be
turbule
n te Gr
enzs
ch icht
C∞
Nach
Bes
lauf
Dru
ch bf
un Umschlag
le
ck
i gu
ung
a
al ng
l Verzöger ieg
anst
Druck
das als das Elementargesetz der Flüssigkeitsreibung angesehen werden kann, kann somit
die Schubspannung τ (= Schub- oder Reibungskraft pro Flächeneinheit) trotz dünner
Grenzschicht dennoch merkliche Werte annehmen. In Gl. (3.16) ist ρ∞ die Dichte des
Fluides.
Auch innerhalb der Grenzschicht kann die Strömung laminaren und turbulenten Charak-
ter haben. Wird ein Körper, z. B. ein Schaufelprofil, angeströmt, so ist die Geschwindigkeit
im Staupunkt gleich null. Das bedeutet, dass eine turbulente Mischbewegung, die eventuell
zuvor in der Strömung war, dort aufhören muss. Die Strömung in der Grenzschicht wird
deswegen ab dem Staupunkt eine mehr oder weniger lange Strecke laminaren Charakter
haben, der dann aber durch irgendwelche Störungen turbulent werden kann, Abb. 3.10.
Man spricht in diesem Zusammenhang von laminarer und turbulenter Grenzschicht.
Der Übergang von der laminaren zur turbulenten Grenzschicht nennt man Umschlag oder
gewöhnlich auch Umschlagspunkt, obwohl der Umschlag nicht plötzlich an einem punk-
tuellen Ort erfolgt, sondern sich generell über einen gewissen Bereich (Umschlagsbereich)
erstreckt. Dieser Umschlag bzw. die Lage des Umschlagpunktes ist für das Problem
des Widerstandes umströmter Körper von wesentlicher Bedeutung und spielen u. A. in
der Strömungstechnik eine maßgebliche Rolle hinsichtlich der Gestaltung von Profilen,
Schaufeln und Tragflügeln.
Die Größe des an einem Körper wirkenden Reibungswiderstandes hängt wesentlich da-
von ab, ob die Strömung in der Grenzschicht laminar oder turbulent ist. Bei der laminaren
Grenzschicht ist die Reibungskraft relativ klein. Nach dem Umschlag in die Turbulenz
dringen rasch bewegte Wirbelteilchen in die langsameren, wandnäheren Schichten bis
134 3 Was man weiß – was man wissen sollte
zur unmittelbaren Berührung mit der Oberfläche des Körpers ein und erhöhen so die
Reibungskraft auf ein Vielfaches. Wegen dieses Impulsaustausches wächst nach dem Um-
schlag die Grenzschichtdicke stärker an. Die Größe des Reibungswiderstandes hängt in
starkem Maße von der Glätte der Körperoberfläche ab. Je glatter und polierter die Ober-
fläche ist, umso dünner ist die Grenzschicht und desto leichter lässt sich eine laminare
Grenzschicht aufrechterhalten. In Abb. 3.10 ist beispielhaft für ein tragflügelähnliches
Schaufelprofil die Grenzschichtentwicklung auf Ober- und Unterseite skizziert.
Vom Staupunkt aus bewegt sich das Fluid zunächst in einem Bereich fallenden stati-
schen Druckes (Druckverteilung auf der Profiloberfläche). Wenn jedoch etwa der Ort der
größten Profildicke erreicht ist, nimmt der statische Druck längs des hinteren Profilteils
fortschreitend zu. Dieser Druckanstieg hat eine abbremsende Wirkung auf die Grenz-
schichtströmung12 . Die Auswirkung von solchen, die Bewegung hemmenden Kräften auf
die Grenzschicht ist, dass sie instabil wird und in den turbulenten Zustand umschlägt. Auf
einem schlanken Profil tritt der Umschlag etwa an der dicksten Stelle des Profils auf. Bei ei-
ner schlecht bearbeiteten, rauen oder zerkratzen Oberfläche verschiebt sich der Umschlag
nach vorne zur Profilnase hin. Der Unterschied im Reibungswiderstand macht verständ-
lich, warum man bemüht ist, die laminare Strömung in der Grenzschicht so lange wie
möglich bestehen zu lassen. Erreicht werden kann dies durch glatteste Oberflächen, ge-
naue, im Hinblick auf die Laminarhaltung optimierte Konturen (z. B. durch Verschieben
des Dickenmaximums in Richtung zur Hinterkante: Laminarprofile) und durch direkte
Beeinflussung der Grenzschicht mittels verschiedener Verfahren, wie z. B. dem Absaugen
der Grenzschicht.
Ist in einer laminaren Grenzschicht die Rauigkeit der umströmten Oberfläche entspre-
chend groß, so kann sie den Umschlag in die Turbulenz herbeiführen. Diese kritische
Rauigkeitshöhe ist etwa zehnmal größer als die in der turbulenten Grenzschicht zulässige
Rauigkeitshöhe.
12
Generell finden freie Strömungsvorgänge immer nur von Gebieten höheren Druckes zu Gebieten
niedrigeren Druckes statt. Besitzt nun irgendeine Strömung eine bestimmte anfängliche Strömungs-
geschwindigkeit (kinetische Energie), so kann sie in Abhängigkeit dieser ursprünglichen kinetischen
Energie eine gewisse Strecke in ein Gebiet höheren Druckes einströmen. Dabei wird aber ihre kineti-
sche Energie zunehmend aufgezehrt und das Strömungsmaterial kommt schließlich zum Stillstand.
Ein anschaulicher Vergleich hierzu ist das Schreien gegen den Wind, das auch nur beschränkt –
also über eine gewisse Strecke – gelingt, nämlich, bis der Wind den Schrei „verschluckt“ hat. Je
lauter man schreien kann, d. h. je mehr Energie man aufwenden kann, umso weiter wird man „ge-
gen den Wind anbrüllen“ können. Grenzschichtströmungen haben im Vergleich zur reibungsfreien
Außenströmung deutlich weniger kinetische Energie und können von daher auch nur begrenzt
in Gebiete steigenden Druckes einströmen. Irgendwann kommt die Grenzschichtströmung dabei
zum Stillstand, d. h., sie löst von der Oberfläche des umströmten Körpers ab (Strömungsablösung).
Laminare Grenzschichten haben dabei weniger kinetische Energie als turbulente, d. h. turbulente
Grenzschichten können weiter in Gebiete steigenden Druckes einströmen als laminare.
3.8 Strömungsgrenzschichten 135
Geschwindigkeitsprofil Geschwindigkeitsprofile
der anliegenden Strömung der abglösten Strömung
Anstieg d
es stat
ische
n Dru
ckes
Unstetigkeits-
fläche
Ablösepunkt
Ablösegebiet
Rückströmung
Abb. 3.11 Grundlegende Darstellung zur Ablösung von Strömungsgrenzschichten auf Profilober-
flächen in Bereichen mit statischem Druckanstieg
Das in der Grenzschicht verzögerte Strömungsmaterial bleibt nicht in allen Fällen als
dünne Schicht an der Oberfläche haften. Es kann vorkommen, dass bei der Umströmung
eines Körpers die in Strömungsrichtung immer dicker werdende Grenzschicht sich von der
Wand ablöst. Solche Ablösungen treten z. B. an der Rückseite von Kugeln und Zylindern
auf, ebenso wie im hinteren Teil von Schaufelprofilen, Abb. 3.11. Die Ablösung ist stets mit
Wirbelbildung und daher mit Energieverlusten verbunden, sodass dadurch der Widerstand
des umströmten Körpers größer wird. Zur Erzeugung der Wirbel wird Energie benötigt,
die aus der Strömungsenergie bezogen werden muss, was sich in erhöhtem Widerstand
bemerkbar macht. Je weiter vorne am Körper die Ablösung auftritt, desto größer wird das
Wirbelgebiet hinter dem Körper, das man auch Totwasser nennt, und damit schließlich
auch sein Widerstand. Besitzt der Körper vorspringende Ecken oder scharfe Kanten, so
wird die Ablösung der Grenzschicht an diesen Ecken oder Kanten stattfinden.
Liegt in Strömungsrichtung ein Druckabfall (Beschleunigung der Strömung) vor, so
werden die in der Grenzschicht abgebremsten Teilchen durch dieses Druckgefälle wieder
beschleunigt, sodass das Grenzschichtmaterial – außer unmittelbar an der Oberfläche –
nicht zum Stillstand kommen kann. Eine Ablösung der Grenzschicht kann somit auch
nicht eintreten.
Liegt jedoch ein Druckanstieg in Strömungsrichtung vor (Abb. 3.11), so wird dadurch
die verzögernde Wirkung der Grenzschicht noch verstärkt. Von der äußeren Strömung
werden die verzögerten Teilchen des Grenzschichtmaterials zwar zunächst noch mitge-
schleppt, die Dicke der Grenzschicht nimmt jedoch ständig zu und die Bewegung kommt
schließlich irgendwo im Gebiet zunehmenden Druckanstieges zum Stillstand. Unter dem
Einfluss des Druckgefälles entgegen der eigentlichen Strömungsrichtung kommt es dann
136 3 Was man weiß – was man wissen sollte
• Ragen in die Strömung scharfe Kanten, dann löst die Strömung dort ab.
• Bei Körpern mit stetig gekrümmten Oberflächen bildet sich vom Staupunkt aus eine
laminare Grenzschicht.
• Beim Überschreiten einer sog. kritischen Reynoldszahl wird diese laminare Grenz-
schicht nach einer gewissen Lauflänge in eine turbulente umschlagen.
• Bei kleinen Reynoldszahlen kann der Umschlag von laminar nach turbulent ausbleiben.
Die Strömung löst in diesem Fall von der umströmten Wand ab, sobald in Strömungs-
richtung ein Druckanstieg in der reibungsfreien Außenströmung existiert. Die abgelöste
laminare Strömung schlägt nach kurzer Zeit in eine turbulente um und verursacht
Wirbel.
• Ist bei entsprechend hoher Reynoldszahl der Umschlag von laminar nach turbulent
erfolgt, so kann die Grenzschicht weiter gegen steigenden Druck anströmen, voraus-
gesetzt, dass die turbulente Vermischungszone Berührung mit der Wandoberfläche
behält, also nicht abgelöst ist.
• Für das Zustandekommen einer Ablösung sind die beiden folgenden Bedingungen
notwendig und hinreichend: Druckanstieg in Strömungsrichtung und Wandreibung.
3.9 Widerstand umströmter Körper 137
C Anliegende laminare
Grenzschicht.
Umschlag
Abb. 3.12 Mögliche Formen der Grenzschichtentwicklung und deren Ablöseverhalten am Beispiel
eines einfachen Schaufelprofils
In Abb. 3.12 sind die möglichen Entwicklungen von Grenzschichten und deren Ab-
löseverhalten, so wie es zuvor beschrieben wurde, beispielhaft für die Saugseite eines
Schaufelprofils dargestellt.
Der sog. Widerstandsbeiwert (cW -Wert) eines umströmten Körpers nimmt i. Allg. mit
steigender Reynoldszahl ab, was insoweit verständlich wird, wenn man sich daran erin-
nert, dass bei reibungsfreier (sog. potenzialtheoretischer) Strömung für die Reynoldszahl
Re → ∞ gilt (wegen Zähigkeit ν → 0) und deswegen gleichzeitig der Reibungswiderstand
zu null werden muss. Eine „grobe Merkregel“ sagt:
13
Jean Le Rond d‘Alembert (*1717 †1783) war französischer Mathematiker. Im Jahr 1744 veröffent-
lichte er eine Arbeit unter dem Titel „Traite de l’équilibre et des mouvements de fluides pour servir de
situe au traite de dynamique“, in der er zu dem theoretischen Ergebnis kam, dass ein zweidimensiona-
ler Körper in reibungsfreier, inkompressibler Strömung keinen Widerstand hat. Das entsprach nicht
seiner Erfahrung. Für d’Alembert und die andern Strömungsforscher im 18. und 19. Jahrhundert
war dieses Paradoxon unerklärbar und in erheblichem Maße verwirrend. Unter Verwendung der
unterschiedlichsten Voraussetzungen und Annahmen kam er in seinen Veröffentlichungen „Essai
sur la résistance“ (1752) und „Opuscules mathématiques“ (1768) immer wieder zu demselben, für ihn
außerordentlich frustrierenden Ergebnis des Nullwiderstandes. Schließlich gab er es resigniert auf,
nach den Ursachen dieses Paradoxons zu forschen. Erst Ludwig Prandtl gelang es Anfang des 20.
Jahrhunderts durch Einführung seiner „Grenzschichttheorie“ die bestehende Diskrepanz zwischen
Theorie und Praxis zu überwinden.
3.9 Widerstand umströmter Körper 139
Druck- Auftriebs-
widerstand Reibungs- richtung
p widerstand
ϕ τ
C∞ Widerstands-
richtung
p •⋅ cosϕ dA τ ⋅ cos (90° −ϕ ) = τ • sinϕ
In den beiden obigen Integralen ist ϕ der Winkel zwischen der Flächennormalen (Wirklinie
von p) und der horizontalen Anströmrichtung. Der Gesamtwiderstand FW des Körpers ist
dann die Summe aus Druck- und Reibungswiderstand:
FW = FWp + FWR = p · cos ϕ · dA + τ · sin ϕ · dA (3.19)
A A
Bei stumpfen Körperformen, wie z. B. Kugeln und Kreiszylindern, ist der Druckwiderstand
der dominierende Part, während bei einem extrem schlanken Profil der Widerstand prak-
tisch nur vom Reibungsanteil dominiert wird. Eine längs angeströmte, unendlich dünne
ebene Platte hat so z. B. nur Reibungswiderstand. Bei Körperformen, bei denen der Wider-
stand im Wesentlichen durch die Druckunterschiede auf der Körperoberfläche zu Stande
kommt, ist im Falle relativ hoher Reynoldszahlen Re der Widerstand in guter Näherung
140 3 Was man weiß – was man wissen sollte
dem Quadrat der Anströmgeschwindigkeit proportional14 . Es ist von daher üblich gewor-
den, für den Widerstand FW einen dimensionslosen Beiwert cW (Widerstandsbeiwert) der
folgenden Form einzuführen:
FW FW
cW = = (3.20)
A· ρ∞
2
· 2
C∞ A · q∞
Hierin ist A eine geeignete Bezugsfläche des umströmten Körpers15 und q der dynamische
Druck. Nach den Gesetzen der mechanischen Ähnlichkeit von Strömungen kann erwartet
werden, dass für geometrisch ähnliche Körperformen (große Kugel/kleine Kugel) in unter-
schiedlichen strömenden Medien (Luft/Wasser) die Widerstandsbeiwerte cW immer den
gleichen Wert haben, wenn die beiden strömungsmechanischen Ähnlichkeitskenngrößen
– Machzahl Ma und Reynoldszahl Re – jeweils gleich sind:
• inkompressible Strömung cW = −(Re)
• kompressible Strömung cW = −(Ma, Re)
In Kap. 3.7 war gezeigt worden, dass die Reynoldszahl Re mit der Flughöhe H0 und mit der
Fluggeschwindigkeit – speziell in Flughöhen oberhalb von 10 000 m – infolge des Anstiegs
der kinematischen Viskosität ν abnimmt. Analog dazu nehmen auch die Reibungseffekte
zu. Mit der Folge, dass die Wirkungsgrade – speziell des Triebwerksverdichters – mit der
Flughöhe schlechter werden. Erfolgt die Leistungsermittlung eines Triebwerks auf her-
kömmlichen Prüfständen, die sich mehr oder weniger in der Nähe der Höhe H0 ≈ 0 m
befinden, so sind die dort ermittelten Daten hinsichtlich des beschriebenen Reynolds-
zahleinflusses zu korrigieren, um die Triebwerksleistungswerte auf diejenigen Flughöhen
übertragen zu können, wo das Triebwerk in der Praxis im Wesentlichen betrieben wird.
Neben solchen herkömmlichen Prüfständen gibt es auch so genannte Höhenprüfstände
(ILA 1987), in denen Flugzustände in Höhen von bis zu ca. 20 km, mit Flugmachzahlen von
bis zu etwa 2.3 simuliert werden können. Solche Prüfstände ermöglichen dann die direkte
Einbeziehung des Reynoldszahleinflusses in die Leitungsermittlung eines Triebwerkes.
14
Bereits Isaac Newton stellte empirisch fest, dass der Widerstand eines umströmten Körpers pro-
portional der größten Querschnittsfläche des Körpers A (quer zur Bewegungsrichtung), der Dichte
ρ des Fluides und dem Quadrat der Körpergeschwindigkeit U ∞ ist: FW ∼ ρ · A · U 2∞ . Man er-
kennt sofort, dass ρ · A · U 2∞ die Dimension einer Kraft hat. Den zugehörigen dimensionslosen
Proportionalitätsfaktor, den wir heute als Widerstandsbeiwert cW bezeichnen, nahm Newton noch
als Konstante an, die nur von der Form des Körpers abhängt.
15
Bei der Kugel oder beim Kreiszylinder wählt man hier üblicher Weise als Bezugsfläche A die
Querschnittsfläche und bei einem Profil die senkrecht auf den Erdboden projizierte Profilquer-
schnittsfläche. Prinzipiell ist aber auch jede andere Wahl einer Bezugsfläche möglich. Man bedenke
aber, dass sich bei gleichen Anströmverhältnissen q∞ und gleichen Widerstandskräften FW – je
nach gewählter Bezugsfläche – unterschiedliche cW -Werte einstellen. Im Sinne einer Vergleichbar-
keit von cW -Werten sollte man sich also an die jeweils üblichen und international abgestimmten
Bezugsflächendefinitionen halten.
3.10 Auftrieb umströmter Körper 141
Auftriebskraft F A
C∞
C∞
C y = Abwind
( downwash )
16
Solche Druckverteilungen können in Versuchsaufbauten gemessen werden, indem längs der Pro-
filkontur sehr kleine Bohrungen (sog. statische Druckbohrungen, Ø ≈ 0.2 mm) angebracht und diese
mit Druckmessinstrumenten verbunden werden. Ebenso ist es möglich, solche Druckverteilungen
mittels Computer-Programmen der numerischen Strömungsmechanik zu berechnen.
142 3 Was man weiß – was man wissen sollte
Verdichterbeschaufelung Turbinenbeschaufelung
FR
FA
α C
FW
−
+
+
FW
+ −
FR
FA
Abb. 3.15 Druckverteilungen um die Profile einer Verdichter- und einer Turbinenbeschaufelung
treten an den Profilen sowohl eine Auftriebs- als auch eine Widerstandskraft FA und FW
auf.
Aus diesen beiden Kräften lässt sich eine resultierende Kraft FR bilden, die schräg nach
oben und nach hinten gerichtet ist.
Je nach Zuströmwinkel, der beim Tragflügel Anstellwinkel α heißt, entsteht Auftrieb,
kein Auftrieb oder Abtrieb (negativer Auftrieb). Abbildung 3.15 (oben Mitte) zeigt den
typischen Fall, der Auftrieb erzeugt. Ist der Zuströmwinkel so, dass sich die positiven
und negativen Druckverteilungen auf der Druck- und Saugseite gegenseitig aufheben, so
entsteht kein Auftrieb. Abtrieb entsteht, wenn die Zuströmrichtung von oben von der
Saugseite her erfolgt. Der Auftrieb eines Profils wächst mit dem Anstellwinkel α bis zu
einem gewissen Grad an. Liegt ein gewölbtes Profil vor, so wie es Abb. 3.15 zeigt, so ist
bereits bei einem Anstellwinkel von α = 0◦ Auftrieb vorhanden. Gewölbte Profile errei-
chen größere Auftriebskräfte als nicht oder nur wenig gewölbte Kräfte. Ist die Unterseite
(Druckseite) zudem noch konkav (Abb. 3.15), so wird auf der Unterseite ein größerer Über-
druck auftreten, wodurch der Auftrieb wächst. Die Auftriebskraft kann berechnet werden,
indem für jedes Flächenelement dA auf der Oberfläche eines Schaufelprofils die Differenz
der statischen Drücke zwischen Ober- und Unterseite po – pu gebildet und anschließend
über die gesamte Schaufelfläche ASchaufel aufsummiert bzw. aufintegriert wird:
FA = (po − pu ) · dA (3.21)
ASchaufel
Hierbei ist die Integration von der Profilvorderkante bis zur Profilhinterkante, längs der
Profilsehnenlänge s zu erstrecken. Es ist üblich, für die Auftriebskraft FA einen dimensi-
3.10 Auftrieb umströmter Körper 143
B
Rückseitenablösung bei
schmalem, gewölbten Profil
C
Rückseitenablösung bei völligem
Profil mit dicker Vorderkante
Ablöseblase
D
rückgängige Nasenablösung mit
späterer Rückseitenablösung bei
völligem Profil mit Wölbung und
relativ spitzer Vorderkante
Die Abnahme des Auftriebes mit größer werdendem Anstellwinkel und der damit ein-
hergehende Anstieg des Widerstandes hat seine Ursache im Ablösen der Strömung von
der Profilsaugseite. Die Prinzipskizzen in Abb. 3.17 zeigen, dass diese Ablösung in Abhän-
gigkeit spezieller Profileigenschaften unterschiedlich erfolgen kann (vgl. hierzu auch Kap.
3.7.3). Ist das Profil symmetrisch und hat eine spitze Vorderkante, so wird die Ablösung
unmittelbar hinter der mit hoher Geschwindigkeit umströmten Nase erfolgen, Abb. 3.17a.
Die Ablösung erstreckt sich dabei von der Vorderkante an über das gesamte Profil, sodass
es zu einem plötzlichen Auftriebszusammenbruch nach Überschreiten von cA,max kommt.
Eine sanftere Abnahme des Auftriebsbeiwertes und damit ein gutmütigeres Verhalten
nach Überschreiten des kritischen Anstellwinkels αkrit wird durch eine Verhinderung der
Nasenablösung erreicht, was dadurch realisiert wird, dass die Nasenvorderkante des Pro-
fils der Anströmung entgegengeneigt wird, Abb. 3.17b. Mit zunehmendem Anstellwinkel
wandert die zuerst im hinteren Profilteil auftretende Ablösung nach vorne zu Profilnase
hin. Die Ablösung beginnt also nicht plötzlich, sondern vergrößert sich sukzessive, sodass
der Kurvenverlauf cA über α einen allmählichen Einbruch beim Auftriebsbeiwert beim
Überschreiten des kritischen Anstellwinkels zeigt. Ebenfalls Rückseitenablösung zeigen
völlige Profile mit stark gerundeter Vorderkante, Abb. 3.17c. Durch starke Wölbung im
hinteren Profilbereich kann es bei Profilen mit vergleichsweise spitzer Vorderkante zu einer
sog. Ablöseblase im vorderen Profilbereich kommen, hinter der sich die Strömung wieder
anlegt. Erst bei größeren Anstellwinkeln „platzt“ die lokale Ablöseblase und erstreckt sich
dann über das ganze Profil, Abb. 3.17d.
Wie der Auftriebsbeiwert cA , so ist auch der Widerstandsbeiwert cW vom Anstellwinkel
α abhängig, wobei der Verlauf von cW über α vollkommen anders aussieht, als der Ver-
3.10 Auftrieb umströmter Körper 145
ch
au
il b
of
negative Mav1
Pr
Proportional zu ε = cW
A
c
Mav1 oder
−Δß i Bauchstoß
+Δß i Mav1 = 0.8
ß i = 0° Mav1
inzidenzfreie 0.6
oder 0.4
stoßfreie Anströmung
−10 −5 0 5 10 15
Inzidenzwinkel β i
Abb. 3.18 Übertragung der Zusammenhänge aus Abb. 3.16 auf die Zuströmgegebenheiten einer
Verdichterbeschaufelung, die mit der Machzahl Mav1 angeströmt wird (Zuströmmachzahl)
lauf von cA , Abb. 3.16. Im Allgemeinen ist der Widerstandsbeiwert bei kleinen positiven
Anstellwinkeln am kleinsten und wächst dann an. Ein Profil erfüllt seine Aufgabe umso
besser, je kleiner der Widerstand im Vergleich zum Auftrieb ist. Dieses Verhältnis wird
per Definition Gleitzahl ε genannt.
FW cW
ε := = (3.23)
FA cA
Der rechte Teil von Abb. 3.16 zeigt die Auftragung des Kehrwerts der Gleitzahl 1/ε, (das
Gleitverhältnis) über dem Anstellwinkel. Das Verhältnis Auftrieb zu Widerstand wächst
schnell bis zu einem Anstellwinkel von α ≈ 4◦ an. Der Auftrieb ist hier rund 20-mal
so groß wie der Widerstand17 . Bei größeren Anstellwinkeln nimmt das Verhältnis 1/ε
stetig ab. Im Maximum der Kurve ist bei einem gegebenen Auftrieb der Widerstand am
kleinsten. Man kann sagen, dass Profil hat bei dem zugehörigen Anstellwinkel α seinen
besten „Wirkungsgrad“. Sowohl bei größeren als auch bei kleineren Anstellwinkeln nimmt
der Widerstand (für einen bestimmten, geforderten Auftrieb) zu und der „Wirkungsgrad“
des Profils verschlechtert sich.
Bei Verdichterprofilen ist der so genannte Zuström- oder Anstellwinkel, der hier im
Buch mit β1 bezeichnet werden wird, in Abb. 3.18 oben rechts definiert. Außerdem ist der
bisherige Anstellwinkel α aus Abb. 3.16, bei dem sich der geringste Widerstand einstellt,
17
Hochleistungssegelflugzeug erreichen Werte von ε ≈ 1/60 und mehr. Schulungssegelflugzeuge
haben Werte um ε ≈ 1/40. Passagierflugzeuge, wie z. B. der Airbus A330 weisen Gleitzahlen von bis
zu ε ≈ 1/21 auf. Kleiner Verkehrsflugzeuge haben Gleitzahlen zwischen 1/14 und 1/20.
146 3 Was man weiß – was man wissen sollte
nun der so genannte Auslegungszuströmwinkel, der hier im Buch auch mit βi (Inziden-
zwinkel) bezeichnet werden wird. Dieser Inzidenzwinkel ist im Optimalfall bei geringstem
Widerstand, also bei geringsten Profilverlusten, per Definition gleich null, βi = 0◦ , was man
auch als inzidenzfreie Zuströmung bezeichnet. Manchmal ist dieser Nullwinkel aber auch
leicht gegenüber dem Minimum verschoben, in der Regel zu positiver Inzidenz hin. Ab-
weichungen von diesem „Nullwinkel“ heißen positive oder negative Inzidenz bzw. Bauch-
oder Rückenstoß, so wie es Abb. 3.18 links unten zeigt. Eine inzidenzfreie Zuströmung wird
in diesem Zusammenhang dann auch manchmal als stoßfreie Zuströmung bezeichnet, wo-
bei das Wort „stoßfrei“ in diesem Fall aber nichts mit den Stößen (Verdichtungsstößen)
des nachfolgenden Kapitels zu tun hat. Die Darstellung unten rechts in Abb. 3.18 ist ver-
gleichbar mit der Darstellung in Abb. 3.16 rechts, wenn man diese um 180◦ dreht. Die
Verluste an Verdichterbeschaufelungen sind ein Zusammenwirken zwischen Widerstand
und Auftriebskraft, wobei große Auftriebskräfte (große cA -Werte) proportional zu einer
guten Fähigkeit zur Druckerhöhung sind. Auftrieb (Druckerhöhung) muss also stets durch
Widerstand „erkauft“ werden. Die „Kunst“ der Verdichterprofilentwicklung liegt also dar-
in, das richtige „Zusammenspiel“ zwischen Auftrieb und Widerstand zu finden und das
bei einem möglichst breiten Bereich von Inzidenzwinkeln mit kleinen Verlusten.
Ändert sich die Dichte während eines Strömungsvorganges, so spricht man von einer kom-
pressiblen Strömung. Diese Eigenschaft tritt speziell in Gasströmungen auf, während sie bei
Flüssigkeiten aller Art (Wasser, Öl, Kraftstoff) nur bei extrem hohem Druck zu berücksich-
tigen wäre. Als Anhaltswert kann man sagen, dass in Gasen, die eine Geschwindigkeit von
mehr als 100 m/s haben, Dichteänderungen bei der Beschreibung physikalischer Vorgänge
mit zu berücksichtigen sind.
Über die Begriffe subsonisch, sonisch und supersonisch wird die Geschwindigkeit c
eines Gases mit dessen Schallgeschwindigkeit a verglichen. Die Schallgeschwindigkeit a
hängt von der statischen Temperatur T in der Strömung ab.
p
a = κ · Ri · T = κ · (3.24)
ρ
Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass die statische oder wahre Tem-
peratur T niedrig ist, wenn entweder die Totaltemperatur Tt niedrig und/oder die
Geschwindigkeit c hoch ist. Für ein Triebwerk gilt die generelle Tendenz, dass die sta-
tische Temperatur T und damit die Schallgeschwindigkeit a zwischen Triebwerksein- und
-austritt zunimmt. Im Eintrittsbereich schwankt bei Strahltriebwerken – je nach Flug-
höhe – die Schallgeschwindigkeit zwischen 290 . . . 360 m/s. Im Austrittsbereich ist die
Schallgeschwindigkeit im Vergleich dazu fast doppelt so hoch und schwankt – je nach
Abgastemperatur und Düsenaustrittsgeschwindigkeit – zwischen 500 . . . 600 m/s.
3.11 Kompressible Gasströmungen 147
Ist die Gasgeschwindigkeit c (an irgendeinem Ort im Triebwerk) kleiner als die Schallge-
schwindigkeit a, die an demselben Ort aus der dortigen statischen Temperatur T bestimmt
werden kann, so bezeichnet man die Strömung an diesem Ort als subsonisch oder als Un-
terschallströmung. Gilt c = a, so nennt man die Strömung sonisch, gilt c > a, so bezeichnet
man die Strömung an diesem Ort als supersonisch oder als Überschallströmung.
Existieren in einem Strömungsfeld sowohl eine Unterschall- als auch eine Überschall-
strömung, so spricht man von einem transsonischen Strömungszustand. Ein typisches
Beispiel hierfür sind transsonische Turbinen, bei denen im oberen Leistungsbereich der
Triebwerke die Zuströmungsgeschwindigkeiten zu den Rotoren im Unterschall (subso-
nisch) liegen, während die Abströmgeschwindigkeiten supersonisch sind. Bei modernen
Triebwerken gibt es analog dazu auch sog. transsonische Verdichter, bei denen im unteren,
nabennahen Schaufelbereich der Rotoren die Zuströmung subsonisch ist, während sie im
oberen, gehäusenahen Schaufelbereich die Zuströmung supersonisch ist18 .
Wird nun, wie zu Beginn dieses Kapitels erwähnt, die Strömungsgeschwindigkeit c auf
die Schallgeschwindigkeit a bezogen, so wird die daraus resultierende Größe Machzahl19
oder Machsche Zahl Ma genannt:
c
Ma := (3.25)
a
Damit weisen Zahlenwerte Ma < 1 auf subsonische und Ma > 1 auf supersonische
Strömungen hin. Ma = 1 ist der sonische Fall.
Supersonische Strömungen weisen markante Besonderheiten auf, die speziell immer
dann zu beobachten sind, wenn die Strömung ihre Richtung ändert, d. h., wenn sie umge-
lenkt wird, Abb. 3.19. Wenn ein Strömungsfeld ganz allgemein so gestaltet ist, dass eine
Überschallströmung verlangsamt wird, so vollzieht die Strömung den Übergang in den
Unterschall nicht allmählich sondern sehr plötzlich durch Ausbildung eines sog. Verdich-
tungsstoßes. Hierbei handelt es sich um einen Vorgang, bei dem sich Druck, Temperatur,
Dichte und Geschwindigkeit längs einer extrem kurzen Strömungsstrecke (≈ 0.25 μm)
sprungartig verändern, Abb. 3.19 links. Stehen Stoß und Strömungsgeschwindigkeit senk-
recht zueinander, was man als senkrechten oder geraden Verdichtungsstoß bezeichnet, so
18
Man achte auf den wesentlichen Unterschied: Transsonische Turbine: Zuströmung zur Beschau-
felung ist im Unterschall, während die Abströmung aus der Beschaufelung im Überschall liegt.
Transsonischer Verdichter: Zuströmung zur Beschaufelung ist im Nabenbereich im Unterschall,
während Zuströmung zur Beschaufelung im Gehäusebereich im Überschall liegt. Bei transsonischen
Turbinen ist also das Strömungsfeld zwischen dem Zu- und Abströmbereich der Beschaufelung für
den Begriff transsonisch maßgebend, während es bei transsonischen Verdichtern das Strömungsfeld
in der Schaufelzuströmung zwischen Nabe und Gehäuse ist.
19
Jakob Ackeret (*1898 †1981), später Professor für Aerodynamik an der ETH in Zürich, hat in seiner
Habilitationsschrift von 1928 „Über Luftkräfte bei sehr großen Geschwindigkeiten, insbesondere bei
ebenen Strömungen“ an der ETH-Zürich zu Ehren des von ihm sehr verehrten Physikers Ernst Mach
(*1838 †1916) die Bezeichnung Machsche Zahl für das Geschwindigkeitsverhältnis c/a eingeführt.
Ernst Mach war der erste, der die Natur supersonischer Strömungen im Labor beobachtete und
aufzeichnete, vgl. hierzu Anderson (2000).
148 3 Was man weiß – was man wissen sollte
wird die Machzahl nach dem Stoß immer im Unterschall liegen. Der Übergang vom Über-
in den Unterschall geht praktisch immer mit dem Auftreten eines senkrechten Verdich-
tungsstoßes einher. Ein Verdichtungsstoß bildet sich außerdem auch immer dann aus,
wenn eine supersonische Strömung so umgelenkt wird, dass dies der Strömung längs einer
konkaven Ecke entsprechen würde, Abb. 3.19 Mitte. Da der Stoß jetzt nicht mehr senk-
recht zu einer der Geschwindigkeiten vor und/oder hinter dem Stoß steht, wird er schräger
Verdichtungsstoß genannt. In allen praktisch vorkommenden Fällen ist die Machzahl
hinter einem schrägen Stoß auch weiterhin im Überschallbereich. Die Änderung der Strö-
mungsgrößen erfolgt auch beim schrägen Stoß sprungartig längs eines extrem kurzen
Strömungsweges.
Vollkommen anders gestalten sich die Dinge, wenn die Strömung so umgelenkt wird,
dass dies der Umströmung einer konvexen Ecke entspricht, Abb. 3.19 rechts. In diesem Fall
wird die supersonische Strömung weiter beschleunigt und die Änderung der Strömungs-
größen erfolgt nicht sprungartig, sondern allmählich längs eines sog. Expansionsfächers,
der auch manchmal als Prandtl-Meyer20 -Fächer bezeichnet wird. Abbildung 3.20 zeigt den
Vorderkantenbereich einer Verdichterbeschaufelung, die supersonisch angeströmt wird.
Direkt an der Vorderkante existiert für die Strömung eine Umlenkung entsprechend ei-
ner konkaven Ecke und es ergibt sich ein schräger Verdichtungsstoß, der die Strömung
verzögert. Anschließend folgt die gekrümmte Schaufeloberfläche, die die Strömung ent-
sprechend einer konvexen Ecke umlenkt, einen Expansionsfächer ausbildet und damit die
Strömung wieder beschleunigt.
Ein wesentlicher Nachteil eines Stoßes ist es, das sich über den Stoß auch der Totaldruck
sprungartig ändert, was zu einem Energieverlust in der Strömung führt. Dieser Energiever-
lust ist umso größer, je „stärker“ der Stoß ist, wobei die Stärke eines Stoßes wiederum umso
20
Theodor Meyer (*1.7.1882 †8.3.1972), Schrieb1908 bei Ludwig Prandtl seine Doktorarbeit mit dem
Titel „Über zweidimensionale Bewegungsvorgänge in einem Gas, das mit Überschallgeschwindigkeit
strömen“. War später Gymnasiallehrer am Johanneum in Lüneburg, wo er Mathematik und Physik
unterrichtete.
3.11 Kompressible Gasströmungen 149
Verzögerung
über den Stoß
schräger Expansionsfächer
Verdichtungsstoß
beschleunigte Strömung
supersonische Schaufelprofil
Anströmung
reibungsfreie reibungsfreie
Außenströmung Stoß Außenströmung
Ma > 1 Ma < 1
Linie Ma = 1 = const
Geschwindigkeitsverteilung
innerhalb der Grenzschicht
(Reibungsschicht)
umströmter
Körper
Abb. 3.21 Prinzipskizze zur Stoß-Grenzschicht-Wechselwirkung eines senkrechten Stoßes mit der
Wandgrenzschicht eines umströmten Körpers
größer ist, je größer die Geschwindigkeitsabnahme ausfällt, die mit ihm verbunden ist. In
der Aerodynamik wird deswegen versucht, supersonisch um- oder durchströmte Körper
geometrisch so zu gestalten, dass sie – der jeweiligen strömungsmechanischen Aufgabe
angepasst – Geschwindigkeitsänderungen hervorrufen, die möglichst gering sind.
Ein weiterer Nachteil von Stößen ist, dass hinter ihnen die Grenzschicht ganz erheblich
aufdickt (Abb. 3.21), was wiederum mit Totaldruckverlusten verbunden ist. Die aufge-
dickte Grenzschicht wirkt „strömungsbehindernd“ wie ein dickeres Profil. Durch das
Anwachsen der Grenzschicht in Strömungsrichtung wird die Außenströmung vom Kör-
per weggedrängt. In die Grenzschicht selbst kann der Stoß nur bis zu der Grenzlinie
Ma = 1 eindringen, Abb. 3.21. Unterhalb dieser Linie ist die Geschwindigkeit innerhalb
der Grenzschicht immer im Unterschall. Je nach der Stärke des Stoßes kommt es entweder
nur zu einer lokalen Verdickung der Grenzschicht, so wie es Abb. 3.21 zeigt, oder zu einer
lokal begrenzten Ablösung der Strömung von der Körperkontur, nach der sich die Strö-
150 3 Was man weiß – was man wissen sollte
se
Dü
A
Die Strömungskanäle
zwischen Turbinen-
schaufeln haben die
Querschnitt
Form einer Düse
engster
Ma = 1 Düsenaustrittsfläche A
Ma < 1 Ma > 1
subsonischer supersonischer
konvergenter Teil divergenter Teil
Abb. 3.22 Formen von Düsen, wie sie im Bereich der Strahltriebwerke typisch sind; oben
rein konvergente Düsen, die Kreise zwischen den Turbinenschaufeln dienen nur der optischen
Verdeutlichung des Düsenquerschnitts, unten konvergent/divergente Düse (Lavaldüse)
mung dann an den Körper wieder anlegt (Ablöseblase), oder aber auch zu einer bleibenden
Ablösung größeren Ausmaßes.
Hochleistungsverdichter und -turbinen kommen heute ohne transsonische Strömungs-
zustände nicht mehr aus. Damit verbunden sind aber immer auch Verdichtungsstöße
und entsprechende Wechselwirkungen mit den Grenzschichten. Diese Stöße selbst und
die Stoß-Grenzschicht-Wechselwirkungen sind stets verantwortlich für unvermeidba-
re Strömungsverluste. Durch aerodynamisch klug gestaltete Schaufelgeometrien wird
es aber möglich, die Verluste so gering zu halten, dass die Leistungsverbesserungen
in Verdichtern und Turbinen infolge der transsonischen Strömungszustände (hohes
Geschwindigkeitsniveau) dominieren.
Düsen und Diffusoren spielen eine wichtige Rolle bei der gezielten Beeinflussung der subso-
nischen, sonischen und supersonischen Geschwindigkeiten in Triebwerken. So sind z. B.
Turbinenströmungen direkt mit den Strömungen durch Düsen vergleichbar (Abb. 3.22
oben rechts), während Verdichterströmungen direkt mit den Strömungen durch Diffuso-
3.12 Düsen und Diffusoren 151
ren vergleichbar sind. Ebenso wird sowohl die Strömung durch einen Triebwerkseinlauf als
auch die Strömung vor einer Brennkammer durch kontrollierten Einsatz von Diffusoren
gezielt beeinflusst.
Eine Düse ist eine strömungsmechanische Komponente, die die Geschwindigkeit in
einer Strömung erhöht und deren statischen Druck herabsetzt. Dass es in einer Düse
überhaupt zu einer Strömung kommt, verlangt, dass am Ein- und Austritt der Düse ein
Druckunterschied vorliegen muss, und zwar so, dass der Düsenaustrittsdruck geringer
als deren Eintrittsdruck ist, was als Düsendruckgefälle bezeichnet wird. Im subsonischen
Geschwindigkeitsbereich wird dabei der durchströmte Querschnitt in Strömungsrichtung
kleiner, was dann als rein konvergente Düse bezeichnet wird, Abb. 3.22 oben. Die Bernoul-
ligleichung (3.4) zeigt, dass für pt = const (reibungsfreie Strömung) in einer solchen Düse
der statische Druck p mit steigender Geschwindigkeit c kleiner werden muss, wenn die
Dichte ρ dabei ebenfalls als konstant angesehen wird21 . In einer rein konvergenten Düse
mit fester, unveränderlicher Geometrie kann man durch ein entsprechendes Druckgefälle
in der Düsenaustrittsfläche jede Geschwindigkeit im Bereich 0 < c ≤ a erreichen, wenn a
die Schallgeschwindigkeit ist. Das bedeutet, dass eine Strömung der Geschwindigkeit c in
einer rein konvergenten Düse nur solange beschleunigt werden kann, bis in der Düsen-
austrittsfläche A (kleinster oder engster Querschnitt) gerade die Schallgeschwindigkeit a
bzw. der sonische Strömungszustand Ma = c/a = 1 vorliegt. Eine höhere Geschwindigkeit
c ist strömungsmechanisch hier nicht mehr möglich, man sagt deswegen, dass die Düse
sperrt. Die sog. Kontinuitätsgleichung der Strömungsmechanik:
ṁ = ρ · c · A = ρ · V̇ (3.26)
zeigt parallel, dass für eine gegebene Dichte ρ bei fixierter Düsenaustrittsfläche A der Mas-
senstrom ṁ somit auch nicht weiter gesteigert werden kann. Der engste Querschnitt A und
die Schallgeschwindigkeit c = a begrenzen also den Massendurchsatz durch eine Düse. Das
mathematische Produkt dieser beiden Größen nennt man den Volumenstrom V̇ = c · A
einer Strömung. Im supersonischen Strömungsbereich (Ma > 1) nimmt die Dichte ρ
stärker ab22 als die Geschwindigkeit c ansteigt. So kommt es, dass bei gegebenem Mas-
senstrom ṁ große Volumenströme V̇ bzw. große Strömungsquerschnitte A erforderlich
21
In sog. inkompressiblen Strömungen, die im unteren subsonischen Bereich vorliegen, ist die
Dichte ρ praktisch konstant und die hier getroffene Aussage vollkommen korrekt. Mit steigen-
der Geschwindigkeit (mittlerer und oberer subsonischer sowie der gesamte supersonische Bereich)
verändert sich zwar dann auch die Dichte ρ einer Strömung signifikant (man spricht jetzt von kom-
pressiblen Strömungen) aber dennoch bleibt die hier beschriebene Strömungseigenschaft erhalten,
nämlich, dass der statische Druck mit steigender Geschwindigkeit kleiner wird. In kompressiblen
Strömungen wird die Dichte ρ – ebenso wie der statische Druck p – mit steigender Geschwindigkeit
c kleiner, mit der besonderen Eigenschaft, dass die Dichte im supersonischen Geschwindigkeitsbe-
reich schneller kleiner wird als die Geschwindigkeit ansteigt. Eine Eigenschaft, die speziell bei den
Düsen und Diffusoren noch einmal zu diskutieren sein wird.
22
Die Dichte ρ ist Masse m pro Volumen V : ρ = m/V. Nimmt also für m = const ρ stark ab, so muss
V umgekehrt proportional dazu größer werden.
152 3 Was man weiß – was man wissen sollte
subsonischer
Diffusor
r
so
Verdichter
ffu
Di
Brennkammer
Die Strömungskanäle
zwischen Verdichter-
Normal- Prall- schaufeln haben die
Diffusor Diffusor Form ines Diffusors
supersonischer subsonischer
konvergenter Teil divergenter Teil
subsonischer
Diffusor
Ma > 1 Ma < 1
Abb. 3.23 Formen von Diffusoren, wie sie im Bereich der Strahltriebwerke typisch sind; oben links
rein divergenter subsonischer Diffusor zwischen Verdichter und Brennkammer, oben rechts Verdich-
terbeschaufelung, die Kreise zwischen den Verdichterschaufeln dienen der optischen Verdeutlichung
des Diffusorquerschnitts, unten links Triebwerkseinlauf als subsonischer Diffusors, unten rechts
Triebwerkseinlauf für den Überschallflug als konvergent/divergenter Diffusor
23
Carl Gustav Patrik de Laval, schwedischer Ingenieur (*1845 †1913), baute eine Dampfturbine mit
einer Beschaufelung, deren hintere Konturen die Form von konvergent/divergenten Düsen hatten,
umso hohe Abströmgeschwindigkeiten erreichen zu können.
3.12 Düsen und Diffusoren 153
Abb. 3.24 Von den Seitenwänden abgelöste Strömung bei Unterschalldiffusoren mit zu großem
Erweiterungswinkel, nach Albring (1987)
die Bernoulligleichung (3.4), dass für pt = const in einem Diffusor der statische Druck p mit
abnehmender Geschwindigkeit c größer wird. In vereinfachender Weise kann man sagen,
dass ein Diffusor stets die Umkehrung einer Düse ist. Im subsonischen Strömungsbereich
hat ein Diffusor damit in Strömungsrichtung sich erweiternde Querschnitte, während er
im supersonischen Bereich sich verengende Querschnitte hat, d. h., ein Überschalldiffusor
sieht wie eine subsonische Düse aus, Abb. 3.23 unten rechts.
Die geometrische Gestaltung eines Diffusors verlangt ein gehobenes Maß an Sorgfalt, da
die Strömung gegen steigenden statischen Druck anströmen muss, was für eine Strömung
mehr oder weniger „unnatürlich“ ist, da sie es bevorzugt, von Gebieten höheren Drucks zu
Gebieten niedrigeren Drucks zu strömen. Nur mit ausreichender kinetischer Energie c 2 /2
gelingt es, die Strömung in Gebiete höheren Drucks „zu zwingen“, deswegen nimmt auch
in Diffusoren die Geschwindigkeit c ab, d. h., die Strömung verbraucht einen Teil ihrer
kinetischen Energie, um in Gebiete höheren Drucks zu gelangen. In den „träger strömen-
den“ Seitenwandgrenzschichten, wo die Strömung in Richtung zur Seitenwand hin auf null
„abgebremst“ wird, ist die kinetische Energie deutlich geringer als in der reibungsfreien
Außenströmung. Diese geringere kinetische Energie veranlasst die Grenzschichten sehr
schnell von der Wand abzulösen, wenn der Druckanstieg, gegen den sie anströmen muss,
zu groß ausfällt, Abb. 3.24 links. Starke Druckanstiege entstehen in Diffusoren immer
dann, wenn der Erweiterungswinkel der Seitenwände zu groß ist. Gut gestaltete Diffuso-
ren haben Neigungswinkel, die 4◦ praktisch nicht überschreiten, sodass Diffusoren – will
man mit ihnen eine ganz bestimmte vorgegebene Verzögerung erreichen – häufig sehr
lang ausfallen müssen. Und gerade lange Bauteile sind es, die man in Triebwerken nicht
so gerne hat, da dies immer zu insgesamt schwereren Bauteilen führt. Der Druckanstieg
bzw. die Verzögerung kann in einem Diffusor also immer nur gering ausfallen, will man
Strömungsablösungen und damit Wirkungsgradeinbußen verhindern. Bei starken Strö-
mungsablösungen kann sogar die Diffusorwirkungen vollkommen aufgehoben werden,
Abb. 3.24 rechts. In Verdichterbeschaufelungen (Abb. 3.23 oben rechts) ist z. B. auf Grund
solcher Grenzschichtgegebenheiten das maximal mögliche Verzögerungsverhältnis zwi-
schen den Schaufeln, die ja eine Diffusorpassage bilden, Abb. 3.23 oben rechts, auf einen
Zahlenwert von etwa cAUS /cEIN ≈ 0.7 begrenzt. Stärkere Verzögerungen sind nicht möglich.
154 3 Was man weiß – was man wissen sollte
Ma > 1
Ma < 1
Abb. 3.25 Triebwerkseinlauf als Überschalldiffusor, der nach dem Prinzip der umgekehrten
Lavaldüse arbeitet. Adaptiert von Hünecke (1997)
Im Flugfall soll der Verdichter eines Triebwerks mit einer Geschwindigkeit angeströmt
werden, die etwa nur der Hälfte der Fluggeschwindigkeit entspricht. Die dazu notwendige
Geschwindigkeitsreduzierung erfolgt in der sog. Fangstromröhre vor dem Triebwerk und
in dessen Einlauf, der von seinen Strömungsquerschnitten her wie ein Diffusor gestaltet
ist, Abb. 3.23 unten links.
Bei den supersonischen Teilen von Düsen ist bereits der Zusammenhang zwischen dem
Dichte- und dem Geschwindigkeitsanstieg erläutert worden, der auch – aber nun umge-
kehrt – für den Überschallteil von Diffusoren zutreffend ist. In supersonischen Diffusoren
geht die Dichte schneller zurück als die Geschwindigkeit abnimmt, mit der Folge, dass
ein Überschalldiffusor prinzipiell die Form einer umgekehrten Lavaldüse hat, Abb. 3.23
unten rechts. Mit einem Überschalldiffusor, der nach dem Prinzip der umgekehrten La-
valdüse arbeitet, ist es real nicht möglich, die Strömung bis zur Schallgeschwindigkeit und
weiter hinunter bis in den Unterschall hinein zu verzögern (verdichten). Auf Grund von
kombinierten Stoß- und Grenzschichteffekten ist die Strömung in einem solchen Diffusor
sehr instabil, erzeugt komplexe Gebilde von Verdichtungsstößen, die zu starken Grenz-
schichtablösungen führen, was schließlich in erheblichen Strömungsverlusten bzw. sehr
schlechten Wirkungsgraden resultiert, Abb. 3.25 Deswegen sind praktisch solche Über-
schalleinläufe, wie sie Abb. 3.23 unten rechts oder Abb. 3.25 zeigen, an real ausgeführten
Flugtriebwerken nicht zu finden.
Vorrangige Aufgabe eines Strahltriebwerks, so wie es Abb. 3.26 zeigt, ist es, den für den
Flug erforderlichen Vortrieb zu liefern. Bei einem Flug in konstanter atmosphärischer
Höhe mit konstanter Fluggeschwindigkeit (stationärer Reiseflug) entspricht der Schub
3.13 Wie und wo entsteht der Schub? 155
Schubumkehrer Lärmdämmung
Fan
(Lauf- und Leitrad)
Pylon
Schub-
düse
Einlauf
Niederdruck-
Hochdruck- turbine
turbine
Lärmdämmung Niederdruck- Hochdruck- Brennkammer
verdichter verdichter
Abb. 3.26 Aufbau eines modernen Turbofantriebwerks mit Kennzeichnung wesentlicher Haupt-
komponenten. Basisbild mit freundlicher Genehmigung von IAE International Aero Engines
aller Triebwerke zusammen gerade dem Flugzeugwiderstand. In Kap. 1.1 war erläutert
worden, dass der Schub die Folge einer Impulsänderung zwischen Triebwerksaustritt und
Triebwerkseintritt ist. In einer anderen, aber gleichwertigen Art der Betrachtung kann
der Schub auch als resultierende Kraft aus der Summe zahlreicher Einzelkräfte innerhalb
eines Triebwerks angesehen werden. Abbildung 3.27 zeigt dies am Beispiel eines einfachen
Turbojettriebwerks. Die Summe aller internen Kräfte innerhalb des Triebwerks ist nicht
gleich null, d. h., die internen Kräfte stehen nicht im Gleichgewicht untereinander, es
verbleibt eine nach vorne gerichtete Kraftkomponente, die schließlich der Triebwerksschub
ist und als äußere Kraft bezeichnet wird. Für jede Triebwerkskomponente in Abb. 3.27
kann die zugehörige axiale Kraftkomponente Fx mittels der folgenden Formel berechnet
werden:
Hierin ist ṁ der Luftmassenstrom, der durch das Triebwerk strömt. Durch p wird der
statische Druck, durch c die Geschwindigkeit und durch A die durchströmte Fläche am
Ein- und Austritt einer Triebwerkskomponente gekennzeichnet. Der Umgebungsdruck ist
p0 . Exakte Klarheit über die mathematisch physikalische Herkunft dieser Gleichung wird
in Kap. 5 vermittelt werden.
Zu Beginn von Kap. 1 war erläutert worden, dass beim axialen Durchströmen ei-
nes Bauteils, in dem die Strömung beschleunigt wird (cAUS < cEIN ), eine axiale, vorwärts
gerichtete Kraft infolge der daraus resultierenden zeitlichen Impulsänderung entsteht,
ṁ · (cAUS − cEIN ). Diese Aussage ist dadurch zu vervollständigen, dass entsprechend
156 3 Was man weiß – was man wissen sollte
Abb. 3.27 Verteilung der axial gerichteten internen Komponentenkräfte innerhalb eines einfachen
Turbojettriebwerks ohne Einlauf (ähnlich: Rolls-Royce Avon) im Bodenstandfall
Gl. (3.27) zusätzlich auch eine statische Druckänderung und/oder eine Querschnittsflä-
chenänderung zwischen dem Aus- und Eintritt eines Bauteils eine weitere Axialkraft
(Druckkraft) erzeugen kann. Eine vorwärts gerichtete Kraft kann innerhalb eines Trieb-
werks entstehen, wenn entweder der Impuls m · c und/oder der statische Druck p und/oder
die Querschnittsfläche A beim Durchströmen einer Triebwerkskomponente zunehmen.
Für den Verdichter gilt:
Das Resultat dieser Gegebenheiten ist eine vorwärts gerichtete Kraft im Verdichter.
Der dominante Term hinsichtlich der Kraftentwicklung im Verdichter ist die stati-
sche Druckänderung zwischen Ein- und Austritt. Für den anschließenden Diffusor
vor der Brennkammer, der die Strömung verzögert und dabei – entsprechend der
Bernoulligleichung – den statischen Druck anhebt, gilt:
Das Resultat dieser Gegebenheiten ist eine vorwärts gerichtete Kraft im Diffusor. Durch die
Wärmezufuhr in der Brennkammer und der daraus resultierenden Volumenzunahme des
sie durchströmenden Gases kommt es bei nur wenig verändertem Strömungsquerschnitt
zu einer Strömungsbeschleunigung, die den Impuls am Brennkammeraustritt anhebt und
3.13 Wie und wo entsteht der Schub? 157
Eine entsprechende vorwärts gerichtete Kraft ist das Resultat. In der anschließenden
Turbine, die der Strömung Energie entzieht, nimmt das statische Druckniveau beim
Durchströmen ab, während der statische Druck abnimmt und die durchströmte Quer-
schnittsfläche zunimmt, sodass dies insgesamt zu einer entsprechend großen rückwärts
gerichteten Kraft führt:
Der dominante Term hinsichtlich der Kraftentwicklung in der Turbine ist die statische
Druckänderung zwischen Ein- und Austritt. Das Übergangsstück im Anschluss an die
Turbine dient dem Übergang von einem durchströmten Kreisringquerschnitt auf einen
Kreisquerschnitt. Der durchströmte Querschnitt am Austritt des Übergangsstückes ist grö-
ßer als der am Eintritt, sodass sich bei nur wenig verändertem statischem Druck dennoch
eine vorwärts gerichtete Kraft ergibt:
Der dominante Term hinsichtlich der Kraftentwicklung im Übergangsstück ist die Flä-
chenänderung zwischen Ein- und Austritt. In der abschließenden Schubdüse nimmt der
Impuls durch die Strömungsbeschleunigung zu und der statische Druck ab, wobei letzterer
am Düsenaustritt etwa wieder Umgebungsdruck erreicht. Insgesamt – und das ist bemer-
kenswert – ergibt sich bei der Düsendurchströmung eine rückwärts gerichtete, also eine
dem Schub entgegengesetzt gerichtete Kraft:
Die dominanten Terme hinsichtlich der Kraftentwicklung in der Schubdüse sind die
Druck- und Flächenänderungen zwischen Ein- und Austritt. Die Summe aller vorwärts
und rückwärts gerichteten Einzelkräfte der Triebwerkskomponenten ist der vorwärts ge-
richtete Triebwerksschub. Die Summe aller internen Axialkräfte ist also gleich dem Schub,
der als äußere Kraft (Fx )ext = F bezeichnet wird:
(Fx )int = (Fx )ext = F (3.28)
Aus der Darstellung in Abb. 3.27 darf nun aber nicht geschlossen werden, dass das Ent-
fernen der Schubdüse, die ja eine rückwärts gerichtete Kraft erzeugt, den Vorwärtsschub
158 3 Was man weiß – was man wissen sollte
insgesamt steigern würde. Für das in Abb. 3.27 grafisch dargestellte Zahlenbeispiel würde
das Weglassen der Schubdüse den Gesamtschub des Triebwerks auf ca. 6 000 N redu-
zieren, was dadurch entsteht, dass nun der Druckabbau auf den Umgebungsdruck im
Übergangsstück stattfinden würde. Eine entsprechend große rückwärts gerichtete Kraft im
Übergangsstück wäre das Resultat, die so schließlich den Gesamtschub signifikant min-
dern würde. Eine Schubdüse liefert separat für sich also – ganz im Gegenteil zu den
allgemeinen verbreiteten Vorstellungen – negativen Schub, sodass ihr Zweck offensicht-
lich nicht die Schubproduktion sein kann, sondern vielmehr die Aufrechterhaltung des
Druckniveaus innerhalb des Triebwerks, was die Düse über ihren Querschnitt und damit
durch eine Begrenzung des Massendurchsatzes realisiert. Die Schubdüse ist als eine Art
Regelorgan aufzufassen, das dem Auslassventil bei einem Kolbenmotor ähnlich ist. Nur
dass bei Triebwerken die Schubdüse stets geöffnet ist, währen das Ventil des Kolbenmotors
abwechseln mal ganz zu und mal ganz offen ist.
Beschränkt man die Betrachtung nur auf die äußere Kraft (Fx )ext = F, so ergibt sich für
den Schub F die folgende Gleichung:
Exakte Klarheit über die mathematisch physikalische Herkunft dieser Gleichung kann erst
mit der tieferen Kenntnis des Kap. 5 vermittelt werden. Die Indizes AUS und EIN bezie-
hen sich in Gl. (3.29) auf den Aus- und Eintritt des gesamten Triebwerks. Der dominante
Term in Gl. (3.29) ist der Ausdruck ṁ · (cAUS − cEIN ). Viel Schub bedeutet bei dieser Art
der Betrachtung also einen hohen Austrittsimpuls aus dem Triebwerk, der schließlich nur
durch große Werte für cAUS erreicht werden kann. Hierzu ist die Existenz einer Schub-
düse unabdingbare Voraussetzung. Bei Betrachtung der inneren Kräfte eines Triebwerks,
erzeugt also eine Schubdüse keine in Schubrichtung gerichtete Kraft, erst wenn man das
Triebwerk „von außen“ betrachtet, erschließt sich der Sinn einer Schubdüse hinsichtlich
der Krafterzeugung. Schub wird also durch reine Impulswirkung erzeugt.
Während Luft durch ein Triebwerk strömt, verändert sie dessen Energieformen, d. h.
Geschwindigkeit, Temperatur, Druck und Volumen (Dichte), Abb. 3.28. Dieses führt
in Abhängigkeit des jeweils durchströmten Querschnitts zu Impulsänderungen, die ih-
rerseits die Schubentwicklung des Triebwerks bestimmen. Geschwindigkeitsänderungen
innerhalb eines Triebwerks werden durch die gezielte Verwendung von Diffusoren und
Düsen erreicht.
In der Fangstromröhre und im Einlauf wird durch den diffusorartigen Strömungska-
nal das Geschwindigkeitsniveau gegenüber der Fluggeschwindigkeit deutlich verringert,
3.14 Änderungen von Geschwindigkeit, Druck und Temperatur innerhalb eines Triebwerks 159
Diffusor Brennkammer
Turbine
Außenströmung
Einlauf
Düse
Innenströmung
pt Verdichter Über-
[Pa] Tt [K]
gangs-
10⋅105 c stück 1100
[m/s]
8⋅10 5
800 900
Tt
700
6⋅105 600
500
4⋅105 400 Tt 300
c pt
T0
2⋅105
200 c
pt
p0 p0
Abb. 3.28 Verlauf des Totaldruckes, der Totaltemperatur und der Absolutgeschwindigkeit durch
ein einfaches Turbojettriebwerk, das mit Ma0 = 0.8 in H0 = 11 km Höhe fliegt
sodass die Zuströmgeschwindigkeit zum Verdichter nur noch etwa die Hälfte der Flugge-
schwindigkeit ist. Der Totaldruck pt und die Totaltemperatur Tt können nach den Gln.
(3.4) und (3.10) bestimmt werden, wenn p = p0 und T = T0 der Druck und die Temperatur
des Umgebungszustandes sind. Bis zum Verdichtereintritt bleibt das Totaltemperaturni-
veau konstant, da in diesem Bereich der Strömung weder Wärme noch Arbeit zugeführt
wird. Temperaturänderungen infolge Dissipation können hier gut vernachlässigt werden,
da die großen und schnell strömenden Haupt-Luft-Massenströme, die in das Triebwerk
einfließen, kaum von den Wandtemperaturen, der im Vergleich dazu kleinen Tempe-
raturgrenzschichten, beeinflusst werden. Die Zustandsänderung ist eine Isotherme mit
Totaldruckabfall.
Über den Verdichter, der von der Turbine angetrieben wird, wird der Strömung Energie
(Arbeit, Leistung) zugeführt, sodass Totaldruck und Totaltemperatur ansteigen. Bei gut
ausgelegten Verdichtern soll das mittlere Geschwindigkeitsniveau c in etwa konstant blei-
ben und es soll möglichst wenig statischer Druck p in spezifische kinetische Energie c 2 /2
gewandelt werden. Im Kapitel über die Diffusoren war erläutert worden, dass Verdichter-
beschaufelungen kleine Diffusoren sind, die die Strömung verzögern. Demzufolge könnte
man vermuten, dass beim Durchströmen eines Verdichters das Geschwindigkeitsniveau
abgesenkt wird. Das ist so aber nicht zutreffend. Ein Verdichter (wie auch eine Turbine)
besteht aus rotierenden und stehenden Beschaufelungen. Die rotierenden Teile nennt man
Rotoren oder Laufräder und die stehenden Teile nennt man Statoren oder Leiträder. Die
160 3 Was man weiß – was man wissen sollte
Rotor Stator
v2
u2
c2
c3
feststehend
nicht rotierend
v1 u1
Drehrichtung Dreh- oder Bahngeschwindigkeit
des Rotors des Rotors
c1
Abb. 3.29 Genereller Aufbau einer sog. Verdichterstufe, bei deren Durchströmen sich das
Geschwindigkeitsniveau insgesamt nicht verändert: c1 = c3
Kombination aus Rotor und Stator wird als Stufe bezeichnet. In Triebwerken bestehen
Verdichter und Turbinen immer aus einer Vielzahl solcher Stufen. Das Zusammenwirken
dieser Beschaufelungen führt aber dazu, dass nach dem Durchströmen einer rotierenden
und einer stehenden Schaufelreihe die Geschwindigkeit c nahezu unverändert bleibt. In
Abb. 3.29 ist dies durch die Darstellung c1 ≈ c 3 (nach Betrag und Richtung) zu er-
kennen, obwohl in jeder einzelnen Schaufelreihe das Geschwindigkeitsniveau – wie bei
Diffusoren üblich – abgesenkt wird: v2 < v1 und c3 < c2 . Im später folgenden Kapitel über
die thermischen Turbomaschinen wird auf diese Eigenschaften noch einmal sehr ausführ-
lich eingegangen werden. An dieser Stelle würden weitere Erläuterungen zu diesem Thema
zu weit gehen.
Zwischen Verdichteraustritt und Brennkammereintritt befindet sich ein Diffusor, der
die Aufgabe hat, die Zuströmung zur Brennkammer auf ein niedriges Geschwindig-
keitsniveau zu bringen, sodass in der Brennkammer die Luft und der Brennstoff sich
gut vermischen können und die Flamme nicht aus der Brennkammer heraus getra-
gen oder gar ausgeblasen wird. Die Wärmezufuhr durch die Verbrennung hebt das
Totaltemperaturniveau im Bereich der Flammenentstehung sehr deutlich an. Im hinte-
ren Brennkammerbereich wird durch seitliche Bohrungen in der Brennkammerwandung
kühlere vom Verdichter kommende Luft zugemischt und so die gewünschte Turbinen-
eintrittstemperatur erreicht. Auf Grund der Erwärmung des Gases in der Brennkammer
nimmt dessen Volumen zu, d. h., es dehnt sich aus. Diese Ausdehnung kann nicht zur Seite
hin erfolgen, da hier die Brennkammerwandungen sind, und auch nicht nach vorne, da
hier der hohe Verdichterdruck das verhindert. Demzufolge dehnt sich das Gas in Richtung
zur Turbine hin aus, da hier – in Richtung auf die Düse – der Druck insgesamt abgebaut
wird. Die Volumenausdehnung des Gases in der Brennkammer führt damit zu einer Zu-
nahme der Geschwindigkeit. Neben Reibungsverlusten gibt es auch noch sog. thermische
3.14 Änderungen von Geschwindigkeit, Druck und Temperatur innerhalb eines Triebwerks 161
Auto-Pilot A/P
Flughöhe Vertikal-
EFIS No. 1 and 2
geschwin-
digkeit Electronic Flight Instrument System Auto-Throttle A/THR
FCU
Flight Co-Pilot
Control Unit First Officer
Abb. 3.30 Das sog. Glareshield (Panel unterhalb der Frontscheiben im Pilotensichtfeld) des Flight-
Decks des Airbus A320 zur Herausstellung des Unterschiedes zwischen Auto-Throttle und Auto-Pilot
Totaldruckverluste, die entstehen, wenn ein Gas beheizt wird, sodass insgesamt in der
Brennkammer ein leichter Totaldruckabbau zu verzeichnen ist.
In der an die Brennkammer anschließenden Turbine wird dem Gas ein wesentlicher
Teil seiner Energie entzogen. Das energiereiche Heißgas treibt die Turbine an, ähnlich
wie es bei einem Windrad der Fall ist. Das Gas gibt dabei etwa 2/3 seiner Energie an die
Turbine ab, die diese Energie über die Welle für den Antrieb des Verdichters weiterlei-
tet. Demzufolge nehmen über der Turbine der Totaldruck und die Totaltemperatur in
der Strömung ab. Ähnlich wie es beim Verdichter beschrieben wurde, soll das mittlere
Geschwindigkeitsniveau beim Durchströmen der Turbine unverändert bleiben.
Das an die Turbine anschließende Übergangsstück hat die Aufgabe, die Strömung von
einem Ringquerschnitt am Turbinenaustritt möglichst verlustarm auf einen Kreisquer-
schnitt am Eintritt der Düse zu überführen. Dazu ist im hinteren Triebwerksbereich
ein zentraler Nabenkörper (Heckkonus) angeordnet. Die Querschnittsveränderungen
entsprechen einem Unterschalldiffusor, sodass das Geschwindigkeitsniveau im Über-
gangsstück abgesenkt wird. In der anschließenden Schubdüse beschleunigt das Gas dann
wieder auf die gewünschte Triebwerksaustrittsgeschwindigkeit. Zwischen Turbinen- und
Düsenaustritt bleibt die Totaltemperatur unverändert, da in diesem Bereich weder Wärme
noch Arbeit zu- oder abgeführt wird. Infolge Reibung kommt es aber zu einer Total-
druckverringerung. Eine Zustandsänderung, die ähnlich abläuft, wie im Einlauf, d. h. eine
Isotherme mit Totaldruckverlust.
162 3 Was man weiß – was man wissen sollte
Der primär bestimmende Faktor für den Triebwerksschub ist in vielen Fällen der Bedarf
an Startschub für eine gegebene Flugzeugkonfiguration auf einer vorgegebenen Startbahn.
Überschlägig gesehen beträgt der Gesamtschub eines Flugzeuges (alle Triebwerke zusam-
men) etwa 25 bis 33 % des maximalen Bruttostartgewichts (MTOGW = Maximum Take-off
Gross Weight) eines Flugzeuges. Die Startbahnlänge, für die ein Flugzeug gedacht ist, ist
dabei ebenso ein bestimmender Faktor für den Triebwerksschub wie die Anzahl der Trieb-
werke, die für ein Flugzeug vorgesehen sind. Je kürzer die Startbahn ist und je weniger
Triebwerke das Flugzeug hat, umso höher wird der erforderliche Schub pro Triebwerk
ausfallen. Die Zulassungsbehörden für Flugzeuge verlangen, dass Flugzeuge den Start
kontrolliert fortsetzen und alle in einem definierten Sektor befindlichen Hindernisse si-
cher überfliegen können müssen, falls nach Überschreiten einer für jeden einzelnen Start
individuell zu bestimmenden Geschwindigkeit v1 (take-off decision speed) ein Triebwerk
ausfällt. Dies bedeutet schließlich, dass zweimotorige Flugzeuge notfalls in der Lage sein
müssen, mit einem Triebwerk zu starten und analog dazu dreimotorige mit zwei und
viermotorige mit drei Triebwerken. Die take-off decision speed v 1 wird dabei durch zwei
wesentliche Bedingungen fixiert:
• die verbleibende Restdistanz auf der Startbahn reicht nicht mehr aus, um unter
normalen, klar definierten Bedingungen anzuhalten
• der durch den Startvorgang erzielte Staudruck reicht aus, um durch vollen Seitenruder-
ausschlag ein ausreichend großes Giermoment (Moment um die Flugzeughochachse)
derart zu erzeugen24 , dass der Triebwerksausfall am Flugzeug kräftemäßig ausgegli-
chen und so die ursprüngliche Bewegungsrichtung am Boden bzw. schon in der Luft
beibehalten werden kann25 .
Zweimotorig Flugzeuge sind gewöhnlich für kürzere Flugstrecken und kürzere Startbahnen
(kleinere Flughäfen) konzipiert, sodass das Verhältnis von Schub zu Bruttostartgewicht
hier größer ausfällt als bei viermotorigen Flugzeugen.
Der Betrag an Triebwerksschub kann zusätzlich auch durch weitergehende Überlegun-
gen zum Reise- und/oder Steigflug beeinflusst werden, da die maximale Reiseflughöhe,
die Reisefluggeschwindigkeit und auch die Steigflugzeit signifikanten Einfluss auf die
Schubanforderungen eines Triebwerks haben können. Speziell bei Zweistromtriebwer-
ken mit sehr hohem Bypassverhältnis können die letzteren Überlegungen mehr Ein-
24
Das heißt, die take-off decision speed v 1 muss größer oder gleich der sog. minimum control speed
v MC sein, v1 ≥ vMC .
25
Es wird dabei zwischen einer minimum control speed on ground v MCG und einer minimum control
speed on air v MCA unterschieden, da die Wirkung des Bugrades am Boden bei diesen Vorgängen
auch eine gewisse Rolle mitspielt.
3.15 Wie viel Schub braucht ein Triebwerk? 163
fluss auf den erforderlichen Triebwerksschub haben als die weiter oben beschriebenen
Startgegebenheiten.
Im stationären, horizontalen Reiseflug, d. h. bei gleichmäßiger Fluggeschwindigkeit
ohne Beschleunigungen, ist der Schub aller Triebwerke zusammen immer gleich dem aero-
dynamischen Widerstand der gesamten Flugzeugkonfiguration. Zusätzliche Flugmanöver,
wie z. B. ein Kurvenflug, verlangen ein Mehr an Schub.
Abgesehen vom Airbus A380 gibt es für den Piloten bis dato kein Anzeigeinstrument26 ,
das ihm den Schub direkt als Kraft anzeigt, da bisher die Schubmessung – alleine schon vom
messtechnischen Aufwand her – während des Fluges nicht praktikabel war. Statt der Schub-
kraft selbst werden leichter zu messende Triebwerksgrößen, die direkt proportional zum
Schub sind, ermittelt und aus diesen Messgrößen dann auf den Schub zurück geschlossen.
Bei zivilen Triebwerken sind diesbezüglich häufig verwendete Messgrößen das so genann-
te Triebwerksdruckverhältnis EPR (Engine Pressure Ratio) oder die N1-Drehzahl, d. h.
die Drehzahl der Welle in Prozent, auf der sich der Fan, der Niederdruckverdichter und
die Niederdruckturbine befinden. Beim EPR werden die Totaldrücke (siehe hierzu Kap.
3.3), die man hinter der Turbine und vor dem Verdichter bzw. Fan misst, ins Verhältnis
zueinander gesetzt. Das EPR wird bevorzugt von Pratt & Whitney, Rolls-Royce und IAE
International Aero Engines (V2500) als Hauptleistungsanzeige für Triebwerke benutzt,
während General Electric und CFM-International die N1-Drehzahlanzeige in Prozent be-
vorzugen. Speziell auf die Aspekte der Leistungsanzeige der Triebwerke im Cockpit wird
im Kap. 5.6.1 noch einmal ausführlicher eingegangen werden.
Das Triebwerksdruckverhältnis EPR stellt aus regelungstechnischer Sicht die bessere
Lösung zur Leistungsanzeige dar, da EPR und Schub direkt proportional zueinander sind,
d. h., dass z. B. eine einprozentige Variation im Triebwerksdruckverhältnis EPR auch einer
einprozentigen Schubänderung gleich kommt. Dagegen kann eine einprozentige Dreh-
zahländerung der N1-Welle – speziell im oberen Leistungsbereich der Triebwerke – eine
Schubänderung von bis zu 4 % bedeuten.
Aus der Sicht eines Piloten stellt das Triebwerksdruckverhältnis EPR eine eher unan-
schauliche Größe dar, die nicht so gut zu interpretieren ist, wie die Triebwerksdrehzahl. Es
fällt einem Menschen auf Grund seiner allgemeinen Erfahrung im Umgang mit Maschinen
offensichtlich leichter, dem jeweiligen Schub eines Triebwerks eine Drehzahl zuzuordnen
als ein Druckverhältnis.
26
Im Airbus A380 gibt es im Cockpit erstmalig eine Anzeige für den Schub. Dieser Schub wird dann
vom Bordcomputer aus diversen Flugzeug- und Triebwerksdaten berechnet. Bei der Schubanzeige,
die ACUTE heißt (Airbus Cockpit Universal Thrust Emulator), wird der Schub in Prozent angezeigt,
d. h. als Verhältnis von aktuellem zu maximalem Schub, vgl. hierzu auch Kap. 5.6.2. Dies war eine
Forderung der IFALPA (International Federation of Air Line Pilots’ Associations) Arbeitsgruppe
ADO (Aircraft Design and Operations). Die N1-Drehzahl bzw. das Triebwerksdruckverhältnis EPR
und die Abgastemperatur EGT werden nur noch zur Information angezeigt.
164 3 Was man weiß – was man wissen sollte
Die Luftdichte der Umgebung ρ wird dabei als Konstante – bezogen auf die Höhe
H0 = 0 m – im Anzeigeinstrument verwendet, sodass weder Kompressibilitätseffekte noch
Dichteänderungen auf Grund von Höhenänderungen in der Anzeige der Indicated Air
Speed Berücksichtigung finden. Nur in Bodennähe und bei geringeren Geschwindigkeiten
ist cIAS demzufolge eine hinreichend genaue Größe. In großen Höhen und bei großen
Geschwindigkeiten treten Abweichungen zur wahren Geschwindigkeit (True Air Speed,
c TAS ) von bis zu 40 % auf. Wird die wahre Geschwindigkeit benötigt, so sind Korrekturen
27
Die automatische Gashebelverstellung (Auto Throttle) kann alternativ die Machzahl (MACH-
HOLD) oder die Geschwindigkeit (IAS-HOLD, IAS = Indicated Air Speed) regeln. Darüber hinaus
können damit auch Schubbegrenzungen (Thrust Limits) gesetzt werden, wie Startschub, Steigflug-
schub oder Reiseflugschub. Die automatische Gashebelverstellung ist nicht mit dem Autopiloten
zu verwechseln, der die Aufgabe hat, die laterale und vertikale Bahnführung des Flugzeuges zu
gewährleisten, Abb. 3.30.
28
Nautische Meile (nm, Nautical Mile). 1 nm = 1.852 km (6 076 ft). 1 km = 0.54 nm. Der Umfang der
Erde beträgt am Äquator 40 000 km = 21 600 nm. Die Erde ist aufgeteilt in 360 Längengrade und 180
Breitengrade. Teilt man den Umfang der Erde durch 360, kommt man auf 60 nm oder 111.111 km
Entfernung zwischen den einzelnen Längengraden (Bogengrad). Teilt man den Bogengrad durch 60,
erhält man die Bogenminute = 1.852 km oder 1 nm
3.17 Schub, Leistung und äquivalente Leistung 165
erforderlich, die den Piloten früher im Flughandbuch zur Verfügung standen. Über mo-
derne Air-Data Computer können in heutigen Verkehrsflugzeugen, wie z. B. dem Airbus
A320, praktisch alle erforderlichen Strömungsgrößen und Geschwindigkeiten berechnet
und dem Piloten auf seinen Kontrolldisplays jederzeit korrekt angezeigt werden.
Wie in jeder beliebigen Strömung, so müssen auch am Flugzeug nur die drei ver-
gleichsweise einfach zu messenden Strömungsgrößen statischer Druck p, Totaldruck pt
und Totaltemperatur Tt ermittelt werden. Aus den folgenden Gleichungen sind dann alle
anderen Strömungsgrößen zu berechnen, wenn der Isentropenexponent κ = 1,4 und die
spezifische Gaskonstante Ri = 287 Nm/(kg · K) bekannt sind:
κ−1
p κ
statische Temperatur T = Tt ·
pt
κ−1
2
2 Tt pt κ
Machzahl Ma = · −1 = · −1
κ −1 T κ −1 p
Geschwindigkeit c = Ma · κ · Ri · T
p
Dichte ρ=
Ri · T
Dieser Formalismus besagt, dass es zur vollständigen Beschreibung aller Strömungsgrö-
ßen an einem bestimmten Ort in einem Strömungsfeld erforderlich ist, an diesem Ort
wenigstens drei voneinander unabhängige Strömungsgrößen zu kennen, aus denen dann
die restlichen Größen berechnet werden können.
Bei reinen Strahltriebwerken wird deren Leistungsfähigkeit über den Schub in der Di-
mension Kilo-Newton [kN] angegeben. Parallel dazu ist es üblich, den Schub auch in der
∧
angelsächsischen Dimension Pound [lb] anzugeben (1 lb = 4.44822 N). Wenn dagegen
von Turboprop- und Turboshafttriebwerken die Rede ist, so wird deren Leistungsfähigkeit
im Wesentlichen in Kilo-Watt [kW] angegeben.
Unter Leistung P wird Arbeit W pro Zeiteinheit t verstanden. Arbeit W wird verrichtet,
wenn eine Kraft F längs eines Weges verschoben wird:
W F· Nm ∧ J ∧
P= = = = [W] (3.31)
t t s s
Wenn ein Turboprop- oder Turboshafttriebwerk Wellenleistung zum Antrieb eines Pro-
pellers oder Hubschrauberrotors nach außen abgibt, so wird diese Leistung über das
Drehmoment M und die Drehzahl n der Welle der Gasturbine beschrieben:
π ·n
P = M · n = M · ω mit ω = als Winkelgeschwindigkeit (3.32)
30
166 3 Was man weiß – was man wissen sollte
Für Strahltriebwerke ist die Verwendung der Leistung weniger geeignet. Steht nämlich z. B.
ein Flugzeug mit laufenden Strahltreibwerken am Boden und bewegt sich nicht, so wird
sich nach Gl. (3.31) eine Nullleistung ergeben, obwohl innerhalb der Triebwerke durch
die Turbinen Drehmomente und Drehzahlen erzeugt werden. Die daraus resultierenden
Leistungen werden aber vollständig innerhalb der Triebwerke umgesetzt, d. h. von den
Triebwerken selbst für ihren jeweiligen inneren Arbeitsprozess benötigt. Erst wenn die
Strahltriebwerke sich mit dem Flugzeug vorwärts bewegen, kann auch für sie eine Leistung
angegeben werden, die man als Vortriebs- oder Schubleistung (Thrust Power) bezeichnet:
P =F·c (3.33)
Hierin ist F der Triebwerksschub und c die Fluggeschwindigkeit. Diese Art der Leistung
beschreibt, welche Geschwindigkeit c mit gegebenem Schub F zu erzielen ist.
Auf Prüfständen können an Turboprop- und Turboshafttriebwerken deren abgegebene
Leistungen direkt über sog. Dynamometer, die die Drehzahl und das Drehmoment der
Gasturbinen auswerten, gemessen werden. Auf Prüfständen für reine Strahltriebwerke
dagegen kann mittels Waagen lediglich deren Schub bestimmt werden. Eine Umrechnung
dieses Prüfstandschubes in Leistung ist nicht möglich.
Bei Turboproptriebwerken ist es üblich, die auf dem Prüfstand ermittelte Wellenlei-
stung PW in einen Propellerschub FProp umzurechnen. Dazu wird standardmäßig davon
ausgegangen, dass das Turboproptriebwerk mit einem hypothetischen Propeller ausge-
stattet ist, der einen Wirkungsgrad von ηProp = 0.85 hat. Hierbei handelt es sich um einen
weltweit üblichen Industriestandard, auf den man sich geeinigt hat, um Turboproptrieb-
werke untereinander vergleichen zu können. Entsprechend der Gl. (3.33) ergibt sich dann
für den Propellerschub:
0.85 · PW
FProp = (3.34)
c
Zu Zwecken des Leistungsvergleichs kann dieser Schub mit dem Schub von Strahltrieb-
werken verglichen werden, die dieselbe Fluggeschwindigkeit c haben.
Ein Großteil der Turboproptriebwerke hat die Eigenschaft, dass sie zusätzlich zur abge-
gebenen Wellenleistung auch noch einen zusätzlichen Restschub FR dadurch erzeugen,
dass sie das Abgas aus einer Schubdüse ausstoßen. Dieser Restschub wird analog zu
Gl. (3.34) in eine sog. Restschubleistung PR gewandelt:
FR · c
PR = (3.35)
0.85
Die Summe aus der Wellenleistung PW und der Restschubleistung PR wird als äquivalente
Leistung Päq oder als Wellenvergleichsleitung bezeichnet:
Päq = PW + PR
c
Päq = · (FProp + FR ) (3.36)
0.85
3.18 Grundsätzliches zum Vortrieb von Flugzeugen 167
Sowohl zur Bewegung oder Beschleunigung eines Fahrzeuges als auch zur Überwindung
von Widerstandskräften wird eine Antriebskraft benötigt, die üblicherweise von einer
Kraftmaschine (Motor) bereitgestellt wird. Bei Fahrzeugen, die sich auf dem Land bewe-
gen, wird die Antriebskraft über eine Antriebswelle (nicht über eine „Antriebsachse“)29
und die darauf befindlichen abrollenden Antriebsräder aufgrund von Reibung auf den
Untergrund übertragen. Der Antriebsmotor ist also über eine Welle, die Drehmomente
(Kräfte) übertragen kann, mit den Antriebsrädern des jeweiligen Fahrzeuges mechanisch
fest gekoppelt.
In der Atmosphäre dagegen wird der ständige Vortrieb eines Luftfahrzeuges durch Im-
pulswirkung realisiert, indem Luft entgegengesetzt zur Flugrichtung beschleunigt wird.
Dieses machen sich sowohl Propeller- als auch Strahltriebwerke zu Nutze. Propeller- und
Strahltriebwerke treiben ein Flugzeug nicht mittels Radreibung an. Zwischen dem Flug-
zeugantrieb und den Flugzeugrädern besteht keine unmittelbare mechanische Verbindung.
Ein Flugzeug bewegt sich nur durch die Impulswirkung seiner Triebwerke. Die Räder ei-
nes Flugzeuges haben deswegen mehr oder weniger nur einen Komfortcharakter zum
reibungsarmen hin und her Bewegen des Flugzeuges. Sie sind für den Vortrieb (Strahlan-
trieb) ohne Bedeutung. Und da sich die Räder auf einer Achse und nicht auf einer Welle
befinden, gibt es auch kein für den Flugzeugantrieb relevantes antreibendes Drehmoment.
Dieser einfache Zusammenhang sollte dann auch die oft diskutierte Frage klären, ob
ein Flugzeug, das beim Starten auf einem sich hypothetischen, rückwärts drehenden Lauf-
band steht, das so lang ist wie eine Startbahn ist, dennoch starten kann, wenn Laufband
und Flugzeug stets dieselbe Geschwindigkeit haben, aber sich in entgegengesetzter Rich-
tung bewegen, Abb. 3.31. Wie oben erklärt, hat die Reibung zwischen Rad und Laufband
keinen unmittelbaren mechanischen Zusammenhang zum Flugzeugantrieb. Zum Starten
muss der Flugzeugantrieb nur stark genug sein, neben dem ohnehin immer existenten
Luftwiderstand auch die Reibung zwischen der Flugzeugabstützung zum Untergrund hin,
nämlich den Rädern, und dem Boden zu überwinden, also im Wesentlichen die Rollrei-
bung, sobald die Räder nach Überwinden der Losbrechzugkraft infolge Lagerreibung zu
drehen beginnen. Um ein Flugzeug vom Stillstand in eine Bewegung zu versetzen, ist von
den Triebwerken also eine axiale Losbrech- oder Anfahrzugkraft aufzubringen, die propor-
tional zur vertikalen Last auf den Rädern ist (Normalkraft FN ) und außerdem auch noch
von der Oberflächenbeschaffenheit (Reibungskoeffizient cR ) abhängt und praktisch nicht
viel größer als die eigentliche Rollreibungskraft ist. Diese Kraft ist die maximal erforderliche
Axialkraft bei Rollbeginn aus dem Stillstand heraus. Danach ist hinsichtlich der Räder nur
29
Nur Wellen übertragen ein antreibendes Drehmoment und können deswegen auch nur zum
Antrieb eines Fahrzeuges genutzt werden – ganz im Gegenteil zu Achsen, die primär eine Trag-
oder Lagerfunktion haben. Eine Achse ist also ein Bauteil, das ausschließlich zum Tragen und
Lagern von drehbaren Bauteilen dient. Dies können zum Beispiel Räder, Rollen, oder Lager sein.
Umgangssprachlich werden die Begriffe Welle und Achse oft miteinander verwechselt.
168 3 Was man weiß – was man wissen sollte
Startrichtung
Flugzeug steht aber beim Starten auf einem sich rückwärts drehen-
den Laufband, das so lang ist, wie eine Startbahn. Laufband und
Flugzeug haben stets dieselbe Geschwindigkeit, aber in entgegen-
gesetzter Richtung.
3.0 km
Ein Pick-Up zieht eine sehr lange und breite Folie hinter sich her. Er hat dabei immer
dieselbe Geschwindigkeit wie das in der entgegengesetzten Richtung startende
Propellerflugzeug.
Startrichtung Fahrtrichtung
Folie
Abb. 3.31 Zur Erklärung der häufig diskutierte Frage, ob ein Flugzeug, das beim Starten auf einem
sich hypothetischen, rückwärts drehenden Laufband steht, das so lang ist wie eine Startbahn ist,
dennoch starten kann, wenn Laufband und Flugzeug stets dieselbe Geschwindigkeit haben, aber sich
in entgegengesetzter Richtung bewegen
FRR = cR · FN , (3.37)
wenn FN die Kraft (Normalkraft) ist, die vertikal (senkrecht) auf den Rädern lastet und cR
der Rollreibungskoeffizient. Für einen Airbus A380-842 mit einer maximalen Startmas-
se von GMTOW = 569 000 kg, würde das dann in der Summe auf eine Normalkraft von
FN = GMTOW · g = 569 000 · 9.81 = 55.82 · 105 N führen, verteilt auf 22 Räder30 . Currey
(1988) gibt Rollreibungskoeffizienten von cR = 0.008 . . . 0.02 für typische Startbahnober-
flächen an, sodass sich für einen mittleren Wert von cR = 0.014 eine Rollreibungskraft von
etwa FRR = cR · FN = 0.014 · 55.82 · 105 ≈ 0.78 · 105 N abschätzen lässt. Der A380-842
hat vier Rolls-Royce RB211-Trent 972 Triebwerke á 3.2 · 105 N Maximalschub, also einen
maximalen Gesamtschub von F = 12.8 · 105 N, der damit 16.4-mal größer ist als die Rollrei-
bungskraft aller Räder zusammen. Zum Losrollen braucht der A380-842 mit dieser groben
Abschätzung also nur 6 % seines Gesamtschubes, was etwa 19.2 kN pro Triebwerk bedeu-
tet. Da mit zunehmender Startgeschwindigkeit die Normalkräfte auf die Räder wegen der
zunehmenden und entgegengesetzt gerichteten Auftriebskräfte am Flügel immer geringer
werden, werden auch die zu überwindenden Rollreibungskräfte mit immer schneller wer-
dendem Flugzeug kontinuierlich abnehmen und werden immer weniger signifikant für die
Betrachtung.
Der untere Teil von Abb. 3.31 zeigt einen Versuchsaufbau zu diesem Thema, der einmal
in einer populärwissenschaftlichen Fernsehsendung zu sehen war und zeigte, dass das
Flugzeug leicht und problemlos starten kann. Der dabei involvierte Pilot äußerte zusätzlich,
dass ihm beim Starten nichts aufgefallen sei, was darauf hingedeutet hätte, dass ihm der
Boden unter dem Flugzeug wegezogen worden wäre. Der Start war so normal, wie jeder
andere auch.
Literatur
30
Jeder der Reifen des A380 kann mit bis zu 33.000 kg belastet werden und erträgt eine
Rollgeschwindigkeit von bis zu c = 378 km/h (c = 105 m/s, Ma = 0,31).
170 3 Was man weiß – was man wissen sollte
4.1 Triebwerkseinlauf
Aufgabe des Einlaufes ist es, das Geschwindigkeitsniveau der vom Triebwerk angesaugten
Luft möglichst verlust- und turbulenzarm so zu reduzieren, dass eine für den nachfol-
genden Verdichter geeignete Zuströmung entsteht. Dabei sind die Geschwindigkeits-
und Totaldruckverteilungen im Endbereich des Einlaufs, die dort möglichst gleichförmig
sein sollten, maßgebliche Größen, die mit dem nachfolgenden Verdichter in erheblicher
strömungsmechanischer Wechselwirkung stehen.
Im Flugfall kommt es vor dem Einlauf zum aerodynamischen Aufstau vom statischen
Umgebungsdruck p0 auf den Totaldruck pt0 . Im Einlauf wird die, dem Triebwerk mit der
Fluggeschwindigkeit c0 zuströmende Luft durch Diffusion auf ein niedrigeres vor dem
Verdichter vorliegendes Geschwindigkeitsniveau c2 gebracht, dabei kommt es zu einer
Druckerhöhung vom statischen Umgebungsdruck p0 auf den statischen Verdichterein-
trittsdruck p2 . Bei der Durchströmung des Einlaufes stellen sich Verluste ein, die sich in
einer Totaldruckabnahme bemerkbar machen, sodass der vor dem Verdichter vorliegende
Totaldruck pt2 geringer ist als der Totaldruck pt1 = pt0 in der Triebwerkseintrittsebene,
pt2 /pt1 ≈ 0.95 . . . 0.97. Würde der gesamte dynamische Druck q0 = pt0 − p0 der Zuströ-
mung in statischen Druck p2 = pt2 − q2 am Verdichtereintritt gewandelt (q0 = p2 oder
umgekehrt p0 = q2 ), so wäre das optimale Ziel einer Einlaufauslegung erreicht, nämlich
pt2 = pt0 . Der Quotient pt2 /pt0 wird als Druckrückgewinn (Pressure Recovery) bezeich-
net. Die Totaltemperatur bleibt unverändert, Tt0 = Tt1 = Tt2 . Sie kann sich nach dem
ersten Hauptsatz der Thermodynamik nur ändern, wenn in der Triebwerkszuströmung
Arbeit und/oder Wärme zu- oder abgeführt werden würde. Wärmeverluste durch Leitung,
Strahlung und Konvektion werden in der gesamten hier vorgestellten Betrachtung gene-
rell vernachlässigt, sodass jedes Triebwerk und alle seine Komponenten (mit Ausnahme
der Brennkammer) unter thermodynamischen Gesichtspunkten stets als adiabates System
angesehen werden.
Hinsichtlich seiner durchströmten Querschnitte hat ein subsonischer Einlauf (Pitot Inta-
ke) eine divergente Form. Seine Strömungsverluste sind bis hin zu Flugmachzahlen von
etwa Ma0 ≈ 0.9 vergleichsweise gering. Zum Teil werden diese Einläufe auch bis in den
Bereich niedriger Überschallflugmachzahlen (etwa Ma0 ≈ 1.5) verwendet, wenn sich der
Aufwand für einen supersonischen Einlauf nicht lohnt. Die Einlaufverluste steigen dann
aber merklich auf Werte von bis zu pt2 /pt1 < 0.9 an.
Die Auslegung erfolgt als sog. Pitot-Einlauf mit abgerundeten Einlauflippen, wo-
durch lokale Übergeschwindigkeiten bei Flugmanövern mit größeren Anstellwinkeln
oder mit Schräganströmungen (z. B. Seitenwind) besser berücksichtigt werden können.
Abbildung 4.1 zeigt skizzenhaft, wie sich in Abhängigkeit der Flugmachzahl (und der
Triebwerksleistung) die Fangstromröhre vor einem Pitot-Einlauf entwickelt.
Der Standfall mit Ma0 = 0 erzeugt hohe Einlaufverluste. Da das Triebwerk in diesem
Zustand von allen Seiten – auch von hinten – Luft ansaugt, kommt es an den Einlauflippen
zu örtlichen Übergeschwindigkeiten mit Strömungsablösungen. Um diese in Grenzen
zu halten, dürfen die Einlaufkonturen von Triebwerksgondeln nicht zu dünn ausfallen,
sondern müssen gut gerundet sein, was schließlich in dickeren Einlauflippen resultiert,
die aber bei höheren Fluggeschwindigkeiten den aerodynamischen Widerstand erhöhen.
Hieraus ergibt sich das maßgebliche Problem für die Auslegung der Einlauflippenkontur
von Triebwerksgondeln, die zwei nahezu gegensätzliche Randbedingungen befriedigen
muss, und so immer zu einem Auslegungskompromiss führt.
In der Startphase sollte das Triebwerk dicke Einlauflippen (Blunt Lips) haben, um im in-
neren Einlaufbereich Strömungsablösungen zu minimieren, die auf Grund von zu großen
Übergeschwindigkeiten beim Umströmen zu dünner Einlauflippen entstehen würden. In
der Reiseflugphase sollte das Triebwerk dünne Einlauflippen (Sharp Lips) haben, um auf
der äußeren Einlaufkontur Zonen mit Überschallgeschwindigkeiten, Stoßausbildung und
daraus resultierende Verluste minimal zu halten. Ohne eine variable Gondelgeometrie
4.1 Triebwerkseinlauf 173
Einlauflippe
Diffusor Fan bzw.
Verdichter
Spinner
Einlauflippe
Fangstromröhre Fang-
Überlauf
Innenströmung stromröhre
(Spillage )
Abb. 4.1 Formen von Fangstromröhren (Captured Stream Tubes) bei einem Pitot-Einlauf (Sub-
sonic Diffuser) in Abhängigkeit der Flugmachzahl
wären diese beiden Anforderungen aber nicht gleichzeitig erfüllbar, sodass eine Gonde-
lauslegung immer nur ein Kompromiss sein kann. Zusätzlich sind weitere Aspekte zu
berücksichtigen, wie z. B. der Triebwerksausfall in der Startphase. Bei dem dann im so
genannten Windmilling und bei großen Anstellwinkeln drehenden Triebwerk kommt es
zu großen Zusatzwiderständen auf Grund von Strömungsablösungen auf der äußeren
Gondelkontur, die das Resultat eines geringeren Triebwerkmassenstroms sind. Ebenso
sind Seitenwindeinflüsse1 auf der Rollbahn bei unterschiedlichen Triebwerksdrehzahlen,
Gewichts- und Längenaspekte und eventuell in der Gondelkontur unterzubringende Hilfs-
aggregate und Schubumkehrer bei der Konturgebung zu berücksichtigen. Abbildung 4.2,
1
Bei stärkeren Seitenwinden dürfen einige Flugzeuge die volle Startleistung des Triebwerks erst dann
setzen, wenn sie eine gewisse Rollgeschwindigkeit überschritten haben, was als „Rollender Start“
(Rolling Take-Off ) bezeichnet wird. Dieses trifft z. B. für die Lockheed C5-A Galaxy (TF39-GE-1) zu,
wenn der Seitenwind auf der Startbahn größer als 24 kn (≈ 12.5 m/s) ist.
174 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
Im Normalbetrieb
≈α
Akustik- Im Schubumkehrerbetrieb
auskleidung Hilfsaggregate (Reverser)
das ein typisches Beispiel für einen modernen subsonischen Triebwerkseinlauf mit drei-
dimensionaler Konturgebung zeigt, verdeutlicht diese Randbedingungen. Der untere
Gondelbereich ist dicker ausgeführt, um die am Triebwerk – unterhalb des Verdichters –
integrierten Hilfsgeräteantriebe unterbringen zu können. Diese Position ist auch deshalb
günstig, weil der maximal zulässige Anstellwinkel für die Gondel durch Strömungsablösun-
gen im unteren Innenbereich des Einlaufs bestimmt wird und dort strömungsmechanisch
nur durch dickere Einlauflippen beeinflusst werden kann. Die Integration der Gondel
in die Gesamtaerodynamik des Flugzeuges erzeugt weitere Randbedingungen, wie z. B.
die Neigung der Zuströmachse um den Winkel α, wodurch zum einen die Neigung des
Abgasstrahls und zum anderen die Einströmung in die Gondel bei den kleineren Anstell-
winkeln des Reiseflugs optimiert werden kann. In diesem Zusammenhang ist sicherlich
auch der Einlauf der Boeing B737-300 zu erwähnen, bei der das ursprüngliche Trieb-
werk (JT8D Turbofan mit kleinem Bypassverhältnis) durch das u. a. im Durchmesser
größere CFM56 Triebwerk mit höherem Bypassverhältnis ersetzt wurde. Um dabei ei-
ne Verlängerung des Flugzeugfahrwerks zu vermeiden, wurde die Gondel näher an den
Flügel gebracht und außerdem im unteren Bereich abgeflacht (vgl. Abb. 9.23). Durch
extensiven Gebrauch moderner numerischer Methoden der Aerodynamik wurde so eine
stark dreidimensionale Gondelkontur entwickelt, die schließlich sogar weniger Interfe-
renzwiderstände (Wechselwirkung zwischen Triebwerk und Flügel-Rumpf-Kombination)
aufwies als die ursprüngliche Ausführung.
Bei Überschallflugmachzahlen bildet sich vor einem Pitot-Einlauf eine abgelöste Kopf-
welle aus, die im Bereich der Fangstromröhre nahezu als senkrechter Verdichtungsstoß
angesehen werden kann, Abb. 4.1.
anderen Geometrien führen als im subsonischen Fall. Durch einen oder mehrere schräge
Verdichtungsstöße, einen abschließenden senkrechten Verdichtungsstoß2 und eine an-
schließende herkömmliche Unterschalldiffusion wird die supersonische Zuströmung im
Einlauf auf das subsonische Geschwindigkeitsniveau reduziert, mit dem der nachfolgende
Verdichter angeströmt werden soll.
Verdichtungsstöße bewirken eine Entropieerhöhung in der Strömung und damit
zusätzliche nicht-viskose (nicht-reibungsbedingte) Verluste. Zwischen den Verdichtungs-
stößen und den Grenzschichten kommt es bei der Reflexion der Stöße auf den Wandungen
der Einlaufgeometrien zu zusätzlichen Wechselwirkungen zwischen den Stößen und der
Grenzschicht, die weitere, sog. Interferenzwiderstände produzieren. Ziel der Auslegung
eines supersonischen Einlaufs ist es deswegen, mit einem Minimum an Konstruktions-
und Gewichtsaufwand, die beschriebenen Verluste so weit wie möglich zu minimieren.
Die probateste Methode der verlustminimierten Überführung einer Überschallströ-
mung in den Unterschall, was als supersonische Kompression bezeichnet wird, ist das
geeignete Anordnen von einer oder mehreren Rampen, mittels derer Stoßkonfigurationen
erzeugt werden, die ein gestuftes Kompressionssystem derart erzeugen, dass vor dem ab-
schließenden senkrechten Stoß eine möglichst geringe Überschallmachzahl vorliegt. Diese
Vorgehensweise gilt sowohl für Einläufe mit externer als auch für solche mit interner
Kompression.
Die Reduzierung von Überschall- auf Unterschallmachzahlen ist zwar prinzipiell über
einen einzigen „starken“ senkrechten Verdichtungsstoß möglich, aber hinsichtlich der
Verluste ineffektiv. Mehrere schräge Stöße mit einem abschließenden „schwachen“ senk-
rechten Stoß sind eine verlustärmere und damit bessere Lösung. Um dieses zu erreichen,
gibt es eine Vielzahl von Einlaufkonfigurationen mit fester oder variabler Geometrie. Dabei
bilden sich die Verdichtungsstöße entweder innerhalb des Einlaufs (interne Kompression)
oder aber außerhalb des Einlaufs (externe Kompression) aus, Abb. 4.3. Darüber hinaus
gibt es auch gemischte Varianten, bei denen sich die Stöße zum Teil außerhalb und zum
Teil innerhalb des Einlaufs ausbilden.
Um über einen weiten Flugmachzahlbereich stets möglichst effektive Einläufe zu ha-
ben, werden häufig Konstruktionen ausgeführt, bei denen die Rampenposition je nach
Flugmachzahl so verändert werden kann, dass sich jeweils eine optimierte, d. h. verlustmi-
nimierte Stoßkonfiguration ausbildet. Bei einer festen Einlaufgeometrie würde sich je nach
Flugmachzahl die Position der Verdichtungsstöße verändern und so – mehr oder minder
stark – den Einlaufwiderstand negativ beeinflussen.
Der obere Teil von Abb. 4.3 zeigt die einfachste Form eines Einlaufs mit interner
Kompression, bei der sich (hinsichtlich der horizontalen Symmetrieachse) drei Stöße
ausbilden. Der erste schräge Stoß wird an der Rampenvorderkante generiert und lenkt
2
Hinter einem senkrechten Verdichtungsstoß liegt immer eine Unterschallgeschwindigkeit (Ma <1)
vor, sodass in supersonischen Einläufen der letzte Verdichtungsstoß immer ein senkrechter ist. Dieser
bildet sich gewöhnlich im engsten durchströmten Querschnitt des Einlaufs aus. Damit der senkrechte
Stoß nicht zu viele Verluste erzeugt, soll die Machzahl vor diesem Stoß nicht zu hoch sein.
176 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
A Interne Kompression
Symmetrischer
3-Stoß-Einlauf Ma < 1 Diffusor
Ma0 > 1
abschließender senkrechter
Verdichtungsstoß
schräge Verdichtungsstöße
Rampe
B Externe Kompression
Lippe
Externe Stöße sind
<1 k-
an der Gondellippe Ma0 > 1 Ma ende
r sen sstoß
s c hließ rdichtung
fokussiert a b r Ve
rechte
schräge Verdichtungsstöße Diffusor
Rampe
Abb. 4.3 Strömungsbilder mit Stoßkonfigurationen bei internen, externen und gemischten
Kompressionen von supersonischen Einläufen
die horizontal ankommende Strömung in Richtung zur Einlaufmitte hin um. Dieser er-
ste schräge Stoß wird auf der Symmetrieachse – infolge der „Kollision“ mit den Stößen
von der gegenüberliegenden Seite – reflektiert. Der reflektierte Stoß lenkt die Strömung
wieder in die ursprüngliche Horizontalrichtung zurück. Kurz vor der konvexen Ecke
trifft der reflektierte Stoß wieder auf die Oberfläche der Rampe. Die hier einsetzende
Prandtl-Meyer-Expansion löscht weitere Reflexionen des Stoßes aus. Ein senkrechter
Stoß, der die Strömung abschließend in den Unterschall bringt, beendet den Vorgang
der supersonischen Kompression.
Der mittlere Teil von Abb. 4.3 zeigt eine typische Stoßkonfiguration für supersonische
Einläufe mit externer Kompression. Die Rampe ist in Horizontalrichtung verschiebbar,
sodass die externen Stöße bei jeder Flugmachzahl Ma0 an der gegenüberliegenden Gon-
dellippe fokussiert werden können. Diese Stoßkonfiguration ist hinsichtlich der Verluste
günstig. Außerdem sollte der abschließende senkrechte Stoß senkrecht auf den Oberflä-
chen der Rampe und der Gondelkontur stehen, was garantiert, dass über die gesamte
Einlaufhöhe die Strömung hinter dem senkrechten Stoß vollständig im Unterschall liegt.
Eine solche, stets optimierte Stoßkonfiguration führt dazu, dass der Einlauf die zuströmen-
de Luft so vollständig wie möglich aufnimmt und damit den externen Einlaufwiderstand
gering hält. So steht dadurch aber im Einlauf mehr Luftmasse zur Verfügung, als das Trieb-
4.1 Triebwerkseinlauf 177
Untersetzungsgetriebe
Streamline oder
Ducted Spinner Conical Spinner Underscoop
Inlet Inlet Inlet
4.1.3 Turbopropeinlauf
Die Auslegung eines Turbopropeinlaufs birgt das Problem in sich, dass dort, wo sich der
Einlauf befindet, im Allgemeinen auch das Untersetzungsgetriebe zwischen Triebwerk
und Propeller angeordnet ist. Ein solches Getriebe, das wegen des großen Drehzahl-
unterschiedes zwischen Gasturbine und Propeller ein Untersetzungsverhältnis von etwa
nAntrieb /nAbtrieb = 9 : 1 benötigt, ist sehr voluminös, was die Einlaufgestaltung zusätzlich
verkompliziert.
Abbildung 4.4 zeigt verschiedene Ausführungen von Turbopropeinläufen. Der links im
Bild skizzierte Ducted Spinner Inlet stellt unter rein aerodynamischen Gesichtspunkten
eine hervorragende Lösung dar. Wird aber zusätzlich die Wartbarkeit und das Vereisungs-
problem mit in die Betrachtung einbezogen, so hat der in der Bildmitte skizzierte Conical
Spinner Inlet deutliche Vorzüge aufzuweisen. Wenn die Drehachse des Propellers nicht
mit der Welle des Triebwerks fluchtet, so wird i. Allg. ein Under Scoop Inlet verwendet. In
der Praxis diktiert der Flugzeugentwurf im Zusammenwirken mit den Anforderungen an
das Triebwerk schließlich die tatsächlich beste Einlaufgestaltung.
178 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
Bellmouth- oder
ieb Glockeneinlauf
la ufs
Ein
Verdichter
Abb. 4.5 Standeinlauf mit Einlaufsieb für Prüfstände; rechts IAE V2500 (MTU Media Pool)
Abb. 4.6 Prüfstandtests mit dem Triebwerk Engine Alliance GP 7200. (Quelle: MTU Media Pool)
4.1.4.1 Standeinlauf
Ein Standeinlauf, Abb. 4.5, wird an einem Triebwerk installiert, wenn es sich in einem
Triebwerksprüfstand befindet, Abb. 4.6, oder wenn Bodenstandläufe mit einem am Flug-
zeug installierten Triebwerk bei hohen Leistungen (z. B. Startschub) durchgeführt werden
sollen. Der englische Ausdruck dafür ist Bell Mouth Inlet. Analog dazu ist im Deutschen
die Bezeichnung Glockeneinlauf üblich.
4.1 Triebwerkseinlauf 179
Aufgabe des Standeinlaufes ist es, die ruhende Umgebungsluft möglichst verlust- und
turbulenzarm dem Fan- oder Verdichtereintritt eines Triebwerks zuzuführen. Ablösungen
an den Triebwerkseinlauflippen, so wie es die in Abb. 4.1 skizzierten Strömungsverhältnis-
se für den Standfall zeigen, werden dadurch vermieden. Darüber hinaus kann mittels im
Standeinlauf angebrachter Druckmessstellen der dem Triebwerk zuströmende Luftmas-
senstrom ermittelt werden. Die Strömungsverluste eines Standeinlaufes sind auf Grund
einer sehr akkuraten Formgebung und einer glatten Kunststoffoberfläche außerordentlich
gering. Werden auf einem Triebwerksprüfstand die Triebwerksleistungsdaten, wie z. B.
Schub und spezifischer Brennstoffverbrauch vermessen, so wird vor dem Einlauf zusätz-
lich ein Schutzsieb installiert, dessen Druckverluste nicht zu vernachlässigen sind, und
dessen Aufgabe es ist, das Ansaugen von Fremdkörpern aus dem Prüfstandsbereich zu un-
terbinden und eventuell auch Platz zu bieten, um unter Umständen zusätzliche Messfühler
vor dem Triebwerk platzieren zu können.
4.1.4.2 Fremdkörperabscheider
Der Vollständigkeit halber sollen bei den Triebwerkseinläufen auch noch die so genann-
ten Fremdkörperabscheider (Compressor Inlet-Air Particle Separator) erwähnt werden.
Speziell militärische Turboprop- und Turboshafttriebwerke, die häufig auf unpräparier-
ten Pisten und in Wüstenregionen operieren, haben einen gesonderten Bedarf an solchen
Schutzmaßnahmen gegen übermäßiges Ansaugen von Schmutz, Sand und Staub. So ver-
fügt z. B. das Turboproptriebwerk PWC PT6 von Pratt & Whitney of Canada bzw. sein
Pendant, das ST6 Turboshafttriebwerk3 , über Einlaufsiebe, die aus Stabilitätsgründen
in gewellter Form ausgeführt sind. Neben solch relativ einfachen Maßnahmen gibt es
auch komplexere aktive Fremdkörperabscheider, die auf der Basis der Zentrifugalwir-
kung arbeiten, Abb. 4.7. Dabei versetzt eine Reihe von feststehenden, Drall induzierenden
Leitschaufeln die Strömung in Rotation, wodurch bis zu 85 % aller schwereren Sand-,
Schmutz- und Staubteilchen aus der Triebwerkszuströmung heraus zentrifugiert werden
können. Ein Gebläse saugt die Teilchen ab und eine Reihe weiterer Leitschaufeln nimmt
den Drall wieder aus der Strömung heraus, sodass der nachfolgende Verdichter nahezu
drallfrei angeströmt wird, Ray und Browne (1980). Die zusätzlichen Strömungsverluste
sind vergleichsweise gering.
abgeschiedene
Partikel
Gebläse
Schaufelgitter als
Draeugerllerz
te
inig
gere zum
Luft ichter
d
Ver
Verunreinigte Luft zum Triebwerk
Abb. 4.8 Triebwerkseinlaufwirbel und „Vortex Dissipater“. (Quelle: Fundus des Autors)
Bolzen, Muttern etc. in den Triebwerkseinlauf transportieren und so schließlich den darauf
folgenden Verdichter beschädigen oder zerstören kann.
Zum Eliminieren des Einflusses dieses Wirbels werden manchmal – aber selten – sog.
Vortex Dissipaters oder Blow-Away Jets verwendet (z. B. Airline Canadian North). Dieses
so genannte Gravel Protect ist ein Druckluftstrahl, der von unterhalb der Gondel zum Bo-
den hin geblasen wird und so den Wirbel auflöst. So wird es möglich, auch Schotterpisten
anzufliegen, die normale Flugzeuge meiden würden. Die Druckluft ist Zapfluft vom Ver-
dichter und immer dann aktiviert, wenn das Flugzeug am Boden ist und die Triebwerke
4.2 Verdichter 181
laufen. Ein Schalter am Fahrwerk, der auf Be- oder Entlastung reagiert, aktiviert System.
Erreicht das Flugzeug beim Starten eine Rollgeschwindigkeit von 40 knots, so wird das
System ausgeschaltet.
4.2 Verdichter
Die Hauptaufgabe eines Verdichters ist es, das Druckniveau der angesaugten Luft anzu-
heben, sodass der anschließende Verbrennungsprozess und die Leistungsabgabe über die
nachfolgende Turbine möglichst effizient ausfallen. Erst diese Druckerhöhung schafft das
notwendige Druckgefälle gegenüber der Atmosphäre im mittleren und hinteren Teil des
Triebwerks, die die Luft schließlich nach hinten aus dem Triebwerk herausströmen lässt
und damit die Ursache dafür ist, dass vorne am Triebwerk weitere Frischluft angesaugt
wird und nach hinten weiterströmen kann (Staubsaugerprinzip). Die Kompression redu-
ziert das Volumen der angesaugten Luft und erhöht deren Dichte. Ebenso steigt dabei die
Temperatur der Luft an. Dieses geschieht nicht durch Wärmezufuhr von außen, sondern
durch die dem Verdichter von der Turbine zugeführte Arbeit bzw. Leistung. Thermody-
namisch gesehen wird an dieser Stelle also intern Arbeit in Wärme (Temperaturerhöhung)
gewandelt.
Die Energie, die durch eine anschließende Verbrennung freigesetzt wird, ist proportio-
nal zur vorhandenen Luftmasse und zu deren Druck. Ein thermodynamischer Kreisprozess
mit Leistungsabgabe ist ohne eine Druckerhöhung nicht möglich. Bei einem Flugzeugtrieb-
werk erfolgt diese Druckerhöhung sowohl durch aerodynamischen Aufstau als auch durch
den Verdichter, bei Staustrahltriebwerken (Ram Jet) dagegen ausschließlich durch aerody-
namischen Aufstau. Im Bodenstandfall kann eine Druckerhöhung generell nur durch einen
Verdichter realisiert werden. Hohe Verdichterdruckverhältnisse tragen ganz wesentlich zu
niedrigen spezifischen Brennstoffverbräuchen von Triebwerken bei.
Bei Turbofantriebwerken beginnt der Verdichterbereich mit dem Fan oder Bläser. Abbil-
dung 4.9 zeigt eine solche typische Fan-Sektion. Der nabennahe Bereich der Fanbeschaufe-
lung ist direkter Bestandteil des Niederdruckverdichters, d. h., die Verdichtereintrittsebene
eines Turbofantriebwerks ist identisch mit der Faneintrittsebene. Auf Grund der unter-
schiedlichen Geometrien der Fanbeschaufelung in Radialrichtung ist im Sekundärstrom
die Druckerhöhung des Fans (Fandruckverhältnis) eine andere als im nabennahen Be-
reich des Primärstroms. Mittlere Werte für Fandruckverhältnisse bei zivilen Triebwerken
sind etwa πFan ≈ 1.5 . . . 1.7. Die Bypassverhältnisse liegen bei etwa μ ≈ 4 . . . 6 . . . 9.
Militärische Turbofantriebwerke mit Nachbrenner haben Bypassverhältnisse von etwa
μ ≈ 0.2 . . . 1 und Fandruckverhältnisse von πFan ≈ 2 . . . 3. Diese, im Vergleich zu zi-
vilen Triebwerken erhöhten Fandruckverhältnisse sind nur mit mehreren Fanstufen zu
erreichen.
182 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
Mid-Span- Lager
Shroud (Bearings) Fanschaufeln
Hochdruck-
verdichter
(High Pressure ber
Einlaufkonus Compressor) Snub
(Spinner )
Wellen Mid-Span-
(Shafts ) Shroud
Gehäuse-
Fangehäuse stützen
(Fan Casing) (Struts)
Abb. 4.9 Aufbau der Fan-Sektion eines 2-Wellen Turbofantriebwerks (PW4000, Airbus A310)
Blattbreite
Schaufellänge
eite
ttbr
Bla
Abstand-
halter (span
supports )
Schaufellänge (radial)
aspect ratio =
Blattbreite( Sehnenlänge)
Fanbeschaufelung mit Fanbeschaufelung mit
sog. „Wide-Chord Blades“ zweifacher„ Mid-Span Shroud “
(Low Aspect Ratio Blades) (High Aspect Ratio Blades)
Abb. 4.11 Beispiele für Wide-Chord-Blades moderner Turbofantriebwerke; links Fanschaufeln der
Rolls-Royce Triebwerke RB211-Trent 900; Mitte Fanschaufel des RB211-535E4 mit Wabenkern und
Titanoberflächen, rechts Fan-Sektion des Triebwerks RB211-Trent 1000
1984 von der Firma Rolls-Royce im Triebwerk RB211-535-E4 (Boeing B757, Tupolev Tu-
204-120) eingesetzt. Die Abb. 4.11 zeigt im linken Teil eine fortschrittliche Beschaufelung
dieses Typs. In der Mitte des Bildes ist der Wabenkern der Fanschaufeln zu erkennen. Der
rechte Bildteil zeigt den Fan des Triebwerks RB211-Trent 1000 (Antrieb für die Boeing
787 „Dreamliner“). Die Schaufeln sind extensiv dreidimensional entworfen und optimiert
und haben darüber hinaus eine in Radialrichtung gerundete Vorderkante (Pfeilung), so-
dass den unterschiedlichen Anströmbedingungen längs der radialen Schaufelerstreckung
(im Gehäusebereich Überschallzuströmung und an der Nabe Unterschallzuströmung)
bestmöglich Rechnung getragen werden kann.
Im Fußbereich sind die Fanschaufeln nicht starr befestigt, sondern mit leichtem Spiel
eingebaut, sodass sie im Stillstand „wackeln“ bzw. „klappern“ können. Erst bei Rotation
richten sich die Schaufeln infolge Fliehkraftwirkung radial aus. Bei kurzzeitigen aero-
dynamischen Überlasten und beim Auftreffen von Fremdkörpern können die Schaufeln
der Mehrbelastung leicht nachgeben und sich anschließend wieder selbstständig radial
ausrichten. Deswegen können im Schaufelfußbereich übermäßig große Biegemomente in
Grenzen gehalten werden. Nachteilig ist aber der dadurch entstehende erhöhte Verschleiß
im Bereich der Schaufelaufnahmen.
In Kap. 2 wurde u. a. auch der Aft-Fan erwähnt, bei dem der Fan im hinteren Trieb-
werksbereich den Turbinenschaufeln als eine Art radiale Schaufelverlängerung aufgesetzt
wird. Aus verschiedenen Gründen hat sich aber der Frontfan als Standardkonstruktion
durchgesetzt. Seine Vorteile sind:
4.2 Verdichter 185
• Hohe Festigkeit und Zuverlässigkeit, da sich der Fan in der kalten Sektion des
Triebwerks befindet.
• Verwendung herkömmlicher Triebwerkseinläufe, die weniger Strömungsverluste
verursachen als die Zuströmkanäle bei Aft-Fan-Konfigurationen.
• Beim Eindringen von Fremdkörpern (z. B. Vogelschlag) werden diese bei großen Front-
fans durch Zentrifugalwirkung radial nach außen „geschleudert“ und passieren so nicht
oder nur wenig den sensibleren Primärkreis.
• Bei Zwei-Wellen-Triebwerken ist der Fan Bestandteil des langsamer drehenden
Niederdruckverdichters, sodass die Spitzen der Fanbeschaufelung nur mit mode-
raten Umfangsgeschwindigkeiten drehen. Dieses bedeutet schließlich einen guten
Fan-Wirkungsgrad.
4.2.2 Radialverdichter
Abbildung 4.12 zeigt den grundlegenden Aufbau eines Radialverdichters (Centrifugal Com-
pressor), der nahe bei seiner Nabe Luft ansaugt und diese mittels eines Impellers4 radial
zum äußeren Umfangsbereich transportiert. Dabei nehmen der statische Druck infolge
von Fliehkraftwirkung und der Totaldruck infolge von Arbeit zu, die von der antreiben-
den Turbine über eine Welle zugeführt wird. Beim Austritt aus dem Impeller hat die
in den Diffusor eintretende Verdichterströmung (Absolutströmung) eine sehr hohe Ge-
schwindigkeit bzw. kinetische Energie, die durch einen anschließenden Diffusor durch
Verzögerung in statischen Druck gewandelt wird. Viele Radialverdichter sind so ausgelegt,
dass die eine Hälfte der statischen Druckerhöhung im Impeller erfolgt und die andere im
Diffusor.
Der rechte Teil von Abb. 4.12 zeigt die 3 Hauptkomponenten eines Radialver-
dichters. Ein einstufiger Radialverdichter produziert Druckverhältnisse im Bereich von
πV ≈ 3 . . . 6 . . . 9. Sind höhere Druckverhältnisse erforderlich, können Radialverdichter
auch mehrstufig ausgeführt werden. Dieses verkompliziert aber die Strömungsführung
4
Impeller = angetriebenes Rad mit einer Beschaufelung, durch das ein Fluid zur Druckerhöhung
hindurch „gedrückt“ wird (engl.: to impel = treiben, zwingen, nötigen). Nicht zu verwechseln mit
Propeller (engl.: to propel = vorwärtstreiben), der eine Axialkraft für den Vortrieb erzeugt.
186 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
Impeller Impeller-
Eintritts- gehäuse
quer- Breite des
schnitt Diffusor-
kanals Luft-
eintritt
Impeller-
schaufel Impeller
Impeller Diffusor Austrittsgehäuse
Abb. 4.12 Aufbau von Radialverdichtern und Anordnung der drei Hauptkomponenten. Basisbilder
mit freundlicher Genehmigung der Lufthansa Technischen Schule
zwischen den einzelnen Stufen, da das Fluid jeweils von einem radial außen liegenden
Austritt zu einem radial weiter innen liegenden Eintritt des nachfolgenden Impellers zu-
rückgeführt werden muss. Strömungsverluste, ausladende Verdichteraußendurchmesser
und schlechter werdende Wirkungsgrade sind die Folge. Ältere Modelle von Turbo-
proptriebwerken, wie das Dart von Rolls-Royce (Fokker Friendship) und das TPE331
von AlliedSignal Garrett (Turbo-II-Aerocommander), hatten solche 2-stufigen Radial-
verdichter. Bei den modernen Triebwerken sind der Turbofan TFE 109 (Fairchild
T-46) von AlliedSignal-Garrett und der Turboshaft MTR 390 (Eurocopter Panther) von
MTU/Turboméca/Rolls-Royce zu nennen, Abb. 4.13. Ansonsten sind einzelne Radi-
alverdichterstufen nur noch bei kleineren Triebwerken – mit Luftmassenströmen im
Kerntriebwerk von weniger als 20 kg/s – zu finden. Dort werden sie, um die Beschaufelung
in den letzten Stufen nicht zu klein werden zu lassen, als abschließende Verdichterstufe
verwendet, wie z. B. bei den beiden Turbofans PWC JT15D (Cessna Citation I/II) und
AlliedSignal Lycoming AL F502 (Canadair CL-600 Challenger).
Im Eintrittsbereich eines Impellers (Impeller Eye) sind die Schaufeln so gebogen (ge-
bogene Eintrittsenden, Inducer), dass das Fluid möglichst verlustarm in die rotierende
Beschaufelung einströmen kann. Um die Eintrittsfläche (Eye) in den Impeller nicht zu
sehr mit Schaufeln zu versperren und dadurch den Massenstrom zu verringern, beginnt
vielfach jede zweite Schaufel erst weiter hinten in der Schaufelpassage, Abb. 4.13 rechts.
Diese nach hinten versetzten Schaufeln werden als Splitter-Blades bezeichnet.
Eine Wirkungsgradverbesserung des Impellers, insbesondere infolge einer Herab-
setzung der Diffusoreintrittsgeschwindigkeit (Absolutströmung), wird durch Schaufeln
erreicht, deren hinterer, radial außen liegender Teil – hinsichtlich der Drehrichtung des
Impellers – rückwärts gekrümmt ist. Abbildung 4.14 zeigt sowohl einen herkömmlich
4.2 Verdichter 187
MTU/Turbomeca
Rolls-Royce
MTR 390
Abb. 4.13 Beispiele für mehrstufige Radialverdichter in modernen Flugtriebwerken. Bilder mit
freundlicher Genehmigung von AlliedSignal und MTU Aero Engines
Drehrichtung
gestalteten Impeller mit radial endenden Schaufeln (links) als auch einen fortschrittliche-
ren Impeller mit rückwärts gekrümmten Schaufeln (rechts), so wie er im Bereich neuerer
Flugantriebe mit Radialverdichtern heute typisch ist. Die rückwärts gekrümmten Schau-
felpassagen sorgen für eine allmähliche Öffnung des Strömungskanals im Impeller, was zu
einer kontrollierten Verzögerung (Diffusion) der Strömung mit einer geringeren Neigung
zu Strömungsablösungen führt, wodurch sich schließlich der Wirkungsgrad gegenüber
Impellern mit radial endenden Schaufeln verbessert. Am Austritt des Impellers mit rück-
wärts gekrümmten Schaufeln ist zudem die Geschwindigkeit, mit der die Strömung in den
nachfolgenden Diffusor eintritt deutlich geringer als im Fall radial endender Schaufeln.
188 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
-
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Gesc Diffusor
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Umfangsgeschwindigkeit
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axiale
Zuströmung
igkeit
Ge
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s d win
em dig Diffu
Im keit sor
pe
ller
Dieses sorgt, bei entsprechender Gestaltung des Diffusors, ebenfalls zu einer Wirkungs-
gradverbesserung. Die Abb. 4.15 zeigt, dass die Eintrittsgeschwindigkeit in den Diffusor
in etwa die Größenordnung der Umfangsgeschwindigkeit am äußeren Impellerradius hat.
Hierbei werden heute Werte erreicht, die häufig im Überschallbereich liegen.
Bis etwa 1965 war es aus Materialgründen nicht möglich, leistungsfähige Impeller mit
rückwärts gekrümmten Schaufeln herzustellen. Auf Grund der hohen Fliehkraftbelastun-
gen der gekrümmten Schaufeln im äußeren Impellerbereich barsten diese bei höheren
Drehzahlen. Impeller mit radial endenden Schaufeln waren deswegen bis dahin die Regel.
Die Herstellung von effektiven Impellern mit rückwärts gekrümmten Schaufeln wurde
erst durch moderne Materialien, fortschrittliche Konstruktionstechniken und durch den
Einsatz numerischer Werkzeugmaschinen möglich. Als Materialien für Hochleistungs-
verdichter kommen heute Titan und Titanlegierungen zum Einsatz. Die Impeller werden
dabei mittels mehrachsiger Werkzeugmaschinen aus einem einzigen Stück gefertigt und
erreichen so größte Umfangsgeschwindigkeiten von bis zu 550 m/s. Die dabei erzielbaren
Verdichterdruckverhältnisse liegen bei neun und mehr.
Radialverdichter dieser Art werden für Wellenleistungstriebwerke bis zu einer Leistung
von ca. 750 kW eingesetzt. Sie sind vergleichsweise preisgünstig herzustellen, robust gegen-
über Schmutz und eindringenden Fremdkörpern und führen praktisch immer zu einem
leichten und kompakten Triebwerk. Bei Triebwerken höherer Leistung setzt man ent-
weder zwei Radialverdichterstufen hintereinander oder aber man platziert zwei bis drei
Axialverdichterstufen vor den Impeller. Bei kleineren Triebwerken macht es auch Sinn,
einen Axialverdichter durch eine Radialstufe abschließen zu lassen, wobei dieser dann
die verdichtete Luft auf das erforderliche radiale Niveau bringt, das für die anschließende
4.2 Verdichter 189
elle
hterw
Verdic
Verdichterstufe
Laufrad Leitrad
(Rotor) (Stator)
Öffnung für
Verdichterabblaseluft
Abb. 4.16 Beispiel für einen einwelligen Axialverdichter: General Electric GE J85 (GE CJ610)
Turbojet (Northrop T38 A Talon)
4.2.3 Axialverdichter
4.2.3.1 Einwellenverdichter
Abbildung 4.16 zeigt den typischen Aufbau eines Axialverdichters. Die Hauptströmungs-
richtung ist axial und erfolgt durch eine Folge von hintereinander geschalteten Schaufeln
hindurch, die als Rotoren und Statoren angeordnet sind. Jeweils ein Rotor und der di-
rekt darauf folgende Stator werden als Verdichterstufe bezeichnet. Ein Axialverdichter
besteht somit aus einer Vielzahl von Verdichterstufen. Die Rotoren des Verdichters, die
auf der Verdichterwelle angeordnet sind, werden von der Turbine angetrieben. Verdichter-
und Turbinenwelle sind in der Regel ohne Kupplung und/oder Getriebe miteinander
verbunden. Ein Verdichter ist eine angetriebene Turbomaschine, die auch als Turboar-
beitsmaschine bezeichnet wird. Durch die rotierenden Schaufeln wird die angesaugte Luft
„zwangsweise“ durch den Verdichter gepresst und dabei verdichtet. Die Verdichtung selbst
übernehmen die Auftriebskräfte der Verdichterschaufeln (Profile), die nach dem Prinzip
190 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
actio = recatio auf das Fluid wirken. Diese Auftriebskräfte laufen mit den rotierenden Rä-
dern um und legen so einen Weg zurück. Das Produkt aus Kraft F und Weg ist die Arbeit
(W = F · ), die von den Schaufeln am Fluid verrichtet wird und so schließlich druckerhö-
hend wirkt. Es kommt dabei zu einer Volumenabnahme, die der Dichtezunahme der Luft
direkt proportional ist. Demzufolge verringert sich auch der axiale Strömungskanal eines
Verdichters, Abb. 4.16.
Ein Verdichterlaufrad wird im Allgemeinen ohne Drall angeströmt. Dagegen liegt aber
an seinem Austritt eine ganz erhebliche Drallströmung vor. Verdichterlaufräder bauen also
eine Drallströmung auf. Aus diesem Grund wird dem Laufrad ein Leitrad nachgeschal-
tet, das diesen Drall wieder aus der Strömung heraus nimmt. Dadurch ist gewährleistet,
dass das anschließende Laufrad wieder drallfrei bzw. drallarm angeströmt wird. Am Ende
der gesamten Verdichtersektion befindet sich ein abschließendes Leitrad, das die Auf-
gabe hat, die Strömung zur nachfolgenden Brennkammer axial auszurichten, sodass die
Brennkammersektion ohne Drall angeströmt wird.
Axialverdichter mit einem guten Wirkungsgrad haben durch alle Stufen hindurch in
etwa ein und dasselbe Axialgeschwindigkeitsniveau, sodass am Ein- und Austritt in erster
Näherung davon ausgegangen werden kann, dass die Axialgeschwindigkeiten etwa gleich
groß sind. Wie schon beim Radialverdichter, so befindet sich auch am Ende eines Axialver-
dichters ein Diffusor, der vor der Brennkammer die Aufgabe hat, die kinetische Energie der
Verdichterabströmung in Druck zu wandeln und zudem die Brennkammereinströmung
auf ein moderates Geschwindigkeitsniveau abzusenken. Dadurch werden zum einen eine
gute Vermischung von Kraftstoff und Luft und zum anderen eine möglichst vollständige
und im Brennraum abgeschlossene Verbrennung erreicht. Darüber hinaus haben Strö-
mungen mit Wärmezufuhr (Brennkammerströmungen) die Eigenschaft, ganz erhebliche
nicht viskose (reversible) Druckverluste aufzubauen, die nur dann gering gehalten werden
können, wenn die Einströmung in den Brennraum mit sehr kleinen Geschwindigkeiten
erfolgt. Kleine Einströmgeschwindigkeiten in den Brennraum verhindern – ähnlich wie
bei einer Kerze, das Ausblasen der Flamme.
Die einzelne Stufe eines Axialverdichters trägt vergleichsweise nur wenig zur Druck-
erhöhung bei. Typische Stufendruckverhältnisse liegen heute in einem Bereich von
πVStufe ≈ 1.2 . . . 1.5. Folge davon ist, dass ein Axialverdichter, der die heute üb-
lichen Gesamtdruckverhältnisse von πV ≈ 20 . . . 30 . . . 46 realisieren muss, eine
Vielzahl von Stufen N benötigt, πV = πVNStufe . Bei Verdichtern heutiger Turbofan-
triebwerke sind Gesamtstufenanzahlen (ohne Fanstufe) von 12 . . . 18 keine Seltenheit
(PW JT9D = 14 Stufen, PW4000 = 16 Stufen, GE CF6-80C2 = 18 Stufen). Das führt
zu baulich langen und zudem schweren Verdichtersektionen. Moderne, computerge-
stützte Auslegungsverfahren lassen heute relativ hohe Stufendruckverhältnisse von bis
zu πVStufe ≈ 1.5 zu, die zu der Tendenz führen, dass neu entwickelte Verdichter bei
gleich bleibenden oder zunehmenden Verdichterdruckverhältnissen deutlich weniger Stu-
fen aufweisen, als es noch vor ca. 10 Jahren der Fall war. Ein typisches Beispiel hierfür ist
der Verdichter des militärischen Triebwerks EJ200 (Eurofighter), der mit nur acht Stufen
ein Verdichterdruckverhältnis von 26 erreicht, was einem mittleren Stufendruckverhältnis
4.2 Verdichter 191
von 1.5 entspricht. Die Ursache für die dennoch geringen Stufendruckverhältnisse sind die
Grenzschichtverhältnisse auf den dünnen Verdichterschaufeln und auf Nabe und Gehäu-
se. Die Grenzschichten, die sich gegen den ansteigenden Druck im Verdichter entwickeln,
neigen zum Ablösen und schränken damit die mögliche Arbeitsumsetzung pro Stufe ganz
erheblich ein.
Neben der Totaldruckerhöhung im Verdichter kommt es, infolge der über die Verdich-
terbeschaufelung an die Strömung abgegebenen Arbeit, auch zu einem erheblichen Anstieg
der Totaltemperatur, sodass 600 . . . 800 K am Verdichteraustritt durchaus übliche Wer-
te sind. Zur Klarstellung der physikalischen bzw. thermodynamischen Gegebenheiten sei
hier ausdrücklich angemerkt, dass diese Temperaturzunahme nichts mit einem Wärme-
austausch zu tun hat, dafür aber ein wenig mit Reibung; Aber primär auf die Arbeit
zurückzuführen ist, die dem Verdichter über die Turbine zugeführt wird.
4.2.3.2 Mehrwellenverdichter
Verdichter können ihre höchsten Druckverhältnisse, für die sie ausgelegt sind, praktisch
auch nur bei hohen Drehzahlen (Auslegungsdrehzahl) erreichen. Im niedrigeren Dreh-
zahlbereich, wie z. B. beim Hochfahren des Verdichters, ist dieses aber nicht möglich, da
hier ein Großteil der hinteren Stufen sperren würde, d. h., die Machzahlen in der Verdich-
terbeschaufelung gehen in den Überschall, womit der maximal mögliche Massendurchsatz
erreicht wäre. Gleichzeitig käme es in den ersten Verdichterstufen zu Strömungsablö-
sungen an den Schaufeln, sodass diese am Verdichtungsprozess nicht mehr teilnehmen
würden. Man spricht in diesem Fall vom Abreißen der vorderen Verdichterstufen. Die
Folge dieses gesamten Vorganges wären gefährliche Schaufelschwingungen und das Un-
vermögen, den Verdichter in einen höheren Drehzahlbereich zu fahren. Unter Umständen
kann es auch zum so genannten Pumpen (Surge) des Verdichters kommen, ein Vorgang,
der, wird ihm nicht vorgebeugt, den Verdichter, die Brennkammer und auch die Tur-
bine erheblich schädigen kann. Das Abblasen von Verdichterluft (vgl. Abb. 4.16 unten
links) aus dem Bereich der mittleren Verdichterstufen ist hier im niedrigen Drehzahl-
bereich ein probates, wenn auch nicht unbedingt sehr effizientes Gegenmittel. Größere
Flexibilität und ein besserer Wirkungsgrad werden durch die Verwendung von Mehrwel-
lenverdichtern erreicht, Abb. 4.17. Zweiwellen- und Dreiwellenbauarten sind hier üblich.
Zweiwellenverdichter bestehen aus einem Nieder- und einem Hochdruckverdichter. Bei
Dreiwellenverdichtern ist zwischen den beiden zuvor genannten Verdichtern noch ein
Mitteldruckverdichter angeordnet. Jeder dieser Verdichter wird auf einer separaten Welle
von einer eigenen Turbine angetrieben und kann so bei seinen ganz eigenen und damit
auch besten Drehzahlen betrieben werden. Die Drehzahlen der Hochdruckteile liegen über
denen der Niederdruckteile.
Ein Hochdruckverdichter hat kürzere Schaufeln als ein Niederdruckverdichter und
ist von daher auch die leichtere Triebwerkskomponente von beiden. Da auf Grund der
fortschreitenden Kompression im Hochdruckverdichter auch die höheren Temperaturen
vorliegen, steigt hier auch das Schallgeschwindigkeitsniveau an. Demzufolge kann ein
Hochdruckverdichter auch deutlich schneller drehen als ein Niederdruckverdichter, ehe
192 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
Diffusor
Welle von der
Niederdruckturbine
Abb. 4.17 Beispiel für einen Mehrwellenverdichter (hier 2 Wellen): Rolls-Royce Tyne Turboprop
(Transall C160). Basisbild mit freundlicher Genehmigung von Rolls-Royce plc
Abblaseluft
(Surge Bleed Air) Verbraucherluft
Fanleitrad
(Customer Bleed Air)
Strut
Fanlaufrad
9. Stufe 14. Stufe
6 Stufen mit
verstellbaren Turbinenkühlluft
Leitschaufeln (Turbine Cooling Air)
7.Stufe 11. Stufe
4-stufiger Nieder-
druckverdichter
(Booster Stufen)
14-stufiger Hoch-
druckverdichter
Abb. 4.18 Leitschaufelverstellung, Abblasen und Entnahme von Verdichterluft am Beispiel des
Turbofans CF6-80C2. Bild mit freundlicher Genehmigung von General Electric Aircraft Engines
hin zu weniger als 20◦ in den letzten verstellbaren Stufen sind übliche Werte, Abb. 4.18.
Die Verwendung verstellbarer Leitschaufeln geht auf den legendären, deutschstämmigen
Vizepräsidenten von General Electric, Gerhard Neumann5 , zurück, der das erste Patent für
diese im Triebwerksbereich seinerzeit außerordentlich innovative Entwicklung bekam.
4.2.3.3 Verdichterbeschaufelung
Die einzelnen Verdichterschaufeln sind auf den Leit- und Laufrädern so nebeneinander
angeordnet, dass der – sich zwischen den Schaufeln ergebende Strömungskanal (die so
genannte Schaufelpassage) – die geometrische Form eines Diffusors hat, d. h., der durch-
strömte Querschnitt nimmt auf einer Stromfläche zwischen Schaufelein- und -austritt zu,
vgl. Abb. 4.19. Die Folge davon ist, dass die Strömung zwischen den Verdichterschaufeln
verzögert wird, ein Vorgang, der auch mit dem Begriff der Diffusion belegt wird. Durch die
Geschwindigkeitsreduzierung (Verzögerung) steigt der statische Druck in der Strömung
an, d. h., die kinetische Energie in der Strömung wird in statische Druckerhöhung gewan-
5
Gerhard Neumann (∗ 1917 †1997), der gerne den Spitznamen „Herman the German“ trug, stu-
dierte von 1936 bis1938 Maschinenbau an der Ingenieurschule in Mittweida (Sachsen) und musste
Deutschland 1938 wegen seiner jüdischen Herkunft verlassen. Nach einem wirklich abenteuerlichen
Leben, das ihn über China, wo er 1941 Angehöriger eines Freiwilligencorps wurde, aus dem 1942 die
„Flying Tigers“ entstanden, in die USA brachte (Neumann 1984), und einer extrem steilen Karriere
im Bereich der Flugantriebe, war er von 1963 bis 1979 Vizepräsident von General Electric Aircraft
Engines, wo er seit 1948 arbeitete und u. a. für die Entwicklung des Turbojettriebwerks J79 (MD F-4,
Phantom II) verantwortlich zeichnete.
194 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
delt. Ein Vorgang, der aber nicht unmittelbar mit der Totaldruckerhöhung im Laufrad zu
verwechseln ist. Dieser nimmt aufgrund der Arbeits- bzw. Energiezufuhr der rotierenden
(sich bewegenden) Schaufeln zu, deren aerodynamische Schaufel- bzw. Profilkräfte auf das
Fluid druckerhöhend wirken. Das Produkt aus Kraft F und Weg ist die Arbeit (W = F ·),
die von den Schaufeln am Fluid verrichtet wird und so schließlich den Totaldruck im Fluid
anhebt. Der statische Druck steigt dabei ebenfalls, da die Strömung (Relativströmung) in
der Schaufelpassage (einem Diffusor) verzögert wird.
Über die Beschaufelung der Laufräder wird mechanische Arbeit, die über die Welle
von der antreibenden Turbine angeliefert wird, an das Fluid – in Form von Druckener-
gie – abgegeben. Dabei haben die Laufräder die Eigenschaft, dass sie das Fluid in der
Laufradabströmung in Drall versetzen. Funktionsbedingt soll ein nachfolgendes Laufrad
aber nicht mit Drall angeströmt werden. Deswegen ist es erforderlich, dass sich zwischen
zwei Laufrädern ein Leitrad befindet, dem die wesentliche Aufgabe zukommt, den vom
Laufrad erzeugten Drall aus der Strömung herauszunehmen. Die Kombination aus Lauf-
und Leitrad wird als Stufe bezeichnet. Abbildung 3.27 zeigt den prinzipiellen Aufbau einer
solchen Verdichterstufe, zusammen mit den sich an den einzelnen Schaufeln einstellenden
Geschwindigkeitsrelationen. Obwohl sich in der Rotorbeschaufelung die Geschwindigkeit
c nach Betrag und Richtung (c2 > c1 ) ändert (Abb. 3.29), hat sie nach Verlassen des Sta-
tors wieder denselben Betrag und dieselbe Richtung wie beim Einströmen in den Rotor,
c 1 = c 3 . Eine Stufe mit dieser Eigenschaft wird als Repetierstufe bezeichnet.
Aus Kosten-, Fertigungs-, Gewichts- und Wartungsgründen ist man bei der Ausle-
gung von Triebwerken bestrebt, die Anzahl der Bauteile drastisch zu reduzieren. Für
Verdichter heißt das, dass pro Stufe mehr Arbeit umgesetzt werden soll und dass bei einem
insgesamt höheren Verdichterdruckverhältnis, das den Brennstoffverbrauch eines Trieb-
werks signifikant verringert, weniger Stufen dazu gebraucht werden sollen. So hat z. B.
der Hochdruckverdichter der PW4000 Triebwerke rund 27 % weniger Stufen als dessen
Vorgängermodell in den JT9D-Triebwerken. Das EJ200-Triebwerk des Eurofighters hat
sogar 40 % weniger Stufen als das Triebwerk RB199 (MRCA Tornado) der vorhergehen-
den militärischen Triebwerksgeneration. Dabei besteht die Tendenz, dass – im Vergleich
zu früheren Verdichtern – die gleiche Verdichterleistung mit zwar weniger, dafür aber
mit geometrisch signifikant veränderten Schaufeln erreicht wird. Die Schaufeln des ersten
Fanrotors des Triebwerks EJ200 haben eine um ca. 50 % längere Sehnenlänge als die ent-
sprechenden Schaufeln des „Vorgängertriebwerks“ RB199. Bei einem Vergleich zwischen
den Schaufeln des jeweils letzten Rotors des Hochdruckverdichters beider Triebwerke
ergibt sich sogar ein Unterschied von gut 100 %. Solche Entwicklungssprünge sind nur
durch drastisch verbesserte Verdichterbeschaufelungen zu erreichen. Dabei ist die Pro-
filform moderner Verdichterschaufel eine Art Kompromiss zwischen den zwei folgenden
klassischen Extremen:
Grenzschicht und
im weniger
g
r un gen l ausgeprägte ausgeprägte
ge rti na Strömungs- Strömungs-
r zö ora lka ablösungen ablösungen
Ve iffus ufe
d cha oß
S ter sst
h g
ec n
n kr chtu
se erdi
V kleines, rückwär-
tiges Überschall-
gebiet mit schwa-
Expansionswellen chem abschließen-
(Überschallgebiet) Profil gesteuerter Verzöge- dem Verdichtungsstoß
rung (CDA, Controlled
NACA 65-010(08) - Profil Diffusion Airfoil) Superkritisches Profil
Bei der Gestaltung einer Potenzialwirbelbeschaufelung geht man davon, dass sich die
Drallströmung spiralförmig durch die Verdichterbeschaufelung bewegt, wobei die Spi-
ralbewegung längs eines gedachten (idealen) Potenzialwirbels6 erfolgt. In einer solchen
Strömung ist die Drallkomponente der Strömung am Schaufelfuß am größten und an
der Schaufelspitze am kleinsten. Nach der Bernoulligleichung heißt das aber auch, dass
der statische Druck außen am größten ist und an der Nabe am geringsten. Potenzial-
wirbelbeschaufelungen sind außerdem so gestaltet, dass die Energieumsetzung, die über
die Aerodynamik der Schaufeln erfolgt, längs der gesamten Schaufelhöhe konstant ist.
Aus diesen Randbedingungen folgt, dass die Schaufelprofilierung im Nabenbereich stark
gewölbt ist, während sie im Blattspitzenbereich vergleichsweise flach verläuft. Im Gegen-
satz dazu ändert sich die Profilwölbung bei einer Beschaufelung mit konstanter Reaktion
über die Schaufelhöhe nur unwesentlich. Im Mittenschnitt ist sie sogar mit der Poten-
zialwirbelbeschaufelung identisch. Die Energieumsetzung über eine Beschaufelung mit
konstanter Reaktion ist höher als bei der Potenzialwirbelbeschaufelung, mit dem wesent-
lichen Nachteil, dass Schaufeln konstanter Reaktion näher am Bereich unerwünschter
Strömungsablösungen arbeiten, d. h., sie sind empfindlicher gegenüber einem Betrieb
außerhalb des eigentlichen Auslegungspunktes.
6
Unter einem Potenzialwirbel versteht man die kreisende Bewegung von Fluiden, die dem Gesetz
cu · r = const folgen. Hierin ist cu die Geschwindigkeitskomponente in Umfangsrichtung der Dreh-
bewegung und r der Drehradius. Die Geschwindigkeit cu nimmt nach außen mit 1/r ab, während sie
bei Annäherung an den Ursprung unbegrenzt zunimmt.
196 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
Die ersten Verdichterbeschaufelungen, die man verwendet hat, basierten auf systema-
tischen Untersuchungen zu Flugzeugtragflügeln. Typisch hierfür waren die Profile der
NACA 65 Serien, die in so genannten subsonischen Verdichtern zum Einsatz kamen, bei
denen überall nur Geschwindigkeiten im Bereich des Unterschalls vorliegen. Eine Weiter-
entwicklung der Beschaufelungen waren die so genannten Doppelkreisbogenprofile, die
lokal auch Geschwindigkeiten um Überschallbereich zulassen. Ähnlich wie bei der Wei-
terentwicklung von Flugzeugtragflügeln, die sich zu so genannten superkritischen Profilen
hin entwickelt haben, hat sich die Verdichterbeschaufelung – analog zu diesem Entwick-
lungsschritt – zu so genannten CDA-Profilen7 (Abb. 4.19, rechts) hingewendet. Genau wie
bei superkritischen Tragflügeln kommt es längs der Saugseite (Oberseite) zu einer kon-
tinuierlichen Strömungsbeschleunigung bis hin zum Umschlagspunkt von laminar nach
turbulent, wobei die lokalen Überschallmachzahlen im vorderen Schaufelbereich auf et-
wa 1.3 begrenzt werden. Das lokale Überschallfeld wird dadurch nach hinten durch eine
milde Schalllinie abgeschlossen und nicht durch einen verlustbehafteten Verdichtungs-
stoß, so wie es der linke Teil von Abb. 4.19 für das NACA-Profil zeigt. Durch diese Art
der strömungsmechanischen Profilgestaltung werden die lokalen Verluste minimiert, die
zwangsläufig beim Übergang vom Über- in den Unterschall entstehen, und außerdem
die Strömungsablösungen, die im hinteren Schaufelbereich in den Gebieten des dortigen
Druckanstieges – speziell hinter Verdichtungsstößen – entstehen, weiter zum Profilende
hin verschoben. Letzteres minimiert die Schaufelverluste und hebt damit gleichzeitig den
Verdichterwirkungsgrad an.
Abbildung 4.20 zeigt die Laufradbeschaufelung eines modernen Axialverdichters der
Firma MTU Aero Engines, die nach der so genannten Blisk-Technologie gefertigt wurde.
Das Kunstwort „Blisk“ ist von dem englischen Begriff „Bladed Disk“ (beschaufelte Scheibe)
abgeleitet8 . Hierbei wird durch Hochgeschwindigkeitsfräsen die Verdichterbeschaufelung
aus dem Vollen gefertigt, Abb. 4.20 unten rechts. Der Vorteil dieser Fertigungsmethode
liegt in der Gewichtseinsparung durch den Wegfall der einzelnen Schaufelfüße und ihrer
zusätzlichen Montageteile, die allesamt von der Radscheibe aufgenommen werden müssen
und dabei mehr Volumen (∼ Gewicht) einnehmen, als wenn sie integraler Bestandteil
der Scheibe wären. Durch die Blisk-Technologie können darüber hinaus auch kleinere
Räder mit einer nahezu beliebigen Anzahl von Schaufeln gefertigt werden, was früher auf
Grund der endlichen Dimensionen der Schaufelfüße nur für eine begrenzte Anzahl von
Schaufeln praktisch realisierbar war. Gefräste Blisks müssen durch Schleifen oder Läppen
nachgeglättet werden.
Anstelle des Zerspanens aus dem Vollen werden aus Kostengründen häufig auch sepa-
rat gefertigte Schaufeln durch lineares Reibschweißen auf der Scheibe aufgebracht, Adam
(1998). Hierbei können die einzelnen, bereits vollständig einbaufertigen Bauteile für den
7
CDA-Profil (Controlled Diffusion Airfoil) ist eine in den USA typische Bezeichnung, während in
Großbritannien eher der Begriff Codib-Profil (Controlled-Diffusion Blade) Verwendung findet.
8
In diesem Zusammenhang ist zum Teil manchmal auch die Abkürzung IBR (Integrally Bladed
Rotor) zu finden.
4.2 Verdichter 197
Fräskopf
Vollmaterial
gefräste Schaufeln
Radscheibe
Abb. 4.20 Beschaufelung eines Verdichterlaufrades, das bei MTU Aero Engines nach der sog.
Blisk-Technologie durch Hochgeschwindigkeitsfräsen aus dem Vollen hergestellt wurde
Blisk hinsichtlich des Materials mit optimalen Gefüge- und Festigkeitseigenschaften vor-
gefertigt werden. Durch den linearen Reibschweißprozess9 ergibt sich in der Schweißzone
– im Übergangsgebiet zwischen Schaufel und Scheibe – ein extrem feinkörniges Ge-
füge, dessen statische und dynamische Festigkeit höher ist als die des ursprünglichen
Basiswerkstoffes.
Als Material für die Leit- und Laufschaufeln und für die sie tragenden Radscheiben
finden Titanlegierungen, wie z. B. Ti A16V4, Ti 6242 oder IMI 829, auf Grund ihrer hohen
spezifischen Festigkeit Anwendung. Das Mischgefüge dieser Legierungen ermöglicht gute
statische und dynamische Festigkeiten. Titanlegierungen haben eine schlechte Wärme-
leitfähigkeit und eine hohe Kerbempfindlichkeit, was zu kurzen Riss-Entstehungs-Phasen
und schlechten Oberflächen führt.
9
Ein Oszillator erzeugt die Linearbewegung der zu schweißenden Schaufeln, ein Werkstückhalter
nimmt die Schaufeln auf, positioniert sie und überträgt die notwendigen Klemm-, Stauch- und Reib-
kräfte. Am Ende des Schweißvorganges wird der Oszillator in Sekundenbruchteilen zum Stillstand
gebracht und gleichzeitig die zu verschweißende Schaufel in ihrer Solllage mit engster Toleranz
positioniert. Nach dem Schweißen müssen die Einspannstelle und die Schweißzone noch einmal
überfräst werden.
198 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
10
Unter Bedingungen, die sofort nach dem Abheben eine Flächenenteisung erfordern, sollte aus
Sicherheitsaspekten eigentlich nicht gestartet werden.
4.2 Verdichter 199
Enteisung der Kühlluft vom Fan für den zum Flugzeug und den
Gondel-Einlauflippe Luftkühler weiteren Haupttriebwerken
Abb. 4.21 Luftführung der Verbraucherluft (Bleed Flow, Service Air) am Beispiel des Rolls-Royce
Triebwerks RB211-535E4 (Boeing B757-200/300)
werkswellen. Diese so genannte Sperrluft wird zur Abdichtung der ölgeschmierten Lager
und beim axialen Schubausgleich hinsichtlich der Lageraxiallasten benötigt. Die Küh-
lung des Kerntriebwerkgehäuses (Core Compartment Cooling) und ganz speziell die des
Hochdruckturbinengehäuses sowie die aktive Spaltkontrolle (Active Clearance Control)
der Niederdruckturbine erfolgt gewöhnlich mittels Zapfluft aus dem Fan.
Je mehr Druckluft aus dem Fan und dem Verdichter entnommen wird, umso ungün-
stiger wirkt sich dies auf deren Wirkungsgrad bzw. auf den des Triebwerks aus. Damit
verringert sich zum einen dessen Schub und zum anderen erhöht sich dessen spezifischer
Brennstoffverbrauch. Um diesen Nachteil gering zu halten, geht derzeit ein Zweig der
Triebwerksentwicklung in Richtung zu einem zapfluftfreien Triebwerk (Bleed Less En-
gine), wie es als Option beim Triebwerk Rolls-Royce RB211-100011 an der Boeing 787,
Dreamliner, zu finden ist und auch für das neue Triebwerk GEnx-1B (Boeing 787) auch
zur Verfügung12 stehen soll.
11
Das Trent 1000 Triebwerk benötigt nach wie vor einen, wenn auch vergleichsweise geringen, Teil
an vom Verdichter entnommener Zapfluft zur Enteisung der Triebwerke. Was aber im Reiseflug
nicht relevant ist.
12
Der Airbus A350 soll unter anderem mit einer abgewandelten Version des für die Boeing 787
vorgesehenen Triebwerks Trennt 1000, dem Rolls-Royce Trent 1711, ausgestattet werden. Als eine
weitere Option ist das General Electric GEnx-72A Triebwerk vorgesehen. Für den A350 sollen dabei
jedoch jeweils Triebwerksvarianten verwendet werden, die nach wie vor Zapfluft („Bleed Air“) für
die Flugzeugsysteme zur Verfügung stellen.
200 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
Radiale Antriebswelle
(radial driveshaft)
Zw
isc
he
ng
Ex etr
ter ieb
n e
es
Verkleidung Ge
internes Getriebe trie
(Internal Gearbox) be
Zwischengetriebe
(Intermediate Gearbox)
Externes Getriebe mit Hilfsgeräten
(External Gearbox and Accessory Units)
Abb. 4.22 Anordnung von Hilfsgeräteantrieben (Auxiliary Gearboxes) am Beispiel des Turbofan
RB211-22B. Basisbild mit freundlicher Genehmigung der Rolls-Royce plc
4.2.5 Hilfsgeräteantriebe
Das Hauptgetriebe (External Gearbox), das vom Triebwerk her – von der äußeren Verdich-
terwelle (Hochdruckverdichter) aus – angetrieben wird, und sich außerhalb des Triebwerks
befindet, ist die Haupteinheit des so genannten Hilfsgeräteträgers (Auxiliary Section). Hier
befinden sich und werden über das Hauptgetriebe angetrieben: Brennstoffpumpen (Hoch-
und Niederdruck), Ölpumpen, Zentrifugalölabscheider, Hydraulikpumpen, Generato-
ren zur Stromerzeugung von Flugzeug und Triebwerk, Starter, Brennstoffregelung und
Drehzahlgeber.
Abbildung 4.22 zeigt die mögliche Anordnung eines externen Getriebes am Beispiel ei-
nes zivilen Turbofantriebwerks. Die Anordnung der angebrachten Hilfsgeräte verdeutlicht
Abb. 4.23. In den häufigsten Fällen wird das externe Getriebe über eine oder mehrere radial
verlaufende Welle und ein bzw. mehrere Kegelradgetriebe von der Hochdruckwelle des
Triebwerks angetrieben. Die Anordnung der Wellen und Getriebe erfolgt dabei unter dem
Gesichtspunkt, die Frontfläche des Gesamttriebwerks und damit schließlich dessen aero-
dynamischen Widerstand (inkl. aller Hilfsaggregate) so klein wie möglich zu halten. Oft ist
das externe Getriebe aus diesem Grund auch integraler Bestandteil der Triebwerksgondel,
Abb. 4.2. Zur Reduzierung des Einbauraums und der Belastung des externen Getriebes
wird dieses auch manchmal in zwei Einheiten aufgeteilt, wie z. B. beim Rolls-Royce RB163
Spey, wobei das eine von der Hochdruckwelle und das andere von der Niederdruckwelle
angetrieben werden. Bei den Triebwerken des Typs CFM56 für die Boeing 737 ist der
Hilfsgeräteträger seitlich angebracht, Abb. 4.24, um so die erforderliche Bodenfreiheit für
Triebwerk und Gondel gewährleisten zu können. Letztere ist zum Boden hin abgeflacht
und lässt dort einen Einbau des Hilfsgeräteträgers nicht mehr zu.
4.2 Verdichter 201
Zentrifugalöl-
abscheider
Starterwelle
Hochdruckbrennstoffpumpe
Niederdruckbrennstoffpumpe Hydraulikpumpe
Abb. 4.23 Externes Getriebe mit Anordnung der Hilfsgeräte. Basisbild mit freundlicher Genehmi-
gung von Rolls-Royce plc
Die an einem externen Getriebe angeflanschten Hilfsgeräte laufen alle mit reduzierter
Drehzahl gegenüber der Triebwerkswelle. Die Untersetzungen können dabei zwischen 1:3
(z. B. Starter/Generator) und 1:5 (z. B. Ölpumpe) liegen.
Das externe Getriebe mit seinen Hilfsgeräten ist unweigerlich immer Quelle von Lecka-
gen unterschiedlicher Art. Es kann dabei zum Austritt von Brennstoff, Triebwerksöl oder
Hydrauliköl in kleinen Mengen kommen, die über Sammelleitungen und die am tiefsten
gelegene Stelle in der Triebwerksgondel an die Atmosphäre abgegeben werden, Abb. 16.64.
Die Menge, liegt sie im zulässigen Bereich eines einwandfrei funktionierenden Triebwerks,
ist winzig und unproblematisch. Die zulässige Leckagerate wird vom Triebwerkshersteller
angegeben und liegt – je nach Quelle der Leckage – zwischen 5 und 20 Tropfen pro Minute.
Der am externen Getriebe angeordnete Zentrifugalölabscheider (UK: Centrifugal Brea-
ther, US: De-Oiler), Abb. 16.62, trennt das Triebwerks-Schmieröl von der Druckluft,
die zum pneumatischen Absperren (Sperrluft) der Triebwerkslager an den Labyrinth-
oder Bürstendichtungen, Abb. 16.57, verwendet wird. Das zentrifugierte Öl wird zurück
zum Öltank geführt, Abb. 16.60, während die verbleibende Druckluft nach außerhalb des
Triebwerks abgeblasen wird. Diese Abblaseluft enthält trotz der vorhergehenden zentri-
fugalen Ölabscheidung immer noch einen gewissen Restölanteil, der wesentliche Ursache
des kontinuierlichen Ölverbrauchs eines Triebwerks ist. Dieser Ölverbrauch hängt von
202 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
Abb. 4.24 Turbofan CFM56-3 (82 . . . 98 kN Schub) mit seitlich angebrachter Auxiliary Gearbox
(Hilfsgeräteträger). Antrieb der Boeing 737-300/400/500, bei der die Hilfsgeräte nicht unter dem
Triebwerk angeordnet werden können, um die notwenige Bodenfreiheit für Triebwerk und Gondel
gewährleisten zu können. Bild mit freundlicher Genehmigung der MTU Aero Engines München
(MTU Media Pool)
der Flughöhe und der Flugmachzahl bzw. von der Triebwerksleistung ab und beträgt in
großen Höhen im Unterschallflug meist weniger als 0.1 /h, kann aber bei militärischen
Triebwerken durchaus Spitzenwerte von mehr als 2.5 /h betragen, wenn z. B. in niedri-
gen Höhen mit Überschallmachzahlen geflogen wird. So verbraucht z. B. das Triebwerk
RB 199 des Tornado-Kampfflugzeuges in einer Flughöhe von 5 000 ft Höhe und bei einer
Flugmachzahl von 1.25 gut drei Liter Öl pro Stunde, Albert (2001).
Das Öl wird von einem Tank geliefert, der entweder integraler Bestandteil des Hilfsgerä-
teträgers ist oder anderweitig als Hohlraum in der äußeren Triebwerksstruktur eingelassen
ist. Das Öl wird von Pumpen kontinuierlich zu den Triebwerkslagern gefördert und von
dort wieder zum Öltank zurück. Ein solcher geschlossener Ölkreislauf dient sowohl der
Schmierung als auch der Kühlung der Lager. Ein weiteres meist unabhängiges Ölsy-
stem schmiert und kühlt die internen und externen Getriebe und gegebenenfalls auch
vorhandene Zwischengetriebe, Abb. 4.22. Neben den bereits genannten Effekten der
4.2 Verdichter 203
Schmierung und Kühlung hat das Öl auch die Aufgabe, Metallabrieb aus dem Triebwerk
herauszuspülen.
Auf dem externen Getriebe angeflanscht sind auch die Nieder- und die Hochdruckpum-
pe sowie die Regel- und Bemessungseinheit für den Brennstoff, Abb. 4.23. Die Aufgabe
dieser Komponenten ist es, für alle Triebwerksleistungsstufen die erforderliche Brennstoff-
menge zu fördern13 , zu bemessen und in das Triebwerk einzuspritzen, und zwar so, dass
unter allen Betriebsbedingungen ein kontinuierlicher Verbrennungsprozess in den Trieb-
werksbrennkammern gewährleistet werden kann. Die dazu verwendeten Pumpen müssen
neben ihrer eigentlichen Aufgabe, der Brennstoffförderung, auch genügend hohe Drücke
erzeugen, damit der Brennstoff mit genügend guter Sprühwirkung (Zerstäubung) in die
Brennkammer eingespritzt werden kann. Der Brennstoffdruck beim Einspritzen in die
Brennkammer muss im Minimum wenigstens etwas über dem Verdichteraustrittsdruck
(Brennkammereintrittsdruck) liegen, der bei heutigen Triebwerken – je nach Triebwerks-
typ und Leistung – zwischen (20 . . . 40) · 105 Pa angesiedelt sein kann. Um zudem auch
noch eine gute Zerstäubung des Brennstoffs über die Brennstoffdüsen zu gewährleisten,
ist es aber erforderlich, einen Brennstoffdruck zu realisieren, der um einiges oberhalb des
Brennkammereintrittsdrucks liegt. Die hierzu erforderlichen Hochdruckbrennstoffpum-
pen, die heute praktisch immer als Kolben- oder Zahnradpumpen, Abb. 16.39 rechts,
ausgeführt sind, benötigen Antriebsleistungen von bis zu 50 kW. Dieser Leistungsbedarf
wird dadurch gedeckt, dass die Pumpen direkt vom Triebwerk über das externe Getriebe
(Hilfsgeräteträger) angetrieben werden, vgl. Abb. 4.23. Solchermaßen angetriebene Pum-
pen können bis zu 8 000 /h mit einem Höchstdruck von bis zu 140 · 105 Pa fördern. Den
Hochdruckpumpen sind oft Niederdruckbrennstoffpumpen vorgeschaltet, die als Kreisel-
pumpen, Abb. 16.34 links, ausgeführt sind, und deren Aufgabe es ist, durch Aufbau eines
Vordruckes die Hochdruckpumpe vor Kavitation14 zu schützen.
Der ebenfalls an dem externen Getriebe angeflanschte Starter des Triebwerks, Abb.
16.7, wird mit Druckluft angetrieben, die entweder von einer externen Quelle (Kompres-
sor) außerhalb des Flugzeugs kommen kann oder aber von der APU (Auxiliary Power
Unit, Hilfstriebwerk) im Heckkonus des Flugzeuges oder von einem der bereits laufenden
Haupttriebwerk. Ein solcher Starter besteht aus einer Turbine, die von der eingeblase-
13
Zum Triebwerk hin wird der Brennstoff aus den Flugzeugtanks, die sich in den Flügeln, im
Zentralrumpf zwischen den Flügeln und evtl. auch im Leitwerk befinden, mittels in bzw. an den
Tanks angeordneten Pumpen zum Triebwerk gefördert. Diesen Teil der Brennstoffanlage nennt man
den primären Teil. Die am Triebwerk selbst angeordneten Komponenten stellen den so genannten
sekundären Teil der Brennstoffanlage dar.
14
Zur Vermeidung lokaler Verdampfungen in den Pumpen an Orten hoher Strömungsgeschwindig-
keiten soll der statische Druck des Brennstoffs nicht unter den Dampfdruck absinken. Andernfalls
würden sich lokale Dampfblasen ausbilden, die sich stromab, in Gebieten ansteigenden Druckes, wie-
der auflösen und dabei von der umgebenden Flüssigkeit bei sehr hohen lokalen Beschleunigungen
aufgefüllt werden. In der Nähe umströmter Wandungen führt dieser Vorgang zu Erosionserschei-
nungen (Auswaschung, Abtragung) des Wandmaterials und damit schließlich zu einer Zerstörung
des Bauteils. Dieser Gesamtvorgang wird als Kavitation bezeichnet.
204 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
Dmax
nen Druckluft angetrieben wird und über ein Untersetzungsgetriebe auf die Radialwelle
des externen Getriebes wirkt (Abb. 4.23) und so schließlich den Hochdruckverdichter des
Triebwerks in Rotation versetzt. Wenn nach dem Zuschalten der Brennkammer (Brenn-
stoffzufuhr und Zündung) das Triebwerk eine solch stabile Drehzahl erreicht hat, von
der aus es selbstständig und ohne weitere externe Hilfe hochfahren kann (Self-Sustaining
RPM), wird der Startermotor, nach dem Abschalten der Fremdzündung (Ignition Off )15 ,
über das Untersetzungsgetriebe aus dem externen Getriebe ausgekuppelt, Abb. 16.7. Bei
zivilen Flugzeugen erfolgt der Triebwerksstart gewöhnlich mittels von der APU16 kom-
mender Druckluft. Ist erst eines der Haupttriebwerke in Betrieb, so kann dort Druckluft
abgezapft und mit dieser dann die weiteren Haupttriebwerke gestartet werden.
Auf dem Hilfsgeräteträger sind auch Aggregate angeordnet, die primär nichts mit dem
Triebwerk direkt zu tun haben. Hierbei handelt es sich speziell um die Pumpen des Flug-
zeughydrauliksystems und um die Generatoren zur Stromerzeugung für das Flugzeug. Die
elektrische Versorgung des Triebwerks selbst erfolgt über einen eigenen Generator, der
sich ebenfalls auf dem Hilfsgeräteträger befindet, Abb. 4.23.
Mittels Abb. 4.25 sollen die wesentlichen Vorteile eines Axialverdichters gegenüber
einem Radialverdichter bei Triebwerken mit Luftmassenströmen größer als 20 kg/s her-
vorgehoben werden. Dazu werden ein Triebwerk mit Radialverdichter und eines mit
Axialverdichter betrachtet. Bei gleichen Triebwerksaußendurchmessern Dmax können
dann folgende Aussagen gemacht werden:
15
Ein stabil laufendes Triebwerk ist nicht auf eine Fremdzündung über eine Zündkerze ange-
wiesen. Der Verbrennungsvorgang in der Brennkammer läuft so ab, dass eine kontinuierliche
Selbstentzündung des Brennstoffs gewährleistet ist.
16
Die APU ihrerseits wird – genau wie beim Auto – über einen elektrisch angetriebenen Starter
gestartet. Der Strom dazu wird aus im Flugzeug befindlichen Batterien bezogen.
4.2 Verdichter 205
Abb. 4.26 links Vergleich der Wirkungsgrade von Radial- und Axialverdichtern, rechts Abhängig-
keit des spezifischen Brennstoffverbrauchs eines Einstromtriebwerks von seinem Verdichterdruck-
verhältnis
Wird die letzte Aussage auf die Abhängigkeit des spezifischen Brennstoffverbrauchs BS
vom Verdichterdruckverhältnis πV übertragen, Abb. 4.26 rechts, so kann daraus folgende
Aussage formuliert werden:
Demzufolge stellt bei gleichem Triebwerksaußendurchmesser Dmax und bei gleichem Ver-
dichterwirkungsgrad ηV der Axialverdichter hinsichtlich des Triebwerksschubs und des
spezifischen Brennstoffverbrauchs die bessere Lösung dar.
Die genannten Vorteile des Axialverdichters liegen immer dann signifikant vor, wenn
der zu verarbeitende Massenstrom deutlich größer als 15 . . . 20 kg/s ist. Sind die Mas-
senströme kleiner, so wird praktisch immer der Radialverdichter bevorzugt werden, vgl.
hierzu die weitergehenden Ausführungen unterhalb von Abb. 2.7 in Kap. 2.
Natürlich gibt es auch Nachteile, die ein Axialverdichter gegenüber einem Radialver-
dichter hat, diese sind:
• mehr Einzelteile (auf Grund zahlreicher Radscheiben mit vielen Schaufeln und
zugehörigen Kleinteilen)
• mehr Fertigungsaufwand (wegen der vielen Einzelteile)
• mehr Gewicht
• mehr axiale Baulänge
• geringere Robustheit (dünne Schaufeln, die durch Schwingungen und in den Verdichter
eindringende Fremdkörper gefährdet sind)
4.3 Brennkammer
Die Aufgabe einer Brennkammer ist es, ein Gemisch aus Luft und Brennstoff zu verbrennen
und damit die im Brennstoff enthaltene chemische Energie in Wärme zu wandeln. Ein Vor-
gang, der sich vergleichsweise einfach anhört, der aber bei der Entwicklung der Gasturbine
Probleme aufgeworfen hat, wie es bei keinem anderen seiner Bauteile der Fall war. Ein Maß
für die im Brennstoff enthaltene chemische Energie ist der so genannte spezifische Heiz-
wert Hi 17 . Das Heißgas, das die Brennkammer verlässt, soll der anschließenden Turbine
mit einer möglichst gleichförmigen Temperatur- und Geschwindigkeitsverteilung – längs
17
Der spezifische Heizwert, kurz auch nur Heizwert genannt, Hi (der Index i steht hier für inferior,
lateinisch: unterer) wurde früher auch als unterer Heizwert Hu bezeichnet. Der Heizwert Hi ist die bei
einer Verbrennung maximal nutzbare Wärmeenergie pro Masseneinheit, bei der die zusätzlich auf-
zuwendende Energie zur Verdampfung des im Brennstoff enthaltenen Wassers nicht mit einbezogen
ist. Das unterscheidet ihn vom Brennwert Hs (der Index s steht hier für superior, lateinisch: oberer),
4.3 Brennkammer 207
des durchströmten Ringraums – zugeführt werden. Dabei darf die Heißgastemperatur die
zulässige Höchsttemperatur für die Turbinensektion, die heute zumeist luftgekühlt ist,
nicht überschreiten. Die zulässige Höchsttemperatur resultiert aus den verwendeten Tur-
binenwerkstoffen und der Effektivität der zum Einsatz kommenden Kühlungstechniken
für die Beschaufelung, der sie tragenden Radscheiben und des sie umgebenden Gehäuses.
Zur Einleitung des chemischen Verbrennungsprozesses wird flüssiger Brennstoff (Ke-
rosin)18 in einen Teil des vom Verdichter kommenden Luftstroms eingespritzt, dort
vermischt, feinstzerstäubt und zur Vorbereitung für den eigentlichen Verbrennungsvor-
gang vorverdampft. Dieser Vorgang benötigt zum einen Zeit und zum anderen Platz.
Und gerade Platz ist es, der in Triebwerken im Allgemeinen rar ist, sodass bei Brenn-
kammerentwicklungen größter Wert auf kompakte Abmaße und schnelle Komplettierung
des gesamten Verbrennungsvorganges gelegt wird. Ein Maß hierfür ist die sog. Verbren-
nungsintensität (Combustion Intensity or Space Heat Release Rate, SR), mit der die in der
Brennkammer freigesetzte Wärmeenergie Qzu auf den Brennkammereintrittsdruck pt3 und
das Brennkammervolumen VBK bezogen wird. Ein typischer Triebwerkswert im Boden-
standfall ist etwa SR = Qzu /(pt3 · VBK ) = 0.5 W/(Pa · m3 ), der damit etwa 100-mal so hoch
ist wie bei einer Verbrennung in einem stationären Brennraum. Ursächlich hierfür sind die
höheren Drücke bzw. Luftdichten in den Triebwerksbrennräumen und der deutlich grö-
ßere Aufwand, der bei der Kraftstoffeinspritzung, dessen Feinstzerstäubung, Vermischung
mit der Luft und bei der Verdampfung betrieben wird.
Beim Verbrennungsprozess in einer Triebwerksbrennkammer wird eine Zündkerze
nur zur Einleitung des Verbrennungsprozesses – also beim Triebwerksstart – benötigt,
danach wird die stabile Flammenentwicklung durch eine permanente Selbstentzündung
gewährleistet19 , deren Grundlage die Erzeugung einer geschützten Zone am Anfang der
Brennkammer ist, in der geringe Geschwindigkeiten, Drallströmungen und sehr hohe
Turbulenzen mit Rückströmungsbereichen vorliegen.
der früher oberer Heizwert Ho genannt wurde, und der deshalb zahlenwertmäßig auch größer als
der Heizwert ist.
18
Kerosin ist ein Brennstoff, der dem Dieselkraftstoff sehr nahe kommt und im zivilen Flugzeug-
bereich die Bezeichnungen JET A, JET A-1 oder JET B hat. Im militärischen Bereich sind die
Bezeichnungen JP-4 oder JP-5 zu finden (JP = Jet Propellant). Wesentliche Unterscheidungsmerk-
male bei diesen Kerosinen sind ihr Flammpunkt und ihr Dampfdruck, zwei sicherheitsrelevante
Eigenschaften für Flugzeuge, von denen die Selbstentzündung des Brennstoffes am Boden und die
Dampfblasenbildung in den Kraftstoffleitungen bei schnellen Höhenänderungen beeinflusst wer-
den. Im Vergleich zu Dieselkraftstoffen haben die Kerosine niedrigere Gefrierpunkte, die zwischen
− 40 ◦ C (JET A) und − 60 ◦ C (JET B) liegen.
19
In Sonderfällen, wie bei starkem Schnee oder Regen, wird die Zündkerze aus Sicherheitsgründen
vom Piloten ebenfalls zugeschaltet.
208 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
Abb. 4.27 Brennkammerbauformen, die von links nach rechts auch die Entwicklungsgeschichte
dieser Triebwerkskomponente darstellen. Brennkammerbilder mit freundlicher Genehmigung von
Rolls-Royce plc
Abbildung 4.27 zeigt die drei wesentlichen Typen von Brennkammern. Der älteste Typ ist
die links im Bild dargestellte Rohrbrennkammer. Hierbei sind die separaten Brennräume
um die Welle herum angeordnet, die Turbine und Verdichter verbindet. Der gesamte vom
Verdichter kommende Luftstrom wird in einzelne Luftströme aufgeteilt und den Brenn-
kammern zugeführt. Der kleinere Teil des jeweiligen Luftstroms (Primärluft) wird in die
eigentlich Brennzone (Flammrohr) hineingeleitet20 , währende der größere Anteil (Sekun-
därluft) die Brennkammerflammrohre kühlt und später, im hinteren Brennkammerteil
dem Primärstrom zugemischt wird, sodass die eigentliche Brennkammeraustrittstempera-
tur erreicht wird. Die Kombination des rechts in Abb. 4.12 dargestellten Radialverdichters
mit diesem Typ von Brennkammer ist vorteilhaft, da der Verdichter in seinen Diffuso-
ren die notwendige Aufteilung der Luftströme bereits herbeiführt. Von den einzelnen
Brennräumen sind nur ein oder zwei mit einer Zündkerze versehen. Nach deren Zündung
kann die Flamme dann über so genannte Durchzündrohre zu den anderen Brennräumen
durchschlagen. Beispiele für Triebwerke mit Rohrbrennkammer sind der Allison J33 Tur-
bojet (Lockheed T-33 Trainer), der über vierzehn separate Brennräume verfügte, und der
20
Für eine vollständige, stöchiometrische Verbrennung wird etwa 14.7-mal so viel Luftmasse mehr
benötigt als an Brennstoffmasse in die Brennkammer eingespritzt wird.
4.3 Brennkammer 209
Rolls-Royce Dart Turboprop (Fokker F27) mit sieben Brennräumen. Wegen ihres erheb-
lichen Gewichts, Volumens und Querschnittes finden Rohrbrennkammern heute keine
Anwendung mehr im Triebwerksbau.
Separate Brennräume sind dennoch weiterhin im Gebrauch und zwar in Form von
sog. Ring-Rohr-Brennkammern, Abb. 4.27 Mitte. Diese Art von Brennkammer war in der
Vergangenheit der im Flugzeug bzw. Triebwerksbau am meisten verwendete Typ (z. B.
RR Tyne Turboprop, PW JT8D Turbofan, GE J79 (CJ805-3) Turbojet), ist aber heute
generell von den Ringbrennkammern, Abb. 4.27 rechts, abgelöst worden. Bei der Ring-
Rohr-Brennkammer können bei gleichem Außendurchmesser mehr Brennräume auf dem
Umfang angeordnet werden als bei der Rohrbrennkammer. Außerdem kann der Bereich
für die Sekundärluft (Kühlluft) strömungsmechanisch besser, d. h. verlustärmer gestaltet
werden. Im Allgemeinen fallen Ring-Rohr-Brennkammern zudem leichter und kürzer aus
als Rohrbrennkammern. Schwierig bei beiden Brennkammertypen ist es aber, über den ge-
samten Umfang des Brennkammeraustritts eine weitestgehend gleichmäßige Temperatur-
und Druckverteilung zu realisieren, was erheblichen Einfluss auf den Wirkungsgrad der
nachfolgenden Turbine hat.
Eine in nahezu jeder Beziehung bessere Lösung stellt die Ringbrennkammer dar, die
sich kompakt (kurz, mit geringem Durchmesser) und vergleichsweise einfach konstruieren
und bauen lässt und darüber hinaus auch noch geringe strömungsmechanische Verlu-
ste aufweist. Nachteilig sind aber Festigkeitsprobleme, da diese Brennkammern unter
Wärmeeinfluss zu Verwerfungen am inneren und äußeren Flammrohr neigen. Auch die
Wartung und Reparatur gestaltet sich aufwendiger, da nicht – wie früher – nur einzel-
ne Flammrohre auszutauschen sind, sondern nun die gesamte Brennkammersektion. Bei
der Entwicklung von Ringbrennkammern, die – wie alle anderen Brennkammern auch –
praktisch immer nur experimentell erfolgt, tun sich ebenfalls Probleme auf, will man sie
als Ganzes untersuchen. Die dazu notwendigen großen Luftmengen hohen Drucks, wie
sie am Brennkammereintritt eines modernen Triebwerks gewöhnlich vorliegen, sind nur
schwer bis gar nicht bereitzustellen. Bei den anderen Brennkammertypen beschränkt sich
die Entwicklung dagegen nur auf einen einzigen Brennraum.
Eine weitere Art von Brennkammer ist die so genannte Umkehrbrennkammer (Annular
Reverse-Flow Combustor), die häufig in kleineren Triebwerken zu finden ist (z. B. PW JT-
15D Turbofan, PWC PT-6A-34 Turboprop oder Avco Lycoming T-53/55 Turboshaft).
Abbildung 4.28 zeigt ein Beispiel für diese Bauform. Vor einer solchen Brennkammer
befindet sich gewöhnlich immer ein Radialverdichter, an dessen äußerem Austrittsdurch-
messer sich so unmittelbar die Brennkammer anschließen kann. Diese Kombination von
Radialverdichter und Brennkammer ist vorteilhaft, da zur Verbrennung ein bestimmtes
Brennkammervolumen erforderlich ist, das verlangt, dass die Brennkammer einen nicht
zu unterschreitenden Mindestdurchmesser von ca. 350 . . . 400 mm haben sollte. Unter-
halb der Brennkammer befindet sich dann die Turbine. Ein in Axialrichtung kompakteres
Triebwerk ist die Folge. Der Unterschied zu den davor beschriebenen axial durchströmten
Bauformen ist, dass die Umkehrbrennkammer von hinten mit Luft versorgt wird. Dabei
umströmt die Luft das gesamte Flammrohr, wodurch sie vorgeheizt und das Flammrohr
210 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
Kraftstoff-
zufuhr
Diffusor
Abgas
N2-Hochdruckturbine N1-Niederdruckturbine
Arbeitsturbine
(Wellenleistung)
Turbine für den
Gasgenerator mechanisch ent-
koppelte Doppelturbinen
Verdichter- Abgas
austrittsluft
Abb. 4.28 Umkehrbrennkammer am Beispiel des Turboprops PWC PT6A-34. Basisbild mit
freundlicher Genehmigung der Pratt & Whitney Canada Corp.
gekühlt wird. Die Strömungsrichtung innerhalb der Brennkammer ist dann umgekehrt zur
Hauptströmungsrichtung des Triebwerks. Am Austritt der Brennkammer wird das Abgas
wieder um 180◦ umgelenkt und zur Turbine geführt. Strömungsmechanisch nachteilig
ist zwar das zweimalige Umlenken der Luft im Brennkammerbereich, wird aber durch
deren Vorheizen (bessere Verbrennung) und die Kompaktheit des Triebwerks (geringeres
Gewicht) ausgeglichen.
Kraftstoffleitung
Kraftstoff-
drainageleitung
äußere Ein- Zündkerze
Brennstoffdüse laufhaube äußeres Flammrohr
Dom
Strut
Diffusor
inneres Flammrohr
innere
Einlaufhaube Kühlluft-
öffnungen
Abb. 4.29 Hauptkomponenten einer Brennkammer am Beispiel des CF6-80C Turbofan (Boeing
B767-300). Basisbild mit freundlicher Genehmigung von General Electric Aircraft Engines
Der Verbrennungsraum (Combustion Zone) ist der Teil einer Brennkammer, der sich
zwischen Dom und innerem und äußerem Flammrohr befindet. Alle diese Elemente sind
in Abb. 4.29 dargestellt.
Aufgabe des Eintrittsdiffusors ist es, die Geschwindigkeit der aus dem Verdichter
kommenden Luft zu reduzieren, dabei die kinetische Energie der Strömung (dynami-
scher Druck) in statische Druckerhöhung zu wandeln und anschließend dem Brennraum
möglichst gleichmäßig verteilt zuzuführen.
Das Einlaufgehäuse teilt den Luftstrom in zwei Teilströme auf, die Primärluft, die den
zur Verbrennung notwendigen Sauerstoff in den Bereich des Domes bzw. der Kraftstoff-
düse liefert, und die Sekundärluft, die zur Vermischung und Kühlung in das Flammrohr
und um das Flammrohr herumgeführt wird. Am Ende des Flammrohrs sind Primär- und
Sekundärstrom dann wieder ein gemeinsamer Strom. Es fließt ab dann nichts mehr au-
212 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
Luft
Brennstoff
Brennstoff/Luft-Gemisch
Abb. 4.30 Aufbau eines Brennkammerdoms mit Drallgebern zur Flammenstabilisierung; links
Ältere Bauweise eines Doms in Rohrbrennkammern, rechts Modernere Air-Fuel-Spray-Nozzle.
Basisbilder mit freundlicher Genehmigung von Rolls-Royce plc
ßen an der Brennkammer vorbei. Das Einlaufgehäuse, das den Dom umschließt, wirkt
strömungsmechanisch wie eine Fortführung des vorgeschalteten Eintrittsdiffusors.
Der Dom hat die Aufgabe, in der Umgebung der Kraftstoffdüse einen Bereich hoher
Turbulenz zu erzeugen, in dem der eingespritzte Kraftstoff zerstäubt und intensiv mit der
Luft vermischt wird. Dazu werden so genannte Drallgeber oder Drallrosen verwendet, die
die Primärluft um die Kraftstoffdüse herum in Rotation versetzen, Abb. 4.30. Im linken
Bildteil ist eine ältere Konstruktion zu sehen und im rechten Bildteil ein modernerer
Aufbau, bei dem der Drallgeber in der Kraftstoffdüse integriert ist. Die Beschriftung in
Abb. 4.29 weist darauf hin, dass solche Drallgeber auch in primäre und sekundäre Bauteile
unterteilt werden können.
Bei älteren Bauarten von Kraftstoffdüsen wurde die Zerstäubung des Brennstoffs durch
einen hohen Kraftstoffdruck in Verbindung mit Tangentialbohrungen erreicht (Abb.
11.20), die den Brennstoff mit Drall zentral in die Brennkammer eintreten lassen, Abb. 4.30
links (Pressure Atomizer). Die dazu notwendigen Kraftstoffdrücke lagen bei etwa bei
35 · 105 Pa (500 psi) über dem Brennkammerdruck. Wegen dieses hohen Drucks kam
es häufig zu Leckagen im Kraftstoffsystem. Darüber hinaus mussten sehr schwere und
leistungsfähige Kraftstoffpumpen installiert werden. Die rechts in Abb. 4.30 dargestell-
te Kraftstoffdüse (Airblast Atomizing Fuel Injector), Abb. 11.23 und 11.24, kommt mit
geringeren Kraftstoffdrücken im Bereich von 3.5 · 105 . . . 14 · 105 Pa über dem Brenn-
kammerdruck aus. Dabei wird zusätzlich aus dem Verdichter kommende Luft in den
Brennstoffstrahl geblasen, sodass es infolge der dadurch zusätzlich zugeführten kine-
tischen Energie zu einer guten Zerstäubung kommt. Diese Art der Brennstoffzufuhr
(Airblast Atomizer), Abb. 11.23, ermöglicht auch bei kleinen Brennstoffvolumenströmen
eine vergleichsweise gute Zerstäubung, was mit den älteren Typen von Kraftstoffdüsen
4.3 Brennkammer 213
innerer Brennstoffzufuhr
Wärme-
schutz-
Drallgeber (swirler)
mantel
Verdich-
terluft
Verdich- zerstäubtes
terluft Brennstoff/Luft-Gemisch
Verdichterluft
(Pressure Atomizer), Abb. 11.21, nicht möglich war. Abbildung 4.31 zeigt eine solche
Brennstoffdüse am Beispiel der des Triebwerks IAE V2500. Zur Zerstäubung verwendet
die Düse drei drallbehaftete Strahlen. Der zentrale und der äußere Strahl sind vom Ver-
dichteraustritt kommende Druckluft, zwischen denen der Brennstoffstrahl angeordnet ist.
Auch wenn es in Abb. 4.31 nicht zu erkennen ist, so wird dennoch auch der Brennstoff-
strahl durch Drallgeber in Rotation gesetzt. In Flugtriebwerken findet heutzutage diese Art
der Luftstrahlzerstäubung breite Anwendung, da sie gegenüber der reinen Druckzerstäu-
bung – bei vergleichsweise geringem Brennstoffdruck und über einen weiten Bereich von
Brennstoffvolumenströmen – eine ausgezeichnete Zerstäubung gewährleistet.
Neuere Entwicklungen gehen zu zweistufigen Brennkammern (Double-Annular Com-
bustor) über, die sich aus zwei Ringbrennräumen zusammensetzten und deswegen auch
mit zwei Kraftstoffdüsen ausgestattet sind, Abb. 4.32. In solchen Brennkammern soll die
Temperatur bei Volllast zwischen Brennkammereintritt und -austritt auf 1 300 . . . 1 700 K
angehoben werden können. So etwas ist effektiv und schadstoffarm nur dann zu erreichen,
wenn mit zwei Brennräumen und mit jeweils separaten Kraftstoffdüsen unterschiedlichen
Brennstoffdurchflusses gearbeitet wird. Größte Schadstoffemissionen treten auf, wenn
Triebwerke deutlich außerhalb ihrer Auslegungsdrehzahl laufen, wie z. B. beim Starten
oder im Leerlauf. Mit mehreren Brennstoffdüsen können so in allen Laststufen mög-
lichst vollkommene Verbrennungen erreicht werden. Die hinsichtlich der Triebwerksachse
außen liegende, so genannte Pilot-Stage einer solchen Brennkammer, die das größere Vo-
lumen von den beiden Brennräumen aufweist, kommt allein bei Triebwerkszuständen mit
kleineren Luftdurchsätzen – speziell im Reiseflug – zum Einsatz. Bei größeren Luftmas-
senströmen – speziell beim Starten und Steigen – wird dann der innere Brennraum, die
so genannte Main Stage, zugeschaltet. Der Diffusor vor der Brennkammer ist als Split
Diffuser ausgeführt, sodass der kleinere, vom Verdichter kommende Luftstrom zur außen
214 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
außen
doppelwandiges,
‚‚geschindeltes“ Flammrohr
Steuerstufe
(Pilot Stage)
tstufe
Haup Stage)
(Main
Abb. 4.32 Doppel-Ringbrennkammer von General Electric für die E3 -Engine (Energy Efficient
Engine). Basisbild mit freundlicher Genehmigung der Lufthansa Technischen Schule
liegenden Vorstufe geführt wird, während der größere Anteil des Luftmassenstroms zur
innen liegenden Hauptstufe strömt. Der erhöhte Luftmassenstrom durch die Hauptstufe
bedeutet ein mageres Brennstoff/Luft-Gemisch, was schließlich während des Startens und
Steigens die Schadstoffe in Form von Stickoxiden (NOX ) reduziert. Der innere Brennraum
ist dahingehend optimiert, dass er die Schadstoffe der niedrigeren Triebwerksleistungsstu-
fen minimiert, d. h., die Kohlenmonoxide CO und die unverbrannten Kohlenwasserstoffe
UCH. Das Flammrohr dieser Brennkammern ist wegen der hohen Temperaturen neben
der üblichen Kühlung zusätzlich mit Schindeln aus warmfesten Material ausgekleidet. Eine
Maßnahme, die heute in vielen modernen Brennkammern zu finden ist.
Abbildung 4.33 zeigt den wesentlichen Aufbau der Luftverteilung in und um eine
Brennkammer herum. Dabei können vier wesentliche Luftströme unterschieden werden:
Die effektive Steuerung dieser Luftverteilung ist wesentlich zum Erreichen einer vollständi-
gen, schadstoffarmen Verbrennung. Darüber hinaus werden dadurch das stabile Arbeiten
der Brennkammer, die richtige Brennkammeraustrittstemperatur und -verteilung und eine
vertretbare Flammrohrtemperatur hinsichtlich einer langen Standzeit gewährleistet.
4.3 Brennkammer 215
Primärzone Mischungszone
Kühlluft
Brennstoff ft
Mis
ärlu
Prim
chl
Zwischenluft
uft
uft
Primär- ft
chl
luft nlu
he
isc
Mis
Zw
Pri
mä
rlu
ft
Kühlluft
Brennstoffdüse
vom Radialverdichter
zur Turbine
Abb. 4.34 Strömung in einer einzelnen Schnittebene einer Umkehrbrennkammer, wie sie z. B. im
Triebwerke PW 209 zum Einsatz kommt. Die kleinen Pfeile innerhalb des Brennraums geben die
Strömungsrichtung und durch ihre Länge den Geschwindigkeitsbetrag an, P&W Canada
reich des Doms erfährt, erzeugt durch die Rotation ein Unterdruckgebiet in seiner Mitte,
also im Bereich der Kraftstoffdüse. Dieses Unterdruckgebiet saugt den restlichen, weiter
außen strömenden Teil der Primärluft an. Durch die Flamme, die sich durch die Verbren-
nung in diesem Bereich ausbildet, wird die angesaugte Luft so stark erhitzt, dass sie den
eingespritzten Brennstoff ohne Benutzung einer Zündkerze entflammen kann. Primär-
luft und Brennstoff stehen hier mengenmäßig in einem Verhältnis von etwa 14.7:1, was
theoretisch einer stöchiometrischen, d. h. vollständigen Verbrennung entspricht. In Praxis
liegen aber in der Primärzone noch ganz erhebliche Mengen an Kohlenmonoxid (CO)
und unverbrannten Kohlenwasserstoffen (UCH) vor. Um diese Anteile zu senken und
Restbrennstoff zu verbrennen, wird in manchen Brennkammern über eine zweite Reihe
von Öffnungen im Flammrohr Zwischenluft bzw. zusätzlicher Sauerstoff zugeführt und
durch die dabei auftretende Temperaturabsenkung – infolge Vermischung – die CO- und
UCH-Konzentrationen abgebaut. Viele moderne Brennkammern müssen auf die Zwi-
schenluftzone verzichten, da sie die Luft für andere Zwecke, nämlich zur Kühlung des
Flammrohrs, dringender benötigen. Im hinteren Bereich der Brennkammer wird schließ-
lich Mischluft zur Absenkung der hohen Temperatur des Verbrennungsgases – das aus
der Primärzone kommt – zugeführt. Dabei muss die Zufuhr so gesteuert werden, dass
die Turbine hinsichtlich ihrer Beaufschlagung in Umfangsrichtung mit einer möglichst
gleichmäßigen Temperaturverteilung versorgt wird, was sich schließlich günstig auf den
Turbinenwirkungsgrad auswirkt. Darüber hinaus soll die Temperaturverteilung in Radial-
richtung so gestaltet sein, dass es zu keiner übermäßigen Belastung der Turbinenschaufeln
kommt. Dies erfordert geringere Temperaturen am Schaufelfuß (Materialspannungen sind
hier am größten) und an der Schaufelspitze (Schutz der Anlaufmaterialien am Gehäuse).
Kühlluft wird schließlich zum Schutz des Doms und der Flammrohrwandungen vor
der hohen Brennzonentemperatur benötigt. Diese Luft strömt nahezu tangential in das
Flammrohr ein und legt sich wie ein Schutzfilm über die Flammrohrwandung, was man
als Filmkühlung bezeichnet. Typische Materialien für Flammrohre können theoretisch bis
ca. 1 250 K ohne Kühlung thermisch belastet werden (z. B. Hastelloy X, ρ = 8 169 kg/m3 ,
eine Superlegierung auf Nickelbasis). In der Brennzone entstehen aber Temperaturen von
≈ 2 300 K, was die Verwendung von Kühlluft erforderlich macht. Die Kühllufttemperatur
beträgt im Allgemeinen etwa 900 K.
Die Vollständigkeit der Verbrennung liegt bei heutigen Triebwerken und hohen Lei-
stungsstufen (Take-Off ) bei etwa 99 % und fällt zu niedrigeren Leistungsstufen hin (Idle)
auf etwa 95 % ab. Der Schadstoffanteil (Kohlenmonoxid CO, Stickoxide NOx , unverbrann-
te Kohlenwasserstoffe UCH und Rauch/Kohlepartikel) erreicht hierbei Werte zwischen
0.04 und 0.13 % (Gewichtsprozente). Die Tab. 4.1 zeigt beispielhaft, welche Werte für die
Abgaszusammensetzung heutiger Turbofantriebwerke typisch sind.
Unverbrannte Kohlenwasserstoffe UCH und Kohlenmonoxid CO entstehen im We-
sentlichen bei den kleineren Leistungsstufen des Triebwerks in der Nähe der Wandung des
Flammrohres. Hier unterdrückt die seitlich eindringende Kühlluft die vollständige Ver-
brennung dadurch, dass zu diesem Zeitpunkt die Kraftstoffzerstäubung noch ungenügend
und die Brennkammertemperaturen noch vergleichsweise gering sind. Stickoxide NOx
sind immer das „natürliche Nebenprodukt“, wenn Brennstoff (Kohlenwasserstoffe CH)
bei hohen Drücken und sehr hohen Temperaturen verbrannt wird, also bei Temperaturen,
die im Triebwerk aus Leistungsgründen (Starten und Steigen) und wegen des geringeren
Brennstoffverbrauchs gezielt erzeugt werden. Von daher konzentriert man sich bei der
Schadstoffreduktion speziell auf die Reduzierung der Stickoxide, Eckardt und Eggebrecht
(1991).
4.4 Turbine
Aufgabe der Turbine ist es, dem aus der Brennkammer kommenden und mit hohem
Druck und hoher Temperatur ausgestatteten Heißgas diese Energie zu entziehen und in
Wellenleistung zu wandeln. Dabei nehmen Druck und Temperatur ab. Die Leistung wird
über eine gemeinsame Welle auf den zugehörigen Verdichter übertragen. Vom Verdich-
terbereich wird ein Teil dieser Leistung über den Hilfsgeräteabtrieb (vgl. Abb. 4.22 und
4.23) an angeschlossene Hilfsaggregate (Kraftstoffpumpen, Hydraulik- und Ölpumpen,
Generatoren, Kraftstoffregler, etc.) abgegeben. Dieser Leistungsanteil kann bei modernen
Zweikreistriebwerken 300 . . . 400 kW betragen.
Nahezu drei Viertel der gesamten nach der Brennkammer zur Verfügung stehenden
Energie werden für den Verdichterantrieb benötigt. Das verbleibende Viertel wird bei
Strahltriebwerken in einer anschließenden Schubdüse in kinetische Energie gewandelt oder
218 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
Abb. 4.35 Turbine des IAE V2500 Turbofan (Airbus A319/A320/A321) mit Turbinenkühlung und
aktiver Spaltkontrolle. Basisbild mit freundlicher Genehmigung der MTU Aero Engines in München
21
Im englischen Sprachgebrauch wird das erste Leitrad vor einer Turbine als Nozzle-Guide Vane
bezeichnet. Die Leiträder innerhalb der folgenden Turbine heißen dann nur Vanes. Besteht eine
Turbine aus einer Hoch- und einer Niederdruckturbine, so werden jeweils die Statoren zu Beginn
des Hoch- und des Niederdruckteils als Nozzle-Guide Vanes bezeichnet.
4.4 Turbine 219
Rotorbeschaufelung
Statorbeschaufelung
3. Stufe
Abbau von
Totaldruck pt und
Totaltemperatur Tt
Abb. 4.36 Prinzipielle Anordnung der Beschaufelung in einer mehrstufigen Turbine, zusammen
mit der Geschwindigkeitsänderung im Absolutsystem (d. h. vom Gehäuse aus gesehen) und mit dem
Verlauf von statischem und Totaldruck (Druckabbau in der Turbine)
von Turbinenstufen. Die Rotoren der Turbine, die auf der Turbinenwelle angeordnet sind,
treiben einen Verdichter, einen Propeller oder Ähnliches an. Turbinen- und Verdich-
terwelle sind ohne Kupplung und/oder Getriebe miteinander verbunden. Eine Turbine
ist eine antreibende Turbomaschine, die auch als Turbokraftmaschine bezeichnet wird.
Die Strömung durch eine Turbinenbeschaufelung ist einer Düsenströmung ähnlich (Abb.
3.22), bei der es zu einer Zunahme von Geschwindigkeit und Volumen kommt. Die dabei
eintretende Dichteabnahme des Heißgases ist dieser Volumenzunahme direkt proportio-
nal. Demzufolge vergrößert sich auch der axiale Strömungskanal einer Turbine, so wie
es Abb. 4.35 erkennen lässt. Ein Turbinenlaufrad muss mit erheblichem Drall angeströmt
werden, um effektiv arbeiten zu können. Deshalb ist die erste Beschaufelung einer Turbine
ein Leitrad (Stator), das diesen Drall erzeugt. Da die Strömung das Laufrad mit keinem bzw.
mit nur wenig Drall verlässt, wird dem Laufrad ein Leitrad nachgeschaltet, das den Drall,
den das darauf folgende Laufrad wieder benötigt, in die Strömung gibt. Am Austritt aus der
Turbine ist das Geschwindigkeitsniveau in etwa genauso hoch wie an ihrem Eintritt, auch
wenn es beim Durchströmen der Einzelstufen zu deutlichen Geschwindigkeitsänderungen
kommt, Abb. 4.36. Alles dieses ist immer genau dann der Fall, wenn am Eintritt einer
Turbinenstufe Betrag und Richtung in der Zuströmung mit den entsprechenden Größen
der Abströmung übereinstimmen. Stufen dieser Art nennt man Repetierstufen. In der
Praxis werden reine Repetierstufen nicht immer realisierbar sein, sodass Unterschiede im
Geschwindigkeitsniveau zwischen Turbinenein- und Turbinenaustritt eher die Regel sind.
220 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
Aktionsturbine Reaktionsturbine
Ein
(Impulse Turbine) (Reaction Turbine)
resultierender Impuls
trit
Stator Rotor Stator Rotor
tsim
Drehrichtung Drehrichtung
pu
ls
ls
pu
em
itts
str
Au
v
puls
resultierender Impuls
c
m
v
rittse
engster u
Quer-
Aust
schnitt
Die Rotordrehung ist im
c u
Die Rotordrehung ist das Wesentlichen das Resul-
Resultat des Impulses am tat der Düsenwirkung (Re- Ein
Ein- und Austritt des Lauf- aktion) der aus dem Laufrad imp tritts-
uls
rades austretenden Strömung
Abb. 4.37 Basisbeschaufelungen von Turbinen in der Darstellung als ebenes Schaufelgitter;
links Turbinenstufe mit Aktionsbeschaufelung, rechts Turbinenstufe mit klassischer Reaktionsbe-
schaufelung (Parsons Turbine) bei der die Form der Leit- und Laufradschaufelprofile identisch
ist
Der Wirkungsgrad einer gut ausgelegten Turbine ist im Allgemeinen immer besser als
der des zugehörigen Verdichters, und auch der Auslegungsprozess einer Turbine ist meist
etwas einfacher als der eines Verdichters. Grund dafür ist der Druckabbau in einer Turbi-
ne, der die strömungsmechanischen Grenzschichten und Ablösungen in einem leichter zu
handhabenden Rahmen hält als bei einem Verdichter, wo diese Dinge ein viel wesentliche-
res Problem darstellen. Wegen der hohen Gastemperaturen in einer Turbine ergeben sich
im Vergleich zu einem Verdichter aber erhebliche Werkstoffprobleme, die hochwarmfeste
Werkstoffe mit gutem Kriechverhalten und aufwendige Kühlverfahren verlangen.
4.4.1 Turbinenbeschaufelung
22
Der Zusammenhang zwischen Ein- und Austrittsimpuls ist in Kap. 5 „Triebwerksschub“ ausführ-
lich dargestellt. Zum grundlegenden Verständnis der Dinge soll hier aber auch auf die Abb. 1.1 in
Kap. 1 verwiesen sein.
222 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
verwundene Rotorschaufel
Abb. 4.38 Prinzipielle Darstellung einer in sich verwundenen Turbinenschaufel mit einer reinen
Aktionsbeschaufelung im Nabenbereich und einer reinen Reaktionsbeschaufelung im äußeren Be-
reich; rechts verwundene, luftgekühlte Turbinenschaufel mit Keramiküberzug der Firma MTU Aero
Engines
23
Auf Grund der hohen Gastemperatur am Eintritt in die erste Stufe einer Turbine kann die Schallge-
schwindigkeit hier durchaus bei 750 m/s oder mehr liegen. Von Stufe zu Stufe nimmt die Temperatur
in der Strömung dann ab, wodurch auch die Schallgeschwindigkeit sukzessive geringer wird.
4.4 Turbine 223
a1 = Schallge-
schwindig-
engster keit
M
ae
Quer- c1ax ,max = a1
=
schnitt c1ax 1
<
1
c1ax
M
a0 Δβ
c1u
α1 α1
c1 c1u c1u, max
1+Δ
Strahlablenkung c1
c1, max
durch Prandtl-Meyer- Δβ
Expansion
Ma1 > 1
Unterschallabströmung Überschallabströmung
Abb. 4.40 Leitradbeschaufelung einer Hochdruckturbine, die mit Unterschallmachzahl Ma0 an-
geströmt wird; links Geschwindigkeitsdreieck bei Unterschallabströmung, rechts Veränderung
des Geschwindigkeitsdreiecks infolge Überschallabströmung bei höherer Turbinenleistungsabgabe
(= die Geschwindigkeitskomponente c1u vergrößert sich)
Deckband
(Shroud)
Tannenbaumfuß
(Fir Tree Base)
4.4.2 Mehrwellenturbinen
Wie bereits bei den Verdichtern erläutert, werden heutige Triebwerke in Mehrwellenbau-
form ausgeführt, Abb. 4.42. Direkt nach der Brennkammer folgt die Hochdruckturbine,
die über die äußere Welle (N2-Welle) den Hochdruckverdichter antreibt. Auf der inne-
ren Welle (N1-Welle) ist die Niederdruckturbine angeordnet. Die Bezeichnungen Hoch-
und Niederdruckturbine leiten sich vom jeweiligen Druckniveau in der Turbine ab. Ge-
wöhnlich hat eine Hochdruckturbine nur wenige Stufen. In vielen Triebwerken ist es
nur eine Einzige – aber praktisch nie mehr als zwei. Die anschließende Niederdruck-
226 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
5-stufige Nieder-
druckturbine
Abb. 4.42 2-Wellen Turbine des Turbofantriebwerks IAE V2500-A5. Basisbilder mit freundlicher
Genehmigung von IAE, International Aero Engines
turbine hat dagegen stets eine Vielzahl von Stufen (5 . . . 7). In der Hochdruckturbine
reichen wenige, aerodynamisch aber hoch belastete Stufen aus, um dem energiereichen
Heißgas diese Energie zu entziehen. Je weniger Stufen die Hochdruckturbine dabei hat,
umso höher wird ihre Drehzahl sein, da sie das direkte Resultat der aerodynamischen
Kräfte (aerodynamische Belastung) an den Turbinenschaufeln ist. Am Austritt der Hoch-
druckturbine ist dem Gas bereits ein erheblicher Anteil an Energie entzogen worden,
sodass nun in der folgenden Niederdruckturbine eine Vielzahl von Stufen nötig wird, um
die restliche Energie dem Heißgas zu entziehen. Diese geringere Energieumsetzung pro
Stufe bedeutet auch, dass die Niederdruckturbine langsamer dreht als die Hochdrucktur-
bine. Über die Anzahl der Turbinenstufen bzw. über deren aerodynamische Belastung
kann die Drehzahl der zugehörigen Welle gesteuert werden. Mehrwelligkeit dient also
der Abstimmung der Drehzahlen im Triebwerk untereinander. Die Niederdruckturbi-
ne, die unter anderem auch den Fan antreibt, ist so abgestimmt, dass der Fan eine
solche Drehzahl erreicht, die garantiert, dass an seinem äußeren Radius die zulässigen
Grenzgeschwindigkeiten nicht überschritten werden. Die Blattspitzengeschwindigkeit des
Fans ist auf Grund der Aerodynamik (Verdichtungsstöße) und des Lärms auf maximal
450 m/s begrenzt. Wird infolge höherer Bypassverhältnisse, die den spezifischen Brenn-
stoffverbrauch eines Triebwerks signifikant verbessern, der Fandurchmesser vergrößert,
so muss die Drehzahl der Niederdruckturbine entsprechend verringert werden. Ein grö-
ßerer Fan bedeutet aber auch, dass das von der Turbine zu übertragende Drehmoment
MT (Fan-Schaufelkraft × mittlerer Fan-Radius) größer wird und damit auch der Durch-
messer D der Niederdruckwelle: D ≈ (5 · MT · τt, zul )1/3 . Dieser Durchmesser kann aber
nicht beliebig vergrößert werden, da die Niederdruckwelle durch die Hochdruckwelle ge-
führt werden muss, und deren Bohrungsdurchmesser aus Gründen der Festigkeit nicht
beliebig groß ausfallen kann. Die großen thermischen Belastungen der Hochdruckturbine,
4.4 Turbine 227
Turbine, NDT
Niederdruck-
turbine, HDT
Hochdruck-
Abb. 4.43 Längsschnitt des Triebwerks GP7000, der GE-P&W Engine Alliance
verbunden mit hohen Drehzahlen bzw. hohen Fliehkräften, begrenzen aus Festigkeitsgrün-
den den möglichen Innendurchmesser der hohlen Hochdruckwelle, soll nicht gleichzeitig
das gesamte Triebwerk größer und schwerer ausfallen.
Hinsichtlich der Anpassung der Niederdruckturbine24 an den Fan bei Triebwerken mit
hohem Bypassverhältnis bestehen generell drei konstruktive Alternativen:
24
Hinsichtlich der Hochdruckwelle gibt es derart gravierende Probleme, die einen solch signifikanten
Einfluss auf die Gesamtkonstruktion eines Triebwerks haben, praktisch nicht.
228 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
hoch belastetes
und kompaktes
Kerntriebwerk
schnell laufende
Niederdruckturbine (NDT)
schnell laufender
Niederdruckverdichter (NDV)
verstellbare Sekundär-
düse, als Alternative zu
verstellbaren Fanschaufeln
Fan Fan-Getriebe
verstellbare
Entkoppelung von
Fanschaufeln Fan und NDV & NDT
Abb. 4.44 Der Getriebefan mit schnell laufender Niederdruckturbine (NDT) und schnell laufendem
Niederdruckverdichter (NDV)
Triebwerke mit Getriebefan sind der in Abb. 2.13 dargestellte Turbofan TFE 731 von
Honeywell/AlliedSignal/Garrett und der Turbofan LF502 von Lycoming. Hierbei han-
delt es sich um kleinere Triebwerke der Schubklasse 15 . . . 30 kN. Für die größeren
Triebwerke gab es den ersten Ansatz 1998 bei Pratt & Whitney mit dem Triebwerk
PW8000. Dieses Triebwerk sollte auf dem PW6000 (Antrieb des Mini-Airbus A318)
basieren, wobei dazu das PW6000 eine neue Fansektion mit Getriebe bekommen hätte.
Aus diesem Grundkonzept ging dann das ATFI (Advanced Technology Fan Integra-
tor) Projekt hervor. Dabei handelt sich um ein weiterentwickeltes Antriebskonzept für
künftige Flugzeuge, mit einem Untersetzungsgetriebe zwischen der Niederdrucktur-
bine und dem Fan, sodass diese beiden Komponenten in ihrem jeweiligen optimalen
Arbeitsbereich laufen können. Während die Turbine möglichst schnell laufen soll, um
so den besten Wirkungsgrad zu erzielen, muss der Fan deutlich langsamer drehen. Das
Konzept führt zu erheblich weniger Bauteilen und entsprechend niedrigeren Herstell-
und Instandhaltungskosten. Im Juli 2008 wurde der Begriff GTF durch PW1000G er-
setzt und es begannen unter dem Motto „Pure Power Engines“ die ersten Tests, Abb.
2.11.
• Separate Fanwelle. Hierbei handelt es sich um die von der Firma Rolls-Royce be-
vorzugte Lösung, die den Fan über eine dritte Welle von einer separaten Turbine
antreiben lassen, Abb. 6.4 und 1.24. Zwar ist die Dreiwellentechnik eine konstruktiv an-
spruchsvolle und aufwendige Lösung, die dafür aber mit wenigen Turbinenstufen und
auch ohne Getriebe auskommt. Die aerodynamische Drehzahlabstimmung zwischen
Niederdruckturbine und Fan kann optimal gelöst werden. So hat z. B. das Triebwerk
Rolls-Royce Trent 800 (Boeing B777) jeweils eine einstufige Hoch- und Mitteldruck-
4.4 Turbine 229
turbine und eine vierstufige Niederdruckturbine, wobei Letztere ausschließlich den Fan
antreibt, der ein Bypassverhältnis von 5.8 hat. Der untere Schaufelteil des Fans ist gleich-
zeitig der einstufige Niederdruckverdichter des Triebwerks. Somit hat das Triebwerk
also insgesamt sechs Turbinenstufen. Vergleichbare zweiwellige Triebwerke wie das
GE90 und das PW4084 haben insgesamt neun Stufen, zwei Hochdruck- und sieben
Niederdruckstufen.
Die letztgenannte Lösung ist auch bei Turboshaft- und Turboproptriebwerken üblich. Ei-
ne separate Turbine, die Arbeitsturbine (Free Power Turbine), treibt die Abtriebswelle
bzw. den Propeller an. Auch hier wird die separate Turbine wegen der besseren aerodyna-
mischen Drehzahlabstimmung zwischen Niederdruckturbine und Abtriebswelle gewählt.
Niederdruckturbinen dieser Art werden oft aus Sicherheitsgründen mit einem Schutz vor
Überdrehzahlen (Over-Speed Protection) versehen, der verhindern soll, dass bei Beschä-
digung oder Verlust des Propellers oder bei Getriebeschäden die Turbine unkontrolliert
hoch läuft (Over Speeding). Da Turbine und Getriebe/Propeller im Leistungsgleichge-
wicht stehen, wird die Turbine unkontrollierbar, sobald das Getriebe versagt (Verlust der
Verzahnung) oder der Propeller verloren geht. Als Schutzmaßnahme dagegen wird das
Drehmoment gemessen und die Brennstoffzufuhr automatisch abgeschaltet, sobald ein
signifikanter Drehmomentenabfall zu verzeichnen ist25 .
25
Ein besonders tragischer Unfall ereignete sich 1954 bei den Tests mit dem zweiten Prototyp
des viermotorigen Turbopropflugzeugs Bristol Britannia. Ein Teil des Planetengetriebes eines der
Triebwerke (Bristol Proteus Mark (Mk) 705) verlor auf Grund einer konstruktiven Schwäche seine
Verzahnung, worauf die freie zweistufige Arbeitsturbine innerhalb von Sekundenbruchteilen hoch
lief. Als Folge der extremen Überdrehzahlen zerbarsten die Turbinenscheiben der Arbeitsturbine.
Die Trümmer zerschlugen den Öltank des Triebwerks und setzen erst diesen und dann das gesamte
Treibwerk in Flammen. Es kam zum Verlust des Flugzeuges.
230 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
4.4.3.1 Turbinenmaterialien
Wenn ein beliebiges Metallteil mit einer Kraft belastet wird, so wird es sich im Allgemei-
nen elastisch verformen und in seinen ursprünglichen Zustand zurückkehren, sobald die
Belastung nicht mehr besteht (elastische Verformung, Hookesches Gesetz). Wird die Bela-
stung aber stark erhöht, so wird die Verformung plastisch und das Metallteil kehrt nach der
Entlastung nicht mehr in seinen ursprünglichen Zustand zurück (plastische Verformung).
Zudem kann eine solche plastische Verformung auch dann auftreten, wenn eine moderate
Last über einen längeren Zeitraum besteht. Diese zeitabhängige plastische Verformung
wird als Kriechen (Creep) bezeichnet und ist neben der Zeit auch von der Temperatur
abhängig. Die meisten Materialien reagieren im normalen Temperaturbereich auf mode-
rate Belastungen mit keinem oder nur sehr wenig Kriechen. In Turbinen treten aber hohe
Belastungen und hohe Temperaturen kumulativ auf, sodass Kriechen generell die Folge
ist.
Hierin ist einer der wesentlichen Gründe zu sehen, warum Piloten über ihren Gas-
hebel (Thrust Lever) sowohl die Triebwerksdrehzahlen N1 (Niederdruckwelle) und/oder
N2 (Hochdruckwelle) als auch die Turbinenaustrittstemperaturen (Exhaust Gas Tempera-
ture, EGT) entsprechend der Angaben des Triebwerksherstellers strikt einhalten müssen,
um nicht das Triebwerk bzw. dessen Lebensdauer zu gefährden. Ermüdung ist ein wei-
terer wesentlicher Faktor hinsichtlich der Lebensdauer einer Turbine, die auftritt, wenn
an einem Bauteil wiederholte zyklische Belastungen auftreten. Im Flugbetrieb durchlaufen
zivile Triebwerke solche Zyklen mehrfach pro Tag. Wobei unter einem Zyklus der Ver-
lauf vom Leerlauf (Idle) zum Start (Take-Off ), zum Reiseflug (Cruise), zum Landeanflug
(Descent) und zurück zum Leerlauf verstanden wird. Militärische Triebwerke durchlaufen
während einer Flugmission ähnliche Zyklen noch viel häufiger. Die Standfestigkeit (Zeit-
standfestigkeit) einer Turbine wird durch die Anzahl der Zyklen bestimmt, die bis zum
Bauteilversagen durchlaufen werden können.
Korrosion und Schaufelverformungen resultieren aus den hohen Temperaturbe-
aufschlagungen der Turbinenbauteile. Turbinenschaufeln bestehen im Wesentlichen
aus hoch legierten Nickelbasislegierungen26 (Superlegierungen27 ). Insbesondere für die
thermisch hochbelasteten Leitschaufeln der ersten Turbinenstufe sind auch Kobalt-
basislegierungen in Gebrauch. Der Zusatz von Aluminium und Chrom macht die
26
Unter dem Begriff Nickelbasislegierungen versteht man Werkstoffe, deren Hauptbestandteil
Nickel ist und die mit mindestens einem anderen chemischen Element in einem Schmelzverfahren
erzeugt werden.
27
Superlegierungen sind Werkstoffe komplexer Zusammensetzung auf Eisen-, Nickel-, Platin-,
Chrom- oder Kobalt-Basis mit diversen Zusätzen, insbesondere für Hochtemperaturanwendun-
gen. Sie sind zunder- und hochwarmfest und ihre Herstellung erfolgt sowohl schmelzmetallurgisch
als auch pulvermetallurgisch.
4.4 Turbine 231
können. Eine erhöhte Lebensdauer für die Schaufel kann durch eine kristalline Struktur
erreicht werden, die in Radialrichtung schichtweise aufgebaut ist, was auch als „gerichtet
erstarrt“ bezeichnet wird. Solche Schaufeln werden als DS-Blades bezeichnet (Directionally
Solidified-Blades). Sie können in Radialrichtung mehr Belastungen aufnehmen als quer
dazu. Eine noch fortschrittlichere Methode ist es, die Schaufeln als Einkristall zu fertigen.
DS-Blades findet man z. B. in der Hochdruckturbine des Triebwerks CF6-80C2. In den Pratt
& Whitney Triebwerken PW4000 ist die 2-stufige Hochdruckturbine in der ersten Stufe
mit Einkristallschaufeln und in der zweiten Stufe mit DS-Blades versehen. Die zweistufige
Hochdruckturbine des Triebwerks IAE V2500 besteht vollständig aus Einkristallschaufeln
(SC-Blades, Single-Crystal-Blades).
Normale Gusswerkstoffe erstarren durch Ausbildung von Milliarden einzelner Kristal-
le, die sich vollkommen zufällig anordnen und positionieren, Abb. 4.45 links. Jeder Kristall
wächst ohne Bildung irgendwelcher freien Zwischenräume in einen benachbarten hinein.
Die Festigkeit zwischen den Berührungsflächen der einzelnen Kristalle beträgt dabei aber
nur einen Bruchteil der Festigkeit, den ein einzelner Kristall tatsächlich aufweist. Dem-
zufolge sind herkömmliche Gusswerkstoffe praktisch nie so widerstandsfähig, wie es rein
theoretisch sein könnte. Erste Fortschritte hinsichtlich einer verbesserten Festigkeit wur-
den etwa Anfang 1970 durch die Entwicklung der gerichtet erstarrten Werkstoffe erreicht.
Hierbei läuft der Erstarrungsprozess der abkühlenden Schaufeln durch gezieltes Eingrei-
fen in den Prozess wesentlich langsamer ab, indem senkrecht zur Erstarrungsfront der
Schmelze kontinuierlich ein ganz bestimmter Temperaturgradient aufrechterhalten wird.
Hierzu werden nach oben isolierte Gussschalen verwendet, über deren Wandung ein kon-
trolliertes Kühlen und Erwärmen möglich ist. Zu diesem Zweck befindet sich unterhalb
der Gussschale im Allgemeinen eine wassergekühlte Bodenplatte aus Kupfer, über die ge-
kühlt wird, und seitlich um die Gussschale herum sind Induktionsspulen angeordnet, über
die mal mehr und mal weniger geheizt werden kann. Auf diese Art und Weise werden
Korngrenzen erzielt, die in Schaufellängsrichtung, d. h., in der späteren Radialrichtung
der Turbine verlaufen. Die Festigkeit in Radialrichtung wird hierdurch signifikant erhöht,
da senkrecht zu dieser Belastungsrichtung keine schwächenden Korngrenzen existieren.
Konstruktiv ermöglichen solche Materialien hinsichtlich des Triebwerks höhere Heiß-
gastemperaturen, höhere Drehzahlen und eine längere Lebensdauer der Beschaufelung.
Eine weitere Steigerung der Effektivität dieses Erstarrungsprozesses liegt in der Herstel-
lung so genannter einkristalliner Schaufeln, die erstmals Anfang 1980 produziert wurden.
Die Erstarrung wird so über Computer gesteuert, dass eine zuverlässige, wiederholbare
Kristallorientierung entsteht, die sich ohne Bildung von Neukeimen durch die gesamte
Erstarrung der Schmelze fortsetzt. Dabei wird praktisch der erste kristalline Keim der Er-
starrung so manipuliert, dass er einheitlich als ein Ganzes aus der Schmelze hervor wächst,
ohne zusätzliche Korngrenzen auszubilden. Neben der Technik des Erstarrens verlangt
die Bildung der Einkristalle aber gleichzeitig auch gezielte Maßnahmen bei der Legie-
rung selbst. Nur beides gemeinsam kann zum gewünschten Ergebnis führen. Der exakte
technologische Prozess der Einkristallbildung stellt derzeit noch ein Firmengeheimnis der
produzierenden Industrie dar. Typische Turbinenmaterialien für Schaufeln sind:
4.4 Turbine 233
• INCONEL 100 mit einer Betriebstemperatur von bis zu 1 075 K und einer Dehngrenze
von 800 N/mm2 bei 875 K. Die Zeitdehngrenze (0.1 %) für 102 h und 900 K liegt bei 375
N/mm2 .
• MAR-M-247 LC mit einer Betriebstemperatur von bis zu 1 125 K und einer Dehngrenze
von 900 N/mm2 bei 875 K. Die Zeitdehngrenze (0.1 %) für 102 h und 900 K liegt bei 420
N/mm2 .
• SER 99 EK mit einer Betriebstemperatur von bis zu 1 125 K und einer Dehngrenze von
950 N/mm2 bei 875 K. Die Zeitdehngrenze (0.1 %) für 102 h und 900 K liegt bei 550
N/mm2 .
• INCONEL 718 mit einer Betriebstemperatur von bis zu 875 K und einer Dehngrenze
von 960 N/mm2 bei 875 K. Die Zeitdehngrenze (0.1 %) für 103 h und 900 K liegt bei 280
N/mm2 .
• WASPALOY mit einer Betriebstemperatur von bis zu 925 K und einer Dehngrenze von
850 N/mm2 bei 875 K. Die Zeitdehngrenze (0.1 %) für 103 h und 900 K liegt bei 6.000
N/mm2 .
• ASTROLOY LC PM (Pulvermetall) mit einer Betriebstemperatur von bis zu 875 K und
einer Dehngrenze von 990 N/mm2 bei 875 K. Die Zeitdehngrenze (0.1 %) für 103 h und
770 K liegt bei 280 N/mm2 .
• René 95 PM (Pulvermetall) mit einer Betriebstemperatur von bis zu 975 K und einer
Dehngrenze von 1 130 N/mm2 bei 975 ◦ C.
Tannenbaumfußaufnahmen
Pulvermetallscheibe
angeschmiedeter
Wellenstumpf, der
auch aus einer anderen
Legierung als die Scheibe
bestehen kann
Abb. 4.46 Scheibe einer Hochdruckturbine (links: GE90, rechts: Rolls-Royce Trent 900). Material
beim GE 90: Pulvermetallurgietechnik (PM-Technik) aus der Nickellegierung René 88 DT
4.4.3.2 Turbinenkühlung
Die entscheidende Größe bei der Turbinenauslegung ist die maximal zulässige Turbinen-
eintrittstemperatur. Damit diese möglichst hoch ausfallen kann, sind heute alle größeren
Triebwerke mit einer Turbinenkühlung ausgestattet, wobei heute in jedem Fall Leit- und
Laufrad der ersten Stufe gekühlt werden. In nahezu allen Triebwerken wird darüber hinaus
auch noch die zweite Stufe gekühlt. Manchmal auch noch die erste Stufe der nachfol-
genden Niederdruckturbine. Danach ist so viel Energie (Druck und Temperatur) aus
dem Heißgas herausgenommen worden, das eine weitere Schaufelkühlung nicht mehr
erforderlich ist. Die Abb. 4.47 zeigt den prinzipiellen Aufbau einer solchen Schaufelküh-
lung. Als Kühlmittel dient Verdichterluft, die innerhalb des Triebwerks – in der Nähe
der Wellen – zu den Schaufelfüßen des Turbinenlaufrades geführt wird. Diese Luft dient
auch der Kühlung der Turbinenscheiben. Die Temperatur der Kühlluft liegt dabei nur
400 . . . 450 K unterhalb der zulässigen Materialtemperatur (ungekühlt) des Turbinen-
werkstoffes. Die Kühlluft zu den Leitschaufeln wird im Wesentlichen vom Gehäuse aus
den Schaufeln zugeführt, Abb. 4.48. Von dem jeweils beschriebenen Ort aus gelangt die
Kühlluft in die Leit- und Laufradschaufeln. Kühlluft höheren Drucks wird durch die Leit-
schaufeln und durch den vorderen Teil der Laufradschaufeln geführt. Luft niederen Drucks
strömt durch den hinteren Teil der Laufradbeschaufelung. Durch diese Aufteilung wird in
etwa dem Niveau der statischen Drücke auf der Kontur der jeweils umströmten Schaufeln
Rechnung getragen. Die Abb. 4.49 zeigt, dass ein Teil der Luft innerhalb der Schaufeln in
radial verlaufenden Kanälen mehrfach umgelenkt und verteilt wird, wodurch die Schaufeln
4.4 Turbine 235
Turbinenstator Turbinenrotor
Prall-
kühlung Konvektions-
kühlung
Turbinenrotor
Hei ßg a s
Dreh-
richtung
Turbinen-
stator Film-
HD-Kühlluft kühlung
ND-Kühlluft
Wirbel-
generatoren
kombinierte Konvektions-,
Prall- und Filmkühlung
Abb. 4.47 Schaufelkühlung und Kühlluftverlauf auf und in der ersten Stufe einer Hochdruckturbi-
ne. Basisbild mit freundlicher Genehmigung von Rolls-Royce plc
Konvektionskühlung
Prallkühlung Filmkühlung
Konvektionskühlung
l Turbinenscheibe
mme
rt ro
Lager R oto Schaufel-
und Schei- Lager
benkühlung
Luft vom Verdichter
Abb. 4.48 Prinzipielle Darstellung der Kühlung der ersten Stufe einer Hochdruckturbine,
zusammen mit der Luftführung innerhalb des Profils der Laufradbeschaufelung
236 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
ND-Kühlluft HD-Kühlluft
einfache innere einfache innere mehrfache innere
Schaufelkühlung Schaufelkühlung und Schaufelkühlung und
mit einfacher Luftzufuhr Filmkühlung mit extensive Filmkühlung
mehrfacher Luftzufuhr mit mehrfacher Luftzufuhr
Abb. 4.49 Entwicklung der Schaufelkühlung in den Laufradschaufeln der Hochdruckturbine des
Rolls-Royce Triebwerks RB211-22/-22B/-524; links Technologiestand 1972, Turbineneintrittstem-
peratur T t4 ≈ 1 530 K, Mitte Technologiestand 1987, T t4 ≈ 1 550 K, rechts Technologiestand 2002,
T t4 ≈ 1 730 K. Basisbilder mit freundlicher Genehmigung der Rolls-Royce plc
schließlich durch Konvektion28 gekühlt werden. Diese Art der Kühlung wird deswegen als
Konvektionskühlung (Internal Cooling) bezeichnet. Im Bereich der Schaufelvorderkante
wird Kühlluft – innerhalb der Schaufel – direkt auf den Werkstoff des sehr heißen Na-
senbereichs geblasen, was als Prallkühlung (Impingement Cooling) bezeichnet wird. Die
Kühlluft verlässt die Schaufeln an der Blattspitze, gelangt von dort in den Triebwerksstrom
zurück und verlässt das Triebwerk durch die Schubdüse.
Ein anderer Teil der Kühlluft wird durch eine Vielzahl von Bohrungen im vorde-
ren Schaufelteil nahezu tangential über der Schaufeloberfläche ausgeblasen und legt sich
dabei wie ein kühlender Film über die Schaufel, sodass das Heißgas nicht mit der Schau-
feloberfläche in Berührung kommen kann. Ein Vorgang, der als Filmkühlung (Film
Cooling) bezeichnet wird. Da nach einer gewissen Laufstrecke die Kühlluft vom Heiß-
gas zu stark erwärmt und der Kühleffekt zurückgehen würde, sind mehrere Reihen von
Kühlluftbohrungen hintereinander erforderlich, die neues Kühlmaterial liefern. Im hin-
28
Der Begriff Konvektion stammt vom lateinischen Wort convectio ab, was zusammenbringen
bedeutet. Hierbei wird Wärme von einem festen Körper an ein Gas übertragen (abgegeben).
4.4 Turbine 237
29
Übliche Laser sind hier blitzlampengepumpte Neodym-YAG-Stab-Laser (YAG = Yttrium-
Aluminium-Granat). Ein solcher Laser gibt zum Bohren eine Leistung von etwas mehr als 0.1 kW
ab, bei einer Leistungsaufnahme von mehr als 4 kW.
30
Da – bedingt durch den Gießprozess der Schaufeln – deren Wanddicken nicht immer kon-
stant sind, aber die Anzahl der Laserimpulse beim Bohrprozess unverändert bleibt, könnte es
passieren, dass beim Bohren einer lokal „dünneren“ Wandung mit den letzten Laserimpulsen die
gegenüberliegende Wand der holen Schaufeln zerstört wird. Um dies zu vermeiden, werden die
Schaufeln vor dem Laserbohren mit Wachs ausgegossen, welches nach dem Bohrprozess dann wieder
herausgeschmolzen wird.
238 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
Abb. 4.50 Abdichtung der Turbinenbeschaufelung zum Gehäuse hin mittels Deckband und
Dichtlippen (Tip Fins). Eine geregelte Kühlung des Turbinengehäuses (unten links) optimiert den
Spalt zwischen Schaufel und Gehäuse. Basisbilder mit freundlicher Genehmigung der Rolls-Royce
plc
dem Verdichter entnommen werden, der seinerseits die dazu notwendige Energie von
der Turbine entzieht. Die Folge ist, dass der Turbinenwirkungsgrad mit steigender Turbi-
neneintrittstemperatur abnimmt. Nur eine Steigerung der Effektivität der Kühlung, d. h.,
bessere Kühlung mit weniger Kühlluft, kann diesem Trend entgegenwirken. Die Energie
jeglicher ausgeblasenen Kühlluft steht in einem nachfolgenden Rotor (Laufrad) hinsicht-
lich der Arbeitsumsetzung bereits wieder voll zur Verfügung. Der Kühlluft wird nach dem
Ausblasen aus den Schaufeln das Druckniveau der Hauptströmung aufgeprägt. Die beim
Ausströmen der Kühlluft aus den Kühlluftbohrungen in den Hauptstrom hinein auftre-
tende Expansion der Kühlluftstrahlen hat energetisch keine signifikante Bedeutung für
das Triebwerk. Nichtsdestotrotz beeinträchtigt die nicht unerhebliche Kühlluftmenge des
allersten Leitrades hinter der Brennkammer den Wirkungsgrad der gesamten ersten Stufe
merklich.
Eine Verbesserung des Turbinenwirkungsgrades erreicht man durch eine weitere Küh-
lungstechnik, die so genannte Blattspitzenspaltkontrolle (ACC, Active Blade-Tip Clearance
Control). Die Abb. 4.41, 4.47, 4.49, und 4.50 zeigen, dass die Turbinenlaufschaufeln
mit einem „Deckband“ versehen sind, an deren äußerem Rand sich Dichtlippen (Tip
Fins) befinden. Diese laufen gegen ein honeycomb-ähnliches Anlaufmaterial im inneren
Turbinengehäuse an und bilden so eine Abdichtung zum Gehäuse hin. Die Deckbänder
auf den Turbinenschaufeln verhindern zwar eine Umströmung der Blattspitzen, die bei
4.4 Turbine 239
Abb. 4.51 Kühlluft-Rohrleitungs-System (Bird Cage) zur aktiven Blattspitzenkontrolle (ACC, Active
Clearance Control) im Bereich des Gehäuses der Niederdruckturbine eines zivilen Turbofantrieb-
werks
31
Der induzierte Widerstand wird durch eine Ausgleichsströmung hervorgerufen, die infolge
der strömungsbedingten Druckunterschiede zwischen Saug- und Druckseite an einem Profil ent-
steht. Der induzierte Widerstand geht additiv mit dem Oberflächenwiderstand (Reibung) und dem
Formwiderstand (Druckwiederstand) in den Gesamtwiderstand ein.
240 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
wie z. B. die Turbofantriebwerke der PW2000- und PW4000-Serie. Die Kühlung ist da-
bei nur auf gewisse Triebwerksleistungsstufen beschränkt, wie den Steigflug und gewisse
flughöhenabhängige Abschnitte des Reiseflugs. Die elektronische Triebwerkssteuerung
(EEC, Electronic Engine Control) oder die vollautomatische Triebwerksregelung (FADEC,
Full Authority Digital Engine Control) steuern die Gehäusekühlung in Abhängigkeit der
Flughöhe und der Drehzahl der Hochdruckwelle.
4.5 Schubverstärkung
Zwei Methoden der Schubverstärkung (Thrust Augmentation) waren bzw. sind üblich:
Wassereinspritzung (Water Injection) und Nachverbrennung (Afterburning or Augmenting
or Reheating).
4.5.1 Wassereinspritzung
4.5.1.1 Grundlagen
Die Wassereinspritzung, die bis etwa Mitte 1970 zum Einsatz kam, ist eine heute praktisch
nicht mehr übliche Technik zur Schubsteigerung bei zivilen Strahltriebwerken. In Kap.
5 wird gezeigt werden, dass hohe Triebwerkseintrittstemperaturen den Startschub eines
Triebwerks deutlich absenken. Von daher war es in der Vergangenheit häufig wünschens-
wert, dass unter anderem an sehr heißen Tagen, aber auch bei voller Flugzeugbeladung,
und/oder kurzen Startstrecken eine Schubverstärkung möglich sein sollte, auch wenn die
Triebwerke nicht mit einem Nachbrenner ausgestattet waren. Das Pratt & Whitney Tur-
bofantriebwerk JT8D-9 (Caravelle 12 und DC 9-20) war z. B. eine Zeit lang mit einer
Wassereinspritzung ausgerüstet, ebenso wie das militärische Pratt & Whitney Turbo-
jettriebwerk J57-P-43WB (Boeing B52G Stratofortress und KC-135: modifizierte B707).
Moderne zivile Triebwerke, die in vielen Fällen im 2-Motoren-Betrieb am Flugzeug zum
Einsatz kommen, haben, damit das Flugzeug auch im Notfall mit einem einzigen Trieb-
werk starten und steigen kann, einen erheblichen Leistungsüberschuss, der eine zusätzliche
Schubverstärkung im Allgemeine entbehrlich macht.
Prinzipiell können die folgenden drei Varianten der Wassereinspritzung unterschieden
werden:
Verdampfungswärme kW/(kg/s)
3000
technisch interessanter Bereich
für Wassereinspritzung in Axialverdichter
spezifische
2000
1000
374°C
0
0 100 200 300 400
Wassertemperatur °C
Abb. 4.52 Spezifische Verdampfungswärme von Wasser, aufgetragen über der Wassertemperatur
Liere et al. (2002). Eine Zusammenfassung zum historischen und zum aktuellen Stand der
Technik der Wassereinspritzung in Gasturbinen ist bei Rüdiger (2005) zu finden.
Eine Abkühlung der Luft während des Verdichtungsvorganges bedeutet von der Sei-
te der thermodynamischen Vergleichsprozesse her, dass die isentrope Verdichtung des
Joule-Prozesses, als klassischer Grundlagenkreisprozess der Gasturbinen, in eine mehr
oder weniger ausgeprägte isotherme Verdichtung, ähnlich wie im Ericsson-Prozess, ge-
wandelt wird. Das vergrößert die vom Vergleichs-Kreisprozess umfahrene Fläche und
damit die von ihm abgegebene Nutzarbeit. Hinzu kommt, dass der thermische Wirkungs-
grad des Ericsson-Prozesses deutlich besser ist als der des Joule-Prozesses32 (vgl. Text bei
Abb. 7.112 und Kapitel 18.3). Bei isothermer Kompression (Ericsson) benötigt ein Ver-
dichter für ein und dasselbe Druckverhältnis (πV = const) weniger Antriebsleitung von der
Turbine als bei isentroper Verdichtung (Joule). Da aber während der Wassereinspritzung
die Turbinenleistung, die zum Verdichter gelangt, mehr oder weniger unverändert bleibt,
führt dies nun schlussendlich zu einer Druckerhöhung am Verdichteraustritt. Durch die
Temperatursenkung im Verdichter wird die Luftdichte angehoben, was dann auch in ei-
nem Anstieg des Luftmassenstroms resultiert: ṁ = ρ ·c·A = p/(Ri · T) ·c·A33 . Mehr und
kühlere Luft am Brennkammereintritt erlaubt es, ein Mehr an Kraftstoff zu verbrennen,
ohne dass das Limit der Turbineneintrittstemperatur überschritten wird, was schließlich
zu einer Schubsteigerung führt.
Als Wasser wird demineralisiertes Wasser verwendet, da es ansonsten sehr schnell zu
Ablagerungen an den Beschaufelungen kommt, die den Wirkungsgrad verschlechtern.
Anstelle von Wasser kann auch ein Wasser-Methanol-Gemisch verwendet werden, das
sehr gut kühlt, gute Resistenz gegen Vereisung hat und außerdem in der Brennkammer als
zusätzlicher Kraftstoff verbrannt werden kann.
Anstelle des Einspritzens in den Verdichter kann das Wasser auch im Brennkammer-
eintritt zugegeben werden, wodurch der Massenstrom durch die Turbine im Vergleich zu
dem durch den Verdichter angehoben wird. Hierdurch wird der Druck- und Temperatu-
rabbau in der Turbine bei der Abgabe an Leistung für den Verdichterantrieb vermindert.
Das dadurch vor der Schubdüse höher werdende Druck- und Temperaturniveau lässt
die Düsenaustrittsgeschwindigkeit ansteigen und damit schließlich auch den Schub. Das
zusätzliche Wasser in der Brennkammer hat dieselbe Wirkung wie ein verschlechter-
ter spezifischer Heizwert Hi des verwendeten Brennstoffes, da immer ein Teil der im
Brennstoff enthaltenen chemischen Energie dazu aufgewandt werden muss, das Wasser
zu verdampfen und damit dem Triebwerkskreisprozess nicht als zuführbare Wärme zur
32
Der thermische Wirkungsgrad des Ericsson-Vergleichsprozesses mit innerem Wärmeaustausch
entspricht dem des klassischen Carnot-Prozesses, d. h., jede Veränderung des Joule-Prozesses zum
Ericsson-Prozess hin verbessert die Umwandlung der in der Brennkammer zugeführten chemischen
Energie des Brennstoffes in Nutzleistung bzw. Schubleistung. Der thermische Wirkungsgrad des
Carnot-Prozesses und damit auch der des Ericsson-Prozesses ist der beste überhaupt erreichbare
thermische Wirkungsgrad ηth .
33
Das Ineinandereinsetzen der Kontinuitätsgleichung der Strömungsmechanik und der allgemeinen
Gasgleichung der Thermodynamik führt auf diesen Ausdruck.
4.5 Schubverstärkung 243
34
Der Inhalt dieses Kapitels geht auf die Diplomarbeit meines ehemaligen Studenten Manfred Rü-
diger (2005) zurück, die wir in Zusammenarbeit mit der Deutschen Lufthansa Technik AG in
Hamburg durchgeführt hatten und in deren Rahmen Herr Rüdiger unter anderem das noch vorhan-
dene historische Wissen (aus erster Hand) über Wassereinspritzung innerhalb der Firma Lufthansa
zusammengetragen hatte.
244 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
Dry Bay Bereich des Center-Wing-Tanks eingebaut worden. Da es sich beim JT3C um
einen Turbojet handelte, ist die Einspritzung in den Triebwerkseinlass technisch gesehen
mit einer Einspritzung vor dem Niederdruckverdichter gleichzusetzen, da ja kein Neben-
stromkanal vorhanden ist. Das JT3C, dessen militärische Bezeichnung J57 lautet, wurde
außerdem noch bei B52 Stratofortress Bombern der US-Luftwaffe, sowie den KC-135 Tan-
kern (umgerüstete Boeing 707) der US-Luftwaffe und der NATO verwendet, bevor diese auf
modernere Triebwerke umgerüstet wurden. Das JT3C-Triebwerk kam auch an der Douglas
DC8-30 mit einer Wassereinspritzung zum Einsatz. Für die B-52A wurden ursprünglich
J57-P-1W-Triebwerke verwendet, die pro Triebwerk 44.5 kN Schub bereitstellten. Für eine
kurze Zeitspanne konnte optional eine Wassereinspritzung aktiviert werden, die den Schub
dann auf 49 kN steigerte. Dazu wurde am hinteren Rumpf ein 1 360 l fassender Wasser-
tank integriert. Zusätzlich konnten auch noch 3 780-Liter-Tanks am Ende der Tragflügel
angebracht werden. Bei der B-52B kamen sowohl J57-P-1W- als auch weiterentwickel-
te J57-P-1WA- und J57-P-1WB-Triebwerke zum Einsatz. Allerdings gab es bei diesen
Versionen massive Probleme mit den aus Stahl gefertigten Verdichterschaufeln und der
Wassereinspritzung, sodass die B-52B mehr am Boden stand als das sie flog. Pratt & Whit-
ney entschied sich aus diesen Gründen, die Verdichterschaufeln aus Titan zu fertigen.
Später wurden die Schaufeln wieder aus Stahl gefertigt und stattdessen das Wasserein-
spritzsystem modifiziert. An der B-52F kam unter anderem das J57-P-43WB-Triebwerk
zum Einsatz, das mit einer verbesserten Wassereinspritzung mehr Schub erzeugen konnte.
Ohne Wassereinspritzung (Dry) erreichte das Triebwerk 49.8 kN Schub und mit Wasser-
einspritzung (Wet) 61.2 kN Schub. Da die neue Wassereinspritzung auch deutlich mehr
Wasser verbrauchte, musste die Tragflächenstruktur umkonstruiert werden, um mehr
Raum für zwei zusätzliche Wassertanks zu schaffen.
Der US Jagdbomber Republic F-105 Thunderchief 35 (Republic Aircraft Company) war
mit einem Pratt & Whitney J75-P-19W-Triebwerk ausgestattet, das trocken (Dry) 76.54 kN,
mit Wassereinspritzung (Wet) 109.02 kN und mit Nachbrenner 117.92 kN Schub be-
reitstellte. In der ehemaligen DDR waren modifizierte Versionen der Triebwerke M-601
„Tyne“ und AI-24 „Spey“ mit Wassereinspritzung im Einsatz, Müller und Bretschneider
(1986). Die Firma Rolls-Royce hatte Versionen des Triebwerks Pegasus mit Wasserein-
spritzung im V/STOL-Flugzeug Harrier (Vertical Short Take-Off and Landing) im Einsatz.
Das letzte häufig eingesetzte und weit verbreitete Wassereinspritzungssystem im zivilen Be-
reich war in den alten Flugzeugbaumustern Boeing 747-100 und 747-200, mit JT9D-3AW
bzw. JT9D-7AW Triebwerken von Pratt & Whitney, zu finden.
Bei der Deutschen Lufthansa wurden seinerzeit alle Boeing 747-100 und 747-200 Ty-
pen mit einer Wassereinspritzanlage ausgerüstet, um zum einen den maximalen Schub
35
Die Republic F-105 Thunderchief (auch Thud genannt) war ein einstrahliges US Kampfflugzeug.
Der Erstflug des Prototyps YF-105A fand am 22. Oktober 1955 auf der Edwards Air Force Base
statt. Nach dem Vietnamkrieg wurden die bis dahin noch verbliebenen Maschinen der Air National
Guard übergeben. Die letzten Maschinen wurden am 25. Februar 1984 bei der Air Force Reserve und
Anfang 1985 bei der Air National Guard außer Dienst gestellt.
4.5 Schubverstärkung 245
Startschub kN
Pratt & Whitney
Turbofantriebwerke JT9D-3A 205 6.67 kN JT9D-7 (wet)
und JT9D-7 (Boeing 747-100,
747-200) ohne (Dry) und mit 200
(Wet) Wassereinspritzung. Die 6.67 kN JT9D-7 (dry)
Triebwerke sind bis 27 ◦ C bzw. 195
bis 29 ◦ C Flat-Rated JT9D-3A (wet)
190
27°C
29°C
185 JT9D-3A (dry)
an warmen Tagen zu erhöhen und um zum anderen die thermische Belastung in den
heißen Triebwerkssektionen zu vermindern. Mithilfe der Wassereinspritzanlage konnte
der erforderliche Startschub (Flat-Rated) bei maximalem Startgewicht bis zu einer Au-
ßentemperatur von + 27 ◦ C bzw. + 29 ◦ C gewährleistet werden. In bereits ausgelieferten
Flugzeugen dieses Typs wurde die Anlage nachgerüstet, während bei den in der Folgezeit
ausgelieferten die Wassereinspritzung bereits serienmäßig installiert war. Außer für die
Boeing 747-100 und 747-200 wurde die Wassereinspritzung auch für die 747SP (Special
Performance) angeboten. Die Abb. 4.53 zeigt den Startschub der JT9D-3A und JT9D-7
Triebwerke in Abhängigkeit der Außentemperatur. Es ist zu erkennen, dass der Schub
mithilfe der Wassereinspritzung um ca. 6.67 kN gesteigert werden konnte. Bei der Was-
sereinspritzung der Boeing B747 wurde im Gegensatz zur vorher vorgestellten Variante
der Boeing B707 das Wasser hinter dem Hochdruckverdichter, also erst unmittelbar vor
der Brennkammer, eingespritzt. Für die Bevorratung des Wassers in der Boeing 747-100
war, wie auch schon bei der Boeing 707, ein Zusatztank in der so genannten Dry Bay
des Center-Wing-Tanks eingebaut worden. Bei der späteren Boeing 747-200 hingegen
wurden die Wassertanks in den Flügelwurzeln im Vorderkantenbereich (Leading Edge)
untergebracht. Ein einzelner Wassertank der B747-200 hatte ein Volumen von 1 332 l.
Da die Wassereinspritzung der Boeing 747 unmittelbar vor der Brennkammer (Diffuser
Case) erfolgte, führte das plötzliche Auftreffen des relativ kühlen Wassers auf das hei-
ße Metall bei der Aktivierung der Wassereinspritzung zu Thermoschockbelastungen, die
häufig Risse im Werkstoff zur Folge hatten. In manchen Fällen war das Gehäuse sogar
komplett gerissen. Dieses führte schließlich dazu − wenn irgendwie möglich – auf die
Anwendung der Wassereinspritzung zu verzichten. Durch die seltene Nutzung war das
System schließlich oft mehr oder weniger eingerostet und hatte, falls es dann doch einmal
ausnahmsweise aktiviert werden sollte, oft Ausfälle zu verzeichnen.
Im Folgenden soll nun kurz auf das Wassereinspritzsystem der Boeing 747-200
eingegangen werden: Falls die Bedingungen am Startflughafen den Einsatz der Was-
sereinspritzanlage erforderlich machten, wurde diese im Cockpit per Schalter aktiviert.
246 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
Hinzu kommt, dass beim Einspritzen von Wasser bei niedrigen Umgebungstemperaturen
eine Vereisungsgefahr für den Verdichter besteht. Die allgegenwärtige Gefahr der erosiven
Zerstörung von Verdichterschaufeln auf Grund der Einwirkung der Flüssigkeitstropfen
kann durch eine Feinstzerstäubung des Wassers minimiert werden.
Im historischen Zusammenhang mit der Wassereinspritzung wird häufig auch ein
spektakulärer Flugunfall einer BAC 1-11 der Chartergesellschaft Pan-International am
6. September 1971 in der Nähe von Hamburg erwähnt. Hierbei war in die Wassertanks
fälschlicherweise Kerosin eingefüllt worden36 , sodass kurz nach dem Abheben von der
Startbahn in Hamburg beide Triebwerke (Rolls-Royce RB.163 Spey) Feuer fingen. Der
Pilot und die Kopilotin schafften es noch, die Maschine auf der Autobahn A7 zwischen
Hamburg und Kiel, in der Nähe von Hasloh, notzulanden. Unglücklicherweise war aber
eine Brücke, die über die Autobahn führte, einer insgesamt erfolgreichen Notlandung im
Wege, sodass beide Tragflächen abgerissen und das Leitwerk samt Heck zerstört wurden.
Der Rumpf zerbrach in drei Teile, 21 Passagiere und ein Crewmitglied starben, 99 Personen
überlebten.
4.5.2 Nachverbrennung
Die Nachverbrennung dient der temporären Verstärkung des Basisschubes eines Trieb-
werks beim Starten, Steigen und beim Beschleunigen in den Überschallreiseflug. Bei
militärischen Triebwerken auch zur Verbesserung der Leistungsfähigkeiten im Luftkampf.
Die Nachverbrennung erfolgt durch zusätzliche Kraftstoffverbrennung zwischen Tur-
bine und Schubdüse. Der dazu erforderliche Sauerstoff ist im Heißgasstrahl des Gas-
generators enthalten, da die Verbrennung in dessen Brennkammer bei erheblichem
36
Die späteren Untersuchungen ergaben, dass bereits zuvor auf dem Flughafen in Düsseldorf bei
Reparaturarbeiten ein Mitarbeiter von Pan-International 100 l Kerosin in zwei 60-Liter-Kanister ab-
gefüllt hatte, die anschließend von einem Flugzeugelektriker in ein Lager geräumt und später von der
Unglücksmaschine zusammen mit drei weiteren Kanistern mit demineralisiertem Wasser mit nach
Hamburg genommen wurden. Als dort am nächsten Tag die Tanks der Wassereinspritzanlage befüllt
werden sollten, ließ man den Inhalt der fünf Kanister in die Tanks pumpen. Ein warnender Hinweis
bezüglich des Geruchs des Wassers nach Kerosin wurde ignoriert. Da das spezifische Gewicht von
Kerosin geringer als das von Wasser ist, wurde beim Start zunächst das unten stehende Wasser und
dann erst das Kerosin eingespritzt, was dann schließlich zur Überhitzung und dem anschließenden
Brand der Triebwerke führte.
248 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
Flammhalter und
Kraftstoffdüsen
Turbofantriebwerk katalytische
mit kleinem Bypassverhältnis Zündung
Turbinen-
austritts- Hitzeschild Form einer
konus Lavaldüse
verstellbare
Diffusor Nachbrenner Schubdüse
Abb. 4.54 Prinzipieller Aufbau eines Turbofantriebwerks mit Nachbrenner und verstellbarer kon-
vergent/divergenter Ejektor-Schubdüse. Basisbilder mit freundlicher Genehmigung der Rolls-Royce
plc
Luftüberschuss erfolgt. Durch die Nachverbrennung werden die Temperatur und damit
das Volumen des Heißgasstrahls aus dem Gasgenerator angehoben. Die Volumenzunahme
führt zu einer Beschleunigung des Gases in Axialrichtung, da eine Ausdehnung in Radial-
richtung durch die umgebenden Wandungen der Strahlröhre (Jet Pipe) nicht möglich ist.
Folge ist eine erhöhte Düsenaustrittsgeschwindigkeit und damit ein erhöhter Schub. Die
Düsenaustrittsgeschwindigkeiten liegen bei der Nachverbrennung im hohen Überschallbe-
reich, sodass für eine optimale Nutzung des Geschwindigkeitszuwachses eine verstellbare
Schubdüse (konvergent-divergente Düse Lavaldüse) erforderlich wird, die den jeweiligen
Strömungs-gegebenheiten angepasst werden kann, Abb. 4.54.
Nachverbrennung kommt heute ausschließlich nur noch bei militärischen Triebwer-
ken zum Einsatz. Im zivilen Flugverkehr verschwanden mit der Außerdienststellung
der Aérospatiale-BAC Concorde 101/102 auch deren Nachbrennertriebwerke, Rolls-
Royce/SNECMA-Olympus-593-Mk-610-2-Wellen-Turbojet, den bis dato einzigen in der
Zivilfliegerei, wenn man von dem eher bedeutungslosen Kusnezow NK-321 Antrieb für die
umstrittene Tu-144LLwi einmal absieht. Da die Temperatur im Nachbrenner bis zu 2 000 K
erreichen kann, sind die einzelnen Brenner so um die Triebwerksachse platziert, dass sich
die gesamte Flamme auf einen mehr oder weniger achsennahen Bereich konzentriert.
So kann „kühlere“ Turbinenluft zwischen der Flamme und dem Nachbrennergehäuse
hindurch strömen und die Wandung vor Überhitzung schützen, Abb. 4.56.
Die Nachverbrennung kommt heute praktisch nur noch in Turbofantriebwerken
mit sehr kleinem Bypass-Verhältnis zum Einsatz. Zur Nachverbrennung werden der
Primär- und der Sekundärstrahl hinter der Turbine in einem Diffusorbereich vermischt,
4.5 Schubverstärkung 249
n
nu
ng
ren
n nu
erb
br e
r
ve Eingesparte Steigflugzeit
chv
a ch durch Nachbrennerbetrieb
eN
Na
o hn
mit
Zeit
Abbildung 4.56 zeigt den vergleichsweise einfachen konstruktiven Aufbau eines Nach-
brenners, der aus nur wenigen Hauptkomponenten besteht:
• Diffusor (Diffuser)
• Nachbrennergehäuse (Afterburner Duct)
• Brennstoffringleitungen (Fuel Nozzle Bars or Spray Bars)
• Zündeinrichtung (Ignition Unit)
• Flammhalterringe (Flame Holders or Vapor Gutters or Flame Stabilizers)
• verstellbare Schubdüse (Variable Area Nozzle)
250 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
Flammhalter-
ringe
Kühlmantel
Diffusor
Abb. 4.56 Genereller Aufbau und typische Komponenten eines Nachbrenners in einem Turbojet-
triebwerk
Abgesehen von der variablen Schubdüse und deren Verstellmechanismus gibt es im Nach-
brenner keinerlei bewegliche Teile. Das Fehlen hoch belasteter rotierender Bauteile macht
es deswegen vergleichsweise einfach, im Nachbrenner sehr hohe Temperaturen von bis zu
2 000 K zu erreichen.
Ist der Nachbrenner nicht in Betrieb, dient das Nachbrennergehäuse als vorge-
schalteter Strömungskanal (Jet Pipe) vor der Schubdüse. Um auch ohne Nachbrenner
einen optimierten Triebwerksbetrieb zu gewährleisten, muss von daher das Gehäuse
möglichst strömungsgünstig, d. h., verlustarm gestaltet sein. Zudem muss der Quer-
schnitt des Gehäuses ausreichend groß gewählt werden, damit die Gasgeschwindigkeit
im Nachbrennerbetrieb nicht so groß werden kann, dass sie die Flamm-Fortpflanzungs-
Geschwindigkeit (Rate of Flame Propagation) überschreitet. Anderenfalls würde die
Flamme mit dem Gas aus dem Nachbrenner heraus getragen werden und das Triebwerk
durch die Schubdüse verlassen.
Der vordere Teil des Nachbrennergehäuses ist diffusorartig geformt und setzt sich
bei Turbofantriebwerken aus dem hinteren Strömungskanal des Sekundärkreises (Fan-
kreis) und dem Bereich um den Turbinenaustrittskonus zusammen. Dieser Diffusor senkt
die Eintrittsgeschwindigkeit vor dem Nachbrenner auf Machzahlen von 0.2 . . . 0.25 ab
und hebt dabei den statischen Druck an. Die Eintrittsgeschwindigkeit in den Nach-
brenner muss so klein gewählt werden, dass an seinem Austritt die Geschwindigkeit
unterhalb der örtlichen Schallgeschwindigkeit liegt. Ansonsten kommt es zu einem un-
erwünschten thermischen Verstopfen (Thermal Choking) des Brennraums. Die Ein- und
Austrittsgeschwindigkeiten aus dem Nachbrenner, die Diffusorgestaltung und der Gehäu-
sequerschnitt des Nachbrenners sind so mit- und untereinander verknüpft und können
nicht unabhängig voneinander gewählt werden. Auf Grund der hohen Gastemperatur
am Nachbrenneraustritt liegt die Schallgeschwindigkeit des Gases auf einem sehr hohen
Niveau und kann dort Werte von bis zu 700 m/s erreichen.
4.5 Schubverstärkung 251
Sekundärluft Primärluft
Diffusor
Tur-
Flammhalterringe
bine
Mischung von
Primär- und
Sekundärluft Aktuatoren verstellbare
Schubdüse
Brennstoff
Lagerrollen zur Schub-
düsenverstellung
Hauptbrenn-
stoffleitungen
Brennstoff-
leitungen in
den Flamm-
halterringen Flamm-
halter-
ringe
katalytische
Zündvorrichtung
Aktuatoren zur
Schubdüsenverstellung
Kühlmantel verstellbare
Schubdüse
Abb. 4.57 Prinzipieller Aufbau des Nachbrenners eines Turbofantriebwerks. Hier am Beispiel
des Rolls-Royce Turboméca Triebwerks RRTI Adour, Antrieb des Mehrzweckkampfflugzeuges
SEPECAT Jaguar. Basisbilder mit freundlicher Genehmigung der Rolls-Royce plc
e misch
tes G
er brann
unv
rinn Rezirkulationszone
e
Flam nförmig Vermischungs-
mha er
lter zone
Fla
mm Nachlaufgrenze
ha
lte
rrin
ne
Br
en
ns
tof
fle
itu
ng
Abb. 4.58 links drei radial und axial gestaffelte Flammhalterringe, rechts Modellvorstellung zum
Strömungsgebiet hinter einem Flammhalter
Der Brennstoff wird durch eine Serie von perforierten, vor oder in den Flammhaltern
angeordneten ringförmigen Brennstoffleitungen in den Nachbrenner mit einem Druck
von bis zu 35 bar eingebracht. In manchen Fällen erfolgt die Brennstoffzufuhr dabei
auch entgegengesetzt zur Strömungsrichtung. Abbildung 4.57 zeigt einen solchen Auf-
bau mit drei Ringleitungen. Bei manchen Triebwerken, wie z. B. dem F100-PW-229 sind
sieben solcher Brennstoffringe angeordnet. Je nach Schubbedarf bei der Nachverbren-
nung werden eine oder mehrere der ringförmigen Kraftstoffleitungen zugeschaltet. Hinter
den Brennstoffringleitungen (in Strömungsrichtung gesehen) befinden sich rinnenför-
mige Flammhalterringe, die die Strömungsgeschwindigkeit reduzieren und zusätzliche
Turbulenzen mit Rezirkulations- und Mischgebieten produzieren. Durch die verringer-
te Geschwindigkeit wird die Flamme stabilisiert und durch die erhöhte Turbulenz die
Vermischung und somit die Verbrennung verbessert. Die Flammhalter sind konzentri-
sche Ringe, die einer Rinne ähneln und Querschnitte der Formen <, C oder ⊂ haben
können. Zur Abströmrichtung hin sind diese Flammhalterringe offen. Die Brennstofflei-
tungen werden vor den Flammhaltern angeordnet, damit in der Ebene der nachfolgenden
Flammhalterringe bereits eine möglichst vollständige Brennstoffzerstäubung gewährlei-
stet ist. Um eine stabile Verbrennung in großen und niedrigen Flughöhen zu garantieren,
erfolgt die Brennstoffeinspritzung über mehrere radial und axial gestaffelte Brennstoff-
und Flammhalterringe. Die zur Flammstabilisierung verwendeten Flammhalter ragen wie
eine Art Schiffsbug (Bluff-Body) der Strömung entgegen. Dadurch blockieren sie zum
einen den Strömungskanal nur wenig und produzieren zum anderen nur einen gerin-
gen Totaldruckverlust. Abbildung 4.58 zeigt, dass hinter einem solchen Flammhalter ein
4.5 Schubverstärkung 253
Zündkerze
Abb. 4.59 Beispiele für gebräuchliche Methoden zur Zündung von Nachbrennern; links katalytische
Zündung, rechts Zündung über eine Zündkerze
Nachlauf entsteht, der in zwei Zonen aufgeteilt werden kann: eine Rezirkulationszone und
eine Vermischungszone, die das Rezirkulationsgebiet vom unverbrannten Gemisch trennt.
Der gesamte Verbrennungsvorgang wird hinsichtlich der chemischen Reaktionen nahezu
vollständig in der Rezirkulationszone abgeschlossen.
Die chemische Reaktion der Verbrennung wird in der Vermischungszone durch
Wärme- und Teilchentransport zwischen dem heißen, verbrannten Gas und dem un-
verbrannten Gemisch eingeleitet. Durch die Verwirbelung und Rückströmung hinter
dem Flammhalter wird das Material aus der Vermischungszone in das heiße Rezirku-
lationsgebiet gezogen, wo es zur Selbstentzündung kommt, sodass die Verbrennung ohne
Fremdzündung stabil ablaufen kann.
Die initiale Zündung des Gemisches erfolgt entweder über einen katalytischen Zünder,
der zentral in der Achse des Nachbrenners sitzt, Abb. 4.59 links, oder über eine Zündkerze,
die in der Nähe der Kraftstoffauslässe platziert ist, Abb. 4.59 rechts. Solange der Nachbren-
ner noch nicht vollständig gezündet hat, wird nur ein Teil der Brennstoffleitungen (meist
der zentral liegende) mit Kraftstoff versorgt. Nach erfolgter Zündung läuft die weitere
Verbrennung im Nachbrenner selbstständig, d. h., ohne weitere Fremdzündung ab.
Bei einem katalytischen37 Zünder (Catalytic Ignition) entsteht die Zündflamme durch
die chemische Reaktion des Kraftstoff-Luft-Gemisches mit der Oberfläche eines Kataly-
37
Ein Katalysator ist ein Stoff, der die Reaktionsgeschwindigkeit einer chemischen Reaktion, z. B.
einer Verbrennung, beeinflusst, ohne dabei selbst verbraucht zu werden. Dies geschieht bei der
katalytischen Zündung durch das Herabsetzen der für die Zündung erforderlichen Energie (Aktivie-
rungsenergie). Solche Katalysatoren werden auch als positive Katalysatoren bezeichnet. Sie ändern
die Kinetik einer chemischen Reaktion, ohne aber deren Thermodynamik zu verändern, d. h., sie
ändern nichts am Gleichgewicht der Reaktion.
254 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
satorelements, das aus einer auf Platin basierenden Legierung besteht. Der katalytische
Zünder ist mit einer eigenen Brennstoffleitung für den Zündvorgang versehen. Wegen
des Katalysatorelements erfolgt der Zündvorgang bei Temperaturen, die weit unter der
normalen gasphasigen Zündtemperatur des Brennstoff-Luft-Gemischs liegen, sodass nur
sehr geringe elektrische Zündspannungen zwischen 1.5 und 40 V erforderlich werden
und das auch nur dann, wenn der Nachbrenner kalt ist. Bei einem betriebswarmen,
d. h. heißen Nachbrenner ist eine zusätzliche elektrische Versorgung entbehrlich. Die
hervorzuhebenden Vorteile einer katalytischen Zündung gegenüber einer herkömmlichen
Funkenzündung mittels Zündkerze sind also der einfachere elektromechanische Aufbau,
die geringere elektrische Zündspannung und die deutlich besseren Kaltzündeigenschaften.
Bei der in Abb. 4.56 dargestellten Zündvorrichtung wird in einem separaten Brennraum
in der Nähe der Flammhalterringe Brennstoff eingespritzt und dieser über eine Zündkerze
entzündet (Spark Ignition), ähnlich, wie es auch in einer normalen Triebwerksbrennkam-
mer abläuft. Eine heute nicht mehr gebräuchliche Art der Zündung, die vielfach in den
USA Verwendung fand, ist die so genannte Hot-Shot or Hot-Streak Ignition, bei der aus
der normalen Brennkammer heraus, gesteuert von einer zusätzlichen Zündvorrichtung
(Hot-Shot Unit), durch Zufuhr einer zusätzlichen Menge an Brennstoffe eine gesonderte
Flamme kurzzeitig durch die Turbine hindurch „geschossen“ wird. Diese Flamme ent-
zündet dann den Brennstoff, der aus einer hinter der Turbine angeordneten Zünddüse
ausströmt, und so den Nachbrenner in Betrieb setzt.
Bei Nachbrennertriebwerken hängen die Verstellung der Schubdüse und der Brenn-
stoffmassenstrom zum Nachbrenner hin wechselwirkend voneinander ab, sodass diese
beiden Funktionen über eine gesonderte Regeleinrichtung miteinander koordiniert wer-
den müssen. Wenn der Brennstoffmassenstrom über den Schubhebel vergrößert wird, so
öffnet sich gleichzeitig der divergente Teil der konvergent/divergenten Schubdüse, sodass
sich am Düsenaustritt eine entsprechend große Austrittsmachzahl einstellen kann. Bei
einem Zurücknehmen des Schubhebels verkleinert sich der Düsenquerschnitt wieder.
Der Schubdüsenquerschnitt wirkt wie eine Drossel (Querschnittsversperrung) und
kann dadurch prinzipiell den Druck hinter der Turbine ansteigen oder abfallen lassen
und damit schließlich den gesamten Triebwerkskreisprozess rückwirkend und praktisch
immer negativ beeinflussen. Ein solcher Drosselvorgang würde speziell den Verdichter
an seine so genannte Pumpgrenze bringen, was praktisch immer eine Zerstörung des
Verdichters zur Folge hätte. Dieses soll aber selbstverständlich nicht geschehen, sodass
eine Nachbrennerregelung dafür Sorge tragen muss, dass hinter der Turbine der Druck
unverändert bleibt. Dazu wird über eine gesonderte Vorrichtung (Pressure Ratio Control
Unit) sowohl der Druck hinter dem Verdichter als auch der Druck hinter der Turbi-
ne gemessen. Der Brennstoffmassenstrom und die Schubdüsenverstellung werden dann
so aufeinander abgestimmt, dass das Druckverhältnis aus Verdichter- und Turbinen-
austrittsdruck stets konstant bleibt. Ein solches System arbeitet vollautomatisch und ist
mit einem Ultraviolett-Sensor ausgestattet, der überprüfen kann, ob der Nachbrenner ge-
zündet hat oder nicht (Light-Off Detector). Die Schubdüsenverstellung erfolgt über außen
am Nachbrennergehäuse angeordnete Aktuatoren. Hierbei handelt es sich um hydraulisch
4.6 Schubdüse 255
betätigte Stellzylinder, die mit Öl oder Brennstoff betrieben werden. Der dazu notwendi-
ge Hydraulikdruck wird über eine im Regelsystem integrierte Pumpe (Nozzle Oil Pump)
bereitgestellt.
Frühe Nachbrennertriebwerke kannten praktisch nur zwei diesbezügliche Betriebszu-
stände, das eine war der mit ausgeschaltetem Nachbrenner und das andere war der, bei dem
bei voller Triebwerksleistung der Nachbrenner zugeschaltet wurde. In letzterem Fall ging
die Schubdüse augenblicklich in den voll geöffneten Zustand über. Elegantere und sophi-
stischere Verstellmechanismen bei den Schubdüsen erlauben heute die Nachverbrennung
bei praktisch allen Triebwerksleistungsstufen (UK: PTR, Part-Throttle Reheat, US: Modula-
ted Afterburning) zwischen Flug-Leerlauf (Flight-Idle) und maximalem Nachbrennerschub
(Maximum Reheat).
4.6 Schubdüse
Der eigentliche Zweck einer Schubdüse ist es nicht, wie man voreilig und leichtfertig mei-
nen möchte, einen nach vorne gerichteten Schub zu liefern (Eckert et al. 1961). Hinsichtlich
der Richtung der erzeugten Kraft ist ganz genau das Gegenteil der Fall, es wird nämlich
eine Kraft entgegen der Schubrichtung produziert. Eine Feinheit, die in Kap. 5 noch einmal
sehr ausführlich erläutert werden wird.
Primäre Aufgabe der Schubdüse ist es vielmehr, das Druckniveau innerhalb des Trieb-
werks durch Begrenzung des Massendurchsatzes aufrechtzuerhalten. Vereinfachend kann
man sich dazu als Analogie einen Autoreifen vorstellen, der zwei Löcher hat. Will man
durch das eine Loch den Reifen aufpumpen, so gelingt das nur, wenn das zweite Loch so
klein ist, dass nicht alle hineingepumpte Luft auch sofort wieder entweichen kann. Wä-
ren Ein- und Austrittsloch gleich groß, so könnte man im Reifen keinen erhöhten Druck
aufrechterhalten. Ähnlich ist es auch beim Stahltriebwerk. Die Schubdüse ist von daher
viel eher als ein Regelorgan anzusehen, wie man es als Analogon in Form eines Ventils
bei einem Kolbenmotor findet. Mit dem Unterschied, dass die Schubdüse immer zum Teil
geöffnet ist, während Ventile abwechselnd ganz zu und ganz offen sind.
Nichtsdestotrotz wird mittels der Schubdüse die nach der Turbine noch im Heißgas-
strom enthaltene Energie in Geschwindigkeit bzw. Impuls gewandelt und so ein schneller
Austrittsstrahl erzeugt. Es findet eine Beschleunigung (thermische Beschleunigung) der
Strömung zwischen Ein- und Austritt des Triebwerks statt. Diese Änderung der kinetischen
Energie ist gleich der vom Triebwerkskreisprozess nach außen abgegebenen nutzbaren Lei-
stung. Die zeitliche Impulsänderung zwischen Aus- und Eintritt ist dagegen gleich der vom
Triebwerk erzeugten Schubkraft. Ohne Schubdüse gibt es keinen schnellen Strahl und da-
mit auch keinen Schub, wobei die separat betrachtetet Schubdüse für sich allein keine
in Schubrichtung weisende Kraft erzeugt38 . Die Auslegung des Schubdüsenbereiches hat
38
An dieser Stelle mag für die meisten Leser nun eine gewisse Konfusion einsetzen. Bei Rolls-Royce
(1996) findet man dazu folgende Anmerkung: „Although the principles of Propulsion will be familiar
to the reader, the distribution of the thrust forces within the engine may appear somewhat obscure.“
256 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
Heißgas
kalter Fanstrom
Separate Schubdüsen
Der kalte hüllt den heißen Strahl ein.
Keine interne Strahlvermischung
kalter
Fan-
strom
Heiß-
gas
Integrale Schubdüse
Der kalte hüllt den heißen Strahl ein.
Geringe interne Strahlvermischung
Abb. 4.60 Aufbau von primären und sekundären Schubdüsen bei Turbofantriebwerken mit
separaten Schubdüsen. Basisbilder mit freundlicher Genehmigung von Rolls-Royce plc
von daher wesentlichen Einfluss auf das Leistungspotenzial eines Triebwerks. Die Wahl
der Strömungsquerschnitte beeinflusst sowohl die Turbineneintrittstemperatur und den
Triebwerksmassenstrom als auch Druck und Geschwindigkeit im Austrittsstrahl.
Die Eintrittstemperatur des Heißgases in die Schubdüse kann je nach Triebwerk zwi-
schen 800 und 1 100 K liegen. Bei Nachbrennertriebwerken sind 1 800 K und mehr möglich.
Von daher ist eine angemessene Materialauswahl ebenso wichtig wie der Schutz vor zu
starker Erwärmung der umgebenden Flugzeugstruktur infolge von Wärmeleitung und
-strahlung.
Zu Beginn der Düsensektion hat das von der Turbine kommende Heißgas ei-
ne Geschwindigkeit von etwa 230 . . . 370 m/s. Diese lokalen Geschwindigkeiten sind
Unterschallgeschwindigkeiten, da die Schallgeschwindigkeit auf Grund der hohen Gastem-
peraturen hier örtlich etwa zwischen 450 . . . 600 m/s liegt. Abbildung 4.60 zeigt, dass sich
Treffender kann man es kaum formulieren. Für ein weitergehendes Verständnis der Dinge sei der
interessierte Leser auf das Kap. 5 dieses Buches verwiesen.
4.6 Schubdüse 257
Wie zuvor beschrieben, gelangt das Heißgas nach der Turbine in die eigentliche Schubdüse
(Propelling Nozzle), die im einfachsten Fall nichts weiter als ein konvergenter Strömungs-
kanal ist, in dem die Strömung unter Abbau von statischem Druck beschleunigt wird.
In Turbojettriebwerken und Turbofantriebwerken mit kleinem Bypass-Verhältnis erreicht
der Düsenstrahl im kleinsten Düsenquerschnitt A8 , am Ende der Düse, im Allgemeinen im-
mer die Schallgeschwindigkeit, lediglich bei kleinerem Schubbedarf (Low Power Settings)
kann es vorkommen, dass im kleinsten Düsenquerschnitt A8 Unterschallgeschwindig-
keiten vorliegen. Wird die Schallgeschwindigkeit im Querschnitt A8 erreicht, so ist dies
auch gleichzeitig die maximal mögliche Austrittsgeschwindigkeit aus einer konvergen-
ten Düse. Die Düsenaustrittsmachzahl ist dann eins und die Schubdüse wird als gesperrt
(Choked) deklariert, da der Massenstrom ṁ, oder genauer der Quotient ṁ/A8 , den man
als Stromdichte bezeichnet, hier ebenfalls sein Maximum erreicht. Eine weitere Steigerung
des Massenstroms ṁ wäre bei konstanter Schubdüsenfläche A8 jetzt nur noch dadurch
möglich, indem die Turbinenaustrittsgrößen (= Schubdüseneintrittsgrößen) beeinflusst
werden, d. h., der Totaldruck pt am Düseneintritt angehoben und/oder die Totaltempera-
√
tur Tt abgesenkt wird ṁ ∼ pt / Tt , wobei der Einfluss des Totaldruckes den Massenstrom
linear beeinflusst, während die Totaltemperatur nur mit der Quadratwurzel zu Buche
schlägt. Ein steigender Druck pt und/oder eine abnehmende Temperatur Tt verringern
jeweils das Gasvolumen, wodurch sich andererseits die durch die Fläche A8 förderbare
Gasmasse erhöht.
Sperrt eine konvergente Düse und wird über den Schubhebel die Drehzahl und der
Druck im Triebwerk weiter angehoben, so steigen sowohl der statische als auch der
Totaldruck in der Schubdüsenaustrittsfläche an. Der statische Druck liegt dann über
dem atmosphärischen Umgebungsdruck. Dieser Druckunterschied, multipliziert mit der
Düsenaustrittsfläche, liefert in gewissem Umfang einen zusätzlichen Beitrag zum Trieb-
werksschub. Dieser Zustand wird von der Auslegung her bewusst herbeigeführt, solange
die Flugmachzahl unterhalb von Ma0 ≈ 1.5 bleibt. Erst ab dann lohnt es sich hinsichtlich
eines zusätzlichen Schubvorteils, den mechanischen Aufwand und das höhere Gewicht
einer verstellbaren Schubdüse in Betracht zu ziehen.
258 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
Konvergente Düsen sind starre Bauteile, deren Austrittsfläche unveränderlich ist, so-
dass eine solche Düse hinsichtlich Massenstrom, Totaldruck und Totaltemperatur immer
nur für einen ganz bestimmten Flugzustand, zumeist für den Reiseflug in großen Höhen,
optimal geometrisch gestaltet sein kann. Für den Startfall könnte dann eine solche starre
Düse (bei falscher Dimensionierung) aber evtl. zu klein sein und sie würde auf den davor
liegenden Gasgenerator wie eine Drossel wirken, d. h., sie blockiert den Abfluss der Luft-
masse nach hinten aus dem Triebwerk heraus. Dieses hätte zur Folge, dass der Verdichter
in einen instabilen Zustand, den so genannten Pumpzustand „getrieben“ werden würde,
was schließlich fatale Lebensdauerfolgen für das gesamte Triebwerk hätte. Würde nun
die Schubdüse zur Vermeidung dieses Nachteils vergrößert werden, so hätte dies für den
Reiseflug eine Leistungsbeeinträchtigung des Triebwerks zur Folge, da jetzt die notwen-
dige Düsenaustrittsgeschwindigkeit nicht mehr erreicht werden kann und so schließlich
der erzielbare Schub zu klein ausfallen würde. Ein Kompromiss wird also hinsichtlich der
Gestaltung der Düsenaustrittsfläche stets erforderlich werden. Geht man von einer stets
gesperrten Schubdüse aus, in deren kleinstem Querschnitt A8 also die Machzahl stets eins
ist, so wird dieser Düsenquerschnitt A8 , wie weiter oben bereits ähnlich erläutert, mit zu-
nehmendem Massenstrom ṁ und abnehmenden Totaldruck pt (Turbinenaustrittsdruck)
linear und mit der Quadratwurzel
√ der Totaltemperatur Tt (Turbinenaustrittstemperatur)
größer werden, A8 ∼ ṁ · T t /pt . Der freie Düsenaustrittsquerschnitt ist also für die Lei-
stungscharakteristik eines Strahltriebwerks eine mitbestimmende Größe, sodass im Betrieb
und bei der Wartung eines Triebwerks darauf zu achten ist, dass es zu keiner Beschädigung,
Verziehung oder sonstigen Verformung des Düsenquerschnittes kommen kann. Bei der
genauen Bemessung des Düsenquerschnitts ist darauf zu achten, dass der Querschnitt im
kalten Zustand infolge der allgegenwärtigen Wärmeausdehnungseffekte kleiner sein wird
als im späteren heißen Betriebszustand.
Auf Grund der hohen Gastemperaturen im Austrittsbereich eines Triebwerks bestehen
die Schubdüsen aus Titan oder Nickellegierungen. Zur Vermeidung von Wärmeleitung in
die das Triebwerk umgebende Flugzeugstruktur sind Schubdüsen mit Wärme isolieren-
dem Material umgeben, zudem sich gleichzeitig auch noch eine weitere Isolierschicht zur
Lärmabsorption addiert.
Turbofantriebwerke weisen im Allgemeinen zwei Schubdüsen auf, die des Primär- und
die des Sekundärkreises. Man spricht in diesem Fall von einem Triebwerk mit separaten
Schubdüsen, so wie es der obere Teil von Abb. 4.60 zeigt. Dabei hüllt der kalte Sekundär-
strahl den heißen Primärstrahl ein, was eine lärmreduzierende Wirkung hat. Diese Art der
Lärmreduzierung kann dadurch effizienter gestaltet werden, indem die äußere Gondel bis
hin zum Triebwerksende verlängert wird, so wie es der untere Teil von Abb. 4.60 zeigt. Das
Triebwerk IAE V2500 ist ein typisches Beispiel für diesen Schubdüsenaufbau, den man als
integrale Schubdüse bezeichnet (Common or Integrated Exhaust Nozzle). Auch ein solches
Turbofantriebwerk wird immer noch als ein Triebwerk mit separaten Schubdüsen angese-
hen, da es nicht zu einer nennenswerten Vermischung der beiden Strahlen innerhalb des
Triebwerks kommt.
4.6 Schubdüse 259
Abb. 4.61 Beispiele für Turbofantriebwerke mit Zwangsmischer (Forced Mixer); links Rolls-Royce
RB211-524D4D Turbofan (Boeing B747-400), rechts Blüten- oder mäanderförmige Kontur eines
Zwangsmischers (Lobe or Chute Mixer). Bilder mit freundlicher Genehmigung der Rolls-Royce plc
4.6.2 Mischer
Erst wenn ein Mischer oder auch Zwangsmischer (Mixer or Forced Mixer), Abb. 4.61, ein-
gesetzt wird, kommt es zu einer echten Vermischung von Primär- und Sekundärstrom. In
einem solchen Fall hat ein Turbofantriebwerk dann nur noch eine einzige Schubdüse. Ty-
pische Beispiele hierfür sind z. B. die Triebwerke CFM56-5C (Airbus A340), RB211-524H
(Boeing B767-300), CFE738-1-1B (Dassault Falcon 2000) und RR-Tay 611 (Gulfstream
IV-5B).
Durch Strahlvermischung sollen eine Lärmminderung und eine Reduzierung des spe-
zifischen Brennstoffverbrauchs erreicht werden. Theoretische Untersuchungen von Lösch
(1990) und auch die Darstellungen anderer Autoren, Oates (1988) und Kerrebrock (1996),
haben gezeigt, dass hier ein Einsparungspotenzial von 3 . . . 5 % erwarten werden kann,
wenn es gelingt, die viskosen Verluste bei der Vermischung und das Volumen und damit
auch das Gewicht des Mischers in Grenzen zu halten. Diese Erwartungen sollen von den in
Abb. 4.61 bzw. 4.62 dargestellten Mischern mit mäanderförmiger Kontur erfüllt werden,
bei denen abwechselnd Teilströme des Primärstroms nach außen und Teile des Sekundär-
stroms nach innen gelenkt werden, Abb. 4.62. Dieses erzeugt segmentweise heiße und kalte
Strömungszonen speichenförmigen Aufbaus. Zusätzlich bewirken die einzelnen benach-
barten und nach innen und außen gerichteten Strömungen flächenförmige Wirbelgebiete
zwischen ihren heißen und kalten Zonen, die ihrerseits stromabwärts die Wirbelstärke im
260 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
Sekundär-
strom
her
Misc
m
om
rstro
ärstr
Primä
Prim
heiß
Temperatur
kalt
Abb. 4.62 Schubdüse eines Turbofantriebwerks mit aktiver Strahlvermischung (Forced Mixing);
unten Ältere numerische Berechnung der Temperaturverteilung im Abgasstrahl nach Unterlagen
der MTU Aero Engines
Strahl und damit auch dessen Neigung zur Vermischung erhöhen. Über eine axiale Länge,
die etwa einem Triebwerksdurchmesser entspricht, wird so eine nahezu vollständige Ver-
mischung erzielt. Dieser relativ kurze Strömungsweg bewirkt, dass die viskosen Verluste
gering bleiben.
Durch den Mischer werden Primär- und Sekundärstrahl in mehrere kleine Strahlen
zerlegt, wodurch sich insgesamt die Strahloberfläche vergrößert. Je größer die Oberfläche
des Strahls ist, umso kleiner und zahlreicher sind die Wirbel, die im Strahl entstehen. Mit
den kleiner und zahlreicher werdenden Wirbeln wird – bei unverändert bleibender Lärm-
gesamtenergie im Strahl – niederfrequenter Lärm reduziert und höherfrequenter Lärm
verstärkt. Diese Frequenzveränderungen bewirkt zum einen, dass ein Teil der Lärmfre-
quenzen in einen Bereich verschoben wird, der unterhalb der menschlichen Hörschwelle
liegt, und zum anderen, dass hohe Frequenzen, die vom Menschen als unangenehmer
Lärm empfunden werden, sich in einen solchen Bereich verschieben, in dem sie von der
Atmosphäre besser absorbiert werden können. Als Folge davon wird das gesamte Lärmni-
veau gesenkt und die räumliche Lärmabnahme im Nah- und Fernbereich eines Flugzeuges
verbessert.
4.6 Schubdüse 261
Abb. 4.63 Chevron-Düsen, links im Primär- und Sekundärkreis eines Rolls-Royce Trent 800 Tur-
bofantriebwerks, installiert an einer Boeing B777-200ER, rechts DLR/Lufthansa Chevron Düse,
installiert an einem Airbus A319
4.6.3 Chevron-Düsen
Wie auch schon der Mischer, so soll auch die sog. Chevron39 -Düse zur Lärmminde-
rung von Flugzeugtriebwerken beitragen. Die Abb. 4.63 zeigt links eine solche Düse im
Primär- und Sekundärkreis eines Triebwerks, wie es im Rahmen des Testprogramms QTD
(Quiet Technology Demonstrator) der Firmen Boeing und Rolls-Royce in Zusammenarbeit
mit der NASA zum Einsatz kam. Das QTD-Programm demonstrierte erfolgreich, dass
Messungen an Modellen von Chevron-Düsen, die in Windkanälen lärmtechnisch unter-
sucht worden waren, auf Großausführungen übertragen werden konnten. Entsprechende
Ergebnisse aus Modellversuchen zeigt z. B. Abb. 4.64, das die Veränderung des Tempe-
raturprofils infolge der Verwendung unterschiedlicher Düsen-Hinterkanten-Formen im
Primärkreis qualitativ demonstriert. Die ersten Test (QTD1 ) wurden in den Jahren 2001
bis 2002 durchgeführt, denen sich zwischen 2005 und 2006 ein weiteres Testprogramm
(QTD2 ) anschloss. Das letztere Programm sah auch Untersuchungen mit einer variablen
Geometrie der Düsenzacken (Azimutalverstellung) an der Sekundärdüse mittels so ge-
nannter „intelligenter Werkstoffe“ (Smart Materials)40 vor, Abb. 4.65. Insgesamt zeigte
sich, dass eine grobe Zackengebung der Fandüse mit einer intensiven Vermischung im Be-
39
Das Wort Chevron, das ursprünglich im Zusammenhang mit der Heraldik (Sparren = nach unten
offener Winkel: ), mit militärischen Orden und Dienstgradabzeichen oder mit Gewebemustern
(Fischgräte) verwendet wurde, ist hier am besten mit dem Begriff Zickzack zu übersetzen. Eine
Chevron-Düse könnte also im Deutschen auch als Zickzack-Düse bezeichnet werden.
40
Unter „intelligenten Werkstoffen“ oder auch Smart Materials werden solche verstanden, die selbst-
ständig, ohne eine Regelung von außen, auf verändernde Umgebungsbedingungen, wie z. B. einer
Temperaturerhöhung oder einer mechanischen Belastung, reagieren und so ihre Form oder Elasti-
zität ändern können. Hierzu gehören auch Materialien, deren Eigenschaften sich durch die aktive
Zufuhr einer Energie, wie z. B. einer elektrischen Spannung oder von Wärme, beeinflussen lassen.
262 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
Chevron
Tab
Temperaturverteilung
im Kernstrahl (Primärkreis)
Baseline
reich des Pylons vorteilhaft ist, wenn zusätzlich die Zackung und Vermischung in Richtung
Triebwerksunterseite progressiv verringert wird. In Flugversuchen ließ sich die erwarteten
Lärmminderungen nachweisen und zeigten außerdem, dass der negative Einfluss auf den
Schub weniger als 0.05 % beträgt.
Die Firma General-Electric Aircraft Engines hat über 50 unterschiedliche gezackte
Chevron-Düsen für die Triebwerke CF6, CFM56 und CF34 experimentell untersucht,
von denen schließlich Lärmreduzierungen von ca. 2.5 EPNdB im Starfall zu erwarten sind
(Thomas et al. 2001).
Das Wirkprinzip der Chevron-Düsen beruht darauf, dass es auf Grund der Zackung der
Düsenhinterkanten zu einer Beeinflussung der Vermischungscharakteristiken der Trieb-
werksstrahlen kommt, die schließlich zu einer Minderung des Strahllärms führt, ohne dass
es zu signifikanten Leistungseinbußen in der Schubdüsenwirkung kommt.
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat im Rahmen von Flugversu-
chen in Kooperation mit der Deutschen Lufthansa demonstriert, dass es auch kurzfristig
möglich wäre, an bestehendem Fluggerät zum Zwecke der Lärmreduzierung Chevron Dü-
sen nachzurüsten. So ergaben sich beim Einsatz einer vom DLR konzipierten und von
der Lufthansa gebauten Chevron Düse bei Testflügen mit einem Airbus A319 (Abb. 4.63
rechts) Lärmreduktionen um 1 dB, DLR N. N. (2004). Insgesamt haben die Ergebnisse
gezeigt, dass das Aufbrechen der großen Wirbelstrikturen im Triebwerksstrahl, die einen
wesentlichen Anteil am Gesamtlärm eines Triebwerks haben, durch Zacken in kleinere
Wirbelstrukturen nur nahe an der Düse funktioniert. Auf dieser Basis wäre es zukünftig
erforderlich, die turbulenten Strahlstrukturen noch weiter stromab der Düse zu stören,
4.6 Schubdüse 263
Außen-
strömung
Heizelemente
Neutralachse
A A Schnitt A - A
federndes
Compsitematerial
Außen-
Innen- verkleidung
strömung Verstellrichtung
In Kap. 6 wird noch gezeigt werden, dass im Falle einer konvergenten Schubdüse nicht
der gesamte im Triebwerk erzeugte Druck in kinetische Energie gewandelt werden kann.
In der Schubformel zeigt sich dies durch einen zusätzlichen Term, der als Druckkraft
(Pressure Thrust) bezeichnet wird. Diese trägt zwar auch zur Schuberzeugung bei, aber
nicht so effizient, wie es bei einer vollständigen Wandlung aller Druckenergie in kineti-
sche Energie der Fall wäre. Unter diesem Gesichtspunkt kommt die konvergent/divergente
Schubdüse ins Kalkül, da sie mehr oder weniger gut in der Lage ist, die gewünschte Ener-
gieumsetzung zu realisieren. Eine konvergent/divergente Düse macht dieses umso besser,
je genauer ihre Kontur auf den jeweiligen Strömungszustand (Düsenaustrittsmachzahl)
eingestellt werden kann, d. h., zu jeder Triebwerksaustrittsmachzahl gehört ganz genau
eine einzige Düsenkontur ganz bestimmter Form. Variiert die Düsenaustrittsmachzahl
aufgrund unterschiedlicher Triebwerksleistungen, so ist eine Schubdüse variabler Kontur
(verstellbare Schubdüse) von Vorteil.
Bei einem Triebwerk ist dies unter den gegebenen Heißgasbedingungen nicht so leicht
zu realisieren, wie es erscheinen mag. Ist z. B. im divergenten Teil der Düse die Quer-
schnittsänderung im Verhältnis zum Strömungszustand zu stark oder zu schwach, so
sind instationäre Strömungsvorgänge mit entsprechenden Energie- bzw. Schubverlusten
die Folge. Im Falle, dass im divergenten Schubdüsenteil die Flächenverhältnisse zu ra-
pide ansteigen, kommt es zu Strömungsablösungen an den Düsenwandungen und der
gewünschte Geschwindigkeitszuwachs tritt nicht ein. Durch einen zu geringen Flächenzu-
wachs im divergenten Düsenteil wird das mögliche Potenzial der Düse nicht genutzt und
so der erreichbare Geschwindigkeitszuwachs nicht voll ausgeschöpft. Verstellbare, konver-
gent/divergente Düsen sind die typischen Schubdüsen von Nachbrennertriebwerken41 . Sie
können sowohl die Form einer herkömmlichen konvergenten Düse annehmen als auch die
einer Lavaldüse. Abbildung 4.66 zeigt ein typisches Beispiel hierfür. Solche verstellbaren
Düsen werden z. B. durch eine Serie von beweglichen Klappen realisiert, die um den Dü-
senaustritt angeordnet sind. Ein anderer Typ arbeitet nach der Art des Iris-Verschlusses
von Fotokameras. Die Bewegung der Düse erfolgt durch eine Serie von pneumatischen
oder hydraulischen Aktuatoren, die auf dem äußeren Umfang des Nachbrennergehäuses
angebracht sind, Abb. 4.57 oben. Die pneumatischen Aktuatoren werden gewöhnlich mit
Hochdruckluft vom Verdichter betrieben und die hydraulischen mit druckbeaufschlag-
tem Kraftstoff vom Triebwerkssteuerungssystem (Engine Control Unit, ECU). Heutige
verstellbare Schubdüsen sind hoch entwickelte Systeme, die ihre Kontur dem jeweiligen
Triebwerkszustand relativ gut anpassen können. Ist die Düse im so genannten geschlos-
senen Zustand, dann schließt sich an den konvergenten Düsenteil eine Art von Rohr
mit konstantem Durchmesser an (Abb. 4.66 unten und 4.67), sodass das Gesamtgebilde
als rein konvergente Düse, aber mit zylindrischer Verlängerung angesehen werden kann.
Ist die Düse dagegen im so genannten offenen Zustand (Abb. 4.66 Mitte), dann hat sie
41
An dieser Stelle sei nochmals darauf hingewiesen, dass in Überschallströmungen ein Zuwachs
an Strömungsgeschwindigkeit nur in divergenten, d. h. diffusorartigen Strömungskanälen realisiert
werden kann; ganz im Gegensatz zu den Gegebenheiten in Unterschallströmungen.
4.6 Schubdüse 265
Konvergent-divergente Düse
A7 A8 A9 Triebwerks-
strahl
Aktuator Stellung:
konvergent/divergente Düse
Nachbrennerge
-
häuse mit Inne
naus-
kleidung Stellung:
rein konvergente Düse
Abb. 4.66 Aufbau einer verstellbaren, konvergent/divergenten Schubdüse; oben Eurojet EJ200 (Eu-
rofighter), Schubert (1999), Mitte Einstellung als Lavaldüse, unten Einstellung als herkömmliche
konvergente Düse
die Form einer konvergent/divergenten Lavaldüse. Beim Verstellen verändert sich sowohl
der engste Querschnitt A8 der Düse (Abb. 4.66) als auch der Düsenaustrittsquerschnitt
A9 . Die Regelung der Schubdüsenverstellung steht in gegenseitiger Wechselwirkung mit
dem vorgeschalteten Nachbrenner. Am Ende von Kap. 4.5.1 war auf die wesentlichen
Grundsätze der Regelung bereits kurz eingegangen worden, sodass hier auf weitere diesbe-
zügliche Ausführungen verzichtet wird. Die für die Schubdüsenverstellung erforderlichen
Stellkräfte, die über die Aktuatoren aufgebracht werden müssen, können zum Teil sehr
groß sein, sodass ein kluges Balancieren der einzelnen, verstellbaren Düsenteile in Kom-
bination mit den Strömungskräften der Innen- und Außenströmung zur Minimierung
der Verstellmomente notwendig werden kann. Solche Düsen werden auch als Balanced
266 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
Abb. 4.67 Verstellbare Schubdüse des Nachbrennertriebwerks F110-GE-129 von General Electric,
das im amerikanischen Kampfflugzeug F16 Fighting Falcon zum Einsatz kommt
Beam Nozzle bezeichnet. Einfachere, ältere Formen von verstellbaren Schubdüsen kamen
auch ohne Aktuatoren aus. Die Schubdüse besteht dabei aus vollkommen frei beweglichen
Teilstücken (Tail Feathers), die durch die Druckdifferenz zwischen der äußeren Schubdü-
senumströmung und der Innenströmung einen entsprechenden Öffnungswinkel für die
Düse ausbilden.
Bei einigen Nachbrennertriebwerken wird die divergente Schubdüse nicht nur bei
großen Triebwerksleistungsstufen weit geöffnet, sondern auch am Boden oder bei klei-
neren Fluggeschwindigkeiten, umso den Triebwerksschub zu reduzieren. Für die letzteren
beiden Fälle gibt es folgende Gründe:
• Bei einer sehr zügigen Beschleunigung eines Strahltriebwerks aus niedrigen Drehzahlen
heraus kann der Verdichter bei zu kleinen Schubdüsenquerschnitten in seine Pump-
grenze getrieben werden. Um dieses zu vermeiden, wird die Beschleunigung durch den
Kraftstoffregler so begrenzt, dass das Hochfahren des Triebwerkes bei starrem Schub-
düsenquerschnitt nicht so schnell erfolgen kann, wie es praktisch wünschenswert wäre.
Das Öffnen der Schubdüse bei diesem Vorgang entlastet den Verdichter und verkürzt
von daher die Beschleunigungszeiten. Dieses ist z. B. speziell für den Landevorgang auf
Flugzeugträgern ein wesentliches Argument.
• Das Manövrieren am Boden wird mit reduziertem Schub einfacher, sodass auf einen
zu häufigen Einsatz der Radbremsen verzichtet werden kann. Dieses ist hinsichtlich
der Wärmeableitung an den Bremsen und hinsichtlich der Bremsenlebensdauer ein
wesentliches Argument.
Die Verwendung einer verstellbaren Schubdüse muss immer wohl überlegt sein, da sie
zum einen aus teuren, hochwarmfesten Materialien gefertigt werden muss und da sie
außerdem auch noch durch die aufwendige Mechanik sehr schwer ausfällt. Hinsichtlich
4.6 Schubdüse 267
Abb. 4.68 Beispiel für eine zweidimensionale Schubvektorsteuerung (Pitch Control) F119-PW-
100 (Lockheed Martin/Boeing F-22 Raptor). Bilder mit freundlicher Genehmigung von United
Technologies, Pratt & Whitney
4.6.5 Schubvektorsteuerung
Abb. 4.69 Zweidimensionale Schubvektorsteuerung (Pitch-Thrust Vectoring) des Pratt & Whitney
Triebwerks F119-PW-100. Basisbilder mit freundlicher Genehmigung von United Technologies
Pratt & Whitney
(Abb. 4.68 oben) verwendet werden. Darüber hinaus ist auch ein Umkehrschubbetrieb
möglich, Abb. 4.69 unten rechts. Der wesentliche Punkt ist aber, dass der Triebwerksstrahl
zusätzlich auch noch um bis zu 20◦ nach oben und unten verstellt werden kann, Abb. 4.69
oben und unten Mitte. Mittels dieser Art von Schubdüse sollen sehr kurze Lande- und Start-
strecken von ca. 460 m Länge möglich werden, ebenso wie eine außerordentlich verbesserte
Manövrierfähigkeit bei hohen Fluggeschwindigkeiten (Luftkampf). Wird die Schubdüse
im Vorwärtsflug nach oben oder unten gedreht, so hebt oder senkt sich damit auch die
Nase des Flugzeuges (Anstellwinkeländerung, Nickbewegung), ohne dass sich aber dabei
dessen Höhe verändert, Abb. 4.69.
Abbildung 4.70 zeigt eine Weiterentwicklung der Schubvektorsteuerung mit dreidi-
mensional verstellbarer Schubdüse, mit der beliebige und damit auch seitliche Düsenver-
stellungen möglich werden, sodass nicht nur Nick-, sondern auch Gierbewegungen (Pitch
4.6 Schubdüse 269
Dichtsegmente
innere
Flächensegmente
äußere
Düsensteuerung
Flächensegmente
Abb. 4.70 Verstellbare Schubdüse AVEN (Axisymmetric Vectoring Exhaust Nozzle) von General
Electric für ein Nachbrennertriebwerk zur Schubvektorsteuerung
and Yaw) für das Flugzeug eingeleitet werden können. Auf diese Art und Weise kann die
Manövrierfähigkeit und Wendigkeit eines Kampfflugzeuges erheblich gesteigert werden,
sodass Flugmanöver entstehen, die mit einer herkömmlichen Flugzeugsteuerung nicht
realisierbar sind. Ein Beispiel hierfür ist die in Abb. 4.70 dargestellte Düse der Enhanced
Fighter Engine (EFE) F110-GE-129 von General Electric mit einer so genannter Axisym-
metric Vectoring Exhaust Nozzle (AVEN). Die Düse kann um 20◦ in jede seitliche Richtung
verstellt werden, mit einer Verstellrate von 0.6◦ pro hundertstel Sekunde (= 60◦ pro Sekun-
de). Die PYBB-Düse (PYBBN, Pitch-Yaw Balanced Beam Nozzle) von Pratt & Whitney für
das F100-PW-229A Triebwerk, die auch um bis zu 20◦ in jede Richtung verstellt werden
kann, erreicht sogar Verstellraten von beachtlichen 1.2◦ pro hundertstel Sekunde (= 120◦
pro Sekunde). Eine weitere Entwicklung von Pratt & Whitney ist die SCF-Düse (SCFN,
Spherical Convergent Flap Nozzle), die ebenfalls für das Triebwerk F119-PW-100 gedacht
ist, das der Antrieb des taktischen Kampfflugzeuges F-22 Raptor (ATF, Advanced Tactical
Fighter) der Firmen Lockheed Martin und Boeing ist, Abb. 4.69 rechts oben.
Neben einer erhöhten Manövrierfähigkeit und kurzen Start- und Landedistanzen sind
die Vorteile einer Schubvektorsteuerung darin zu sehen, dass damit ausgerüstete Flugzeu-
ge auch bei ansonsten defekten oder zerstörten aerodynamischen Steuerflächen dennoch
fliegbar bleiben, und dass die aerodynamischen Steuerflächen kleiner ausfallen bzw. zum
Teil sogar ganz entfallen können, wodurch sich das Gewicht und der so genannte Ra-
darquerschnitt eines militärischen Flugzeuges reduzieren, (Reduced Radar Cross-Section,
RCS).
Schubdüsen
Abb. 4.71 Der Ryan XV-5A Vertifan aus dem Jahr 1964. Die beiden Bläser (Fan) in den Flügeln
werden von Blattspitzenturbinen angetrieben, die ihre Antriebsluft aus den Haupttriebwerken des
Flugzeuges beziehen
den. Abbildung 4.71 zeigt ein Konzept für den Senkrechtstart mittels zweier Fanrotoren,
die in den Tragflächen angeordnet sind (Remote Lift System). Ein dritter, etwas kleinerer
Fan befindet sich in der Flugzeugnase und dient der Nicksteuerung des Flugzeuges. Die
Fanrotoren haben an den Blattspitzen jeweils fest integrierte Turbinenbeschaufelungen,
die mittels Luft angetrieben werden, die aus den Strahlrohren hinter den Turbinen der bei-
den Haupttriebwerke abgenommen wird. Verstellbare Jalousien-Klappen im Fanbereich
steuern den Übergang vom Senkrecht- in den Geradeausflug. Die beiden Haupttriebwerke
erzeugen einen Geradeausschub von insgesamt 23.65 kN und die drei in den Tragflächen
und der Flugzeugnase angeordneten Gebläse einen Senkrechtschub (Lift Thrust) insgesamt
ca. 62 kN. Ab einer Vorwärtsfluggeschwindigkeit von rund 75 m/s geht der Flugzeugantrieb
in den normalen, reinen Strahlantrieb über. Abdeckklappen schließen dann die jeweiligen
Fanöffnungen aerodynamisch ab und das Flugzeug kann auf seine Maximalgeschwindig-
keit von bis zu 280 m/s beschleunigen. In der Praxis durchgesetzt hat sich dieses Konzept
aber nicht.
4.6 Schubdüse 271
Abb. 4.72 oben: Rolls-Royce Turbofantriebwerk Pegasus mit vier verdrehbaren Düsen für das
VSTOL-Kampfflugzeug Harrier (Vertical and Short Take-Off and Landing), Mitte: Der Harrier
AV-8A, der US Marines
des Triebwerks wird vom unteren Teil der Fanbeschaufelung vorverdichtete Luft zugeführt.
Das Abgas des Gasgenerators wird dann durch zwei weiter hinten, ebenfalls links und rechts
unter dem Flugzeug angeordnete und ebenfalls auch verdrehbare Düsen geleitet.
Der in Abb. 4.74 dargestellte amerikanische Joint Strike Fighter (JSF) F35 von Lock-
heed Martin ist nach dem Harrier das zweite praktisch ausgeführte und in Serie gefertigte
senkrecht startende Flugzeug. Als Triebwerk kommt das Pratt & Whitney Triebwerk
F135-PW-100 zum Einsatz, das die technologische Weiterentwicklung des F119-PW-100
Triebwerks ist (Abb. 4.69), das bereits im Kampfflugzeug F-22 Raptor Anwendung fin-
det. Die Möglichkeit zur Erzeugung von Vertikalschub beim F135-PW-100 Triebwerk,
dessen generellen Aufbau die Abb. 4.73 verdeutlicht, wird durch folgende technische
Modifikationen gegenüber dem F119-PW-100 Triebwerk erreicht:
• Die Triebwerksdüse lässt sich um 90◦ nach unten schwenken, sodass dann im Heckbe-
reich des Flugzeuges bis zu 80 kN Senkrechtschub erreicht werden kann. Das Schwenken
der Schubdüse wird durch drei sich drehende Segmente erreicht, aus denen das Strahl-
rohr vor der Düse besteht. Das grundlegende Konzept dazu ist links in Abb. 4.75 als
Zwei-Segment-Form dargestellt, bei dem es darauf ankommt, dass beim Schwenken
weder eine seitlich wirkende Schubkomponente entstehen darf, noch ein seitlicher
Schubversatz aus der horizontalen Triebwerksachse heraus. Die Verwendung eines zu-
sätzlichen dritten Segments, wie es beim F35-Triebwerk der Fall ist, garantiert, dass sich
die Schubdüse beim Schwenkvorgang nicht um die eigene Achse drehen kann.
• Unmittelbar hinter dem Cockpit befindet sich ein Hubtriebwerk von Rolls-Royce Al-
lison, das im Wesentlichen nur ein zweistufiger, gegenläufig rotierender Fan ist, der
über eine separate und mittels einer Kupplung zuschaltbaren Welle des Haupttrieb-
werks angetrieben wird (SDLF, Shaft Driven Lift Fan). Dadurch steht im vorderen
Triebwerksbereich weiterer Senkrechtschub von 80 kN zur Verfügung. Die Antriebslei-
stung des Hubtriebwerks wird von einer zweistufigen Arbeitsturbine im Haupttriebwerk
bereitgestellt.
• In die linken und rechten Flügelbereiche ragen zwei kleine Düsen hinein, die vom
Haupttriebwerk mit Luft beaufschlagt werden, und die der zusätzlichen Rollstabilität
des Flugzeuges dienen.
Abbildung 4.76 zeigt eine Zusammenstellung von Möglichkeiten der Ausnutzung des
Triebwerkstrahls zur Erhöhung der Vertikalkomponente der Tragkraft von Flugzeugen,
die mit kurzen Start- und Landestrecken auskommen sollen, sog. STOL-Flugzeugen (Short
Take-Off and Landing). Die in Abb. 4.76 dargestellten Fälle
A und
C sind praktisch iden-
tisch. In beiden Fällen wird der Abgasstrahl des Triebwerks über den Flügel und seine
ausgefahrenen Klappen (Flaps) geblasen. Aufgrund des so genannten Coandǎ-Effekts42
42
Henri Marie Coandǎ (∗ 1886 †1972) war ein rumänischer Physiker, der mit der „Coandǎ-1910“
das erste strahlgetriebene Flugzeug baute. Der Antrieb war ein sog. Motor- oder Thermojet, der
auch Campini-Triebwerk genannt wird, vgl. hierzu auch Kap. 1.5. Beim ersten Testflug, am 16.
4.6 Schubdüse 273
-
stehen
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zweigeteilter seitlicher
ltbar
Überschalleinlauf für
Schubdüse
e
das Haupttriebwerk
des Hubtriebwerks
Abb. 4.73 Der Joint Strike Fighter (JSF) F-35, der nach dem britischen Harrier der zweite in Serie
ausgeführte Senkrechtstarter ist. Unmittelbar hinter dem Bugfahrwerk befindet sich der Auslass des
zusätzlichen Hubtriebwerks. Unter dem linken Flügel ist die Düse zur Rollsteuerung des Flugzeuges
zu erkennen. Bild mit freundlicher Genehmigung von Lockheed Martin
Dezember 1910, entdeckte er dabei den nach ihm benannten Coandǎ-Effekt. Während der Landung
des Flugzeugs war zu beobachten, dass sich das Heißgas des Triebwerks an den Rumpf des Flugzeuges
anlegte. Dabei geriet es in Brand und wurde vollständig zerstört. Der Coandǎ-Effekt beschreibt die
Eigenschaft einer schnellen, turbulenten Strömung, die über eine glatte, stark gekrümmte Oberfläche
streicht, ohne dabei von dieser Oberfläche abzulösen. Bei turbulenten, wandnahen Strömungen ist
längs einer gekrümmten Oberfläche das Eindringen und Vermischen des umgebenden Fluides zur
274 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
Abb. 4.74 Der Joint Strike Fighter (JSF) F-35, der nach dem britischen Harrier der zweite in Serie
ausgeführte Senkrechtstarter ist. Unmittelbar hinter dem Bugfahrwerk befindet sich der Auslass des
zusätzlichen Hubtriebwerks. Unter dem linken Flügel ist die Düse zur Rollsteuerung des Flugzeuges
zu erkennen. Bild mit freundlicher Genehmigung von Lockheed Martin
bleibt der Strahl trotz der Umlenkung an der umströmten Oberfläche anliegen und er-
zeugt so sehr hohe Auftriebsbeiwerte, die ein Vielfaches des normalen Auftriebsbeiwertes
eines Tragflügels mit ausgefahrenen Klappen betragen können. Die Vertikalkompo-
nente des umgelenkten Abgasstrahls des Triebwerks liefert ebenfalls einen Beitrag zur
vertikalen Tragkraft des Flugzeuges. Im Fall
E ist sie faktisch ausschließlich für die STOL-
triebwerken von General Electric und an den russischen Flugzeugen Antonov An-72
und An-74 um das Jahr 1975 herum.
• B – EBF (Externally Blown Flaps) an der McDonnell Douglas YC-15 um das Jahr
1975 herum mit vier JT8D-17 Turbofantriebwerken von Pratt & Whitney und in etwas
abgeschwächter Form an der aktuellen Boeing C-17 Globemaster III mit vier F117-PW-
100 Triebwerken (militärische Version des PW2040 von Pratt & Whitney)
• D – AW (Augmenter Wing) an der kanadischen deHavilland Buffalo mit zwei
Wand hin erschwert, sodass sich dort eine Unterdruckzone bilden kann. In Richtung zur Wand
hin besteht also ein Druckgefälle, das den Strahl permanent zur Wand hin abdrängt. Ursache des
Coandǎ-Effekts ist damit eine Unterdruckwirkung in der wandseitigen Region eines Strahls.
4.7 Schubumkehrer 275
Düse in Vorwärts-Schub-Position
variab
le Dü
se
Abb. 4.75 Verstellung einer Schubdüse mittels drehbarer Segmente; links grundlegende Zwei-
Segment-Form der Firma Rolls-Royce aus den 1960er-Jahren, rechts Drei-Segment-Form Schwenk-
düse des F-35 JSF. Basisbild mit freundlicher Genehmigung der Rolls-Royce plc
4.7 Schubumkehrer
A B
Anblasen der Flügelklappen extern angeblasene Flügelklappen
von oberhalb des Flügels (Externally Blown Flaps, EBF)
(Over-the-Wing-Blowing)
C
Anblasen der Flügel-
oberfläche und der -klappen
D (Upper-Surface-Blowing, USB)
Ausblasen von Luft
aus der Flügelhinterkante
(Augmentor Wing)
E
Schubdüsenverstellung
(Vectored Thrust)
Abb. 4.76 Verschiedene Möglichkeiten der Verwendung des Triebwerkstrahls zur Steigerung der
Vertikalkraft von STOL-Transportflugzeugen (Short Take-Off and Landing)
Mehr als Nebenaufgabe von Schubumkehrern können die folgenden drei Funktionen
angesehen werden:
• Bei einigen wenigen militärischen Flugzeugen agieren Schubumkehrer auch als eine Art
von Spoiler oder Speed Brakes zum Reduzieren der Fluggeschwindigkeit beim Abstieg
(Descend).
• Zur Begrenzung der Bremsentemperaturen kann beim Rollen der Schubumkehrer auf
den Rollwegen benutzt werden, wenn diese abschüssig sind.
• Rückwärtssetzen des Flugzeuges, insbesondere militärische Flugzeuge, aus einer
Parkposition heraus (Push Back Operation).
Zu dem letztgenannten Punkt ist anzumerken, dass bei vielen Flugzeugen das Rückwärts-
setzen mit Schubumkehrer laut Flughandbuch explizit verboten ist. Das Triebwerk könnte
nämlich unter Umständen seine eigenen heißen Abgase ansaugen. Dieses kann schließ-
4.7 Schubumkehrer 277
Strömung im
Strömung im Sekundärkreis
Primärkreis
Sekundäranteil
Primäranteil
Umkehrschub-
Reverser-Gitter strömung
Gondel geschlossen Gondel offen
Blocker Door
Innen- ausgefahren
strömung
Strömung aus
Sekundärdüse
Abb. 4.77 Beispiele für praktisch ausgeführte Schubumkehrer; oben Bucket Doors Reverser hinter
einem Triebwerk, unten Cold Stream Cascade Reverser im Sekundärkreis eines Triebwerks
kehrers an der Bremswirkung auf bis zu etwa 50 % steigern. Hinsichtlich der Kosten
reduzieren Schubumkehrer den Verschleiß von Bremsen und Reifen.
Nach dem Aufsetzen des Flugzeuges auf der Landebahn und vor der Betätigung des
Schubumkehrers muss sich der Gashebel (Throttle or Thrust Lever) des Triebwerks in
der normalen Leerlaufstellung (Flight Idle) befinden. Bei der Landung, nach dem Auf-
setzen, werden die Triebwerke eine gewisse Zeit bewusst in diesem höheren Flight Idle
gehalten, um im Notfall wieder besser beschleunigen und durchstarten zu können. Vor
der Betätigung des Schubumkehrers muss dieser durch den Piloten manuell frei gegeben
werden (Reverse Unlock). Danach kann der Umkehrschubhebel nur bis zu einer Sper-
re im System (Thrust Reverser Lever Interlock) gezogen werden, um so asymmetrischen
Umkehrschub zu vermeiden. Erst wenn alle Schubumkehrer an allen Triebwerken in ih-
re geöffnete Endposition gefahren sind, wird diese Sperre automatisch entfernt. Darauf
4.7 Schubumkehrer 279
Abb. 4.78 Drehtür-Reverser des Triebwerks CFM 56-5C-2 (Airbus A340). Das Triebwerk hat vier
auf dem Umfang gleichmäßig verteilte (alle 45◦ ) Pivoting Doors und produziert Umkehrschub, der 30
bis 35 % des Startschubes beträgt. Basisbild mit freundlicher Genehmigung von CFM-International
folgend kann das Triebwerk durch weiteres Ziehen des Umkehrschubhebels aus dem nied-
rigeren Umkehrschub-Leerlauf (Reverse Idle) in die Stellung für maximalen Umkehrschub
(Maximum Reverse) beschleunigt werden, und zwar so, wie es der jeweilige Landevor-
gang erfordert. Für den Airbus A320 zeigt Abb. 4.79, dass für die Umkehrschubbetätigung
der Gashebel vom Piloten nach hinten zurückgezogen wird, also in die entgegengesetzte
Richtung zum Vorwärtsschubbetrieb gebracht wird. Bei den meisten anderen Flugzeugen
dagegen ist der Umkehrschubhebel ein extra Hebel, der im Hauptgashebel integriert ist und
zur Umkehrschubbetätigung vom Piloten mehr nach oben als nach hinten gezogen wird.
Ab etwa 80 Knoten (≈ 150 km/h) Rollgeschwindigkeit wird der Umkehrschub langsam bis
zur Leerlaufstellung zurückgenommen und danach wieder in den Vorwärtsschub überge-
gangen, sobald dies praktikabel ist. Bei normalen Landungen wird der Umkehrschub nur
bis zu N1-Drehzahlen (Drehzahl der Niederdruckwelle, auf der u. a. auch der Fan sitzt) von
etwa 70 . . . 90 % gefahren. Der jeweils zu wählende Wert hängt vom Triebwerk und von
seiner Installation am Flugzeug ab. So haben z. B. Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen der
Lufthansa gezeigt, dass das CF6-Triebwerk am Airbus A300/A310 im Umkehrschub bis et-
wa 70 % N1 gefahren werden sollte, während das JT8-Triebwerk an den Boeing-Flugzeugen
B727 und B737 bis 90 % N1 gefahren werden konnte.
280 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
Thrust Levers
Reverse
Unlock
Manual
Pitch Trim
Wheel
Idle Reverse
Unlock
Reverse
Idle
Thrust Levers
Abb. 4.79 Aufbau der Schubhebelkonsole (Pedestal) eines zweimotorigen Strahlflugzeuges vom
Typ Airbus A320 mit dem Betätigungsprinzip für den Umkehrschubhebel
43
Der tragische Unfall mit einer Boeing B767-300ER der Lauda-Air am 26. Mai 1991 nordwestlich
von Bangkok hat gezeigt, in was für einem Desaster für Flugzeug und Insassen das unbeabsichtigte
Ausfahren eines einzigen Schubumkehrers während des Reisefluges enden kann. In einer Flughöhe
von 7 500 m hat sich bei einer Flugmachzahl von 0.78 der Schubumkehrer des linken Pratt & Whitney
4.7 Schubumkehrer 281
aber erst dann betätigt werden, wenn sich zusätzlich auch noch die Fahrwerksräder dre-
hen. Sollten sich z. B. infolge Aquaplanings einmal die Räder des Hauptfahrwerks nicht
ausreichend schnell drehen, und die Bremsen deswegen nicht funktionsbereit sein, so
könnte aber zumindest mit dem Schubumkehrer das Bremsen eingeleitet werden, bis das
Aquaplaning abgebaut ist, und die Radbremsen zusätzlich wieder zur Verfügung stehen44 .
Der Umkehrschubstrahl kann außerdem Schmutz, Staub und Kleinteile auf der Lan-
debahn aufwirbeln, die dann schließlich das Triebwerk wieder ansaugt und dadurch
sogar beschädigen oder zerstören kann. Aufgewirbelter feinster Sand findet sich un-
ter Umständen im Ölkreislauf des Triebwerks wieder, da er die Lagerabdichtungen
(Labyrinth-Dichtungen mit Sperrluft) durchdringen kann.
Bei zweimotorigen Flugzeugen, bei denen die Triebwerke unter dem Flügel montiert
sind, kann der Umkehrschub gleichmäßig, über den gesamten Umfang des Triebwerks ver-
teilt, erzeugt werden. Bei viermotorigen Flugzeugen ist unter Umständen darauf zu achten,
dass der Umkehrschubstrahl nicht vom benachbarten Triebwerk angesaugt werden kann,
was dazu führt, dass – über den Umfang gesehen – eine ungleichmäßige Strahlführung
im Schubumkehrer erforderlich wird. Sind die Triebwerke im Heckbereich des Flugzeu-
ges angeordnet, so kann ein Umkehrschubstrahl praktisch nur in dem Triebwerksbereich
realisiert werden, der vom Flugzeugrumpf abgewandt ist. Aufgrund der Rollgeschwindig-
keit des Flugzeuges am Boden wird der Schubumkehrerstrahl mit zunehmendem radialem
Abstand von der Gondel nach hinten umgelenkt, Abb. 4.80. Hierdurch kann es in Ab-
hängigkeit der Rollgeschwindigkeit zu lokal begrenzten Auftriebserhöhungen auf dem
Tragflügel kommen. Je geringer die Rollgeschwindigkeit ist, umso geringer werden sich
die oben in Abb. 4.80 dargestellten Effekte ausprägen. Unter dem Triebwerk kommt es zu
einer erheblichen Interaktion mit dem Boden, wodurch Schmutz aufgewirbelt und schließ-
lich vom Triebwerk angesaugt werden kann, Abb. 4.80 oben rechts. Bei Flugzeugen mit
großen Spannweiten ist dies ein wesentlicher Aspekt, vor allem dann, wenn die Triebwerke
außerhalb der Landebahnschultern (die Breite von Start- und Landebahnen beträgt nor-
malerweise 45 m) frei über dem unbefestigten Untergrund hängen. Für den Airbus A380
war dies der Grund, nur noch die beiden innen liegenden Triebwerke (Nr. 2 und 3) mit
Schubumkehrern auszurüsten, da man die beiden außen liegenden Triebwerke (Nr. 1 und
4) einer solchen Situation nicht aussetzen möchte, Abb. 4.80 unten.
Triebwerke mit langer Gondel (vgl. Abb. 4.60 unten) haben gewöhnlich nur einen
Schubumkehrer im kalten Kreis (Fankreis), wogegen Triebwerke mit kurzer Gondel auch
manchmal einen zweiten Schubumkehrer im heißen Kreis haben. Je größer das Bypass-
Verhältnis eines Triebwerks ist, umso kleiner wird auch der Umkehrschubanteil des heißen
Kreises, da der Luftmassenstrom, der durch den Primärkreis strömt, im Vergleich zu dem
Triebwerks PW4060 aus bis heute noch nicht eindeutig geklärter Ursache aktiviert. Alle Passagiere
und die gesamte Besatzung kamen dabei ums Leben.
44
Der Lufthansa-Flug 2904 am 14. September 1993 in Warschau hatte aufgrund eines nicht perfekten
Zusammenspiels dieser Eigenschaften und weiterer widriger Umstände zu einem Unfall mit 2 Toten
geführt.
282 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
Roll-
ges-
chwin-
digkeit
Wechselwirkung mit dem Boden führt
zu Wirbelbildung unter dem Flügel
äußeres Triebwerk
ohne Reverser
inneres Triebwerk
mit Reverser
Abb. 4.80 Effekte des Schubumkehrstrahls eines Triebwerks in Unterflügelmontage auf die
Umströmung des Tragflügels und auf die Wechselwirkung mit dem Boden
des Sekundärkreises gering ist, mit der Folge, dass bei heutigen Zweikreistriebwerken nur
noch im kalten Kreis Schubumkehrer zu finden sind. Wird der heiße Kreis nicht für den
Umkehrschub umgelenkt, so produziert er dann aber Vorwärtsschub, und zwar umso
mehr, je größer die Triebwerksleistung im Umkehrschubbetrieb wird. Dieser Anteil wirkt
also dem Umkehrschub entgegen. Bei Triebwerken mit langer Gondel, die nur eine einzige
Schubdüse haben, ist dieser Effekt weniger ausgeprägt, da diese einzige Schubdüse für den
beim Umkehrschub verbleibenden, nach hinten strömenden heißen Abgasstrahl viel zu
groß ist und so das Abgas nicht mehr stark beschleunigen kann (der Bruttoschubanteil des
Heißgases wird vernachlässigbar klein).
Bei Turboprop-Flugzeugen sind vielfach die Propellerblätter verstellbar, sodass sie zur
Umkehrschuberzeugung genutzt werden können. Dieses ist eine Methode, die auch für
Hoch-Bypass-Triebwerke angedacht wurde, wo die Fanbeschaufelung verstellbar ausge-
führt wird und diese so zum einen für unterschiedliche Triebwerksleistungen optimal
verstellt werden und zum anderen zur Umkehrschuberzeugung genutzt werden kann.
4.8 Zukünftige Technologien 283
Abb. 4.81 B-52 Stratofortress während der Tests für den Bremsschirm des Space Shuttle. Bild mit
freundlicher Genehmigung des NASA Dryden Flight Research Centers
Zukünftige Flugzeuge und ihre Antriebe werden u. a. auch daran gemessen werden, wel-
che Vorteile und Verbesserungen sie bei den Herstellungs- und Betriebskosten zu bieten
haben. Zukünftige Umweltauflagen, die von der gesetzgeberischen Seite hinsichtlich der
Schadstoffe und des Lärms zu erwarten sind, stellen zusätzliche Herausforderungen dar.
Bis etwa zum Jahr 2020 wird von den Triebwerksherstellern in diesem Zusammenhang
eine Reduzierung des spezifischen Brennstoffverbrauchs von etwa 20 bis 25 % angestrebt,
Abb. 4.82. Die Stickoxide NOX sollen in diesem Zeitrahmen um etwa 85 % gegenüber den
ICAO-Grenzwerten von 1996 verringert werden. Beim Lärm wird eine Verringerung von
ca. 55 % gegenüber dem heutigen Niveau angestrebt.
Heutige Turbofantriebwerke bieten aufgrund physikalischer Grenzen kaum noch
Möglichkeiten zu signifikanten Reduzierungen beim Lärm und bei den Schadstoffen.
Eine effektive Lärmminderung könnte beispielsweise durch höhere Bypassverhältnisse
284 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
−.68... − %
−12 ... −14%
−20%
−25%
1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2035
Abb. 4.82 Bisherige und extrapolierte zukünftige Entwicklung des spezifischen Brennstoffver-
brauchs von zivilen Triebwerken, aufgetragen über dem Zulassungszeitpunkt
Vorteile:
Geringes Gewicht. Trotz extrem gepfeilter
und verwundener Schaufeln ist ein ein-
faches Schaufeldesign möglich.Der Rotor
wurde an der TU- Darmstadt bereits bis zu
32 000 min−1 erfolgreich getestet. Er hat
aber Probleme beimVogelschlag.
Abb. 4.83 Rotor aus Polymermatrix-Verbundwerkstoff (PMC). Basisbild mit freundlicher Geneh-
migung der MTU Aero Engines
Verbrennungsprozess bei Temperaturen ab 1 900 K rapide ansteigt, ist dies auch nur
innerhalb gewisser Grenzen möglich.
4.8.1 Werkstoffe
Die klassischen Werkstoffe für Triebwerksbauteile, die Titan- und Nickel-Legierungen, ha-
ben im Laufe der letzten Jahrzehnte ein hohes Maß an technischer Perfektion erreicht. Ihr
Verbesserungspotenzial ist aber begrenzt. Deshalb sind neue Werkstoffe und Bauweisen
in der Entwicklung, die eine Leistungsverbesserung bei vertretbaren Kosten versprechen.
Die spezifische Festigkeit dieser Werkstoffe, d. h., die Zugfestigkeit und Dichte, zeigt,
dass sie im Hinblick auf Temperaturbeständigkeit und Festigkeit attraktiv sind. Zwei
weitere viel versprechende Gruppen neuer Werkstoffe für künftige Triebwerkgeneratio-
nen sind faserverstärkte Verbundwerkstoffe und intermetallische Werkstoffe. Moderne
Verbundwerkstoffe haben entweder eine Polymer-, eine Metall- oder eine Keramikmatrix.
Bei den intermetallischen Werkstoffen sind es vor allem Werkstoffe auf der Basis der
Titan-Aluminide attraktiv.
Polymermatrix-Verbundwerkstoffe (PMC) kommen wegen ihres geringen Gewichts,
ihrer hohen Festigkeit und der niedrigen Kosten als Werkstoffe für Bauteile mit komplex-
er Geometrie infrage, Abb. 4.83. Ihre Einsatztemperatur ist jedoch auf 150 ◦ C bzw. bei
moderneren Typen auf 200 ◦ C begrenzt. Noch ist die Bauweise gegenüber Vogelschlag
sehr anfällig. Bei den Triebwerken CF6-80 und CFM56 sind die Fan-Austrittsleitschaufeln
aus PMC-Material gefertigt. Ein wesentlicher Meilenstein in der PMC-Technologie ist die
286 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
Abb. 4.84 Der Turbofan CFM LEAP 56 mit Fanschaufeln und -gehäuse aus 3-D gewobenem Carbon
Fiber Composite Materialien mit titanverstärkten Vorderkanten
Serienfertigung der Fanschaufeln für das Triebwerk GE90 und auch für das daraus abge-
leitete Triebwerk von CFM International, dem LEAP 56, Abb. 4.84, das für die Airbus
A320neo (New Engine Option) Familie und die Boeing 737NG (Next Generation) vorge-
sehen ist. Die GE90-Fanschaufeln, die eine Länge von etwa 1 000 mm haben, sind wegen
ihrer Erosionsanfälligkeit an den Eintrittskanten durch Titanstreifen geschützt. Mit Fa-
sern verbesserter Qualität können heute dreidimensionale, mehrlagige Gewebevorformen
mittels einer speziellen Nähtechnik, dem so genannten Stitch-Bonding, hergestellt werden.
Wegen der niedrigeren Kosten und des geringeren Gewichts ist davon auszugehen, dass
künftig zunehmend mehr Bauteile aus PMC-Werkstoffen Verwendung finden werden.
Ein Schwerpunkt bei der Weiterentwicklung dieser Werkstoffe liegt in der Steigerung der
Temperaturfestigkeit.
Mit hochfesten Verbundwerkstoffen auf Titanlegierungsbasis, so genannten
Metallmatrix-Verbundwerkstoffen, kann das Gewicht von Bauteilen um bis zu 20 % gegen-
über herkömmlichen Titanlegierungen reduziert werden. Als Verstärkung werden Fasern
mit hoher Festigkeit und hohem Elastizitätsmodul verwendet. Dieses Verfahren ist ins-
besondere für die Herstellung integral beschaufelter Ringe geeignet, Abb. 4.85, die auch
als so genannter „Bling“ (Bladed Ring) bezeichnet werden. Gegenüber konventionellen
Scheiben und sogar gegenüber den heute verwendeten „Blisks“ (Bladed Disk), die in
Abb. 4.20 und 4.86 dargestellt sind, bieten „Blings“ deutliche Vorteile hinsichtlich der
konstruktiven Flexibilität, des Gewichts und der Rotordynamik. In den USA wurden
4.8 Zukünftige Technologien 287
tragender Ring
Abb. 4.85 Rotor aus hochfesten Verbundwerkstoffen auf Titanlegierungsbasis (MMC = Metall-
Matrix-Composite). Basisbild mit freundlicher Genehmigung der MTU Aero Engines
Vorteile:
− Scheibenform wird für geringe
Randlast optimiert.
− Gewichtsreduzierung, zusammen
mit neuen, leichteren Werkstoffen
beträgt bis zu 50 % (abhängig von
der Geometrie des Verdichters).
− Gewinn in der Nutzlast-Reichweiten-
Charakteristik.
− Herstellkosten unterscheiden sich
nicht von denen eines konventionell
beschaufelten Rotors.
− GesenkteT eilezahl verringert den Instandhaltungsauf-
wand.
Beispiele:
Verschleißprobleme in den Schaufel-Scheibenverbin-
dungen werden vermieden. Montage- und Wucht-
prozeduren werden vereinfacht.
bereits „Blings“ (Ø ≈ 400 mm) und andere MMC-Teile, wie z. B. Wellen, Fanlaufschau-
feln und -leitschaufeln erfolgreich in Triebwerken erprobt. Die Fertigungstechnik ist sehr
anspruchsvoll, d. h. insbesondere, dass die Möglichkeiten der Feststellung von inneren
Fehlern in den Verbundstoffen durch zerstörungsfreie Prüfverfahren sehr begrenzt sind,
mit der Folge, dass die Qualität der Bauteile nur über ausgereifte Fertigungsprozesse mit
strenger Prozesskontrolle sichergestellt werden kann, was schließlich dazu führt, dass
diese Teile nicht mehr preisgünstig sein können. Eine Kostenschätzung zeigt, dass der Se-
rienpreis eines in Serie gefertigten Ti-MMC-„Blings“ höher sein wird, als der eines durch
Zerspanen eines Schmiederohlings mehr oder weniger konventionell hergestellten „Blisks“.
Aus diesem Grunde ist davon auszugehen, dass diese Technik in absehbarer Zukunft im
Wesentlichen nur im militärischen Bereich Anwendung finden wird.
In Kap. 4.2.3.3 war bereits beschrieben worden, wie die Verdichterbeschaufelung von
„Blisks“ durch Hochgeschwindigkeitsfräsen aus dem Vollen gefertigt werden, Abb. 4.20.
Der Vorteil dieser Fertigungsmethode liegt in der Gewichtseinsparung durch den Weg-
fall der einzelnen Schaufelfüße und ihrer zusätzlichen Montageteile, die allesamt von der
Radscheibe aufgenommen werden müssen und dabei mehr Volumen (∼ Gewicht) ein-
nehmen, als wenn sie integraler Bestandteil der Scheibe wären, Abb. 4.86. Durch die
Blisk-Technologie können darüber hinaus auch kleinere Räder mit einer nahezu beliebigen
Anzahl von Schaufeln gefertigt werden, was früher aufgrund der endlichen Dimensionen
der Schaufelfüße nur für eine begrenzte Anzahl von Schaufeln praktisch realisierbar war.
Gefräste Blisks müssen durch Schleifen oder Läppen nachgeglättet werden.
Anstelle des Zerspanens aus dem Vollen werden aus Kostengründen häufig auch sepa-
rat gefertigte Schaufeln durch lineares Reibschweißen auf der Scheibe aufgebracht. Dieses
trifft speziell auf lange Schaufeln zu. Hierbei können die einzelnen, bereits vollständig
einbaufertigen Bauteile für den Blisk hinsichtlich des Materials mit optimalen Gefüge-
und Festigkeitseigenschaften vorgefertigt werden. Durch den linearen Reibschweißpro-
zess ergibt sich in der Schweißzone – im Übergangsgebiet zwischen Schaufel und Scheibe
– ein extrem feinkörniges Gefüge, dessen statische und dynamische Festigkeit höher ist
als die des ursprünglichen Basiswerkstoffes. Anstelle des linearen Reibschweißens könnte
zukünftig das so genannte Induktionspressschweißen treten. Bei diesem neu entwickelten
Verfahren wird nach genauer Positionierung der zu verschweißenden Teile eine Indukti-
onsschleife um die zu verschweißenden Materialien gelegt. Ein kurzer Stromstoß macht
dann die Materialien nahe beim Schmelzpunkt so teigig, dass sie mit einem vergleichswei-
se geringen Kraftaufwand – präziser als beim linearen Reibschweißen – zusammengefügt
werden können. Das Induktionspressschweißen kann sowohl bei der Fertigung als auch
bei der Reparatur von Schaufeln angewendet werden und ist für Arbeiten an „Blisks“ und
„Blings“ gedacht.
Zusammenfassend kann man sagen, dass „Blisks“ und „Blings“ zwar sehr fortschrittliche
Materialien und Fertigungsverfahren erfordern, dass aber die dadurch erreichbare Ge-
wichtsreduzierung gegenüber konventionellen Schaufelbefestigungen sehr einschneidend
ist.
4.8 Zukünftige Technologien 289
Seit geraumer Zeit hat das Interesse an so genannten intermetallischen Werkstoffen vom
Typ Titan-Aluminium (TiAl) zugenommen. Diese Materialien weisen eine geringe Dich-
te auf und sind bezüglich der Temperaturfestigkeit herkömmlichen Titan-Legierungen
überlegen. Ihre Schwachstelle haben diese Werkstoffe jedoch bei der Sprödigkeit, was
insbesondere bei niedrigen Temperaturen deutlich hervortritt. Durch Eingriffe bei der
chemischen Zusammensetzung konnte jedoch die Duktilität45 von Titan-Aluminium in
etwa auf das Niveau der „normalen“ im Triebwerksbau verwendeten Werkstoffe gebracht
werden. Bauteile aus Titan-Aluminium werden durch Feinguss und Präzisionsschmieden
hergestellt. Als typische Anwendungen kommen Schaufeln in den hinteren Stufen von
Niederdruckturbinen in Betracht oder aber die Gehäuse von Hochdruckverdichtern, also
Bauteile, die wegen der hohen Betriebstemperaturen nicht aus herkömmlichen Titanwerk-
stoffen gefertigt werden können. Die Gewichtseinsparung im Vergleich zu gegossenen
Nickellegierungen wird mit etwa 40 bis 50 % angegeben. In den USA wurden Trieb-
werksschaufeln aus Titan-Aluminium bereits erfolgreich erprobt. Trotz solcher positiven
Testergebnisse sind noch weitergehende Erfahrungen zu sammeln, sowohl hinsichtlich
der Prozessstabilität bei der Herstellung als auch hinsichtlich einer zuverlässigen Aus-
legung für hohe Lebensdauer. Erst dann kann eine endgültige Entscheidung über eine
Serienanwendung getroffen werden.
Grundlage für weitere Effizienzsteigerungen von Triebwerken ist ein hoher Vortriebswir-
kungsgrad, der nur über ein hohes Bypassverhältnis erreicht werden kann. Während bei
heutigen Triebwerken der 3. Generation, z. B. PW 4084 in Abb. 4.82, Bypassverhältnisse
μ ≈ 7 . . . 8 der Standard sind, gehen neue Triebwerkskonzepte von μ-Werten von weit
über zehn aus. Damit sinkt das Druckverhältnis hinter dem Fan, sodass das Triebwerk
schon auf kleinste Störungen sehr empfindlich reagiert. Dieser physikalischen Grenze
kann sowohl durch eine dem jeweiligen Betriebszustand angepasste Verstellung der Fan-
schaufeln als auch durch eine Reduzierung der Umfangsgeschwindigkeit des Fans begegnet
werden. Die geringeren Strahlgeschwindigkeiten bei hohen Bypassverhältnissen führen zu
einer deutlichen Verringerung des Strahllärms, wodurch der Anteil des Turbomaschinen-
lärms der Einzelkomponenten Fan, Turbine und Verdichter am Gesamtlärm vermehrt
hervortritt.
Ein viel versprechendes Konzept für sehr hohe Bypassverhältnisse ist der so genann-
te Getriebefan (Geared Turbofan, GTF), bei dem der Fan über ein Getriebe mit der
Niederdruckwelle verbunden ist, Abb. 4.87. Dadurch können die Drehzahlen des Nieder-
druckverdichters und der zugehörigen Niederdruckturbine deutlich erhöht werden, was
45
Duktilität = Eigenschaft von Werkstoffen, sich unter Einwirkung äußerer Kräfte bleibend zu
verformen. Der Grad der Duktilität hängt von Art und Form des Werkstücks, der Temperatur und
den Beanspruchsbedingungen ab.
290 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
Abb. 4.87 Getriebefantriebwerk PW1000G „Pure Power“ der Firmen Pratt & Whitney und MTU
Aero Engines. Basisbilder mit freundlicher Genehmigung der MTU Aero Engines
schnelllaufende NDT
8
Expansionsverhältnis
konventionelle NDT
2
mit Getriebe
2 4 6 8 ohne Getriebe
Stufenanzahl
gen in Kap. 14. Aufgrund der hohen Drehzahlen ergeben sich extrem hohe statische und
dynamische Belastungen für die Rotorscheiben und die Rotorschaufeln, die sich als Folge
davon ungünstig auf die Schaufelgestaltung auswirken. Gegenüber konventionellen Turbi-
nen verdoppeln sich in etwa die Randlasten der schaufeltragenden Turbinenscheiben, was
zu sehr großen Profildicken im Nabenbereich führt, während die hohe Fliehkraftbelastung
nur sehr geringe Schaufelquerschnitte im Gehäusebereich zulässt. Die hohen Stufendruck-
verhältnisse führen darüber hinaus auch bei den Leitschaufeln zu erheblich dickeren
Profilschnitten im Gehäusebereich. Bei hohen Drehzahlen wächst auch die Gefahr, dass
aerodynamische Schwingungsanregungen in den Bereich der Schaufeleigenfrequenz kom-
men, sodass kritische Schaufelschwingungsformen wiederum über eine entsprechende
Schaufelgestaltung unterdrückt werden müssen.
In der Vergangenheit hat man Turbomaschinen, wie den Verdichter und die Turbine,
anhand des so genannten Hauptstrompfades ausgelegt. Dabei wurde die Strömung zu-
erst längs der axialen Erstreckung der Maschine, in der radialen Mitte der einzelnen
Schaufelhöhen beschrieben und anschließend mit einem radialen Energie- und Geschwin-
digkeitsverteilungsmodell überlagert. Heute erfolgt eine solche Berechnung weitestgehend
dreidimensional. So wurde z. B. der in Abb. 4.89 dargestellte Hochdruckverdichter HDV12
für das Pratt & Whitney Triebwerk PW6000 von der Firma MTU Aero Engines komplett
am Rechner modelliert und darüber hinaus sogar vorausberechnet, wie sich der Verdich-
292 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
Abb. 4.89 6-stufiger Hochdruckverdichter HDV12, mit einem Druckverhältnis von πHDV = 11,
dessen gepfeilte, transsonische Beschaufelung 3-dimensional numerisch ausgelegt wurde. Bei
geringem Gewicht ist der Verdichter hinsichtlich Wirkungsgrad und Pumpgrenze optimiert. Die Be-
schaufelung besteht aus einer hochtemperaturbeständigen Nickellegierung. Bilder mit freundlicher
Genehmigung der MTU Aero Engines und des NASA Glenn Research Centers
ter im Triebwerk verhalten wird. Prüfstandversuche haben anschließend belegt, dass die
numerischen Vorhersagen sehr exakt zutrafen.
Bei der schnelllaufenden Niederdruckturbine erfolgt eine detaillierte dreidimensio-
nale Schaufelgestaltung, Abb. 4.90, in erster Linie zwar auch nach aerodynamischen
Gesichtspunkten aber unter gleichzeitiger Berücksichtigung von teilweise extremen Rand-
bedingungen, die sich aus der Thermomechanik, der Rotordynamik und den Werkstoffen
ergeben, Raab et al. (2000). Die hohe Leistungsdichte der neuen Triebwerksgeneration
führt zu transsonischen Strömungsverhältnissen in fast allen Schaufelgittern der Nie-
derdruckturbine. Dabei entstehen Überschallgebiete auf den Schaufeloberflächen mit
Verdichtungsstößen, die in Wechselwirkung mit der Schaufelgrenzschicht treten. Die
Versperrung aufgrund der benötigten großen Profilquerschnitte führt zu einer weite-
ren Erhöhung der Spitzenmachzahlen auf den Profiloberflächen. Die Niederdruckturbine
wird außerdem bei deutlich höheren Gastemperaturen betrieben, wobei die Eintritt-
stemperatur zukünftiger Niederdruckturbinen über der zulässigen Temperatur der zur
Verfügung stehenden Materialien liegt, sodass für den zivilen Einsatz gekühlte Nieder-
druckturbinen erforderlich werden. Dies bedeutet zusätzliche aerodynamische Verluste,
deren Einfluss auf das Wirkungsgradniveau beträchtlich sein kann. Unter diesen er-
schwerten Bedingungen können die Wirkungsgrade von Niederdruckturbinen nur durch
eine Verbesserung der Auslegungsverfahren erreicht werden. Die genannten extremen
4.8 Zukünftige Technologien 293
Schnelllaufende Niederdruckturbine
mit deutlich höherer Drehzahl als her-
kömmliche Turbinen, mit der Folge:
weniger Stufen und weniger Bauteile
Vorteil:
Abb. 4.91 Numerische Simulation der Fanbeschaufelung des Triebwerks EJ 200 unter Vogelschla-
geinwirkung, Frischbier (2002); links die Beschaufelung vor dem Auftreffen eines 450 g schweren
Vogels mit einer Geschwindigkeit von 120 m/s, rechts die Beschaufelung 1.2 ms nach dem Auftreffen.
Bild mit freundlicher Genehmigung der MTU Aero Engines
N2-Welle
N1-Welle Brennkammer
Getriebe
Abgas
Abb. 4.92 Prinzipdarstellung zum Konzept eines rekuperativen Turbofans mit Zwischenkühlung
Abstand zur Pumpgrenze erhält. Wenn es aber möglich wird, sowohl im stationären Ver-
dichterbetrieb als auch bei transienten Vorgängen den Abstand zu den Instabilitätsgrenzen
zu verringern, so könnten hinsichtlich der Leistungsfähigkeit und des Beschleunigungs-
vermögens des Triebwerks signifikante Verbesserungen erreicht werden. Hierzu ist es
erforderlich, ein System zu entwickeln, das die typischen Strömungsablösungen in der
Nähe der Instabilitätsgrenzen erkennen und dann auch aktiv darauf reagieren kann. Ein
solches System könnte beispielsweise auf Drucksensoren basieren, die bereits kleine und
vor allem charakteristische Amplituden von Druckschwankungen als den typischen Be-
ginn einer Instabilität registrieren, bevor diese in ihrem vollen Umfang zum Tragen
kommen kann. Wenn diese Instabilitäten früh genug erkannt werden, könnten dann
Aktionen eingeleitet werden, die ein Pumpen des Verdichters verhindern. Mit einem sol-
chen Detektions- und Vermeidungssystem kann die Fahrlinie des Verdichters näher an
die Pumpgrenze gelegt werden und damit das Wirkungsgradpotenzial des Verdichters
verbessert werden.
Ultra Low Emission Recuperator-Engine) oder IRA (Intercooled Recuperated Aero Engine).
Mit ihnen kann der thermische Wirkungsgrad des Triebwerks sowohl durch die Zwi-
schenkühlung als auch durch die Nutzung der Wärmeenergie des Abgasstrahls deutlich
verbessert und dadurch schließlich der spezifische Brennstoffverbrauch signifikant gesenkt
werden. Dieses kombinierte System zeigt erhebliche Vorteile gegenüber dem Kreisprozess
eines herkömmlichen Turbofans, da durch den Zwischenkühler der thermische Wirkungs-
grad ηth nur noch geringfügig vom Verdichterdruckverhältnis πV abhängig ist und sich ein
breites ηth -Optimum im Bereich von πV = 25 . . . 30 einstellt. Über die Kreisprozesse reku-
perativer Turboshaft- und Turbofantriebwerke wir in Kap. 7.10 und 7.11 noch ausführlich
berichtet werden.
Da der Zwischenkühler und der Abgaswärmetauscher für das Gesamttriebwerk zusätz-
liches Gewicht und Kosten bedeuten, ist deren Auslegung und Integration in das Triebwerk
eine neue technologische Herausforderung. Bei den Wärmetauschern steht hier deren Wir-
kungsgrad im Vordergrund, der ganz wesentlich durch den thermischen Austauschgrad
und durch die aerodynamische Effizienz hinsichtlich der viskosen Gesamtdruckverluste
beeinflusst wird.
Durch die Zwischenkühlung wird der Leistungsbedarf des Hochdruckverdichters wegen
der niedrigeren Eintrittstemperatur verringert und gleichzeitig die Hochdruckverdich-
teraustrittstemperatur gesenkt. Die so erreichte größere Temperaturdifferenz zwischen
Abgas und Verdichteraustrittsluft führt wiederum zu einem effizienteren Wärmetausch
im Abgaswärmetauscher. Die Verdichteraustrittsluft wird dort erwärmt und wieder zu-
rück in die Brennkammer geleitet. Die so erreichte Temperaturerhöhung muss also
nicht mehr mittels Kraftstoffeinspritzung erreicht werden und trägt dadurch direkt zur
Verbrauchsreduzierung bei.
An den Wärmetauscher des IRA-Konzepts werden sehr hohe Anforderungen bezüglich
kompakter Bauweise, geringen Gewichts, hohen Austauschgrades, geringen Druckver-
lustes und langer Lebensdauer gestellt, Abb. 4.93. Den Kreisprozessrechnungen des
rekuperativen Triebwerks liegen derzeit thermische Austauschwirkungsgrade von 75 %
im Auslegungspunkt zu Grunde und Totaldruckverluste, die zusammengenommen auf
der Heißgas- und der Luftseite 10 % nicht übersteigen. Gewicht und Volumen des Wär-
metauschers sollen so bemessen sein, dass das Triebwerksgewicht eines vergleichbaren
herkömmlichen Triebwerks um nicht mehr als 15 % und die Triebwerkslänge um nicht
mehr als 5 % überschritten werden. Die Masse des Wärmetauschers nimmt um etwa 50 %
zu, wenn der thermische Austauschwirkungsgrad von 75 auf 80 % steigt. Der Wärme-
tauscher soll so vorteilhafte strukturmechanische Eigenschaften aufweisen, dass er die
Lebensdauer eines herkömmlichen Turbofan erreicht. Die Erfüllung der Lebensdauer-
anforderungen geht von 36 000 h oder 5 500 Zyklen aus, die auf einem siebenstündigen
Langstreckenflug basieren. Letztlich dürfen die Kosten für das Wärmetauschertriebwerk
auch nicht wesentlich höher sein als die eines herkömmlichen Turbofans vergleichbarer
Leistung.
Als Wärmetauscherkonzept wurde ein Röhrchenwärmetauscher gewählt, der im
Kreuz/Gegenstromverfahren arbeitet und dessen profilierte Röhrchen Lanzettenform ha-
4.8 Zukünftige Technologien 297
Triebwerksgewicht
bisheriges max. + 15 %
Triebwerkslänge
bisheriges max. + 5 %
Triebwerkskosten
bisheriges max. + 15 %
thermischer Austauschgrad
der Wärmetauscher
min. 75 %
viskoseTotaldruckverluste
der Wärmetauscher
max. 10 % kumulativ
Wärmetauscher-Lebensdau-
er ist ohne negativen Einfluss
auf die gesamte Lebensdauer
des Triebwerks
Abb. 4.93 Ziele bei der Integration des Rekuperators in das Triebwerk
ben, Abb. 4.95. Dieses Konzept erlaubt nahezu unbegrenzte Wärmeausdehnungen, sodass
es insbesondere den hohen Thermospannungen standhalten kann, die im transienten Be-
triebsbereich von Flugzeugtriebwerken auftreten können. Vom Verdichter kommend wird
die Luft von einem Sammeleintrittsrohr aus innerhalb der Rohrbögen zu einem Samme-
laustrittsrohr geleitet. Das so gebildete Rohrbogenbündel wird von außen von den heißen
Turbinenabgasen umströmt. Auf diese Weise findet im Kreuz- und Gegenstrom der Wär-
metausch statt. Da sich die Rohrbögen aufgrund dieser besonderen Konstruktion beliebig
bewegen können, treten nur geringe Thermospannungen auf. Um eine kompakte Bauweise
des Wärmetauschers zu garantieren, haben die Rohrbögen einen elliptischen Querschnitt,
sodass eine besonders hohe Packungsdichte der Röhrchen möglich wird. Das Heißgas von
der Turbine strömt zwischen den elliptischen Profilen bei minimierten viskosen Total-
298 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
gegenläufiger
Propfan
Zwischen-
kühler
∅ 2.8 m
Rekuperator
0m 1m 2m 3m 4m 5m 6m 7m
NDT MDT NDT
NDV MDV HDV Lanzetten-, Rohr- oder
axial radial radial
Profilwärmetauscher
Abgas
Abgas
Luft
Heißgas Heißgas
Heißgas
Matrixstruktur des Luft zur Luft vom
Lanzettenwärmetauschers Brennkammer Verdichter
druckverlusten hindurch. Zusätzliche haben die elliptischen Querschnitte den Vorteil, dass
die damit versehenen Röhrchen eine geringere aerodynamische Schwingungsanregung
besitzen als Röhrchen mit Kreisquerschnitten.
Die Abb. 4.93 und 4.94 zeigen die generelle Einbauanordnung der so genannten
Wärmetauscher-Matrixelemente im Abgaskanal eines Turbofans. Der Wärmetauscher
besteht dabei aus acht Matrixelementen, die ersten vier sind in einem Viereck um den Dif-
fusorkonus angeordnet. Weitere vier Matrixelemente schließen den so gebildeten Raum
konisch ab. Alle Elemente benötigen seitlich Zu- und Abführungsanschlüsse für die Luft
vom Verdichter und hin zur Brennkammer. Dazu dienen Rohre, die flexibel mit dem
Triebwerk verbunden sind. Eine formschlüssige Verbindung mit dem Triebwerk besteht
4.8 Zukünftige Technologien 299
nicht. Dafür verfügt der Rahmen, der die Wärmetauscher-Matrixelemente stützt, über eine
eigene Aufhängung am Flügelkasten, Abb. 4.93.
Die thermodynamischen Hintergründe zum rekuperativen Turbofan mit Zwischenküh-
lung beschreibt sehr ausführlich das Kap. 7.11, wo auch die Auswirkungen der diversen
Auslegungsparameter des Triebwerks auf den spezifischen Schub, den spezifischen
Brennstoffverbrauch und auf die Triebwerkswirkungsgrade gezeigt werden.
Der Hintergrund für das Konzept der „More-Electric Engine“ (MEE) ist bei der Entwicklung
zukünftiger Verkehrsflugzeuge zu finden, und zwar bei dem Konzept des „All Electrical
Aircraft“. Bei einem solchen Flugzeug ist sowohl die Steuerung als auch die Energiever-
sorgung aller Bordsysteme rein elektrisch. Dieses führt schließlich zu drei möglicherweise
hoffnungsvollen Vorteilen: zu weniger Verbrauch, zu weniger Gewicht und zu noch weiter
verbesserten Flugleistungen.
Ein heutiges Flugzeug bezieht seine Energie aus den Triebwerken. Hier ist primär der in
Kap. 4.2.5 beschriebene Hilfsgeräteträger unter dem Triebwerk zuständig. Die an ihn an-
geschlossen Pumpen erzeugen hydraulischen Druck, mittels dem die Ruder und Klappen
bewegt, das Fahrwerk aus- und ausgefahren sowie die Radbremsen betätigt wird. Gene-
ratoren erzeugen Strom für das Triebwerk und das Flugzeug, dessen Energiebedarf mit
den anwachsenden elektrischen und elektronischen Komfort- und Unterhaltungseinrich-
tungen an Bord ständig zunimmt. Hiermit sind das Erhitzen der Menüs und das Kühlen
der Getränke gemeint, ebenso wie das gesamte multimediale Inflight Entertainment (IFE)
und moderne Kommunikationseinrichtungen, wie Laptop und Mobiltelefon. Schließlich
zapft das Pneumatiksystem des Flugzeuges Luft aus dem Verdichter des Triebwerks ab
(Kap. 4.2.4), um mit ihr die Kabine zu klimatisieren und die Tragflächen zu enteisen.
Alles dies kostet Leistung und Kraftstoff in einer Größenordnung von ca. 10 % der Brut-
toantriebsleistung des Flugzeugs. Etwa 5 000 l Brennstoff benötigt z. B. ein Airbus A330
bei einem durchschnittlichen Langstreckenflug, um daraus Strom, Druckluft und hydrau-
lische Energie zu gewinnen. Ein Airbus A340 entnimmt dem Triebwerk ca. 300 kW an
Leistung, bei einem Airbus A380 sind es bereits 500 kW, d. h. ein halbes Megawatt. Mit
dem Strombedarf während eines Atlantikfluges könnte ein Durchschnittshaushalt ein Jahr
lang mit Strom versorgt werden. Für ein All-Electrical Aircraft rechnet man sogar mit
einer Verdoppelung der benötigten elektrischen Leistung, also mit bis zu einem Mega-
watt. Bei konventionellen Antriebskonzepten müsste diese Energie von den Triebwerken
bereitgestellt werden, was sowohl deren Verbrauch als auch deren Schadstoffemissionen
deutlich erhöhen würde, was wiederum Einfluss auf einzuhaltende Umweltschutzauflagen
und damit auch auf die Start- und Landegebühren hätte, für die beispielsweise angedacht
ist, sie nach der Höhe des Schadstoffausstoßes zu staffeln. Beim voll elektrischen Flugzeug
(All-Electric Aircraft) kommt die benötigte elektrische Energie nicht mehr von den Trieb-
werken, sondern von einer Brennstoffzelle an Bord des Flugzeuges, sodass Elektromotoren
300 4 Hauptkomponentenbeschreibung und zugehörige Technologien
Alle Triebwerkshilfsgeräte
sind elektrisch angetrieben
Schnittstelle zwischen Flugzeug und
kombinierter Startermotor Triebwerk, die sich auf Brennstoff, Elek-
und Generator im Kerntriebwerk trizität und den Datenaustausch zur
Schubregelung beschränkt
Abb. 4.96 Konzept eines „mehr-elektrischen“ Triebwerks (More-Electric Engine, MEE), das oh-
ne mechanisch angetriebene Hilfsgeräte und ohne Zapfluftabgabe als wirkungsgradoptimiertes
Triebwerk der Zukunft angesehen wird
46
Elektrische Aktuatoren können exakt auf ihre jeweilige Aufgabe zugeschnitten werden, sodass
keine zusätzlichen Energiereserven einzukalkulieren sind. Darüber ist die Zuverlässigkeit elektrischer
Systeme höher als die pneumatischer. Noch sind aber elektrische Aktuatoren deutlich schwerer als
ihre hydraulischen Pendants. Insbesondere große Systeme wie das Fahrwerk bringen mit all den
erforderlichen Starkstromkabeln, Steuergeräten und Aktuatoren insgesamt mehr auf die Waage als
konventionelle Komponenten.
4.8 Zukünftige Technologien 301
Literatur
5.1 Impulssatz
Die Gleichungen für den Impuls I und das 2. Newtonsche Axiom lauten, wenn m die
Masse, t die Zeit und
c die Geschwindigkeit sind:
I := m · c , (5.1)
d d
c dm dI
F := m·
c =m· +
c · = . (5.2)
dt dt dt dt
Die Kraft F ist also gleich der zeitlichen Impulsänderung d I /dt, ein grundsätzlicher
Zusammenhang, der auch im Impulssatz der Strömungsmechanik (vgl. hierzu Kap. 18.9,
Gl. 18.321) enthalten ist:
dI
= ρ· c ·
c · n · dA = F . (5.3)
dt
A
In Worten besagt diese Gleichung, dass in einer stationären Strömung die Änderung des
Impulsstroms d I /dt über eine beliebig geformte Kontrollfläche A, die zum Zeitpunkt t
ein Strömungsvolumen V umschließt, gleich der resultierenden Kraft F ist, die an die-
sem Volumen angreift. In Gl. (5.3) ist ρ die Dichte des Strömungsmediums, c dessen
n
Geschwindigkeit und ein Normalenvektor auf der Kontrollfläche. Bei der resultieren-
den Kraft F = F G + F P + F St wird zwischen der Gewichtskraft F G , die bei Gasen
vernachlässigbar klein ist (FG ≈ 0), der Druckkraft:
FP = − p·n · dAFrei , (5.4)
AFrei
dAFest
τ
Normalspannung σ n ∼ Druckkraft
n
c0
dAFest
pint pint
Fint y FRint
Innen- FRrint pint
A0
strömung x Heißgasstrahl
c0 A1 p int A9 c9
FRint F Rint
Außenströmung
Fester Teil der Kontrollfläche für die Innenströmung AFest
Abb. 5.1 Zur Unterscheidung zwischen freiem und festem Teil einer Kontrollfläche und zur
Unterscheidung zwischen internen und externen Druck- und Reibungskräften
unterschieden. Die Oberflächenspannung σ setzt sich aus der Normalspannung σ n und
einer Tangentialspannung τ zusammen, die zum einen die Druckkräfte und zum anderen
die Reibungskräfte auf dem festen Teil der Kontrollfläche repräsentieren, Abb. 5.1. Die
Druck- und Reibungskräfte werden sowohl als Oberflächenkräfte als auch als Stütz- oder
Haltekräfte bezeichnet. Der letztere Name rührt von der Stützwirkung des Körpers auf die
Kontrollfläche her. Bei + F St handelt es sich um die Kraft, die von dem festen Körper auf
das Strömungsmedium ausgeübt wird. Nach dem Prinzip actio = reactio ist dann − F St
diejenige Kraft, die von der Strömung auf den Körper ausgeübt wird.
Bei der Schubbestimmung für ein Triebwerk findet das letzte Integral auf der
rechten Seite von Gl. (5.5) keine Berücksichtigung, da die dadurch beschriebenen ex-
ternen Reibungskräfte FRext aufgrund der Gondelumströmung per Definition immer dem
Flugzeugwiderstand zugeschlagen werden:
FRext = τ · dAFest := 0
AFest
FSt = σ n · dAFest + F int = pext ·
n · dAFest + F int = F pext + F int . (5.6)
AFest AFest
5.2 Allgemeine Schubgleichungen 307
In Gl. (5.5) für die Stützkraft F St ist bei einem Triebwerk die Schubkraft F = F int enthalten.
Der Index „int“ weist darauf hin, dass der Schub das Resultat der Druck- und Reibungskräf-
te im Triebwerk ist, die von dessen um- und durchströmten Einzelkomponenten (Einlauf,
Verdichter, Brennkammer, Turbine, Schubdüse, usw.) erzeugt werden (vgl. Kap. 3.1.1).
Diese Schubkraft ist dadurch zu ermitteln, indem um alle umströmten Oberflächen der in-
neren Bauteile der feste Teil der Kontrollfläche mit herumgezogen wird und dann sowohl
alle internen Druck- und Reibungskräfte im Triebwerk, d F Pint = pint · dA und d F Rint ,
immer bezogen auf die x-Achse, zwischen Triebwerksein- und -austritt aufsummiert bzw.
aufintegriert werden:
A9
A9
F = = pint · n · dA −
F int d F Rint .
A1 A1
Diese direkte Art der Schubbestimmung ist wegen des damit verbundenen immensen
Aufwandes praktisch unmöglich. Somit ist es einfacher, in Gl. (5.3) bzw. (5.6) den
Schub F = F int zur gesuchten Größe zu erklären, da dieser dann aus den Änderungen
der Strömungsgrößen (Massenstrom, Geschwindigkeit und Druck) zwischen Ein- und
Austritt des Triebwerks bestimmt werden kann. Dabei ist die Änderung der Strömungs-
größen nur auf der äußeren Berandung der Kontrollfläche A eines vorher zu definierenden
Kontrollvolumens V zu betrachten.
Mit den zuvor dargestellten Vorbetrachtungen wird nun der Impulssatz (5.3) auf das in
Abb. 5.2 dargestellte Triebwerk angewandt. Dazu wird im ersten Schritt nur die innere
Kontrollfläche abcd betrachtet. Diese umschließt die Strömung, die durch das Triebwerk
hindurch strömt. Weit vor dem Triebwerk wird eine Bezugsebene 0 definiert, in der –
ungestört vom Triebwerk und jeweils homogen verteilt – der statische Umgebungsdruck
p0 und die Zuströmgeschwindigkeit (Fluggeschwindigkeit) c0 vorliegen. Die Eintrittsebe-
ne in das eigentliche Triebwerk ist mit 1 und die Austrittsebene mit
8 gekennzeichnet.
Der Schub selbst wird aber zwischen den beiden Ebenen 0 und 9 definiert, dort, wo
vor und hinter dem Triebwerk jeweils der statische Umgebungsdruck (Barometerdruck)
p0 vorliegt. Diese Definition ist im Einklang mit dem thermodynamischen Kreisprozess,
der ebenfalls beim Barometerdruck beginnt und auch bei diesem wieder endet. Aus der
Triebwerksschubdüse strömt Heißgas mit einem statischen Druck p8 > p9 = p0 und einer
Geschwindigkeit c8 aus, die der Schallgeschwindigkeit a8 entspricht. Hinter der Schub-
düse, die eine nicht veränderbare (feste) Geometrie haben soll, kommt es zu einer freien
Nachexpansion (Unterexpansion) der Strömung, bis in der Ebene 9 schließlich wieder
308 5 Triebwerksschub
yF
Schubkraft + F im xF -yF -zF -Flugzeugkoordinatensystem
xF
+F = +FxF = − Fx zF
p0 Flügel
0 1 9
n0 n9
B C
Außenströmung c0 p0′
p0
y Gasgenerator AA
pext Pylon
pext
c0 pext c0′
pext
b
p0 c =
Einlauf
A8
c0 A0 A1 z +F x x A9 c9 >c8 >c0′
Innenströmung Düse
p0 = ′
a d
pext
c0 pext Schubkraft +F x im x -y-z-Trieb- c0′
pext
c8 = a8
pext werkskoordinatensystem
p8 > p ′0
p0 p0′
Außenströmung c0
n0 A D n9
p0 8
Abb. 5.2 Anordnung von Kontrollflächen um ein Strahltriebwerk herum zur Ableitung der
allgemeinen Schubgleichung für Turbojettriebwerke
der Umgebungsdruck p9 = p0 erreicht ist. Man sagt auch, dass die Schubdüse für die
vorliegenden Ausströmverhältnisse unangepasst ist, d. h., nicht die optimale Formgebung
hat. Eine nichtverstellbare Düse kann nur für einen einzigen Strömungszustand optimiert
sein, für alle anderen Strömungszustände ist sie unangepasst. Die freie Nachexpansion
(Unterexpansion p8 > p0 ) führt zu einer Strömungsbeschleunigung bis in den Überschall
hinein, c9 > c8 = a8 , wobei sich der effektiv durchströmte Strahlquerschnitt hinter der
Düsenaustrittsfläche vergrößert A9 > A8 . Die äußere Kontur des unterexpandierenden
Strahls hinter der Schubdüse wird dem freien Teil der Kontrollfläche zugeordnet. Vor dem
Triebwerk, zwischen den Bezugsebenen 0 und ,
1 existiert eine so genannte Fangstrom-
röhre, deren äußere Kontur dem freien Teil der Kontrollfläche zugeordnet wird. Alles
Strömungsmaterial außerhalb der Fangstromröhre umströmt das Triebwerk und alles
Strömungsmaterial innerhalb der Fangstromröhre durchströmt es. Abbildung 4.1 zeigt,
dass die Form der Fangstromröhre je nach Fluggeschwindigkeit und Triebwerksleistung
unterschiedlich aussieht. Der in Abb. 5.2 dargestellte Typ von Fangstromröhre entspricht
einem so genannten Reiseflugfall. Aus dem Impulssatz (5.3) ergibt sich dann:
5.2 Allgemeine Schubgleichungen 309
0 9
+180
0
n0 c0 c9
n9
+3600
x x
ρ · c · ( c · n) · dA = pext · n · dAFest − p·
n · dAFrei . (5.7)
A AFest AFrei
Geht man davon aus, dass der Triebwerksschub eine ausschließlich axial gerichtete Grö-
ße ist, so genügt es, von der Vektorgleichung (5.7) nur die in x-Richtung weisende
Komponente zu betrachten.
Vor dem Übergang von der Vektor- in die Komponentendarstellung soll kurz erläutert
werden, wie die Normalenvektoren n im linken Teil von Gl. (5.7) zu berücksichtigen sind,
da sie das jeweils erforderliche Vorzeichen liefern. Abbildung 5.3 zeigt in den Bezugs-
1
ebenen 0 und 9 die mathematische Auswertung der jeweiligen Ausdrücke c · n . In
der Ebene 0 hat die Geschwindigkeit c0 dem zufolge ein negatives Vorzeichen und in
der Ebene 9 hat die Geschwindigkeit c9 ein positives. Auf der rechten Seite von Gl. (5.7)
bedeutet n – analog zu der zuvor gemachten Aussage – ein positives Vorzeichen, wenn
der Normalenvektor in x-Richtung zeigt. Andernfalls wird das Vorzeichen negativ. Die
Komponentenform für die x-Richtung lautet damit:
A9
ρ9 · c92 · dA9 − ρ0 · c02 · dA0 = Fx + pext · dA + p0 · dA0 − p9 · dA9 . (5.8)
A9 A0 A0 A0 A9
A9
c9 · (ρ9 · c9 · A9 ) − c0 · (ρ0 · c0 · A0 ) = Fx + p0 · A0 − p9 · A9 + pext · dA. (5.9)
A0
1
Punktprodukte von Vektoren werden gebildet, indem die Beträge beider Vektoren mit dem Kosinus
des von ihnen eingeschlossenen Winkels multipliziert werden. Der Betrag des Normalenvektors ist
„1“ und alle Winkel sind positiv, wenn sie entgegen dem Uhrzeigersinn verlaufen.
310 5 Triebwerksschub
Die beiden Klammerausdrücke auf der linken Seite von Gl. (5.9) sind der jeweils aus dem
Triebwerk austretende bzw. der in das Triebwerk eintretende Massenstrom:
ṁ0 = ρ0 · c0 · A0
ṁ9 = ρ9 · c9 · A9 = ṁ0 + ṁB − ṁZ = ṁHG . (5.10)
Der aus dem Triebwerk ausströmende Heißgasmassenstrom ṁHG = ṁ9 setzt sich aus
den Massenströmen für die vom Triebwerk angesaugte Luft ṁ0 , dem in die Brennkam-
mer eingespritzten Brennstoff ṁB und der aus dem Verdichter entnommenen Zapfluft ṁZ
zusammen. Zapfluft wird u. a. für die Flugzeugklimatisierung, die Flügel- und Triebwerk-
senteisung, die Sperrluft in Triebwerkslagern oder für pneumatische Antriebe aus dem
Triebwerk abgezweigt und geht damit am Triebwerksaustritt als Massenanteil verloren.
Dies trifft aber nicht für die ebenfalls aus dem Verdichter entnommene Turbinenkühlluft
zu, da diese innerhalb der ersten Turbinenstufen dem Triebwerksstrom wieder zugemischt
wird:
A9
c9 · (ṁ0 + ṁB − ṁZ ) − c0 · ṁ0 = Fx + p0 · A0 − p9 · A9 + pext · dA
A0
A9
Fx + pext · dA = [c9 · ṁHG − c0 · ṁ0 ] + [p9 · A9 − p0 · A0 ]. (5.11)
A0
In dieser Auflistung beziehen sich die Indizes EIN auf die Kontrollebene 0 und die Indizes
Im nächsten Schritt wird nun der Impulssatz auf den äußeren Teil der in Abb. 5.2 darge-
stellten Kontrollfläche ABCD − abcd angewendet. Die Umströmung des Triebwerks wird
als reibungsfrei angesehen, da ja, wie weiter oben bereits erläutert, der viskose Widerstand
der Gondelumströmung per Definition dem Flugzeug zuzuschlagen ist. Entsprechend
dem dritten Newtonschen Axiom „actio = reactio“ dreht sich nun das Vorzeichen des In-
tegrals zur Bestimmung der Kräfte aufgrund der externen Druckverteilungen pext längs der
Fangstromröhren- und Triebwerksaußenkontur um. In der Eintrittsebene 0 der äußeren
5.2 Allgemeine Schubgleichungen 311
austretende Impulsströme
∇ eintretende Impulsströme
∇
m0 . c0 ∇ m0′ . c0′
− m0′
∇
sind positiv + m0 p0 sind negativ
0 c0 9
B C
p0 p0′
y AA
m0 m0′
c0 c0′
b pext
c
pext
A0 z x A9
Abb. 5.4 Seitlicher Massenaustausch über die Berandung der äußeren Kontrollfläche bei der
Umströmung eines Triebwerks
Kontrollfläche werden wiederum c0 und p0 als homogen verteilt angesehen, ebenso wie
in deren Austrittsebene. Hier werden die austretenden Strömungsgrößen zur Unterschei-
dung von den eintretenden nur mit einem zusätzlichen Apostroph gekennzeichnet und
nicht mit dem Index .9 Analog dazu wird mit den ein- und austretenden Massenströmen
A9
[c · ṁ]AUS − [c · ṁ]EIN = p0 · (AA − A0 ) − p 0 · (AA − A9 ) − pext · dA. (5.12)
A0
Wird die äußere Kontrollfläche nur ausreichend groß gewählt, so werden längs der Strecken
bB bzw. cC die Zusammenhänge p0 = p0 und c0 = c0 gelten. Da i. Allg. der Eintritts-
querschnitt der äußeren Kontrollfläche (AA – A0 ) unterschiedlich vom Austrittsquerschnitt
(AA – A9 ) ist, wird über die äußere Berandung BC ein seitlicher Massenausgleich stattfin-
den, Abb. 5.4. Ist z. B. die Strecke bB größer als cC, so wird aufgrund der Kontinuität über
die äußere Kontrollfläche ein Massenanteil ṁ seitlich abfließen. Ausfließende Massen-
bzw. Impulsströme sind positiv und zufließende negativ, d. h.:
A9
ṁ0
· c 0 + ṁ · c0 − c0 · ṁ0 = p0 · (AA − A0 ) − p0 · (AA − A9 ) − pext · dA. (5.14)
A0
Nach Einsetzen von ṁ aus Gl. (5.13) in die linke Seite von Gl. (5.14), ist zu erkennen,
dass diese gleich null ist, wenn c0 = c0 gilt:
In der Bilanz kommt es also zu keinem zusätzlichen Impulsfluss aufgrund der seitlich zu-
und abfließenden Massenströme. Aus Gl. (5.15) wird damit:
A9
pext · dA = p0 · (A9 − A0 ). (5.16)
A0
Gleichung (5.16) wird nun in Gl. (5.11) eingesetzt und es ergibt sich:
Manchmal wird für die Schubberechnung als Austrittsebene aus dem Triebwerk, auch die
Düsenaustrittsfläche A8 in der Ebene
8 gewählt. In einem solchen Fall wäre die Gl. (5.17)
Die Gln. (5.17) bis (5.19) sind die allgemeinen Schubgleichungen für Turbojettriebwer-
ke. Sie berücksichtigen weder Druck- noch Reibungswiderstände der Triebwerksaußen-
strömung. Für ein Triebwerk sind diese Widerstände erst dann von Bedeutung, wenn
es am Flugzeug installiert ist, d. h., wenn Flugzeug und Triebwerk als eine Einheit
angesehen werden. Eine Betrachtungsweise, die typisch für Flugzeughersteller ist. Für
Triebwerkshersteller ist dies primär eher von untergeordnetem Interesse.
Deutlich wird dieser Zusammenhang auch, wenn ein und dasselbe Triebwerk an un-
terschiedlichen Flugzeugen – in oft auch noch unterschiedlichen Triebwerksgondeln –
installiert wird. Ein Beispiel dafür sind die Flugzeuge Lockheed L1011-200 TriStar und
Boeing B747-200 C/F, die jeweils mit dem Rolls-Royce Triebwerk RB211-524 ausgerüstet
wurden, Abb. 5.5. Die Triebwerke kamen dabei sowohl unter dem Flügel (B747 und L1011)
5.2 Allgemeine Schubgleichungen 313
Boeing B 747-200F
Abb. 5.5 Beispiele für unterschiedliche Triebwerksinstallationen zur Verdeutlichung der Begriffe
installierter und uninstallierter Schub
als auch im Leitwerksbereich über dem hinteren Rumpf (L1011) zum Einsatz. Beeinflusst
durch die unterschiedlichen Anordnungen am jeweiligen Flugzeug und auch durch die
unterschiedlichen Flügelkonstruktionen lieferten die ansonsten identischen Triebwerke
– im jeweils unterschiedlich installierten Fall – voneinander abweichende Schübe. Beim
TriStar sogar unterschiedlich im Vergleich zwischen der Unterflügelanordnung und der
Leitwerksanordnung der Triebwerke. Es gibt also nicht zu unterschätzende Wechselwir-
kungen zwischen den Triebwerken (Gondel, Fangstromröhre, Heißgasstrahl) und der
Flügel/Rumpf-Kombination, die zum einen die Aerodynamik (Widerstand) und zum an-
deren die Triebwerksleistung ganz erheblich beeinflussen können, Ascough (1976) oder
Harris (1991).
Unter diesen Gesichtspunkten ist der Schub F nach Gl. (5.18) derjenige, der primär für
einen Triebwerkshersteller von Interesse ist, da dieser in erster Linie seine Triebwerke als
separate, nicht installierte Motoren entwickelt. Der entsprechende Schub wird von daher
als uninstallierter oder auch als nicht installierter Schub FuF bezeichnet. Ist dagegen das
Triebwerk am Flugzeug installiert, so sind zusätzlich die Druckwiderstände des Triebwerks
zu berücksichtigen und vom Schub der Gl. (5.18) zu subtrahieren, woraus sich der so
genannte installierte Schub FiF ergibt.
Die Druckwiderstände werden aus der Integration der statischen Druckverteilungen
längs der umströmten Oberflächen ermittelt. Abbildung 5.6 zeigt, dass dabei prinzipiell
drei Druckwiderstände definiert werden können: Zulaufwiderstand, Gondelwiderstand
und Düsenwiderstand. Da der uninstallierte Schub FuF nach Gl. (5.18) aber aus einer
314 5 Triebwerksschub
(pext)G = p0 y
(p ext) G (pex )
(p ext) FSR FWG
t G
(p ext) HG
S
FWZ FWD
A8
A0 A1 AM x A9 A∞
8 9
0
∞
1
M
Druckwiderstand zwischen Druckwiderstand zwischen Druckwiderstand zwischen
0 und 1 der Fangstrom- 1 und 9 auf der Trieb- 9 und ∞ auf dem Heiss-
röhre (FSR) erzeugt werksgondel (G) erzeugt gasstrahl (HGS) erzeugt
Zulaufwiderstand Gondelwiderstand Düsenwiderstand
(Additive or Pre-Entry Drag) (Nacelle Drag) (Nozzle Drag)
Abb. 5.6 Prinzipskizze zur Definition der Druckwiderstände bei der Bestimmung des installierten
Triebwerksschubes
mung des installierten Schubes FiF in diesem speziellen Fall auch nur der Zulaufwiderstand
FWZ und der Gondelwiderstand FWG zu berücksichtigen:
Beispiel 5.1
Das in Abb. 5.6 abgebildete Turbojettriebwerk wird in Bodennähe mit einer Flugge-
schwindigkeit von c0 = 120 m/s betrieben. Es sind folgende Daten bekannt:
F = (ṁ0 + ṁB + ṁZ ) · c8 − ṁ0 · c0 + A8 · p8 − p0
kg m m∧
(ṁ0 + ṁB + ṁZ ) · c8 = (70 + 1.4 − 0.7) · 580 · · = 41 006 kg · 2 = 41 006 N
s s s
kg m m∧
ṁ0 · c0 = 70 · 120 · · = 8 400 kg · 2 = 8 400 N
s s s
N ∧
A8 · p8 − p0 = 0.21 · (1.250 − 1.013) · 105 m2 · 2 = 4 972 N = 4 972 N
m
F = 41 006 − 8 400 + 4 972 = 37 578 N
5.2 Allgemeine Schubgleichungen 315
Den deutlich größten Anteil am Schub hat die zeitliche Impulsänderung am Trieb-
werksaustritt mit 41 006 N. Dieser Schubanteil wird um die zeitliche Impulsänderung
am Triebwerkseintritt vermindert: 8 400 N. Nur im Standfall, wenn c0 = 0 m/s ist, ent-
fällt dieser negative Term in der Schubgleichung. Ein Teil des Austrittsimpulses muss
also im Flugfall stets dazu aufgewandt werden, um den Eintrittsimpuls zu kompensie-
ren. Ist im Schubdüsenaustritt der statische Druck größer als der Umgebungsdruck,
p8 > p0 , ergibt sich durch den Druckkräfteanteil in der allgemeinen Schubgleichung
eine schubverstärkende Wirkung von 4 972 N.
Würde zur Schubberechnung nun die Gl. (5.18) mit p9 = p0 benutzt werden und
die freie Nachexpansion die Strömung des Düsenstrahls auf eine Geschwindigkeit von
c9 = 650 m/s erhöhen, so ergäbe sich nahezu derselbe Schub, wie in der Rechnung zuvor.
An dieser Stelle sollen abschließend noch zwei ergänzende Begriffe, die im engeren
Zusammenhang mit dem Triebwerksschub stehen, erläutert werden:
• Nettoschub FNetto (Net Thrust) ist der Schub, der als Vortriebskraft effektiv wirksam ist
und durch die Gln. (5.17) bis (5.19) beschrieben werden kann. Wenn bei einem Trieb-
werk allgemein vom Schub gesprochen wird, so ist praktisch immer der Nettoschub
gemeint.
• Bruttoschub FBrutto (Gross Thrust) ist der Schub, den der jeweilige Austrittsstrahl für
sich allein erzeugt. Im Flugfall kann der Bruttoschub zur Vortriebserzeugung aber nicht
vollständig umgesetzt werden, da immer ein Teil dazu aufgewendet werden muss, den
Eintrittsimpuls zu überwinden.
Die bisherigen Ausführungen zur Beschreibung des Triebwerksschubes zwischen den Ebe-
nen 0 und 9 sind die in der einschlägigen Praxis gebräuchlichsten, da mittels dieser
• Anwendung des Impulssatzes zwischen der Ebene , 0 weit vor dem Triebwerk, und
der Ebene (∞), weit hinter dem Triebwerk, wo auf jeden Fall sichergestellt ist, dass der
statische Druck im Strahl den Umgebungsdruck p0 wieder erreicht hat und wo noch gilt
316 5 Triebwerksschub
c ∞ > c0 . Die Definition eines solchen alles umfassenden Schubes (Overall Thrust) ist
aber wenig praktikabel, da in der Ebene (∞) weder die Strahlgeschwindigkeit c ∞ noch
der Strahlquerschnitt bekannt sind.
• Anwendung des Impulssatzes zwischen der Triebwerkseintrittsebene 1 und der Trieb-
Die einzig verbleibenden Alternativen sind also die hier vorgestellte Schubdefinition zwi-
schen den Bezugsebenen 0 und 8 oder 0 und ,9 die auf die Standardschubgleichungen
für den so genannten Nettoschub führen. In den weiteren Teilen dieses Buches wird die
Schubdefinition zwischen den Ebene 0 und 9 gewählt werden, weil diese Definition sich
am Besten auf die Thermodynamik der Triebwerke übertragen lässt, da nämlich so der
Triebwerksprozess beim Umgebungsdruck p0 in der Ebenen 0 beginnt und schließlich
Zur Erklärung der Entstehung des Triebwerksschubes braucht man im Wesentlichen drei
physikalische Grunddefinitionen:
1. Impuls: I = m · c,
2. Das zweite Newtonsche Axiom: F = İ = dI/dt ,
3. Das dritte Newtonsche Axiom: actio = reactio.
Die Abb. 1.1 erklärt dann anhand von Analogien, wie mit den vorstehenden Angaben der
Triebwerksschub, d. h. der Vortrieb in der Atmosphäre, beschrieben werden kann.
Ein großer Teil der Darstellungen und Beschriftungen in Abb. 1.1 sind selbsterklärend.
Es entstehen zusammengefasst zwei Kräfte, eine vorwärts- und eine rückwärtsgerichtete,
aus deren Differenz sich die Schubkraft F ergibt. Die vorwärtsgerichtete Kraft FV entsteht
dadurch, dass Luftmasse aus dem Triebwerk nach hinten mit einer bestimmten Geschwin-
digkeit austritt. Entgegen der Richtung dieser Geschwindigkeit entsteht – als Reaktion
darauf – eine nach vorne wirkende Kraft FV . Gleichzeitig trifft bei einem sich vorwärts
bewegenden Triebwerk eine Luftmasse auf das Triebwerk, die sich dessen Bewegungsrich-
tung „entgegenstellt“. Es entsteht als Reaktion auf den Vorgang der auftreffenden Luft eine
rückwärts gerichtete Kraft FR am Triebwerk. Der Impuls I (Vektor) ist eine physikalische
2
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the Rest of Us!) ist eine Reihe von Sachbüchern, die in gut aufbereiteter und leicht fasslicher Form
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sind.
5.2 Allgemeine Schubgleichungen 317
Größe, die per Definition aus der Masse m (Skalar) und der Geschwindigkeit
c (Vektor)
zusammengesetzt ist:
I := m · c (5.21)
Der Impuls I hat also dieselbe Richtung wie die Geschwindigkeit c . Damit zeigt der
Austrittsimpuls in Richtung der positiven Austrittsgeschwindigkeit, bezüglich der ein-
gezeichneten positiven x-Koordinate. Er erzeugt aber eine negative Reaktionskraft −FV ,
entgegen der Impulsrichtung. Der Eintrittsimpuls zeigt auch in positive Richtung, bezüg-
lich der positiven x-Koordinate. Er bewirkt dabei aber nun – im Gegensatz zur zuvor
beschriebenen Situation – eine ebenfalls positiv gerichtete Reaktionskraft +FR . Der Schub
F des Triebwerks ist bezüglich der x-Koordinate negativ. Wird nun die Summe aller Kräfte
in x-Richtung aufgeschrieben, so ergibt sich:
Fx = 0 = F + FR + FV
−F = FV + FR := −FV + FR
Der Schub wird im Weiteren per Definition stets in Vorwärtsrichtung als positiv angesehen,
sodass also immer der Betrag der Gl. (5.22) betrachtet wird. Die Betragszeichen werden
dabei der Vereinfachung wegen zukünftig nicht mehr mit aufgeschrieben werden.
Eine Schubkraft F ergibt sich entsprechend des zweiten Newtonschen Axioms – unter
Beachtung der Produktregel der Differenzialrechnung – aus der Ableitung des Impulses
nach der Zeit:
dI d
F= = İ = (m · c)
dt dt
dc dm
F =m· +c· (5.23)
dt dt
In der Triebwerksebene , 8 wo das Heißgas die primäre Schubdüse mit der Geschwin-
digkeit c8 verlässt, gilt für den Fall, dass das Triebwerk sich in einem stationären
Betriebszustand befindet, also wenn c8 = const ist, Abb. 5.7, dass die Ableitung der
Konstanten c8 null ist. Man erhält dann aus der Gl. (5.23) die folgende Information:
dc dm dm
F =m· +c· =c· = c8 · ṁ8 (5.24)
dt dt dt
Bezüglich der Zeit t sind zwar die Geschwindigkeit c8 und der Massenstrom ṁ8 konstant,
aber die Massenteilchen dm nicht, die die Ebene 8 pro Zeiteinheit dt passieren. Diese
Teilchen dm sind zu jedem Zeitpunkt t immer andere. Die Anzahl der Teilchen pro
Zeiteinheit dm/dt = ṁ8 = const sind aber konstant.
318 5 Triebwerksschub
dm
c8 = const
m 8 = const
Abb. 5.7 Zur Ermittlung der Impulskraft eines aus einer konvergenten Düse austretenden
Gasstrahls nach dem zweiten Newtonschen Axiom
Für die vorwärts und rückwärts gerichteten Kräfte aus Abb. 5.6a kann so dann auch
geschrieben werden:
FR = c0 · ṁ0 , (5.25)
wenn c0 die Fluggeschwindigkeit und ṁ0 der vom Triebwerk angesaugte Luftmassenstrom
ist,
Die verwendeten Ziffern bei den Indizes basieren auf der Stationsnummerierung in
Abb. 5.6b. Diese Art der Nummerierung lehnt sich an die Vorgaben der Literaturstelle
SAE (2009) an.
Der Massenstrom ṁ8 am Austritt des Primärkreises setzt sich zusammen aus dem
primären Luftmassenstrom ṁI , dem Brennstoffmassenstrom ṁB , der der Brennkammer
zugeführt wird und dem Zapfluftmassenstrom ṁZ , der unter Anderem Luft für die Flug-
zeugklimatisierung, die Flugzeugenteisung und die Turbinenkühlung bereitstellt. Aus der
Kombination der Gln. (5.22), (5.25) und (5.26) ergibt sich dann, wenn die statischen
Drücke p8 und p18 größer als der Umgebungsdruck p0 sind:
Die gegenüber der Umgebung erhöhten statischen Drücke p8 und p18 sind ursächlich für
zusätzliche Druckkräfte Fp8 = A8 (p8 − p0 ) und Fp18 = A18 (p18 − p0 ) in den jeweiligen
Schubdüsenaustrittsflächen 8 bzw. .
18 Diese Kräfte entstehen dadurch, dass Druckun-
terschiede zwischen der Ebene 0 vor und den Ebenen 8 bzw. 18 hinter dem Triebwerk
existieren (Kraft = Fläche × Druck). Zusammen mit der Gl. (1.8) erhält man schließlich:
m0 = mI + mII mI + mB − mZ
p9 = p0
Fangstromröhre
Einlauf
BK
freie Nachexpansion
hinter der Schubdüse
mII
Primärdüse
Übergangsstück
NDV HDV 3 3BK 9
8
HDT
NDT
Diffusor
4 D.O 5 7
0 1 2 B.O
Voraussetzung für die Gültigkeit dieser Gleichung ist es, dass die bisherigen Größen mit
den Indizes 8 und 18 dort bestimmt werden, wo die statischen Drücke in den nach hinten
damit dann auch die noch in Gl. (5.27) mit aufgeführten Druckkräfte Fp8 = A8 (p8 − p0 )
und Fp18 = A18 (p18 − p0 ).
Die Abb. 5.8 zeigt, dass diese Positionen 9 bzw. 19 praktisch immer ein gewisses
als der Umgebungsdruck, d. h.: p8 > p0 bzw. p18 > p0 . Diese Art der Vorgehensweise ist
mit Sicht auf den noch zu behandelnden thermodynamischen Kreisprozess sinnvoll, da
der Kreisprozess stets weit vor dem Triebwerk bei dem Umgebungsdruck p0 beginnt und
hinter dem Treibwerk auch wieder bei diesem Umgebungsdruck p9 = p19 = p0 endet.
Ein Umsortieren der einzelnen Größen innerhalb der Gl. (5.28) ergibt dann schließlich
die allgemeine Schubgleichung für ein Turbofantriebwerk:
Die eckigen Klammern trennen visuell den Schubanteil des Primärkreises FI vom Schu-
banteil des Sekundärkreises FII am Gesamtschub F. Für den Schub eines einfachen
Einstromtriebwerk (Turbojet) entfällt in der obigen Gleichung der Schubanteil FII voll-
kommen und in der ersten eckigen Klammer ist der Massenstrom ṁI durch den der
Ausdruck ṁI = ṁ0 zu setzen.
320 5 Triebwerksschub
Die Eintrittstemperatur des Heißgases in die Schubdüse liegt praktisch immer oberhalb
von 700 K und kann durchaus 1 000 K überschreiten. Von daher ist eine angemessene Ma-
terialauswahl ebenso wichtig, wie der Schutz vor zu starker Erwärmung der umgebenden
Flugzeugstruktur infolge von Wärmeleitung und Wärmestrahlung.
Zu Beginn der Düsensektion hat das von der Turbine kommende Heißgas eine
Geschwindigkeit von etwa 250 bis 400 m/s. Diese Geschwindigkeiten sind Unterschall-
geschwindigkeiten, da die Schallgeschwindigkeit aufgrund der hohen Gastemperaturen
etwa zwischen 450 bis 650 m/s liegen kann. Die Abb. 5.8 zeigt, dass sich der Strömungs-
querschnitt hinter der Turbine diffusorartig von einem Kreisringquerschnitt auf einen
Kreisquerschnitt verändert. Dabei nehmen die Strömungsgeschwindigkeit ab und der
statische Druck zu. Hinter der Turbine ist ein Austrittskonus angebracht, der die Quer-
schnittsänderung nicht zu plötzlich ausfallen lässt. Zu Beginn des Konus, direkt hinter
dem letzten Turbinenlaufrad, sind eine Vielzahl von Streben (Struts) angebracht, die zum
einen das Turbinengehäuse stützen und zum anderen die Strömung axial ausrichten und
so einen letzten noch verbliebenen Drall und mögliche Verwirbelungen aus der Strömung
herausnehmen.
Wie zuvor beschrieben, gelangt das Heißgas nach der Turbine in die eigentliche
Schubdüse (Propelling Nozzle), die im einfachsten Fall nichts weiter als ein konvergenter
Strömungskanal ist, in dem die Strömung unter Abbau von statischem Druck beschleu-
nigt wird. In Turbojet- und Turbofantriebwerken mit kleinem Bypass-Verhältnis erreicht
der Düsenstrahl am Triebwerksaustritt im Allgemeinen immer die Schallgeschwindigkeit,
lediglich bei kleinerem Schubbedarf (Low Power Settings) kann es vorkommen, dass im
Düsenaustrittsquerschnitt Unterschallgeschwindigkeit vorliegt. Wird die Schallgeschwin-
digkeit im Düsenaustritt erreicht, so ist dies auch gleichzeitig die maximal mögliche
Austrittsgeschwindigkeit aus einer konvergenten Düse. Die Düsenaustrittsmachzahl ist
dann eins (Ma8 = 1.0) und die Schubdüse wird als gesperrt (Choked) bezeichnet, weil
der so genannte reduzierte Massenstrom ṁred , der wie folgt – aufbauend auf dem Ge-
√
setz der Machschen Ähnlichkeit3 – definiert ist ṁred := ṁ · Tt8 /pt8 , hier ebenfalls sein
Maximum erreicht hat. Man vergleiche ergänzend zu diesem Thema auch die ausführliche-
ren Darstellungen in Kap. 10.4 und in Kap. 18.5.2. Eine weitere Steigerung des natürlichen
Massenstroms ṁ wäre bei konstanter Schubdüsenaustrittsfläche A8 jetzt nur noch dadurch
möglich, indem die Turbinenaustrittsgrößen beeinflusst werden, d. h., der Totaldruck am
Düseneintritt pt5 ≈ pt8 angehoben und/oder die Totaltemperatur Tt5 ≈ Tt8 abgesenkt
3
Die Machsche Ähnlichkeit bezieht sich dabei auf die so genannte mechanische Ähnlichkeit von
Strömungen, hier insbesondere von Strömungen bei hohen Geschwindigkeiten (Ma > 0.3). Nur für
mechanisch ähnliche Strömungen kann man Rückschlüsse von einem bekannten Strömungszustand
auf einen anderen ziehen. Bei einer Strömung durch eine gegebene Düse kann das Strömungsvolu-
men durch Druck- und/oder Temperaturänderungen variieren. Ähnlich (vergleichbar) sind solche
Strömungen mit sich ändernden Drücken und Temperaturen nur dann, wenn auch ihr Machzahlen
gleich sind und nicht, wenn ihre Geschwindigkeiten gleich sind.
5.2 Allgemeine Schubgleichungen 321
√
wird, ṁ ∼ pt5 / Tt5 . Sperren einer Düse bedeutet also nicht, dass der Düsenmassenstrom
begrenzt wird, sondern vielmehr der reduzierte Massenstrom.
Sperrt eine konvergente Düse und wird über den Schubhebel im Cockpit die Drehzahl
und der Druck im Triebwerk weiter angehoben, so steigen sowohl der statische als auch
der Totaldruck in der Schubdüsenaustrittsfläche an. Der statische Druck liegt dann über
dem atmosphärischen Umgebungsdruck p8 > p0 . Es stellt sich im Strahl hinter der Düse
das Strömungsbild aus Abb. 5.9 einer so genannten unterexpandierenden Düse ein. Der
Gegendruck p0 hinter der Düse liegt unter dem Wert p8 in der Düsenaustrittsfläche. Die In-
formation über diese Druckverhältnisse kann sich nicht entgegen der Strömungsrichtung
ausbreiten, da die Strömung selbst im Überschall ist und sich Druckänderungen nur mit
Schallgeschwindigkeit in einem Gas ausbreiten können. Das in die Düse einströmende Gas
kann sich also nicht an die real existierenden Düsenverhältnisse anpassen. Wie bei einer
Gewehrmündung expandiert der austretende Strahl je nach Größe des noch vorliegenden
Restdruckgefälles mehr oder weniger verpuffungsartig, man sagt auch manchmal deflagra-
torisch dazu. Infolge der dadurch hervorgerufenen Strömungsbeschleunigung weitet sich
der Strahl dabei selbstständig auf, bis in ihm gegenüber der Umgebung ein Unterdruck
p < p0 entsteht. Vor diesem Ort im Strahl gibt es eine Position ,
9 an der p9 = p0 gilt, der
p8 > p0
Verdichtungs-
wellen p < p0 p = p8 > p 0
Unterexpandierende konvergente Schubdüse
Überschallabströmung mit Ma8 = 1 in der
Düsenaustrittsfläche 8 = engster Querschnitt
Strahlentwicklung hinter der sekundären
und primären Schubdüse eines Turbfantriebwerks
eines Triebwerks darauf zu achten ist, dass es zu keiner Beschädigung, Verziehung oder
sonstigen Verformung des Düsenquerschnittes kommen kann. Bei der genauen Bemes-
sung des Düsenquerschnitts ist darauf zu achten, dass der Querschnitt im kalten Zustand
infolge der allgegenwärtigen Wärmeausdehnungseffekte kleiner sein wird als im späteren
heißen Betriebszustand.
Aufgrund der hohen Gastemperaturen im Austrittsbereich eines Triebwerks bestehen
die Schubdüsen aus Titan oder Nickellegierungen. Zur Vermeidung von Wärmeleitung in
die das Triebwerk umgebende Flugzeugstruktur sind Schubdüsen mit wärmeisolierendem
Material umgeben, zu dem sich gleichzeitig auch noch eine weitere Isolierschicht zur
Lärmabsorption addiert.
Turbofantriebwerke weisen im Allgemeinen zwei Schubdüsen auf, die des Primär- und
die des Sekundärkreises. Man spricht in diesem Fall von einem Triebwerk mit separaten
Schubdüsen, so wie es der untere Teil von Abb. 5.9 zeigt. Dabei hüllt der kalte Sekundär-
strahl den heißen Primärstrahl ein, was eine Lärm reduzierende Wirkung hat. Diese Art
5.2 Allgemeine Schubgleichungen 323
der Lärmreduzierung kann dadurch effizienter gestaltet werden, indem die äußere Gon-
del bis hin zum Triebwerksende verlängert wird, so wie es der untere Teil von Abb. 4.60
zeigt. Das Triebwerk IAE V2500 ist ein typisches Beispiel für diesen Schubdüsenaufbau,
den man als integrale Schubdüse bezeichnet. Auch ein solches Turbofantriebwerk wird
immer noch als ein Triebwerk mit separaten Schubdüsen angesehen, da es nicht zu einer
nennenswerten Vermischung der beiden Strahlen innerhalb des Triebwerks kommt.
Für eindimensionale Anwendungen, die sich jeweils auf eine einzige Koordinatenrichtung
beziehen, so wie es z. B. bei der Schubbestimmung von Triebwerken der Fall ist, kann der
Impulssatz (5.11) in folgende simplifizierte Form gebracht werden:
⎡ ⎤ ⎡ ⎤
Fx = ⎣ (c · ṁ)AUS − (c · ṁ)EIN ⎦ + ⎣ p · A AUS − p · A EIN ⎦. (5.30)
AAUS AEIN AAUS AEIN
Gleichung (5.30) besagt, dass die Summe aller aus einer Kontrollfläche austretenden Impul-
se pro Zeiteinheit (Impulsströme) cAUS · ṁAUS , vermindert um die Summe der eintretenden
Impulsströme cEIN · ṁEIN gleich der Summe der am Kontrollraum (Kontrollvolumen) an-
greifenden äußeren Kräfte Fx und Fp ist. Die Druckkraft Fp ergibt sich dabei aus der Summe
der Druckkräfte am Austritt des Kontrollraums, vermindert um die Summe der Druck-
kräfte am Eintritt des Kontrollraums. Die Stützkraft Fx ist die gesuchte Größe. Im Falle
eines Triebwerks ist die Stützkraft Fx identisch mit dem Triebwerksschub F:
⎡ ⎤
Fx + Fp = ⎣ (c · ṁ)AUS − (c · ṁ)EIN ⎦. (5.31)
AAUS AEIN
p5 p9
A5 c5 c 9 A9 x
0 +m
m Zz
B −m
A
e
bdüs
c0 Schu c0
Turbinen-
gehäuse p0 X
m p0
Abb. 5.10 Skizze zur Axialkraftberechnung der Schubdüse eines Turbojets im x-y-z-
Triebwerkskoordinatensystem
Beispiel 5.2
Die Abb. 5.10 zeigt skizzenhaft die Schubdüse des Einstromtriebwerks aus Beispiel 5.1.
Die Schubdüse und das vorgeschaltete Turbinengehäuse sind durch Axialschrauben
miteinander verbunden. Infolge der Düsendurchströmung existiert eine Axialkraft Fx ,
die durch diese Schrauben aufgenommen werden muss. In der Düseneintrittsfläche
liegen folgende Daten vor: p5 = 2.25 · 105 Pa, c5 = 86 m/s und A5 = 0.425 m2 . Wie groß
ist die Kraft Fx , die alle Schrauben zusammen aufnehmen müssen, wenn ansonsten die
in Beispiel 5.1 gegeben Daten gelten?
⎡ ⎤ ⎡ ⎤
Fx = ⎣ (c · ṁ)AUS − (c · ṁ)EIN ⎦ + ⎣ p·A − p·A
AUS
⎦
EIN
AAUS AEIN AAUS AEIN
(c · ṁ)AUS = c9 · (ṁ0 + ṁB − ṁZ ) + c0 · ṁx
AAUS
(c · ṁ)EIN = c5 · (ṁ0 + ṁB − ṁZ ) + c0 · ṁx
AEIN
p · A AUS = p9 · A9 + p0 · (A − A9 )
AAUS
p · A EIN = p5 · A5 + p0 · (A − A5 )
AEIN
5.2 Allgemeine Schubgleichungen 325
Das negative Vorzeichen im Ergebnis besagt, dass die tatsächliche Axialkraft zwischen
Turbinengehäuse und Schubdüse entgegen der positive Triebwerksschubrichtung x
wirkt, mit der sie in Abb. 5.10 eingezeichnet wurde. Die Kraft Fx ist bezüglich des x-y-z-
Triebwerkskoordinatensystems positiv gerichtet eingezeichnet worden. Der sich erge-
bende Zahlenwert für Fx ist aber negativ, d. h. die Kraft wirkt tatsächlich entgegengesetzt
zur Darstellung in der Zeichnung. Bezüglich des xF -yF -zF -Flugzeugkoordinatensystems
dreht sich die tatsächliche Kraftrichtung aber um, Abb. 5.2 sodass die Darstellung hier
eine Kraft zeigt, die entgegengesetzt zur Schubrichtung des Flugzeuges weist.
Daraus lässt sich lernen, dass positive Ergebnisse, die sich aus der Gl. (5.30) ergeben,
hinsichtlich des Schubes für ein Flugzeug als Vorwärtsschub zu bewerten sind und
negative Ergebnisse als rückwärtiger Schub.
Die Vorzeicheninterpretation in den Gleichungen mag auf den ersten Blick verwir-
rend erscheinen, was sie in der Tat auch ist. Ursächlich dafür sind die unterschiedlichen
Koordinatensysteme für ein Triebwerk und ein Flugzeug, insbesondere was die positive
Richtung der x-Achse betrifft.
Mit der Verallgemeinerung des Ergebnisses des vorhergehenden Beispiels kann im Übrigen
jedes mit dem Massenstrom ṁ axial durchströmte Bauteil eines Triebwerks berechnet wer-
den. Die mit (#) in Beispiel 5.2 gekennzeichnete Gleichung kann in die folgende allgemeine
Form umgeschrieben werden:
Zur Auswertung muss also der Druck p0 bekannt sein, der das Bauteil umgibt. Darüber
hinaus müssen im durchströmten Teil des Bauteils am Ein- und Austritt jeweils statischer
Druck p, Geschwindigkeit c und Fläche A gegeben sein.
Beispiel 5.3
Die Abb. 3.27 zeigt ein Turbojettriebwerk, das einen Massendurchsatz an Luft von
69.56 kg/s hat. Das Triebwerk wird im Bodenstandfall c0 = 0 betrieben (p0 = 1 013 hPa,
T0 = 288 K). Es sind die Axialkräfte der Einzelkomponenten des Triebwerks unter
Verwendung von Gl. (5.33) zu berechnen, wenn am Ein- und Austritt der jeweiligen
326 5 Triebwerksschub
Verdichter
cEIN = 166.07 m/s cAUS = 166.07 m/s
FDiff = (69.56 − 2.783) · (107.66 − 166.07) + 0.1090 · (946 047.31 − 101 300) −
Brennkammer
cAUS = 239.11 m/s pAUS = 857 468.06 Pa AAUS = 0.11193 m2
+0.11193 · (857 468.06 − 101 300) − 0.1090 · (946 047.31 − 101 300)
Turbine
cAUS = 239.11 m/s pAUS = 279 308.26 Pa AAUS = 0.2641 m2
FT = (ṁ0 − ṁZ + ṁB ) · (cAUS − cEIN ) + AAUS · pAUS − p0 − AEIN · pEIN − p0
konvergente Schubdüse
cAUS = 551.75 m/s pAUS = 143 711.42 Pa AAUS = 0.19622 m2
A2 A3 A3BK A4 A5 Θ D = 20°
c0 = 0 m/s
A0 = ∞
A1 A7 A8 A9
D
freie Nach-
expansion
konver-
Einlauf Verdichter Brenn- Über- gente
DF kammer T gangs- Schub-
0 Fang- 1 2 3 3BK 4 5 stück 7düse 8 9
strom- Diffu- Tur-
röhre E V sor BK
bine U D
Man beachte, dass für die vorliegende Aufgabenstellung die Schubgleichung (5.18)
nicht verwendet werden kann, da sie für ein Triebwerk zwischen den Bezugsebenen 0
und 9 gilt. Im Folgenden soll nun dem bisherigen Triebwerk noch ein Einlaufdiffusor
resultierende Schubkraft
F = Fx + FF = 38 629.0 + 7 176.0 = 45 805 N
Nettoschub
F = c8 · (ṁ0 + ṁB − ṁZ ) − c0 · ṁ0 + A8 · p8 − p0
Nettoschub
F = c9 · (ṁ0 + ṁB − ṁZ ) − c0 · ṁ0 + A9 · p9 − p0
F = 675.74 · (69.57 − 2.783 + 1.151) − 0.0 · 69.75 + A9 · (101 300 − 101 300)
marginal, ebenso wie die sich für das gesamte Triebwerk jeweils einstellenden Netto-
schübe. Im Vergleich zu den Zahlenwertergebnissen zu Abb. 3.27 zeigt sich, dass die
330 5 Triebwerksschub
p0
65 191 N 1 614 N
-53 553 N
29 541 N
Brenn- Tur- Übergangs-
Verdichter Diffusor kammer bine stück
-37 626 N
Schub 2 167 N
Abb. 5.12 Turbojettriebwerk ohne Schubdüse. Eine Abwandlung von Abb. 3.27
weil diese Ebenen den Beginn und das Ende des thermodynamischen „Kreisprozesses4 “
markieren, der beim Umgebungsdruck p0 vor dem Triebwerk beginnt und bei diesem
Druck p9 = p0 hinter dem Triebwerk auch wieder endet.
Wie schon in Kap. 3.12 erläutert, so soll auch hier noch einmal auf ein augenfälliges
Ergebnis aus den Beispielen 5.2 und 5.3 ausdrücklich hingewiesen werden. Die beiden
genannten Beispiele zeigen nämlich sehr deutlich, dass eine Schubdüse, wenn man die
internen Kräfte betrachtet, generell negativen Schub liefert, also Schub, der entgegen der
eigentlichen Hauptschubrichtung eines Triebwerks wirkt. Daraus wird deutlich, dass der
Sinn und Zweck einer Schubdüse also ganz offensichtlich nicht die Erzeugung von Schub
sein kann, auch wenn deren Name dies impliziert. Die Aufgabe einer Schubdüse liegt
vielmehr darin, das Druckniveau im Triebwerk aufrechtzuerhalten. Nehmen wir dazu in
Beispiel 5.3 einmal die Schubdüse aus der Berechnung weg, Abb. 5.12, so wäre jetzt das
4
Die so genannte gedachte Schließung des Kreisprozesses von
9 nach 0 mit Wärmeabgabe an die
Umgebung ist hier bei der Wahl des Wortes „Kreisprozess“ nicht mit eingeschlossen.
5.2 Allgemeine Schubgleichungen 331
letzte Triebwerksbauteil das Übergangsstück, an dessen Ende nun als Austrittsdruck der
Umgebungsdruck vorliegen müsste, pAUS = p0 = 101 300 Pa:
Übergangsstück
cAUS = 143.22 m/s pAUS = 101 300 Pa AAUS = 0.47026 m2
Addieren wir nun alle Kräfte für Verdichter, Diffusor, Brennkammer und Turbine aus
Beispiel 5.3 und berücksichtigen außerdem das obige Ergebnis für das Übergangsstück, so
hätte das Triebwerk jetzt nur noch einen Schub von Fx = 2 167 N. Obwohl die Schubdüse
für sich allein negativen Schub erzeugt, ist sie dennoch nicht entbehrlich, da ein Triebwerk
ohne Schubdüse fast keinen Schub mehr produzieren würde. Das klingt paradox, ist aber
ein Hinweis auf den eigentlichen und unentbehrlichen Sinn und Zweck der Schubdüse am
Triebwerk.
Man lernt daraus, dass die Düse primär eine Art Regelorgan am Ende des Triebwerks
ist, das mittels seines Querschnitts den Massendurchsatz ṁ und damit das Triebwerks-
druckniveau kontrolliert. Je enger der Düsenquerschnitt wird, umso mehr Masse „staut“
sich vor der Schubdüse im Triebwerk auf und umso höher wird der Druck im hinteren
Triebwerksteil ausfallen. Bei einer konstanten Düsenaustrittsfläche A8 steigt der Durchsatz
ṁ durch die Düse an, wenn der Druck vor der Düse steigt. Dieser Druck wird vom Ver-
dichter bzw. von seiner Drehzahl gesteuert. Hält man anderseits die Verdichterdrehzahl
konstant und verkleinert dabei aber dann die Düsenfläche A8 , so wird der Massendurchsatz
ṁ sinken und auch der Druck wird sich ändern. Um zu wissen, wie sich der Druck ändert,
benötigt man den Zusammenhang zwischen Massendurchsatz ṁ und Verdichterdruckver-
hältnis πV . Dieser Zusammenhang geht aus dem so genannten Verdichterkennfeld hervor,
dass aber erst in Kap. 10 behandelt werden wird. In Kap. 13 wird auf die Bedeutung der
Schubdüse als Regelorgan des Triebwerks noch einmal ausführlich eingegangen werden.
Die simplifizierte Form des Impulssatzes (5.30) soll nun auf das in Abb. 5.13 skizzierte
Zweistromtriebwerk angewendet werden. Der besseren Übersicht wegen werden dabei die
Summen der Impulsströme und der Druckkräfte am Ein- und Austritt des eingezeichneten
Kontrollraums separat aufgeschrieben:
Fx = +F
(ṁ · c)AUS = ṁx · c0 + ṁII · c19 + (ṁI + ṁB − ṁZ ) · c8 (5.34)
AAUS
332 5 Triebwerksschub
0 1 AR AS 8 9
c0
c0
mX AA p0
p0
mII c19
p19 = p0
A0 A1 p8 > p0
mI + mB − mZ x
A8 c8
c0 F = Fx A19
m0 = mI + mII p8 > p0
p19 = p0
mII c19
p0
p0
mX mZ mB c0
c0
EIN AUS
(ṁ · c)EIN = ṁx · c0 + (ṁI + ṁII ) · c0
AEIN
(p · A)AUS = p8 · A8 + p19 · (A19 − A8 ) + p0 · (AA − A19 )
AAUS
(p · A)EIN = p0 · A0 + p0 · (AA − A0 ) (5.35)
AEIN
Längs der Ein- und Austrittsflächen werden die dort vorkommenden Impulsströme und
Druckkräfte ohne weitere Beachtung von Vorzeichen aufsummiert. Die erforderlichen
Vorzeichen sind bereits in Gl. (5.30) richtig enthalten. Lediglich für die Kraft Fx wäre noch
ein negatives Vorzeichen einzuführen, wenn Fx entgegen der in Abb. 5.13 angegebenen
x-Richtung eingezeichnet worden wäre, was aber nicht der Fall ist. Das Einsetzen der
Gln. (5.35) in die Gl. (5.30) mit p19 = p0 ergibt die allgemeine Schubgleichung für
Turbofantriebwerke:
F = [c8 · (ṁI + ṁB − ṁZ ) − c0 · ṁI + A8 · (p8 − p0 )] + [ṁII · (c19 − c0 )]. (5.36)
Verlegt man nun die Austrittsebene „AUS“ bzw. 8 zur Schubberechnung in eine Ebene 9
hinter dem Triebwerk, wo p9 = p0 gilt, so wird aus Gl. (5.36):
Ein Vergleich mit der Gl. (5.29) zeigt eine vollständige Übereinstimmung der Ergebnisse:
Beispiel 5.4
Für ein Zweistromtriebwerk (ähnlich wie in Abb. 5.13, aber mit A0 = A1 = A19 )
mit einem Schub von F = 110 kN ist das Bypass-Verhältnis μ zu berechnen. Es sind
die Geschwindigkeiten c0 = c1 = 85 m/s, c9 = 533 m/s und c19 = 300 m/s gegeben. Der
Umgebungszustand entspricht der Standardatmosphäre mit p0 = 1 013 hPa, T0 = 288
K und die spezifische Gaskonstante ist Ri = 287 Nm/(kg·K). Brennstoff- u. Zapfluft-
massenstrom sind ṁB = 1.615 kg/s, ṁZ = 3.632 kg/s. Als Geometriedaten sind
A0 = A1 = 4.155 m2 bekannt. Wenn p9 = p0 gilt, so folgt aus Gl. (5.37):
p0 1013 · 102
ṁ0 = ρ0 · c0 · A0 = · c0 · A0 = · 85 · 4.155 = 433 kg/s
Ri · T 0 287 · 288
Und für das Bypass-Verhältnis ergibt sich:
Abb. 5.14 Skizze zur Herleitung der Allgemeinen Schubgleichung für ein Triebwerk mit geschwenk-
ter Schubdüse (Vector Thrust Nozzle). Siehe auch die Ergänzung in Abb. 5.15
Abbildung 5.14 zeigt die Skizze eines Triebwerks mit geschwenkter Schubdüse, so wie
man es sich z. B. für Flugzeuge mit Kurzstart- und Kurzlandeeigenschaften (STOL, Short
Take-Off and Landing) vorstellen kann, vgl. Abb. 4.72. Die Schubdüse ist um den Win-
kel α nach unten geschwenkt, sodass das Flugzeug schwebt (keine Geschwindigkeit in
y-Richtung, cy = 0), aber gleichzeitig eine geringe Vorwärtsgeschwindigkeit c0 > 0 hat. Es
entsteht so eine horizontal gerichtete Schubkraft Fx und eine vertikal gerichtete Trage-
kraft Fy , die dem Flugzeuggewicht entspricht. Die Richtungen dieser beiden Kräfte sind
positiv gerichtet zu den positiven x-y-Koordinaten gewählt worden. Seitlich aus dem in
Abb. 5.14 mit eingezeichnetem Kontrollraum wird – aufgrund der geschwenkten Schub-
düse – Masse ṁx heraus gedrängt, die mit der Geschwindigkeit c0 axial nach hinten
weggetragen wird. In die Frontfläche des Kontrollvolumens tritt die Masse ṁx ein, die
von der Masse ṁx am Austritt des Kontrollvolumens verschieden ist. Ein Teil der ein-
strömenden Masse ṁx wird vom Triebwerk als Massenstrom ṁ0 aufgenommen und
5.2 Allgemeine Schubgleichungen 335
Mit ṁ9 = ṁ0 + ṁB − ṁZ ergibt sich daraus durch Umstellen nach ṁx :
Der axial aus dem Kontrollvolumen austretende Massenstrom ṁx entspricht also dem
eintretenden Massenstrom ṁx , vermindert um den vom Triebwerk aufgenommenen Mas-
senstrom ṁ0 und vermindert um den seitlich herausgedrängten Massenstrom ṁx . Mittels
Gl. (5.30) wird nun der Impulssatz in x-Richtung aufgeschrieben:
(ṁ · c)AUS = ṁx · c0 + ṁx · c0 + ṁ8 · c8 · cos α
AAUS
(ṁ · c)EIN = ṁx · c0
AEIN
(p · A)AUS = p0 · (Ax − A8 · cos α) + p8 · A8 · cos α (5.44)
AAUS
(p · A)EIN = p0 · Ax
AEIN
Wird in die Gln. (5.44) die Gl. (5.43) eingesetzt, so ergibt sich unter Verwendung von
Abb. 5.15 die folgende Gleichung für die Axialkraft Fx :
Für α = 0◦ bzw. cos α = cos 0◦ = 1.0, d. h., für ein Triebwerk mit nicht geschwenkter
Schubdüse, geht der obige Ausdruck in die allgemeine Schubgleichung für Turbojettrieb-
werke (5.18) über. Mittels der Gl. (5.30) kann nun auch der Impulssatz in y-Richtung
aufgeschrieben werden:
(ṁ · c)AUS = ṁ8 · c8 · sin α
AAUS
(ṁ · c)EIN = 0
AEIN
(p · A)AUS = p0 · (Ay − A8 · sin α) + p8 · A8 · sin α (5.46)
AAUS
(p · A)EIN = p0 · Ay
AEIN
336 5 Triebwerksschub
Abb. 5.15 Ergänzende Skizze zu der Darstellung in Abb. 5.14 zur Herleitung der Allgemeinen
Schubgleichung für ein Triebwerk mit geschwenkter Schubdüse (Vector Thrust Nozzle)
Für α = 0◦ bzw. sin α = sin 0◦ = 0.0, d. h., für ein Triebwerk mit nicht geschwenkter
Schubdüse, wird die Vertikalkraft Fy gleich null.
Beispiel 5.4
Das in Beispiel 5.1 behandelte Turbojettriebwerk soll nun mit einer verstellbaren Schub-
düse versehen sein, die um den Winkel α = 70◦ nach unten geschwenkt ist. Das
Triebwerk befindet sich im Schwebezustand mit cy = 0 m/s und hat dabei eine ho-
rizontale Vorwärtsgeschwindigkeit von c0 = 15 m/s. Wenn ansonsten die Daten aus
Beispiel 5.1 gelten, sind die Kräfte Fx und Fy und Horizontal- und Vertikalrichtung zu
berechnen.
Fx = (ṁ0 + ṁB − ṁZ ) · c8 · cos α − ṁ0 · c0 + A8 · p8 − p0 · cos α
Fx = (70 + 1.4 − 0.7) · 580 · cos 70◦ − 70 · 15 + 0.21 · 105 · (1.25 − 1.013) · cos 70◦
Dieses ist der Vorwärtsschub, mit dem das Triebwerk mit c0 = 15 m/s nach vorne bewegt
wird.
Fy = (ṁ0 + ṁB − ṁZ ) · c8 · sin α + A8 · p8 − p0 · sin α
Fy = (70 + 1.4 − 07) · 580 · sin 70◦ + 0.21 · 105 · (1.25 − 1.013) · sin 70◦
Dieses ist die Vertikalkraft, mit dem das Triebwerk bzw. das Flugzeug in der Schwebe
gehalten wird. Hat ein Flugzeug z. B. zwei Triebwerke, so ist Fy die halbe Gewichts-
kraft des Flugzeuges bzw. 2·Fy = mA/C ·g, wenn mA/C die Flugzeugmasse und g die
Erdbeschleunigung ist.
Beispiel 5.5
Das Bild zeigt ein senkrecht startendes Flugzeug, dessen Schubdüse des Haupttrieb-
werks (Turbojet) um α = 90◦ geschwenkt ist. Das gesamte Flugzeug hat eine Masse
von 16 310 kg. Damit das Flugzeug im Gleichgewicht bleibt, befindet sich im vorde-
ren Flugzeugteil ein separater Lift-Fan, der stets denselben senkrecht gerichteten Schub
erzeugen soll, wie das Haupttriebwerk mit seiner geschwenkten Düse, unabhängig da-
von, um welchen Winkel die Düse geschwenkt ist. Die kleineren Düsen in den Flügeln,
die die Rolllage des Flugzeugs steuern, sollen hier unberücksichtigt bleiben. Die Um-
gebungsbedingungen sind: p0 = 1 013 hPa, T0 = 288 K, κ = 1.4, Ri = 287 Nm/(kg·K).
Es soll p8 > p0 und (β − α) = 0 gelten. Am Austritt der konvergenten Schubdüse des
Haupttriebwerks beträgt die Machzahl Ma8 = 1 und das statische Druckverhältnis der
unterexpandierenden Schubdüse (Abb. 5.13) p8 /p0 = 1.25. Die Abgastemperatur beträgt
T8 = 669 K. Welchen Luftmassenstrom ṁ0 nimmt das Triebwerk auf?
cy = 0
c0 = 0
geschwenkte
Schubdüse
Fy1
Schub: Liftfan
FY2 = Fy1
FG
Schub:
Gewichtskraft Haupttriebwerk
Fy2 = Fy1 = (ṁ0 + ṁB − ṁZ ) · c8 · sin α+A8 · p8 −p0 · sin α mit sin α = sin 90◦ = 1.0
p0
Fy2 = Fy1 = ṁ0 · c8 + A8 · p8 1 −
p8
p8 ṁ8 · Ri · T8 (ṁ0 + ṁB − ṁZ ) · Ri · T8
ṁ8 = ρ8 · c8 · A8 = · c8 · A8 ⇒ A8 = =
Ri · T 8 c8 · p 8 c8 · p 8
ṁ0 · Ri · T8
A8 =
c8 · p8
ṁ0 · Ri · T8 p0 Ri · T8 p0
Fy2 = Fy1 = ṁ0 · c8 + · 1− = ṁ0 · c8 + · 1−
c8 p8 c8 p8
338 5 Triebwerksschub
Fy2 Fy2
ṁ0 =
=
Ri · T8 p0 κ · R i · T8 c8 p0
c8 + · 1− c8 + · 1−
c8 p8 c82 κ p8
2 F
c y2
Ma29 = 1 = 8
⇒ ṁ0 =
κ · R i · T8 1 − p 0 p8
c8 · 1 +
κ
FG m·g 16 310 · 9.81
Fy2 = Fy1 = = = = 80 000 N
2 2 2
√ √
Ma8 = 1.0 ⇒ c8 = a8 = κ · Ri · T8 = 1.4 · 287 · 669 = 518.5 m/s
80 000
ṁ0 = = 135 kg/s
1 − 0.8
518.5 · 1 +
1.4
Wenn nun die Schubdüse auf einen Winkel von α = 70◦ geschwenkt wird und ansonsten
alle bisher berechneten Daten auch weiterhin gelten mögen, so geht das Flugzeug mit
einer Geschwindigkeit von c0 = 20 m/s in den Horizontalflug über, d. h., ohne dass es
sich dabei zusätzlich in der Vertikalen bewegt: cy = 0. Diese Vorwärtsbewegung soll
Auftrieb an den Tragflächen erzeugen. Welche Auftriebskraft FA wird jetzt an den
beiden Tragflächen des Flugzeuges wirksam werden?
Fy2 = Fy1 = (ṁ0 + ṁB − ṁZ ) · c8 · sin α + A8 · p8 − p0 · sin α
ṁ0 κ · Ri · T8 p0
Fy2 = Fy1 = ṁ0 · c8 · sin α + c8 · · · 1 − · sin α
κ c82 p8
ṁ0 p0
Fy2 = Fy1 = ṁ0 · c8 · sin α + · c8 · 1 − · sin α
κ p8
1 − p 0 p8
Fy2 = Fy1 = ṁ0 · c8 · sin α · 1 +
κ
5.2 Allgemeine Schubgleichungen 339
1 − 0.8
Fy2 = Fy1 = 135 · 518.5 · sin 70◦ · 1 + = 75 172.725 N
1.4
FA = FG − (Fy2 + Fy1 ) = 16 310 · 9.81 − 2 · 75 172.725
FA = 9 655.65 N
Man bestimme die Widerstandskraft FW in Horizontalrichtung.
FW = Fx = (ṁ0 + ṁB − ṁZ ) · c8 · cos α − ṁ0 · c0 + A8 · p8 − p0 · cos α
p0
FW = ṁ0 · (c8 · cos α − c0 ) + A8 · p8 · 1 − · cos α
p8
R i · T8 p0
FW = ṁ0 · (c8 · cos α − c0 ) + · 1− · cos α
c8 p8
c0 1 κ · R i · T8 p0
FW = ṁ0 · c8 · cos α − + · · 1− · cos α
c8 κ c82 p8
1 − p 0 p8 c0
FW = ṁ0 · c8 · cos α · 1 + −
κ c8
◦ 1 − 0.8 20
FW = 135 · 518.5 · cos 70 1 + − = 24 660.6 N
1.4 518.5
Beispiel 5.6
Ein Turbojettriebwerk im Schwebeflug (c0 = 20 m/s, cy = 0 m/s, p0 = 1 013 hPa,
T0 = 288 K) hat eine schwenkbare konvergente Schubdüse, die um den Winkel α nach
unten geschwenkt ist, sodass die horizontalen und vertikalen Schubkräfte in einem Ver-
hältnis von Fx /Fy = 1/3 stehen. Es soll p8 > p0 und ṁB − ṁZ ṁ0 gelten. Am Austritt
der konvergenten Schubdüse des Haupttriebwerks beträgt die Machzahl Ma8 = 1 und
das statische Druckverhältnis der unterexpandierenden Schubdüse (Abb. 5.9 oben) sei
p8 /p0 = 1.25. Das Fluid sei Luft mit κ = 1.4, Ri = 287 Nm/(kg · K). Die Abgastemperatur
sei T8 = 920 K. Man berechne den Schwenkwinkel α der Schubdüse.
mit ṁB − ṁZ ṁ0 wird auch ṁ8 = ṁ0
Fx ṁ0 · c8 · cos α − ṁ0 · c0 + A8 · cos α · p8 − p0
=
Fy ṁ0 · c8 · sin α + A8 · sin α · p8 − p0
Fx ṁ0 · c8 · cos α − ṁ0 · c0 + A8 · p8 · cos α · 1 − p0 p8
=
Fy ṁ0 · c8 · sin α + A8 · p8 · sin α · 1 − p0 p8
p8 ṁ0 · Ri · T8
ṁ8 = ρ8 · c8 · A8 = · c8 · A8 ⇒ A8 · p8 =
Ri · T 8 c8
ṁ0 · c8 κ · Ri · T8 ṁ0 · c8 c82
A8 · p 8 = · = wegen Ma28 = =1
κ c82 κ κ · R i · T8
340 5 Triebwerksschub
Fx ṁ0 · c8 · cos α − ṁ0 · c0 + ṁ0 · c8 · cos α · 1 − p0 p8 /κ
=
Fy ṁ0 · c8 · sin α + ṁ0 · c8 · sin α · 1 − p0 p8 /κ
Fx 1 − p 0 p8 1 − p 0 p8 c0
· ṁ0 · c8 · sin α · 1 + = ṁ0 · c8 · cosα · 1 + −
Fy κ κ c8 · cos α
Fx c0 κ
· sin α = cos α − ·
Fy c8 κ + 1 − p0 /p8
Fx c0 κ
K1 := und K2 := ·
Fy c8 κ + 1 − p0 /p8
K1 · sin α = cos α − K2
K22 − 1 2 · K1 · K2
+ · sin α + sin2 α = 0
K12 + 1 K12 + 1
2 · K1 · K2 K22 − 1
p := q :=
K12 + 1 K12 + 1
q + p · sin α + sin2 α = 0 Grundform einer quadratischen Gleichung
p p 2
sin α1,2 =− ± −q
2 2
Fx 1
K1 = = = 0.333333
Fy 3
c0 κ
K2 = ·
c8 κ + 1 − p0 /p8
√ √
c8 = a8 = κ · Ri · T8 = 1.4 · 287 · 920 = 608 m/s
20 1.4
K2 = · = 0.028783
608 2.4 − 0.8
p K1 · K 2 0.333333 · 0.028783 0.009594298
= 2 = = = 0.008634868
2 K1 + 1 2
0.333333 + 1 1.111111
K22 − 1 0.0287832 − 1 −0.999171545
q= = = = −0.89925439
K1 + 1
2 2
0.333333 + 1 1.111111
5.2 Allgemeine Schubgleichungen 341
√
sin α1 = −0.008634868 ± 0.000074561 + 0.89925439 =
α = 70◦
Beispiel 5.7
Die Abb. 5.16 zeigt das Triebwerk PW4084 (Boeing B777) im Umkehrschubbetrieb
am Boden, bei einer Rollgeschwindigkeit von c0 = 55 m/s (p0 = 1 013 hPa, T0 = 288 K).
Das Triebwerk hat ein Bypassverhältnis von μ = 6.4. Aus der Schubdüse des Sekun-
därkreises tritt axial nach hinten keine Masse aus, d. h., c19 = 0 m/s, da alle Luft des
Sekundärkreises entsprechend dem Winkel θ für den Umkehrschub umgelenkt wird.
Aus dem Reverser tritt die Luft mit der Geschwindigkeit c19,Rev = 225 m/s aus. Hinter
der primären und sekundären Schubdüse soll p9 = p0 bzw. p19 = p0 gelten. Die Mas-
senstromanteile von Brennstoff und Zapfluft sollen vernachlässigbar sein. Ausgehend
von der Schubgleichung in der Form (5.37) ist der Umkehrschub FRev < 0 zu berechnen,
den das Triebwerk in dem vorgegebenen Zustand produziert:
342 5 Triebwerksschub
F = c9 · (ṁI + ṁB − ṁZ ) − c0 · ṁI + A9 · p9 − p0 + [ṁII · (c19 − c0 )]
Das negative Vorzeichen im Ergebnis weist darauf hin, dass es sich um Umkehrschub
handelt. Die einzelnen Zahlenwerte zeigen, dass der Umkehrschub im Wesentlichen
durch den nach vorne umgelenkten Massenstrom des Sekundärkreises erzeugt wird.
Der Schubanteil aus dem Primärkreis mindert den Umkehrschub.
Man berechne den kritischen Umlenkwinkel θkrit , ab dem bei dem gegebenen Trieb-
werkszustand auch tatsächlich sichergestellt ist, dass Umkehrschub erzeugt werden
kann. Der Wechsel von Vorwärts- in Rückwärtsschub erfolgt bei einem Winkel θ , bei
dem gerade F = 0 gilt:
0 := ṁI · (c9 − c0 ) − ṁII · c19,Rev · cos θ + c0
ṁI · (c9 − c0 ) − ṁII · c0
θ = arccos =
ṁII · c19,Rev
117 · (335 − 55) − 748 · 55
= arccos =
748 · 225
32 760 − 41 140 −8 380
θ = arccos = arccos = 92.85◦
168 300 168 300
Abb. 5.17 links Schub eines Turbofantriebwerks mit kleinerem Bypass-Verhältnis, aufgetragen
über der Flugmachzahl, mit der Flughöhe als Parameter; rechts Auf den Startschub bezogener Schub
eines Turbojets ohne Nachverbrennung, aufgetragen über der Flugmachzahl nach Hagen (1982)
c9 p0 c9
F = ṁ0 · (c9 − c0 ) = ρ0 · c0 · A0 ·
2
−1 = · c · A0 ·
2
−1 (5.48)
c0 Ri · T 0 0 c0
Hierin ist Ri die spezifische Gaskonstante und p0 und T0 sind Druck und Temperatur
des atmosphärischen Umgebungszustandes nach der internationalen Standardatmosphä-
re. Im Höhenbereich 0 m ≤ H0 ≤ 11.000 m werden sie durch die folgende Gleichungen
beschrieben, Schlichtung und Truckenbrodt (1967):
Hierin ist H0 in [m] einzusetzen. Zudem sind die folgenden, bei H0 = 0 m (NN, Sea
Level) definiert Größen für den Barometerdruck pNN , die Erdbeschleunigung gNN , die
Umgebungstemperatur TNN und die spezifische Gaskonstante Ri zu verwenden:
T0 − 288.15 K T K K
= = −0.0065, = −6.5 , (5.52)
H0 − 0 m H m km
5
Der internationale Standardtag (Standard Day) ist auf Meereshöhe (NN, Sea Level) definiert
und weist einen Barometerdruck von p0 = 101 325 Pa (29.92 in. Hg) und eine Lufttemperatur von
T0 = 288.15 K (ϑ0 = 15 ◦ C, ϑF = 59 ◦ F) auf. Der internationale Heißtag (Hot Day) ist der Standardtag
plus 15 K bei der Temperatur, d. h., T0 = 303.15 K (ϑ0 = 30 ◦ C, ϑF = 86 ◦ F).
5.3 Äußere Einflüsse auf den Triebwerksschub 345
Die hohe Anzahl an Dezimalstellen hinter den jeweiligen Kommata ist erforderlich, um
eine vergleichbare Genauigkeit mit den üblichen Tabellenwerten der Standardatmosphäre
(z. B. Minzner et al. 1959) zu erhalten.
Tabelle 5.1 gibt p0 , T0 und ρ0 in Abhängigkeit der Höhe H0 wieder. Innerhalb des
dargestellten Höhenbereichs nehmen Druck, Temperatur und Dichte mit der Flughöhe
346 5 Triebwerksschub
ab, wobei der Druck schneller abnimmt als die Temperatur. Werden diese Eigenschaften
auf die Gl. (5.48) übertragen, so ergeben sich mit c0 , c9 , A0 = const folgende Aussagen
hinsichtlich des Schubes:
Ab einer Flughöhe von H0 > 11 km nimmt der Umgebungsdruck p0 weiter ab, während
aber die Umgebungstemperatur mit T0 = 216.65 K bis zu einer Höhe von H0 = 20 km
konstant bleibt. Die Folge davon ist, dass die Schubabnahme mit der Flughöhe oberhalb
einer Höhe von 11 km entsprechend der Gl. (5.48) stärker ausfallen wird, als unterhalb
davon.
Alle die bisher angeführten Aussagen sind auch in den Kurvenverläufen des linken Teils
von Abb. 5.17 wiederzufinden und bedeuten schließlich nur, dass der in das Triebwerk ein-
tretende Luftmassenstrom unter den oben genannten Bedingungen jeweils abnimmt. Die
Größe mit der signifikantesten Auswirkung auf den Schub F ist damit der vom Trieb-
werk angesaugte Massenstrom ṁ0 , der wiederum von der Dichte ρ0 der angesaugten
Luft beeinflusst wird, auf die die Umgebungstemperatur T0 und der Umgebungsdruck p0
entscheidenden Einfluss haben6 .
Nimmt man darüber hinaus auch noch an, dass die sekundäre Schubdüse so betrieben
wird, dass in ihrem engsten Querschnitt A18 die Schallgeschwindigkeit erreicht wird:
c18 c18
Ma18 = =√ = 1.0. (5.55)
a18 κ · Ri · T18
Bei welcher Geschwindigkeit c18 die Machzahl Ma18 = 1 erreicht wird, hängt also im
Wesentlichen nur von der statischen Temperatur T18 des Sekundärstroms in der Dü-
√
senaustrittsfläche A18 ab. Die Düsenaustrittsgeschwindigkeit c18 = a18 = κ · Ri · T18
kann nur noch durch eine statische Temperaturänderung im Sekundärstrahl variiert wer-
den. Da im Sekundärkreis kein Wärmeaustausch (Brennstoffzufuhr) stattfindet, ist die
Temperatur T18 auch nur immer ein wenig höher als die Umgebungstemperatur T0 . Im
reibungsfreien Fall sind beide Temperaturen sogar identisch. Ursächlich für den realen
Unterschied zwischen T18 und T0 ist nur die Dissipation im Sekundärstrom. Von daher ist
es nicht abwegig, davon auszugehen, dass in gute Näherung in einer konstanten Flughöhe,
bei unveränderlichen atmosphärischen Randbedingungen p0 und T0 , die Temperatur T18
konstant sind und das selbst dann, wenn sich die Fluggeschwindigkeit c0 ändert. Damit
wird c18 in der Schubgleichung mehr oder weniger zu einer Konstanten. Da, wie bereits er-
wähnt, in einer unveränderlichen Flughöhe mit unveränderlichen atmosphärischen Daten
der Umgebungsdruck ebenfalls konstant bleibt: p0 = const, wird auch die freie Nachex-
pansion hinter der sekundären Schubdüse von c18 auf c19 auch auf einen konstanten Wert
für c19 führen. Die vereinfachte Schubgleichung (5.54)
wird also unter normalen Flugbedingungen praktisch nicht mehr durch die Düsenaustritts-
geschwindigkeit c19 beeinflusst. Bei konstantem Massenstrom ṁII und c19 = const wird also
jede Erhöhung der Fluggeschwindigkeit c0 zu einer Schubabnahme führen. Vielfach wird
die Schubabnahme mit steigender Fluggeschwindigkeit c0 bzw. Ma0 , die sowohl der linke
Teil von Abb. 5.17 für ein reales Turbofantriebwerk als auch die Berechnungen in Kap. 7
für idealisierte Turbojet- und Turbofantriebwerke zeigen, mit der vorangegangen Erklä-
rung begründet. Diese Erklärung ist zwar weitestgehend richtig aber nicht vollständig,
weil dabei vergessen wird, dass der Massenstrom ṁ0 ≈ ṁII = ρ0 · c0 · A0 auch mit der
Fluggeschwindigkeit c0 größer zu werden scheint. Dabei darf aber nicht vergessen werden,
dass die Fangstromröhrenfläche A0 keine konstante Größe in der Schubgleichung ist, da
sie sich ebenfalls mit der Fluggeschwindigkeit c0 verändert, vgl. hierzu Abb. 4.1 und 5.19.
Es liegen also zwei Effekte vor, zum einen verringert das c0 in der Klammer der Gl. (5.54)
den Schub und zum andern erhöht das implizit im Massenstrom enthaltene c0 den Schub
gleichzeitig wieder. Die Schubabnahme durch die Geschwindigkeit c0 wird als so genann-
ter Geschwindigkeitseffekt (Airspeed Effect) bezeichnet, die Massenstromveränderung
durch die Änderungen der Fluggeschwindigkeit c0 als so genannter Staueffekt (Ram Ef-
fect). Die Abb. 4.1 zeigt rein visuell, dass mit steigendem c0 die Fangstromröhrenfläche A0
kleiner wird. In manchen Fluggeschwindigkeitsbereichen neutralisieren sich diese beiden
Änderungen sogar so, dass der Staueffekt überhaupt keinen expliziten Einfluss auf die
Schubgleichung mehr hat. Das gilt so aber nicht generell! Die Geschwindigkeitserhöhung
beim Staueffekt gleicht den negativen Geschwindigkeitseinfluss beim Geschwindigkeits-
effekt praktisch nie vollständig aus. Der linke Teil von Abb. 5.17 verdeutlicht, dass im
Unterschallflugbereich mit steigender Flugmachzahl der Staueffekt den Geschwindigkeits-
effekt mehr oder weniger neutralisiert, sodass der Schub in größeren Flughöhen und im
höheren Machzahlbereich nur noch vergleichsweise gering mit der Flugmachzahl variiert.
Bei Hochgeschwindigkeitsflugzeugen, die im Überschall fliegen, nimmt die Dominanz des
Staueffektes im hohen Flugmachzahlbereich aber zu, sodass er hier zu einem signifikan-
ten Wiederanstieg des Schubes beiträgt. Den entsprechenden Verlauf des Schubes über der
Flugmachzahl für ein Turbojettriebwerk zeigt der rechte Teil von Abb. 5.17. Erst nimmt der
Schub aufgrund des Geschwindigkeitseffektes ab, um dann im höheren Machzahlbereich
aufgrund des Staueffektes wieder anzusteigen.
Die zunehmende Signifikanz des Staueffektes mit der Flugmachzahl zeigt die Abb. 5.18.
Der dargestellte Verlauf des in ein Triebwerk eintretenden Massenstroms ergibt aus der Gl.
(18.292), in Kombination mit der Gl. (18.290), die sich mit ṁ1 = ṁ0 = ρ1 · c1 · A1 für die
Triebwerkseintrittsebene 1 wie folgt aufschreiben lässt, wenn für den Strömungsverlauf
innerhalb der Fangstromröhre zwischen den Bezugsebenen 0 und 1 pt0 = pt1 und
Abb. 5.18 Zunahme des angesaugten Massenstroms bei einem Strahltriebwerk aufgrund des so
genannten Staueffekts (Ram Effect) in Abhängigkeit der Flugmachzahl
12 · κ+1
pt0 p0 κ −1 κ−1
√ = √ · 1+ · Ma0
2
(5.57)
Tt0 T0 2
Die Kombination der Gln. (5.56) und (5.57) ergibt dann:
12 · κ+1
p0 κ 1+ κ−1
· Ma20 κ−1
ρ1 · c1 = √ · Ma1 · · 2
(5.58)
T0 Ri 1+ κ−1
2
· Ma21
Flughöhen von H0 = 0 km und 11 km ausgewertet worden. Das Niveau der Kurven zeigt
sehr anschaulich den Einfluss der Flughöhe auf den Massenstrom. Bei H0 = 11 km beträgt
der angesaugte Luftmassenstrom nur noch etwa ein Drittel im Vergleich zu dem Massen-
strom, der am Boden bei H0 = 0 km Höhe in das Triebwerk gelangt. Darüber hinaus ist in
Abb. 5.18 ergänzend auch der vom Triebwerk angesaugte reduzierte Massenstrom in der
Form
101 325 Tt0
ṁ0red = ṁ0 · · (5.60)
pt0 288.15
mit eingezeichnet worden, der bereits in Kap. 5.3.2 angesprochen wurde und der noch
ausführlicher in Kap. 10 beim Verdichterkennfeld behandelt werden wird. Es zeigt sich in
Abb. 5.18 sehr anschaulich der Vorteil der Verwendung dieser Größe, die nämlich unab-
hängig von den Umgebungsbedingungen p0 und T0 und damit von der Flughöhe H0 ist
und auch keine weitere Abhängigkeit von der Flugmachzahl Ma0 zeigt. Nur die Festlegung
der zulässigen Höchstmachzahl Ma1 im Triebwerkseintrittsquerschnitt 1 verändert den
In diese Gleichung kann nun Gl. (5.56) eingesetzt werden. Zum andern kann ebenfalls
aus Gl. (5.56) ein analoger Ausdruck für ρ0 · c0 ermittelt werden. Die Kombination dieser
Ausdrücke mit Gl. (5.61) ergibt dann:
12 · κ+1
A0 Ma1 1+ κ−1
· Ma20 κ−1
= · 2
. (5.62)
A1 Ma0 1+ κ−1
2
· Ma21
Der Schub des idealen Turbofantriebwerks wird demzufolge von folgenden Größen
beeinflusst:
Auswertungen der Gl. (5.64) sind in Kurvenform in Abb. 5.20 über der Flugmachzahl
dargestellt, wobei die jeweiligen Schübe F für Triebwerke mit unterschiedlichen By-
passverhältnissen μ in einer Flughöhe von H0 = 11 km Höhe berechnet wurden. Der Schub
wurde jeweils mit den zugehörigen Schubwerten im Bodenstandfall, H0 = 0 und Ma0 = 0,
dimensionslos gemacht.
Die verwendeten Daten für die Rechnung sind geeignet gewählte Schätzwerte und der
Vollständigkeit halber in Abb. 5.20 zusätzlich mit angegeben worden. Es wird bei der
5.3 Äußere Einflüsse auf den Triebwerksschub 353
Abb. 5.20 Variation des Schubes F mit der Flugmachzahl Ma0 (Thrust Lapse) für unterschiedliche
Nebenstromverhältnisse μ
Rechnung davon ausgegangen, dass c9 und c19 über dem gesamten Flugmachzahlbereich
konstant sind. Die Massenströme ṁI und ṁII , die für die Berechnung des Turbofanschubs
erforderlich sind, wurden mit den in Beispiel 5.3 abgeleiteten Beziehungen berechnet:
1 μ
ṁI = · ṁ0 und ṁII = · ṁ0 . (5.65)
1+μ 1+μ
Mit dieser sehr einfachen Näherungsrechnung werden die Schubtendenzen in Abhän-
gigkeit der Flugmachzahl, die in Abb. 5.17 für reale Turbofan- bzw. für reale Turbojet-
triebwerke dargestellt sind, qualitativ gut wiedergegeben. Die Kurvenverläufe in Abb. 5.20
stimmen prinzipiell auch sehr gut mit den diesbezüglichen Ausführungen bei Kerrebrock
(1996) überein und zeigen den „Verfall“ des am Boden möglichen Triebwerksschubes mit
der Flughöhe und der Fluggeschwindigkeit, einer wesentlichen, charakteristischen Eigen-
schaft von Flugzeugtriebwerken, die ihre Ursachen im zuvor beschriebenen Stau- und
Geschwindigkeitseffekt haben.
Bei kleineren Flugmachzahlen haben alle Triebwerke die Tendenz, dass der Schub
mit ansteigendem Ma0 erst einmal abnimmt. Im höheren Flugmachzahlbereich steigt der
Schub dann wieder an, wenn das Bypassverhältnis μ nicht zu hoch ist. Ursächlich hierfür
ist, dass bei Turbofantriebwerken der Geschwindigkeitseffekt im höheren Flugmachzahl-
bereich die Schubgleichung dominiert, während es beim Turbojettriebwerk der Staueffekt
ist. Hinsichtlich des Schubes wird also im höheren Flugmachzahlbereich der Turbojet oder
das Turbofantriebwerk mit kleinem Bypassverhältnis immer die bevorzugte Lösung sein.
Eine Aussage, die mit praktisch ausgeführten Triebwerken vollständig im Einklang steht.
Die Concorde als Überschallflugzeug mit einer Reiseflugmachzahl von Ma0 = 2 wurde von
354 5 Triebwerksschub
5.4 Triebwerksleistungsstufen
Unter einer Triebwerksleistungsstufe (Engine Power Rating) wird der Schub verstanden,
den ein Triebwerk zulässigerweise bei unterschiedlichen Betriebsbedingungen entwickeln
darf. Hierbei handelt es sich um zulässige Grenzwerte, die, zum einen mehr allgemein
gehalten, von den Luftaufsichtsbehörden, und zum anderen, deutlich detaillierter, von den
Triebwerksherstellern, mit Auslieferung des Triebwerks festsetzt werden. Diese Grenzwer-
te dürfen – von Notfällen abgesehen – im alltäglichen Betrieb aus Sicherheitsgründen nicht
über- oder unterschritten werden.
Von der FAA (Federal Aviation Administration) in den USA wird z. B. sehr allge-
mein festgelegt, was unter den Begriffen Leerlauf (Idle), Startschub (Take-Off Thrust)
und maximaler Dauerschub (Maximum Continuous Thrust) bei zivilen Triebwerken zu
verstehen ist7 . Im militärischen Bereich sind diesbezügliche Angaben über die Triebwerks-
leistungsstufen z. B. in der so genannten MilSpec (Military Specification) MIL-E-5007 zu
finden. Weitergehende und differenziertere Angaben werden von den Triebwerksher-
stellern für jede Triebwerksserie und jedes Modell dieser Serie als fester Bestandteil der
Triebwerksspezifikation (Engine Specification) herausgegeben.
7
FAR Part 1 „Definitions and Abbreviations“. FAR Part 33.7 „Engine Ratings and Operating
Limitations“.
5.4 Triebwerksleistungsstufen 355
8
Es ist nach wie vor üblicher Standard, den Schub eines Triebwerks, sobald es am Flugzeug betrieben
wird, in Pounds und nicht in Newton anzugeben (1 lbf = 4.44822 N).
356 5 Triebwerksschub
Kap. 5.3.2 war erläutert worden, dass konstanter Schub nicht zwangsläufig auch konstante
Drehzahl bzw. konstantes EPR bedeuten muss. Die Drehzahl bzw. das EPR wird vom
Umgebungszustand p0 , T0 beeinflusst, sodass der Schub und das Triebwerksdruckver-
hältnis erst einmal untereinander keine eindeutig zuordenbaren Größen sind. Praktisch
alle modernen Flugzeuge verfügen deswegen heute über Computer, die in Abhängig-
keit des Umgebungszustandes ein korrigiertes EPR liefert, sodass Schubhebelstellung und
Triebwerksleistungsanzeige für den Piloten stets eindeutig und reproduzierbar sind.
Bei Triebwerken der Firmen General Electric und CFM International ist die Haupt-
leistungsanzeige eines Triebwerks typischerweise die Drehzahl der Niederdruckwelle, die
mit N1 bezeichnet wird, Abb. 5.21 rechts. Die Triebwerksdrehzahlen werden für jede
Triebwerkswelle separat über Tachometergeneratoren oder Pulsaufnehmer gemessen. Ge-
rade bei Triebwerken mit hohem Bypass-Verhältnis wird die N1-Drehzahl des Fans als
Hauptleistungsanzeige benutzt, da der Fan bzw. der Sekundärkreis den größten Anteil
an der Schuberzeugung repräsentiert. Im Cockpit erfolgt die Drehzahlanzeige in Pro-
zent, bezogen auf die Auslegungsdrehzahl. Mit N2 wird bei zweiwelligen Triebwerken
die Drehzahl der Hochdruckwelle bezeichnet. Sie wird im Cockpit ebenfalls in Prozent
angezeigt. Bei dreiwelligen Triebwerken (Rolls-Royce) ist N2 die Drehzahl der Mitteldruck-
welle und N3 die Drehzahl der Hochdruckwelle. Die Hochdruckwelle hat die höchsten
Drehzahlen und dient damit zur Überwachung von Überdrehzahlen (Overspeed). Bei
Rolls-Royce-Triebwerken werden Überdrehzahlen durch eine Kombination der N1- und
der N2-Drehzahlen in einer speziellen Systemeinheit, der so genannten OPU (Overspeed
Protection Unit), überwacht. Beim Anlassen des Triebwerks, wenn der Anlasser die
Hochdruckwelle, auf der sich die Triebwerkskomponenten mit dem geringsten Massen-
trägheitsmoment (Hochdruckverdichter und -turbine) befinden, beschleunigt, wird die
N2-Drehzahl als Referenzgröße für die Hochlaufprozedur benutzt.
Da eine Drehzahlvariation nicht direkt proportional zu einer Schubänderung ist, ist
sie nach Ansicht führender Triebwerkshersteller, wie z. B. Pratt & Whitney, hinsichtlich
einer Leistungsbeurteilung des Triebwerks weniger gut geeignet. Eine einprozentige Dreh-
zahländerung der N1-Welle im oberen Leistungsbereich eines Triebwerks verändert den
Schub um ca. 4 %, während dieselbe Drehzahländerung bei der N2-Welle den Schub um 5 %
verändert. Dagegen führt eine einprozentige Variation des Triebwerksdruckverhältnisses
EPR zu einer Schubänderung von 0.5 . . . 1 %. Gerade in dieser direkten Proportionalität
zwischen Schub und EPR sehen einige Triebwerkshersteller den wesentlichen Vorteil des
Triebwerksdruckverhältnisses als Hauptleistungsanzeige.
Über die Abgastemperatur EGT wird der kritischste Zustand eines Triebwerks – die
Überhitzung – überwacht. Überschreitet die EGT die vom Hersteller festgelegten Gren-
zen, so ist immer eine Inspektion erforderlich. Die Messung der Temperatur erfolgt zwar
im Abgasstrahl innerhalb oder hinter der Niederdruckturbine, überwacht wird dadurch
letztlich aber die Turbineneintrittstemperatur TIT (Turbine Inlet Temperature) aufgrund
des bekannten Temperaturgefälles über die Turbine. Die Temperatur TIT wird in den
folgenden Kapiteln als Tt4 bezeichnet werden. Die Messung der EGT erfolgt idealer Wei-
se direkt hinter der letzten Niederdruckturbinenstufe. Es gibt aber auch Triebwerke, bei
5.4 Triebwerksleistungsstufen 357
denen die EGT zwischen Hoch- und Niederdruckturbine gemessen wird. Beim CFM-
56 wird z. B. die EGT in den Leiträdern der 2. Stufe der Niederdruckturbine gemessen.
Über mehrere auf dem Umfang und in Radialrichtung verteilte Thermoelemente wird ei-
ne gewisse Anzahl von Temperaturwerten gemessen und daraus ein Mittelwert gebildet.
Für die Piloten ist speziell die EGT beim Startvorgang (Take-Off ) von eminent wichti-
ger Bedeutung, da sie hieran rechtzeitig erkennen können, ob ein Triebwerk aus seinen
zulässigen Belastungsgrenzen herausläuft oder nicht. Zu einer 100 %-N1-Drehzahl (Full
Rated Thrust), die vom Piloten zum Starten eingestellt wird, gehört auch eine durch die
Triebwerksauslegung genauer spezifizierte Abgastemperatur EGT. Diese EGT wird durch
Schubmessungen auf einem Triebwerksprüfstand ermittelt, indem bei 100 % N1-Drehzahl
die Schubdüsenfläche solange variiert wird, bis sich die gewünschte Abgastemperatur EGT
einstellt. Durch eine Drehzahlmessung alleine kann im Allgemeinen keine exakte Aussa-
ge darüber getroffen werden, ob das komplette Triebwerk einwandfrei funktioniert oder
nicht. Ist beispielsweise der Triebwerksverdichter beschädigt oder stark verschmutzt, so
ist dies nur durch zusätzliches Abprüfen weiterer Überwachungswerte möglich, wie z. B.
dem Brennstoffmassenstrom (F.F., Fuel Flow) und der Abgastemperatur (EGT, Exhaust
Gas Temperature).
Hinsichtlich der vorangegangenen Aussagen kann also bei ein und demselben Flug-
zeug, wenn es mit Triebwerken unterschiedlicher Hersteller ausgerüstet wird, die Anzeige
der Triebwerksleistung durchaus unterschiedlich ausfallen. So erfolgt beim Flugzeug Boe-
ing B777 die Triebwerksleistungsanzeige, wenn es mit den Pratt & Whitney Triebwerken
PW4074, PW4077 oder PW4084 ausgestattet ist, über das Triebwerksdruckverhältnis EPR,
die Drehzahlen N1 und N2 und die Abgastemperatur EGT. Ist dasselbe Flugzeug dagegen
mit den General Electric Triebwerken GE90-75B, GE90-76B oder GE90-85B ausgestat-
tet, so erfolgt die Triebwerksleistungsanzeige über die Drehzahlen N1 und N2 und die
Abgastemperatur EGT. Ist die Boeing B777 dagegen mit den dreiwelligen Rolls-Royce
Triebwerken Trent 875, Trent 877 oder Trent 884 ausgestattet, so erfolgt die Triebwerks-
leistungsanzeige über das Triebwerksdruckverhältnis EPR, die Drehzahlen N1, N2 und N3
und die Abgastemperatur EGT.
In der Praxis erlaubt es eine Triebwerksregelung im Allgemeinen aus Sicherheits-
gründen, dass, falls z. B. das EPR als Hauptleistungsanzeige ausfällt, auf den N1-Mode
umgeschaltet wird und damit die N1-Drehzahl zur Hauptleistungsanzeige wird.
Der Vollständigkeit halber soll hier auch noch erwähnt sein, dass zu den beschriebenen
Hauptleistungsanzeigen der Triebwerksüberwachung noch weitere Größen hinzukom-
men. Hierzu gehört die Vibrationsüberwachung (AVM, Airborne Vibration Monitoring)
der Triebwerkswellen N1 und N2, durch die infolge von Unwuchten Schaufel- und
Lagerbeschädigungen erkannt werden können. Darüber hinaus wird auch die Ölversor-
gung überwacht, indem Ölmenge, Öldruck und Öltemperatur angezeigt werden können.
Anzeigen zur Stellung der Zapfluftventile an den Triebwerken, des zugehörigen Zapfluft-
drucks, der verwendeten Zündkerze und der Gondeltemperatur vervollständigen das
Überwachungspotenzial.
358 5 Triebwerksschub
Einem FADEC-System9 , das für alle gängigen Arten von Luftfahrzeugantrieben genutzt
werden kann, kommt die generelle Aufgabe zu, alle Aspekte der Triebwerksleistungs-
möglichkeiten so zu regeln, dass stets der optimale Triebwerkswirkungsgrad unter den
jeweils vorherrschenden Flugbedingungen erreicht wird. Das Akronym FADEC steht da-
bei für die englischen Worte Full Authority Digital Engine Control. Bei FADEC handelt
es sich im Einzelnen um ein Triebwerkssystem, das zum einen aus einem Digitalrechner
(EEC = Electronic Engine Control oder ECU = Electronic Control Unit) besteht, Abb. 5.22,
und zum anderen aus dem für die Regelaufgabe erforderlichen Zubehör. FADEC ist damit
das Hauptregelgerät für die Triebwerke, bei dem der Gashebel im Cockpit als Sollwert-
eingabe dient. Der gewünschte Betriebszustand wird so der EEC oder ECU mitgeteilt.
Vom Luftdatenrechner (Air Data Computer) bekommt die EEC/ECU über den Daten-
bus Informationen über den Luftdruck und die Außentemperatur und berechnet daraus
die aktuellen Grenzwerte der N1-Drehzahl. Entsprechend der gewählten Betriebsart und
der N1-Grenzwerte wird dann die Brennstoffversorgung eingestellt. Die Kommunika-
tion zwischen Flugzeug und Triebwerk erfolgt dabei in der zivilen Luftfahrt über ein
standardisiertes serielles Protokoll, das ARINC 42910 genannt wird.
Ein reines, echtes FADEC System erlaubt keinerlei manuelles Eingreifen des Piloten,
wenn man vom An- und Abstellen des Triebwerks einmal absieht. Der digitale FADEC-
Computer hat demzufolge die volle Autorität (Full Authority) über das Triebwerk. Fällt
FADEC aus, dann fällt auch das Triebwerk aus. Soll ein Triebwerk elektronisch und digital
geregelt werden und zudem ein manuelles Eingreifen des Piloten möglich sein, so besteht
die Regelung praktisch nur aus einer ECU (Engine Control Unit). Eine ECU oder EEC
(Electronic Engine Control) ist somit zwar eine Komponente von FADEC, ist aber für sich
selbst gesehen kein wirkliches FADEC. Eine reine Stand-Alone EEC/ECU trifft demzufolge
stets alle erforderlichen Entscheidungen nur solange, bis der Pilot einzugreifen wünscht.
Durch die diversen Stecker, die in Abb. 5.22 zu erkennen sind, werden vom FADEC-
System eine Vielzahl von Eingabevariablen erfasst, dazu gehören z. B. die Gashebelposition,
die Umgebungsbedingungen (barometrischer Druck und Außentemperatur) und diverse
Temperaturen, Drücke und Drehzahlen, die unmittelbar am Triebwerk gemessen werden.
9
In den 1970er Jahren experimentierten Pratt & Whitney und die NASA mit dem ersten FADEC-
System. Dieses flog erstmals an der General Dynamics F-111 Aardvark, die dazu auf der linken
Flugzeugseite mit einem hochmodifiziertem TF30-P-100 Turbofan ausgerüstet wurde. Das PW F100
(F-15 Eagle und F-16 Fighting Falcon) war dann das erste FADEC geregelte (militärische) Triebwerk.
Als erstes ziviles FADEC geregeltes Triebwerk folgte darauf das PW 2000. Später kam dann das PW
4000 mit einem „dualen“ FADEC System hinzu, d. h., dass es aus Redundanzgründen mit zwei
identischen digitalen Datenbussen ausgestattet war.
10
ARINC 429 ist ein in den 1970er Jahren entwickelter und schließlich in den 1980er Jahren ein-
geführter Datenbusstandard für Verkehrsflugzeuge, der über einen High-Speed-Bus eine maximale
Datenübertragungsrate von 100 kbit/s erreicht, der Low-Speed erreicht eine Übertragungsrate von
12,5 kbit/s. ARINC 429 findet man in einer Light-Variante auch in Business- und Sportflugzeugen.
5.4 Triebwerksleistungsstufen 359
vorn
EEC-
Kabelbaum-
anschlüsse
Engine Control Unit
FADEC ECU
System
Identification ECU
plug
Elektrische
Data Entry Anschlüsse
Plug
vorn vorn
Abb. 5.22 Komponenten eines FADEC-Systems; links oben EEC (Electronic Engine Control) ei-
nes V2527-A5 Turbofantriebwerks (Airbus A319/A320), links unten der zur EEC zugehörige Data
Entry Plug, rechts oben ECU (Engine Control Unit) eines CFM56-5B Turbofantriebwerks (Airbus
A319/A320), rechts unten der zur ECU zugehörige Engine Identification Plug
Alle Daten zusammen werden von der EEC/ECU mit einer Frequenz von bis zu 70-Mal
pro Sekunde ausgewertet. Mit solchermaßen analysierten Daten werden dann schließlich
die jeweils erforderlichen Parameter für den Triebwerksbetrieb angesteuert, wie z. B.: der
Brennstoffmassenstrom, die Verstellposition der Verdichterleitschaufeln in den vorderen
Stufen des Hochdruckverdichters und die Position der Abblaseventile (Bleed Air). Das
FADEC-System ist darüber hinaus auch für den Start der Triebwerke unter allen möglichen
Bedingungen zuständig. Neben den regelungstechnischen Aufgaben liefert ein FADEC-
System aber auch Daten über den Zustand des Triebwerks, was hinsichtlich der Wartung
von wesentlicher Bedeutung ist.
Über den ebenfalls in Abb. 5.22 mit dargestellten Data Entry Plug (auch Engine Identi-
fication Plug oder Engine Rating Plug), der eine Art „Typenschild“ für die Elektronik ist,
wird der EEC/ECU bekannt gegeben, um welches Triebwerk es sich im Detail handelt, wel-
che Schubleistungsstufen (Engine Ratings) vorgesehen sind und welchen Leistungsgrenzen
(Engine Limits) das vorliegende Triebwerk unterliegt11 .
11
Eine Airline könnte prinzipiell später vom Triebwerkshersteller einen anderen Data Entry Plug
ordern und so das bestehende Triebwerk über die EEC/ECU leistungsmäßig „umrüsten“. In einigen
wenigen Fällen wäre das sogar ohne eine weitere Hardwareänderung am Triebwerk möglich, in den
360 5 Triebwerksschub
Zu Beginn eines Fluges geben die Piloten gewöhnlich die für den Flugtag erforder-
lichen Daten über die MCDU (Multifunctional Control and Display Unit) in das Flight
Management System (FMS) ein, dies sind z. B. Außentemperatur, Wind, Startbahnlänge,
Startbahnzustand, Flughöhe usw. Daraus werden vom FMS die jeweils erforderlich Trieb-
werksleistungen für die unterschiedlichen Phasen des Fluges berechnet. Beim Startvorgang,
wenn der Schubhebel vom Piloten in die Take-Off-Position gebracht wird, kennt FADEC
den zuvor berechneten Startschub bereits und setzt die diversen Triebwerksparameter so,
dass der Start entsprechend abgewickelt werden kann. Hierbei ist noch einmal klarzustel-
len, dass keinerlei mechanische Verbindung zwischen Schubhebel und Triebwerk besteht,
sondern dass das Zusammenspiel zwischen Cockpit und Triebwerk ein rein digitales ist.
Für alle Flugphasen läuft dieser Vorgang dann ähnlich ab, sobald der Pilot über den Schub-
hebel die zugehörige Triebwerksleistungsstufe wählt (siehe dazu auch Kap. 5.4.4). Während
des Fluges werden von FADEC ständig kleine Änderungen an den Triebwerksparametern
vorgenommen, um so das Triebwerk immer im Wirkungsgradoptimum zu betreiben. Sol-
che Änderungen ergeben sich z. B. dadurch, weil u. U. die durchflogenen atmosphärischen
Randbedingungen (Druck, Temperatur, Wind) sich verändert haben.
In Notfällen liefert FADEC auch die maximal mögliche Leistung für das Triebwerk,
wenn der Pilot über den Schubhebel den dazu erforderlichen Schub abruft. Dieses Schub-
maximum kann aber unter keinerlei Umständen von den Piloten überschritten werden.
Ein FADEC-System begrenzt das Schubmaximum generell entsprechend der Angaben, die
der weiter oben bereits erwähnte Data Entry Plug als Eingangsgröße liefert. Die Piloten
müssen sich ohne Wenn und Aber den Vorgaben von FADEC beugen, auch wenn Sie es u.
U. eine andere Lösung der jeweiligen Situation bevorzugen würden. FADEC hat die volle
und ausschließliche Autorität (Full Authority) über das Triebwerk.
Um die Piloten hinsichtlich des Schubes von der Beurteilung der zuvor beschriebenen Fein-
heiten der Triebwerksinstrumentierung zu entlasten, wurde im Airbus A380 erstmalig eine
Schubanzeige realisiert, die ACUTE heißt (Airbus Cockpit Universal Thrust Emulator) und
den Schub in Prozent anzeigt, d. h., die das Verhältnis von aktuellem zu maximalen Schub
angibt. Diese neue Anzeige, die oben in Abb. 5.23 dargestellt ist, und deren Anzeigewert
mit THR gekennzeichnet wird, löst im Airbus A380 die N1-Drehzahl oder das Triebwerks-
druckverhältnis EPR als Hauptleistungsanzeige ab. Am Triebwerk selbst werden dazu nach
wie vor die Drehzahlen (N1, N2, N3), das Triebwerksdruckverhältnis (EPR) und auch das
Turbinendruckverhältnis (TPR) gemessen. Aus solchermaßen gemessenen Triebwerkslei-
stungsdaten und aus weiteren Flugleistungsdaten berechnet dann der FADEC-Computer
die Prozentwerte für die THR-Anzeige im Cockpit. Der Wert für 100 % Schub ist dabei
meisten Fällen wären aber zusätzliche und dann auch oft sehr aufwendige Hardwaremodifizierungen
am Triebwerk erforderlich.
5.4 Triebwerksleistungsstufen 361
THRActual
THRIdle THRMax
No Reverser No Reverser
Abb. 5.23 Darstellung der ACUTE-Schubanzeige im Cockpit des Airbus A380 im Normalbetrieb
(Forward) und im Umkehrschubbetrieb (Reverse). An der A380 sind nur die beiden innen liegenden
Triebwerke mit einem Reverser ausgestattet, vgl. dazu auch Kap. 4.7 und Abb. 4.76
362 5 Triebwerksschub
der Wert, der sich unter den jeweils aktuellen Flugbedingungen – ohne Berücksichtigung
der Abblaseluft (Bleed Air) – ergibt. Der Wert für 0 % Schub ist der Wert, der sich ergibt,
wenn das Triebwerk abgeschaltet ist, auch wenn sich dabei das abgeschaltete Triebwerk
u. U. während eines Fluges im Windmilling mitdreht. Auf dem E/WD (Engine Warning
Display) stellt aber die Fandrehzahl (N1-Drehzahl) nach wie vor die primäre Anzeige dar.
Die N2-Drehzahl der Hochdruckwelle bzw. die N2- und N3-Drehzahlen bei Rolls-Royce-
Triebwerken steht als zusätzliche Leistungs- und Überwachungsanzeigen auch weiterhin
zur Verfügung.
Der ganz obere Teil der Abb. 5.23 zeigt, dass für den Steigflug (CLB, Climb) das Schub-
limit 78 % des Maximalschubes beträgt, dass über den Schubhebel (Throttle) etwa 75 %
Schub angefordert werden und dass aktuell 59 % Schub auf jedem der vier Triebwerke
vorliegt. Diesem Schub von 59 % entspricht eine N1-Drehzahl (hier nicht dargestellt) von
70 %.
In Abb. 5.23 weisen die beiden äußeren Triebwerke, die nicht mit einem Reverser aus-
gestattet sind (siehe dazu auch Kap. 4.7), im Umkehrschubbetrieb dementsprechend auch
nur 3 % Vorwärtsschub auf, während die beiden inneren Triebwerke nahezu maximalen
Umkehrschub liefern. Die hier nicht mit dargestellten N1-Drehzahlen betragen für den
dargestellten Fall bei den äußeren Triebwerken 25 % und bei den inneren Triebwerken
60 %.
Maximaler Dauerschub (Maximum Continuous Thrust, MCT) – Dieser Schub ist die
absolut obere Schubgrenze im normalen Reiseflug. Es ist der Schub, der in einer festge-
legten Höhe H0 , bei einer bestimmten Außentemperatur T0 und Fluggeschwindigkeit c0
auf unbegrenzte Dauer erreichbar ist, wenn dabei die zulässigen Werte für die Wellen-
drehzahlen N1 und N2, die aus dem Triebwerk austretende Gastemperatur EGT und das
gesamte Triebwerksdruckverhältnis EPR nicht überschritten werden. Dieser Schub wird
vom Piloten nur dann von einem Triebwerk abgefordert, wenn Sicherheitsgründe dies
erfordern. Ein solcher Fall tritt beispielsweise dann ein, wenn ein Triebwerk während des
Reisefluges ausfällt und deswegen dem verbleibenden Triebwerk mehr Leistung abgefor-
dert werden muss12 . Diese Leistungsstufe ist generell aber immer nur auf einen einzelnen
Flug beschränkt, Scheiderer (2008).
Maximaler Steigflugschub (Maximum Climb Thrust, MCLT) – Dieser Schub ist gerin-
ger als der Startschub und soll nur für den Steigflug, den stufenweisen Steigflug (Step
Climb) und für die Beschleunigung auf die Reisefluggeschwindigkeit verwendet werden.
Manchmal wird diese Leistungsstufe auch als Nominalschub bezeichnet. Auch diese Lei-
stungsstufe ist manchmal auf einen gewissen Zeitraum begrenzt, der zwischen 30 und
60 min liegen kann. Es gibt auch Triebwerke, die hier keinem Zeitlimit unterliegen. Bei
manchen Triebwerken ist der maximale Dauerschub (MCT) identisch mit dem maximalen
Steigflugschub (MCLT), Scheiderer (2008).
Minimaler Reiseflugschub (Minimum Cruise Thrust) – Dieser Schub ist die untere Schub-
grenze im normalen Reiseflug und liegt ein wenig oberhalb des Schubes, mit dem es in
einer bestimmten Flughöhe gerade noch möglich ist, die gewünschte Fluggeschwindigkeit
ohne Höhenverlust zu halten. Dieser Schub wird vor allem durch den geringsten spezi-
fischen Brennstoffverbrauch gekennzeichnet. Bei diesem minimalen Verbrauch ergeben
sich anderseits aber auch Maximalwerte für die Flugzeit.
Leerlauf (Idle) – Dieses ist die kleinste Leistungsstufe eines Triebwerks, die sich bei der
„hintersten“ Gashebelstellung einstellt, Abb. 5.24. Die Leerlaufdrehzahl, die etwa 45 . . .
12
Maximaler Dauerschub wird bei einem Triebwerksausfall z. B. nach dem Starten dann gesetzt,
wenn die Klappen (Flaps) und Vorflügel (Slats) eingefahren sind und weiter gestiegen wird bzw.
gestiegen werden muss. Fällt ein Triebwerk während des Reisefluges aus, so wird maximaler
Dauerschub dann gesetzt, wenn hohe Hindernisse, wie z. B. Bergketten, zu überfliegen sind.
364 5 Triebwerksschub
Pedestal
CL (Max. Climb)
A/THR
(Auto Throttle Range
Manual
Active Automatic Mode) Idle
Mode
Reverse Idle
Thrust
Max. Reverse Lever
° 25° −
10° 10 6°− Reverse Range
14 (Manual Mode)
°
Thrust
Thrust Limit TO GA
Thrust Limit FLX MCT
Thrust Limit CL
Thrust Lever
Auto Throttle
Max. Reverse
Reverese Instinctive
Reverse Idle
Mode
Unlock
Max. Continuous
Disconnect Selections
Max. Take-Off
Pushbutton
Idle
Cruise
Climb
idle
45° 35° 25° 0° −20°
Stop Rasten Stop Stop
Abb. 5.24 Wahl der Triebwerksleistungsstufen über den Schubhebel im Cockpit eines modernen
zweimotorigen Strahlflugzeuges (Airbus A320/A321)
13
Turbojet J79-GE-17 67 % J85-GE-5 47 %
ziviler Turbofan CFM 56-5 N1-Welle 20 % N2-Welle 59 %
militärischer Turbofan RB199 Mk103 N1-Welle 32 % N2-Welle 65 %.
5.4 Triebwerksleistungsstufen 365
Umkehrschub (Reverse Thrust) – Dieses ist der Schub, der zusätzlich zu den Radbremsen
eines Flugzeuges für den Bremsvorgang auf der Rollbahn genutzt werden kann. Befindet
sich der Schubhebel in der maximalen Umkehrschubstellung, so liefert das Triebwerk
eine Leistung, die in etwa mit dem Steigflugschub vergleichbar ist, Abb. 5.24. Diese
Leistungsstufe ist gewöhnlich auf etwa drei Minuten begrenzt.
Nach dem Aufsetzen des Flugzeuges auf der Landebahn und vor der Betätigung des
Schubumkehrers muss sich der Gashebel (Thrust Lever) des Triebwerks im Flugleerlauf
(Flight Idle) befinden. Bei der Landung, nach dem Aufsetzen, werden die Triebwerke eine
gewisse Zeit bewusst in diesem höheren Flight Idle gehalten, um im Notfall wieder bes-
ser beschleunigen und durchstarten zu können. Vor der Betätigung des Schubumkehrers
muss dieser durch den Piloten manuell frei gegeben werden (Reverse Unlock). Danach kann
der Umkehrschubhebel nur bis zu einer Sperre im System (Thrust Reverser Lever Interlock)
gezogen werden, um so asymmetrischen Umkehrschub zu vermeiden. Erst wenn alle Schu-
bumkehrer an allen Triebwerken in ihre geöffnete Endposition gefahren sind, wird diese
Sperre automatisch entfernt. Darauf folgend kann das Triebwerk durch weiteres Ziehen
des Umkehrschubhebels aus dem niedrigeren Umkehrschub-Leerlauf (Ground or Rever-
se Idle) in die Stellung für maximalen Umkehrschub (Maximum Reverse) beschleunigt
werden, und zwar so, wie es der jeweilige Landevorgang erfordert.
Reserveschub (Reserve Thrust) – Manche Triebwerke kennen zwei Leistungsstufen für den
Startschub. Die niedrigere der beiden wird beim normalen Startvorgang gesetzt. Nur wenn
eines der Triebwerke beim Starten ausfallen sollte, so wird der Startschub der verbleibenden
Triebwerke von der Brennstoffregelung (FCU, Fuel Control Unit) automatisch auf den
höheren Startschub gesetzt (normaler Startschub plus Reserveschub).
Abbildung 5.24 zeigt die verschiedenen (einrastbaren) Schubhebelstellungen im Cock-
pit eines Airbus A320/A321, über den der Pilot die verschiedenen Triebwerksleistungs-
stufen kommandieren kann. Er wählt dabei nur einen ganz bestimmten Leistungsmode
(Take-Off, Max. Continuous or Max. climb) für das Triebwerk aus. Der Bereich Au-
to Throttle wird angewählt, wenn das Flugzeug mit eingeschaltetem Auto-Thrust System
(ATS) fliegt. Innerhalb der angewählten Bereiche regelt das Triebwerk über den FADEC-
Computer den tatsächlich für das Flugzeug und dessen jeweiligen Flugzustand erforderli-
chen Schub selbstständig ein, sodass die Schubhebelstellung nicht notwendigerweise mit
dem vom Triebwerk tatsächlich gelieferten Schub übereinstimmt. Das Bild verdeutlicht
außerdem, dass nicht grundsätzlich alle zuvor genannten Triebwerksleistungsstufen in je-
dem Flugzeug wieder zu finden sein müssen. Die modernen Airbus-Flugzeuge des Typs
A319/A320/A321 beschränken sich auf die sechs in Abb. 5.24 angegeben Leistungsstufen.
Die zugehörigen Leistungsanzeigen, die der Pilot auf seinem Kontrollmonitor sehen kann,
gibt Abb. 5.25 wieder. In dem Bild sind nur die Anzeigen markiert und erklärt, die auch zur
Überwachung der Triebwerke gehören. Im Kap. 16.3, im Zusammenhang mit den Trieb-
werkssystemen, werden wir uns noch intensiver mit der Triebwerksleistungssteuerung und
der Schubhebelbetätigung im Cockpit beschäftigen.
366 5 Triebwerksschub
Exhaust Gas
Temperature
Actual N2 Flex
Temperature
Startschub (Take-Off Thrust) – Bei Triebwerken ohne Nachbrenner ist dies für einen
gegebenen Umgebungszustand p0 , T0 der maximal überhaupt erreichbare Schub am Boden
bei c0 = 0. Das Setzen des Startschubes ist zeitlich limitiert. Die Grenze liegt bei etwa fünf
Minuten.
14
Als Zertifizierung bezeichnet man ein Verfahren, mit dessen Hilfe die Einhaltung bestimmter
Anforderungen an ein Flugzeug, seine Komponenten und/oder sein Personal nachgewiesen werden
müssen. Zertifizierungen werden von unabhängigen Zertifizierungsstellen wie z. B. in Europa von der
JAA (Joint Aviation Authorities) vergeben und hinsichtlich der Standards unabhängig kontrolliert.
5.4 Triebwerksleistungsstufen 367
Maximaler Schub (Maximum Thrust) – Bei Triebwerken mit Nachbrenner ist dies für
einen gegebenen Umgebungszustand p0 , T0 der maximal überhaupt erreichbare Schub –
sowohl am Boden als auch unter beliebigen Flugbedingungen – wenn der Schubhebel dabei
in seiner vordersten Position ist. Der maximale Schub ist ebenfalls zeitlich limitiert.
Militärischer Schub (Military Thrust) – Hierzu wird der Schubhebel in seine vorderste
Position gebracht, unabhängig davon, ob das Triebwerk Flat-Rated (vgl. Kap. 5.4.5) ist oder
nicht. Diese Art des Schubes ist normalerweise auf eine Dauer von ca. 30 min begrenzt.
Prinzipiell ist es möglich und zulässig, dass ein Triebwerk an der jeweiligen Temperatur-
grenze – und manchmal sogar darüber hinaus, dem so genannten EGT-Limit, betrieben
wird, die zu der zugehörigen Leistungsstufe gehört. Oberhalb dieser Grenze ist unter
Umständen mit Schädigungen des Triebwerks zu rechnen, Abb. 5.26. Im Normalbe-
trieb wird aber immer eine gewisse Toleranzgrenze (Abstand) zu diesen Höchstwerten
eingehalten, die man als so genannte EGT-Margin bezeichnet und die in etwa eine anfäng-
liche Größenordnung von EGTMargin ≈ 50 . . . 150 K15 hat. Diese Toleranzgrenze soll
15
Werte der EGT-Margin für neugefertigte CFM 56-3C1 Triebwerke, Boeing 737-300/400/500 mit
einem Schubbereich von 82 . . . 105 kN, bei unterschiedlichen Schüben: F = 82 kN ( EGT = 145
K), F = 89 kN ( EGT = 140 K), F = 98 kN ( EGT = 75 K), F = 105 kN ( EGT = 53 K).
368 5 Triebwerksschub
(Max. Continuous)
max. Dauerschub
max. Reiseschub
max. Steigschub
20 K
Triebwerksstart
Leerlauf (Idle)
675
(Max. Cruise)
(Max. Climb)
Startschub
(Take-Off)
625
Triebwerksleistungsstufen
Abb. 5.26 Beispielhafte Darstellung der Grenzen für Abgastemperaturen (EGT Limits) ziviler,
generischer Turbofantriebwerke. (Quelle: Pratt & Whitney 1988)
16
Airbus Flight Operations Briefing Notes (Handling Engine Malfunctions): „. . . the engine may
exceed the EGT redline without any failure. In this case, the engine continues to deliver its thrust.
Consequently, if the flight crew notices an EGT exceedance during the takeoff roll, the flight crew
continues the takeoff and establishes the aircraft on the initial climb path, . . . A limited number
of small EGT exceedances may be allowed (as Maintenance Manual), but must be reported in the
logbook.“
5.4 Triebwerksleistungsstufen 369
Salz, Chemikalien) haben, entsteht. Verschleißeffekte führen dazu, dass sich der Trieb-
werkswirkungsgrad verschlechtert, sodass zum Erreichen des erforderlichen Schubes im
Laufe der Zeit die EGT durch die Triebwerkssteuerung mehr und mehr angehoben wer-
den muss, wodurch sich analog dazu der spezifische Brennstoffverbrauch erhöht und
wodurch sich die EGT-Margin parallel dazu kontinuierlich verkleinert. Zum Zeitpunkt
der Auslieferung und/oder nach der Instandsetzung eines Triebwerkes ist die EGT-Margin
definitionsgemäß positiv. Wie im vorhergehenden Abschnitt bereits erwähnt, kann die
EGT-Margin kurzzeitig und punktuell aber auch negative Werte annehmen, ohne das
Triebwerk auf Dauer zu schädigen. Spätestens aber dann, wenn die EGT-Margin im länger-
fristigen zeitlichen Mittel gegen null strebt, muss das Triebwerk vom Flugzeug genommen
und einer Wartung und Instandsetzung unterzogen werden. Zuvor kann unter Umstän-
den durch eine On-Wing-Triebwerksreinigung mittels heißen Wassers, Kohlenstaub oder
CO2 -Trockeneis, die EGT-Margin um bis zu bestenfalls 15 K wieder vergrößert werden.
Beim Triebwerk CFM56-3C1 (Boeing 737-300/400/500) kommt es im Mittel nach
7 000 Flugstunden zu einem Abbau der EGT-Margin zwischen 18 K (F = 82 kN) und
33 K (F = 105 kN). Beim Pratt & Whitney Triebwerk JT9D-7Q (Boeing 747) wird im
Mittel ein EGT-Margin-Bereich von EGT ≈ 20 K in etwa 8 000 Flugstunden aufge-
braucht. Der darauf aufbauende Instandsetzungsprozess kostet dann etwa 2.4 Millionen
US-Dollar, also etwa 120 000 US $ pro 1 K an EGT-Margin, Djian (2004). Unter die-
sem Kostengesichtspunkt legen die Airlines gesteigerten Wert auf einen schonendenden
und damit wirtschaftlichen Betrieb ihrer Triebwerke durch die Piloten. Die EGT-Margin
stellt damit einen ganz wesentlichen Parameter für Beurteilung des Zeitpunkts für eine
Triebwerkswartung dar.
Die Triebwerke ziviler Flugzeuge haben grundsätzlich einen ganz erheblichen Schubüber-
schuss, der darauf beruht, dass insbesondere zweimotorige Flugzeuge sehr anspruchsvolle
Flugleistungen im Falle eines Triebwerkausfalls während des Starts aufweisen müssen, die
garantieren, dass Hindernisse vorgegebener Höhe mit einem sichern Abstand überflogen
werden können. Im alltäglichen Flugbetrieb wird den Triebwerken aber nur sehr selten
ihre maximale Leistung abgefordert, was z. B. dann passieren könnte, wenn tatsächlich
einmal das maximale Startgewicht (MTOW) erreicht werden würde und das dann auch
noch beim Vorliegen ungünstigster atmosphärischer Randbedingungen (Barometerdruck,
Temperatur, Wind, Regen, Schnee und/oder Eis).
Aufgrund dieser Gegebenheiten existieren in der Flugpraxis Verfahren für die Pilo-
ten, den Schub gering, emissionsfreundlich und wirtschaftlich zu setzen. Das Verwenden
angepasster Triebwerksleistungen verringert den Verschleiß eines Triebwerks, erhöht sei-
ne Lebensdauer, verlängert seine Wartungsintervalle und trägt ganz maßgeblich zu einer
erhöhten Zuverlässigkeit und Sicherheit gegenüber einem Triebwerksausfall bei.
370 5 Triebwerksschub
Die behördlichen Randbedingungen für eine Schubreduzierung sind von der Europäi-
schen Agentur für Flugsicherheit (EASA, European Aviation Safety Agency) spezifiziert17
und können von ihrem Umfang und Inhalt her nicht Bestandteil des hier vorliegenden
Buches sein.
17
EASA CS-25 (Certification Specifications for Large Aeroplanes), Book 2 – Acceptable Means
of Compliance, General AMCs, AMC 25-13, Reduced And Derated Take-Off Thrust (Power)
Procedures, Annex to ED Decision 2007/010/R, Amendment 3, pp. 2-GEN 24 – 27.
5.4 Triebwerksleistungsstufen 371
Tab. 5.2 Beispiel für die N1-Drehzahleinstellungen eines Turbofantriebwerks in Abhängigkeit des
Umgebungsdruckes und der Umgebungstemperatur
CF6-80A3 Take-Off N1 in [%]
Druck OAT in [◦ C]
höhe
in [ft]
− 10 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45
− 1 000 97.8 99.7 100.6 101.5 102.4 103.3 104.2 105.0 105.9 105.6 105.7
0 99.0 100.9 101.8 102.7 103.6 104.5 105.4 106.3 107.1 105.9 106.1
1 000 99.8 101.7 102.7 103.6 104.5 105.4 106.3 107.2 107.3 106.0 106.1
2 000 100.6 102.5 103.5 104.4 105.3 106.2 107.2 108.0 107.3 106.0 106.2
3 000 101.5 103.5 104.4 105.3 106.3 107.2 108.1 108.3 107.4 106.1 106.3
4 000 102.0 104.0 104.9 105.9 106.8 107.7 108.7 108.3 107.4 106.1 106.2
5 000 103.0 105.0 106.0 106.9 107.9 108.8 109.5 108.8 107.9 106.6 106.8
6 000 103.2 105.2 106.2 107.1 108.1 109.0 109.0 108.1 107.2 105.9
7 000 103.6 105.6 106.6 107.5 108.5 109.2 108.5 107.6 106.7 105.4
8 000 103.9 105.9 106.9 107.8 108.8 108.8 108.0 107.2 106.3
beim Starten eines Flugzeuges zu erwarten sind, wenn die Außentemperatur etwa um
30 ◦ C herum liegt. Im Flat-Rated Bereich der Schubkurve ist die Drehzahl geringer, da
hier das Leistungspotenzial des Triebwerks gewollt eingeschränkt wird und im abfallenden
Ast der Schubkurve kann das Triebwerk aufgrund des kleiner werdenden Luftmassen-
stroms nur noch eingeschränkt Schub entwickeln. Der höchstzulässige Schub während des
Startvorganges wird nicht nur durch die Umgebungstemperatur OAT (T0 ), sondern auch
durch den vorherrschenden Umgebungsdruck p0 beeinflusst, da ja der Schub eines Trieb-
werks aerodynamisch durch seinen angesaugten Luftmassenstrom ṁ0 bestimmt wird, der
nicht nur durch die Umgebungstemperatur, sondern auch durch den Umgebungsdruck
beeinflusst wird.
Tabelle 5.2 zeigt in Abhängigkeit der sog. Druckhöhe (Pressure Altitude) und der Um-
gebungstemperatur (OAT), welche N1-Drehzahl in Prozent für ein Triebwerk anzufahren
ist, wenn ein Pilot mittels seines Schubhebels (Thrust Lever) den Startschub (Maximum
Take-Off Thrust) setzt, sodass die vom Hersteller (hier General Electric) vorgegebenen
und zertifizierten Take-Off Ratings eingehalten werden. Die Tabelle gehört zum Trieb-
werk CF6-80A3 (Airbus A310 A). Abbildung 5.29 zeigt analog dazu die typische Kurve
eines Pratt & Whitney Triebwerks zum Setzen des Startschubes, bei dem die Trieb-
werksleistung durch das Triebwerksdruckverhältnis EPR angezeigt wird. Bei vorderster
Schubhebelstellung (Full Throttle) sollte also nach Abb. 5.28 ein Triebwerk immer das
Triebwerksdruckverhältnis EPR längs der dargestellten Kurve bereitstellen, das zur zuge-
hörigen Umgebungstemperatur und eventuell auch zum zugehörigen Barometerdruck des
Flugfeldes gehört, von dem gestartet werden soll.
5.4 Triebwerksleistungsstufen 373
Abb. 5.29 Beispiel für die EPR-Einstellungen eines Flat-Rated Triebwerks in Abhängigkeit des
Umgebungsdruckes p0 und der Umgebungstemperatur OAT (T0 ). (Quelle: Pratt & Whitney 1988)
wahren Außentemperatur
Design-Limited Thrust
Full-Rated Thrust
aktuelles TOW
p erature: ISO+15 = 30 °C
= MATOW bei TFLX
maximaler Schub bei gege-
Fmax
benem Umgebungszustand
max. 25%
max. 40%
Flat-Rrated Tem-
tatsächlich vorlie- TFLXmax
Freq
Außentemperatur
gender Schubbedarf ISO + 45
aktuelle, wahre
Abb. 5.30 Zur Erläuterung der Schubreduzierung nach der Flex-Thrust Methode und der Begriffe
FLX-Thrust und FLX-Temperature
dem MATOW (Maximum Allowable Take-Off Weight)18 bei dieser Temperatur TFLX ent-
spricht, vgl. Abb. 5.30. Auf diese Weise wird der maximal mögliche Schub Fmax auf Freq
reduziert, da Ersterer ja für den aktuellen Startvorgang auch nicht wirklich benötigt wird.
Das Ganze macht meist nur dann Sinn, wenn die vorgegebene hypothetisch angenommene
Außentemperatur auch oberhalb der Flat-Rated-Temperature ist. Diese hypothetisch ange-
nommene Außentemperatur (Assumed Temperature) wird speziell bei Airbus-Flugzeugen
auch als flexible Temperature oder kurz FLX-Temperature bezeichnet und kann in ge-
wissen Grenzen durch den Piloten als frei wählbare Stellgröße vor dem Start über die
MCDU (Multi Function Control and Display Unit) festlegt werden. Je nach Beladungsge-
wicht, Länge und Beschaffenheit der Startbahn und entsprechend der jeweiligen Wetterlage
kann der Pilot so den optimalen Schub seiner Triebwerke, den er aus fliegerischen und
sicherheitstechnischen Gründen für erforderlich hält, für den Startvorgang vorwählen.
Der daraus resultierende flexible Startschub wird als Flexible Take-Off Thrust 19 oder kurz
18
Das maximal zulässige Startgewicht MATOW = MTOW wird mit der dazugehörigen Start-
geschwindigkeit vom Piloten berechnet. Es wird durch folgende Größen limitiert: struktur-
bedingtes Flugzeugmaximalgewicht MTOW, Pistenlänge, Steigleistungsanforderungen, mögliche
Hindernishöhen, maximale erforderliche Bremsleistung und maximale Reifengeschwindigkeit.
19
Definition des FLX-Take-Off laut Airbus Handbuch: „In many cases the aircraft takes off with a
weight lower than the max. permissible take-off weight. When this happens it can meet the required
5.4 Triebwerksleistungsstufen 375
performance with a decreased thrust that is adapted to the weight: this is called flexible take-off and
the thrust is called flexible take-off thrust.“
20
Anstelle des Begriffs FLX-Take-Off Thrust sind in der weltweiten Fliegerei auch die Begriffe
Graduation, Reduced Take-Off Thrust (RTOT) oder Factored Take-off Thrust (FTOT) zu finden.
376 5 Triebwerksschub
Die Flex-Thrust Methode darf unter den nachfolgenden Randbedingungen nicht ange-
wendet wird:
• bei nasser oder sonst wie kontaminierter Startbahn (Schnee und Matsch)
• bei möglicher Weise auftretenden Scherwinden (Windscherung)
• bei nicht nutzbarem Anti-Skid-System (≈ Anti-Blockier-System, ABS)
Eine weitergehende Beschreibung würde an dieser Stelle über den Sinn und Zweck des
vorliegenden Buches bei weitem hinausgehen und müsste sich in großem Umfang an
fliegerischen Grundlagen orientieren. Weitergehend interessierte Leser seinen in diesem
Zusammenhang z. B. an Ting (2009) oder Scheiderer (2008) verwiesen.
Schubreduzierung nach der De-Rate Methode Der De-Rated Take-Off Thrust für ein
Flugzeug ist eine zertifizierte Triebwerksleistungsstufe, die geringer als der maximale
Take-Off Thrust (Full-Rated) ist. Als Folge davon müssen alle Zahlenwerte für diese Lei-
stungsstufen auch Bestandteil des jeweiligen Aircraft Flight Manuals (AFM) sein, das ja
ebenfalls zertifiziert sein muss, so wie es einleitend zu Kap. 5.4.7 bereits erläutert wurde.
Das AFM enthält also für die De-Rate Methode eine Reihe separater und voneinander
unabhängiger oder klar unterscheidbarer Take-Off -Beschränkungen und Leistungsdaten,
die alle die Take-Off -Voraussetzungen der EASA CS-25 (Certification Specifications for
Large Aeroplanes) erfüllen müssen (vgl. hierzu die Fußnote zu Beginn des Kap. 5.4.7.1).
5.4 Triebwerksleistungsstufen 377
Schub F
Design-Limited Thrust
% Derate
Full-Rated or TOGA-Thrust
Full-Rated Thrust für aktuelle Temperatur
De-Rated Thrust
De-Rated Thrust für aktuelle Temperatur
aktuelle, wahre
TDERATEmax TFLXmax
Temperatur
Outside Air Temperature OAT
Mit der De-Rated Methode wird ein Triebwerk so betrieben, als wäre statt seiner ein
anderes, leistungsschwächeres Triebwerk am Flugzeug installiert. Das bedeutet, dass eine
für das Triebwerk zertifizierte Leistungsstufe (Take-Off Rating) durch eine andere kleinere
– aber ebenfalls zertifizierte – Leistungsstufe, die dem AFM entnommen werden kann,
ersetzt wird, und dann so als normale obere Leitungsgrenze (Full-Rated Thrust) für den
Startfall interpretiert wird. Die Abb. 5.31 verdeutlicht dieses Prinzip der Schubreduzierung.
Im Vergleich zum ursprünglichen Full-Rated- oder TOGA-Thrust verschiebt sich das Ni-
veau des gesamten Schubverlaufs nun parallel nach unten und wird damit zu einer neuen
Leistungsgrenze nach oben hin. Dasselbe gilt dann auch für den Verlauf der EGT und der
N1-Drehzahl, die dadurch zu neuen oberen und nicht zu überschreitenden Grenzwerten
(Limits) für das Triebwerk werden.
Beispielsweise wird die Boeing 737NG (Next Generation) die Kaufoption anbieten, dass
die Käufer (z. B. die Airlines) des Flugzeuges dieses prinzipiell mit „unterschiedlichen
Triebwerken“ betreiben können, obwohl es sich dabei physikalisch immer um dieselbe
Hardware handelt. Die Piloten wählen dazu manuell das „gewünschte“ bzw. das für ihren
aktuellen Startfall „am besten geeignete Triebwerk“ aus. Sie haben dabei die Wahl zwischen
einem Triebwerk mit 98, 107, 115 oder 120 kN Schub. Diese hypothetische Auswahl
eines gewünschten Triebwerkes ist vom Prinzip her genau das, was man als De-Rated
Methode bezeichnet: Absenkung aller Leistungsdaten des Triebwerks auf ein niedrigeres,
zertifiziertes Niveau.
Das besondere an dieser Startmethode ist außerdem, dass sie zusätzlich auch noch mit
der zuvor beschriebenen Flex-Thrust Methode kombiniert werden kann, Abb. 5.32. Ist
also in einem ersten Schritt das „am besten geeignete“ Triebwerk gewählt worden, so kann
in einem nächsten Schritt die Leistung genau dieses Triebwerks durch Wahl einen FLX-
378 5 Triebwerksschub
Schub F
Design-Limited Thrust
Full-Rated or TOGA-Thrust
Fmax
aktuelle, wahre
Temperatur
TFLXDe-Rate 1
TFLXMAX
Outside Air Temperature OAT
Abb. 5.32 Kombination der Schubreduzierung mittels der De-Rated Methode im Zusammenwirken
mit der FLX-Temperature (Assumed Temperature) Methode
Bei älteren Flugzeugen ist die Fixed De-Rate Methode gebräuchlicher. Hierbei kann
der Betreiber aus einer oder zwei vordefinierten prozentualen Absenkungen der maxi-
malen Leistungsstufe wählen, also eine maximale (originäre) Leistungsstufe um einen
bestimmten Prozentsatz herabsetzen. Das Triebwerk CF6-80 A an einer Boeing 767 kann
so in zwei Schritte De-Rated werden. Per Knopfdruck (Push Buttons) ist es möglich, den
Ursprungsschub um 8 % bzw. um 17 % zu reduzieren.
Literatur
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Scheiderer J (2008) Angewandte Flugleistungen. Eine Einführung in die operationelle Flugleistung
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Schlichting H, Truckenbrodt E (1967) Aerodynamik des Flugzeuges, Erster Band, 2. Neubearbeitete
Aufl. Springer-Verlag, Berlin
Ting D (2009) Reduced and derated thrust. Boeing Flight Operations Engineering – Operations
Course, September 2009
Definitionen und Aero-Thermodynamische
Grundlagen 6
Abbildung 6.1 zeigt den Längsschnitt durch ein zweiwelliges Turbofantriebwerk. Es sind
alle wesentlichen Bezugsebenen des Triebwerks durch Ziffern gekennzeichnet und so seine
verschiedenen Hauptkomponenten eingegrenzt worden. Gibt es im Einzelfall eine be-
stimmte Komponente nicht, wie z. B. einen Nachbrenner, so entfällt die Ebene 6 und die
Bezugsebenen für den Sekundärkreis eines Turbofantriebwerks sind zusätzlich mit einer
vorangestellten 1 markiert. So haben z. B. die Faneintritts- und die Fanaustrittsebene die
Bezeichnungen 12 und .
13 Da der Fan mit einem Verdichter vergleichbar ist, hat er als
Kennzeichnung für seine Austrittsebene die , 13 ähnlich wie der Verdichteraustritt im Pri-
märkreis durch die Ziffer gekennzeichnet ist. Im Sekundärkreis fehlen die Ziffern
3 14
und ,15 die im Primärstrom eine Turbine durch 4 und 5 eingrenzen, da im Fanstrom
diese Komponente nicht vorkommt. Ebenfalls fehlt die Ebene , 16 die mit der Ebene 6 im
Düsenquerschnitt die Ziffer . 8 Dort wo der statische Druck im Düsenstrahl wieder den
Umgebungsdruck erreicht, p9 = p0 , liegt die Ebene .9 Diese Art der Nummerierung lehnt
sich an den Vorgaben der SAE (2009) an. Ist bei einem Zwei-Wellen-Triebwerk zusätzlich
zwischen den Hoch- und Niederdruckteilen von Verdichter und Turbine zu unterschei-
den, so werden beim Verdichter zwischen den Ebenen 2 und 3 und bei der Turbine
zwischen den Ebenen 4 und 5 weitere Zwischenebenen eingeführt. Abbildung 6.1 zeigt
eine solche Nummerierung für ein zweiwelliges Turbofantriebwerk und Abb. 6.2 ana-
log dazu die Nummerierung für ein dreiwelliges Turbofantriebwerk. In Abb. 6.1 ist z. B.
zu sehen, dass zwischen den Ebenen 2 und ,3 die generell einen Verdichter markie-
ren, zusätzlich noch eine Ebene 2.5 eingeführt wurde, die eine Unterscheidung zwischen
m 0 = m I + m II m I + m B − m Z
p9 = p 0
Einlauf
Fangstromröhre
BK
m II
freie Nachexpansion
hinter der Schubdüse
Primärdüse
Übergangsstück
NDV HDV 3 3BK 9
8
HDT
NDT
Diffusor
4 D.O 5 7
0 1 2 B.O
stattdessen die beiden zusätzlichen Ebenen 2.3 und 2.6 hinzu, sodass zwischen Nieder-,
Niederdruckverdichter (NDV)
Mitteldruckverdichter (MDV)
Hochdruckverdichter (HDV)
AL AM Hochdruckturbine (HDT)
AQ Mitteldruckturbine (MDT)
Niederdruckturbine (NDT)
AR AS
m II
m II m II m I m B m Z
m B
m Z
m I
m 0 = m I + m II
m I
m I m B m Z
m II m II
AR AS m II
D.P N1-Welle
D.M N2-Welle
N3-Welle
0 2 B.M B.P 34 5 7 8 9
Beispiele
Eine Ausnahme von der oben definierten Nomenklatur sind die folgenden beiden Fälle,
die den Einfluss der Flugmachzahl Ma0 repräsentieren:
Tt0 κ −1
τ0 = =1+ · Ma20 (6.1)
T0 2
κ−1
κ
pt0 κ −1
π0 = = 1+ · Ma02
(6.2)
p0 2
3 4D.O 5
AM
B.O
9
AL
2 Nachbrenner
8
7
6
AL AM B.O 3 4 D.O 5 6 7
Abb. 6.3 Stationen-Nummerierung der wesentlichen Bezugsebenen bei einem militärischen Tur-
bofantriebwerk mit kleinem Bypass-Verhältnis, dreistufigem Fan und mit Nachbrenner. Der
Sekundär- und Primärstrahl vermischen sich vor dem Nachbrenner, sodass es keine separate
Sekundärschubdüse gibt
Per Definition ist der spezifische Schub FS der auf den in das Triebwerk einströmenden
Luftmassenstrom ṁ0 bezogene Schub:
"m#
F N kN
FS := bzw. bzw. (6.3)
ṁ0 kg/s kg/s s
Die Definition dient dem Vergleich verschiedener Triebwerke untereinander. Für Tur-
bojettriebwerke ist im Startfall FS = 0.4 . . . 0.7 kN/(kg/s) ein gängiger Wertebereich,
Abb. 6.4. Ausgehend von einem mittleren, für Turbojettriebwerke üblichen Startschub
von ca. F = 50 kN ergeben sich demzufolge Luftmassenströme zwischen 70 . . . 25 kg/s, die
Turbojettriebwerke aufnehmen müssen.
Aus der allgemeinen Schubformel (5.29) für Turbofantriebwerke ergibt sich der
spezifische Schub dann zu:
F ṁI ṁB ṁZ ṁII
FS := = · 1+ − · c 9 − c0 + · (c19 − c0 ) (6.4)
ṁ0 ṁ0 ṁI ṁI ṁI
6.2 Spezifischer Schub 385
0
m 50 kg/s 100 kg/s 150 kg/s 200 kg/s 300 kg/s
1.2
At
F100-PW-229 2-Wellen-Turbofan m0
ar F110-GE-100
9K J79-GE-17
Spezifischer Startschub in kN/(kg/s)
P- 03
3- 0KU
19
3 5 -G 2
TF D-3 - D E- C 1000 kg/s
9
8 10 0
0.4 6-5
M
52 1
RB211-535E CF
k1
PW4084
V2
05
56 7 4B GE90-B4
M 03
M
52
PW
D-436T1 -100 CF W2 1
56
0.2 E-
11- 1400 kg/s
-3
40
F P G 2
-C 9- B
52
0 8 F 3 R
F1 T
0.0
0 100 200 300 400
Startschub in kN
Abb. 6.4 Spezifischer Schub von Turbojet- und Turbofantriebwerken, aufgetragen über dem
Startschub. Parameter ist der vom Triebwerk beim Start angesaugte Luftmassenstrom
ṁB ṁB
β := = mit β ≈ 0.015 ... 0.028 = Brennstoff/Luft-Verhältnis (6.5)
ṁI ṁ0
ṁZ ṁZ
α := = mit α ≈ 0.020 ... 0.050 = Zapfluft/Luft-Verhältnis (6.6)
ṁI ṁ0
Diese beiden Größen, α und β, sind generell auf den Luftmassenstrom bezogen, der durch
das Kerntriebwerk strömt, ṁI . Nur beim Turbojet sind angesaugter und durch das Kern-
triebwerk gehender Massenstrom identisch, (ṁ0 = ṁI )Turbojet . Mit den Zusammenhängen
ṁ0 = ṁI + ṁII und μ = ṁII /ṁI wird dann aus der Gl. (6.4):
F ṁI
FS = = · [(1 + β − α) · c9 − c0 + μ · (c19 − c0 )]
ṁ0 ṁI + ṁII
1
FS = · [(1 + β − α) · c9 − c0 + μ · (c19 − c0 )]
ṁII
1+
ṁI
"m#
1 N
FS = · [(1 + β − α) · c9 − c0 + μ · (c19 − c0 )] oder Turbofan
1+μ kg/s s
(6.7)
386 6 Definitionen und Aero-Thermodynamische Grundlagen
Mit μ = 0 ergibt sich aus diesem Ausdruck die Gleichung für den spezifischen Schub des
Turbojettriebwerks:
"m#
N
FS = (1 + β − α) · c9 − c0 oder Turbojet (6.8)
kg/s s
Für α − β 1 wird daraus
FS = c9 − c0 Turbojet (6.9)
ṁ0
und daraus schließlich ṁI = (6.13)
1+μ
ṁ0
oder ṁII = μ · (6.14)
1+μ
Für α − β 1 wird aus Gl. (6.7)
"m#
1 N
FS = · [(c9 − c0 ) + μ · (c19 − c0 )] oder Turbofan (6.15)
1+μ kg/s s
Für den Bodenstandfall mit c0 = 0 m/s ergibt sich dann schließlich:
"m#
c9 + μ · c19 N
FS = oder Turbofan (6.16)
1+μ kg/s s
Für den Fall, dass in Gl. (6.16) c9 ≈ c19 gelten würde, so würde auch hier in der Gl. (6.16) –
genau wie schon beim Turbojettriebwerk – der spezifische Schub zu FS ≈ c9 = c19 .
6.3 Spezifischer Brennstoffverbrauch 387
Einleitend wird der Begriff spezifischer Heizwert Hi 1 eingeführt. In der Zivilluftfahrt ist
der gängige Brennstoff für Strahltriebwerke das Kerosin JET A-1, das zahlenwertmäßig
den folgenden Heizwert hat (z. B. Baehr 1992):
Hi = 4.31 · 107 J kg bzw. Nm kg f ür JET A-1
(6.17)
der Index „i“ steht hier f ür inferior (lat. = unterer)
Mehr Details dazu sind zu Beginn des Kap. 11 über die Brennkammern zu finden. Der
Heizwert ist gleich der im Brennstoff enthaltenen Wärmeenergie QB , bezogen auf die ein
Kilogramm Brennstoffmasse mB :
QB QB /t Q̇B
Hi := bzw. Hi = = mit t als Zeit (6.18)
mB mB /t ṁB
Unter der spezifischen Wärmeenergie qB wird die Wärmeenergie, bezogen auf die im
Brennraum insgesamt befindliche Luftmasse mL verstanden:
QB QB /t Q̇B Q̇B
qB := bzw. qB := = = (6.19)
mL mL /t ṁL ṁI
Es werden nun die Gln. (6.18) und (6.19) jeweils nach Q̇B umgestellt und die sich dabei
ergebenden Ausdrücke unter Berücksichtigung von Gl. (6.5) gleichgesetzt:
qB · ṁL = Hi · ṁB
ṁB ṁB
qB = · Hi = · Hi = β · Hi (6.20)
ṁL ṁI
Ebenso wie der spezifische Schub, so dient auch der spezifische Brennstoffverbrauch BS
dem Vergleich verschiedener Triebwerke untereinander2 . Es gilt per Definition:
ṁB kg/s g/s kg/h
BS := bzw. 10 ·6
bzw. 3.6 · 10 · 6
(6.21)
F N kN kN
1
Früher als unterer Heizwert H u bezeichnet. Nach DIN 5499 (EN 437) kann Hi auch einfach als Heiz-
wert bezeichnet werden. Er ist ein Maß für die im Brennstoff enthaltene chemische Energie. Der Wahl
dieses Heizwertes legt zu Grunde, dass sich gasförmiges H2 O im Brennstoff befindet, was bedeutet,
dass die Verbrennungswärme des Brennstoffes um die Verdampfungswärme des Wassers reduziert
wird. Der Zahlenwert des spezifischen Heizwerts wird dadurch bestimmt, dass Brennstoff und Luft,
ausgehend von derselben, für thermochemische Messungen international vereinbarte Standard-
temperatur (so genannter chemischer Normzustand) von Tref = 298.15 K in einem Reaktionsraum
(Bomben-Kalorimeter) vollständig verbrannt werden. Die bei diesem Prozess abgeführte Wärme –
bezogen auf die Brennstoffmasse – ist gleich dem Heizwert. Dabei wird die abgegebene Wärme mit-
tels eines Wasserbades solange ermittelt, bis die Verbrennungsprodukte im Reaktionsraum wieder
auf die Ausgangstemperatur Tref der beiden Ausgangsstoffe abgekühlt sind.
2
In der englischsprachigen Literatur sind für den spezifischen Brennstoffverbrauch die Abkürzun-
gen SFC und TSFC zu finden, die beide für Thrust Specific Fuel Consumption stehen. Hierbei ist SFC
identisch mit dem durch Gl. (6.21) definierten Ausdruck, d. h., der Brennstoffmassenstrom wird
auf den uninstallierten Schub F = FuF bezogen. Im Gegensatz dazu wird bei TSFC der Brennstoff-
388 6 Definitionen und Aero-Thermodynamische Grundlagen
Werden hierin Zähler und Nenner durch den durch das Kerntriebwerk strömenden
Luftmassenstrom ṁI = ṁ0 dividiert, so ergibt sich zusammen mit Gl. (6.5):
ṁB /ṁI β
BS = = (6.22)
F/ṁI F/ṁI
Die Erweiterung mit dem vom Triebwerk angesaugten Luftmassenstrom ṁ0 ergibt:
ṁB /ṁI β β
BS = = = (6.23)
F/ṁI F ṁ0 F ṁI + ṁII
· ·
ṁ0 ṁI ṁ0 ṁI
Zusammen mit dem Bypass-Verhältnis μ nach Gl. (6.11) und dem spezifischen Schub FS
nach Gl. (6.3) wird daraus:
β
BS = (6.24)
FS · (1 + μ)
Das Einsetzen dieses Ausdrucks zusammen mit der der Gln. (6.20) in die Gl. (6.24) ergibt
schließlich:
qB qzu
BS = = Turbofan (6.26)
(1 + μ) · FS · Hi (1 + μ) · FS · Hi · ηBK
Mit μ = 0 und mit der Gl. (6.20) ergibt sich aus diesem Ausdruck eine Beziehung für den
spezifischen Schub des Turbojettriebwerks:
β qB qzu
BS = = = Turbojet (6.27)
FS FS · H i FS · Hi · ηBK
massenstrom auf den installierten Schub FiF = FuF − FWZ − FWG entsprechend Gl. (5.20) bezogen.
Demzufolge ergeben sich in der englischen Literatur die folgenden Bezeichnungen
SFC = uninstalled thrust specific fuel consumption
TSFC = installed thrust specific fuel consumption
Im hier vorliegenden Text ist mit spezifischem Brennstoffverbrauch BS generell SFC gemeint.
6.4 Einheitsmasse, Stirnflächenschub und Schubverhältnis 389
Die Einheitsmasse GM von Turbojet- und Turbofantriebwerken ist die auf den Schub
bezogene so genannte trockene Triebwerksmasse mTW (ohne Brenn- und Schmierstoffe):
mTW kg
GM := (6.28)
F kN
Die Einheitsmasse ist ein Maß für den technologischen Stand eines Triebwerks hin-
sichtlich der Fähigkeit leichte und dennoch schubstarke Triebwerke zu bauen. Moderne
Turbofantriebwerke haben Einheitsmassen zwischen 15 . . . 20 kg/kN.
Der Stirnflächenschub FA von Turbojet- und Turbofantriebwerken ist der auf die frontal
projizierte Querschnittsfläche des Triebwerks, die als Stirnfläche Amax bezeichnet wird,
bezogene Triebwerksschub. Der Stirnflächenschub wird auch manchmal als Schubdichte
bezeichnet:
F kN
FA := (6.29)
Amax m2
Der Stirnflächenschub wird unabhängig vom Einbau des Triebwerks definiert, d. h., ohne
Berücksichtigung der Triebwerksgondel. Bei großem Schub sind möglichst kleine Quer-
schnittsflächen erwünscht, sodass FA als eine Art aerodynamisches Kriterium für ein
Triebwerk angesehen werden kann, da kleine Querschnitte günstig hinsichtlich des ae-
rodynamischen Widerstandes und hinsichtlich der Integration des Triebwerks an oder in
der Flügel/Rumpf-Kombination sind.
Die Kombination der Gl. (6.3) für den spezifischen Schub FS mit der Gl. (6.29) für den
Stirnflächenschub FA führt zusammen mit der Kontinuitätsgleichung ṁ0 ≈ ρ0 · c0 · Amax 3
auf den folgenden Ausdruck:
FA ≈ ρ0 · c0 · FS (6.30)
Dieser Ausdruck zeigt, dass vergleichsweise kleine spezifische Schübe, so wie sie
moderne Turbofantriebwerke heute aufweisen, praktisch immer mit kleinen Stirnflächen-
schüben identisch sind. Moderne Turbofantriebwerke haben bei spezifischen Schüben
von FS ≈ 0.3 . . . 0.4 kN/(kg/s) Stirnflächenschübe, die in einem Bereich zwischen
50 . . . 60 kN/m2 liegen.
Ein sehr hilfreicher Leistungsparameter bei Turbofantriebwerken ist das so genannte
Schubverhältnis , das per Definition das Verhältnis von spezifischem Kerntriebwerks-
schub FI /ṁI zu spezifischem Fanschub FII /ṁII darstellt und dimensionslos ist:
FI /ṁI FI
:= =μ· (6.31)
FII /ṁII FII
3
Diese Gleichung gilt nur ungefähr, da der Querschnitt A0 nicht identisch mit dem maximalen
Querschnitt Amax ist.
390 6 Definitionen und Aero-Thermodynamische Grundlagen
Dadurch kann das Schubverhältnis auch in der folgenden vereinfachten Form angegeben
werden:
FI ṁI · (c9 − c0 ) c9 − c0
=μ· =μ· = (6.34)
FII ṁII · (c19 − c0 ) c19 − c0
Im Kapitel über die parametrische Kreisprozessanalyse idealer Kreisprozesse wird spä-
ter theoretisch noch gezeigt werden, dass optimiert ausgelegte Turbofantriebwerke
Schubverhältnisse zwischen 0.5 und 1.0 haben sollten. Damit wird die Austrittsge-
schwindigkeit c19 aus dem Sekundärkreis entweder genauso oder doppelt so groß wie die
aus dem Primärkreis c9 . Turbofantriebwerke mit großen Bypassverhältnissen μ haben
vergleichsweise kleine primäre Austrittsgeschwindigkeiten c9 , sodass selbst bei = 0.5 die
Austrittsgeschwindigkeiten c19 aus dem Sekundärkreis in Grenzen bleiben.
Abbildung 6.4, 6.5, und 6.6 zeigen die zuvor definierten charakteristischen Trieb-
werkskenngrößen FS , BS und GM für verschiedene, real ausgeführte Turbojet- und
Turbofantriebwerke, aufgetragen über dem Startschub FTO . Die Bilder enthalten ergän-
zende Kurven, die den Verlauf des Parameters der jeweiligen Darstellung beschreiben. Für
den spezifischen Schub sind dies in Abb. 6.4 Isolinien für den vom Triebwerk im Startfall
angesaugten Massenstrom und für den spezifischen Brennstoffverbrauch in Abb. 6.5 Lini-
en konstanten Brennstoffmassenstroms. Bei der Darstellung von GM über FTO in Abb. 6.6
ist schließlich die Triebwerksmasse mTW der Parameter.
Aus Platzgründen sind in den Bildern nicht alle Symbole mit Triebwerksbezeich-
nungen gekennzeichnet worden. Eine ausführliche tabellarische Auflistung aller in den
folgenden Bildern dargestellten Triebwerke gibt Kap. 18.11–18.12 wieder. Hier finden
sich auch erklärende Hinweise zu der Art und Weise der Bezeichnung von wesentlichen
Triebwerken.
In Abb. 6.4 ist zu erkennen, dass die Entwicklung moderner Strahltriebwerke zu ho-
hen Luftmassenströmen geführt hat. Diese sind auch für die Tendenz verantwortlich, dass
mit steigendem Startschub die spezifischen Schübe kleiner werden. Aus hohen Massen-
strömen resultieren entsprechend große Triebwerksstirnflächen und damit auch kleine
Stirnflächenschübe FA , die zu einem nicht unerheblichen Widerstandsanstieg der am
6.5 Charakteristische Kenngrößen am Beispiel ausgeführter . . . 391
CF6-50C2
T Olympus 602 20 000 kg/h
36
D-
4 PS-90A F103
PW -G 15 000 kg/h RR Trent 890
RB 199 F E-
20 117- 10
50 37 PW 1 10 000 kg/h RB211-882
-1 JT9D-59A NK 44
00
D 5 E B 5 000 kg/h
24
PW
8- -5
C 35 E-1 -5
52 56 1-5 G 11
40
V2 FM 21 39- B 2 1 000 kg/h
52
0 C RB TF R
0 100 200 300 400 500
Startschub in kN
50
2-Wellen-Turbofan
J47-GE-2 2-Wellen-Turbofan mit NB
40 WB 3-Wellen-Turbofan
M-701 -43
Einheitsmasse in kg/kN
2-Wellen-Turbojet
-3
30
7F
M
E
S
35
B
21 037
211 0C2
RB W2
RR Trent 890
11 B
R F6-5
P
20 -1
0 -P CJ NK 44
F3 T 9D 5000 kg
T -59A
PS 101
GE90-B4
F1
PW
-9
AL-21
17
O
4000 kg
0A
F
-P
lym
40
D-436T1
W
52
pu
-G
10
-1
3000 kg
F1
00
s
E-
60
00
10
2000 kg
2
-P
2
W
1000 kg
-2
29
500 kg
0
0 100 200 300 400 500
Startschub in kN
Abb. 6.6 Einheitsmasse von Turbojet- und Turbofantriebwerken, aufgetragen über dem Startschub.
Parameter ist die Triebwerkstrockenmasse (ohne Brenn- und Schmierstoffe)
Flugzeug installierten Triebwerke beitragen können. Ein Fakt, der bereits bei der Trieb-
werksentwicklung mit ins Kalkül zu ziehen ist, da der Vorteil großer Triebwerke, nämlich
ihre Verbrauchsfreundlichkeit, durch eine gleichzeitige Widerstandsvermehrung unter
Umständen aufgezehrt werden könnte.
392 6 Definitionen und Aero-Thermodynamische Grundlagen
Abbildung 6.4 zeigt, dass in der Schubklasse 100 kN < FTO < 400 kN der spezifische
Startschub aller modernen Turbofantriebwerke ausnahmslos um einen Wert von etwa
FS ≈ 0.3 kN/(kg/s) herum pendelt. Abbildung 6.4 zeigt auch, dass zwei unterschiedliche
Triebwerke, wie z. B. das TF33-P-7 (Lockheed C-141) und das F108-CF-100 (Boeing KC-
135R) der US-Air-Force, die beide in etwa zur selben Schubklasse von ca. 95 kN gehören,
einen durchaus unterschiedlichen spezifischen Schub haben können, nämlich FS ≈ 0.4 bzw.
≈ 0.25 kN/(kg/s). Bei festgelegtem Schub F muss also das Triebwerk mit dem kleineren
spezifischen Schub FS den größeren Luftmassendurchsatz bewältigen, und weist damit den
kleineren Stirnflächenschub FA auf.
Auffällig hinsichtlich ihrer Leistungen sind die Turbofantriebwerke PW4084, RB
221-882 (RR Trent 882) und GE90-B4 ganz rechts in Abb. 6.4, die alle für die zwei-
motorige Boeing 777 vorgesehen sind. Diese Triebwerke saugen beim Starten weit mehr als
1 000 kg/s Luft an, was einem sekündlichen Luftvolumen entspricht, welches vergleichbar
mit dem Volumen ist, das einem großzügigen Einfamilienhaus entspricht.
Der ebenfalls hinsichtlich seiner Leistungsdaten auffällige einwellige Turbojet GE 4 war
von General Electric für das SST-Projekt (Supersonic Transport) Boeing 2702 entwickelt
worden, ein Projekt, dessen Fertigstellung aus finanziellen Gründen vorzeitig abgebro-
chen wurde. Turbojettriebwerke sind bei hohen Geschwindigkeiten aufgrund ihrer relativ
kleinen und damit widerstandsarmen Stirnfläche ein bevorzugter Flugantrieb, wie z. B.
das Rolls-Royce Triebwerk Olympus, das am Überschallverkehrsflugzeug BAC-Concorde
zum Einsatz kommt. Der hohe Startschub dieses Triebwerks resultiert aus dem beim Start
verwendeten Nachbrenner.
Abbildung 6.4 zeigt den spezifischen Brennstoffverbrauch im Startfall, aufgetragen
über dem Startschub. Parameter ist der Brennstoffmassenstrom während des Startens,
also die Größe, durch die sich Schub und spezifischer Brennstoffverbrauch voneinander
unterscheiden, vgl. Gl. (6.21). Bei konstant gehaltenem Brennstoffmassenstrom nimmt
der spezifische Brennstoffverbrauch mit zunehmendem Startschub ab. In der Schub-
klasse 100 kN < F < 400 kN pendelt der spezifische Brennstoffverbrauch aller modernen
Turbofantriebwerke ausnahmslos um einen Wert von etwa 35 (kg/h)/kN herum. Nach-
brennertriebwerke zeigen im Vergleich zu den herkömmlichen Triebwerken einen deutlich
höheren Verbrauch.
Die Abb. 6.6 zeigt schließlich die Einheitsmasse von Strahltriebwerken, aufgetra-
gen über dem Startschub. Parameter ist die Triebwerksmasse. In der Schubklasse
100 kN < F < 400 kN pendelt die Einheitsmasse aller modernen Turbofantriebwerke aus-
nahmslos um einen Wert von ca. 18 kg/kN herum. Es ist auch zu erkennen, dass moderne
Triebwerke, wie das RR-Trent 890 oder das GE90, gegenüber den älteren Triebwerken, im-
mer größer werdende Triebwerksmassen mTW aufweisen, obwohl sich die Einheitsmassen
GM nur geringfügig verändern.
6.5 Charakteristische Kenngrößen am Beispiel ausgeführter . . . 393
Beispiel 6.1
Ein Gates Learjet mit zwei GE CJ610-8A Turbojettriebwerken fliegt mit c0 = 120 m/s
in Bodennähe (H0 ≈ 0 m und p0 = 1 013 hPa, T0 = 288 K). Von einem einzelnen
Triebwerk sind folgende Daten bekannt:
Schub 13.4 kN
Luftmassenstrom 20.0 kg/s
Triebwerksgewicht 186.0 kg
Spez. Brennstoffverbrauch 100.0 (kg/h)/kN
Zapfluftmassenstrom 0 kg/s
Wenn die Flugzeit im gegebenen Flugzustand t = 1.5 h beträgt, wie groß ist dann der
Gesamtmassenaufwand mges = mB + mTW ? Für die Wirtschaftlichkeit eines Flugzeuges
ist nicht nur das Triebwerksgewicht von Interesse, sondern auch die Kraftstoffmasse, die
zum Betreiben dieses Triebwerks notwendig ist, und vom Flugzeug mitgeführt werden
muss. Die Summe aus beiden Massen wird Gesamtmassenaufwand genannt.
RW = c0 · t = Reichweite
c0 · t ṁB
mB = ṁB · = ṁB · t mit BS = ⇒ ṁB = F · BS
c0 F
kg
mB = F · BS · t = 13.4 · 100 · 1.5 · kN · · h = 2 010 kg
h · kN
mges = (186 + 2 010) kg = 2 196 kg
kg N · s Nm kN h
qzu = 100 · 670 · 4.31 · 107 · 0.98 · · · · ·
h · kN kg kg 1 000 N 3 600 s
Nm kJ
qzu = 786 · 103 = 786
kg kg
Ma9 ⎢1 + 2 · Ma8⎥
2
A8
= ·⎣ ⎦ Abwandlung der Gleichung (5.62)
A9 Ma8 κ −1
1+ · Ma9 2
mit Ma8 = 1.0
2
⎡ ⎤ 12 · κ+1
κ−1
⎢ κ +1 ⎥
A8 = A9 · Ma9 · ⎢
⎣
⎥
⎦
κ −1
2· 1+ · Ma29
2
3
1.2
= 0.0815 · 1.17 · = 0.0797 m2
1 + 0.2 · 1.172
c92
Tt8 = Tt9 = T9 + nach Gleichung (18.234) in Anhang Kap .18.7
2 · cp
κ · Ri 1.4 · 287
mit cp = = = 1 004.5 Nm/(kg · K) wird daraus
κ −1 0.4
775.62
Tt8 = 1 095 + = 1 394.4 K
2 · 1 004.5
6.6 Wellenvergleichsleistung von Turboproptriebwerken 395
co c9
ηProp
Getriebe
Propellerschub FProp ηGetriebe Gasgeneratorschub FGG
Abb. 6.7 Leistungs- und Schubdefinitionen beim Turboproptriebwerk (hier Rolls-Royce Dart)
2
T8 = Tt8 · nach Gleichung (18.270) in Anhang 18.8
κ +1
2
T8 = 1 394.4 · = 1 162.0 K
2.4
√
c8 = a8 = κ · Ri · T8 = 683.3 m/s
Diese Schubleistung unterscheidet sich von der an der Welle des Turboproptriebwerks
zur Verfügung stehenden Gasgeneratorleistung PGG (nach Abzug aller Getriebeverluste)
396 6 Definitionen und Aero-Thermodynamische Grundlagen
Nicht alle vom Triebwerk über seine Welle bereitgestellte Leistung wird also tatsächlich
am Propeller umgesetzt. Propellerwirkungsgrade erreichen Werte von etwa 83 . . . 90 %.
Der gesamte Schub eines Turboproptriebwerks FTP setzt sich aus dem Propellerschub FProp
und dem Schub FGG des Gasgenerators (Restschub) zusammen:
Somit kann auch dem Gasgenerator eine Schubleistung PFGG zugeordnet werden, genau,
wie es mit Gl. (6.35) für den Propeller der Fall war:
Die gesamte Schubleistung eines Turboproptriebwerks PFTP ist damit die Summe der
Schubleistungen von Propeller und Gasgenerator:
PFTP = PFProp + PFGG = c0 · FProp + FGG (6.39)
Zur Beschreibung des Schubes FGG des Gasgenerators wird die allgemeine Schubgleichung
für Einstromtriebwerke (5.18) herangezogen, wobei davon ausgegangen wird, dass die
Restenergie des Heißgases am Gasgeneratoraustritt nur noch so gering ist, dass in der
nachfolgenden Schubdüsenaustrittsfläche A9 keine Schallgeschwindigkeit mehr erreicht
wird. Aus Gl. (6.40) wird damit:
Im Bodenstandfall mit c0 = 0 wird PFTP = 0. Die Kombination der Gln. (6.35) und (6.36)
führt zu einem Zusammenhang zwischen Propellerschub FProp und Wellenleistung des
Gasgenerators PGG :
PGG · ηProp
FProp = (6.42)
c0
In dieser Beziehung ist PGG die an der Welle des Turboproptriebwerks zur Verfügung
stehende Gasgeneratorleistung nach Abzug der Getriebeverluste. Durch Einführung eines
Getriebewirkungsgrades ηGetriebe , Abb. 6.7, kann PGG dann auch wie folgt ausgedrückt
werden:
Hierin ist PGGBrutto die Bruttoleistung, die an der Welle des Turboproptriebwerks durch den
Gasgenerator zur Verfügung gestellt wird, ohne dass das Getriebe Berücksichtigung findet.
Aus Gl. (6.42) wird damit:
PGG,Brutto · ηGetriebe · ηProp
FProp = (6.44)
c0
Liegt das Produkt der Wirkungsgrade ηGetriebe · ηProp oberhalb des später noch zu defi-
nierenden Vortriebswirkungsgrades ηV eines schubgleichen Turbofantriebwerks, was bei
Flugmachzahlen Ma0 < 0.7 zumeist der Fall ist, so ist der Turboprop die günstigere Lö-
sung, Hagen (1982). Der Startschub (Index „T−O“) eines Turboproptriebwerks kann über
Gl. (6.37) berechnet werden:
FProp
FTPT−O = FProp + FGG = PGG · + FGG (6.45)
PGG
Der Quotient aus Propellerschub FProp und an der Welle des Turboproptriebwerks zur
Verfügung stehender Leistung PGG wird als spezifischer Startschub bezeichnet:
FProp
FS TPT−O = (6.46)
PGG
Per Definition wird hierunter die auf den Propellerwirkungsgrad ηProp bezogene Schublei-
stung eines Turboproptriebwerks verstanden:
PFTP
Päq := (6.47)
ηProp
FGG · c0
Päq = PGG + im Flugfall c0 = 0 (6.49)
0.85
398 6 Definitionen und Aero-Thermodynamische Grundlagen
Für den Startfall, wenn das Flugzeug noch am Boden steht (c0 = 0) und die Triebwerke
bereits auf voller Leistung laufen, ist Gl. (6.49) nicht geeignet, da Päq = PGG werden würde.
Aus diesem Grunde ist eine andere Definition erforderlich, bei der der Startschub und der
spezifische Startschub ins Verhältnis gesetzt werden:
FTPT−O FTPT−O
Päq := = PGG · (6.50)
FSTPT−O FProp
Mittels Gl. (6.45) kann der ganz rechts in Gl. (6.50) stehende Quotient umformuliert
werden. Für die äquivalente Leistung im Startfall ergibt sich dann:
PGG
Päq = PGG + · FGG (6.51)
FProp
PGG 1
= = 0.063694 (6.52)
FProp 15.7
Damit ergibt sich für den Startfall der folgende Ausdruck für die äquivalente Leistung:
1
Päq = PGG + · FGG im Startfall c0 = 0 (6.53)
15.7
In Katalogen, Büchern und Tabellen ist es üblich, für Turboproptriebwerke diese äquiva-
lenten Leistungen anzugeben. Zusätzlich sind aber auch manchmal getrennte Angaben für
Schübe und Wellenleistungen zu finden. Bei Turboshafttriebwerken wird immer nur die
Wellenleistung angegeben.
PW125B Tyne 20
0B
M
-150
M
AE 2110A
TVD 15
TR 250 kg/h
322 0
T4 00
0 0k D-127
100 kg/h
12
39
500
06 kg
10
-01
75
50 g /h
B
-A /h
0k
m kg
D-
kg/
/ h
g/h
40
h
0.2 0
0 2000 4000 6000 8000 10000 12000
Leistung bzw. äquivalente Leistung in kW bzw. äq. kW
In Abb. 6.8 und 6.9 sind die zuvor definierten charakteristischen Triebwerkskenngrößen
BS und GM für verschiedene ausgeführte Wellenleistungstriebwerke dargestellt, jeweils
aufgetragen über der Startleistung PT−O . Die Bilder enthalten außer den jeweiligen Daten
der verschiedenen Wellenleistungstriebwerke, die durch Symbole markiert sind, ergän-
zende Kurven, die den Verlauf des zugehörigen Parameters der jeweiligen Darstellung
beschreiben. Aus Platzgründen sind in den Bildern nicht alle Symbole mit Triebwerks-
bezeichnungen gekennzeichnet worden. Eine ausführliche tabellarische Auflistung aller
in den folgenden Bildern dargestellten Wellenleistungstriebwerke gibt Kap. 18.11–18.12
wieder. Hier finden sich auch erklärende Hinweise zu der Art und Weise der Bezeichnung
von wesentlichen Wellenleistungstriebwerken.
Abbildung 6.8 zeigt, dass der spezifische Brennstoffverbrauch moderner Wellenlei-
stungstriebwerke zwischen 0.25 und 0.3 (kg/h)/kW angesiedelt ist. Die Einheitsmassen
liegen zwischen 0.1 und 0.2 kg/kW, Abb. 6.9.
400 6 Definitionen und Aero-Thermodynamische Grundlagen
0.5
PZL GTD-350 Turboshaft, Leistung P in kW
Turboprop, äquivalente Leistung Päq in äq kW
M-602
0.4 TWD-10B
Einheitsmasse in kg/kW
Abb. 6.9 Einheitsmasse von Turboprop- und Turboshafttriebwerken, aufgetragen über der äquiva-
lenten Leistung bzw. über der Leistung im Startfall. Parameter ist die Triebwerkstrockenmasse (ohne
Brenn- und Schmierstoffe)
Beispiel 6.2
Die Turbo 67 von Basler Turbo Conversions, Inc. (hochgradig modifizierte DC 3)
mit zwei PWC PT6A-67R Turboproptriebwerken hat eine Standardreisefluggeschwin-
digkeit von 368 km/h (H0 = 12.000 ft). Es sind darüber hinaus folgende Daten
bekannt:
äquivalente Startleistung = 1 125 äq kW
äquivalente Flugleistung = 6 750 äq kW
Gasgeneratorstartleistung = 1 061 kW
Gasgeneratorflugleistung = 6 340 kW
Spez. Brennstoffverbrauch
• im Startfall = 0.3164 (kg/h)/äq kW
• im Flugfall = 0.1784 (kg/h)/kW
Luftmassenstrom = 3.9 kg/s
Einheitsmasse = 0.2080 kg/äq kW
Für den Startfall ist der Schubanteil des Gasgenerators zu berechnen.
1
PäqT−O = PGG + · FGG in [kW] mit FGG in [N]
15.7
FGG = Päq − PGG · 15.7 = (1 125 − 1 061) · 15.7 = 1 005 N
6.8 Der Joule-Prozess als Gasturbinen-Vergleichsprozess 401
Für den Flugfall (Standardreiseflug) ist der Schubanteil des Gasgenerators zu berechnen.
FGG · c0
Päq = PGG + in [kW ] mit FGG in [kN]
ηProp
ηProp
FGG = Päq − PGG · mit ηPr op = 0.85
c0
km h 1 000 m
c0 = 368 · · · = 102 m/s
h 3 600 s km
0.85
FGG = (675 − 634) · = 0.3417 kN ≈ 342 N
102
Wenn die Flugzeit im Standardreiseflug t = 4,8 h beträgt, wie groß ist dann der
Gesamtmassenaufwand mges = mB + mTW ?
mTW
GM = = 0.208 im Startfall ⇒ mTW = GM · Päq = 0.208 · 1 125 = 234 kg
Päq
ṁB
BS = ⇒ ṁB = BS · Päq = 0.1784 · 675 = 120.4 kg/h
Päq
mB = ṁB · t = 120.4 · 4.8 = 578 kg
mges = mTW + mB = 234 + 578 = 812 kg
Das Wort bzw. der Ausdruck Vergleichsprozesses ist ein typischer Fachbegriff der tech-
nischen Thermodynamik. Vergleichsprozesse sind thermodynamische Kreisprozesse, die
auf ganz spezielle Maschinen, hier eine Gasturbine, zugeschnitten sind. Sie beschreiben
das Optimum, das mit einer solchen Maschine im Idealfall, d. h. bei reibungsfreien, re-
versiblen Zustandsänderungen (ohne Dissipation) erreichbar ist. Dazu gehört auch der
Wärmeaustausch mit der Umgebung (Zufuhr und Abgabe von Wärme). Die Qualität des
Prozesses wird durch seinen thermischen Wirkungsgrad beschrieben. Seine Güte durch
den Gütegrad. Das ist der Quotient des thermischen Wirkungsgrades der realen Maschine
zu dem der idealen Maschine.
wE,A = zu- oder abgeführte reversible, spezifische technische Arbeit, auch Strö-
mungsarbeit genannt (Prozessgröße)
qE,A = zu- oder abgeführte spezifische Wärmeenergie (Prozessgröße)
htE,A = Änderung der spezifischen Totalenthalpie im Gas
hE,A = Änderung der spezifischen Enthalpie im Gas
2
cEA /2 = ekin = Änderung der spezifischen kinetischen Energie im Gas
Die Indizes E und A weisen auf eine Zustandsänderung zwischen Eintritt E und
Austritt A des Treibwerks bzw. einer seiner Komponenten hin. Im Folgenden wird
die spezifische Totalenthalpie nur noch als Totalenthalpie bezeichnet werden und die spe-
zifische Enthalpie als statische Enthalpie4 . Unter dem Begriff der Totalenthalpie wird in
Gasströmungen der folgende Ausdruck verstanden:
c2 c2 κ · Ri
ht = h + ⇒ Tt = T + mit cp = (6.57)
2 2 · cp κ −1
Die Totalenthalpie ht einer Gasströmung ist die Summe aus statischer Enthalpie h und
spezifischer kinetischen Energie c2 /2 und ist über die die kalorische Zustandsgleichung für
ideale Gase und damit über die spezifische Wärmekapazität (bei konstantem Druck) cp
mit der Totaltemperatur ht = cp · Tt bzw. der statischen Temperatur h = cp · T verbunden,
wenn c die Strömungsgeschwindigkeit, κ der Isentropenexponent und Ri die spezifische
Gaskonstante sind.
Gleichung (6.56) wird nun auf die durch Bezugsebenen eingegrenzten Komponenten
des in Abb. 6.10 dargestellten einfachen Turbojettriebwerks angewendet. Das Triebwerk
und seine Komponenten – mit Ausnahme der Brennkammer – werden als adiabate Syste-
me betrachtet, also vollkommen und perfekt wärmeisoliert, ohne jeden Wärmeaustausch
mit der Umgebung. Der Zweck dieser Vorgehensweise liegt darin, Ausdrücke für Tempe-
raturdifferenzen zu schaffen, die anschließend leicht in einem T-s-Diagramm aufgetragen
werden können.
(6.58)
4
Diese Art der Bezeichnung erfolgt analog zu den Begriffen Total- oder Gesamtdruck pt und
statischer Druck p bzw. Totaltemperatur Tt und statische Temperatur T.
6.8 Der Joule-Prozess als Gasturbinen-Vergleichsprozess 403
0 1 2 3 4 5 7 8 9
q 34 = q zu = q B
freie
Nach-
expansion
Fang-
strom-
röhre Einlauf Verdichter Brenn- Tur- Schub-
(Diffusor) kammer bine düse
Abb. 6.10 Einfaches Turbojettriebwerk mit durch Bezugsebenen eingegrenzten Hauptbauteilen zur
Anwendung des ersten Hauptsatzes der Thermodynamik auf diese Komponenten
Abgesehen von der Brennkammer (q3,4 = qzu ) findet innerhalb eines solchen Trieb-
werks mit adiabaten Baugruppen kein Wärmeaustausch statt, sodass in allen anderen
Komponenten als der Brennkammer die spezifische Wärmeenergie q = 0 ist.
Da allgemein gilt, dass Arbeit = Kraft × Weg ist, kann spezifische, reversible techni-
sche Arbeit (= spezifische Strömungsarbeit) nur in den Komponenten eines Triebwerkes
umgesetzt werden, die sich bewegen, d. h., einen Weg zurücklegen. Im Triebwerk sind
das der Verdichter und die Turbine, d. h. w2,3 = wV und w4,5 = wT . Die für die Arbeit
notwendige Kraft ist in Verdichter und Turbine eine aerodynamische Kraft, die sich bei
der Umströmung der jeweiligen Beschaufelung entwickelt. Diese Kraft bewegt sich infolge
der Rotation der Laufräder in Umfangsrichtung und kann so Arbeit verrichten. Im Einlauf
und in der Schubdüse findet keine Änderung der Totalenthalpie bzw. Totaltemperatur
statt, da hier weder Wärme noch Arbeit zu- oder abgeführt werden.
Die Temperaturdifferenzen rechts in den Gln. (6.58) sind nun unter den nachfolgend
aufgelisteten Voraussetzungen in das T-s-Diagramm in Abb. 6.11 übertragen worden:
Tt 4
Tt4
4 wT wV
p t9 =
q zu p t5= cp cp
5
q zu c 28 Tt 5 = Tt 8 = Tt 9
cp 2c p c92
8
T8 2c p
9
T9
Tt3
wV 3 qab
p t0 − q ab cp
Tt2= Tt0 cp 2 p t2=
T0 T0
0
c02
2c p s
Der sich so in Abb. 6.11 ergebende reversible Kreisprozess wird als Joule5 -Gasturbinen-
Vergleichsprozess (engl.: Brayton6 -Cycle) bezeichnet. Ein solcher Prozess ist eine ver-
einfachte Darstellung der tatsächlichen Gegebenheiten und eignet sich besonders zur
einfachen und schnellen Beschreibung der thermodynamischen Vorgänge in einem Trieb-
werk. Die aus einer solchen Betrachtung resultierenden Ergebnisse sind von daher auch
nur qualitativer Natur, wobei Wirkungsgrade zu gut, Arbeiten oder Leistungen zu hoch
und Brennstoffverbräuche zu günstig werden.
Der zuvor skizzierte Joule-Vergleichsprozess beinhaltet zusätzlich zu den bisher
aufgelisteten Eigenschaften die folgenden weitergehenden Aussagen:
5
James Prescott Joule (∗ 1818 †1889) finanziell unabhängiger Privatgelehrter, der in Manchester,
England lebte. Führte Experimente zur Bestimmung des mechanischen Wärmeäquivalents, zur
Erwärmung Strom durchflossener elektrischer Leiter (Joulesche Wärme) und zur Drosselung von
Gasen (Joule-Thomson-Effekt) durch.
6
George Brayton (∗ 1830 †1892) war ein amerikanischer Maschinenbauingenieur, der erstmals eine
Gasturbine mit kontinuierlicher innerer Verbrennung kommerziell entwickelte und vertrieb.
6.8 Der Joule-Prozess als Gasturbinen-Vergleichsprozess 405
Die Gln. (6.60) und (6.61) beinhalten die in der Thermodynamik und auch bei den
Turbomaschinen üblichen Vorzeichenvereinbarungen:
Nach dieser Definition sind jedwede Energien positiv, wenn sie den Energiegehalt
in der Triebwerksströmung erhöhen (Aufstau vor dem Triebwerk und anschließende
Kompression im Verdichter) und sie sind negativ, wenn sie den Energiegehalt in der Trieb-
werksströmung absenken (Expansion in der Turbine und in der anschließenden Schubdüse
bis auf den Umgebungsdruck). Somit gilt auch, dass Wärmen positiv sind, wenn sie den
Energiegehalt in der Triebwerksströmung erhöhen (Brennkammer) und sie sind negativ,
wenn sie den Energiegehalt in der Triebwerksströmung absenken (Wärmeabgabe an die
Umgebung). Alle Zustandsänderungen zwischen 0 ...
3 (Kompressionsarbeiten) und
bis nach 4 (Wärmezufuhr) sind positiv und alle Zustandsänderungen von 4 ... 9
Aus der Thermodynamik wird die Beziehung für die an einem offenen System (Strahl-
triebwerk) reversible verrichtete totale spezifische Strömungsarbeit übernommen, wenn
das Fluid ein Gas7 ist, vgl. Gl. (18.19):
A
1 2
wt = v · dp + · cA − cE2 = wtech
rev
+ ekin = w + ekin (6.62)
2
E
Die Bezeichnung
rev
= w entspricht der spezifischen Arbeit wEA in Gl. (6.56). Das Inte-
wtech
gral wtech = v dp wird als die so genannte spezifische Strömungsarbeit bezeichnet, vgl. Gl.
rev
(18.12). Beim reibungsfreien (eDiss = 0) Joule-Prozess ist die spezifische technische Arbeit
gleich der so genannten totalen spezifischen Strömungsarbeit wt , die gleich der Summe aus
der spezifischen (reversiblen) Strömungsarbeit w und aus der Änderung der spezifischen
7
Bei Gasströmungen wird der Anteil potenzieller Energieänderungen generell vernachlässigt, da
dieser Anteil im Vergleich zu den übrigen Energien stets sehr klein ist. Aufgrund der Voraussetzung
von reversiblen Zustandsänderungen im Joule-Prozess sind die Anteile durch reibungsbedingte
Dissipation, eDiss , ebenfalls zu vernachlässigen (vgl. Kap. 18.1, Gl. 18.17 bis 18.20).
406 6 Definitionen und Aero-Thermodynamische Grundlagen
rev
kinetischen Energie ekin ist, vgl. Gl. (18.19). Beim Verdichter ist wtech = v dp gleich
der spezifischen technischen Verdichterarbeit (reversible Strömungsarbeit) wV und bei
der Turbine gleich der spezifischen technischen Turbinenarbeit (reversible Strömungsar-
beit) wT , wenn die Ein- und Austrittsgeschwindigkeiten cE und cA aus diesen Maschinen
gleich oder nahezu gleich groß sind8 . Mit dieser Kenntnis wird nun auf den Joule-Prozess in
Abb. 6.11 der Erste Hauptsatz für Kreisprozesse angewendet. Dieser Hauptsatz für Kreispro-
zesse besagt, dass die Summe aller am Triebwerk (offenes System) zu- und abgeführten
Wärmen und technischen Arbeiten gleich null ist, vgl. auch Kap. 18.3, Gl. (18.185):
i=n
i=n
qi,i+1 + (wtech )i,i+1 = 0 (6.63)
i=1 i=1
i=n
qi,i+1 = q3,4 + q9,0 = qzu + qab
i=1
i=n
i=n
(wtech )i,i+1 = wkomp + wexp (6.64)
i=1
In diesem Ausdruck ist wkomp die so genannte spezifische Kompressionsarbeit. Das ist, wie
aus Abb. 6.11 zu sehen ist, diejenige spezifische Arbeit, die zur Druckerhöhung (Kom-
pression) beiträgt. Die Druckerhöhung erfolgt durch den aerodynamischen Aufstau c02 /2,
d. h. durch den spezifischen dynamischen Druck und durch die (reversible) spezifische
Strömungsarbeit wV des Verdichters. Analog zu den vorhergehenden Ausführungen wird
mit wexp die Expansionsarbeit bezeichnet. Das ist, wie ebenfalls aus Abb. 6.11 gut zu se-
hen ist, die gesamte spezifische Arbeit, die zum Druckabbau (Expansion) beiträgt. Der
Druckabbau erfolgt durch die aerodynamische Expansion der Strömung in der Schubdüse
c92 /2, d. h. über den spezifischen dynamischen Druck und durch die spezifische (reversible)
Strömungsarbeit wT der Turbine:
c02 c2
0 = qzu + qab + + wV + 9 + wT = qzu + qab + wkomp + wexp (6.65)
2 2
Verdichter und Turbine befinden sich auf einer gemeinsamen Welle, über die der Ver-
dichter von der Turbine angetrieben wird. Im idealisierenden Vergleichsprozess wird
vereinfachend davon ausgegangen, dass die Turbine zum einen keine Zusatzaggregate
8
Im einfachen Fall werden die einzelnen Komponenten (Stufen) von Verdichter und Turbine als so
genannte Repetierstufen ausgelegt, was bedeutet, dass die Geschwindigkeiten c am Ein- und Austritt
der jeweiligen Stufe nach Betrag und Richtung gleich groß sind, c E = c A . Besteht eine Maschine nur
aus solchen Stufen, so gilt die zuvor genannte Gleichheit der Geschwindigkeiten bei den Stufen dann
natürlich auch für die gesamte Maschine, d. h., sowohl für den Verdichter als auch für die Turbine.
6.8 Der Joule-Prozess als Gasturbinen-Vergleichsprozess 407
(External Gear Box) antreibt und zum anderen ohne Kühlung auskommt. Außerdem soll
dem Verdichter auch keine Zapfluft entnommen werden. Unter diesen Umständen kann
bei Vernachlässigung aller mechanischen Verluste (z. B. Lagerreibung) davon ausgegan-
gen werden, dass zwischen Verdichter und Turbine ein Leistungsgleichgewicht besteht.
Wegen P = W/t und w = W/m und ṁ = m/t existiert zwischen der Leistung P und der
spezifischen Strömungsarbeit w der Zusammenhang
P = Ptech
rev
= ṁ · w = ṁ · wtech
rev
. (6.66)
$ $
PV $ −PT $
PV = |−PT | bzw. = $$ $ ⇒ wV = |−wT | (6.67)
ṁ0 ṁ0 $
Wird dieses Leistungsgleichgewicht in Gl. (6.65) übertragen, so ergibt sich, da sich die
spezifischen Strömungsarbeiten von Verdichter und Turbine gegenseitig herausheben:
i=n
c2 c2
− qi,i+1 = −q = − qzu + qab =+ 0 + 9 (6.68)
i=1
2 2
Nach den Vorzeichenvereinbarungen der Thermodynamik, so wie sie unterhalb von Gl.
(6.61) erläutert wurden, sind sowohl qab als auch c92 /2 negativ. Der letztgenannte Term ge-
hört zur Expansionsarbeit und Druckabbau (Expansion) ist thermodynamisch als negativ
zu bewerten. Aus Gl. (6.68) wird unter Berücksichtigung der Vorzeichen:
i=n 2 2
c c
− qi,i+1 = −q = − qzu + −qab = + 0 + − 9 (6.69)
i=1
2 2
Aus der allgemeinen Thermodynamik (z. B. Baehr 1992) wird nun auf die Energiebilanz
für Kreisprozesse mit idealen Maschinen zurückgegriffen:
$ $
wN = wtech = − q = − qzu − $qab $ < 0
$ $
− wN = qzu − $qab $ (6.70)
Mit −wN wird dabei die spezifische Nutzarbeit eines Kreisprozesses bezeichnet. Dieses ist
die Arbeit, die bei einem Turboprop/Turboshaft zum Antrieb einer Welle oder bei einem
Turbojet/Turbofan zum Vortrieb – durch Erzeugung eines schnellen Gasstrahls – genutzt
werden kann. Für alle Wärmekraftmaschinen (rechtslaufender Kreisprozess), zu denen
auch die Triebwerke gehören, ist die spezifische Nutzarbeit negativ, wN < 0, da sie vom
Kreisprozess nach außen – zum Antrieb einer anderen Maschine – abgegeben wird. Das
Zusammenführen der Gln. (6.69) und (6.70) ergibt dann:
c92 − c02 $ $
−wN = wtech = − q= = qzu − $qab $ < 0 (6.71)
2
Damit ist die (nach außen abgegebene: wN < 0) spezifische Nutzarbeit wN eines Strahl-
triebwerks nichts anderes als die Änderung der spezifischen kinetischen Energien
408 6 Definitionen und Aero-Thermodynamische Grundlagen
p isentrope p isentrope
A E
Kompression Expansion
(Verdichter/Aufstau) (Turbine/Düse)
dp dp
+w komp −w exp
A
E
1 1
v= v=
v ρ v ρ
Abb. 6.12 Darstellung der spezifischen Kompressions- und Expansionsarbeit als Flächen im p-v-
Diagramm
+w V
C
2
D 9
0
−q ab
v
von den spezifischen Wärmeenergien qzu und qab – im p-v-Diagramm als Flächen erschei-
nen. Soll viel Nutzen aus dem Kreisprozess gezogen werden, d. h., soll der Betrag der
spezifischen Nutzarbeit |wN | groß ausfallen, so muss nach Gl. (6.72) auch die kinetische
Energie der Düsenströmung c92 /2 groß ausfallen.Des Weiteren zeigt Abb. 6.13, dass eine
große kinetische Energie in der Zuströmung c02 2 den Verdichtereintrittsdruck herauf-
setzt, und damit – wenn der Verdichteraustrittsdruck vorgegeben ist – den Energieanteil
wV , den der Verdichter zur gesamten Druckerhöhung von 2 nach
3 beiträgt, herabsetzt.
Man nennt diesen Teil der Verdichtung die so genannte Vorverdichtung durch aerodyna-
mischen Aufstau vor dem Triebwerk. Fliegt das Triebwerk nur schnell genug, so kann der
aerodynamische Aufstau die Kompression durch den Verdichter vollkommen ersetzen,
was man dann als Staustrahltriebwerk (Ram-Jet) bezeichnet.
Wie Abb. 6.11, so lässt auch Abb. 6.13 erkennen, dass zwischen den Zustandspunkten 0
des Kreisprozesses auch als so genannte spezifische Kompressionsarbeit wkomp bzw. als
spezifische Expansionsarbeit wexp bezeichnet werden können:
c02 c2
wkomp = + wV > 0 bzw. wexp = 9 + wT < 0 (6.73)
2 2
Werden diese beiden spezifischen Arbeiten voneinander subtrahiert und das Leistungs-
gleichgewicht zwischen Verdichter und Turbine berücksichtigt, so ergibt sich wieder die
410 6 Definitionen und Aero-Thermodynamische Grundlagen
|−wN | = {Fläche −
A −
4 −
9 − A − {Fläche −
D } A −
3 −
0 −
D }
A
Es verbleibt die große, in Abb. 6.13 dunkle, senkrecht schraffierte Fläche, also ge-
nau die Fläche, die vom Kreisprozess umfahren wird. Die spezifische Nutzarbeit
eines Vergleichsprozesses9 im p-v-Diagramm entspricht also der vom Kreisprozess
umfahrenen Fläche:
|−wN | = v · dp (6.75)
$ $ c2 − c02 $ $
wN := |−wN | = |wN | = $wexp $ − wkomp = 9 = qzu − $qab $ (6.76)
2
Spezifische Wärmeenergien q für reversible Zustandsänderungen, so wie sie bei idealen
Kreisprozessen vorliegen, können wie folgt ausgedrückt werden:
A
$ $
$q$ = T · ds (6.77)
E
In einem T-s-Diagramm, Abb. 6.14, zeigen sich die spezifischen Wärmeenergien als Flä-
chen unter den Kurven der jeweiligen Zustandsänderungen, die im Vergleichsprozess
Isobaren sind. Werden die Darstellungen in Abb. 6.14 auf das T-s-Diagramm in Abb. 6.11
übertragen, so folgt daraus schließlich das in Abb. 6.15 dargestellte T-s-Diagramm. Abbil-
dung 6.15 zeigt, dass auch im T-s-Diagramm die vom Kreisprozess umfahrene Fläche der
spezifischen Nutzarbeit eines Vergleichsprozesses10 entspricht:
|wN | = T · ds (6.78)
9
Gilt so nicht in realen Kreisprozessen.
10
Notabene – in realen Kreisprozessen, also in Nicht-Vergleichsprozessen, ist die vom Kreisprozess
umfahrene Fläche nicht gleich der spezifischen Arbeit.
6.8 Der Joule-Prozess als Gasturbinen-Vergleichsprozess 411
T +q zu T
−q ab
E A
ds s ds s
Abb. 6.14 Darstellung der zu- und abgeführten spezifischen Wärmeenergien als Flächen im T-s-
Diagramm
T Tt 4
Tt4 4
− q ab wT wV
p t9 =
+q zu p = t5
−w N 5 =
q zu
cp c92
2 ⋅ cp
9
T9
Tt3
wV 3 qab
p t0 cp
Tt 2= Tt 0 c p 2 p t2=
T0 T0
0
c02
2 ⋅ cp s
Abb. 6.15 Zu- und abgeführte spezifische Wärmeenergien und spezifische Nutzarbeit beim
idealen Triebwerkskreisprozess (Gasturbinen-Vergleichsprozess, Joule-Prozess) für ein adiabates,
einwelliges Turbojettriebwerk im T-s-Diagramm
Die spezifischen Wärmeenergien qzu und qab stellen sich im T-s-Diagramm als Flächen
unter den beiden Zustandsänderungen für die Wärmezu- und Wärmeabfuhr dar, die beim
idealisierenden Vergleichsprozess Isobaren sind. Entsprechend der Gln. (6.57) und (6.58)
ergibt sich dann:
Wegen der Gleichdruckverbrennung pt3 = pt4 und der Expansion auf den Umgebungs-
druck p0 = p9 ergibt sich, dass die jeweiligen rechten Seiten der beiden vorhergehenden
Gleichung identisch sind und damit:
T0 T9 T0
= ⇒ T9 = Tt4 · (6.83)
Tt3 Tt4 Tt3
Kombiniert man nun die Gln. (6.83) und (6.81) so ergibt sich:
T0 T0 T0
wN = cp · T0 − Tt3 + Tt4 − Tt4 · = cp · Tt3 · − 1 + Tt4 · 1 −
Tt3 Tt3 Tt3
T0 T0 T0
wN = cp · Tt4 · 1 − − Tt3 · 1 − = cp · 1 − · (Tt4 − Tt3) (6.84)
Tt3 Tt3 Tt3
T0 Tt2
wN = cp · 1 − · · (Tt4 − Tt3 ) =
Tt0 Tt3
Durch die Anwendung der Isentropenbeziehung zwischen 2 und 3 bekommt man einen
Wird dieser Ausdruck nun in Gl. (6.85) eingesetzt und außerdem Gebrauch von Gl. (6.1)
gemacht, so folgt schließlich:
⎛ ⎞
⎝ 1 ⎠ Tt4 κ−1
wN = cp · T0 · 1 − κ−1 · − τ0 · πV =
κ
τ0 · πVκ T0
⎡ ⎛ ⎞ ⎤
Tt4 ⎝ 1 ⎠ κ−1
= cp · T0 · ⎣ · 1− κ−1 − τ0 · πVκ + 1⎦ (6.87)
T0 τ ·π κ
0 V
6.8 Der Joule-Prozess als Gasturbinen-Vergleichsprozess 413
Die Abb. 6.16 zeigt den Vergleichsprozess für ein Turbofantriebwerk. Die prinzipielle
Darstellung unterscheidet sich auf den ersten Blick nur wenig von der Darstellung für das
Turbojettriebwerk in Abb. 6.11. Die Zustandsänderungen, die den Fan unmittelbar betref-
fen, 12 bis ,
19 ballen sich sehr konzentriert in der unteren linken Ecke des Kreisprozesses .
11
Für den statischen Druck am Ende des Sekundärstroms gilt p19 = p0 . Da im Sekundärkreis
keine Wärme zugeführt wird, ist im Vergleichsprozess (ohne Reibung) die statische Tem-
peratur am Ende des Sekundärstromes wieder gleich der Umgebungstemperatur, T19 = T0 .
Bei einem realen Prozess läge T19 etwas oberhalb der Umgebungstemperatur T0 , was dann
aber ausschließlich eine unmittelbare Folge der Temperaturerhöhung aufgrund von Rei-
bung im Sekundärstrom ist. Viel entscheidender für das Verstehen, und insbesondere für
das Verstehen der thermodynamischen Möglichkeiten, eines Turbofantriebwerks, ist aber
das, was sich auf der rechten Kreisprozessseite abspielt.
Es wird von einem 2-welligen Turbofan ausgegangen, so wie er oben in Abb. 6.16 darge-
stellt ist. Die Strömungen durch die beiden Schubdüsen des Turbofans werden generell bis
hin zur vollständigen Expansion auf den Umgebungsdruck p9 = p19 = p0 betrachtet. Der
Primärteil beginnt mit dem unteren Teil der Fanbeschaufelung. Als Niederdruckverdichter
(NDV) wird demnach der Verdichterteil zwischen den Bezugsebenen 2 und 2.5 verstan-
den. Diesem schließt sich der Hochdruckverdichter (HDV) an. Der gesamte Verdichter
des Turbofan (NDV & HDV) liegt per Definition zwischen den Bezugsebenen 2 und
,3 und der Fan, der wie ein Axialverdichter anzusehen ist, zwischen den Bezugsebenen
12 = 2 und . 13
11
Der Hauptschubanteil eines Turbofantriebwerks resultiert aus dem Fanstrom und hier insbe-
sondere aus dem großen Massenstrom ṁII . Die sich dabei einstellenden Temperaturänderungen
Tt und spezifischen Arbeiten w = P ṁ sind aber vergleichsweise gering, sodass im Kreisprozess
der linksseitige Prozessanteil (an der spezifischen Kompressionsarbeit) infolge des sehr mächtigen
Sekundärstroms ṁII aber nur minimalistisch in Erscheinung tritt. Hier ist es wichtig, sich den Un-
terschied zwischen Leistung P und spezifischer Arbeit w vor Augen zu führenden. Die Leistungen
im Sekundärkreis sind sehr groß. Die spezifischen Arbeiten aber gering.
414 6 Definitionen und Aero-Thermodynamische Grundlagen
sekundäre
AL AM Schubdüse ARAS
Fan Brennkammer
(BK)
m II
primäre
II
m Schubdüse
I m I
m
0 = m
m I +m II
m I m I
II
m
II
m
0 1 2 B.O 3 4 D.O 8
Zu- Einlauf- Niederdruck- Hochdruck- Hochdruck- Niederdruck-
strö- Diffusor Verdichter Verdichter Turbine Turbine
mung (NDV) (HDV) (HDT) (NDT)
T 4
Tt4 Tt4
|w HDT| w HDV
cp = cp
|w T| |w HDT|+|w NDT|
w NDT w NDV w Fan
μ
cp
cp cp cp
Tt4,5
q zu/c p p t 4.5 D. O
cp =
p t9 5 c 2 = t 9=
p t5 =
t5 t8
8
8 2c p c92
3
Tt3 T8 2c p
p8
T9
w HDV/c p 9
w V/c p qab
cp
Tt 2= Tt 0 Tt 2.5 2 Tt13= Tt19
c19
T0 T0 T0
0 B.O 2c p
c02 2 AM=AS
2c p w NDV/c p w Fan/c p s
Welle, ebenso wie Fan, NDV und NDT. Beide Turbinen zusammen geben die Leistung
zum Antrieb des Fan und des Nieder- und Hochdruckverdichters ab. Die Leistungsabgabe
−PT der Gesamtturbine (HDT + NDT) ist also gleich dem Leistungsbedarf der Verdichter
in Primär- und Sekundärkreis (Primärstromverdichter + Fan) PV + PFan . Leistungen bzw.
spezifische Arbeiten sind mit Massenströmen und Totalenthalpien über den ersten Haupt-
satz der Thermodynamik gekoppelt. Das Leistungsgleichgewicht des idealen Turbofan
6.8 Der Joule-Prozess als Gasturbinen-Vergleichsprozess 415
nimmt damit die folgende Form an, wenn mittels Gl. (6.11) das Bypassverhältnis μ Be-
rücksichtigung findet und wenn außerdem angenommen wird, dass die Zapfluftentnahme
ṁZ hinter dem Hochdruckverdichter, unmittelbar hinter der Ebene ,
3 erfolgt:
|−PT | = PV + PFan
(ṁI + ṁB − ṁZ ) · cp · Tt4 − Tt5 = ṁI · cp · Tt3 − Tt2 + ṁII · cp · Tt13 − Tt2
(1 + β − α) · |−wT | = wV + μ · wFan (6.90)
Die Leistung der Hochdruckturbine (HDT) steht mit der Leistung des Hochdruckverdich-
ters (HDV) im Gleichgewicht (beide wirken nur im Primärkreis):
|−PHDT | = PHDV
(ṁI + ṁB − ṁZ ) · ṁI · cp · Tt4 − Tt4,5 = ṁI · cp · Tt3 − Tt2,5
(1 + β − α) · |−wHDT | = wHDV (6.91)
Analog dazu gilt, dass die Leistung der Niederdruckturbine (NDT) mit den Leistungen
von Niederdruckverdichter (NDV) und Fan im Gleichgewicht steht:
Die gesamte spezifische Arbeit der Turbine wT setzt sich aus den Anteilen der Hochdruck-
und der Niederdruckturbine zusammen:
(1 + β − α) · |−wT | = |−wHDT | + |−wNDT |
(1 + β − α) · |−wT | = (wHDV + wNDV ) + μ · wFan = wV + μ · wFan (6.93)
Der untere Teil von Abb. 6.16 zeigt alle diese formelmäßigen Zusammenhänge für den
thermodynamischen Vergleichsprozess eines Turbofantriebwerks, dargestellt in einem
T-s-Diagramm. Ausgehend vom Umgebungszustand T0 , p0 kommt es infolge des Flug-
aufstaus zu einer Temperaturerhöhung, die der kinetischen Energie der Anströmung c02 /2
entspricht. Entsprechend Tab. 18.8 berechnen sich die Totalgrößen des Eintrittszustandes
2 in den Verdichter wie folgt:
κ−1
κ
κ −1
pt2 = pt1 = pt0 = p0 · 1 + · Ma02
(6.94)
2
κ −1
Tt2 = Tt1 = Tt0 = T0 · 1 + · Ma0 2
(6.95)
2
Im Nebenstrom erfolgt die Verdichtung im Fan vom Strömungszustand 12 =
2 auf den
Zustand .
13 Im Primärkreis wird die einströmende Luft vom Strömungszustand 2 auf den
416 6 Definitionen und Aero-Thermodynamische Grundlagen
fuhr bei Gleichdruckverbrennung (pt3 = pt4 ) die Temperatur von Tt3 auf Tt4 angehoben.
Die beiden darauf folgenden Turbinen decken den Leistungsbedarf von Fan und Verdichter
ab. Die spezifische Turbinenarbeit |−wT | steht mit der entsprechenden Verdichterarbeit
wV im Gleichgewicht, |−wT | = wV + μ · wFan , wobei im Primärkreis jeweils ein Arbeits-
anteil von Niederdruck- und Hochdruckverdichter anfällt, wV = wNDV + wHDV . Die
Niederdruckturbine, die zum Primärkreis gehört, muss zusätzlich zum Anteil des Nie-
derdruckverdichters den restlichen, für den Fan erforderlichen Arbeitsanteil, abdecken
|−wNDT | = wNDV + μ · wFan . Für die Expansion in der Schubdüse des Kerntriebwerks ver-
bleibt dann noch die spezifische kinetische Energie c92 /2. Die vom Fan verdichtete Luft
mit dem Strömungszustand 13 expandiert über die Schubdüse des Sekundärkreises auf
den Umgebungsdruck p0 und die Umgebungstemperatur T0 . Dabei erreicht die Luft die
2
spezifische kinetische Energie c19 /2.
Die Position der Zustandspunkte 2.5 und
4.5 ergibt sich, wenn das Druckverhältnis
des Niederdruckverdichters πNDV bekannt ist, das bei zivilen Turbofantriebwerken in der
Größenordnung πNDV ≈ 2 . . . 2.5 liegt:
κ−1
κ
pt κ Tt2,5
πNDV = 2,5 = τNDV
κ−1
=
pt 2 T t2
κ−1
Tt2,5 = Tt2 · πNDV
κ
(6.96)
Aus Gl. (6.91) kann dann die Totaltemperatur Tt4,5 zwischen Hoch- und Niederdrucktur-
bine bestimmt werden, wenn Tt4 und Tt3 bekannt sind:
Mit diesen Temperaturen können die Druckverhältnisse von Hoch- und Niederdrucktur-
bine abgegeben werden:
κ−1
κ
κ−1
κ
Tt4,5 T t5
πHDT = πNDT = (6.98)
T t4 Tt4,5
geprägt wird. Der Wunsch nach großen Nebenstromverhältnissen μ, die maßgeblich den
spezifischen Brennstoffverbrauch senken (wie noch zu zeigen sein wird), ist also nur dann
realisierbar, wenn:
Die Grenzen der umsetzbaren Möglichkeiten bei einem Turbofantriebwerk werden also
durch die Randbedingung c92 /2 ≥ c02 /2 mit bestimmt. Andererseits zeigt dies aber auch,
dass moderne Turbofantriebwerke, mit großen Nebenstromverhältnissen μ ≈ 9, nur ge-
ringe Schübe FI im Primärkreis haben, da c9 nur noch geringfügig höher sein kann als
c0 , FI = ṁI · (c9 − c0 ), und da der Primärmassenstrom ṁI im Vergleich zum Sekun-
därmassenstrom ṁII nur noch etwa ein Zehntel beträgt. Der Schub des Sekundärkreises,
FII = ṁII · (c19 − c0 ), dominiert also den Triebwerksgesamtschub so, dass der Primärkreis
mehr oder weniger nur noch zu einer Antriebseinheit für den Fan degeneriert, also mehr
und mehr einem Turboprop (mit Einlaufdiffusor) ähnlich wird. Ein reiner Turboprop hat
etwa ein Nebenstromverhältnis von μ ≈ 40.
418 6 Definitionen und Aero-Thermodynamische Grundlagen
4 Tt4
T
|w T| |w HDT|+|w NDT|
cp = cp
p t4.5 Tt4,5
D.O
5
pt Tt5= Tt9= Tt8
p t8 =
9
p t5= c82
2c p c92
8 2c p
p8 T8
p9 T9
9
s
p t4
T Tt3 p t3 =
3
linker Teil des Vergleichsprozesses
w HDV
wV
p t2,5
pt13
Tt2.5 πFan =
B.O pt12
p t19
wNDV p t13 =
Tt19= Tt13 Tt19 = Tt13
AM=AS
w Fan p t2 = p t12 2
c19
Tt2= Tt12 = p 19
c2
0 2=AL p0 = p 9 2c p
2c p T0
0 s
Abb. 6.17 Jeweils separat dargestellter linker und rechter Teil des Turbofankreisprozesses nach
Abb. 6.16 zur Erklärung, wie das Bypass- und Fandruckverhältnis Einfluss auf die Realisierbarkeit
einer Triebwerkskonfiguration über den Kreisprozess nehmen
Geht man davon aus, dass die Turbineneintrittstemperaturen Tt4 nach oben durch
die Turbinenmaterialien und die Möglichkeiten der Turbinenkühlung begrenzt sind, so
sind weitere Steigerungen beim Nebenstromverhältnis μ, die ja, wie bereits erwähnt, zu
besseren spezifischen Verbräuchen führen, nur dann möglich, wenn gleichzeitig das Fan-
6.8 Der Joule-Prozess als Gasturbinen-Vergleichsprozess 419
druckverhältnis πFan = pt13 /pt12 und damit auch wFan reduziert werden. Dieses macht den
Fan aber deutlich empfindlicher gegen aerodynamische Störungen aller Art, die den Fan
androsseln und so in instabile Betriebsbereiche treiben können. Solche unerwünschten
und sogar für das Triebwerk gefährlichen Betriebszustände wären schließlich nur dadurch
in den Griff zu bekommen, wenn die Fan-Rotor-Schaufeln verstellbar wären und sich so
den jeweils vorherrschenden Betriebsbedingungen durch eine variable Geometrie anpas-
sen könnten. Alternativ und/oder ergänzend dazu wäre auch eine verstellbare Schubdüse
für den Sekundärkreis denkbar, über die das Druckniveau im Sekundärkanal gezielt zu
kontrollieren wäre (z. B. Abb. 4.65).
i=n
i=n
i=n
i=n
ṁ · q i,i+1
+ ṁ · wtech
rev
i,i+1
= ṁ · q i,i+1
+ (ṁ · w)i,i+1 = 0 (6.101)
i=1 i=1 i=1 i=1
Wir dividieren diese Gleichung nun durch den Primärmassenstrom ṁI und ordnen
den Termen der linken Kreisprozessseite (Kompressionsarbeiten) und der zugeführ-
ten Wärme vereinbarungsgemäß positive Vorzeichen zu. Der rechten Kreisprozessseite
(Expansionsarbeiten) und der abgeführten Wärme ordnen wir dann entsprechend der Vor-
zeichenvereinbarungen der Thermodynamik negative Vorzeichen zu. Mit μ = ṁII ṁI
ergibt sich dann:
c02 c2 c2 c2
0 = qzu − qab + + μ · 0 − 9 − μ · 19 +
2 2 2 2
+ wNDV + wHDV − wHDT − wNDT + μ · wFan (6.103)
Wegen der Gl. (6.93), |−wHDT − wNDT | = (wNDV + wHDV ) + μ · wFan , heben sich die Grö-
ßen in der unteren Zeile der obigen Gl. (6.103) nun gegenseitig heraus und es ergibt sich der
nachfolgende Ausdruck für den Betrag der spezifischen Nutzarbeit des Vergleichsprozesses
für ein Turbofantriebwerk:
2
2
$ $
|ṁI · wN | := (ṁI + ṁB ) · qzu − (ṁI + ṁB − ṁZ ) · $qab $ =
2
c2 c2 c c2
= (ṁI + ṁB − ṁZ ) · 9 − ṁI · 0 + ṁII · 19 − 0 (6.106)
2 2 2 2
$ $ $ $
|wN | = (1 + β) · qzu − $qab $ + α · $qab $ =
) 2 *
= (1 + β − α) · c92 − c02 + μ · c19 − c02 2 (6.107)
Die Leistung, die aus dem Kreisprozess zum Vortrieb eines Triebwerks bzw. zum Antrieb
einer Welle bestenfalls genutzt werden kann, ist die Nutzleistung |P N |. Sie ist das Produkt
aus spezifischer Nutzarbeit wN des Kreisprozesses gemäß Gl. (6.105) und dem Luftmassen-
durchsatz des Triebwerks und stellt insgesamt die Änderungen der kinetischen Energien
zwischen Triebwerksaus- und Triebwerkseintritt in Primär- und Sekundärkreis dar. Die
Verwendung des Brennstoff- und des Zapfluftmassenstroms soll in diesem Kapitel – der
besseren Übersicht wegen – vernachlässigt werden.
$ $ ṁI 2 ṁII 2
|PN | := Q̇zu − $Q̇ab $ = · c9 − c02 + · c19 − c02 (6.108)
2 2
Diese Gleichung wird nun dimensionslos gemacht, indem sie durch ṁI · c02 2 dividiert
wird. Man erhält:
2
2
|PN | c9 c19
= − 1 + μ · − 1 (6.109)
c02 c02 c02
ṁI ·
2
6.9 Nutz-, Schub- und Verlustleistung 421
PF c9 c19
= 2 · − 1 + 2 · μ · − 1 (6.111)
c02 c0 c0
ṁI ·
2
Wenn auf der einen Seite die Nutzleistung |PN | die dem Triebwerk für den Vortrieb maxi-
mal zur Verfügung stehende Leistung ist und auf der anderen Seite die Schubleistung PF
die vom Triebwerk schließlich für den Vortrieb effektiv nur nutzbare Leistung darstellt, so
muss die Differenz aus beiden (das eine solche Differenz existiert, soll hier erst einmal vor-
ausgesetzt werden) der Verlust zwischen Aufwand und Nutzen des technischen Vorganges
sein, was hier als Verlustleistung P Verl bezeichnet werden soll:
PVerl |PN | PF
2
= 2
− =
c c c2
ṁI · 0 ṁI · 0 ṁI · 0
2 2 2
2
2
PVerl c9 c9 c19 c19
= − 1 − 2 − 1 + μ − 1 − 2 − 1 (6.112)
c2 c02 c0 c02 c0
ṁI · 0
2
Unter Verwendung der Zweiten Binomischen Formel (Minus-Formel) ergibt sich:
2
2
PVerl c9 c19
= −1 +μ· −1 (6.113)
c2 c0 c0
ṁI · 0
2
Wir wollen jetzt vereinfachend davon ausgehen, dass der Primärkreis eines modernen Tur-
bofantriebwerks nur noch gering an der Gesamtschuberzeugung beteiligt ist (vgl. hierzu
die Textpassage
nach Abb. 6.17), sodass in den Gln. (6.109), (6.111), und (6.113) die Terme
mit c9 c0 − 1 , die zum Primärkreis gehören, vernachlässigbar klein sind im Vergleich
zu den Termen des Sekundärkreises.
Generelles Ziel aller Maschinen sollte es sein, die Differenz zwischen Aufwand und
Nutzen so gering wie möglich zu halten, was für ein Strahltriebwerk bedeutet:
• große Schubleistung PF
• kleine Verlustleistung PVerl → 0
• und somit PF ≈ PN
422 6 Definitionen und Aero-Thermodynamische Grundlagen
PN 25
2 PN PF Nutzleistung
II ⋅ c0
m 2
− 2
2 c c
20 m II ⋅ 0
m II ⋅ 0
PF 2 2
2
II ⋅ c0
m 15 Verlustleistung
2
Bereich, in dem
PVerl die Verlustleistung
2 10
II ⋅ c0
m
geringer als die
2 Schubleistung ist Schubleistung
5
0
1 2 3 4 c 19/c 0 5
Abb. 6.18 Dimensionslose Nutz-, Schub- und Verlustleistung von Turbofantriebwerken, ba-
sierend auf dem idealisierenden thermodynamischen Vergleichsprozess, aufgetragen über dem
Geschwindigkeitsverhältnis c19 /c0 im Sekundärstrom
Unter den zuvor gemachten Voraussetzungen zeigt die Gl. (6.113) dann, dass die Verlust-
leistung PVerl aber nur dann gegen null strebt, wenn auch c19 → c0 geht. Das würde aber
hinsichtlich der Schubgleichung F ≈ FII = ṁII · (c19 − c0 ) zu dem unerwünschten Resultat
führen, dass der Schub F auch gegen null strebt. Ein großer Schub F bedeutet also immer
die Existenz einer Verlustleistung, was auch daraus ersichtlich ist, dass der Schub bzw.
die Schubleistung PF mit (c19 −c0 ) linear ansteigt, wogegen die Verlustleistung PVerl mit
(c19 −c0 )2 quadratisch zunimmt.
Eine grafische Darstellung dieser Verhältnisse zeigt die Abb. 6.18. Hier sind die folgen-
den dimensionslosen Leistungen über dem Geschwindigkeitsverhältnis c19 /c0 aufgetragen
worden, wobei zusätzlich von der Relation ṁII = μ · ṁI Gebrauch gemacht wurde:
2
2
|PN | c19 PF c19 PVerl c19
= −1 =2· −1 = −1 (6.114)
c2 c0 c02 c0 c2 c0
ṁII · 0 ṁII · ṁII · 0
2 2 2
Es ist zu sehen, dass alle diese dimensionslosen spezifischen Arbeiten ( w = P ṁ) nur vom
Geschwindigkeitsverhältnis c19 /c0 abhängen, über dem sie in Abb. 6.18 aufgetragen sind.
Das Bild verdeutlicht, dass für c0 = const mit steigendem c19 die Differenz zwischen PN
und PF ständig größer wird, was bedeutet, dass die Ausnutzung der vom Kreisprozess zur
Verfügung gestellten Nutzarbeit |PN | für den Vortrieb F bzw. PF mit größer werdendem
c19 immer ungünstiger ausfällt. Nur im schraffiert dargestellten Bereich, der genau bis
c19 /c0 = 3 reicht, ist die Verlustleistung geringer als die Schubleistung. Bei c19 /c0 = 3 ist
die Schubleistung gerade halb so groß wie die Nutzleistung, d. h., PF /|PN | = 0.5.
Wenn man bedenkt, dass hier bei den Strahltriebwerken eine Verlustleistung existiert,
deren Beschreibung aus einem reversiblen Vergleichsprozess hervorgeht, also aus einem
6.9 Nutz-, Schub- und Verlustleistung 423
Prozess, der Verluste nicht berücksichtigt, egal welcher Art sie sind, so muss sich sofort
die Frage stellen, was ist das für ein Verlust?
Ein Großteil der doch erheblichen kinetischen Energie im Strahl am Triebwerksaustritt
beschleunigt auch die Luftmassen, die sich hinter dem Triebwerk befinden. Diese Ener-
gie ist also, wenn Sie das Triebwerk verlassen hat, nicht mehr für den Vortrieb nutzbar.
Dass dieser Energieanteil erheblich ist, zeigen heutzutage auch viele Filme bzw. Videos,
indem sie dokumentieren, dass selbst tonnenschwere Fahrzeuge, die in weitem Abstand
hinter laufenden Flugzeug-Strahltriebwerken herfahren, von deren in die Atmosphäre
hineingetragenen kinetischen Energie regelrecht „weggeblasen“ werden. Dieser Effekt ist
umso größer, je größer
2 die Stahlgeschwindigkeit c19 bzw. die daraus resultierende kineti-
sche Energie ṁII · c19 2 ist. Abbildung 6.18 verdeutlicht, dass eine effektive Wandlung
von Triebwerks-Nutzleistung (Kreisprozessleistung) in Vortriebsleistung also nur dann
gut gelingt, wenn die Strahlgeschwindigkeit klein gehalten werden kann. Diese kleinen
Strahlgeschwindigkeiten führen aber wegen F ≈ FII = ṁII · (c19 − c0 ) nur dann zu ei-
nem ausreichend großen Schub, wenn gleichzeitig der Massenstrom ṁII groß ausfällt.
Damit wird dann auch klarer, warum die Auslegungsziele moderner Turbofantriebwer-
ke auf ein hohes Nebenstromverhältnis und auf kleine Düsenaustrittsgeschwindigkeiten
führen. Letztere haben noch einen durchaus gewollten Nebeneffekt, sie senken nämlich
unter Anderem auch das Lärmniveau eines Triebwerks. Verlustleistung ist also das Re-
sultat der hinter einem Triebwerk in der Atmosphäre verbleibenden kinetischen Energie
der so genannten Triebwerksstützmasse12 . Durch Verwirbelung und Vermischung in der
Atmosphäre wird diese Energie schließlich vollständig dissipiert.
In der Praxis ist es weniger üblich, die Differenz zwischen Aufwand und Nutzen dar-
zustellen, PVerl = PN − PF , als vielmehr das Verhältnis aus Nutzen zu Aufwand, PF /PN ,
was dann gewöhnlich als Wirkungsgrad η bezeichnet wird. Wir werden später in Kap.
6.12 noch sehen, dass das Verhältnis aus Schub- zu Nutzleitung als Vortriebswirkungs-
grad ηP bezeichnet wird, d. h., bei c9 /c0 = 3 ist der so genannte Vortriebswirkungsgrad
eines Triebwerks gerade 50 %. Für Geschwindigkeitsverhältnisse c9 /c0 > 3 ist der Ver-
lustanteil PVerl an der vom Kreisprozess zur Verfügung gestellten Nutzleistung PN stets
größer, als die Leistung PF , die noch in Schub (Vortrieb) gewandelt werden kann. Ab
hier ist also die Kreisprozessausnutzung besonders schlecht, da im Vergleich zu dem, was
von der Kreisprozess-Nutzleistung tatsächlich noch in Schub(-leistung) wandelbar ist, die
Verlustanteile mehr und mehr die Dominanz übernehmen.
12
Als Stützmasse bezeichnet man bei Impulsantrieben die nach hinten ausgestoßene Masse, die ur-
sächlich für den Vortrieb, d. h. den Schub ist. Bei Flugzeug-Strahltriebwerken wird diese Stützmasse
aus der Umgebung angesaugt und dann nach hinten ausgestoßen, man sagt: thermisch beschleunigt.
Bei Propellertriebwerken erfolgt die Beschleunigung der Stützmasse rein mechanisch durch den Pro-
peller, aber sonst ähnlich, wie beim Strahlantrieb. Bei Raketenantrieben wird dies Stützmasse vom
Flugantrieb mit getragen als verbrannter Treibstoff in die Atmosphäre ausgestoßen.
424 6 Definitionen und Aero-Thermodynamische Grundlagen
Zuvor war in Kap. 6.8.2.2 gezeigt worden, dass die Nutzleistung des zugehörigen Ver-
gleichsprozesses gleich der Änderung der kinetischen Energien zwischen Aus- und Eintritt
von Primär- und Sekundärstrom ist.
ṁI + ṁB − ṁZ 2 ṁI 2 ṁII 2
· c9 − · c0 + · c19 − c02
ẆN 2 2 2
ηth = = =
Q̇B Q̇B
2
(ṁI + ṁB − ṁZ ) · c92 − ṁI · c02 + ṁII · c19 − c02
ηth = (6.116)
2 · Q̇B
Aus den Gln. (6.20) und (6.25) wird:
Q̇zu
qzu := = β · Hi · ηBK ⇒ Q̇zu = ṁI · β · Hi · ηBK , (6.117)
ṁI
und daraus schließlich:
Q̇zu ṁI · β · Hi · ηBK
Q̇B = = = ṁI · β · Hi . (6.118)
ηBK ηBK
Das Einsetzen dieses Ausdrucks in die Gl. (6.116) ergibt dann eine Beziehung für den
thermischen Wirkungsgrad eines Turbofantriebwerks:
2
(ṁI + ṁB − ṁZ ) · c92 − ṁI · c02 + ṁII · c19 − c02
ηth =
2 · ṁI · β · Hi
ṁB ṁZ ṁII 2
1+ − · c92 − c02 + · c19 − c02
ṁI ṁI ṁI
ηth =
2 · β · Hi
2
(1 + β − α) · c9 − c02 + μ · c19
2
− c02
ηth = Turbofan (6.119)
2 · β · Hi
6.10 Thermischer Wirkungsgrad 425
1. Für fest vorgegebene Werte für F und c0 soll bei β = const die Geschwindigkeit c9 durch
konstruktive Änderungen am Triebwerk gesteigert werden:
2. Für fest vorgegebene Werte für F und c0 soll bei c9 = const das Brennstoff/Luft-
Verhältnis β durch konstruktive Änderungen am Triebwerk gesenkt werden:
In dieser Gleichung, die aus dem so genannten Carnot-Prozess resultiert13 , sind Tmin
und Tmax die minimale bzw. maximale Temperatur des Kreisprozesses, der von allen
Kreisprozessen den überhaupt größtmöglichen Anteil von zugeführter Wärme in Nutz-
arbeit wandelt. Der Betrag der Nutzarbeit ist beim Carnot-Prozess aber vergleichsweise
gering, sodass davon ausgegangen werden kann, dass bei einem realen Carnot-Prozess, so-
weit dieser über technisch realisierbar wäre, alle gewonnene Nutzarbeit schließlich durch
Reibung (Dissipation) aufgezehrt werden dürfte.
Will man den Carnot-Faktor auf Prozesse übertragen, bei denen die Wärmezufuhr
über ein Temperaturbereich erfolgt, so wie es beim Joule-Vergleichsprozess zwischen
den Zustandspunkten 3 und 4 der Fall ist, so ist in Gl. (6.121) anstelle von Tmin die
T0
ηth,opt = 1 − zum Vergleich zwischen Joule- und Carnot-Prozess (6.123)
T th
Bei den Strahltriebwerken, bei denen T0 = Tmin ≈ 200 K in H0 = 11 km Höhe in etwa der
niedrigsten Umgebungstemperatur entspricht, Tt4 ≈ 1 800 K der (theoretisch) höchsten
Brennkammeraustrittstemperatur und Tt3 ≈ 850 K der höchsten Verdichteraustrittstem-
peratur, wird also die thermodynamische Mitteltemperatur in etwa T th ≈ 1 266 K betragen
und damit der optimale, d. h., der bestenfalls erzielbare thermische Wirkungsgrad bei
ηth, opt = ηCar ≈ 0.84 angesiedelt sein. Praktische Werte für den thermischen Wirkungs-
grad real ausgeführter Triebwerke liegen bei dem derzeitigen Stand der Technik um etwa
ηth ≈ 0.5 herum oder etwas darüber.
In die Definitionsgleichung für den thermischen Wirkungsgrad (6.115) werden nun die
Gln. (6.87) und (6.79) eingesetzt und man erhält bei ηBK = 1.0 sofort:
|wN | 1 1 T0
ηth = =1− κ−1 = 1 − =1− mit Tt0 = Tt2 (6.124)
qzu Tt0 Tt3 Tt3
τ0 · πVκ ·
T0 Tt2
13
Nicolas Leonard Sadi Carnot (∗ 1796 †1832) war französischer Ingenieur-Offizier und gilt als
Begründer der heutigen Technischen Thermodynamik. Er behandelte das Problem der Gewinnung
von Nutzarbeit aus Wärme ganz allgemein und entwickelte dazu einen idealisierten Kreisprozess aus
zwei reversiblen isothermen und zwei reversiblen adiabaten Zustandsänderungen. Siehe hierzu auch
Kap. 18.3, Abschn. 18.3.1.
6.10 Thermischer Wirkungsgrad 427
T Für Tt 4 → Tt3 ergibt sich der beste T Für Tt 3 → T0 ergibt sich das beste
thermische Wirkungsgrad ηth, wobei Arbeitsverhältnis rW, wobei aber der
aber der Kreisprozess zu Kreisprozess zu einer einzigen
einer einzigen Isentropen Isobaren degeneriert und
degeneriert und keine keine Nutzarbeit |−w N|
Nutzarbeit |−w N| mehr mehr abgibt.
abgibt.
→
Tt4
Tt3 are
Isob
Isentrope
Tt3
→
T0
s s
Abb. 6.19 Zur Erläuterung des besten thermischen Wirkungsgrades und des besten Arbeitsverhält-
nisses beim Joule-Prozess
Prozessverlaufes eine höhere Temperatur auftritt, als sie durch die Umgebungstempe-
ratur14 vorgegeben ist. Beim Joule-Vergleichsprozess wird diese Temperatur nicht vom
Brennkammeraustrittszustand Tt4 , sondern vielmehr vom Verdichteraustrittszustand Tt3
bestimmt.
6.11 Arbeitsverhältnis
Das Arbeitsverhältnis rW beschreibt, wie viel Nutzarbeit |−wN | im Verhältnis zur Expan-
sionsarbeit | −wexp | = | −wT | + c92 /2 abgegeben werden kann. Ziel ist es, möglichst wenig
der Expansionsarbeit für die Verdichterarbeit abzuführen |−wT | = wV und einen mög-
lichst großen Teil an c92 /2 für den Strahlantrieb bzw. für die vom Kreisprozess abgegebene
Nutzarbeit (|wN | ≈ c92 /2 f ür c0 → 0) bereitzustellen:
|wN | |wN |
rW := $ $= (6.127)
$wexp $ c2
|wT | + 9
2
Aus Gl. (6.74) wird:
c92 c2
= |wN | + 0 (6.128)
2 2
14
Die mit Umgebungstemperatur T0 zur Verfügung stehenden riesigen Energien in den Meeren und
in der Luft sind aus diesem Grund thermodynamisch wertlos.
6.11 Arbeitsverhältnis 429
Die Kombination der Gln. (6.127), (6.128), und (6.72) ergibt dann:
|wN | |wN | 1
rW = $ $= = für c0 = 0 = Bodenstandfall (6.130)
$wexp $ |wN | + |wT | |wT |
1+
|wN |
In der Sonderfallgleichung (6.130) gilt wegen c0 = 0 auch |wN | = c92 /2. Damit ist der
Quotient im Nenner von Gl. (6.130) das Verhältnis der Strecken zwischen 4 und 5 und
18.11. Der maßgebende Faktor im Arbeitsverhältnis ist also das Verhältnis von Turbinen-
zu Nutzarbeit.
Wir gehen nun vom Sonderfall wieder weg. Wenn dann in Gl. (6.127) für |wN | der
Ausdruck (6.81) eingesetzt wird, so ergibt sich:
ermittelt, d. h. |wexp | = cp · (Tt4 −T9 ). Für die Abgastemperatur T9 wird nun Gl. (6.83)
verwendet:
T0 T0
Tt3 · 1 − Tt3 · 1 −
Tt3 Tt3 Tt3
rW = 1 − =1−
=1− (6.132)
T0 T0 Tt4
Tt4 − Tt4 · Tt4 · 1 −
Tt3 Tt3
τV T0 /Tt4 1
rW = 1 − τ0 · =1− =1− (6.134)
τλ 1 − ηth τλ · (1 − ηth )
430 6 Definitionen und Aero-Thermodynamische Grundlagen
Das Verhältnis T0 /Tt4 = T0 /Tmax liegt bei Flugzeuggasturbinen in einem Bereich von
etwa 0.125 . . . 0.3 (τλ = Tt4 /T0 = 3 . . . 8). Die Gl. (6.134) zeigt, je größer die Turbinen-
eintrittstemperatur Tt4 bzw. τλ wird, umso besser wird das Arbeitsverhältnis rW ausfallen.
Außerdem ist zu sehen, dass rW schlechter wird, je besser der thermische Wirkungsgrad ηth
ist. Die Gl. (6.133) zeigt außerdem, dass rW schlechter wird, wenn das Verdichterdruck-
verhältnis πV ansteigt. Wir erinnern uns, wenn πV ansteigt, dann wird der thermische
Wirkungsgrad besser. Aus dieser Darstellung wird ein wesentlicher allgemeiner Nachteil
des Joule-Prozesses deutlich, nämlich dass bei gutem thermischen Wirkungsgrad nur ein
schlechtes Arbeitsverhältnis realisierbar ist und umgekehrt, dass ein gutes Arbeitsverhält-
nis immer einen schlechten thermischen Wirkungsgrad nach sich zieht. Aus Gl. (6.133)
kann durch Erweiterung mit der Umgebungstemperatur T0 der Ausdruck:
Tt3 T0 Tt3
rW = 1 − =1− · (6.135)
Tt4 Tt4 T0
gebildet werden. Lässt man hier T0 gegen Tt3 streben, so ergibt sich:
Tt3 T0 T0
rW = 1 − =1− =1− = ηCar
Tt4 Tt4 Tmax
Für T0 → Tt3 ergibt sich das beste Arbeitsverhältnis des Joule-Prozesses, das dann gleich
dem Carnot-Faktor ist, rW,opt = ηCar . Der rechte Teil von Abb. 6.19 zeigt aber, dass für
einen solchen Fall der Kreisprozess zu einer einzigen Isobaren degenerieren würde. In
einem solchen Fall würde alle zugeführte Wärme sofort auch wieder abgegeben werden
und der Prozess hätte keine Nutzarbeit, die er abgeben könnte. Wie es auch schon beim
thermischen Wirkungsgrad gezeigt wurde, so macht auch beim Arbeitsverhältnis eine
Optimierung zum Bestwert hin keinen wirklichen Sinn, da ein solcher Prozess wenig bis
keine Leistung abgeben würde.
6.12 Vortriebswirkungsgrad
Dieser Wirkungsgrad, der auch äußerer Wirkungsgrad genannt wird, beschreibt, wie die
aus dem Kreisprozess zur Verfügung stehende Nutzleistung |PN | in Schubleistung PF um-
gesetzt wird. Die Differenz dieser beiden Größen hatten wir in Kap. 6.9 als Verlustleistung
bezeichnet und diskutiert. Demzufolge muss sich der Inhalt dieser Diskussion auch hier
beim Vortriebswirkungsgrad irgendwie wiederfinden. Es gilt nun per Definition:
PF ẆF WF wF
ηP := $ $ = $ $= = (6.136)
$P $ $ẆN $ |WN | |wN |
N
In diese Gleichung wird nun Ausdruck (6.108) für die Nutzleistung und der Ausdruck
(6.110) für die Schubleistung eingesetzt. Im Primärmassenstrom ṁI werden zudem der
Brennstoffmassenstrom ṁB und der Zapfluftmassenstrom ṁZ mit berücksichtigt, wobei
6.12 Vortriebswirkungsgrad 431
aus Gründen der Vereinfachung angenommen wird, dass die gesamte Zapfluftentnahme
hinter dem Hochdruckverdichter, unmittelbar hinter der Ebene ,
3 erfolgt.
PF F · c0
ηP = = (6.137)
|PN | ṁI + ṁB − ṁZ 2 ṁI 2 ṁII 2
· c9 − · c0 + · c19 − c02
2 2 2
Mit dem spezifischen Schub Fs = F ṁ0 gemäß Gl. (6.3) ergibt sich daraus:
2 · FS · ṁ0 · c0
ηP = 2
(ṁI + ṁB − ṁZ ) · c92 − ṁI · c02 + ṁII · c19 − c02
2 · FS · ṁ0 · c0
ηP = 2 (6.138)
ṁI · (1 + β − α) · c92 − c02 + ṁII · c19 − c02
Mit ṁI = ṁ0 /(1 + μ) und ṁII = μ · ṁ0 /(1 + μ) gemäß der Gln. (6.13) und (6.14) wird
daraus:
2 · FS · ṁ0 · c0 · (1 + μ)
ηP = 2
ṁ0 · (1 + β − α) · c92 − c02 + μ · ṁ0 · c19 − c02
2 · FS · c0 · (1 + μ)
ηP = 2 (6.139)
(1 + β − α) · c92 − c02 + μ · c19 − c02
Nach Einsetzen der Gl. (6.7) folgt daraus die endgültige Gleichung für den Vortriebswir-
kungsgrad des Turbofantriebwerks:
(1 + β − α) · c9 − c0 + μ · (c19 − c0 )
ηP = 2 · c0 · 2 (6.140)
(1 + β − α) · c92 − c02 + μ · c19 − c02
Für μ = 0 ergibt sich daraus der Vortriebswirkungsgrad des Turbojettriebwerks:
(1 + β − α) · c9 − c0
ηP = 2 · c 0 · (6.141)
(1 + β − α) · c92 − c02
Für β − α 1 wird daraus für den Fall des Turbojet:
2
c9 − c0 c0 · c9 − c02 c0 · c9 − c02 1/c0
ηP = 2 · c 0 · 2 =2· 2 =2· 2 · =
c9 − c0
2
c9 − c0 2
c9 − c0 2
1/c02
c9 c9
−1 −1
c c0 2
ηP = 2 · 02 =2·
= c (6.142)
c9 c9 c9 9
+1
− 1 − 1 · + 1 c0
c02 c0 c0
Mit Fs = c9 − c0 ⇒ c9 c0 = 1 + Fs c0 ergibt sich dann daraus die einfachste Form des
Vortriebswirkungsgrad für ein Turbojettriebwerk:
2
ηP = Turbojet mit β − α 1 (6.143)
Fs
2+
c0
432 6 Definitionen und Aero-Thermodynamische Grundlagen
1.0
ηP für m 0 ,c 0 = const Fs =
F
= c9 − c0
Fs
= 0.5 m 0
0.8 c0 Fs c9 F
= − 1=
1.0 c0 c 0 0⋅ 0
0.6 1.5
Turbojet
2.0
2.5
0.4
4.0
0.2 Bereich, in dem dieVerlustleistung
größer als die Schubleistung ist
0.0
1 2 3 c 9/c 0 5
Abb. 6.20 Vortriebswirkungsgrad ηP , für einen Turbojetflugantrieb, aufgetragen über dem Ge-
schwindigkeitsverhältnis c9 /c0 . Ergänzend ist im Bild der spezifische Schub, bezogen auf die
Fluggeschwindigkeit FS /c0 , mit angegeben worden
Die Abb. 6.20 zeigt den Verlauf des Vortriebswirkungsgrades ηP über dem Geschwindig-
keitsverhältnis c9 /c0 nach Gl. (6.142). Mit zunehmendem Geschwindigkeitsverhältnis c9 /c0
nimmt der Vortriebswirkungsgrad ηP ab. Andererseits zeigt Abb. 6.20 aber auch, dass
der spezifische Schub Fs mit dem Geschwindigkeitsverhältnis c9 /c0 ansteigt. Umgekehrt
ausgedrückt heißt das aber auch, dass jede Verbesserung im Vortriebswirkungsgrad ηP
zu einer Abnahme des spezifischen Schubes Fs führt. Das Kap. 6.13 wird noch zeigen,
dass ein verbesserter Vortriebswirkungsgrad ηP aber andererseits auch immer eine Ab-
nahme des spezifischen Brennstoffverbrauchs Bs bedeutet. Eine Gesamtsituation, die für
Triebwerkskonstrukteure ein gewisses Dilemma darstellt.
Bei gegebener Fluggeschwindigkeit c0 muss also eine Verbesserung des Vortriebswir-
kungsgrades ηP auch stets mit einer Erhöhung des Massenstroms ṁ0 einhergehen, umso die
Einbuße an spezifischem Schub zu kompensieren. Ein erhöhter Massenstrom bedeutet aber
praktisch auch immer eine Zunahme bei den Triebwerksabmessungen (Frontfläche) und
beim Triebwerksgewicht. Die erhöhten Triebwerksabmessungen können darüber hinaus
auch noch den aerodynamischen Widerstand des Triebwerks erhöhen. Von daher muss
ein Triebwerkskonstrukteur immer einen Kompromiss zwischen Triebwerksabmessun-
gen, Triebwerksgewicht und gutem Vortriebswirkungsgrad ηP finden. Bei militärischen
Triebwerken, wo ein geringes Gewicht und geringe Stirnflächenabmessungen bevorzugt
werden, wird der Vortriebswirkungsgrad ηP geringer ausfallen als bei zivilen Triebwerken,
wo der hohe Vortriebswirkungsgrad ηP im Zusammenhang mit dem geringen spezifischen
Verbrauch Bs eher den Vorzug findet.
Hinsichtlich der bisherigen Ausführungen zum thermischen Wirkungsgrad und zum
Vortriebswirkungsgrad kann Folgendes festgestellt werden:
6.12 Vortriebswirkungsgrad 433
• eine Verbesserung des thermischen Wirkungsgrades ηth = |PN | Q̇B durch eine Erhö-
hung von c9 scheint nicht angebracht zu sein. Zwar wird dadurch die Umwandlung von
Wärme QB in Arbeit WN verbessert, aber diese Verbesserung kann nicht in einen Schub-
vorteil verwandelt werden, was der damit verbundene Abfall im Vortriebswirkungsgrad
ηP = WF /WN zeigt. Bei Turbojettriebwerken führt eine Verbesserung des Kreisprozes-
ses, z. B. durch Wirkungsgradverbesserung einer seiner Komponenten, meist aber dazu,
dass die Düsenaustrittsgeschwindigkeit c9 zunimmt.
• Sinnvoller dagegen erscheint es – wenn möglich – die Düsenaustrittsgeschwindigkeit
c9 zu verringern und dabei den thermischen Wirkungsgrad durch eine zusätzli-
che Verkleinerung von β = ṁB /ṁ0 insgesamt dennoch zu verbessern, was durch
einen Verringerung Brennstoffmassenstroms und/oder durch eine Erhöhung des Luft-
massenstroms zu erreichen ist. Das verringerte c9 verbessert dann seinerseits den
Vortriebswirkungsgrad. So wird es insgesamt möglich, die Wandlung von Wärme in Ar-
beit zu verbessern (ηth ) und gleichzeitig diese Verbesserung auch in einen Schubvorteil
(ηP ) zu wandeln.
– β wird verkleinert, indem das Verdichterdruckverhältnis πV angehoben wird.
Durch den erhöhten Druck steigt auch die Gastemperatur vor der Brennkam-
mer, über die dann weniger Wärme ( ṁB ) zuzuführen ist, um die gewünschte
Turbineneintrittstemperatur Tt4 zu erhalten.
– Die Schubabnahme durch das verringerte c9 muss durch einen erhöhten Luft-
massenstrom ṁ0 ausgeglichen werden, F = ṁ0 · (c9 − c0 ). Der vergrößerte
Luftmassenstrom wirkt sich wiederum vorteilhaft auf die Verkleinerung des
Brennstoff/Luft-Verhältnisses β aus.
– Bei Zweistromtriebwerken ist die Vergrößerung des Luftmassenstroms gleichbedeu-
tend mit einem Anheben des Nebenstromverhältnisses μ = ṁII /ṁI .
– Eine Verringerung der Düsenaustrittsgeschwindigkeit c9 ist außerdem auch noch
vorteilhaft hinsichtlich der Lärmemissionen eines Strahltriebwerks.
Triebwerke arbeiten gewöhnlich über einen größeren c0 -Bereich. Wenn der Vortriebswir-
kungsgrad ηP über einen solchen weiten Fluggeschwindigkeitsbereich konstant gehalten
werden soll, so müsste dazu c9 ständig angepasst werden, ein Vorgang, der in der Praxis
aber nur sehr unvollkommen gelingen kann.
Aus den zuvor aufgelisteten Gesichtspunkten, die eigentlich nur für Einstromtriebwerke
abgeleitet wurden, werden aber auch die Auslegungsgesichtspunkte moderner Zweistrom-
triebwerke einsichtig. Zum einen werden zur Verbesserung des Vortriebswirkungsgrades
ηP die Düsenaustrittsgeschwindigkeiten c9 und c19 verringert und zum anderen wird der
thermische Wirkungsgrad ηth dadurch verbessert, dass der spezifische Brennstoffverbrauch
Bs abgesenkt wird. Letzteres wird sowohl durch ein erhöhtes Verdichterdruckverhältnis πV
als auch durch ein erhöhtes Nebenstromverhältnis μ erreicht. Das hohe Bypassverhältnis
μ bzw. der damit verbundene sekundäre Massenstrom ṁII gewährleisten den gewünsch-
ten Schub. Die abgesenkten Düsenaustrittsgeschwindigkeiten und die Ummantelung des
434 6 Definitionen und Aero-Thermodynamische Grundlagen
heißen Kerntriebwerkstrahls durch den mächtigen kalten Strahl des Sekundärkreises sind
zusätzlich vorteilhaft hinsichtlich des Triebwerkslärms. Wir fassen zusammen:
6.13 Gesamtwirkungsgrad
|wN | wF wF
ηges := ηth · ηP = · = (6.144)
qB |wN | qB
oder
WF PF PF
ηges := = = · ηBK (6.145)
QB Q̇B Q̇zu
PF PF
ηges = · ηBK = (6.147)
ṁI · FS · BS · (1 + μ) · Hi · ηBK ṁI · FS · BS · (1 + μ) · Hi
F · c0 · (1 + μ)
ηges = ηth · ηP = (6.149)
ṁ0 · FS · BS · (1 + μ) · Hi
6.14 Beispielrechnungen 435
Mit Fs = F ṁ0 wird daraus:
FS · c0 · (1 + μ) c0
ηges = ηth · ηP = = (6.150)
FS · BS · (1 + μ) · Hi BS · H i
Diese Gleichung gilt sowohl für Turbofan- als auch für Turbojettriebwerke, da ihr Endre-
sultat keine Abhängigkeit vom Nebenstromverhältnis μ mehr hat. Das Ergebnis führt zu
einer wichtigen Aussage:
1 c0 1 1
ηges = · ⇒ ηges ∼ ⇒ BS ∼ (6.151)
BS Hi BS ηth · ηP
6.14 Beispielrechnungen
Beispiel 6.3
Micoyan MiG-23B Flogger-F mit einem AL-21F3 Turbojet. Der militärische
Turbojet AL-21F3 (NPO Saturn) operiert in H0 = 11 km Höhe (Standardatmo-
sphäre) mit einer Flugmachzahl von Ma0 = 0.8. In diesem Flugzustand sind
von dem Triebwerk folgende nicht installierte Daten bekannt: Schub = 50 kN,
Luftmassenstrom = 45 kg/s und Brennstoffmassenstrom = 2.65 kg/s. Es wird Brenn-
stoff mit dem Heizwert Hi = 4.31 · 107 Nm/kg verbrannt.
Es sind der spezifisch Schub, der spezifische Brennstoffverbrauch und die Strahl-
geschwindigkeit hinter der Schubdüse zu berechnen, wo p9 = p0 gilt, ebenso wie
der thermische Wirkungsgrad und der Vortriebs- und der Gesamtwirkungsgrad. Im
gesamten Triebwerksstrom soll κ = 1.4 und Ri = 287 Nm/(kg · K) gelten.
F 50 kN
Fs = = = 1.111
ṁ0 45 kg/s
c0
Ma0 = ⇒ c0 = Ma0 · a0 = Ma0 · κ · Ri · T0 mit T0 = 216.65 K
a0
in H0 = 11 km Höhe
√
c0 = 0.8 · 1.4 · 287 · 216.65 = 236 m/s
50 000 + (45 · 236)
c9 = = 1 272 m/s
45 + 2.65
|PN | 1 (ṁ0 + ṁB ) · c92 − ṁ0 · c02 (47.65 ·1 272 ·1 272) − (45 · 236 · 236)
ηth = = · =
ṁB · Hi 2 ṁB · Hi 2 · 2.65 · 4.31 · 107
37 295 309
ηth = = 0.3265
114 215 000
F · c0 50 000 · 236
ηP = = = 0.3164
|PN | 37 295 309
ηges = ηth · ηP = 0.3265 · 0.3164 = 0.1033
Beispiel 6.4
Von einem einfachen Turbojettriebwerk mit konvergent/divergenter Schubdüse, das
einen Luftmassenstrom von ṁ0 = 69.4 kg/s ansaugt, sind im Bodenstandfall,
c0 = 0 m/s, folgende Daten bekannt:
+ √
c9 = 2 · |wN | + c02 = 2 · |wN | = 2 · 239 159.66 = 691.606 m/s
$ $
$qab $ κ − 1 $$ $$ 0.4
T9 = T0 + = T0 + · qab = 288 + · 257 022.21 = 543.87 K
cp κ · Ri 1.4 · 287
√
a9 = κ · Ri · T9 = 1.4 · 287 · 543.87 = 467.47 m/s
c9 691.606
Ma9 = = = 1.48
a9 467.47
Am Austritt der Turbine sind der Totaldruck pt5 und die Totaltemperatur Tt5 zu
berechnen:
κ · Ri
wV = cp · (Tt3 − Tt2 ) = · (556.041 − 288.0) = 269 247.18 W/(kg/s)
κ −1
wT = −wV = −269 247.18 W /(kg/s)
wT κ −1 0.4
Tt5 = Tt4 + = Tt4 + · wT = 1 050 + · (−269 247.18) = 781.96 K
cp κ · Ri 1.4 · 287
κ−1 κ
Unter Vernachlässigung des Brennstoff- und des Zapfluftmassenstroms sind die Schub-
düsenaustrittsfläche A9 , der engste Schubdüsenquerschnitt A8 , der Triebwerksschub F
und der spezifische Brennstoffverbrauch BS zu berechnen.
A8 Ma9 ⎢ 1+ · Ma 2
8⎥
= ·⎣ 2
κ −1 ⎦ Abwandlung der Gleichung (5.62)
A9 Ma8 mit Ma8 = 1.0
1+ · Ma29
2
⎡ ⎤ 12 · κ+1
κ−1
3
⎢ κ +1 ⎥ 1.2
⎢
A8 = A9 · Ma9 · ⎣
⎦⎥ = 0.1546 · 1.48 ·
κ −1 1 + 0.2 · 1.482
2· 1+ · Ma29
2
= 0.133 m2
F = (ṁ0 + ṁB − ṁZ ) · c9 − ṁ0 · c0 = ṁ0 · (c9 − c0 ) = ṁ0 · c9
F = 69.4 · 691.606 = 47 997.5 N ≈ 48 000 N
438 6 Definitionen und Aero-Thermodynamische Grundlagen
F 47 997.5
FS = = = 691.606 N/(kg/s) = c9
ṁ0 69.4
FS + 2 · c0 FS 691.606
BS = = = = 0.16648 · 10−4 (kg/s)/N
2 · ηth · Hu 2 · ηth · Hi 2 · 0.482 · 4.31 · 107
BS = 59.925 (kg/h)/kN
Beispiel 6.5
Das Bild zeigt den idealen Kreisprozess, d. h., den Joule-Vergleichsprozess des einfachen
Turbojettriebwerks aus dem vorherigen Beispiel, das im Bodenstandfall mit c0 = 0 m/s
und β −α 1 betrieben wird. Alle notwendigen Zahlenwerte für die jetzige Berechnung
sind im Bild mit angegeben worden. Das Triebwerk hat einen Schub von F = 48 kN
und wird mit Jet-A1 betrieben, das einen Heizwert von Hi = 4.31 · 107 Nm/kg hat.
Ohne Kenntnis der Daten aus dem vorangegangenen Beispiel berechne man nun –
ausschließlich aus den hier gegebenen Werten – das Verdichterdruckverhältnis
πV , den thermischen Wirkungsgrad ηth , den Vortriebswirkungsgrad ηP und den
Gesamtwirkungsgrad ηges .
κ−1
κ
3.5
pt3 pt3 Tt3 556
πV = mit pt2 = pt0 = p0 ⇒ πV = = = = 10
pt2 p0 T0 288
κ = 1.4
Ri = 287 Nm/(kg⋅K) Tt4 = 1050.0 K
c p = 1 004.5 Nm/(kg⋅K) 4
5 pt 5 = p t 9
Tt 5 = 782.0 K
=p
t3
p t4
9
T9 = 544.0 K
Tt3 = 556.0 K 3
a
=1 013 hP
p9= p 0
Tt2 = Tt0 = T0 = 288.0 K
0=2
s
6.14 Beispielrechnungen 439
$ $
|wN | = qzu − $qab $ = cp · (Tt4 − Tt3 ) − cp · (T9 − T0 ) = cp · (Tt4 − Tt3 − T9 + T0 )
|wN | = 1004.5 · (1 050 − 556 − 544 + 288) = 239 071 W/(kg/s)
|wN | cp · (Tt4 − Tt3 ) − cp · (T9 − T0 ) T9 − T 0
ηth = = =1−
qzu cp · (Tt4 − Tt3 ) Tt4 − Tt3
544 − 288
=1− = 0.4818
1 050 − 556
2 2 2
ηP = = = =0
1 + (c9 /c0 ) 1 + (c9 /0 ) ∞
ηges = ηth · ηP = 0.4818 · 0 = 0
Es sind der angesaugte Luftmassenstrom ṁ0 , die Nutzleistung |PN |, die Schubleistung
PF und die Verlustleistung PVerl zu berechnen:
+ √
c2 c2
|wN | = 9 − 0 ⇒ c9 = 2 · |wN | + c02 = 2 · |wN | = 2 · 239 071 = 691.5 m/s
2 2
F = (ṁ0 + ṁB − ṁZ ) · c9 − ṁ0 · c0 = ṁ0 · (c9 − c0 ) = ṁ0 · c9
F 48 000
ṁ0 = = = 69.4 kg/s
c9 691.5
|PN | = |wN | · ṁ0 = 239 071 · 69.4 = 16 591 527.4 W ≈ 16.6 MW
PF = c0 · F = 0 · 48 000 = 0 W
PVerl = |PN | − PF = 16 591 527.4 W ≈ 16.6 MW
Beispiel 6.7
Ein Turbofantriebwerk mit einem Bypass-Verhältnis von μ = 8.074 und einem Trieb-
werkseintrittsdurchmesser von D1 = 2 601.67 mm, das während des Reisefluges mit
Ma0 = 0.8602 einen Schub von F = 120 kN entwickelt, fliegt in Umgebungsbedingungen
von p0 = 0.226 · 105 Pa, T0 = 217 K, κ = 1.4, Ri = 287 Nm/(kg·K). Die Fangstromröh-
re sei im Reiseflug zylindrisch, d. h., D0 = D1 . Es gilt α = 0.05 und β = 0.015. Das
Schubverhältnis nach Gl. (6.31) beträgt = 1.6148. Im Primär- und Sekundärkreis
440 6 Definitionen und Aero-Thermodynamische Grundlagen
soll der jeweilige Strahl hinter den konvergenten Schubdüsen bis auf Umgebungsdruck
expandieren, p9 = p19 = p0 .
Man bestimme den Massenstrom ṁ0 , den das Triebwerk ansaugt und die Strahlge-
schwindigkeiten c9 und c19 in Primär- und Sekundärkreis. Welchen spezifischen Schub
FS und welchen spezifischen Brennstoffverbrauch BS hat das Triebwerk?
p0
ṁ0 = ρ0 · c0 · A0 = · c0 · A0
Ri · T 0
p0 D2 · π
ṁ0 = · c0 · 1
Ri · T 0 4
√
c0 = Ma0 · κ · Ri · T0 = 0.8602 · 1.4 · 287 · 217 = 254 m/s
0.226 · 105 2.601672 · π
ṁ0 = · 254 · = 490 kg/s
287 · 217 4
ṁ0 490
ṁI = = = 54 kg/s
1+μ 9.074
ṁII = ṁ0 − ṁI = 490 − 54 = 436 kg/s
ṁZ = α · ṁI = 0.05 · 54 = 2.7 kg/s
ṁB = β · ṁI = 0.015 · 54 = 0.81 kg/s
FI FII μ 8.074
=μ· = = = 5.0 ⇒ FII = 5 · FI
FII FI 1.6148
F = FI + FII = FI + 5 · FI = 6 · FI
F 120 000
FI = = = 20 000.0 N
6 6
FII = F − FI = 120 000 − 20 000 = 100 000 N
FII 100 000
FII = ṁII · (c19 − c0 ) ⇒ c19 = c0 + = 254 + = 483.4 m/s
ṁII 436
FI = c9 · (ṁI + ṁB − ṁZ ) − c0 · ṁI + A9 · p9 − p0 = c9 · (ṁI + ṁB − ṁZ ) − c0 · ṁI
FI + c0 · ṁI 20 000 + 254 · 54
c9 = = = 647 m/s
ṁI + ṁB − ṁZ 54 + 0.81 − 2.7
1
FS = · [(1 + β − α) · c9 − c0 + μ · (c19 − c0 )]
1+μ
1
FS = [(1 + 0.015 − 0.05) · 647 − 254 + 8.074 · (483.4 − 254)] = 245 N/(kg/s)
9.074
β 0.015 kg/s 103 N 3 600 s kg/h
BS = = = 6.74906 · 10−6 · · = 24.3
FS · (1 + μ) 245 · 9.074 N kN h kN
6.14 Beispielrechnungen 441
Beispiel 6.8
Ein Turbofantriebwerk (ähnlich GE90, Boeing 777) mit einem Bypass-Verhältnis von
μ = 8.5, das einen Luftmassenstrom von ṁ0 = 1 400 kg/s ansaugt, entwickelt während
des Take-Off-Vorgangs (c0 = 0) einen Schub von F = 389 kN. Die Umgebungsbedin-
gungen sind p0 = 1 013 hPa, T0 = 288 K, κ = 1.4, Ri = 287 Nm/(kg K). Außerdem ist
bekannt . . .
. . . Der Fangstromröhrenquerschnitt A0 sei 45 % größer als der Triebwerkseintritts-
querschnitt A1 , vgl. hierzu Abb. 4.1, B und der Triebwerkseintrittsdurchmesser sei
D1 = 3.2 m.
. . . Für den Sekundärkreis ist der Fall zu betrachten, das der Strahl bis auf den
Umgebungsdruck hinter der Düse expandiert, p19 = p0 .
. . . Bei einer Austrittsmachzahl von Ma8 = 1 im Primärkreis stellt sich in der Austritts-
fläche A8 der konvergenten Schubdüse ein statisches Druckverhältnis von p8 /p0 = 1.25
ein.
. . . Das Schubverhältnis nach Gl. (6.31) beträgt = 2.125
. . . Für das Zapfluft/Luft-Verhältnis gilt α = 0.054 und für das Brennstoff/Luft-
Verhältnis gilt β = 0.018.
In der Ebene 8 des Primärkreises berechne man die Düsenaustrittsgeschwindigkeit c8 ,
FII
FII = ṁII · (c19 − c0 ) ⇒ c19 = c0 +
ṁII
p0 p0 D2 · π
ṁ0 = ρ0 · c0 · A0 = · c0 · 1.45 · A1 = · c0 · 1.45 · 1
Ri · T 0 Ri · T 0 4
4 · ṁ0 · Ri · T0 4 · 1 400 · 287 · 288
c0 = = = 97.957 m/s Fluggeschwindigkeit
1.45 · π · p0 · D1 2
1.45 · π · 101 300 · 3.22
FII 311 200
c19 = c0 + = 97.957 + = 346.4 m/s
ṁII 1 252.632
Spezifischer Schub
F 1 A8
FS = = (1 + β − α) c8 − c0 + μ (c19 − c0 ) + p8 − p 0
ṁ0 1+μ ṁI
389 000 N
= = 277.857
1 400 kg/s
Düsenaustrittsgeschwindigkeit im Primärkreis
A8
FS · (1 + μ) + c0 − μ · (c19 − c0 ) = (1 + β − α) · c8 + · p8 − p0
ṁI
FS · (1 + μ) + c0 − μ · (c19 − c0 ) A8 p8 − p0
= c8 + ·
(1 + β − α) ṁI 1 + β − α
p8
ṁ8 = ṁ9 = ṁI + ṁB − ṁZ = ρ8 · c8 · A8 = · c8 · A8
R · T8
p8 A8 A8 1 R i · T8
1+β −α = · c8 · ⇒ · =
Ri · T 8 ṁI ṁI 1 + β − α c8 · p 8
FS · (1 + μ) + c0 − μ · (c19 − c0 ) Ri · T8 p0 κ c8
= c8 + · 1− · ·
(1 + β − α) c8 p8 κ c8
κ · R i · T8 p0 c8
= c8 + · 1− ·
c82 p8 κ
κ · R i · T8 1 1
mit 2
= 2
= =1
c8 Ma8 1
⎛ ⎞
p0 p0
1− 1−
FS · (1 + μ) + c0 − μ · (c19 − c0 ) p8 ⎜ p8 ⎟
= c 8 + c8 · = c9 · ⎜
⎝1 +
⎟
(1 + β − α) κ κ ⎠
c8 p0
= · 1+κ −
κ p8
6.14 Beispielrechnungen 443
κ FS · (1 + μ) + c0 − μ · (c19 − c0 )
c8 = p0 ·
1+κ − (1 + β − α)
p8 da Ma8 = c8 /a8 = 1 vorgegeben ist
1.4 9.5 · 277.857 + 97.957 − 8.5 · (346.4 − 97.957)
c8 = ·
2.4 − 0.8 1 + 0.018 − 0.054
= 568.1 m/s = a8 = κ · Ri · T8
Temperaturen und Drücke in der Düsenaustrittsebene
8 des Primärkreises
c82 568.12
T8 = = = 803.23 K
κ · Ri 1.4 · 287
κ −1 κ +1
Tt8 = T8 · 1 + · Ma28 = T8 · = 1.2 · 803.23 = 963.88 K
2 2
mit Ma8 = 1.0
p8
p8 = · p0 = 1.25 · 101 300 = 126 625 Pa
p0
κ−1
κ
κ
κ −1 κ + 1 κ−1
pt8 = p8 · 1 + · Ma8
2
= p8 · = 126 625 · 1.23.5
2 2
= 239 692 Pa
Düsenaustrittsfläche des Primärkreises (engster Querschnitt)
p8
ṁ8 = ṁI + ṁB − ṁZ = ρ8 · c8 · A8 = · c8 · A8
R · T8
ṁI + ṁB − ṁZ 147.3684 + 2.6526 − 7.9579
A8 = · Ri · T8 = · 287 · 803.23
p8 · c 8 126 625 · 568.1
= 0.45526 m2
Der Primärstrahl soll nun an der Stelle
9 hinter der konvergenten Schubdüse betrachtet
⎡
κ −1 ⎤ 12 · κ+1
κ−1
A9 Ma8 ⎢ 1+· Ma 2
9⎥
= ·⎣ 2
κ −1 ⎦ Abwandlung der Gleichung (5.62)
A8 Ma9
1+ · Ma28 mit Ma8 = 1.0
2
⎡
⎤ 12 · κ+1
κ −1 κ−1
2· 1+ · Ma9 2
A8 ⎢ 2 ⎥
⎥ = 0.45526 · 0.8333 · 1 + 0.2 · 1.17942 3
A9 = ·⎢
⎣ ⎦
Ma9 κ +1 1.1794
= 0.4665 m2
Entsprechend Abb. 6.6 kann in erster Näherung für heutige Turbofantriebwerke von
einer Einheitsmasse von GM = mTW /F = 18 kg/kN ausgehen, sodass das Triebwerks
selbst etwa mTW = 7 t wiegen dürfte.
Mit der Gl. (6.106) wurde gezeigt, dass die Nutzleistung |PN | gleich der Änderung
der kinetischen Energie zwischen Aus- und Eintritt des Triebwerks ist.
Nutzleistung des Turbofankreisprozesses:
c2 c2 2
c19 c2
|PN | = (ṁI + ṁB − ṁZ ) · 9 − ṁI · 0 + ṁII · − 0
2 2 2 2
Thermischer Wirkungsgrad des Turbofan:
2
|PN | |PN | /ṁI |PN | /ṁI (1 + β − α) · c92 − c02 + μ · c19 − c02
ηth = = = =
Q̇zu Q̇zu /ṁI qzu 2 · β · Hi
Mit einem Heizwert von Hi = 4.31 · 107 Nm/kg ergibt sich dann:
(1 + 0.018 − 0.054) · 649.2072 − 97.9572 + 8.5 · 346.42 − 97.9572
ηth = = 0.86
2 · 0.018 · 4.31 · 107
Der Zahlenwert der Nutzleistung des Triebwerkskreisprozesses beträgt:
2
c2 c2 c c2
|PN | = (ṁI + ṁB − ṁZ ) · 9 − ṁI · 0 + ṁII · 19 − 0
2 2 2 2
1 (147.368 + 2.6526 − 7.9579) · 649.207 − 147.368 · 97.957 +
2 2
|PN | = ·
2 +1 252.632 · 346.42 − 97.9572
= 98 374 173 W
Die Schubleistung beträgt:
PF = F · c0 = 389 000 · 97.957 = 38 105 273 W
Vortriebswirkungsgrad:
PF 38 105 273
ηP = = = 0.38735
|PN | 98 374 173
Gesamtwirkungsgrad:
6.14 Beispielrechnungen 445
Beispiel 6.9
Die Turbojettriebwerke eines 4-motorigen Verkehrsflugzeuges arbeiten nach dem
Joule-Vergleichsprozess. Das Arbeitsmittel sei Luft: κ = 1.4, Ri = 287 Nm/(kg · K). Die
Massenströme für Brennstoff und Zapfluft seien im Vergleich zum Luftmassenstrom
vernachlässigbar klein, d. h.: β − α 1. Die Strahlen der Triebwerke expandieren
hinter der den konvergenten Schubdüsen bis auf den Umgebungsdruck p9 = p0 . Die
Luft wird mit einem Umgebungszustand von T0 = 253 K und p0 = 0.75 bar angesaugt
und im Verdichter auf pt3 = 12.56 bar verdichtet. Die Temperatur des Arbeitsmittels
vor der Turbine beträgt Tt4 = 1 050 K. Ein einzelnes der Turbojettriebwerke hat einen
stündlichen Arbeitsmitteldurchsatz von 540 t. Der mitgeführte Brennstoffvorrat beträgt
106,65 t Kerosin (Hi = 4.31 · 107 Nm/kg). Die Fangstromröhre sei zylindrisch und habe
einen Durchmesser von 1 m.
Es ist die Flugmachzahl Ma0 zu bestimmen. Für ein Einzeltriebwerk berechne man
den Triebwerksschub F und den spezifischen Brennstoffverbrauch BS . Wie weit kann
das Flugzeug im hier beschriebenen Idealfall fliegen (Reichweite in km)?
p0
ṁ0 = ρ0 · c0 · A0 = · c0 · A0
Ri · T 0
ṁ0 · Ri · T0 4 · ṁ0 · Ri · T0 4 · 150 · 287 · 253
c0 = = =
p0 · A 0 p0 · D02 · π 0.75 · 105 · 12 · π
= 184.9 m/s Fluggeschwindigkeit
540 000 kg h
ṁ0 = · = 150 kg/s angesaugter Luftmassenstrom
h 3 600 s
√ √
a0 = κ · Ri · T0 = 1.4 · 287 · 253
= 318.834 m/s Schallgeschwindigeit der Umgebung
c0 184.9
Ma0 = = = 0.58 Flugmachzahl
a0 318.834
κ−1
κ
κ −1 3.5
pt0 = p0 · 1 + · Ma0
2
= 0.75 · 105 · 1 + 0.2 · 0.582
2
= 0.942 · 105 Pa = pt2
446 6 Definitionen und Aero-Thermodynamische Grundlagen
pt3 12.56
πv = = = 13.3345 Verdichterdruckverhältnis
pt2 0.942
κ −1
Tt0 = T0 · 1 + · Ma20 = 253 · 1 + 0.2 · 0.582 = 270 K = Tt2
2
κ−1
Tt3 = Tt2 · πVκ = 270 · (13.3345)0.285714286 = 566 K Verdichteraustrittstemperatur
Leistungsgleichgewicht zwischen Verdichter und Turbine
wV = |wT |
Beispiel 6.10
Es sei ein einfaches Turbojettriebwerk nach dem Joule-Vergleichsprozess zu betrach-
ten, das eine konvergente Schubdüse hat, hinter der der Triebwerksstrahl bis auch
den Umgebungsdruck nachexpandiert, p9 = p0 . Im Vergleich zum Luftmassenstrom
sei die Differenz aus Brennstoff- und Zapfluftmassenstrom vernachlässigbar klein:
β − α 1. Die Umgebungsbedingungen sind: p0 = 0.225 · 105 Pa, T0 = 215 K, κ = 1.4,
Ri = 287 Nm/(kg · K). Das Triebwerk wird bei einer Flugmachzahl von Ma0 = 2.0 be-
trieben. Es hat eine Brennkammeraustrittstemperatur von Tt4 = 1 200 K und einen
thermischen Wirkungsgrad von ηth = 0.4444. Es ist das Verdichterdruckverhältnis πV
zu bestimmen und die Strahlmachzahl Ma9 .
F
FS = = (1 + β − α) c9 − c0 = c9 − c0
ṁ0 √ √
c0 = Ma0 · a0 = Ma0 · κ · Ri · T0 = 2 · 1.4 · 287 · 215 = 587.833 m/s
1 1 κ−1
ηth = 1 − ⇒ τV = = πVκ
τ0 · τ V τo · (1 − ηth )
κ−1
κ
1
πV =
τ0 · (1 − ηth )
Tt0 κ −1
τ0 = =1+ · Ma20 = 1 + 0.2 · 4 = 1.8
T0 2
3.5
1
πV = = 1.0 ⇒ Das Triebwerk ist ein
1.8 · 1 − 0.4444
Staustrahltriebwerk (Ramjet)
Tt4
T9 = T0 · mit Tt3 = Tt2 = Tt0 und mit Tt9 = Tt5 = Tt4
Tt3
T0 Tt4 1 200
T9 = · Tt4 = = = 666.666 K
Tt0 τ0 1.8
c2
Tt9 = Tt4 = T9 + 9 ⇒ c9 = 2 · cp · (Tt4 − T9 )
+ 2 · c p
c9 = 2 · 1 004.5 · 1 200 − 666.666 = 1 035.12 m/s
c9 c9 1 035.12
Ma9 = =√ =√ = 2.0
a9 κ · R i · T9 1.4 · 287 · 666.666
Es ergibt sich also, dass zwar Ma0 = Ma9 = 2.0 gilt, was aber nicht bedeutet,
dass auch c0 = c9 gelten muss: c0 = 587.833 m/s < 1 035.12 m/s = c9
F N
FS = = c9 − c0 = 1 035.12 − 587.833 = 447.3 spezifischer Schub
ṁ0 kg/s
qzu = cp · (Tt4 − Tt3 ) = cp · (Tt4 − Tt0 ) = cp · (Tt4 − τ0 · T0 )
= 1 004.5 · (1 200 − 1.8 · 215)
448 6 Definitionen und Aero-Thermodynamische Grundlagen
W
qzu = 816 658.5 im Brennraum zugeführte spezifische Wärmeenergie
kg/s
spezifischer Brennstoffverbrauch
3
qzu 816 658.5 −6 kg/s 10 N 3 600 s kg/h
BS = = = 42.459 · 10 · · = 152.85
Fs · H i 447.3 · 4.3 · 10 7
N kN 1h kN
Brennstoff/Luft-Verhältnis
β = BS · FS = 0.000042459 · 447.3 = 0.019
Gleichung (6.152) macht klar, dass größere Flugmachzahlen Ma0 einen größeren spezifi-
schen Brennstoffverbrauch erfordern, weil damit ein höherer Energieaufwand verbunden
ist15 . Größere Flughöhen H0 , die auch geringen Umgebungstemperaturen T0 entspre-
chen, haben absenkenden Einfluss auf den spezifischen Brennstoffverbrauch. Bei einem
durch Ma0 und T0 vorgegebenem Flugzustand, führt jegliche Verbesserung der Wir-
kungsgrade ηth und/oder ηP zu einer Abnahme des spezifischen Brennstoffverbrauchs
Bs . Ein Brennstoff mit höherem spezifischem Heizwert Hi senkt ebenfalls den spezifischen
Verbrauch.
Für den vereinfachenden Fall, dass β − α 1 gilt, und dass der Schubanteil des
Primärkreise vernachlässigbar klein gegenüber dem Anteil des Sekundärkreises ist, was
15
Vom Autofahren her ist klar, dass ein schnelles Fahren auch einen hohen Verbrauch des Motors
zur Folge hat. Dieser Zusammenhang gilt analog natürlich auch für Flugzeugtriebwerke.
6.15 Einige wissenswerte Zusammenhänge und Anmerkungen 449
c9 − c0 ≈ 0 bzw. c92 − c02 ≈ 0 bedeutet, ergibt sich als Näherung aus Gl. (6.140):
(c19 − c0 ) (c19 − c0 )
ηP ≈ 2 · c0 · 2 = 2 · c0 ·
c19 − c02 (c19 − c0 ) · c19 + c0
2 · c0 2
ηP ≈ = c19 (6.153)
c19 + c0 +1
c0
Mit den zuvor gemachten Vereinfachungen erhält man aus Gl. (6.7)
μ
Fs ≈ · (c19 − c0 ). (6.154)
1+μ
Hierin ist FsII per Definition ein spezifischer Schub des schubdominanten Sekundärkreises,
bei dem der Gesamtschub F des Triebwerks auf den sekundären Luftmassenstrom ṁII des
Triebwerks bezogen ist. Durch Umstellen ergibt sich:
c19 Fs
= 1 + II . (6.156)
c0 c0
Das Einsetzen dieses Ausdrucks in die Gl. (6.153) ergibt dann:
2
ηP ≈ (6.157)
FsII
+2
c0
Werden nun die Gln. (6.152) und (6.157) kombiniert, so ergibt sich:
FsII + 2 · c0
BS ≈ (6.158)
2 · ηth · Hi
Werden c0 = const und Hi = const als vorgegebene Auslegungsgrößen für ein Triebwerk
angesehen, so besteht zwischen BS und FsII ein linearer Zusammenhang, der qualitativ
in Abb. 6.21 als entsprechende Gerade eingezeichnet wurde und dadurch verdeutlicht,
dass mit steigendem spezifischem Schub FsII auch der spezifische Brennstoffverbrauch
Bs ansteigt, wenn ein bestimmter thermischer Wirkungsgrad ηth fest vorgegeben wird.
Die wünschenswerten Tendenzen in der Triebwerksentwicklung stimmen aber nicht mit
diesem linearen Funktionsverlauf überein. Gewünscht wäre nämlich vielmehr:
450 6 Definitionen und Aero-Thermodynamische Grundlagen
stoffverbrauchs
sII + 2⋅ 0
BS =
2 ηth Hi
wünschenswerte
Trendkurve
⎡ N ⎤
0 FsII ⎢ ⎥
Erhöhung des ⎢ kg/s ⎥
000 ⎣ ⎦
spezifischen Schubes
Abb. 6.21 Prinzipieller Zusammenhang zwischen dem spezifischen Brennstoffverbrauch und dem
spezifischen Schub, zusammen mit der generell gewünschten technologischen Trendkurve
• geringes Bs ⇒
− größere Reichweite für das Flugzeug und/oder
− größere Nutzlast für das Flugzeug und/oder
− geringeres Strukturgewicht für das Flugzeug
• großes F s ⇒
− kleinerer Triebwerksquerschnitt und/oder
− kleineres Triebwerksgewicht und/oder
− geringere Installationsverluste
In Abb. 6.21 sind diese gewünschten Eigenschaften als eine Art von anzustrebender intuiti-
ver Trendkurve dargestellt. Dem Basistrend der Tendenzkurve kann durch Gl. (6.158) nur
dadurch Rechnung getragen werden, indem die Gerade, durch die der Zusammenhang zwi-
schen FsII und Bs beschrieben wird, nach rechts unten „verlagert“ wird. In Abb. 6.21 ist dies
durch die gestrichelt dargestellte Gerade symbolisiert. Die dazu notwendige „Kurvenverla-
gerung“ kann nach Gl. (6.158) nur durch eine Steigerung des thermischen Wirkungsgrades
ηth und/oder durch einen höheren Heizwert Hi realisiert werden. Dieses bedeutet al-
so de facto keine Kurvenverschiebung, sondern vielmehr eine Steigungsveränderung der
Geraden. Dazu sei daran erinnert, dass der Heizwert des heute im zivilen Bereich übli-
chen Kerosins Jet-A1 Hi = 4.31 · 107 Nm/kg beträgt. Mit folgenden Brennstoffen wären
Verbesserungen möglich:
6.15 Einige wissenswerte Zusammenhänge und Anmerkungen 451
Kerosine und
100.0
volumetrische Energiedichte [MJ/dm3] synthetische Kerosine
Faktor 4
10.0
Flüssigwasserstoff
Batterien
Faktor 3
1.0
0.1
Wasserstoff
0.01
0.1 1.0 10.0 100.0 1000.0
gravimetrische Energiedichte [MJ/kg]
Abb. 6.22 Energiedichten von einigen ausgewählten Energiequellen, insbesondere von Wasserstoff.
(Adaptiert von Scholz und Seekt 2010)
Letzteres war der Brennstoff für das Turbojettriebwerk PW-J58P der Lockheed SR 71
Blackbird, wobei die Abkürzung JP für den Begriff Jet Propellant steht. Die oben stehenden
Werte und die Abb. 6.22 zeigen:
• bezogen auf die Masse [kg] hat Wasserstoff etwa 3-mal so viel Energieinhalt wie Kerosin,
• bezogen auf das Volumen [ltr] (= Tankinhalt) hat Wasserstoff aber etwa 4-mal weniger
Energieinhalt als Kerosin.
stoff/Energieträger muss extra produziert werden. Luftverkehr bleibt durch die Einführung
von alternativen Kraftstoffen weiterhin möglich, doch Fliegen wird teurer. Flugzeuge und
Triebwerke haben eine Lebensdauer von 50 und mehr Jahren und werden über viele Jahr-
zehnte produziert. Die Boeing B737 z. B. seit ca. 1968 oder das Triebwerk GE CF6 seit ca.
1970, und sie verkaufen sich weiterhin sehr gut. Instandsetzungs- und Wartungsbetriebe
für Flugzeugtriebwerke stellen sich darauf ein, das genannte CF6-Triebwerk noch minde-
stens bis 2035 zu warten. Weder Hersteller, Betreiber noch Flughäfen haben von sich aus
ein wirtschaftliches Interesse, diese Produkte und ihren Kraftstoff zu ändern.
Das Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC (Zwischenstaatlicher Ausschuss
für Klimaänderungen), im Deutschen auch oft als Weltklimarat bezeichnet, äußerte sich
bisher zu diesem Thema wie folgt: „There would not appear to be any practical alternatives
to kerosene-based fuels for commercial jet aircraft for the next several decades. . . . Other
fuel options, such as hydrogen, may be viable in long term, but would require new aircraft
designs and new infrastructure for supply. Hydrogen fuel would eliminate emissions of carbon
dioxide from aircraft, but would increase those of water vapor. The overall environmental
impacts and the environmental sustainability and use of hydrogen or any other alternative
fuels have not been determined.“
Die Effektivität eines atmosphärischen Antriebssystems wird manchmal auch durch den so
genannten spezifischen Impuls IS beschrieben (Kerrebrock 1996), der das Verhältnis von
Schub F zu Brennstoffmassenstrom ṁB darstellt und damit der Kehrwert des spezifischen
Brennstoffverbrauchs nach Gl. (6.21) ist:
F 1
IS := = (6.159)
ṁB BS
Diese Beziehung dient im Allgemeinen der Berechnung des Massenverlustes eines
Flugzeuges während des Fluges, infolge des Brennstoffverbrauchs seiner Triebwer-
ke. Abbildung 6.23 zeigt skizzenhaft ein Flugzeug im stationären Reiseflug, wenn
der Schub aller Triebwerke F gleich dem gesamten Widerstand FW des Flugzeu-
ges ist und wenn die Auftriebskraft FA im Gleichgewicht mit der Gewichtskraft
FG = m · g des Flugzeuges steht. Hierbei ist m die Gesamtmasse des Flugzeuges
(Rumpf + Flügel + Triebwerke + Nutzlast + Brennstoff) und g = 9.81 m/s2 die Erdbe-
schleunigung. Aus den Gleichgewichtsbeziehungen FW = F und FA = FG = m · g ergibt
sich:
FW FW
F = FG · =m·g · =m·g ·ε (6.160)
FA FA
Hier ist mit ε = FW /FA die aus der Flugmechanik (z. B. Brüning und Hafer 1978) bekannte
Gleitzahl eingeführt worden. Während des Fluges verringert sich die Gesamtmasse m des
6.15 Einige wissenswerte Zusammenhänge und Anmerkungen 453
Auftriebskraft FA
Schubkraft F
Widerstandskraft FW
dm dmB
m = − mB bzw. dm = −dmB bzw. =− = −ṁB (6.161)
dt dt
Der letzte Ausdruck wird nun mit dem Schub F erweitert und anschließend in diesen
Ausdruck die Gl. (6.159) eingesetzt:
dm F F
= −ṁB · = − = −F · BS (6.162)
dt F IS
Die Kombination der Gln. (6.162) und (6.160) ergibt dann:
dm
= −m · g · ε · BS (6.163)
dt
Geht man davon aus, dass während eines stationären Reisefluges der spezifische Brennstoff-
verbrauch BS und die Gleitzahl ε = FW /FA zeitlich konstant bleiben, so folgt aus Gl. (6.163):
mx
1 dm 1 dm
dt = − · ⇒ t=− · mit C = g · ε · BS = const (6.164)
C m C m
mMATOW
Die Durchführung der Integration in Gl. (6.164) zwischen der aktuell maximal zulässigen
Startmasse mMATOW 16 des Flugzeuges und der Flugzeugmasse mx = mMATOW − mB , die
16
Der Index MATOW steht hier für den englischen Begriff Maximum Allowable Take-Off Weight
(maximal zulässiges Startgewicht), vgl. hierzu Fußnote zu Beginn des Kap. 5.4.7.2.
454 6 Definitionen und Aero-Thermodynamische Grundlagen
Unter dem Begriff der Reichweite Rw im stationären Reiseflug wird das Produkt aus
Flugzeit t und Fluggeschwindigkeit c0 verstanden, Rw = c0 · t. Die Reichweite Rw ist
also die Strecke, die ein Flugzeug innerhalb der Zeit t mit der Fluggeschwindigkeit c0
zurücklegt. Aus Gl. (6.165) folgt, zusammen mit C entsprechend Gl. (6.164):
c0 mMATOW
Rw = c0 · t = · ln (6.166)
g · ε · BS mMATOW − mB
Die zulässige Startmasse des Flugzeuges mMATOW setzt sich zusammen aus der Masse mSTR
der Flugzeugstruktur (Rumpf + Flügel + Leitwerk), aus der Masse mTW der Triebwerke,
aus der Masse mPL der zu transportierenden Nutzlast (Passagiere + Gepäck + Fracht,
Payload) und aus der Masse mB des mitzuführenden Brennstoffs:
Das Einsetzen dieses Ausdrucks in Gl. (6.166) unter Berücksichtigung der Beziehung
(6.159) ergibt dann schließlich:
c0 mB
Rw = · ln 1 + (6.168)
g · ε · BS mMATOW − mB
Bei dieser Gleichung bzw. bei Gl. (6.166) handelt es sich um die sog. Breguetsche
Reichweitenformel der Flugmechanik. In der Praxis wird der gesamte Ausdruck in
der eckigen Klammer den Wert 1.5 kaum überschreiten. In diesem Wertebereich gilt
Näherungsweise bezüglich des natürlichen Logarithmus:
2·x
ln (1 + x) ≈ , d. h.,
x+2
c0 2 · mB
Rw ≈ · =
g · ε · BS 2 · mMATOW − mB
c0 1
Rw = · =
g · ε · BS m MATOW 1
−
mB 2
c0 2 · mB
= · (6.169)
g · ε · BS 2 · (mSTR + mTW + mPL ) + mB
6.15 Einige wissenswerte Zusammenhänge und Anmerkungen 455
Soll aus der Sicht der Triebwerksentwicklung die Reichweite eines Flugzeuges gegebener
Aerodynamik (c0 , ε = const) vergrößert werden17 , so wird dies entsprechend Gl. (6.169)
entweder nur durch Verringerung des spezifischen Brennstoffverbrauchs BS erfolgen
oder aber durch Vergrößerung des Quotienten aus den verschiedenen Einzelmassen. Bei
einer Verbesserung des spezifischen Brennstoffverbrauchs können BS und die diversen
Massen aber nicht unabhängig voneinander betrachtet werde, da sie z. T. in einer
wechselwirkenden Abhängigkeit zueinander stehen. Eine Verbesserung im spezifischen
Brennstoffverbrauch führt praktisch immer zu größeren und schweren Triebwerken, da
hierzu das Verdichterdruckverhältnis πV und/oder das Bypass-Verhältnis μ anzuheben
ist, wie später in Kap. 7 noch gezeigt werden wird. Zur weiteren Interpretation der
Gl. (6.169) soll nun von folgendem Szenario hinsichtlich der beteiligten Massen eines
bestehenden Flugzeuges ausgegangen werden, wenn dieses neue Triebwerke erhält, bei
denen infolge verbesserter Triebwerkstechnologie der spezifische Brennstoffverbrauch BS
bei gleich bleibendem Schub F = const gesenkt wurde:
Die Summe aus Triebwerksmasse mTW und mitzuführendem Brennstoff mB wird als
Gesamtmassenaufwand mges infolge der Existenz der Triebwerke bezeichnet:
Hierin ist i die Anzahl der Triebwerke am Flugzeug und mSTR der Anteil am Strukturge-
wicht, der grundsätzlich notwendig ist, um die Triebwerke an der Struktur befestigen zu
können. Aus Gl. (6.21) folgt:
ṁB mB /t
BS = = ⇒ mB = BS · F · t (6.171)
F F
Die Kombination der Gln. (6.170) und (6.171) ergibt dann:
Nach dem Anbringen der Triebwerke verbesserter Technologie, entsprechend der zuvor
gemachten Ausführungen, wird der Term in der Klammer größer und der Summand
17
Der Einfluss von Geschwindigkeit c0 und Gleitzahl ε soll hier undiskutiert belieben, da dies
Aufgabe der Flugmechanik ist. Diese lehrt, dass die Reichweite bei gegebener Brennstoffmasse am
größten wird, wenn mit kleinster Gleitzahl ε geflogen wird. In allen anderen Fällen hängen Flugzeit
und Reichweite von bestimmten Kombinationen aus Geschwindigkeit und Gleitzahl ab.
456 6 Definitionen und Aero-Thermodynamische Grundlagen
ganz rechts infolge der Abnahme von BS (bei F = const und unveränderter Flugzeit t)
kleiner werden. Wird davon ausgegangen, dass der Gesamtmassenaufwand mges infolge der
Existenz der Triebwerke am Flugzeug unverändert bleiben soll, so wird die Flugzeit t größer
werden und damit (für c0 = const) auch die Reichweite Rw = c0 · t des Flugzeuges. Ist die
Flugzeit t aber nur kurz, so kann es bei einer Verbesserung von BS durchaus passieren, dass
es aufgrund der Massenzunahme am Flugzeug zu keinerlei Verbesserungen, bzw. dass es
sogar zu einer Reduzierung der Reichweite kommt.
Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass es speziell für Langstreckenflugzeuge
wirtschaftlicher sein kann, das höhere Gewicht der größeren und verbrauchsgünstigeren
Triebwerke in Kauf zu nehmen, während es für Kurzstreckenflugzeuge vielfach wirtschaft-
licher ist, kompaktere und dafür nicht ganz so verbrauchsgünstige Triebwerke einzusetzen.
Bleibt anzumerken, dass gesetzgeberisch Emissionsauflagen hinsichtlich der Abgase und
des Lärms die vorangegangene, rein wirtschaftliche Argumentation durchaus andersartig
ausfallen lassen können.
Beispiel 6.11
Das leichte Geschäftsreiseflugzeug Cessna 525 Citation Jet wird von zwei Williams-
Rolls-Royce FJ44 Turbofantriebwerken angetrieben. In einer Flughöhe von H0 = 10 km
(T0 = 217 K, κ = 1.4, Ri = 287 Nm/kg/K) erreicht das Flugzeug bei einer Flugmach-
zahl von Ma0 = 0.7 eine maximale Reichweite von Rw = 2 750 km. Der Schub beider
Triebwerke zusammen beträgt für diesen Flugfall F = 2 555 N und der spezifische
Brennstoffverbrauch BS = 154.5 (kg/h))/kN (ebenfalls für beide Triebwerke zusam-
men). Das maximal zulässige Startgewicht von mMATOW = 4 717 kg beinhaltet mit
mTW = 404 kg das Gewicht beider Triebwerke und mit mB = 1 460 kg die Masse an
mitzuführendem Brennstoff. Die bestehenden Triebwerke sollen durch andere ersetzt
werden, deren spezifischer Brennstoffverbrauch 15 % geringer ist als der der bisherigen
Triebwerke, wobei die neuen Triebwerke aber ein um 23 % höheres Gewicht haben.
Die Veränderungen im Strukturgewicht durch das Anbringen der neuen Triebwerke
sollen unberücksichtigt bleiben. Es ist die Reichweite des Flugzeuges bei Verwendung
der neuen Triebwerke zu berechnen.
√ √
c0 = Ma0 · κ · Ri · T0 = 0.7 · 1.4 · 287 · 217 = 206.7 m/s
mB 1 460 kg · h · kN 103 N
t= = · · = 3.7 h
BS · F 154.5 · 2 555 kg · N kN
Rw 2 750 km · s h 103 m
Kontrolle: t= = · · · = 3.7 h q.e.d.
c0 206.7 m 3 600 s km
Gesamtmassenaufwand der ursprünglichen Konfiguration
mges = mTW + mB = 404 + 1 460 = 1 864 kg
6.15 Einige wissenswerte Zusammenhänge und Anmerkungen 457
mges − X · mTW
t= = 3.7 h = const
0.85 · BS · F
X · mTW = mges − t · 0.85 · BS · F
kg · N kN
X · mTW = 1 864 kg − 3.7 · 0.85 · 154.5 · 2 555 · h · · = 622.5 kg
h · kN 103 N
Das würde einer Zunahme des Triebwerksgewichts um ca. 54 % entsprechen.
Die Tab. 6.1 zeigt eine Zusammenstellung der Daten gängiger Passagier- und
Geschäftsflugzeuge. Das mittlere, in Gl. (6.169) auftretende Massenverhältnis
mMATOW /mB = mMTOW /mB liegt etwa bei mMTOW /mB ≈ 2.5, wobei das gesamte Spektrum
dieser Zahlenwerte etwa zwischen 2.0 . . . 3.5 angesiedelt ist. Das heißt, dass bei diesen
458 6 Definitionen und Aero-Thermodynamische Grundlagen
Tab. 6.1 Ausgewählter Daten von Passagier- und Geschäftsreiseflugzeugen. Die Angaben zum
Schub und zum Triebwerksgewicht beziehen sich auf alle am Flugzeug installiertem Triebwerke
zusammen. (Quelle: Flug-Revue-Online Data Files)
Flugzeugtyp Rw Triebwerke Fges (mTW )ges mB mMTOW
[km] Anzahl und Typ [N] [kg] [kg] [kg]
Cessna 525 2 750 2 × W-RR FJ44 16 900 404 1 460 4 717
Citation Jet
Boeing 2 787 2 × CFM56-7B 164 000 4 982 21 088 56 245
737-600
Bombardier 4 628 2 × PW305A 40 920 865 3 062 10 660
Learjet 60
Airbus 4 840 2 × CFM56-5B 240 200 4 763 19 327 73 500
A320-200
Dassault 5 555 2 × CFE738-1-1B 53 400 – 5 561 16 238
Falcon
2000
Raytheon 5 741 2 × PWC308A 57 800 997 6 409 16 329
Hawker
Horizon
Boeing 6 425 2 × PW2043 390 200 6 496 35 227 108 860
757-300
Boeing 7 980 2 × PW4062 563 140 8 430 74 015 204 120
767-400ER
Airbus 8 900 2 × CF6-80E1 622 800 – 78 708 217 000
A330-300
Boeing 9 200 4 × CF6-80C2B 564 890 8 288 164 847 412 770
747-400F
LR
Bombardier 9 575 2 × BR710-48C2 132 200 4 210 19 663 42 411
Global
Express
Gulfstream 12 046 2 × BR710 131 200 4 210 18 597 40 370
GV
Boeing 13 380 2 × GE90-115B 1 022 000 – 146 824 340 200
777-300LR
Airbus 13 875 4 × RR Trent 553 470 000 – 158 436 365 010
A340-600
Airbus 16 200 4 × RR Trent 900 666 000 – 310 230 583 000
A380-100R
6.15 Einige wissenswerte Zusammenhänge und Anmerkungen 459
Tab. 6.2 Ausgewählter Daten von Kampfflugzeugen. Die Angaben zum Schub beziehen sich auf alle
am Flugzeug installiertem Triebwerke zusammen. (Quelle: Flug-Revue-Online Data Files)
Flugzeugtyp Rw [km] Triebwerke Fges [N] ohne mB mMTOW
Einsatz- Anzahl und NB/mit NB [kg] [kg]
radius Typ
F-22 Raptor 2 × F119- –/310 000 27 000
PW-100
F/A-18C Hornet 540 2 × F404- 104 000/156 600 4 910 25 400
GE-402
JAS 39 Gripen 800 1 × F404- 54 000/80 500 2 270 13 000
GE-400
Joint Strike 1 110 1 × PW –/178 000 8 620 27 200
Fighter F-35 135-PW-100
F-117A 1 110 2 × F404- kein 8 100 23 814
Nighthawk GE-F1D1 NB/96 000
F-16C Fighting 1 250 1 × F110- –/131 600 3 105 19 187
Falcon GE-129
F-15E Eagle 1 270 2 × F100- –/258 000 10 625 36 740
PW-229
EF2000 Typhoon 1 390 2 × EJ 200 120 000/180 000 4 000 23 000
Tornado IDS 1 390 2 × RB199- 77 400/132 000 4 660 28 000
34R
Rafale 1 850 2 × Snecma 98 000/150 000 4 500 24 500
M88-2
MiG-29 2 100 2 × Klimov 106 600/163 840 6 055 15 240
RD-33
Jenkinson et al. (1999) kann der Triebwerkspreis in etwa wie folgt abgeschätzt werden:
F 0.88
Triebwerkspreis ≈ 14 430 · 2.58 + 1.55 · 105 in € (6.173)
BS
Der Schub F in dieser Gleichung ist in [kN] und der spezifische Brennstoffverbrauch BS
in [(kg/h)/kN] einzusetzen. Die Werte für F und BS beziehen sich dabei auf den ma-
ximalen Reiseflugschub (maximum cruise) bei Ma0 = 0.8 und H0 = 10 668 m (35 000 ft)
Reiseflughöhe. Die Daten für die Triebwerkspreise beruhen auf Erhebungen aus dem Jahr
1995 und können von daher hinsichtlich ihres Absolutwertes nicht generell auf die heuti-
gen Gegebenheiten übertragen werden. Interessant sind aber die Tendenzen, die aus Gl.
(6.173) zu erkennen sind, so geht der Einfluss einer Schubsteigerung nur in etwa linear in
den Triebwerkspreis ein, während der spezifische Brennstoffverbrauch dagegen mehr als
quadratisch Einfluss auf den Preis nimmt. Die erhöhten Material- und Fertigungskosten,
die mit einer Absenkung des spezifischen Verbrauchs einhergehen, so wie es weiter oben
bereits ausgeführt wurde, sind hier der wesentliche Preistreiber.
Die vergleichsweise kleinen Triebwerke aus Beispiel 6.6 würden entsprechend der Gl.
(6.173) also bereits einen Preis von stattlichen € 1.8 Mio. pro Stück haben. Am Boden hat
ein Williams-Rolls-Royce FJ44-1A Turbofantriebwerk einen Startschub von 8,45 kN. Aus
der Abb. 6.24 würde sich damit dann auch ein in etwa vergleichbarer Triebwerkspreis von
2.4 Mio. US-$ ablesen lassen.
Die Konkurrenzsituation zwischen den einzelnen Triebwerksherstellern erzwang wäh-
rend der letzten Jahre immer größere Konzessionen gegenüber den Fluggesellschaften
beim Neukauf von Triebwerken, sodass die Preise nach Gl. (6.173) auf dem Markt nicht
wirklich erzielt wurden und werden. Um unter solchen ruinösen Randbedingungen den-
noch auf ihre Kosten zu kommen, wurden von den Triebwerksherstellern sukzessive die
Preise für die in der Instandhaltung benötigten Ersatzteile erhöht, sodass zwischenzeit-
lich die Instandhaltungskosten der Triebwerke stärker in den Fokus der Fluggesellschaften
gerückt sind als deren Anschaffungskosten.
Aufbauend auf den bisherigen (noch sehr rudimentären) Kenntnissen soll nun ein erster
Schritt in eine etwas detailliertere Triebwerksberechnung gegangen werden, den wir hier
als „einfachen Vorentwurf“ bezeichnen wollen. Ziel ist es, so einen ersten Einblick in die
grundsätzliche Vorgehensweise einer solchen Rechnung zu gewinnen. Mehr (noch) nicht!
Eine solche Rechnung wird als Syntheseverfahren18 bezeichnet. Bei einem solchen Ver-
fahren zur Triebwerksvorauslegung werden die einzelnen Bauteilgruppen eines Triebwerks
(Module) jeweils separat beschrieben und berechnet. Das gesamte Modell des Triebwerks
18
Unter einer Synthese (altgriechisch: sýnthesis = Zusammensetzung, Zusammenfassung oder
Verknüpfung) versteht man das Zusammenführen mehrerer Elemente (Bauteile) zu einer neuen
Einheit. Manchmal wird mit dem Begriff Synthese auch das Produkt selbst, d. h. das Resultat einer
synthetischen Tätigkeit bezeichnet.
6.16 Vorentwurf einfacher Turbo-Strahltriebwerke 461
35
30
Listenpreis in Mio US-Dollar
25
20
15
10
0
0 100 200 300 400 500 600
Standschub in kN
IFAS -TU BS 2013: Daten nach Stanford (1990) und OEM Press Releases 2006 bis 2013
Abb. 6.24 Listenpreise in US-Dollar für Turbofantriebwerke, aufgetragen über dem Bodenstand-
schub in [kN]. Das Bild und die zugehörige Datenbasis wurden vom Institut für Flugantriebe und
Strömungsmaschinen der TU-Braunschweig erarbeitet und freundlicher Weise für dieses Buch zur
Verfügung gestellt
wird dann schließlich durch Verknüpfung der einzelnen Module über vorgegebene Ein-
und Austrittsbedingungen und thermische und mechanische Erhaltungssätze erzeugt. Als
Resultat einer solchen Rechnung erhält man in jeder der Triebwerksebenen 0 bis 9
19
Bei den Komponenten Fan, Verdichter und Turbine, die auf Normalstufen aufbauen, ist die
Strömungsgeschwindigkeit am Ein- und Austritt dieser Komponenten gleich groß. In Kap. 8 wird
diese Voraussetzung noch einmal ganz ausführlich behandelt werden.
462 6 Definitionen und Aero-Thermodynamische Grundlagen
Nach einer solchen Rechnung liegen von dem Triebwerk alle radialen Abmessungen fest.
Lediglich seine Länge und die Längen seiner Komponenten sind noch nicht bekannt. Um
diese Maße bestimmen zu können, sind Kenntnisse über die Turbomaschinen erforderli-
chen, deren Grundlagen wir uns aber erst in Kap. 8 erarbeiten können. Für das Triebwerk
als Gesamtheit ergeben sich aus einem Syntheseverfahren die folgenden Größen:
• spezifische Schub: FS
• spezifischer Brennstoffverbrauch: BS
• Brennstoff/Luft-Verhältnis: β
• die Drehzahl: n
• der thermische Wirkungsgrad, Vortriebswirkungsgrad und Gesamtwirkungsgrad:
ηth , ηP , ηges
• Brennstoff- und Zapfluftmassenstrom ṁB , ṁZ
Basis für die nachfolgend vorgestellte Berechnung ist das in Abb. 6.25 dargestellte
Einwellen-Turbojettriebwerk, das mit seinen markierten Triebwerksstationen die ein-
zelnen behandelten Module eingrenzt. Die Schubdüse ist eine rein konvergente Düse.
Alle Module, außer der Brennkammer, sind adiabat und in allen Bauteilen werden Rei-
bungseffekte vernachlässigt, sodass der grundlegende thermodynamische Kreisprozess
der Joule-Vergleichsprozess gemäß Abb. 6.11 ist. Dem Verdichter wird keine Zapfluft
entnommen, α = 0. Das Brennstoff/Luft-Verhältnis β ist immer so groß, dass es in kei-
ner Gleichung vernachlässigt werden soll. In der Brennkammer findet eine vollständige
Verbrennung mit ηBK = 1 statt. In der Ebene , 9 hinter der rein konvergenten Schub-
düse, ist die freie Nachexpansion auf den Umgebungsdruck p9 = p0 abgeschlossen. Das
Strömungsmedium im Triebwerk sei überall Luft mit κ = 1.4 und Ri = 287 Nm/(kg K).
Als Eingabegrößen in das hier vorgestellte einfache Berechnungsverfahren werden im
Minimum nun folgende Angaben benötigt:
Schub F = 20 000 N
Flughöhe H0 = 11 km (p0 = 0.2263 · 105 Pa,
T0 = 216.65 K)
Flugmachzahl Ma0 = 0.8
Verdichterdruckverhältnis πV = 10
Turbineneintrittstemperatur Tt4 = 1200 K
spezifischer Heizwert Hi = 4.31 · 107 Nm/kg (Jet A-1)
Triebwerkeintrittsmachzahl Ma1 = 0.704
Verdichtereintrittsmachzahl Ma2 = 0.45 mit c2 = c3
6.16 Vorentwurf einfacher Turbo-Strahltriebwerke 463
0 1 2 3 3BK 4 5 7
πV = pt3 p t2 q3BK ,4 = q zu = qB
θ = 20° D
r2G
p9 = p 0
Ma0 r2N
T0 A0 = A1
p0
freie
Nach-
expansion
Fang-
strom- Einlauf Verdichter Brenn- Tur- Schub-
röhre (Diffusor) kammer bine düse
Der folgende Text zeigt in kompakter Form den gesamten Ablauf des Rechnungsganges,
inklusiver der sich dabei einstellenden Zahlenwerte. Das Prinzip dieser Vorgehensweise
wird dann später in Kap. 14 noch einmal – aber dann wesentlich ausführlicher und deutlich
komplexer – auf ein reales Turbojettriebwerk übertragen werden.
Der nachfolgende Rechnungsgang enthält eine bisher noch nicht behandelte Größe, den
in Kap. 18.8, Gl. (18.290), aus dem Massenstrom ṁ abgeleiteten „Massenstromparameter
4. Art“, ϑIV . Hierbei handelt es sich im Rechnungsablauf um eine Hilfsgröße, deren Benut-
zung zu Beginn irgendwie willkürlich erscheint, die es uns aber etwas später ermöglichen
wird, mehr zum Ende der Berechnungen, die durchströmten Querschnitte an den diversen
Triebwerksstationen 0 bis 9 zu ermitteln. Für reibungsfreie Zustandsänderungen wird,
c0 = Ma0 · κ · Ri · T0 = 236.224 m/s wegen Ma0 = c0 /a0
κ · Ri
cp = = 1 004.5 Nm/(kg · K) nach Gleichung (6.57)
κ −1
Tt0 = T0 + c02 /(2 · cp ) = 244.776 K nach Gleichung (6.57)
464 6 Definitionen und Aero-Thermodynamische Grundlagen
√
ṁ0 · Tt0 κ Tt0 p0 √
ϑ0 = = Ma0 · · · = 0.038930 (s/m) · K
A0 · pt0 Ri T0 pt0
Ebene ,
1 Triebwerkseintritt
Ebene
3 BK , Brennkammereintritt, nach dem Brennkammereintrittsdiffusor
Ebene ,
4 Brennkammeraustritt bzw. Turbineneintritt
Bevor mit der Ebene 5 am Turbinenaustritt weitergerechnet werden kann, ist es erfor-
Ebene ,
5 Turbinenaustritt
Ebene ,
7 Schubdüseneintritt
Ebene ,
8 engster Querschnitt der konvergent/divergenten Schubdüse
Ebene ,
9 in der hinter der rein konvergenten Schubdüse wieder der Umgebungsdruck
An dieser Stelle des Rechnungsgangs sind nun alle erforderlichen Temperaturen, Drücke,
Geschwindigkeiten und Machzahlen an den diversen Triebwerksstationen bekannt. Nun
kann der spezifische Schub FS berechnet werden und aus ihm, da der Triebwerks-
schub F bekannt ist, der erforderliche Luftmassenstrom ṁ0 und daraus dann über
β = ṁB /ṁ0 der Brennstoffmassenstrom ṁB . Mittels dieser beiden Massenströme wird
anschließend aus den diversen ϑ-Werten der bisherigen Rechnung der jeweils durch-
strömte Triebwerksquerschnitt A berechnet. Dort wo durchströmte Kreisquerschnitte
√
(nicht Kreisringquerschnitt!) vorliegen, werden auch die Durchmesser D = 4 · A/π
berechnet:
FS = (1 + β) · c9 − c0 = 699.683 N/(kg/s)
ṁ0 = F/FS = 28.584 kg/s
ṁB = β · ṁ0 = 0.4990 kg/s
A0 = ṁ0 · Ri · T0 /(p0 · c0 ) = 0.333455 m2 Kontinuitätsgleichung
A0 = ṁ0 · Tt0 /(ϑ0 · pt0 ) = 0.333455 m2 (D0 = 0.651589 m)
Da ṁ0 = ṁ1 gilt, ergibt sich analog zu Gl. (5-62)
1 · κ+1
Ma0 1 + 0.5 · (κ − 1) · Ma20 2 κ−1
A1 = A0 · ·
Ma1 1 + 0.5 · (κ − 1) · Ma21
= 0.351487 m2 (D1 = 0.668974 m)
A2 = ṁ0 · Tt2 /(ϑ2 · pt2 ) = 0.465279 m2
A3 = ṁ0 · Tt3 /(ϑ3 · pt3 ) = 0.085592 m2
A3BK = ṁ0 · Tt3BK /(ϑ3BK · pt3BK ) = 0.208551 m2
468 6 Definitionen und Aero-Thermodynamische Grundlagen
A4 = (ṁ0 + ṁB ) · Tt4 /(ϑ4 · pt4 ) = 0.096942 m2
A5 = (ṁ0 + ṁB ) · Tt5 /(ϑ5 · pt5 ) = 0.169000 m2
A7 = (ṁ0 + ṁB ) · Tt7 / ϑ7 · pt7 = 0.241923 m2 (D7 = 0.555001 m)
A8 = (ṁ0 + ṁB ) · Tt8 / ϑ8 · pt8 = 0.136067 m2 (D8 = 0.416228 m)
A9 = (ṁ0 + ṁB ) · Tt9 / ϑ9 · pt9 = 0.221231 m2 (D9 = 0.530735 m)
Da am Verdichtereintritt das Nabenverhältnis ν 2 = r2N /r2G gegeben ist, kann hieraus der
innere Gehäuseradius am Verdichtereintritt berechnet werden:
π 2 2
A2 = · D2G − D2N2
= π · r2G − r2N
2
= π · r2G
2
· 1 − ν22
4
A2
r2G = = 0.392777 m
π · 1 − ν22
Da in der Rechnung davon ausgegangen wurde, dass sich sowohl der Verdichter als auch die
Turbine aus so genannten Normalstufen zusammensetzen, so wie es in Kap. 8 ausführlicher
dargestellt ist, soll mit dieser Bedingung der so genannte Euler-Radius20 konstant durch
Verdichter, Brennkammer und Turbine hindurch bleiben, rE = const. Damit kann dann
an den diversen Triebwerksstationen zwischen 3 bis 5 jeweils der Gehäuseradius rG , der
20
Der Euler-Radius ist der Radius, der die Kreisringfläche einer Turbomaschinen-Beschaufelung in
zwei flächengleiche Ringquerschnitte aufteilt, vgl. Kap. 8. Der Euler-Radius ist stets etwas größer
als der Radius der die Schaufelhöhe eine Turbomaschinen-Beschaufelung halbiert (geometrisch
mittlerer Radius).
6.16 Vorentwurf einfacher Turbo-Strahltriebwerke 469
A3 A3
r3G = rE2 + = 0.306341 m r3BK G = rE2 + BK = 0.336770 m
2·π 2·π
A3 A3
r3N = rE2 − = 0.258070 m r3BK N = rE2 − BK = 0.216865 m
2·π 2·π
br3 = r3G − r3N = 0.048271 m br3BK = r3BK G − r3BK N = 0.119905 m
ν3 = r3N /r3G = 0.842426 ν3BK = r3BK N /r3BK G = 0.643956
A4 A5
r4G = rE2 + = 0.309275 m r5G = rE2 + = 0.327291 m
2·π 2·π
A4 A5
r4N = rE2 − = 0.254546 m r5N = rE2 − = 0.230922 m
2·π 2·π
br4 = r4G − r4N = 0.054730 m br5 = r5G − r5N = 0.096369 m
ν4 = r4N /r4G = 0.823039 ν5 = r5N /r5G = 0.705556
Für dieses Zahlenbeispiel ergibt sich also der größte Gehäuseradius am Faneintritt:
r2G = 0.392777 m. Dieser Radius ist damit diejenige Größe, mit der man auf den größten
Triebwerkseintrittsdurchmesser (ohne Gondel) bzw. auf den größten Eintrittsquerschnitt
AStirn (AIP, Aerodynamic Interface Plane) des gesamten Triebwerks rückschließen kann:
AStirn = AIP = π · r2G 2
= 0.484666 m2 . Betrachtet man die Geometrie des Triebwerks in
Abb. 6.25, so ist zu erwarten, dass r5G > r7 gilt, was im vorliegenden Beispiel auch der Fall
ist: r5G = 0.3273 m > r7 = 0.2775 m. Die Relation dieser beiden Radien kann man bei den
Eingangsdaten zur Berechnung über die Wahl der Machzahl Ma7 steuern. Der Radienun-
terschied fällt umso deutlicher aus, je größer Ma7 gewählt wird. Da zwischen den Ebenen
5 und 7 die durchströmten Querschnitte einem Diffusor entsprechen (Übergang von
einem Kreisring- auf einen Kreisquerschnitt: A5 < A7 = Übergangsstück), muss aber auch
darauf geachtet werden, dass der Zusammenhang c7 < c5 eingehalten wird. Wenn nun
◦
für die Düse zwischen den Ebenen 7 und 8 ein halber Öffnungswinkel von θD = 20
vorgeben wird, so ergibt sich die axiale Länge D der Düse zu, vgl. Abb. 6.25:
r7 − r8 D 7 − D8
D = = = 0.190637m axiale Länge der konverg. Schubdüse
tan θD 2 · tan θD
Damit ist an dieser Stelle des Rechnungsgangs fast die gesamte Hauptgeometrie des
Triebwerks festgelegt. Was an dieser Stelle noch nicht berechnet werden kann, ist die
geometrische Ausdehnung der einzelnen Komponenten in Axialrichtung. Das kann erst
geschehen, wenn man sich intensiver mit der Auslegung und damit auch mit der Geometrie
der einzelnen Triebwerkskomponenten befasst hat.
Wie schon erwähnt, ist der größte Turbomaschinenradius der Gehäuseradius am
Verdichtereintritt mit r2G = 0.392777 m. Da die maximale Umfangsgeschwindigkeit den
vorgegebenen Wert umax = 450 m/s nicht überschreiten soll, kann an dieser Stelle die
Drehzahl n des Triebwerks berechnet werden.
digkeit c, den Massenstrom ṁ, den statischen Druck p und die durchströmte Fläche A
kennen, können wir nun analog zu Beispiel 5.3 in Kap. 5 die einzelnen Axialkräfte im
Triebwerk ermitteln. Die Summe aller dieser Kräfte muss dann dem vorgegebenen Schub
von F = 20 000 N entsprechen. Dasselbe Resultat muss sich dann auch mittels der allgemei-
nen Schubgleichung F = (ṁ0 + ṁB ) · c9 − ṁ0 · c0 ergeben. Alles das soll nun im Folgenden
überprüft werden.
Fax0,1 = ṁ0 · c1 − ṁ0 · c0 + A1 · (p1 − p0 ) − A0 · (p0 − p0 ) = 20.038 N
Fax1,2 = ṁ0 · c2 − ṁ0 · c1 + A2 · (p2 − p0 ) − A1 · (p1 − p0 ) = 616.42 N
Fax2,3 = ṁ0 · c3 − ṁ0 · c2 + A3 · (p3 − p0 ) − A2 · (p2 − p0 ) = 22 089.422 N
Fax3,3BK = ṁ0 · c3BK − ṁ0 · c3 + A3BK · (p3BK − p0 ) − A3 · (p3 − p0 )
= 38 428.7363 N
Fax3BK,4 = (ṁ0 + ṁB ) · c4 − ṁ0 · c3BK + A4 · (p4 − p0 ) − A3BK · (p3BK − p0 )
= −32 089.8764 N
Fax4,5 = (ṁ0 + ṁB ) · c5 − (ṁ0 + ṁB ) · c4 + A5 · (p5 − p0 ) − A4 · (p4 − p0 )
= −7 240.6221 N
Fax5,7 = (ṁ0 + ṁB ) · c7 − (ṁ0 + ṁB ) · c5 + A7 · (p7 − p0 ) − A5 · (p5 − p0 )
= 8 890.7735 N
Fax7,8 = (ṁ0 + ṁB ) · c8 − (ṁ0 + ṁB ) · c7 + A8 · (p8 − p0 ) − A7 · (p7 − p0 )
= −12 097.0334 N
Fax8,9 = (ṁ0 + ṁB ) · c9 − (ṁ0 + ṁB ) · c8 + A9 · (p9 − p0 ) − A8 · (p8 − p0 )
= 1 382.1399 N
i=8
(Fax )i,i+1 = 20 000 N
i=0
AL AM AR AS
Fan- Sekundär-
stufe düse
p 19 = p 0
Fang-
strom-
II
m Z
m D.O
röhre
HDT
B
m NDT
I
m
Zuströmung
r2G
m 0 = m I + m II r2N N2 I +m
m B −m
Z
N1
=
I
m
II
m
Über- 8
gangs-
Turbine
0 1 Einlauf 3BK4 5 stück 7 9
NDV B.Oa B.O HDV Brenn- Primär-
2 3
Verdichter kammer düse
Die letzten beiden Ergebnisse zeigen, dass sich bei solchen Berechnungen praktisch im-
mer unterschiedliche Ergebnisse für die Schubkraft einstellen, die davon abhängen, wo
die Bezugsebenen für den Schub definiert wurden. Letztendlich zeigt sich auf einem Prüf-
stand, mittels einer Kraftmessung, welchen Schub ein Triebwerk tatsächlich liefert. Eine
Schubberechnung nach den Methoden der Strömungsmechanik und/oder nach denen der
Aero-Thermodynamik, so wie es hier mit dem Syntheseverfahren geschehen ist, hängen
immer von der Wahl der Bezugsflächen ab und sollten nicht zu Verwunderungen führen,
wenn die Ergebnisse unterschiedlicher Vorgehensweisen nicht immer 100 %ig in einen
kompletten Einklang zu bringen sind. Strömungsmechaniker werden immer eine Bezug-
sebenenwahl zwischen 0 8 bevorzugen, wogegen die Thermodynamiker lieber auf 0 9
zurückgreifen werden.
In Kap. 14 wird auf das Basisprinzip des gesamten zuvor vorgestellten Rechnungs-
ablaufes wieder zurückgegriffen werden. Nur wird dann ein realer Triebwerksprozess
betrachtet, d. h., es werden alle Komponentenwirkungsgrade und -druckverluste mit be-
rücksichtigt und auch die Temperaturabhängigkeit von κ und cp mit einbezogen, ebenso
wie die Tatsache, dass hinter der Brennkammer keine reine Luft mehr vorliegt, sondern
ein Heißgasgemisch, das sich aus Luft und darin verbranntem Brennstoff zusammensetzt.
472 6 Definitionen und Aero-Thermodynamische Grundlagen
Aufbauend auf den vorhergehenden Kapiteln sollen nun für das einfache, in Abb. 6.26
dargestellte zweiwellige Turbofantriebwerk der spezifische Schub FS , der spezifische Brenn-
stoffverbrauch BS , das Brennstoff/Luft-Verhältnis β und die Wirkungsgrade ηth , ηP , ηges
berechnet werden. Außerdem sind an allen Triebwerksstationen die statischen Drücke p
und die Totaldrücke pt , die statischen Temperaturen T und die Totaltemperaturen Tt ,
die axialen Geschwindigkeiten c und die durchströmten Querschnitte A zu berechnen. Da
auch die Drehzahlen beider Wellen berechnet werden sollen, nN1 und nN2 , ist es erforder-
lich, den gesamten Verdichter von Anbeginn der Rechnung an, in seinen Niederdruck-
und Hochdruckteil aufzuspalten. Aus diesem Ansatz ergeben sich später im Rechnungs-
gang auch die entsprechenden Werte für die Hoch- und Niederdruckturbinen, ohne das
dies bei den für die Berechnung vorzugebenden Daten ansonsten weiter zu berücksich-
tigen wäre. Alle Komponenten – bis auf die Brennkammer – sind adiabat und werden
isentrop (reibungsfrei) durchströmt. Die Fangstromröhre ist nicht zylindrisch und die
primäre Schubdüse sei eine konvergente Düse mit anschließender freier Nachexpansion
auf den Umgebungsdruck p9 = p0 gilt. Für die sekundäre Schubdüse gilt analoges mit
p19 = p0 . In der Brennkammer findet eine vollständige Verbrennung mit ηBK = 1 statt.
Das Brennstoff/Luft-Verhältnis β und auch das Zapfluft/Luft-Verhältnis α = 0 sollen nicht
vernachlässigbar klein sein. Als eine, den Rechnungsgang vereinfachende Annahme, soll
angenommen werden, dass alle Zapfluft komplett zwischen Niederdruck- und Hochdruck-
verdichter entnommen wird. Der interessierte Leser sei an dieser Stelle ausdrücklich einmal
dazu aufgefordert, sich Gedanken darüber zu machen, wie der nachfolgende Rechnungsgang
wohl zu verändern wäre, wenn man die Zapfluftentnahme auf mehrere Positionen längs des
Hochdruckverdichters verteilen würde. Wenn man das Prinzip des Rechnungsweges verstan-
den hat, ist dies nicht sehr schwer, aber doch mit einem Mehr an reinem Rechenaufwand
verbunden, der hier im Buch aus Gründen des Platzes umgangen werden soll. Das Strö-
mungsmedium im Triebwerk sei überall Luft mit κ = 1.4 und Ri = 287 Nm/(kg · K). Es
sind außerdem folgende Daten gegeben:
Schub F = 37 000 N
Flughöhe H0 = 11 km (p0 = 0.226 · 105 Pa,
T0 = 217 K)
Flugmachzahl Ma0 = 0.82
Niederdruck-Verdichter- πNDV = 2.5
druckverhältnis
Hochdruck-Verdichter- πHDV = 8.0 ⇒ πV = πNDV · πHDV = 20.0
druckverhältnis
Fandruckverhältnis πFan = 1.6
6.16 Vorentwurf einfacher Turbo-Strahltriebwerke 473
Bypassverhältnis μ = 4.6
Turbineneintrittstemperatur Tt4 = 1 450 K
Zapfluft/Luft-Verhältnis α = 0.040
spezifischer Heizwert Hi = 4.31 · 107 Nm/kg (Jet A-1)
Triebwerkeintrittsmachzahl Ma1 = 0.75
Verdichtereintrittsmachzahl Ma2 = 0.50 mit c2 = c3 und mit c12 = c13
Brennkammereintrittsmachzahl Ma3BK = 0.125 am Ende des der Brennkammer
vorgeschalteten Diffusors
Turbineneintrittsmachzahl Ma4 = 0.50 mit c4 = c5
Schubdüseneintrittsmachzahl Ma7 = 0.35 mit c7 < c5
Nabenverhältnis am
Verdichtereintritt :
2 ν 2 = r2N /r2G = 0.20
Maximal zulässige Blattspit-
zenumfangsgeschwindigkeit umax, N2 = 425 m/s
von Verdichter und Turbine
Maximal zulässige Blattspit-
zenumfangsgeschwindigkeit für umax, N1 = 385 m/s
den Fan
Der folgende Text zeigt in kompakter Form den gesamten Ablauf des Rechnungsganges,
inklusiver der sich dabei einstellenden Zahlenwerte. Das grundlegende Prinzip dieser Vor-
gehensweise wird dann später in Kap. 14 noch einmal – aber dann wesentlich ausführlicher
und deutlich komplexer – auf ein reales Turbofantriebwerk übertragen werden.
Ebene ,0 weit vor dem Triebwerk
c0 = Ma0 · κ · Ri · T0 = 242.230 m/s
κ · Ri
cp = = 1 004.5 Nm/(kg · K)
κ −1
Tt0 = T0 + c02 /(2 · cp ) = 246.182 K
pt0 = p0 · (Tt0 /T0 )κ/(κ−1) = 0.3514774 · 105 Pa
nach Gl. (18.290) ergibt sich der Massenstromparmeter für die Ebene
0 zu
√
ṁ0 · Tt0 κ Tt0 p0 √
ϑ0 = = Ma0 · · · = 0.039224 (s/m) · K
A0 · pt0 Ri T0 pt0
Ebene
2 = ,
12 Verdichtereintritt bzw. Faneintritt
Ebene
2.5 a , Austrittsebene des Niederdruckverdichters
Ebene ,
2.5 Eintrittsebene des Hochdruckverdichters
Ebene ,
3 Verdichteraustritt
c3 = c2 = 153.465 m/s
pt3 = pt2.5 · πHDV = pt2. · πV = 7.0295477 Pa · 105 Pa
(κ−1)/κ (κ−1)/κ
Tt3 = Tt2.5 · πHDV = Tt2 · πV = 579.401 K
T3 = Tt3 − · cp ) = 567.678K
c32 /(2
Ma3 = c3 / κ · Rt · T3 = 0.321
6.16 Vorentwurf einfacher Turbo-Strahltriebwerke 475
Ebene
3 BK , Brennkammereintritt, nach dem Brennkammereintrittsdiffusor
Ein ziviles Turbofantriebwerk besteht aus einer einzigen Fanstufe, das ist der rotierende
Fan und im Anschluss daran die so genannten Fanleitschaufeln. Da die Strömung hinter
dem rotierenden Fan einen Drall hat, ist es die Aufgabe der Fanleitschaufeln, die Strömung
wieder axial auszurichten. In Kap. 8 wird näher und ausführlicher auf diese Eigenschaften
eingegangen werden. Die Fanstufe berechnet sich mit denselben Gleichungen, wie zuvor
der Verdichter, wenn dort anstelle des Verdichterdruckverhältnisses πV das ebenfalls vor-
gegebene Fandruckverhältnis πFan verwendet wird. Der untere Teil der Fanbeschaufelung
gehört zum Verdichter des zentralen Triebwerkteils (Primärstrom I), dem Gasgenerator,
und nur der obere Fanschaufelanteil gehört zum Sekundärstrom II des Triebwerks.
Ebene ,
4 Brennkammeraustritt bzw. Turbineneintritt
Ehe mit der Ebene 5 am Turbinenaustritt weitergerechnet werden kann, ist es erfor-
Ebene ,
5 Austrittsebene der gesamten Turbine
c5 = c4 = 274.961 m/s
Leistungsgleichgewicht zwischen Fan, Verdichter und Turbine
PFan + PV = |PT | Die Turbine treibt Fan und Verdichter an
ṁII · wFan + ṁI · wNDV + (ṁI − ṁZ ) · wHDV = (ṁI + ṁB − ṁZ ) · |wT |
durch ṁI dividieren
μ · wFan + wNDV + (1 − α) · wHDV = (1 + β − α) · |wT |
μ · wFan + wNDV + wHDV − α · wHDV = (1 + β − α) · |wT |
μ · wFan + wV − α · wHDV = (1 + β − α) · |wT |
μcp (Tt13 − Tt12 ) + cp (Tt3 − Tt2 ) − αcp (Tt3 − Tt2.5 ) = (1 + β − α)cp (Tt4 − Tt5 )
Ma5 = c5 / κ · Ri · T5 = 0.453
pt5 = pt4 · (Tt5 /Tt4 )κ/(κ−1) = 1.6273488 · 105 Pa
πT = pt5 /pt4 = 0.231501
p5 = pt5 · (T5 /Tt5 )κ/(κ−1) = 1.4136536 · 105 Pa
√
(ṁI + ṁB − ṁZ ) · Tt5 κ Tt5 p5 √
ϑ5 = = Ma5 · · · = 0.028042 (s/m) · K
A5 · pt5 Ri T5 pt5
Ebene ,
4.5 Austrittsebene der Hochdruckturbine bzw. Eintrittsebene der Niederdruck-
turbine
PHDV = |PHDT |
(ṁI − ṁZ ) · wHDV = (ṁI + ṁB − ṁZ ) · |wHDT | · (1/ṁI )
(1 − α) · cp · (Tt3 − Tt2.5 ) = (1 + β − α) · cp · (Tt4 − Tt4.5 )
1−α
Tt4.5 = Tt4 − · (Tt3 − Tt2.5 ) = 1 195.793 K
1+β −α
T4.5 = Tt4.5 − c4.5
2
/(2 · cp ) = 1 158.160 K
Ma4.5 = c4.5 / κ · Ri · T4.5 = 0.403
pt4.5 = pt4 · (Tt4.55 /Tt4 )κ/(κ−1) = 3.5804271 · 105 Pa
κ/(κ−1)
p4.5 = pt4.5 1 + 0.5 · (κ − 1) · Ma24.5
= 3.2013221 · 105 Pa
πHDT = pt4.5 /pt4 = 0.50934
πNDT = pt5 /pt4.5 = πT /πHDT = 0.454512
√
(ṁI + ṁB − ṁZ ) · Tt4.5 κ Tt4.5 p4.5
ϑ4.5 = = Ma4.5 · · ·
A4.5 · pt4.5 Ri T4.5 pt4.5
√
= 0.025577 (s/m) · K
Ebene ,
7 Schubdüseneintritt (Primärkreis)
T7 = Tt7 1 + 0.5 · (κ − 1) · Ma27 = 937.700 K
κ/(κ−1)
p7 = pt7 1 + 0.5 · (κ − 1) · Ma27 = 0.1659 · 106 Pa
+
c7 = 2 · cp · (Tt7 − T7 ) = 176.745 m/s
√
(ṁI + ṁB − ṁZ ) · Tt7 κ Tt7 p7 √
ϑ7 = = Ma7 · · · = 0.019861 (s/m) · K
A7 · pt7 Ri T7 pt7
Ebene ,
8 engster Querschnitt = Austrittsebene der konvergenten Primärschubdüse
Ebene ,9 Ebene hinter der primären Schubdüse, wo wieder der Umgebungsdruck p
0
erreicht ist
Ebene ,
18 engster Querschnitt = Austrittsebene der konvergenten Sekundärschubdüse
Ebene ,
19 Ebene hinter der sekundären Schubdüse, wo wieder der Umgebungsdruck p
0
erreicht ist
An dieser Stelle des Rechnungsgangs sind nun alle erforderlichen Temperaturen, Drücke,
Geschwindigkeiten und Machzahlen an den diversen Triebwerksstationen bekannt. Nun
kann der spezifische Schub FS berechnet werden und aus ihm, da der Triebwerksschub F be-
kannt ist, der erforderliche Luftmassenstrom ṁ0 und daraus dann die Teilmassenströme ṁI
und ṁII und dann über β = ṁB /ṁI der Brennstoffmassenstrom ṁB und über α = ṁZ /ṁI
der Zapfluftmassenstrom ṁZ . Mittels dieser Massenströme wird anschließend aus den
diversen ϑ-Werten (Massenstromparameter) der bisherigen Rechnung der jeweils durch-
strömte Triebwerksquerschnitt A berechnet. Dort, wo durchströmte Kreisquerschnitte
√
(nicht Kreisringquerschnitt!) vorliegen, werden auch die Durchmesser D = 4 · A/π
berechnet:
(1 + β − α) · c9 − c0 + μ · (c19 − c0 )
FS = = 212.853 N/(kg/s)
1+μ
ṁ0 = F/FS = 173.829 kg/s
ṁ0
ṁI = = 31.041 kg/s
1+μ
μ · ṁ0
ṁII = = 142.788 kg/s
1+μ
ṁB = β · ṁI = 0.626 kg/s
ṁZ = α · ṁI = 1.242 kg/s
480 6 Definitionen und Aero-Thermodynamische Grundlagen
Kontinuitätsgleichung
A0 = ṁ0 · Tt0 /(ϑ0 · pt0 ) = 1.978365 m2 (D0 = 1.587115 m)
Da ṁ0 = ṁ1 gilt, ergibt sich analog zu Gl. (5-62)
1 · κ+1
Ma0 1 + 0.5 · (κ − 1) · Ma20 2 κ−1
A1 = A0 · ·
Ma1 1 + 0.5 · (κ − 1) · Ma21
= 2.039711 m2 (D1 = 1.611533 m)
A2 = ṁI · Tt2 /(ϑ2 · pt2 ) = 0.459346 m2
A2.5a = ṁI · Tt2.5a /(ϑ2.5a · pt2.5a ) = 0.231987 m2
A2.5 = (ṁI − ṁZ ) · Tt2.5 /(ϑ2.5 · pt2.5 ) = 0.222708 m2
A3 = (ṁI − ṁZ ) · Tt3 /(ϑ3 · pt3 ) = 0.048342 m2
A3BK = (ṁI − ṁZ ) · Tt3BK /(ϑ3BK · pt3BK ) = 0.117978 m2
A4 = (ṁI + ṁB − ṁZ ) · Tt4 /(ϑ4 · pt4 ) = 0.069957 m2
A4.5 = (ṁI + ṁB − ṁZ ) · Tt4.5 /(ϑ4.5 · pt4.5 ) = 0.114889 m2
A5 = (ṁI + ṁB − ṁZ ) · Tt5 /(ϑ5 · pt5 ) = 0.205988 m2
A7 = (ṁI + ṁB − ṁZ ) · Tt7 /(ϑ7 · pt7 ) = 0.290841 m2 (D7 = 0.608531 m)
A8 = (ṁI + ṁB − ṁZ ) · Tt8 /(ϑ8 · pt8 ) = 0.142915 m2 (D8 = 0.426573 m)
A9 = (ṁI + ṁB − ṁZ ) · Tt9 /(ϑ9 · pt9 ) = 0.230764 m2 (D9 = 0.542050 m)
A12 = ṁII · Tt12 /(ϑ12 · pt12 ) = 2.112990 m2
A2 + A12 = 2.572336 m2
A13 = ṁII · Tt13 /(ϑ13 · pt13 ) = 1.486952 m2
A18 = ṁII · Tt18 /(ϑ18 · pt18 ) = 1.054104 m2
A19 = ṁII · Tt19 /(ϑ19 · pt19 ) = 1.092549 m2
Da am Verdichtereintritt (unterer Fanbereich) das Nabenverhältnis ν 2 = r2N /r2G gegeben
ist, kann hieraus der „innere Gehäuseradius“ am Verdichtereintritt (unterer Fanbereich)
berechnet werden:
π 2 2
A2 = · D2G − D2N2
= π · r2G − r2N
2
= π · r2G
2
· 1 − ν22
4
A2
r2G = = 0.417210 m
π · 1 − ν22
Da in der Rechnung davon ausgegangen wurde, dass sich sowohl der Verdichter als auch die
Turbine aus so genannten Normalstufen zusammensetzen, so wie es in Kap. 8 ausführlicher
dargestellt ist, soll mit dieser Bedingung der so genannte Euler-Radius konstant durch
Verdichter, Brennkammer und Turbine hindurch bleiben, rEI = const. Damit kann dann
an den diversen Triebwerksstationen zwischen 3 bis 5 jeweils der Gehäuseradius rG , der
A2.5a A2.5
r2.5aG = rE2 + = 0.371321 m r2.5G = rE2 + = 0.369327 m
2·π 2·π
A2.5a A2.5
r2.5aN = rE2 − = 0.253052 m r2.5N = rE2 − = 0.255954 m
2·π 2·π
br2.5a = r2.5aG − r2.5aN = 0.118269 m br2.5 = r2.5G − r2.5N = 0.113373 m
ν2.5a = r2.5aN /r2.5aG = 0.681492 ν2.5 = r2.5N /r2.5G = 0.693028
A3 A3BK
r3G = rE2 + = 0.329623 m r3BK G = rE2 + = 0.346026 m
2·π 2·π
A3 A3BK
r3N = rE2 − = 0.305391 m r3BK N = rE2 − = 0.286672 m
2·π 2·π
br3 = r3G − r3N = 0.024232 m br3BK = r3BK G − r3BK N = 0.059354 m
A4 A4.5
r4G = rE2 + = 0.334801 m r4.5G = rE2 + = 0.345315 m
2·π 2·π
A4 A4.5
r4N = rE2 − = 0.299706 m r4.5N = rE2 − = 0.287528 m
2·π 2·π
br4 = r4G − r4N = 0.035095 m br4.5 = r4.5G − r4.5N = 0.057788 m
A5
r5G = rE2 + = 0.365707 m
2·π
A5
r5N = rE2 − = 0.261100 m
2·π
br5 = r5G − r5N = 0.104606 m
Wie im Primärkreis auch schon, so soll auch nun für die Rechnung im Sekundärkreis
davon ausgegangen werden, dass die Fanstufe eine Normalstufe ist. Darauf aufbauend soll
der Euler-Radius durch den gesamten Sekundärkreis konstant bleiben, rEII = const. Damit
kann dann an den Triebwerksstationen ,13
18 und 19 jeweils der Gehäuseradius rG , der
A19
r19G = rE2 + = 0.827189 m
2·π
A19
r19N = rE2 − = 0.580063 m
2·π
br19 = r19G − r19N = 0.024232 m
ν19 = r19N /r19G = 0.247126
Für dieses Zahlenbeispiel ergibt sich also der größte Gehäuseradius am Faneintritt:
r12G = 0.920136 m. Dieser Radius wäre damit die Größe, mit der man auf den größten
Triebwerkseintrittsdurchmesser (ohne Gondel) bzw. auf den größten Eintrittsquerschnitt
AStirn (AIP, Aerodynamic Interface Plane) des gesamten Triebwerks rückschließen kann:
AStirn = AIP = π · r12G
2
= 2.659830 m2
Damit ist an dieser Stelle des Rechnungsgangs fast die gesamte Hauptgeometrie des
Triebwerks festgelegt. Was an dieser Stelle noch nicht berechnet werden kann, ist die
geometrische Ausdehnung der einzelnen Komponenten in Axialrichtung. Das kann erst
geschehen, wenn man sich intensiver mit der Auslegung und damit auch mit der Geometrie
der einzelnen Triebwerkskomponenten befasst hat.
Der größte Turbomaschinenradius hinsichtlich der N2-Welle (Hochdruckwelle) ist der
Gehäuseradius am Hochdruckverdichtereintritt mit r2.5G = 0.369327 m. Da die maximale
Umfangsgeschwindigkeit der längsten Schaufel auf der N2-Hochdruckwelle (erste Rotor-
schaufel des Hochdruckverdichters) den vorgegebenen, zulässigen Wert umaxN2 = 425 m/s
nicht überschreiten soll, kann an dieser Stelle die Drehzahl nN2 des Triebwerks berechnet
werden:
Zum Abschluss dieser einfachen Basisauslegung sollen nun noch der spezifische Brenn-
stoffverbrauch und die Triebwerkswirkungsgrade berechnet werden.
β ∧
BS = = 0.169131 · 10−4 (kg/s)/N = 60.887 (kg/h)/kN
FS · (1 + μ)
2
(1 + β − α) · c92 − c02 + μ · c19 − c02
ηth = = 0.620719
2 · β · Hi
484 6 Definitionen und Aero-Thermodynamische Grundlagen
(1 + β − α) · c9 − c0 + μ · (c19 − c0 )
ηP = 2 · c 0 · 2 = 0.535121
(1 + β − α) · c92 − c02 + μ · c19 − c02
ηges = ηth · ηP = 0.33216
Da wir nun in jeder der Bezugsebenen des Triebwerks zwischen 0 und 9 und zwi-
schen 0 und 19 jeweils die Geschwindigkeit c, den Massenstrom ṁ, den statischen
Druck p und die durchströmte Fläche A kennen, können wir nun analog zu Bei-
spiel 5.3 in Kap. 5 die einzelnen Axialkräfte im Triebwerk ermitteln. Die Summe
aller dieser Kräfte muss dann dem vorgegebenen Schub von F = 37 000 N entspre-
chen. Dasselbe Resultat muss sich dann auch mittels der allgemeinen Schubgleichung
F = c9 · (ṁI + ṁB − ṁZ ) − c0 · ṁI + ṁII · (c19 − c0 ) ergeben. Alles das soll nun im
Folgenden überprüft werden.
i=8
i=18
(Fax )i,i+1 + (Fax )i,i+1 = 37 000 N
i=0 i=12
Wie es auch schon bei dem vorhergehenden Beispiel für den Turbojet erläutert wurde,
zeigen die letzten beiden Ergebnisse, dass sich bei solchen Berechnungen praktisch im-
mer unterschiedliche Ergebnisse für die Schubkraft einstellen, die davon abhängen, wo
die Bezugsebenen für den Schub definiert wurden. Letztendlich zeigt sich auf einem Prüf-
stand, mittels einer Kraftmessung, welchen Schub ein Triebwerk tatsächlich liefert. Eine
Schubberechnung nach den Methoden der Strömungsmechanik und/oder nach denen der
Aero-Thermodynamik, so wie es hier mit dem Syntheseverfahren geschehen ist, hängen
immer von der Wahl der Bezugsflächen ab und sollten nicht zu Verwunderungen führen,
wenn die Ergebnisse unterschiedlicher Vorgehensweisen nicht immer 100 %ig in einen
kompletten Einklang zu bringen sind. Strömungsmechaniker werden immer eine Bezug-
sebenenwahl zwischen 0 8 und 0
18 bevorzugen, wogegen die Thermodynamiker lieber
auf 0 9 und 0
19 zurückgreifen werden.
Solche Berechnungen nach einem Syntheseverfahren können mit immer mehr Details
verfeinert werden. Durch die Wahl geeigneter Voraussetzungen bei den Druckverhältnis-
sen, den Geschwindigkeiten und Machzahlen kann z. B. die Rechnung gesteuert werden.
Durch Aufteilen des Verdichters in noch mehr Einzelsektionen (also nicht nur in Nieder-
und Hochdruckverdichter, wie hier geschehen), können z. B. die Orte der Zapfluftentnah-
me im Hochdruckverdichter (HDV) genauer in die Rechnung mit einbezogen werden. Die
Hochdruckturbine (HDT) treibt den Hochdruckverdichter (HDV). Und wenn man sich
nun in diesem Zusammenhang den Rechnungsgang für die Triebwerksebene 5 anschaut,
so ist zu sehen, dass ein Teil der Turbinenleistung für die Zapfluftkompression aufgewendet
werden muss, dieser Leistungsanteil steht hinsichtlich der Kompression des Primärmas-
senstroms hinter dem Verdichter nicht mehr zur Verfügung. Die nach außen abgegebene
Leistung, die für die Bereitstellung der Zapfluft aufzubringen ist, beträgt demnach:
In Kap. 14 wird auf das Basisprinzip des gesamten zuvor vorgestellten Rechnungsablaufes
wieder zurückgegriffen werden. Nur wird dann ein realer Triebwerksprozess betrachtet,
d. h., es werden zusätzlich auch noch alle Komponentenwirkungsgrade und -druckverluste
mit berücksichtigt und auch die Temperaturabhängigkeit von κ und cp mit einbezogen,
486 6 Definitionen und Aero-Thermodynamische Grundlagen
ebenso wie die Tatsache, dass hinter der Brennkammer keine reine Luft mehr vor-
liegt, sondern ein Heißgasgemisch, das sich aus Luft und darin verbranntem Brennstoff
zusammensetzt.
Literatur
Baehr HD (1992) Thermodynamik. Eine Einführung in die Grundlagen und ihre technischen
Anwendungen, 8. Aufl. Springer-Verlag, Berlin
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Parametrische Kreisprozessanalyse idealer
Flugzeugtriebwerke 7
Als Einführung in die Aero-Thermodynamik der Triebwerke – auf der Basis der so ge-
nannten parametrischen Kreisprozessanalyse1 – wird bewusst vom idealen Kreisprozess
ausgegangen, weil dies zum einen übersichtlicher und zum anderen anschaulicher als die
sofortige Behandlung der realen Triebwerke ist. So lassen sich wichtige und – trotz der
dabei auftretenden Vereinfachungen – dennoch stets qualitativ richtige Auslegungsten-
denzen für Flugzeugtriebwerke aufzeigen. Die Quantität der Ergebnisse lässt naturgemäß
zu wünschen übrig, sodass z. B. Schübe zu üppig und Brennstoffverbräuche zu günstig
prognostiziert werden.
Die parametrische Kreisprozessanalyse zeigt, wie sich die Leistungsdaten eines Trieb-
werks – Schub, spezifischer Brennstoffverbrauch und/oder die Triebwerkswirkungsgrade
– mit den:
1
Die Methode der parametrischen Kreisprozessanalyse wurde erstmals am California Institute of
Technology (CalTech) von Prof. Dr. Frank E. Marble eingeführt und später von Prof. Dr. G.
Oates(†) an der University of Washington und von Prof. Dr. J. Kerrebrock am Massachusetts
Institute of Technology (MIT) weiterentwickelt. Weitere ausführliche Darstellungen zur parame-
trischen Kreisprozessanalyse sind bei Oates (1988) und bei Mattingly (2006) zu finden. Der Begriff
parametrisch leitet sich vom Wort Parameter ab. Unter Parameter wird eine unbekannte Konstante
in Gleichungen verstanden, von der diese Gleichungen abhängen und durch deren unterschiedliche
Wahl sich das Ergebnis der Gleichungen ändert.
• Das Triebwerk und alle seine Komponenten – außer der Brennkammer – sind adiabat.
• Alle Kompressions- und Expansionsvorgänge verlaufen isentrop.
• Die Verbrennung erfolgt isobar und vollständig, d. h., als vollständige stöchiometrische
Gleichdruckverbrennung.
• Alle Strömungsvorgänge im Triebwerkseinlauf, in der Schubdüse und in allen son-
stigen Komponenten verlaufen verlustfrei (isentrop), d. h., es treten keinerlei viskose
Totaldruckverluste auf.
• Der Fangstromröhrenquerschnitt weit vor dem Triebwerk entspricht der geometrischen
Triebwerkseintrittsfläche.
• Brennstoff- und Zapfluftmassenströme sind gegenüber dem Hauptluftmassenstrom
vernachlässigbar klein.
• Die Strömung im Triebwerk folgt überall den Gesetzen idealer Gase.
• Der Isentropenexponent κ, die spezifische Wärmekapazität cp und die spezielle Gas-
konstante Ri entsprechen den Werten von Luft und sind durch das gesamte Triebwerk
hindurch konstant.
• Hinter dem Triebwerk, in der Bezugsebene , 9 expandiert der austretende Gasstrom
immer bis auf den Umgebungsdruck, p9 = p0 .
Passend zu den zuvor aufgelisteten Randbedingungen ist die Ausgangsgleichung für den
spez. Schub die Gl. (6.9), die so umgeformt wird, dass der spez. Schub eine Funktion der
Schallgeschwindigkeit a0 , der Flugmachzahl Ma0 , der Triebwerksaustrittsmachzahl Ma9
und des statischen Temperaturverhältnisses T9 /T0 wird:
F c9
FS := = c9 − c0 = c0 · −1 (7.1)
ṁ0 c0
c9 Ma9 T9
c0 = Ma0 · κ · Ri · T0 und c9 = Ma9 · κ · Ri · T9 ⇒ = · (7.2)
c0 Ma0 T0
c9 T9
FS = c0 · − 1 = a0 · Ma9 · − Ma0 (7.3)
c0 T0
andere auf der Basis des Totaldruckes am Triebwerksaustritt, die beide zum Ziel haben,
den Ausdruck:
τ0 Tt0 κ −1
mit τ0 = =1+ · Ma29 entsprechend Gl. (6.1)
κ −1 T0 2
1+ · Ma29
2
auf zwei voneinander unabhängigen Wegen bereitzustellen. Durch anschließendes Zu-
sammenfügen der beiden Ergebnisse wird dann eine Lösung erhalten, mit der die Gl. (7.3)
weiter verarbeitet werden kann.
κ−1
κ
κ −1 pt0 pt2 pt3 pt4 pt5 pt9
pt9 = p9 · 1 + · Ma29 = p0 · · · · · · (7.8)
2 p0 pt0 pt2 pt3 pt4 pt5
beschrieben. Die rechte Seite von Gl. (7.8) ist eine einfache Erweiterung von pt9 mit dem
statischen Druck p0 und den Totaldrücken pt0 bis pt9 . Hierin bedeuten:
κ−1
κ
κ −1 pt0 pt3 pt5
pt9 = p0 · 1 + · Ma29 = p0 · · · (7.9)
2 p0 pt2 pt4
Per Definition werden nun das Verdichter- und das Turbinendruckverhältnis πV und πT
eingeführt. Über die Isentropenbeziehung (Formeln in Tab. 18.8) können die Druck-
verhältnisse πV und πT auch als entsprechende Temperaturverhältnisse τV und τT
ausgedrückt werden.
κ−1 κ
pt3 Tt3 κ
πV := = = τVκ−1 = Verdichterdruckverhältnis (7.10)
pt2 Tt2
κ−1
κ
pt5 Tt5 κ
πT := = = τTκ−1 = Turbinendruckverhältnis (7.11)
pt4 Tt4
κ−1
κ
pt0 Tt0 κ
= = τ0κ−1 entsprechend Gl. (6.1) (7.12)
p0 T0
Durch Einsetzen der Gln. (7.10) bis (7.12) in die Gl. (7.9) wird das gewünschte Ergebnis
des 2. Rechnungsganges erhalten:
τ0 Tt2 Tt4
= · (7.13)
κ −1 Tt3 Tt5
1+ · Ma29
2
Durch Gl. (7.22) wird das Leistungsgleichgewicht zwischen Verdichter und Turbine be-
schrieben und Gl. (7.23) ist der spez. Schub eines idealen Turbojet ohne Nachbrenner. Der
spez. Schub wird also von folgenden Größen beeinflusst:
Diese Größen können leicht für eine Rechnung als Parameter vorgegeben und so ihr
Einfluss auf den spez. Schub überprüft werden.
Werden im Übrigen die Gln. (7.18) und (7.22) miteinander kombiniert, so ergibt sich
ein einfacher Ausdruck für die Schubdüsenaustrittsmachzahl:
2 τ0 2
Ma9 = τ0 · τV · 1 − (τV − 1) − 1 = · (τ0 · τV · τT − 1) (7.24)
κ −1 τλ κ −1
492 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
Ausgegangen wird von Gl. (6.27), in der – wegen des idealen Kreisprozesses – der
Brennkammerwirkungsgrad (Ausbrenngrad) ηBK zu eins gesetzt wird:
qzu
BS = (7.25)
FS · H i
Die dem Triebwerkskreisprozess zugeführte spez. Wärmeenergie qzu bestimmt sich aus
den Gln. (6.58), wenn Gl. (6.67) und cp = const berücksichtigt werden:
Werden nun die beiden Gln. (7.25) und (7.26) miteinander kombiniert, so ergibt sich
daraus:
cp cp · T 0 Tt4 Tt3
BS = · (Tt4 − Tt3 ) = · − (7.27)
FS · H i FS · H i T0 T0
Tt3 κ−1
= τ0 · πV κ = τ0 · τV (7.29)
T0
Aus Gl. (7.27) wird damit:
cp · T0
BS = · (τλ − τ0 · τV ) (7.30)
FS · H i
Der spez. Brennstoffverbrauch hängt also von denselben Größen ab, wie sie bereits für den
spez. Schub FS unterhalb von Gl. (7.23) aufgelistet wurden.
Die Bestimmung des Brennstoff/Luft-Verhältnisses β resultiert aus einer Energiebilanz
für eine Brennkammer, Abb. 7.1. Die Energie im ausströmenden Heißgas ist gleich den
Energien von zuströmender Verdichterluft und eingespritztem Brennstoff:
∧
ṁ0 · ht3 + ṁB · Hi = (ṁ0 + ṁB ) · ht4 [Nm/s ] = [W] (7.31)
7.1 Turbojet ohne Nachbrenner 493
B ⋅ Hi
m Brennkammer
0 ⋅ ht 3
m
Abb. 7.1 Energieströme in Watt [W], die in eine Brennkammer hinein und aus ihr heraus fließen
Mit ht = cp · Tt und der Voraussetzung, dass beim idealen Kreisprozess durch das
gesamte Triebwerk cp = const gilt, ergibt sich nach Division durch den Luftmassenstrom
ṁ0 :
ṁB cp
β= = · [(1 + β) · Tt4 − Tt3 ] (7.32)
ṁ0 Hi
Das Erweitern der rechten Gleichungsseite mit T0 und die Verwendung der beiden Vor-
aussetzungen β 1 und Tt2 = Tt0 ergibt unter Einbeziehung der Gln. (7.10), (7.12) und
(7.15) für τV , τ0 und τλ :
cp · T 0
β= · (τλ − τ0 · τV ) (7.33)
Hi
Ein Vergleich der Gln. (7.30) und (7.33) untereinander zeigt, dass BS = β/FS gilt, was mit
der Grunddefinition nach Gl. (6.27) übereinstimmt.
Der thermische Wirkungsgrad ist durch Gl. (6.115) definiert worden. Unter Verwendung
der Gl. (6.104) wird daraus:
$ $ $ $
|wN | |wN | qzu − $qab $ $qab $
ηth = = = =1− (7.34)
qB qzu qzu qzu
Beim idealen Kreisprozess wird alle im Brennstoff enthaltene spez. chemische Energie qB
in der Brennkammer vollständig in für den Kreisprozess nutzbare spez. Wärmeenergie qzu
gewandelt. Im Weiteren wird nun der Erste Hauptsatz (6.56) auf die gedachte Schließung
des Kreisprozesses von
9 nach 0 angewendet, Abb. 6.11:
Auf der rechten Gleichungsseite treten keine Totaltemperaturen auf, da die gedachte
Schließung des Kreisprozesses zwischen den statischen Zuständen hinter und vor dem
494 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
Wird nun in Gl. (7.34) für den thermischen Wirkungsgrad die Gl. (7.26) für qzu und die
Gl. (7.36) für |qab | eingesetzt, so ergibt sich der Ausdruck:
T9
−1
cp · (T9 − T0 ) T0 T0
ηth = 1 − =1− · (7.37)
cp · (Tt4 − Tt3 ) Tt3 Tt4
−1
Tt3
Da beim idealen Kreisprozess die Zustandsänderungen sowohl zwischen 4 und 9 als
auch zwischen 0 und 3 isentrop verlaufen (Abb. 6.11), können hier die Gleichungen für
pt0 = pt1 = pt2 > p0 . Nach Tab. 18.8 besteht zwischen pt0 und p0 der Zusammenhang:
κ−1
κ
pt0 κ −1 pt2 pt3
= 1+ · Ma0
2
= · (7.41)
p0 2 pt3 p0
Wird nun noch das Verdichterdruckverhältnis πV = pt3 /pt2 eingeführt, so ergibt sich:
p0 1 1
= κ−1
κ = κ (7.42)
pt3 κ −1 πV · τ0κ−1
πV · 1 + · Ma20
2
7.1 Turbojet ohne Nachbrenner 495
Die oben ganz rechts angegebene Einschränkung resultiert aus Gl. (7.18), in der für ei-
ne sinnvolle Lösung sicher gestellt werden muss, dass die dortige Wurzel nicht negativ
wird. Bei idealen Kreisprozessen ist der thermische Wirkungsgrad nur eine Funktion der
Druckerhöhung. Dabei repräsentiert τ0 die Druckerhöhung durch den aerodynamischen
Aufstau und πV die Druckerhöhung durch den Turboverdichter. Je höher das Verdich-
terdruckverhältnis πV und/oder die Flugmachzahl Ma0 bzw. τ0 ausfallen, umso günstiger
wird der thermische Wirkungsgrad werden.
7.1.4 Vortriebswirkungsgrad
Grundlage für den Vortriebswirkungsgrad ηP ist Gl. (6.117), in die für den spez. Schub FS
die Gl. (7.23) eingesetzt wird:
2 · c0
ηP = (7.44)
2 τ0 1
2 · c 0 + a0 · · τλ · 1 − · (τV − 1) − − Ma0
κ −1 τλ τ0 · τ V
2 · Ma0
ηP = (7.45)
2 τ0 1
· τλ · 1 − · τV − 1 − + Ma0
κ −1 τλ τ0 · τV
Sind für ein Triebwerk das Verdichterdruckverhältnis πV bzw. das zugehörige Tem-
peraturverhältnis τV und die Turbineneintrittstemperatur Tt4 bzw. τλ vorgegebene
Auslegungsgrößen, so wird der Vortriebswirkungsgrad ηP umso besser sein, je höher
die Flugmachzahl Ma0 bzw. τ0 ist, bei der das Triebwerk betrieben werden soll.
Beispiel 7.1
Es sind die Basisdaten (Drücke, Temperaturen, Geschwindigkeiten und Machzahlen)
in den verschiedenen Bezugsebenen eines idealen Turbojets zu berechnen, der mit einer
Flugmachzahl von Ma0 = 1 in einer Flughöhe von H0 = 11 km fliegt (p0 = 226.32 hPa,
T0 = 216.65 K). Das Verdichterdruckverhältnis beträgt πV = 15 und die Turbinenein-
trittstemperatur Tt4 = 1 350 K. Es gilt des Weiteren: κ = 1.4, Ri = 287 Nm/(kg · K) und
Hi = 4.31 · 107 Nm/kg.
496 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
√
a0 = κ · Ri · T0 = 1.4 · 287 · 216.65 = 295.04 m/s
c0 = Ma0 · a0 = 1.0 · 295.04 = 295.04 m/s
κ −1 1.4 − 1 2
τ0 = 1 + · Ma20 = 1 + · 1 = 1.20
2 2
Tt0 = T0 · τ0 = 216.65 · 1.2 = 259.98 K
κ
pt0 = p0 · τ0κ−1 = 22 632.35 · 1.23.5 = 42 841.45 Pa
Tt4 1 350
τλ = = = 6.32
T0 216.65
κ−1
τV = πV κ = 15.00.285714 = 2.17
Tt3 = τV · Tt0 = 2.17 · 259.98 = 563.59 K
pt3 = πV · pt0 = 15.0 · 42 841.45 = 642 621.75 Pa
τ0 1.20
τT = 1 − · (τV − 1) = 1 − · (2.17 − 1) = 0.775
τλ 6.32
κ
πT = τTκ−1 = 0.7753.5 = 0.41
Tt5 = τT · Tt4 = 0.775 · 1 350 = 1 046.39 K
pt5 = πT · pt3 = 0.41 · 642 621.75 = 263 457Pa
T9 τλ 6.23
= = = 2.395
T0 τ0 · τ V 1.2 · 2.17
T9
T9 = · T0 = 2.395 · 216.65 = 518.95 K
T0
2 2
Ma9 = · (τ0 · τV · τT − 1) = · (1.2 · 2.17 · 0.775 − 1) = 2.25
κ −1 0.4
√
a9 = κ · Ri · T9 = 1.4 · 287 · 518.95 = 456.63 m/s
c9 = Ma9 · a9 = 2.25 · 456.63 = 1 029.38 m/s
κ−1
κ
κ −1 3.5
pt9 = p0 · 1 + · Ma29 = 22 632.35 · (1 + 0.2 · 2.252 ) = 263 456.94 Pa
2
κ −1
Tt9 = T9 · 1 + · Ma9 = 518.95 · (1 + 0.2 · 2.252 ) = 1 046.39K
2
2
2 1
FS = a0 · · τ λ · τT − − Ma0 =
κ −1 τ0 · τV
1 N
FS = 295.04 · 5 · 6.23 · 0.775 − − 1.0 = 734.34
1.2 · 2.17 kg/s
7.2 Ramjet 497
κ · Ri T0
BS = · · (τλ − τ0 · τV ) =
κ − 1 FS · H i
1.4 · 287 · 216.65 kg/s
BS = · (6.23 − 1.2 · 2.17) = 2.496 · 10−5
0.4 · 734.34 · 4.31 · 107 N
kg/h
Bs = 2.496 · 10−5 · 3 600 · 103 = 89.85
kN
β = BS · FS = 2.496 · 10−5 · 734.34 = 0.01833
qzu = β · Hi = 0.01833 · 4.31 · 107 = 789 945.44 Nm/kg
$ $
$qab $ = κ · Ri · (T9 − T0 ) = 3.5 · 287 · (518.95 − 216.65) = 303 661.56 Nm/kg
κ −1
$ $
$qab $ 303 661.56
ηth = 1 − =1− = 0.6156
qzu 789 945.44
2 2
ηP = = = 0.4455
FS 734.34
2+ 2+
c0 295.04
ηges = ηth · ηP = 0.6156 · 0.4455 = 0.2743
7.2 Ramjet
Der Ramjet wird im Deutschen auch als Staustrahltriebwerk bezeichnet. Er ist vom Auf-
bau her die einfachste Form eines Strahltriebwerks und besteht aus den drei wesentlichen
Komponenten Triebwerkseinlauf, Brennkammer und Schubdüse. Sowohl der untere rech-
te Teil von Abb. 1.4c als auch die Abb. 1.15 zeigen den prinzipiellen Aufbau dieses Antriebs.
Abbildung 1.20 zeigt, wie man sich seine praktische Umsetzung evtl. vorstellen kann.
Den idealen Kreisprozess des Ramjets zeigt Abb. 7.2. Die für den Kreisprozess erforder-
liche Druckerhöhung, ohne die |wN | = qzu – |qab | > 0 nicht erreicht werden könnte, erfolgt
ausschließlich durch aerodynamischen Aufstau c02 /2. Das Verdichterdruckverhältnis ist
πV = pt3 /pt2 = 1 und die spez. Arbeiten (Strömungsarbeiten) von Verdichter und Turbine
sind wV = wT = 0. In der Brennkammer kommt es zur Wärmezufuhr, wodurch sich das in
der Brennkammer befindliche Heißgas um das Vier- bis Fünffache ausdehnt. Infolge des
Triebwerksgehäuses kann das Heißgas sich aber nicht seitlich ausdehnen und aufgrund des
Staudruckes auch nicht nach vorne entweichen, sodass es zwangsläufig durch die Schub-
düse hindurch – bei gleichzeitigem Druckabbau – beschleunigt wird. Abbildung 7.2 lässt
erkennen, dass für eine vorgegebene Brennkammeraustrittstemperatur Tt4 = const die
Schubdüsenaustrittsgeschwindigkeit c9 im Kreisprozess den größten unter diesen Umstän-
den überhaupt erreichbaren Wert annimmt. Über dieses lokale Maximum hinaus kann c9
nur durch Erhöhung der Brennkammeraustrittstemperatur Tt4 gesteigert werden. Die da-
bei auftretenden Düsenaustrittsgeschwindigkeiten c9 liegen immer oberhalb der örtlichen
498 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
Tt9=Tt5=Tt4 pt5=pt4=pt3=pt2=pt9 wT = 0
4=5
c92
qzu 2cp
cp
9
T9
qab
Tt3=Tt2=Tt1=Tt0
c02 2=3 cp
wV = 0
2cp 0
T0 p0
s
Um einen Ramjet, der für eine bestimmte Flughöhe H0 und Flugmachzahl Ma0 konzi-
pierten ist, mit einem höheren spez. Schub auszustatten, muss die Brennkammeraustritts-
temperatur Tt4 bzw. τλ angehoben werden. Im Bodenstandfall mit c0 = 0 bzw. Ma0 = 0
wird τ0 = 1 und der spez. Schub FS = 0, sodass ein Ramjet im Bodenstandfall nicht schub-
produzierend betrieben werden kann. Zu Beginn ist er deswegen auf einen Fremdantrieb
angewiesen, der ihm eine ausreichend hohe Geschwindigkeit c0 > 0 aufprägt. Ein sinnvoller
Staustrahlbetrieb hinsichtlich Leistung und Verbrauch ergibt sich erst bei Flugmachzahlen,
die deutlich oberhalb von zwei liegen.
Wird in Gl. (7.24) ebenfalls überall τV = 1 eingeführt und für τ0 die Gl. (6.1) eingesetzt,
so ergibt sich das auf den ersten Blick evtl. erstaunliche Resultat, dass nämlich beim Ramjet
7.2 Ramjet 499
Dieses Ergebnis darf nicht zu dem Trugschluss führen, dass dadurch der Schub des Ramjet
zu null wird, was ja nur dann der Fall wäre, wenn c9 = c0 gelten würde. Zur Verdeutlichung
wird deswegen das Ergebnis Ma9 = Ma0 in Strömungsgeschwindigkeiten gewandelt:
c9 c0 T9 T0 Tt4 τλ
√ =√ ⇒ c9 = c0 · = c0 · · = c0 · (7.48)
κ · R i · T9 κ · R i · T0 T 0 T 0 T t3 τ0
Hierin wurde Gl. (7.16) mit τV = 1 berücksichtigt. Abbildung 7.2 zeigt, dass Tt3 = Tt0 gilt,
und damit auch Tt3 /T0 = Tt0 /T0 = τ0 . Für die Brennkammereintrittstemperatur Tt3 des
Ramjets ergibt sich damit:
Tt3 = T0 · τ0 (7.49)
Abbildung 7.2 zeigt auch, dass sowohl zwischen 0 und 3 als auch zwischen
4 und
9
Wegen pt4 = pt3 und p9 = p0 wird daraus Tt3 /T0 = Tt4 /T9 . Zusammen mit Gl. (7.49) heißt
das auch τ0 = Tt4 /T9 bzw. T9 = Tt4 /τ0 = (T0 /τ0 ) · (Tt4 /T0 ). Mit der Definitionsgleichung
(7.15) für τλ wird daraus schließlich:
τλ
T9 = T0 · (7.51)
τ0
Dieses Ergebnis ist identisch mit Gl. (7.48). Aus den Gln. (7.32) und (7.30) ergeben sich
mit τV = 1 das Brennstoff/Luft-Verhältnis β und der spez. Brennstoffverbrauch BS des
Ramjets:
cp · T0 β
β= · (τλ − τ0 ) und BS = (7.52)
Hi FS
Analog kann beim thermischen Wirkungsgrad ηth nach Gl. (7.43) und beim Vortriebswir-
kungsgrad ηP nach Gl. (7.45) vorgegangen werden:
1
ηth = 1 − (7.53)
τ0
2
ηP = √ (7.54)
1 + τλ /τ0
500 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
Abb. 7.3 Zum grundlegenden Verständnis der Begriffe Muttertriebwerk und Triebwerksfamilie bei
der Interpretation der parametrischen Kreisprozessanalyse
Bevor die Ergebnisse interpretiert werden, soll ihre allgemeine Bedeutung klargestellt
werden, um Fehlinterpretationen zu vermeiden. Dazu zeigt Abb. 7.3 ein beispielhaftes
Ergebnis, bei dem für die „Mutterversion“ eines Turbojets mit πV = 30 und τλ = 6.5 punk-
tuell der spezifische Brennstoffverbrauch bei der zugehörigen Flugmachzahl Ma0 = 1.5
durch einen dunklen Punkt dargestellt ist. Daneben sind durch hellere Punkte „Ableger“
der Mutterversion dargestellt, die sich nur durch eine geänderte Auslegungsflugmachzahl
Ma0 unterscheiden. Alle diese Triebwerke zusammen werden als eine „Triebwerksfamilie“
bezeichnet. Aus einer solchen Vielzahl von Triebwerken kann dann für eine bestimmte
Aufgabe die geeignetste Triebwerksversion ausgewählt werden. Das Ergebnis in Abb. 7.3
darf deswegen nicht so gedeutet werden, dass es die Veränderung des spez. Brennstoff-
verbrauchs BS für einen bestimmten Turbojet zeigt, der während einer Flugmission seine
Flugmachzahl Ma0 verändert.
Zur Diskussion der Ergebnisse wird vom Muttertriebwerk eines Turbojet mit folgenden
Auslegungsdaten ausgegangen: H0 = 11 km, T0 = 217 K, κ = 1.4, Ri = 287 Nm/(kg · K),
Ma0 = 1.5, πV = 20, τλ = 6.5, Hi = 4.31 · 107 Nm/kg. Durch systematische Variation dieser
Parameter wird deren Einfluss auf die Triebwerksauslegung gezeigt.
Abbildung 7.4 zeigt die Änderungen beim Turbinendruckverhältnis. Wegen der besse-
ren Darstellungsweise, durch die Zahlenwerte 1/πT > 1 entstehen, ist längs der Ordinate
der Kehrwert des Turbinendruckverhältnisses aufgetragen worden.
Mit steigendem Verdichterdruckverhältnis muss auch das Druckgefälle der Turbine
größer ausfallen, Abb. 7.4 links. Das Turbinendruckgefälle ist dabei generell klei-
ner als das des Verdichters. Bei vorgegebenem Verdichterdruckverhältnis πV = const
fällt das Turbinendruckverhältnis umso geringer aus, je höher die dimensionslose
Turbineneintrittstemperatur τλ ist.
Abbildung 7.5 verdeutlicht diese beiden Aussagen. Sowohl im Turbinendruckverhältnis
πT = pt4 /pt5 als auch im Verdichterdruckverhältnis πV = pt3 /pt2 treten – wegen der Gleich-
7.3 Ergebnisdarstellung für Turbo- und Ramjet 501
26 9.0
Ma0 = 1.5 τλ = 5 τ λ = 6.5 π V = 30
1 p 1 p
= t4 = t4
πT pt 5 πT pt 5
16 5.8
π V = 20
11 τλ = 6 4.2
τλ = 7 π V = 10
6 2.6
τλ = 8
1 1.0
1 11 21 31 41 51 π V 0 0.4 0.8 1.2 1.6 2.0 Ma
0
h Kreisprozess mit 4
ht4
=p
t3
großem τλ p t4
p t9 wT=wV
p t5=
ht5=ht 9
Kreisprozess mit 5
kleinem τλ
4 ht4 c92
wT=wV 2
p t3
ht3 3
5 c92
wV h9
= p t0 2 p 9=p 0 9
2 ht0=ht2 2 p t2 h
c0 9 9
2 h0 0 p0
s
Abb. 7.5 Kreisprozess des idealen Turbojet bei zwei unterschiedlichen dimensionslosen Turbinen-
eintrittstemperaturen τλ = 5 und 8 – aber bei gleichen Verdichterdruckverhältnissen πV = 15. Die
Flugmachzahl ist Ma0 = 1.5 in H 0 = 11 km Flughöhe. Die Isobaren sind als Geraden angenähert
druckverbrennung in der Brennkammer – jeweils im Zähler dieselben Drücke pt3 = pt4 auf.
Der Unterschied in den Druckverhältnissen πV und πT beruht also darauf, dass die Drücke
im jeweiligen Nenner unterschiedlich groß sind, und zwar ist der Verdichtereintrittsdruck
pt2 in der Regel kleiner als der Turbinenaustrittsdruck pt5 . Mit zunehmender Turbinen-
eintrittstemperatur Tt4 bzw. mit zunehmendem τλ nehmen diese Unterschiede zu.
Der rechte Teil von Abb. 7.4 zeigt, dass das Turbinendruckverhältnis mit steigen-
der Flugmachzahl Ma0 und/oder mit steigendem Verdichterdruckverhältnis πV zunimmt.
Auch dies ist mittels Abb. 7.5 zu erklären, da es zeigt, dass eine Steigerung der Flugmachzahl
502 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
3.0
πV = 6.0 π V = 20.0
π V = 10.0
Ma9 τλ = 6.5
π V = 5.0
πV = 7
.0 π V = 3.0
2.4
πV = 8.0 πV = 2.35 π V = 1.5
πV = 9.0
0.0 π V = 1.0
=1
1.8 π
V
πV = 6.56 πV = 4.12 t)
mje
πV = 8.95 Ra
e rk (
1.2 bw
hl tr ie
u stra
Sta
0.6 Fall pt3 = const
lineare Abnahme
von π V
0.0
0.0 0.4 0.8 1.2 1.6 2.0 Ma0
Abb. 7.6 Austrittsmachzahl Ma9 aus einem idealen Turbojet, aufgetragen über dessen Flugmach-
zahl Ma0
Ma0 genauso wie eine Steigerung des Verdichterdruckverhältnisses πV = pt3 /pt2 zu einem
Anstieg des Verdichteraustrittsdrucks pt3 führt, wodurch wegen pt3 = pt4 schließlich auch
der Kehrwert des Turbinendruckverhältnisses 1/πT = pt4 /pt5 ansteigt.
Abbildung 7.6 zeigt die numerische Auswertung der Gl. (7.24). Für nahezu alle prakti-
schen Verdichterdruckverhältnisse πV > 2 liegen die Austrittsmachzahlen Ma9 aus einem
Turbojet stets im Überschall. Mit steigenden Werten bei der Flugmachzahl, dem Verdich-
terdruckverhältnis und der dimensionslosen Turbineneintrittstemperatur steigt auch Ma9
an. Letztere Aussage ist auch direkt aus Gl. (7.24) abzuleiten. Der oberste Kurvenverlauf
für πV = 20 in Abb. 7.6 lässt für große Ma0 aber auch bereits ansatzweise erkennen, dass
für Flugmachzahlen Ma0 , deutlich oberhalb von 2.0, die Machzahl Ma9 wieder kleiner wird
und schließlich gegen null strebt.
Verschiedene Möglichkeiten, wie sich Ma9 im Triebwerkskreisprozess verändern kann,
verdeutlicht Abb. 7.7. Der linke Bildteil zeigt, wie sich für konstante Werte von τλ und
πV der Kreisprozess mit Steigerung der Flugmachzahl Ma0 verändert und so schließlich
zu einem größeren Ma9 führt. Ursächlich hierfür ist zum einen die Absenkung der stati-
schen Triebwerksaustrittstemperatur T9 und damit der Schallgeschwindigkeit a9 und zum
anderen die Anhebung der Austrittsgeschwindigkeit c9 . Im mittleren Teil von Abb. 7.7 gilt
bei steigender Flugmachzahl Ma0 ebenfalls τλ = const. Das Verdichterdruckverhältnis πV
wird dabei mit steigender Flugmachzahl – bei konstant bleibendem Verdichteraustritts-
druck pt3 – kleiner. In Abb. 7.6 ist der zugehörige Ma9 -Verlauf als Strichpunktlinie
im oberen Bildteil ergänzend mit eingezeichnet worden. Dabei nimmt das Verdichter-
druckverhältnis von πV = 10 bei Ma0 = 0 auf πV = 1.28 bei Ma0 = 2.0 ab. Auch hierbei
7.3 Ergebnisdarstellung für Turbo- und Ramjet 503
c92 c92
2cp 2cp
t4
=p
T9
t3
p
c92 T9 T9
2cp T9
T9
c02 c02 c02
2cp 2cp 2cp
s s s
Erhöhung von Ma0 = 0.5 Erhöhung von Ma0 = 0.5 Erhöhung von Ma0 = 0.5
auf Ma0 = 2.0 auf Ma0 = 2.0 auf Ma0 = 2.0 für τ λ = const
für π V, τ λ = const für pt3, τ λ = const und linear abnehmendes
π V von 10 auf 3.5
Abb. 7.7 Mögliche Kreisprozessvariationen, die Einfluss auf Änderungen der Triebwerksaustritts-
machzahl Ma9 haben. Die Isobaren sind der Einfachheit wegen als Geraden angenähert
steigt die Austrittsmachzahl Ma9 an, nur diesmal bei konstanter Schallgeschwindigkeit
a9 = (κ · Ri · T9 )½ . Ursächlich für den Machzahlanstieg ist jetzt also ausschließlich der
Anstieg der Triebwerksaustrittsgeschwindigkeit c9 . Der rechte Teil von Abb. 7.7 zeigt eine
weitere Variante, wie sich bei konstantem τλ der Kreisprozess mit steigender Flugmach-
zahl Ma0 verändern könnte. Das Verdichterdruckverhältnis πV wird hierbei linear kleiner,
sodass es von πV = 10 bei Ma0 = 0 auf πV = 5 bei Ma0 = 2.0 abfällt. In Abb. 7.6 ist die-
ser Verlauf als gestrichelte Linie gekennzeichnet. Die Machzahl Ma9 verändert sich, da
sich sowohl die Austrittsgeschwindigkeit c9 als auch die zugehörige Schallgeschwindigkeit
a9 = (κ · Ri · T9 )½ ändern.
Abbildung 7.7 gibt darüber hinaus auch das Ergebnis von Gl. (7.47) wieder, nach der
beim idealen Ramjet die Düsenaustrittsmachzahl Ma9 der Flugmachzahl Ma0 entspricht.
Eine Steigerung der dimensionslosen Brennkammeraustrittstemperatur τλ verändert beim
Ramjet bei konstanter Flugmachzahl Ma0 zwar nicht die Düsenaustrittsmachzahl Ma9 ,
dafür aber die Düsenaustrittsgeschwindigkeit c9 , wie Gl. (7.48) zeigt.
Abbildung 7.8 zeigt die numerische Auswertung der Gln. (7.23) und (7.46) für den
Turbo- und den Ramjet, indem der spez. Schub FS über der Flugmachzahl Ma0 aufge-
tragen ist. Für den Turbojet nimmt bei konstantem Verdichterdruckverhältnis πV der
spez. Schub FS = c9 − c0 mit der Flugmachzahl Ma0 ab. Ursächlich hierfür ist, dass mit
steigender Fluggeschwindigkeit c0 zwar auch die Triebwerksaustrittsgeschwindigkeit c9 an-
steigt, aber offensichtlich nicht so stark wie c0 . Der Gradient Ma9 / Ma0 der in Abb. 7.6
aufgetragenen Kurven macht dies deutlich, da er stets Werte kleiner als eins liefert.
Abbildung 7.8 zeigt auch, dass hinsichtlich des spezifischen Schubes der Ramjet bei Flug-
machzahlen unterhalb von zwei dem Turbojet unterlegen ist. Etwa ab dann aber hat der
504 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
R
πV 10
200 20
30
2.08
0
0 0.8 1.6 2.4 3.2 Ma0 4.0
τλ κ −1 τλ Ma20
⇒ −1= · ·
τ0 2 τ0 τ0
κ −1 κ −1
mit τ0 = 1 + · Ma20 ⇒ · Ma20 = τ0 − 1 wird daraus
2 2
√
τλ τλ τ 0 − 1 τλ 1 τλ τλ
−1= · = · 1− = − 3/2
τ0 τ0 τ0 τ0 τ0 τ0 τ0
√
τλ 1/3
⇒ 1 = 3/2 ⇒ τ0 = τλ = τλ0.333
τ0
2 2
Ma0 = · (τ0 − 1) ⇒ (Ma0 )FS,max = · (τλ0.333 − 1)
κ −1 κ −1
Die Abb. 7.9 zeigt den spez. Schub FS , aufgetragen über dem Verdichterdruckverhältnis πV .
Die Kurven für FS müssen vergleichbar mit den entsprechenden Verläufen der spezifischen
Nutzarbeit |wN | sein, was sich anhand der Gln. (6.10) und (6.77) leicht zeigen lässt:
+ +
c9 = 2 · |wN | + c02 ⇒ FS = c9 − c0 = 2 · |wN | + c02 − c0 (7.55)
Bei gegebener Fluggeschwindigkeit c0 ist der spez. Schub FS des idealen Turbojet
ausschließlich eine Funktion der spez. Arbeit |wN | seines Kreisprozesses.
Der linke Teil von Abb. 7.9 zeigt, dass der spez. Schub FS in Abhängigkeit des Verdich-
terdruckverhältnisses πV ein Maximum hat. Das zu diesem maximalen spez. Schub FS,max
zugehörige Verdichterdruckverhältnis, wird optimales Verdichterdruckverhältnis πVopt
506 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
150 250
τ λ = 6.5 π V = 1.0 τ λ = 6.5
BS BS
Ra
⎡ kg/h ⎤ ⎡ kg/h ⎤
⎢ ⎥ ⎢ ⎥
m je
⎢⎣ kN ⎥⎦ ⎢⎣ kN ⎥⎦
t
125 150
πV = 1.5 3.0
5.0
100 Ma0 100 10.0
1.5 Turbojet 20.0
1.0 30.0
75 0.5 50
0.0 Verbindungslinie
aller FS = 0
50 0
1 11 21 31 41 π V 51 0 1.0 2.0 3.0 Ma0 5.0
genannt. Für unterschiedliche Flugmachzahlen Ma0 liegen die Maxima bei unterschiedli-
chen optimalen Druckverhältnissen. Zu kleinen Flugmachzahlen gehören größere und zu
großen Flugmachzahlen kleinere Optimalwerte. Für Flugmachzahlen über zwei strebt das
optimale Verdichterdruckverhältnis gegen eins, was schließlich als Grenzfall des Turbojet
mit maximalem spez. Schub den Ramjet impliziert.
Der rechte Teil von Abb. 7.9 zeigt, dass der spez. Schub FS bei vorgegebenem
Verdichterdruckverhältnis πV für alle praktischen Flugmachzahlen Ma0 mit steigender
Turbineneintrittstemperatur Tt4 zunimmt, was seine Ursache im gleichzeitigen Anstieg
der Düsenaustrittsgeschwindigkeit c9 hat.
Den Verlauf des spez. Brennstoffverbrauchs BS über dem Verdichterdruckverhältnis
πV zeigt der linke Teil von Abb. 7.10. Als Parameter dient die Flugmachzahl. Mit grö-
ßer werdendem Verdichterdruckverhältnis nimmt der spez. Brennstoffverbrauch ab. Eine
Eigenschaft, die auch für Zweistromtriebwerke gilt und im zivilen Triebwerksbau dazu
geführt hat, dass Triebwerke mit immer größeren Verdichterdruckverhältnissen gebaut
werden, die heute Werte von bis zu πV ≈ 48 erreichen können.
Für den Fall, dass beispielsweise für ein schnell fliegendes Kampfflugzeug ein leichtes
und schubmaximiertes Triebwerk zu entwickeln wäre, verdeutlichen die Abb. 7.9 und
7.10, dass einem solchen Triebwerk ein Verdichter mit relativ kleinem Druckverhältnis
genügt. Dieses lässt die Abmaße des Verdichters gering und damit sein Gewicht klein
werden. Bei hohen Flugmachzahlen sind aber entsprechend hohe Werte beim spezifischen
Brennstoffverbrauch zu erwarten.
7.3 Ergebnisdarstellung für Turbo- und Ramjet 507
Ist dagegen aber ein Triebwerk für ein – im Vergleich zum Kampfflugzeug deut-
lich langsamer fliegendes – Transportflugzeug zu entwickeln, so wird hier der Wunsch
nach einem geringen spez. Brennstoffverbrauch im Vordergrund stehen, was folglich
einen Verdichter mit vergleichsweise hohen Druckverhältnissen erforderlich macht. Die-
se Druckverhältnisse gehen gewöhnlich über die optimalen Verdichterdruckverhältnisse
hinaus. Entsprechende Verdichter fallen dadurch voluminöser und somit auch schwe-
rer aus, was für die Transportkapazität des Flugzeuges auf den ersten Blick nachteilig zu
sein scheint. Es lässt sich aber zeigen, dass ein solches schwereres Triebwerk ab einer
gewissen Reichweite trotzdem die wirtschaftlichere Lösung darstellt, da dann die mitzu-
führende Brennstoffmasse erheblich geringer ist als bei einem Triebwerk, das bei geringen
Druckverhältnissen, in der Nähe von FS,max fliegt (vgl. hierzu auch Kap. 6.15.2).
Der rechte Teil von Abb. 7.10 zeigt die zu erwartenden Brennstoffverbräuche vom
idealen Turbojet über einen weiten Bereich von Flugmachzahlen. Eine Erhöhung der
Flugmachzahl bei konstantem Verdichterdruckverhältnis hat eine Steigerung der Ver-
dichteraustrittstemperatur Tt3 zur Folge, Abb. 7.7 links. Wird gleichzeitig die Turbinen-
eintrittstemperatur Tt4 konstant gehalten, so bedeutet der Anstieg von Tt3 mit Ma0 , dass in
der Brennkammer die mögliche Zufuhr von spez. Wärmeenergie qzu = cp · (Tt4 – Tt3 )
zunehmend begrenzt wird. Entsprechend Gl. (7.14) T9 = T0 · (Tt4 /Tt3 ) muss dabei
die statische Triebwerksaustrittstemperatur T9 absinken und aufgrund von Gl. (7.20)
Tt5 = Tt2 + Tt4 – Tt3 ebenso die Turbinenaustrittstemperatur Tt5 = Tt9 . Wobei aber
– resultierend aus Gl. (7.19) – die Geschwindigkeit:
2 Tt5 1
c9 = a0 · · τλ · − (7.56)
κ −1 Tt4 τ0 · τ V
stärker abnimmt als c0 ansteigt, sodass aufgrund von FS = c9 – c0 , der spez. Schub mit
steigender Flugmachzahl Ma0 entsprechend Abb. 7.8 abnimmt. Ergänzend ergibt sich aus
den Gln. (7.25) und (7.27):
qzu cp
FS = = · (Tt4 − Tt3 ) (7.57)
BS · H i BS · H i
Da – wie oben dargestellt – qzu mit steigendem Ma0 abnimmt und nach Abb. 7.10 der
spez. Brennstoffverbrauch BS mit Ma0 erst ansteigt und dann über einen gewissen Be-
reich nahezu konstant bleibt, hat dies zur Folge, dass der spez. Schub FS mit steigender
Flugmachzahl zurückgeht, so wie es Abb. 7.8 zeigt. Der anfängliche Anstieg des spez.
Brennstoffverbrauchs mit Ma0 (Abb. 7.10) ist damit zu erklären, dass – wie bei allen Fahr-
zeugen – der erforderliche Energiebedarf mit zunehmender Geschwindigkeit ansteigt. Die
beschriebene Begrenzung der spez. Wärmezufuhr qzu bewirkt schließlich die Abflachung
der Kurvenverläufe. Bei hohen Flugmachzahlen bzw. bei kleinen spez. Schüben nimmt
der spez. Brennstoffverbrauch wieder ab, was mit dem Ansteigen des Vortriebs- und des
508 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
900
Ma0 = 1.5
FS
⎡ N ⎤
⎢ ⎥
⎢ kg/s ⎥
⎣ ⎦
600 τλ = 8
τλ = 7
450 10 7 5 τλ = 6
15 πV = 3
20 π V = 1.5
25 τλ = 5
πV = 1
300 30
40
50
150
50 82 114 146 178 210 ⎡ kg/h ⎤
BS ⎢ ⎥
⎢⎣ kN ⎥⎦
Abb. 7.11 Spezifischer Schub FS des idealen Turbojet, aufgetragen über dem spezifischen
Brennstoffverbrauch BS für eine ausgewählte Überschall-Flugmachzahl Ma0 . Parameter sind das
Verdichterdruckverhältnis πV und die dimensionslose Turbineneintrittstemperatur τλ = Tt4 /T0 . Bei
realen Triebwerken wird diese Art der Auftragung auch als Auslegungsdiagramm bezeichnet
thermischen Wirkungsgrades erklärt werden kann. Es bleibt zu vermerken, dass beim rea-
len Kreisprozess ein Abfallen des spez. Schubes gegen null (FS → 0) bedeutet, dass parallel
dazu der spez. Brennstoffverbrauch dramatisch ansteigt (BS → ∞).
Eine Zusammenfassung der bisherigen Resultate zeigt Abb. 7.11. Dieses Bild kann als
Auslegungsdiagramm für einen idealen Turbojet vorgegebener Flugmachzahl angesehen
werden. Im Bereich maximaler spez. Schübe hat eine Abweichung von diesen Bestwer-
ten – z. B. durch Änderung des Verdichterdruckverhältnisses – nur einen relativ geringen
Einfluss auf den spez. Schub, wogegen der Einfluss auf den spez. Brennstoffverbrauch deut-
licher ausfällt. So kann es also nur aus Gründen des spez. Brennstoffverbrauchs erwünscht
sein, ein hohes Verdichterdruckverhältnis anzustreben. Zu hohe Verdichterdruckverhält-
nisse wiederum sind beim Turbojet wegen der zu stark abfallenden Werte von FS von
geringerem Interesse. Hinsichtlich der Turbineneintrittstemperatur Tt4 zeigt Abb. 7.11,
dass bei konstantem Verdichterdruckverhältnis πV der spez. Brennstoffverbrauch BS mit
abnehmendem Tt4 zurückgeht, ebenso wie der spez. Schub. Wobei der Einfluss auf den
spez. Schub größer ist als der auf den spez. Brennstoffverbrauch.
Stellt man sich beispielhaft vor, dass es aufgrund eines neu entwickelten Turbinen-
werkstoffes möglich sein soll, in einem bestehenden Turbojet bei konstantem spez. Schub
die Turbineneintrittstemperatur Tt4 heraufzusetzen, so muss nach Abb. 7.11 gleichzeitig
auch das Verdichterdruckverhältnis angehoben werden, soll es dabei nicht zu einem zu-
7.3 Ergebnisdarstellung für Turbo- und Ramjet 509
1.0 Ma0
ηth 3.0
0.8 2.0
1.0
0.0
0.6
0.4
τ λ = 6.5
0.2
0.0
1 11 21 31 41 πV 51
Abb. 7.12 Thermischer Wirkungsgrad ηth des idealen Turbojet, aufgetragen über dem Verdichter-
druckverhältnis πV für eine ausgewählte dimensionslose Turbineneintrittstemperatur τλ Parameter
ist die Flugmachzahl Ma0
sätzlichen Anstieg des spez. Brennstoffverbrauchs kommen. Aus Abb. 7.11 lässt sich z. B.
ablesen, dass für ein ursprüngliches Triebwerk mit πV = 10, τλ = 6.5, FS = 650 N/(kg/s)
und BS = 100 (kg/h)/kN eine Erhöhung der dimensionslosen Turbineneintrittstemperatur
auf τλ = 7 bei FS = const dazu führt, dass das Verdichterdruckverhältnis auf etwa πV = 30
ansteigen müsste. Der spez. Brennstoffverbrauch würde dabei um ca. 20 % abnehmen.
Würde andererseits aber τλ auf den Wert 7 bei BS = const erhöht werden, so müsste da-
durch das Verdichterdruckverhältnis nur auf etwa πV = 14 ansteigen. Der spez. Schub
erhöht sich dabei um ca. 12 %.
Gleichung (7.43) zeigt, dass beim idealen Turbojet der thermische Wirkungsgrad
vom Verdichterdruckverhältnis πV und von der Flugmachzahl Ma0 abhängt. Der ther-
mische Wirkungsgrad wird dabei umso besser, je größer das Verdichterdruckverhältnis
und je größer die Flugmachzahl ist. Dieses zeigt auch Abb. 7.12. Unterhalb von Ver-
dichterdruckverhältnissen von 20 ist der Anstieg des thermischen Wirkungsgrades mit
dem Verdichterdruckverhältnis rapide, wogegen er oberhalb von πV ≈ 30 vergleichsweise
flach ausfällt. Im Bodenstandfall, Ma0 = 0, verbessert sich der thermische Wirkungsgrad
ausschließlich durch Erhöhung des Verdichterdruckverhältnisses.
Abbildung 7.13 zeigt, dass bei konstantem ht4 = cp · Tt4 eine Erhöhung des Verdich-
terdruckverhältnisses πV die vom Kreisprozess eingeschlossene Fläche |wN | verformt. Im
nächsten Kapitel wird gezeigt werden, dass |wN | in Abhängigkeit des Verdichterdruckver-
hältnisses dabei erst zunimmt, um dann, ab einem gewissen Maximum, kontinuierlich
wieder abzunehmen. In Abb. 7.12 ist ein solcher Zusammenhang beim thermischen
Wirkungsgrad ηth = ηth (πV ) nicht wieder zu finden, obwohl er von |wN | unmittelbar be-
einflusst wird, ηth = |wN |/qzu . Entscheidenderen Einfluss auf den Anstieg des thermischen
510 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
h
ht4 = const
4 ht4
=p
t3
p t4
qzu Abnahme der spez. |wT| = wV
Wärmenergie
pt5 = pt9
pt3
5 ht5 = ht9
ht3 3
c92
wV 2
p t2 =
p t0 p9 = p0
ht0 = ht2 2 h9
9 qab
c02 / 2
p0 h0
h0 0
Zunahme des
Verdichterdruck- s
verhältnisses
Abb. 7.13 Zwei h-s-Diagramme des idealen Turbojet, die durch eine Variation des Verdichter-
druckverhältnisses πV bei konstanter Turbineneintrittstemperatur Tt4 entstehen. Die Darstellung
dient der Erläuterung des Verlaufs des thermischen Wirkungsgrades ηth über dem Verdichterdruck-
verhältnis πV . Die Isobaren sind der Einfachheit wegen als Geraden angenähert
• Der rapide Wirkungsgradanstieg von ηth bei relativ kleinen πV hat seine Ursache
darin, dass hier |wN | ansteigt und gleichzeitig qzu abnimmt, wodurch der Ausdruck
ηth = |wN |/qzu schnell größer wird.
• Der moderate Wirkungsgradanstieg von ηth bei größeren πV hat seine Ursache darin,
dass hier sowohl |wN | als auch qzu abnehmen. Da qzu dabei schneller abnimmt als |wN |,
wird der Ausdruck ηth = |wN |/qzu nur schwach größer.
Der thermische Wirkungsgrad wird beim idealen Turbojet ausschließlich durch Druck-
erhöhung (Aufstau und/oder Turboverdichter) verbessert, was gleichzeitig den spez.
Brennstoffverbrauch senkt. Ergänzend ist aber festzuhalten, dass im realen Kreispro-
zess der thermische Wirkungsgrad auch noch von der Turbineneintrittstemperatur Tt4
abhängt.
Abbildung 7.14 zeigt die numerische Auswertung der Wirkungsgradgleichungen. Der
thermische Wirkungsgrad des Ramjet ist im Bereich kleiner Flugmachzahlen außer-
ordentlich gering und erklärt so dessen unzureichendes Leistungspotenzial in diesem
Flugmachzahlbereich, was bereits auch der Verlauf des spez. Schubes in Abb. 7.8 be-
7.3 Ergebnisdarstellung für Turbo- und Ramjet 511
t
τ λ= 8
oje
π V = 30
rb
Tu
0.4 0.4
=5
8
τλ =
Ramjet
τλ
0.2 0.2
π V = 20 π V = 20
0.0 0.0
0.0 0.6 1.2 1.8 3.0 0.0 0.6 1.2 1.8 3.0
Ma0 Ma0
Abb. 7.14 Thermischer Wirkungsgrad ηth und Vortriebswirkungsgrad ηP des idealen Turbo- und
Ramjet, aufgetragen über der Flugmachzahl Ma0 , für ein ausgewähltes Verdichterdruckverhältnis πV
legte. Der relativ gute Vortriebswirkungsgrad ist demzufolge hier von untergeordneter
Bedeutung.
Hinsichtlich der Interpretation von Gl. (6.152) für den spez. Brennstoffverbrauch BS ,
bei der die beiden Wirkungsgrade ηth und ηP im Nenner stehen, ist festzustellen, dass die
bereits beschriebene Zunahme des spez. Brennstoffverbrauchs BS mit der Flugmachzahl
Ma0 (Abb. 7.10) durch die beiden im Nenner stehenden Wirkungsgrade ηth und ηP –
die ebenfalls mit der Flugmachzahl Ma0 ansteigen – eine Art Dämpfung erfährt. Da der
Vortriebswirkungsgrad ηP stärker mit der Ma0 ansteigt, trägt er auch stärker zu dieser
dämpfenden Wirkung bei.
Aus Abb. 7.14 ist auch zu erkennen, dass der Vortriebswirkungsgrad mit zunehmender
dimensionsloser Turbineneintrittstemperatur τλ schlechter wird. Die Ursache dafür liegt
darin, dass mit steigendem τλ auch die Triebwerksaustrittsgeschwindigkeit c9 ansteigt, was
entsprechend Abb. 6.20 zu einem Abfall des Vortriebswirkungsgrades führt. Dieser Nach-
teil kann bei einer Triebwerksauslegung dadurch ausgeglichen werden, indem zusätzlich
zu einer τλ -Steigerung auch das Verdichterdruckverhältnis πV mit angehoben wird. Die-
ses machen der in Abb. 7.14 im rechten oberen Bildteil mit eingezeichnete Punkt deutlich,
ebenso wie die Diskussion, die bereits zu Abb. 7.11 geführt wurde.
512 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
Beispiel 7.2
Aufgrund eines neu entwickelten Werkstoffs soll es möglich sein, in einem bestehen-
den Turbojet, Bezeichnung , A durch Konstruktionsänderungen die bisher zulässige
Turbineneintrittstemperatur Tt4 heraufzusetzen. Das neue Triebwerk erhält die Be-
zeichnung .B Dabei sollen bei unveränderter Flugmachzahl Ma0 die Triebwerke A
und B denselben ursprünglichen spezifischen Schub haben: FSB = FSA . Vom Trieb-
werk A sind folgende Daten bekannt: Ma0 = 2.0, T0 = 210 K, τλ = 7 und πV = 20.
Im gesamten Triebwerk ist das Strömungsmedium Luft als ideales Gas: κ = 1.4,
Ri = 287 Nm/(kg · K), cp = 1 004.5 Nm/(kg · K). Als Brennstoff findet Jet A-1 Verwen-
dung: Hi = 4.31·107 Nm/kg. Freie Nachexpansion des Strahls hinter der Schubdüse auf
Umgebungsdruck, p9 = p0 , und vernachlässigbare Brennstoff- und Zapfluftmassen-
ströme können vorausgesetzt werden. Für das Triebwerk A sind spez. Schub FS und
1 τλ
|wN | = cp · T0 · 1 − · (τλ − τV · τ0 ) = cp · T0 · τλ − τV · τ0 − +1
τ0 · τ V τ0 · τ V
|w N |
0 = (τV · τ0 )2 + τV · τ0 · − τλ − 1 + τ λ
cp · T 0
7.3 Ergebnisdarstellung für Turbo- und Ramjet 513
κ−1
τV = πV κ = 470.285714 = 3
cp · T0 1 004.5 · 210
β= · (τλ − τ0 · τV ) = · (8 − 1.8 · 3) = 0.012725
Hi 4.31 · 107
β 0.012715 kg/s 3.600 s 103 N kg/h
BS = = = 2.4131 · 10−5 · · = 86.87
FS 527.34 N h kN kN
Durch Anheben von τλ = 7 auf τλ = 8 und von πV = 20 auf πV = 47 wird bei kon-
stantem spez. Schub der spez. Brennstoffverbrauch um etwas mehr als 6 % gesenkt.
Wegen der πV -Steigerung werden der Verdichter und damit das gesamte Triebwerk
aber schwerer werden, sodass der Vorteil des geringeren Verbrauchs erst bei längeren
Flugzeiten signifikant wird, wenn die vom Flugzeug insgesamt weniger mitzuführende
Brennstoffmasse zu Buche schlägt.
Im Folgenden sollen nun die thermischen Wirkungsgrade und die Vortriebswir-
kungsgrade der beiden Triebwerke berechnet und untereinander verglichen werden.
1
ηth = 1 − Triebwerk A Triebwerk B
τ0 · τV
1 1
ηth = 1 − = 0.764 ηth = 1 − = 0.815
1.8 · 2.35 1.8 · 3
Eine Verbesserung des spez. Brennstoffverbrauchs bei FS = const geht immer mit einer
Verbesserung des thermischen Wirkungsgrades einher.
2 2
ηP = = = 0.688 für Triebwerk
A und
B
2+ FS 527.34
c0 2+
581
Eine Verbesserung des spez. Brennstoffverbrauchs bei FS = const hat keinen Einfluss
auf den Vortriebswirkungsgrad.
Würde bei der Umkonstruktion von Triebwerk A auf Triebwerk B die Turbinen-
Abbildung 7.9 zeigte, dass der spez. Schub FS in Abhängigkeit des Verdichterdruckver-
hältnisses ein Maximum besitzt, das als maximaler spez. Schub FSmax bezeichnet wird.
Das zugehörige Druckverhältnis heißt optimales Verdichterdruckverhältnis πVopt . Aus
Gl. (7.55) geht hervor, dass der spez. Schub FS bei gegebener Fluggeschwindigkeit c0 aus-
schließlich eine Funktion der spez. Nutzarbeit |wN | ist, für die mittels der Gln. (7.34),
(7.26), (7.43), und (7.29) der folgende Ausdruck gebildet werden kann:
− κ−1 τλ κ−1
|wN | = cp · T0 · τ0 − πV κ · − πV κ (7.58)
τ0
Es ist leicht zu erkennen, dass diese Gleichung zwei null stellen hat:
κ−1 1 κ−1 τλ
für πV κ = und für πV κ = wird |wN | = 0 (7.59)
τ0 τ0
Da Gl. (7.58) für verschiedene πV -Werte ansonsten nur positive Werte liefert, muss
zwischen den beiden Nullstellen ein Maximum existieren, für das gilt:
κ−1
−1
∂ |wN | ∂ κ−1 τλ κ−1
κ−1 := 0 = τλ − τ 0 · π V − · πV + 1 mit πV κ = τV
κ κ
κ−1
∂πV κ ∂πV κ τ0
∂ |wN | ∂ τλ −1
=0= τλ − τ 0 · τ V − · (τV ) + 1
∂τV ∂τV τ0
τλ −2 τ2 1 1
0 = 0 − τ0 + · τV ⇒ 0 = 2 =
2
τ0 τλ τV κ−1
κ
πV
√
κ−1 κ
τλ
πVopt = πV = (7.60)
τ0
Für die Flugmachzahl Ma0 = 1.5 ist in Abb. 7.15 die spez. Nutzarbeit |wN | nach Gl. (7.58)
über dem Verdichterdruckverhältnis πV aufgetragen. Parameter ist die dimensionslose
Turbineneintrittstemperatur τλ . Zu jedem τλ gehört jeweils ein anderes πV,opt , dass sich
mit steigendem τλ zu größeren Verdichterdruckverhältnissen πV hin verschiebt. Für je-
de festliegende Turbineneintrittstemperatur τλ kann die spez. Nutzarbeit |wN | bzw. der
spez. Schub FS durch Steigerung des Verdichterdruckverhältnisses nur bis zu einem ganz
bestimmten optimalen Druckverhältnis πV,opt hin gesteigert werden, ab dann fallen die
Werte wieder ab. In diesem Bereich negativer Gradienten liegen aber die günstigen spez.
Brennstoffverbräuche, Abb. 7.10. Hinsichtlich des Temperaturverhältnisses τλ nimmt die
spez. Nutzarbeit |wN | bzw. der spez. Schub FS unter folgenden Umständen zu:
1000
Ma0 = 1.5
wN Verbindungslinie
⎡ kW ⎡ aller wNmax
⎢ ⎢
⎢ kg/s ⎢
⎣ ⎣
τλ = 8
600
τλ = 7
400
wNmax
τλ = 6 κ
⎡ τ ⎡ κ −1
κ πV = ⎢ λ ⎢
200 ⎡ τ ⎤ κ −1 ⎢τ ⎢
⎣ 0 ⎣ für wN = 0
π Vopt = ⎢⎢ λ ⎢⎢ τλ = 5
τ
⎣⎢ 0 ⎦⎢für wN = wNmax
0
1 17 33 49 65 πV 81
Abb. 7.15 Spezifische Nutzarbeit |wN | des idealen Triebwerkskreisprozesses eines Turbojet, bei
einer speziellen Überschallflugmachzahl Ma0 , aufgetragen über dem Verdichterdruckverhältnis πV ,
mit der dimensionslosen Turbineneintrittstemperatur τλ als Parameter
Aus Gl. (7.59) ergibt sich bei sehr hohen Verdichterdruckverhältnissen an der Stelle
|wN | = 0:
κ−1 Tt4
πV κ · τ0 = τλ = (7.61)
T0
Ein Vergleich dieses Ausdrucks mit Gl. (7.29) ergibt:
Tt3 Tt4
= ⇒ Tt3 = Tt4
T0 T0
Die spez. Nutzarbeit wird also bei sehr hohen Verdichterdruckverhältnissen genau dann
zu null, wenn die Verdichteraustrittstemperatur Tt3 gleich der Turbineneintrittstem-
peratur Tt4 ist. Für konstantes Tt4 wird die vom Kreisprozess eingeschlossene Fläche
(= |wN |) bei einer extremen Anhebung des Verdichterdruckverhältnisses immer schmaler
und kleiner (z. B. Abb. 7.13). Die mit der Druckerhöhung im Verdichter einhergehende
Temperaturerhöhung entspricht im hier betrachteten Extremfall schließlich der Turbinen-
eintrittstemperatur: Tt3 = Tt4 . Die vom Kreisprozess eingeschlossene Fläche degeneriert
damit zu einer einzigen senkrechten (isentropen) Linie, was |wN | = 0 entspricht.
Abbildung 7.16 zeigt die Auswertung von Gl. (7.60), indem das optimale Verdich-
terdruckverhältnis über der Flugmachzahl aufgetragen wurde. Für alle τλ -Werte strebt
das optimale Verdichterdruckverhältnis mit steigender Flugmachzahl gegen den Wert
πV,opt = 1, was dem Fall des Ramjet entspricht. Der Grenzfall des Turbojet mit maximalem
spez. Schub ist also der Ramjet.
Des Weiteren zeigt Abb. 7.16, dass zur Erzielung hoher optimaler Verdichterdruckver-
hältnisse auch entsprechend hohe Turbineneintrittstemperaturen Tt4 erforderlich sind.
516 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
τλ = 5
9
1
0.0 0.6 1.2 1.8 2.4 Ma0 3.0
Bei einer Flugmachzahl von Ma0 = 0.75 in einer Flughöhe von H0 = 11 km müsste,
um ein optimales Verdichterdruckverhältnis von πV,opt = 21 verwirklichen zu kön-
nen, ein Temperaturverhältnis von τλ = 7 eingestellt werden, was schließlich einer
Turbineneintrittstemperatur von Tt4 = 1 517 K entspricht.
Wird in Gl. (7.58) anstelle von πV das optimale Verdichterdruckverhältnis eingesetzt
(πV = πV,opt ), so ergibt sich daraus – zusammen mit Gl. (7.60) – eine Beziehung für die
maximale spez. Nutzarbeit |wN | = |wN,max |:
$ $
$wN $ = cp · T0 · (√τλ − 1)2 (7.62)
max
Das Einsetzen dieses Ausdrucks in Gl. (7.55) ergibt eine Beziehung für den maximalen
spez. Schub FS,max :
+ $ $
FSmax = 2 · $wNmax $ + c02 − c0 (7.63)
Mit c02 = Ma20 ·a02 = Ma20 ·κ · Ri · T0 , cp = κ · Ri /(κ − 1) und Gl. (6.1) für τ0 ergibt sich:
2
Ma20 = · (τ0 − 1) ⇒ c02 = 2 · cp · T0 · (τ0 − 1) (7.64)
κ −1
Das Einsetzen in Gl. (7.62) ergibt die folgende Beziehung für den maximalen spez. Schub:
+ +
√ 2 √
FSmax = 2 · cp · T0 · ( τλ − 1) + (τ0 − 1) − τ0 − 1 (7.65)
Die Flugmachzahl, bei der in Abb. 7.16 πV,opt = 1 wird, kann aus Gl. (7.60) ermittelt werden:
√ κ−1 2 √
τλ = τ0 · πVopt = τ0 ⇒ (Ma0 )πVopt =1 =
κ
· ( τλ − 1) (7.66)
κ −1
Die Auswertung von Gl. (7.65) zeigt Abb. 7.17. Wie schon in Abb. 7.8 für den allge-
meinen spez. Schub zu erkennen war, so fällt auch der maximale spez. Schub FS,max
7.3 Ergebnisdarstellung für Turbo- und Ramjet 517
1300
πVopt = 38.1
FSmax
⎡ N ⎡ πVopt = 30.1
⎢ ⎢
⎢ kg/s ⎢ τλ
⎣ ⎣ =8
πVopt = 23.0
τλ π Vopt = 15.7
900 =7
Verbindungslinie
πVopt = 16.7 π Vopt = 12.4 aller [Ma0 ] π =1
τλ vopt
=6
700 π Vopt = 9.5 π Vopt = 2.6
τλ
=5
π Vopt = 2.1
π Vopt = 6.9
500 π Vopt = 1.6
allgemeiner spez. Schub FS
π Vopt = 1
für π V = 20 und τ λ = 6.5 π Vopt = 1.1
entsprechend Bild 7-8 π Vopt = 1
300
0.0 0.6 1.2 1.8 2.4 Ma0 3.0
Abb. 7.17 Maximaler spezifischer Schub FS,max des idealen Turbojet, aufgetragen über der
Flugmachzahl Ma0 , mit der dimensionslosen Turbineneintrittstemperatur τλ als Parameter
mit zunehmender Flugmachzahl Ma0 ab, wobei aber nun – im Gegensatz zu Abb. 7.8 –
das optimale Verdichterdruckverhältnis kontinuierlich kleiner wird. Im rechten Teil von
Abb. 7.17 begrenzt Gl. (7.66) den Verlauf für FS,max . Ab hier beginnt der Staustrahlbe-
trieb bei maximalem spez. Schub. Ergänzend wurde in Abb. 7.17 der Verlauf des spez.
Schubs FS entsprechend Abb. 7.8 – für den Fall πV = 20 und τλ = 6.5 – als gestrichelte
Kurve mit eingetragen. Die Kurven für FS und FS,max verlaufen im Flugmachzahlbereich
0 ≤ Ma0 ≤ 1.7 nahezu identisch, wobei sich das Verdichterdruckverhältnis der FS,max -Kurve
kontinuierlich verringert, wogegen es für die allgemeine FS -Kurve konstant bleibt.
Bei maximalem spez. Schub FS,max hat der Kreisprozess des idealen Turbojet die
Eigenschaft, dass die statische Temperatur T9 im Triebwerksaustritt gleich der Verdich-
teraustrittstemperatur Tt3 ist. Dieser Zusammenhang, der im Folgenden abgeleitet wird,
ist in Abb. 7.18 dargestellt. Zur Ableitung wird auf Gl. (7.14) zurückgegriffen:
T9
Tt4 = Tt3 · (7.67)
T0
Aus den Gl. (7.10) und (7.29) und aus der Gl. (7.60) ergeben sich:
κ−1
κ−1
κ−1 pt3 κ κ−1 Tt4 pt3 κ Tt3
πV · τ0 =
κ
und πVop t · τ0 =
κ
= = (7.68)
p0 T0 p0 opt T0
518 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
Das Einsetzen von Gl. (7.67) in die rechts stehende Wurzel ergibt:
T9
Tt3 = T0 · Tt3 · = T9 · Tt3 ⇒ Tt3 2
= T9 · Tt3
T0
Tt3 = T9 für FS = FSmax (7.69)
Beispiel 7.3
Ein Strahlflugzeug wird von zwei Turbojets angetrieben. Es hat in einer Flughöhe
von H0 = 11 km (T0 = 216.65 K) bei einer stationären Flugmachzahl von Ma0 = 1.5
einen Gesamtwiderstand von FW = 50 kN. Die Turbineneintrittstemperatur ist
Tt4 = 1 600 K. Im gesamten Triebwerk ist das Strömungsmedium Luft als ideales Gas:
κ = 1.4, Ri = 287 Nm/(kg · K), cp = 1 004.5 Nm/(kg · K). Als Brennstoff findet Jet A-1
Verwendung: Hi = 4.31 · 107 Nm/kg. Freie Nachexpansion des Strahls hinter der
Schubdüse auf Umgebungsdruck, p9 = p0 , und vernachlässigbare Brennstoff- und
Zapfluftmassenströme können vorausgesetzt werden. Es ist das optimale Verdichter-
druckverhältnis bei maximalem spez. Schub zu berechnen.
κ −1
τ0 = 1 + · Ma20 = 1 + 0.2 · 2.25 = 1.45
2
Tt4 1600
τλ = = = 7.4
T0 217
√
κ−1 κ √ 3
τλ 7.4
πVopt = = =9
τ0 1.45
Es sind der spez. Schub und der spez. Brennstoffverbrauch bei den Verdichterdruck-
verhältnissen πV,opt und πV = 46 zu berechnen. Letzterer Fall soll hinsichtlich eines
7.3 Ergebnisdarstellung für Turbo- und Ramjet 519
Fall πV = πVopt = 9
+
√ √
FS = FSmax = 2 · c p · T0 · ( τλ − 1)2 + (τ0 − 1) − τ0 − 1
+
√ √ 2 √ N
= 2 · 1004.5 · 217 · ( 7.4 − 1) + (1.45 − 1) − 1.45 − 1 = 775
kg/s
Fall πV = 46
√ √
a0 = κ · Ri · T0 = 1.4 · 287 · 217 = 295.3 m/s
κ−1
τV = πV κ = 460.285714 = 2.986
τ0 1.45
τT = 1 − · (τV − 1) = 1 − · (2.986 − 1) = 0.611
τλ 7.4
1
FS = a0 · 2
· τλ · τT − − Ma0
κ−1
τ0 · τ V
1 N
FS = 295.3 · 5 · 7.4 · 0.611 − − 1.5 = 664.4
1.45 · 2.986 kg/s
Fall πV = πVopt = 9
κ−1
τV = πV κ = 90.285714 = 1.8734
cp · T0 1004.5 · 217
β= · (τλ − τ0 · τV ) = · (7.4 − 1.45 · 1.8734) = 0.02365
Hi 4.31 · 107
β 0.02365 kg/h kg/s
Bs = · 3.6 · 106 = · 3.6 · 106 = 110 = 0.0305
Fs 775 kN kN
Fall πV = 46
cp · T0 1004.5 · 217
β= · (τλ − τ0 · τV ) = · (7.4 − 1.45 · 2.9859) = 0.0155
Hi 4.31 · 107
β 0.0155 kg/h kg/s
Bs = · 3.6 · 106 = · 3.6 · 106 = 84 = 0.02337
Fs 664 kN kN
Zum größeren Verdichterdruckverhältnis gehört der günstigere spez. Verbrauch. Es
sind nun die jeweils für beide Triebwerke zusammen benötigten Brennstoffmassen zu
bestimmen, wenn eine Reiseflugzeit von t = 1 h angenommen wird.
ṁB mB mB
BS = und ṁB = ⇒ ṁB = BS · F =
F t t
für i = 2 Triebwerke folgt damit: mB = i · BS · F · t
520 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
Fges = i · F = FW ⇒ mB = FW · BS · t
kg
Fall πV = πVopt = 9mB = 50 · 0.03050 · 3 600 kN · · s = 5 490 kg
s · kN
kg
Fall πV = 46mB = 50 · 0.02337 · 3 600 kN · · s = 4 207 kg
s · kN
Es ist der Gesamtmassenaufwand an Triebwerks- und Brennstoffmasse zu berechnen,
wenn zum einen eine Reiseflugzeit von t = 1 h und zum anderen eine von t = 5 h
zu Grunde gelegt wird. Das Triebwerk mit πV = πVopt = 9 hat eine Masse von
mTW = 1.500 kg und das mit πV = 46 eine Masse von mTW = 2.500 kg. Die unterschied-
lichen Massen sind Folge der unterschiedlich großen Verdichter.
πV = πVopt = 9 mges t=1h = i · mTW + mB = 2 · 1 500 + 5.490 = 8 490 kg
mges t=5h = i · mTW + 5 · mB = 2 · 1 500 + 5 · 5 490 = 30 450 kg
πV = 46 mges t=1h = i · mTW + mB = 2 · 2 500 + 4 207 = 9 207 kg
mges t=5h = i · mTW + 5 · mB = 2 · 2 500 + 5 · 4 207 = 26 035kg
1 h Flugzeit Δmges = mges πV =9 − mges πV =46 = 8 490 − 9 207 = −717 kg
5 h Flugzeit Δmges = mges πV =9 − mges πV =46 = 30 450 − 26 035 = +4 415kg
Für längere Flugzeiten ist es günstiger, das höhere Triebwerksgewicht in Kauf zu nehmen
und eine Auslegung mit größerem Verdichterdruckverhältnis anzustreben. Bei kürzeren
Flugzeiten dagegen ist es angebrachter, das kompaktere Triebwerk zu wählen und eine
Auslegung nach maximalem spez. Schub zu bevorzugen.
Eine relativ einfache Methode zur Erhöhung des Schubniveaus eines Turbojet besteht
im Einbau eines Nachbrenners in den Strömungskanal hinter dem Turbinenaustritt. Die
Anordnung der Triebwerkskomponenten bei einer solchen Konfiguration zeigt skizzenhaft
Abb. 7.19 und etwas detailreicher die Abb. 6.3.
Abbildung 7.20 zeigt den zugehörigen idealen Kreisprozess. Nach der Expansion aus der
Turbine – zwischen den Bezugsebenen 5 und 7 – kommt es zu einer weiteren isobaren
Wärmezufuhr infolge der Nachverbrennung, für die pt5 = pt7 = pt9 gilt. Im Allgemeinen
ist die hinter dem Nachbrenner maximale erreichbare Temperatur Tt7 = Tt9 höher als
die Temperatur Tt4 , die hinter der primären Brennkammer existiert. Ursächlich hierfür
7.4 Turbojet mit Nachbrenner 521
Turbine
konvergent-
Einlauf
Brenn- Nach- divergente
Verdichter kammer Diffusor brenner Schubdüse
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Zuströmung
ungestörte
Abb. 7.19 Prinzipieller Aufbau eines Turbojets mit Nachbrenner und konvergent-divergenter
Schubdüse, zusammen mit der Kennzeichnung der wesentlichen Bezugsebenen
T Tt7 = T t8 = Tt9
Tt7
p 7
t9
a82
=
qNB p t8
2cp
=
cp p t7
= T8 = T8*
p t5 p 8* 8
=
Tt4 p 8
4
p t4 wT wV c92
qzu qBK = =
= p t3 cp cp 2cp
cp cp
Tt5
Tt3 3 5
9
T9
wV
cp qab
= p t0
Tt2=Tt1=Tt0 2 p t1 p0 = p9
c 2
0
p =
t2 cp
0
2cp T0 T0
s
Abb. 7.20 Idealer Triebwerkskreisprozess für ein einwelliges Turbojettriebwerk mit Nachverbren-
nung im T-s-Diagramm. Dem Kreisprozess, dessen Isobaren durch Geraden angenähert sind, liegen
folgende Daten zu Grunde: H 0 = 11 km, Ma0 = 2.0, πV = 20, Tt4 = 1500 K, Tt7 = 2100 K
ist die Rücksichtnahme auf die Wärmebelastung und Festigkeit der nachfolgenden Turbi-
nenbauteile. Im engsten Querschnitt 8 der konvergent-divergenten Schubdüse wird die
Schallgeschwindigkeit a8 = c8∗ beim kritischen Zustand p8∗ , T8∗ (vgl. Kap. 18.9) erreicht.
Anschließend kommt es zu einer Nachexpansion, wobei der statische Druck auf den Um-
gebungsdruck abgebaut wird, p9 = p0 . Die dabei erreichte Geschwindigkeit c9 ist deutlich
höher als die, die ohne Nachverbrennung erreicht werden würde.
522 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
Zur Bestimmung des spez. Schubes eines Turbojet mit Nachverbrennung wird auf Gl. (7.3)
zurückgegriffen. Da diese Gleichung lediglich aus der Geschwindigkeitsdifferenz c9 – c0
resultiert, kann sie sowohl für normale Turbojets als auch für solche mit Nachverbrennung
verwendet werden. Zur Beschreibung des Wurzelausdrucks in Gl. (7.3) wird Gl. (7.4)
verwendet:
κ −1 Tt9 Tt7
Tt9 = T9 · 1 + · Ma29 = T0 · = T0 · (7.70)
2 T0 T0
Im idealen Kreisprozess können die beiden Temperaturen Tt9 und Tt7 gleichgesetzt
werden, Abb. 7.20. Durch Umstellen ergibt sich so ein Ausdruck für T9 /T0 :
T9 Tt7 /T0
= (7.71)
T0 κ −1
1+ · Ma29
2
Per Definition wird nun der folgende dimensionslose Ausdruck (τλ )NB für die Nachbren-
neraustrittstemperatur eingeführt:
Tt7
τλNB := (7.72)
T0
Aus Gl. (7.24) ergibt sich des Weiteren:
κ −1 τ0
1+ · Ma29 = τ0 · τV · τT = τ0 · τV · 1 − · (τV − 1) (7.73)
2 τλ
Das Einsetzen der Gln. (7.72) und (7.73) in die Gl. (7.71) führt auf:
T9 τλNB
= (7.74)
T0 τ0 · τ V · τ T
Wird dieser Ausdruck in Gl. (7.3) eingesetzt und für die Machzahl Ma9 schließlich noch
Gl. (7.24) verwendet, so ergibt sich die folgende Beziehung für den spez. Schub des idealen
Turbojet mit Nachverbrennung:
2 1
FS = a0 · · τλNB · 1 − − Ma0 (7.75)
κ −1 τ0 · τV · τT
Es ist leicht zu erkennen, dass dieser Ausdruck genau dann in die Form von Gl. (7.23)
(spez. Schub des idealen Turbojet ohne Nachverbrennung) übergeht, wenn gilt:
delt ist – und zwar ganz exakt im Punkt . In diesem speziellen Sonderfall gilt also
5
Tt7 = Tt5 . Andererseits heiß das aber auch, dass für jede Nachbrenneraustrittstempera-
tur Tt7 > Tt5 , auch wenn sie unterhalb von Tt4 liegt, grundsätzlich immer ein Gewinn an
spez. Schub zu verzeichnen ist, da hierbei – aufgrund der Divergenz der Isobaren – die
Triebwerksaustrittsgeschwindigkeit c9 ansteigt.
Für das β der Brennkammer kann Gl. (7.32) verwendet werden. Das Brennstoff-
Luftverhältnis βNB des Nachbrenners wird über einer Energie- oder Enthalpiebilanz
ermittelt, zu der Abb. 7.21 herangezogen wird.
In den Nachbrenner tritt auf der Eintrittsseite die aus der Turbine kommende Gas-
masse (Heißgas = Luft + Brennstoff) mit einem gewissen Energiegehalt, der so genannten
Eintrittsenthalpie ht5 = cp · Tt5 , ein, im Brennraum wird weitere Brennstoffmasse mit
dem Energiegehalt des spez. Heizwerts Hi zugeführt, sodass schließlich die Summe dieser
zugeführten Massen auf der Austrittsseite des Nachbrenners wieder aus dem Brennraum
524 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
(m 0 + m B )⋅ ht 5
(m⋅ + m⋅
0 B + m BNB) ⋅ ht7
B ⋅ Hi
m NB
Abb. 7.21 Energieströme im vorderen Bereich des Nachbrenners eines einwelligen Turbojettrieb-
werks mit Nachverbrennung
austritt, aber nun – gegenüber dem Eintritt – mit einem höheren Energiegehalt, der sog.
Austrittsenthalpie ht7 = cp · Tt7 :
cp · T0
βNB = · τλNB − τλ · τT (7.82)
Hi
Zusammen mit der Gl. (7.22) wird daraus:
0 1
cp · T0 τ0 cp · T0
βNB = · τλNB − τλ · 1 − · (τV − 1) = · τλNB − τλ · τT (7.83)
Hi τλ Hi
Die Addition der beiden Gln. (7.33) und (7.83) ergibt dann schließlich:
cp · T0
β + βNB = · τλNB − τ0 (7.84)
Hi
Die Kombination dieses Ausdrucks mit Gl. (7.79) führt auf die folgende Beziehung für den
spez. Brennstoffverbrauch:
cp · T0 τλNB − τ0
BS = · (7.85)
Hi FS
7.4 Turbojet mit Nachbrenner 525
Das Einsetzen der Gl. (7.76) für τλBN würde die Beziehung (7.85) schließlich wieder in den
Ausdruck (7.30) überführen, der für Turbojettriebwerk ohne Nachbrenner gilt.
Abbildung 7.22 zeigt die Auswertung der Gln. (7.75) und (7.85) für den spez. Schub
und den spez. Brennstoffverbrauch eines Turbojet mit Nachverbrennung. Ergänzend sind
die entsprechenden Kurven eines Triebwerks ohne Nachverbrennung mit eingezeich-
net, so wie sie in Abb. 7.9 und 7.10 dargestellt sind. Es ist klar zu erkennen, dass die
Nachverbrennung einen erheblichen Schubgewinn bringt, der aber ebenso klar zulasten
des Brennstoffverbrauchs geht. Der maximale spez. Schub verschiebt sich im Falle der
Nachverbrennung zu deutlich höheren Verdichterdruckverhältnissen. Der spez. Brenn-
stoffverbrauch weist genau an dieser Stelle ein Minimum auf. Aus Gl. (7.75) ist leicht
zu erkennen, dass in Abhängigkeit des Verdichterdruckverhältnisses πV das Maximum
des spez. Schubes (FS,max )NB genau dort auftritt, wo der Nenner unter dem Wurzelaus-
druck – in der eckigen Klammer – selbst zum Maximum wird. Durch Ableitung nach dem
Verdichterdruckverhältnis und anschließendes Zu-null-Setzen dieses Ausdrucks wird das
sich bei (FS,max )NB einstellende optimale Verdichterdruckverhältnis bei Nachverbrennung
(πV,opt )NB gefunden:
τ0
τ0 · τV · 1 − · (τV − 1) = Maximum ⇔ FS = (FSmax )NB
τλ
∂ τ0 ∂τ0 τ0
τ0 · τV · 1 − · (τV − 1) + · τV · 1 − · (τV − 1) = 0
∂τV τλ ∂τV τλ
∂ τ0 ∂ τ0 τ0
τV · 1 − · (τV − 1) = τV − τV2 · + τV · =0
∂τV τλ ∂τV τλ τλ
τ0 τ0
⇒ 1 − 2 · τV · + =0
τλ τλ
κ
τλ + τ0 τλ + τ0 κ−1
τV := (τVopt )NB = bzw. (πVopt )NB = (7.86)
2 · τ0 2 · τ0
Durch Einsetzen dieses Verdichterdruckverhältnisses πς ,Oπτ in die Gleichungen für den
spez. Schub und den spez. Brennstoffverbrauch werden die in Abb. 7.22 markierten Werte
für (FS,max )NB und (BS,min )NB gefunden.
Hier wird auf Gl. (6.120) zurückgegriffen, die für den Fall des Turbojet mit Nachverbren-
nung die nachfolgende Form annimmt:
c92 − c02
ηth = (7.87)
2 · (β + βNB ) · Hi
Im Gegensatz zum Turbojet ohne Nachbrenner steht nun im Nenner die Summe der
Brennstoff/Luft-Verhältnisse von Brennkammer und Nachbrenner. Die im Zähler ste-
hende quadratische Triebwerksaustrittsgeschwindigkeit c92 ergibt sich aus Gl. (7.75), wenn
526 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
1000 175
(F )
Smax NB FS mit Nachbrenne
FS r BS
⎡ N ⎡ ⎡ kg/h ⎤
⎢ ⎢ ⎢ ⎥
⎢ kg/s ⎢ ⎢⎣ kN ⎥⎦
⎣ ⎣ (B )
Smin NB
BS mit Nachbrenner
600 105
FS,max
BS ohne Nac
hbrenner
400 70
FS oh
H0 = 11km ne Nachbr
enner
200 Ma 0 = 2.0 35
τ λ = 6.5
τ λ NB = 8.0
π V,opt (π V,opt)NB
0 0
1 11 21 31 41 πV 51
Abb. 7.22 Spezifischer Schub FS und spezifischer Brennstoffverbrauch BS eines idealen Turbojet
mit und ohne Nachverbrennung, aufgetragen über dem Verdichterdruckverhältnis πV
außerdem von den Ausdrücken a02 = κ ·Ri ·T0 und cp = κ · Ri /(κ − 1) Gebrauch gemacht
wird:
2 1
FS = c9 − c0 = a0 · · τλNB · 1 − − c0
κ −1 τ0 · τ V · τ T
1
c92 = 2 · cp · T0 · τλNB · 1 − (7.88)
τ0 · τ V · τ T
Die Kombination der Gln. (7.87) und (7.88), sowie das Einsetzen der Gln. (7.64) für c02 und
(7.84) für β + βNB ergibt schließlich:
1 τλNB
ηth = 1 + · 1− (7.89)
τλNB − τ0 τ0 · τ V · τ T
7.4.4 Vortriebswirkungsgrad
Hier wird auf Gl. (6.142) bzw. auf Gl. (6.143) zurückgegriffen, in die, zur Bildung des
Quotienten c9 /c0 , die Gln. (7.88) und (7.64) eingesetzt werden:
c9 τλNB 1
= · 1− (7.90)
c0 τ0 − 1 τ0 · τ V · τ T
7.4 Turbojet mit Nachbrenner 527
ne π V = 20
0.2 oh
τλ = 6.5
ηP
τ λ NB = 8.0
0.0
0.0 0.6 1.2 1.8 2.4 Ma0 3.0
Im Vergleich zum Turbojet ohne Nachverbrennung zeigt Abb. 7.23, dass sowohl der
thermische Wirkungsgrad ηth als auch der Vortriebswirkungsgrad ηP infolge der Nach-
verbrennung schlechter werden. Wir halten aber fest, dass als wesentlicher Vorteil
einer Nachverbrennung der spez. Schub FS deutlich gesteigert werden kann, was aber
– und das ist der wesentliche Nachteil – zulasten des spez. Brennstoffverbrauches BS
geht. Turbojettriebwerke mit mittleren bis hohen Verdichterdruckverhältnissen liefern
einen sehr guten spez. Schub bei hohen Flugmachzahlen. Das Brennstoff/Luft-Verhältnis
β der Brennkammer bleibt vom Nachverbrennungsvorgang unberührt, während das
Brennstoff/Luft-Verhältnis βNB des Nachbrenners mit der Flugmachzahl Ma0 bzw. mit
τ0 und dem Verdichterdruckverhältnis πV bzw. mit τV ansteigt, Gl. (7.83). Gleichung
(7.84) zeigt aber auch, dass die Summe der Brennstoff/Luft-Verhältnisse βges = β + βNB
mit der Flugmachzahl Ma0 bzw. mit τ0 abnimmt und vom Verdichterdruckverhältnis πV
unabhängig ist.
Abbildung 7.22 hat gezeigt, dass die spez. Schübe FS eines idealen Turbojet mit Nachbren-
ner generell höher sind als die ohne Nachbrenner. Gleiches gilt auch für die optimalen
Verdichterdruckverhältnisse πV,opt und (πV,opt )NB und damit auch für die maximalen
spezifischen Schübe FS,max und (FS,max )NB .
528 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
mit N
ohn
ach
21 1030 110
eN
π Vopt = 20
br e
ach
nn
er
b
11 790 90
ren
ne
r ohne Nach-
brenner
1 550 70
0.0 1.0 2.0 3.0 Ma 4.0 0.0 1.0 2.0 3.0 Ma 4.0
0 0
Abb. 7.24 Optimales Verdichterdruckverhältnis πV ,opt , maximaler spezifischer Schub FS,max und
zugehöriger spezifischer Brennstoffverbrauch BS eines idealen Turbojettriebwerks, aufgetragen über
der Flugmachzahl Ma0
optimales Verdichterdruckverhältnis von πV,opt ≈ 1.5 hat, derselbe ist, wie bei einem Tur-
bojet mit Nachbrenner und optimalem Verdichterdruckverhältnis von (πV,opt )NB ≈ 12.
Das Nachbrennertriebwerk liefert dabei aber einen um etwa 50 % höheren spez. Schub
als der Turbojet ohne Nachbrenner. Unter diesem Gesichtspunkt wird klar, dass das
Nachbrennertriebwerk mit dem höheren Verdichterdruckverhältnis für ein Überschall-
transportflugzeug – wie z. B. die BAC-Concorde oder andere SST2 -Projekte – die einzig
konsequente Wahl sein kann, speziell im Vergleich zu einem Turbojet ohne Nachbrenner
und mit kleinerem Verdichterdruckverhältnis. Hinzu kommt, dass das ein Nachbrenner-
triebwerk, wenn es im Unterschall ohne Nachbrenner betrieben wird, aufgrund seines
höheren Verdichterdruckverhältnisses immer deutlich verbrauchsgünstiger ist, als der
Turbojet ohne Nachbrenner und mit kleinem Verdichterdruckverhältnis, Abb. 7.10 links.
Beispiel 7.4
Ein Turbojet soll im Unterschall ohne eingeschalteten Nachbrenner mit
Ma0 = 0.8 und im Überschall bei eingeschaltetem Nachbrenner mit Ma0 = 2 so
fliegen, dass in beiden Flugzuständen jeweils das optimale Verdichterdruckverhält-
nis πV,opt vorliegt. Das Nachbrennertemperaturverhältnis soll τλ,NB = 2.3 · (τλ,NB )min
betragen. Die Flughöhe im Unter- und Überschall soll jeweils H0 = 11 km
(T0 = 217 K) sein. Im gesamten Triebwerk ist das Strömungsmedium Luft als idea-
les Gas: κ = 1.4, Ri = 287 Nm/(kg · K), cp = 1 004.5 Nm/(kg · K). Als Brennstoff findet
Jet A-1 Verwendung: Hi = 4.31 · 107 Nm/kg. Eine angepasste konvergent/divergente
Schubdüse mit p9 = p0 sowie vernachlässigbare Brennstoff- und Zapfluftmassenströme
können vorausgesetzt werden.
Es ist das Verdichterdruckverhältnis πV,opt zu bestimmen, sodass im Unter- und Über-
schallflug das Triebwerk jeweils bei seinem maximalen spez. Schub FS,max betrieben
werden kann.
ohne Nachbrennerbetrieb mit Nachbrennerbetrieb
√ κ−1
κ κ
τλ τλ + τ0NB κ−1
πVopt = (πVopt )NB =
τ0 2 · τ0NB
√ κ−1 κ κ−1
κ
τλ τλ + τ0NB
πVopt = (πVopt )NB = =
τ0 2 · τ0NB
√ τ 0 τ0NB 2
τλ + τ0NB = 2 · τλ · NB ⇒ τλ2 + 2 · τλ · τ0NB + τ02NB = 4 · τλ ·
τ0 τ0
2
2 · τ0NB 2 · τ0NB
(τλ )1,2 = −τ0NB · 1 − ± τ02NB · 1 − − τ02NB
τ02 τ02
2
SST = Super Sonic Transport. Hier gab es z. B. das SST-Projekt der Firma Boeing (B 2707–200), für
das General Electric das Triebwerk GE4-JP5 entwickelt hat. Dieses ist ein Einstromtriebwerk, mit
einem Verdichterdruckverhältnis von etwa 12. Das Triebwerk OLYMPUS 593, für das SST-Flugzeug
Concorde hat im Reiseflug ebenfalls ein Verdichterdruckverhältnis von etwa 12.
530 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
κ −1
Ma0 = 0.8 ⇒ τ0 =1+ · Ma20 = 1 + 0.2 · 0.64 = 1.128
2
κ −1
Ma0NB = 2.0 ⇒ τ0NB = 1 + · Ma20NB = 1 + 0.2 · 4.0 = 1.8
2
2 · τ0NB 2 · 1.8
τ0NB · 1 − = 1.8 · 1 − = −3.2928
τ02 1.128 · 1.128
√
(τλ )1,2 = 3.2928 ± 10.84255 − 3.24 = 3.2928 ± 2.75727
τλ = 6.05 √ 3.5
6.05 6.05 + 1.8 3.5
πVop t = (πVop t )NB = = = 15.31
1.128 2 · 1.8
= 1 543.6 m/s
τ0 1
c 9 = 2 · c p · T0 · τλ · 1 − · (τV − 1) −
τλ τ0 · τ V
1 128 1
c9 = 2 · 1 004.5 · 217 · 6.05 · 1 − · (2.18054 − 1) −
6.05 1.128 · 2.18054
= 992.3 m/s
√ √
a0 = κ · Ri · T0 = 1.4 · 287 · 217 = 295.28 m/s
c0 = a0 · Ma0 = 295.28 · 0.8 = 236.22 m/s
c0NB = a0 · Ma0NB = 295.28 · 2.0 = 590.56 m/s
7.5 Turbofan mit separaten Schubdüsen 531
2 2
ηP = c9 = = 0.38456
992.3
1+ 1+
c0 236.22
2 2
ηPNB = c9NB = = 0.55344
1+ 1543.6
c0NB 1+
590.56
Für den Unter- und Überschallflug sind die spez. Schübe und spez. Brennstoffverbräu-
che zu bestimmen.
2 2 N
FS = c0 · − 2 = 236.22 · − 2 = 756.1
ηP 0.38456 kg/s
2 2 N
FSNB = c0NB · − 2 = 590.56 · − 2 = 953.1
ηPNB 0.55344 kg/s
cp · T0 1 004.5 · 217
β= · (τλ − τ0NB · τV ) = · (6.05 − 1.8 · 2.18054) = 0.010747
Hi 4.31 · 107
cp · T0 τ0
βNB = · τλNB − τλ · 1 − NB · (τV − 1) =
Hi τλ
0 1
1 004.5 · 217 1.8
βNB = · 9 − 6.05 · 1 − · (2.18054 − 1) = 0.025666
4.31 · 107 6.05
cp · T0
βges = β + βNB = · (τλNB − τ0NB ) = 0.010747 + 0.025666 = 0.036413
Hi
βges 0.036413 kg/h
BSNB = = · 3.6 · 106 = 137.54
FSNB 953.1 kN
cp · T0 1 004.5 · 217
β= · (τλ − τ0 · τV ) = · (6.05 − 1.128 · 2.18054) = 0.018158
Hi 4.31 · 107
β 0.018158 kg/h
BS = = · 3.6 · 106 = 86.46
FS 756.1 kN
In Kap. 6 war gezeigt worden, dass es beim Turbojet durch Verbesserung des thermischen
Wirkungsgrades und der daraus resultierenden c9 -Erhöhung zu einer Verschlechterung
des Vortriebswirkungsgrades kommt. Zur Vermeidung dieses unerwünschten Effekts ist
es deswegen erforderlich, durch eine Umkonstruktion des Turbojets die kinetische Energie
c92 /2 des aus dem Triebwerk austretenden Heißgasstrahls zu vermindern. Dazu wird die
vor der Schubdüse im Heißgas noch zur Verfügung stehende Energie zum Teil dazu ge-
nutzt, eine weitere Turbine anzutreiben, die ihrerseits einen (meist) am Triebwerkseintritt
532 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
II II
m
m primäre
Schubdüse
Sekundärkreis, II
I
m
Primärkreis, I
0 =m
m I +m
II I
m
m I
II
m II
m II
m
0 1 2 B. O 3 4 D.O 5 9
Zu- Einlauf- Niederdruck- Hochdruck-
strö- Diffusor Verdichter Verdichter Hochdruck- Niederdruck-
mung (NDV) (HDV) Turbine Turbine
(HDT) (NDT)
Abb. 7.25 Prinzipieller Aufbau eines zweiwelligen Turbofantriebwerks mit separaten Schubdüsen.
Hier am Beispiel des GE CF6-50A
angeordneten Fan oder Bläser antreibt. Ein solcher Fan verdichtet die ihn durchströmende
Luft und leitet davon einen (meist) kleineren Teil (Primärstrom) dem Kerntriebwerk zu.
Der (meist) größere Teil (Sekundärstrom) wird um das Kerntriebwerk herumgeführt („ge-
bypasst“) und mittels einer sekundären Schubdüse als schneller Luftstrahl nach hinten
ausgestoßen. Abbildung 7.25 zeigt skizzenhaft ein solches Triebwerk mit zwei separaten
Schubdüsen in Primär- und Sekundärstrom.
Vermehrt kommen auch Turbofantriebwerke mit so genannten Mischern zum Ein-
satz (vgl. Kap. 4.6.2), bei denen die Primär- und der Sekundärströme erst vermischt und
dann durch eine einzige gemeinsame Schubdüse nach hinten ausgestoßen werden. Typi-
sche Beispiele hierfür sind die Triebwerke CFM57-5C und RB211-524 G/H. Vorteil der
„Zwangsmischung“ (Forced Mixing) ist primär die Lärmreduzierung, da kühlere Strahlen
weniger Lärm emittieren als heiße. Darüber hinaus ergibt sich aus der Strahlmischung auch
ein gewisser Nutzen/Gewinn hinsichtlich der Leistungsparameter, sodass der spezifische
Schub und spezifische Brennstoffverbrauch um ca. 3. . . 5 % verbessert werden können.
Turbofantriebwerke, wie z. B. das IAE-V2500, weisen ebenfalls nur eine einzige Schub-
düse auf, zählen aber dennoch zu den Turbofantriebwerken mit separaten Schubdüsen, da
es bei ihnen nur zu kaum nennenswerten Strahlvermischungen kommt. Ohne zusätzlichen
Zwangsmischer (Forced Mixer) legt sich lediglich der kalte Sekundärstrahl um den heißen
Primärstrahl herum und hüllt ihn dabei ein, was Lärm reduzierend wirkt.
Abbildung 7.26 zeigt eine andere, wenig gebräuchliche Form des Turbofan, bei dem
praktisch einem vorhandenen Turbojet ein sog. Bläser nachgeschaltet wird, was man dann
7.5 Turbofan mit separaten Schubdüsen 533
Brenn- II
m
kammer Sekundärkreis
Primärkreis
N2
I
m N1
als Aft- oder Rear-Fan-Konfiguration bezeichnet. Ein älteres ausgeführtes Beispiel hierfür
ist das Triebwerk GE CF700 (Abb. 2.22). Hierbei wird der Turbine des Kerntriebwerks ein
Fanschaufelsatz aufgesetzt. Diese Bauform geht ursprünglich auf Frank Whittle zurück,
der sich diese Idee 1936 patentieren ließ. Das in Abb. 7.26 dargestellte Turbofantriebwerk
ist eine fortschrittlichere Entwurfsstudie der Firma Rolls-Royce für einen so genannten
gegenläufigen Fan (Contra-Rotating Rear-Fan), die etwa Mitte 1980 entstand. Hierbei ist
die Fanbeschaufelung einer freien Arbeitsturbine (Free Power Turbine) aufgesetzt worden,
d. h., einer Turbine, die nicht durch eine Welle mit dem übrigen Triebwerk verbunden ist.
Der vordere und hintere Teil der Turbine läuft gegensinnig, sodass die Fanbeschaufelung,
die aus zwei direkt aufeinander folgenden Laufrädern (ohne Leitradbeschaufelung) besteht,
ebenfalls gegenläufig rotiert (vgl. z. B. die Abb. 12.14 und 12.15).
Der Massenstrom, der durch das Kerntriebwerk strömt, wird als Primärluftmas-
senstrom ṁI bezeichnet und der, der durch den Fan strömt, als Nebenstrom oder
Sekundärluftmassenstrom ṁII . Die Summe aus beiden Massenströmen ergibt den ge-
samten vom Triebwerk angesaugten Luftmassenstrom ṁ0 . Die Aufteilung der Sekundär-
und Primärluftmassenströme wird per Definition als Nebenstrom- oder Bypassverhältnis
μ bezeichnet:
ṁII
μ := (7.92)
ṁI
Einfache Formen des Turbofantriebwerks (Abb. 2.22) haben den Nachteil, dass der Fan mit
derselben Drehzahl laufen muss, wie die Turbine, die zwischen 10.000 . . . 18.000 min−1
erreichen kann. Mit Rücksicht auf die Fliehkraftbelastung können dabei der Fan und da-
mit auch der Sekundärmassenstrom nur relativ klein ausfallen. Wegen dieses Nachteils
ist es üblich, das Kerntriebwerk mittels Mehrwellenanordnung vom Gebläse mechanisch
zu entkoppeln (Abb. 7.25 und 7.26). Der Fan wird so von einer langsamer laufenden
Niederdruckturbine angetrieben und produziert mit seinem nabennahen Teil der Be-
schaufelung eine Vorverdichtung des Luftmassenstroms im Primärkreis. Meist bilden Fan,
534 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
Es wird von einem zweiwelligen Turbofan ausgegangen, so wie er in Abb. 7.25 dargestellt
ist, für den aber dieselben Voraussetzungen und Vereinfachungen gelten sollen, die bereits
zu Beginn von Kap. 6 für idealisierte Triebwerke ausführlich dargestellt wurden.
Die Strahlen der beiden Schubdüsen des Turbofans expandieren hinter den jeweils rein
konvergenten Schubdüse bis auf den Umgebungsdruck, p9 = p0 . Der Primärteil beginnt mit
dem unteren Teil der Fanbeschaufelung. Als Niederdruckverdichter (NDV) wird demnach
der Verdichterteil zwischen den Bezugsebenen 2 und 2.5 verstanden. Diesem schließt sich
der Hochdruckverdichter (HDV) an. Der gesamte Verdichter des Turbofan (NDV & HDV)
liegt per Definition zwischen den Bezugsebenen 2 und
3
3 (Kerrebrock 1996) , und der
Fan, der wie ein Axialverdichter anzusehen ist, zwischen den Bezugsebenen 12 und .
13
3
Seite 47: „For convenience in the cycle analysis, we denote the overall compression ratio through the
fan and the compressor by π V, recognizing that this would in fact be the product of the fan and com-
pressor pressure ratios“. Hierbei handelt es sich um die Standardmethode zur Berücksichtigung von
Druckänderungen über Triebwerkskomponenten. Dabei wird vereinfachend davon ausgegangen,
dass die Strömung an den bezifferten Stationen hinreichend genau eindimensional ist, dazwischen
aber durchaus stark dreidimensional sein kann. Für die grundlegende thermodynamische Kreispro-
zessanalyse ist es erst einmal nicht von Interesse, wie der Verdichter oder der Fan den Totaldruck
erhöht. Dabei kann man sich den Fan so vorstellen, dass die ersten Stufen des Verdichters einfach nur
extrem nach außen gelängt wurden, umso zusätzlich auch eine Kompression für den Außenstrom
herbeizuführen. Werden diese gelängten Verdichterstufen begrifflich als Fan deklariert, so gehört
dennoch dessen unterer Beschaufelungsteil zum Verdichter des Primärteils. Das Druckverhältnis
des Primärstromverdichters schließt somit die Druckerhöhung des unteren Teils der Fanbeschau-
felung mit ein. Die Bezugsebenen 12 = 2 sind damit sowohl Eintrittsebene des Fans 12 als auch
Eintrittsebene des Primärstromverdichters . 2 Die Bezugsebene 13 liegt im Sekundärstrom hinter
der Fan-Leitrad-Beschaufelung (Fan Exit Vanes). In Realität ist es praktisch unmöglich, eine kon-
stante radiale Totaldruckverteilung hinter der Fanbeschaufelung zwischen Nabe und Gehäuse zu
realisieren, sodass die Druckerhöhung im unteren Beschaufelungsteil praktisch nie identisch mit der
im äußeren Fanbereich ist.
7.5 Turbofan mit separaten Schubdüsen 535
dichter (NDV) und den Fan antreibt. Dabei sitzen HDT und HDV auf einer gemeinsamen
Welle, ebenso wie Fan & NDV und NDT. Beide Turbinen zusammen geben die Leistung
zum Antrieb des Fans und des Nieder- und Hochdruckverdichters ab. Die Leistungsabgabe
|-PT | der Gesamtturbine (HDT + NDT) ist also gleich dem Leistungsbedarf der Verdichter
in Primär- und Sekundärkreis (Primärstromverdichter + Fan) PV + PFan . Leistungen bzw.
spez. Arbeiten sind mit Massenströmen und Totalenthalpien über den ersten Hauptsatz
der Thermodynamik gekoppelt w = P/ṁ, vgl. Kap. 18.1. Das Leistungsgleichgewicht
des idealen Turbofan nimmt damit die folgende Form an, wenn mittels Gl. (7.92) das
Bypassverhältnis μ berücksichtigt wird:
|−PT | = PV + PFan
+ṁI · cp · (Tt4 − Tt5 ) = ṁI · cp · (Tt3 − Tt2 ) + ṁII · cp · (Tt13 − Tt2 )
|−wT | = wV + μ · wFan (7.93)
Die Leistung der Hochdruckturbine (HDT) steht mit der Leistung des Hochdruckverdich-
ters (HDV) im Gleichgewicht (beide wirken nur im Primärkreis):
|−PHDT | = PHDV
+ṁI · cp · (Tt4 − Tt4,5 ) = ṁI · cp · (Tt3 − Tt2,5 )
|−wHDT | = wHDV (7.94)
Man vergleiche hierzu auch die Gln. (7.93) bis (7.95) mit Gln. (6.90) bis (6.92). Ana-
log dazu gilt, dass die Leistung der Niederdruckturbine (NDT) mit den Leistungen von
Niederdruckverdichter (NDV) und Fan im Gleichgewicht steht:
|−PNDT | = PNDV + PFan
+ṁI · cp · (Tt4,5 − Tt5 ) = ṁI · cp · (Tt2,5 − Tt2 ) + ṁII · cp · (Tt13 − Tt2 )
|−wNDT | = wNDV + μ · wFan (7.95)
Die gesamte spezifische Arbeit der Turbine |wT | setzt sich aus den Anteilen von Hochdruck-
und Niederdruckturbine zusammen:
|−wT | = |−wHDT | + |−wNDT |
|−wT | = wHDV + wNDV + μ · wFan = wV + μ · wFan (7.96)
Abbildung 7.27 zeigt alle diese formelmäßigen Zusammenhänge für den thermodyna-
mischen Arbeitsprozess des idealen Turbofan, dargestellt im h-s-Diagramm. Ausgehend
vom Umgebungszustand T0 , p0 kommt es infolge des Flugaufstaus zu einer Enthalpie-
bzw. Temperaturerhöhung, die der kinetischen Energie der Anströmung c02 /2 entspricht.
Entsprechend Tab. 18.8 berechnen sich die Totalgrößen des Eintrittszustandes
2 in den
h
ht4 h t4
|wHDT|=wHDV
4
|wT|=|wHDT|+|wNDT|
=p D.O
t4
qzu ht4,5
p t3 p t4.5
|wNDT|=wNDV+ μ wFan
5
ht5=ht9
ht3
3 p t5=p t9 c92
2
wV wHDV 9
AM=AS h9
B.O
2
c19 p0 = p 9 = p 19
2
2 0
c02 wNDV wFan
2 s
κ −1
Tt2 = Tt1 = Tt0 = T0 · 1 + · Ma20 (7.98)
2
auf den Zustand 3 verdichtet. In der anschließenden Brennkammer wird dann un-
ter Wärmezufuhr bei Gleichdruckverbrennung (pt3 = pt4 ) die Temperatur von Tt3 auf
Tt4 angehoben. Die beiden darauf folgenden Turbinen decken den Leistungsbedarf von
Fan und Hochdruckverdichter ab. Die spez. Turbinenarbeit |−wT | steht mit der ent-
sprechenden Verdichterarbeit wV im Gleichgewicht, |−wT | = wV + μ · wFan , wobei im
Primärkreis jeweils ein Arbeitsanteil von Niederdruck- und Hochdruckverdichter anfällt,
wV = wNDV +wHDV . Die Niederdruckturbinenleistung, die den Sekundärkreis speist, muss
den restlichen, für den Niederdruckverdichter erforderlichen Arbeitsanteil abdecken. Für
die Expansion in der Schubdüse des Kerntriebwerks verbleibt dann noch die spezifische
kinetische Energie c92 /2. Die vom Fan verdichtete Luft mit dem Strömungszustand 13 ex-
pandiert über die Schubdüse des Sekundärkreises auf den Umgebungsdruck p0 und die
2
Umgebungstemperatur T0 . Dabei erreicht die Luft die spezifische kinetische Energie c19 /2.
Die Position der Zustandspunkte 2.5 und
4.5 ergibt sich, wenn das Druckverhältnis
des Niederdruckverdichters πNDV bekannt ist, das bei zivilen Turbofantriebwerken in der
Größenordnung πNDV ≈ 2 . . . 2.5 liegt, πV = πNDV · πHDV :
κ−1
κ
pt2,5 κ Tt2,5
πNDV = = τNDV
κ−1
=
pt2 Tt2
7.5 Turbofan mit separaten Schubdüsen 537
κ−1
Tt2,5 = Tt2 · πNDV
κ
(7.99)
Aus Gl. (7.94) kann dann die Totaltemperatur Tt4,5 zwischen Hoch- und Niederdrucktur-
bine bestimmt werden, wenn Tt4 und Tt3 bekannt sind:
Mit diesen Temperaturen können die Druckverhältnisse von Hoch- und Niederdrucktur-
bine abgegeben werden:
κ−1
κ
κ−1
κ
Tt4,5 Tt5
πHDT = πNDT = (7.101)
Tt4 Tt4,5
Ausgehend vom Turbofan mit separaten Schubdüsen liegen hinter dem Austritt von
Primär- und Sekundärdüse jeweils freie Nachexpansionen auf den Umgebungsdruck vor:
p9 = p0 bzw. p19 = p0 . Das Brennstoff/Luft-Verhältnis β und das Zapfluft/Luft-Verhältnis
α sind sehr, sehr viel kleiner als eins: β – α 1. Der gesamte Schub des Turbofan setzt
sich so dann aus den beiden Anteilen von Primär- und Sekundärkreis in folgender Form
zusammen:
Der gesamte vom Triebwerk angesaugte Luftmassenstrom ist gleich der Summe der
Einzelmassenströme aus Primär- und Sekundärkreis:
Entsprechend der Gl. (6.15) kann der spez. Schub FS des Turbofan mittels des folgenden
– leicht ungeformten – Ausdrucks berechnet werden:
F 1 c9 c19
FS = = · c0 · − 1 + μ · c0 · −1 (7.105)
ṁ0 1+μ c0 c0
Der erste Ausdruck in der eckigen Klammer ist identisch mit Gl. (7.19):
c9 2 1
c0 · − 1 = a0 · · τ λ · τT − − Ma0 (7.106)
c0 κ −1 τ0 · τ V
Diese Beziehung, die ursprünglich für den Turbojet abgeleitet wurde, kann unter
Beachtung der Fußnote3 auf den Turbofan übertragen werden, wenn das Verdichter-
druckverhältnis πV = pt3 /pt2 = πNDV · πHDV = (pt2.5 /pt2 ) · (pt3 /pt2.5 ) als das gesamte
Druckverhältnis angesehen wird, das sich aus Anteilen der NDV- und HDV-Komponenten
zusammensetzt.
Das in Gl. (7.106) auftretende Turbinentemperaturverhältnis τT muss analog zu Kap.
7.1.1 aus dem Leistungsgleichgewicht ermittelt werden, wobei aber das dortige Resultat
nicht direkt übernommen werden kann, da es in dieser Form nur für den Turbojet gilt.
Beim Turbofan wird das Leistungsgleichgewicht zwischen Verdichter und Turbine durch
Gl. (7.95) beschrieben:
Tt5 Tt0 /T0 Tt3 Tt19
=1− · −1 +μ· −1 (7.107)
Tt4 Tt4 /T0 Tt2 Tt2
Hierin wurde berücksichtigt, dass Tt2 = Tt1 = Tt0 gilt. Das Temperaturverhältnis
Tt0 /T0 wird mittels Gl. (6.1) durch τ0 und das Temperaturverhältnis Tt4 /T0 mittels Gl.
(7.15) durch τλ ersetzt. Unter Verwendung der Isentropenbeziehung werden die bei-
den auf der rechten Gleichungsseite dann noch verbleibenden Temperaturverhältnisse
in Druckverhältnisse gewandelt, und zwar in das Verdichterdruckverhältnis πV und das
Fandruckverhältnis πFan . Auf der linken Gleichungsseite wird das Temperaturverhältnis
in das Turbinendruckverhältnis πT umgeformt:
κ−1 Tt3
πV κ = τV = = Verdichterdruckverhältnis (7.108)
Tt2
κ−1 Tt3II
κ
πFan = τFan = = Fandruckverhältnis (7.109)
Tt2
κ−1 Tt5
πT κ = τT = = Turbinendruckverhältnis (7.110)
Tt4
7.5 Turbofan mit separaten Schubdüsen 539
Aus Gl. (7.107) ergibt sich so eine Beziehung für das Turbinendruckverhältnis, die in die
Gl. (7.106) eingesetzt werden kann:
κ−1 τ0
τT = πT κ = 1 − · [τV − 1 + μ · (τFan − 1)] (7.111)
τλ
0 1
c9 2 · τλ τ0 1
c0 − 1 = a0 1 − [τV − 1 + μ (τFan − 1)] − − Ma0
c0 κ −1 τλ τ0 τV
(7.112)
Mit diesem Ausdruck ist die erste Beziehung ermittelt worden, die in Gl. (7.105) zur
Berechnung des spez. Schubes einzusetzen ist. Mit μ = 0 bzw. πFan = 1 geht Gl. (7.112) in
das Ergebnis für den spez. Schub des Turbojets (7.23) über.
Um Gl. (7.105) vollständig auswerten zu können, ist es notwendig, den Ausdruck
c0 · [(c19 /c0 ) −1] für den Sekundärkreis zu bestimmen. Über die Definition der Machzahl
Ma = c/a = c/(κ · Ri · T)½ wird dazu der folgende Ausdruck für das Geschwindigkeits-
verhältnis c19 /c0 gebildet:
c19 Ma19 T19 Ma19
= · = (7.113)
c0 Ma0 T0 Ma0
Der Kreisprozess in Abb. 7.27 zeigt, dass die statische Temperatur T19 am Austritt der
sekundären Schubdüse gleich der Umgebungstemperatur T0 ist, sodass gilt:
c19
c0 · − 1 = a0 · (Ma19 − Ma0 ) (7.114)
c0
Die Totaltemperaturen am Ein- und Austritt des Sekundärkreises können mittels der
Gleichungen in Tab. 18.8 bestimmt werden. Wegen Tt2 = Tt1 = Tt0 im Einlauf und
Tt19 = Tt13 und T0 = T19 in der Austrittsebene der Sekundärdüse ergibt sich:
Tt2 Tt13
T0 = = = T19
κ −1 κ −1
1+ · Ma20 1+ · Ma219
2 2
κ −1 κ − 1 Tt13
1+ · Ma219 = 1 + · Ma20 · = τ0 · τFan
2 2 Tt2
2
Ma19 = · (τ0 · τFan − 1) (7.115)
κ −1
Eingesetzt in Gl. (7.114) ergibt sich damit als gesuchtes Ergebnis:
c19 2
c0 · − 1 = a0 · · (τ0 · τFan − 1) − Ma0 (7.116)
c0 κ −1
540 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
Die Kombination der Gln. (7.105), (7.112) und (7.116) führt schließlich auf die gesuchte
Beziehung für den spez. Schub:
⎡ ⎤
2 τλ
⎢ · τλ − τ0 · [(τV − 1) + μ · (τFan − 1)] − +⎥
a0 ⎢ κ −1 τ0 · τ V ⎥
FS = ⎢
·⎢ ⎥
1+μ ⎣ ⎥
2 ⎦
+μ · · (τ0 · τFan − 1) − Ma0 · (1 + μ)
κ −1
(7.117)
Der spez. Schub des idealen Turbofan wird von folgenden Größen beeinflusst:
Diese Größen können leicht für eine Rechnung vorgegeben und so ihr Einfluss auf den spez.
Schub überprüft werden. Im Vergleich zum Turbojet sind nun noch zwei weitere Parameter
mit hinzugekommen, das Bypassverhältnis μ und das Fandruckverhältnis πFan . Die Gln.
(7.99) bis (7.102) zeige, dass es bei ergänzender Vorgabe des Druckverhältnisses πNDV
außerdem auch möglich wird, die Druck- und Temperaturverhältnisse sowohl von Hoch-
und Niederdruckverdichter als auch von Hoch- und Niederdruckturbine zu bestimmen.
Für die Düsenaustrittsmachzahl aus dem Kerntriebwerk kann Gl. (7.18) des Turbojet
verwendet werden, wenn für das Turbinentemperaturverhältnis τT nun die Gl. (7.111)
eingesetzt wird:
0 1
2 τ0
Ma9 = · τ 0 · τV · 1 − · [τV − 1 + μ · (τFan − 1)] − 1 (7.118)
κ −1 τλ
Mit πFan = 1 bzw. μ = 0 geht diese Beziehung in die entsprechende Gl. (7.24) für den
Turbojet über.
36 π Fan = 2.0
1 p
= t4
πT pt 5 Ma0 = 0.8
τ λ = 6.0
22
μ = 6.0
15
μ = 2.0
π Fan = 2.0 π Fan = 1.2
8
π Fan = 1.2
1
1 11 21 31 41 πV 51
3.0
Ma9 2.0 1.2
π V = 30.0 =
Ma19 π n =
τ λ = 6.0 Fa
π Fa
n
2.4
1.8
1.2 h
reic Ma9-Bereich
-Be μ = 6.0 Ma9-Bereich
Ma19
μ = 2.0
π Fan = 2.0
0.6 π Fan = 1.2
0.0
0.0 0.6 1.2 1.8 2.4 Ma0 3.0
Abb. 7.29 Austrittsmachzahlen aus der primären und sekundären Schubdüse Ma9 und Ma19 eines
idealen Turbofantriebwerks, aufgetragen über der Flugmachzahl Ma0 , mit dem Bypass-Verhältnis μ
und dem Fandruckverhältnis πFan als Parameter
den Turbojet diskutiert wurden. Ergänzend dazu gibt Abb. 7.28 die Information, dass das
Turbinendruckgefälle beim Turbofan umso größer wird, je größer das Bypassverhältnis μ
und/oder das Fandruckverhältnis πFan gewählt wird. Diese Aussage kann auch anhand der
Kreisprozessdarstellung in Abb. 7.27 nachvollzogen werden.
Abbildung 7.29 stellt die numerische Auswertung der Gln. (7.115) und (7.118) dar. Der
Verlauf der Düsenaustrittsmachzahl aus dem Sekundärkreis Ma19 über der Flugmachzahl
Ma0 ist vergleichbar mit der Darstellung für Ma9 des Turbojet in Abb. 7.6. Interessant ist in
Abb. 7.29 nun aber vielmehr der Verlauf der Austrittsmachzahl Ma9 aus der Primärdüse.
Im Bereich von Flugmachzahlen unterhalb von ca. Ma0 = 1.5 . . . 2.0 steigt die primäre Dü-
542 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
Abb. 7.30 Spezifischer Schub FS eines idealen Turbofantriebwerks, aufgetragen über dem
Verdichterdruckverhältnis πV
senaustrittsmachzahl im Vergleich zur sekundären nur mäßig an, um dann aber bei einer
weiteren Flugmachzahlsteigerung in Richtung null abzufallen. Dieser Abfall tritt umso eher
auf, je größer das Bypassverhältnis μ und/oder das Fandruckverhältnis πFan ist. Dieses Ver-
halten lässt sich anhand von Abb. 7.27 anschaulich erklären. Der Fall Ma9 = 0 bzw. c9 = c0
bedeutet nämlich, dass alle in der Primärströmung zur Verfügung stehende Energie von
der Turbine zum Antrieb von Fan und Primärstromverdichter benötigt wird. Für die Er-
zeugung eines schnellen primären Schubstrahls bleibt keine Energie mehr übrig, vgl. hierzu
auch Kap. 6.8.2.1. Für Ma9 → 0 ist bei gegebenem Bypassverhältnis μ die Flugmachzahl
Ma0 erreicht, bis zu der ein solcher Turbofan praktisch betrieben werden kann. Um Tur-
bofantriebwerke dennoch bei höheren Flugmachzahlen zu betreiben, ist eine Verringerung
des Bypass- und/oder des Fandruckverhältnisses erforderlich, was zeigt, dass der Turbofan
im Bereich höherer Flugmachzahlen mit moderaten Bypassverhältnissen ausgelegt werden
sollte. Vergleiche hierzu auch die Diskussion zum Thema in Kapitel 6.8.2.1.
Eine Aussage, die auch durch Abb. 7.30 unterstrichen wird. Die dort ganz rechts ein-
gezeichneten Kurven enden bei hohen Flugmachzahlen eher als bei kleinen. Jedes dieser
„vorzeitigen“ Kurvenenden bedeutet c9 = c0 . Abbildung 7.30 zeigt ansonsten den spez.
Schub, aufgetragen über dem Verdichterdruckverhältnis. Alle Schubkurven vermitteln –
wie auch schon beim Turbojet in Abb. 7.9 – dass auch beim Turbofan maximale spez.
Schübe in Abhängigkeit des Verdichterdruckverhältnisses existieren. Sind das Bypassver-
hältnis μ oder das Fandruckverhältnis πFan der Parameter, so liegen die Schubmaxima etwa
immer bei demselben Verdichterdruckverhältnis – im vorgegebenen Fall bei πV ≈ 15. Ist
die Flugmachzahl der Parameter, so wandern die Maxima – genau wie beim Turbojet –
mit steigender Flugmachzahl zu kleineren Verdichterdruckverhältnissen hin.
Vergleichbar mit Abb. 7.8 zeigt auch Abb. 7.31, dass der spez. Schubes FS generell mit
steigender Flugmachzahl abnimmt. Aufgrund des höheren angesaugten Luftmassenstroms
7.5 Turbofan mit separaten Schubdüsen 543
200
1.6 π V= 5
100 13
11 9 30
7 53 π Fan=1.2
μ =1 25 20 15 10
0
0 0.6 1.2 1.8 Ma0 3.0 0 0.6 1.2 1.8 Ma0 3.0 0 0.6 1.2 1.8 Ma0 3.0
Abb. 7.31 Spezifischer Schub FS eines idealen Turbofantriebwerks, aufgetragen über der Flugmach-
zahl Ma0
wird der spez. Schub mit steigendem Bypassverhältnis μ kleiner, Abb. 7.31 links. Das Bild
zeigt auch, dass der Turbofan mit hohen Bypassverhältnissen μ offensichtlich auf Berei-
che kleinerer Flugmachzahlen Ma0 beschränkt ist. Die Kurven in der Mitte von Abb. 7.31
vermitteln, dass bei hohen Flugmachzahlen das Fandruckverhältnis in Grenzen zu halten
ist und dass hohe spezifische Schübe höhere Fandruckverhältnisse verlangen. Der rechte
Teil von Abb. 7.31 zeigt schließlich, dass im Unterschallflugfall Ma0 < 1 das Verdichter-
druckverhältnis etwas weniger Einfluss auf den spez. Schub hat als im Überschallflugfall.
Sehr hohe Flugmachzahlen sind nur noch mit kleinen Verdichterdruckverhältnissen zu
erreichen. Die unterschiedlichen Kurvenenden in Abb. 7.31 bedeuten auch hier jeweils das
Erreichen von c9 = c0 .
In Abb. 7.32 ist der spez. Schub über dem Fandruckverhältnis aufgetragen. Die er-
reichbaren spez. Schübe nehmen generell mit steigendem Fandruckverhältnis zu. Kleine
Bypassverhältnisse μ und große Fandruckverhältnisse πFan führen zu den höchsten spez.
Schüben. Besonders interessant an den Darstellungen in Abb. 7.32 ist, dass es für jedes By-
passverhältnis μ offensichtlich ein ganz bestimmtes optimales Fandruckverhältnis (πFan )opt
gibt, bei dem sich der spez. Schub FS maximiert. Dieses Maximum tritt stets kurz vor dem
Ende der jeweiligen Kurvenverläufe auf, die auch hier c9 = c0 bedeuten.
Turbofantriebwerke mit kleineren Bypassverhältnissen benötigen zum Erreichen ho-
her spez. Schübe stets deutlich höhere Fandruckverhältnisse als Triebwerke mit hohen
Bypassverhältnissen.
Dass der spez. Schub – wie in Abb. 7.33 zu sehen ist – generell mit dem Bypassverhältnis
abnimmt, ist damit zu erklären, dass hohe Bypassverhältnisse auch einen hohen, vom
Triebwerk angesaugten Luftmassenstrom bedeuten und der Triebwerksschub demzufolge,
wenn er auf diesen Massenstrom bezogen wird, mit dem Bypassverhältnis abnehmen muss.
544 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
Abb. 7.32 Spezifischer Schub FS eines idealen Turbofantriebwerks, aufgetragen über dem
Fandruckverhältnis πFan
200 2.4
2.0
20 0.5
100 πV = 5 1.6 1.0
π Fan=1.2 2.0 1.5
0
0 4 8 12 μ 20 0 4 8 12 μ 20 0 4 8 12 μ 20
Abb. 7.33 Spezifischer Schub FS eines idealen Turbofantriebwerks, aufgetragen über dem
Bypassverhältnis μ
Die bisher dargestellten Bilder machen deutlich, dass die Vielzahl von Parametern,
die es beim Turbofan gibt (es sind zwei mehr als beim Turbojet: das Bypassverhältnis
μ und das Fandruckverhältnis πFan ), auch eine Vielzahl von Auftragungen und daraus
resultierenden Kreuzauftragungen erlauben. Weitere Möglichkeiten der Auftragung mit
ergänzenden Auslegungsgesichtspunkten sind bei Mattingly (1996) zu finden.
7.5 Turbofan mit separaten Schubdüsen 545
Hier wird als Grundlage auf Gl. (6.33) zurückgegriffen, in die Gl. (7.33) für das
Brennstoff/Luft-Verhältnis β eingesetzt wird:
cp · T0
BS = · (τλ − τ0 · τV ) (7.119)
FS · Hi · (1 + μ)
0
1 11 21 31 π V 51 1 11 21 31 π V 51 1 11 21 31 π V 51
0
0 0.6 1.2 1.8 Ma0 3.0 0 0.6 1.2 1.8 Ma0 3.0 0 0.6 1.2 1.8 Ma0 3.0
0.5
1
17 20 25 30
15
20 Ma0=0.0
0
1.0 1.4 1.8 2.2 π Fan 3.0 1.0 1.4 1.8 2.2 π Fan 3.0 1.0 1.4 1.8 2.2 π Fan 3.0
25
0.5
20
Ma0=0.0
0
0 4 8 12 μ 20 0 4 8 12 μ 20 0 4 8 12 μ 20
sog. optimale Bypassverhältnis μopt bzw. das optimale Fandruckverhältnis πFan,opt ein.
In der gewählten Parameterkombination ergeben sich also hier die jeweils verbrauchs-
günstigsten Turbofantriebwerke mit sehr geringen Austrittsgeschwindigkeiten c9 aus dem
Primärkreis.
548 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
7.5.4 Schubverhältnis
Ein sehr hilfreicher Leistungsparameter bei Turbofantriebwerken ist das sog. Schubverhält-
nis , welches das Verhältnis von spez. Primärkreisschub FSI zu spez. Sekundärkreisschub
FSII darstellt und über die Gln. (6.38) bis (6.41) definiert wurde:
Mittels der Gln. (7.112) und (7.116) können die in Gl. (7.120) auftretenden Geschwindig-
keitsquotienten c9 /c0 und c19 /c0 ermittelt werden.
Φ
π Fan= 1.2
μ=1
6
3
5 π Fan= 1.4 1.0
0.5
4 7
9 1.6 Ma0 = 0.0
1.5
2 1.8
11 2.0
2.0 2.5
0
1 11 21 31 πV 51 1 11 21 31 π V 51 1 11 21 31 π V 51
Abb. 7.38 Schubverhältnis eines idealen Turbofantriebwerks, aufgetragen über dem Verdichter-
druckverhältnis πV
7.5 Turbofan mit separaten Schubdüsen 549
Φ
π Fan= 1.2
6.0 πV = 5
μ= 1 10
4.0 3 1.6 15
5 20
7 2.0 25
2.0 9
11 2.4 30
13 2.8
0.0
0.0 1.0 2.0 3.0 0.0 1.0 2.0 3.0 0.0 1.0 2.0 3.0
Ma0 Ma0 Ma0
Abb. 7.39 Schubverhältnis eines idealen Turbofantriebwerks, aufgetragen über der Flugmachzahl
Ma0
Primärkreises FI , während Ma19 und der zugehörige Schub FII des Sekundärkreises kon-
tinuierlich ansteigen. Alle in Abb. 7.38 eingezeichneten Kurven zeigen, dass – genau wie
beim spez. Schub FS – maximale Schubverhältnisse in Abhängigkeit des Verdichterdruck-
verhältnisses existieren. Wenn das Bypass- oder das Fandruckverhältnis der Parameter ist,
dann liegen alle diese Maxima bei etwa demselben Verdichterdruckverhältnis (im gegebe-
nen Fall bei πV ≈ 15). Ist die Flugmachzahl der Parameter, so wandern die Maxima mit
steigender Flugmachzahl zu kleineren Verdichterdruckverhältnissen hin.
Hohe Schubanteile FII aus dem Sekundärkreis bedeuten kleine Werte beim Schub-
verhältnis . Wir werden später noch sehen, dass Schubverhältnisse von 0.5 und 1.0
hinsichtlich minimaler spez. Brennstoffverbräuche optimale Werte darstellen. Für = 1
ist ein Triebwerk nach optimalem Fandruckverhältnis (Abb. 7.36) und für = 0.5 nach
optimalem Bypassverhältnis (Abb. 7.37) ausgelegt. In diesem Zusammenhang verdeutlicht
der linke Teil von Abb. 7.39, in dem πFan = 1.6 gilt, dass im Bereich der Unterschallflug-
machzahlen optimale Schubverhältnisse nur mit großen Bypassverhältnissen zu erzielen
sind. Die Mitte von Abb. 7.39 zeigt, dass bei dem hier geltenden Bypassverhältnis μ = 5
optimale Schubverhältnisse nur mit vergleichsweise hohen Fandruckverhältnissen zu er-
zielen sind. Im Überschallbereich dagegen wären in dem vorliegenden Fall μ = 5 kleinere
Fandruckverhältnisse zu wählen. Zusammenfassend heißt dies, dass Turbofantriebwerke
im Unterschallflug hohe Bypassverhältnisse, kombiniert mit kleinen Fandruckverhältnis-
sen haben sollten, umso möglichst optimale Schubverhältnisse zu erzielen, die ihrerseits
zu minimalen spez. Brennstoffverbräuchen führen. Im Überschallbereich sind kleinere
Bypassverhältnisse erforderlich. Wobei daran erinnert werden soll, dass Turbofantrieb-
werke mit immer kleiner werdenden Bypassverhältnissen schließlich als Grenzfall den
Turbojet als Lösung implizieren.
550 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
6.0
Ma0 = 0.0
4.0 11 μ= 1 0.5
π V = 20
13 3 25 2.0
2.0 15 5 30 1.5
17 9 7 πV = 5 1.0
19
0.0
1.0 1.4 1.8 2.2 π Fan 3.0 1 .0 1.4 1.8 2.2 π Fan 3.0 1 .0 1.4 1.8 2.2 π Fan 3.0
Abb. 7.40 Schubverhältnis eines idealen Turbofantriebwerks, aufgetragen über dem Fandruck-
verhältnis πFan
Der linke Teil von Abb. 7.40 zeigt, dass zu optimalen Schubverhältnissen, die ent-
weder = 0.5 oder = 1.0 bedeuten, große Bypass- und kleine Fandruckverhältnisse
gehören. Aufgrund des steilen Kurvenverlaufs bewirken bereits geringe Variationen im
Fandruckverhältnis große Veränderungen im Schubverhältnis. Verbrauchsgünstige zi-
vile Turbofantriebwerke, die im Unterschallbereich fliegen, werden also generell kleine
Fandruck- und hohe Bypassverhältnisse aufweisen. Diese Eigenschaft wird durch prakti-
sche ausgeführte Turbofantriebwerke bestätigt (vgl. Kap. 18.11–18.12), deren Fandruck-
und Bypassverhältnisse bei πFan ≈ 1.7 und μ ≈ 6 . . . 8 liegen, mit Verdichterdruckverhält-
nissen um πV ≈ 40. Der mittlere Teil von Abb. 7.40 zeigt – wie bereits auch schon Abb. 7.38
– den relativ geringen Einfluss des Verdichterdruckverhältnisses auf die Ergebnisse für das
Schubverhältnis. Der rechte Teil von Abb. 7.40 macht klar, dass für das hier vorgegebene
Bypassverhältnis μ = 5 supersonische Flugmachzahlen nur mit kleineren Fandruckver-
hältnissen und subsonische Flugmachzahlen nur mit großen Fandruckverhältnissen zu
erzielen sind.
Der mittlere und rechte Teil von Abb. 7.41 zeigen zusammenfassend sehr anschaulich
die folgenden beiden Aussagen:
6.0
π Fan = 1.6 Ma0 = 0.0
4.0 2.0 0.5
10
25 2.4
2.0 2.8 1.5
πV = 5 3.2 2.0 1.0
0.0
0 4 8 12 μ 20 0 4 8 12 μ 20 0 4 8 10 μ 30
Abb. 7.41 Schubverhältnis eines idealen Turbofantriebwerks, aufgetragen über dem Bypassver-
hältnis μ
Zur Herleitung des thermischen Wirkungsgrades des idealen Turbofan wird auf die
Definitionsgleichung (6.115) zurückgegriffen:
|PN | |PN | /ṁI |PN | /ṁI
ηth := = = (7.121)
Q̇B Q̇B /ṁI qB
Für qB wird Gl. (6.20) eingesetzt. Die Nutzleistung |PN | entspricht nach Gl. (6.105)
der Änderung der kinetischen Energien zwischen Triebwerksaus- und Triebwerkseintritt.
Beim Turbojet galt dies lediglich für den Primärstrom. Beim Turbofan sind dagegen die
Änderungen aus Primär- und Sekundärstrom zu berücksichtigen:
ṁI 2 ṁII 2
|PN | = · c9 − c02 + · c19 − c02 (7.122)
2 2
Für den thermischen Wirkungsgrad ergibt sich damit:
ṁII 2
c92 − c02 + · c19 − c02 2 2
ṁI c9 − c02 + μ · c19 − c02
ηth = = (7.123)
2 · β · Hi 2 · β · Hi
Vergleiche hierzu auch das Ergebnis in Gl. (6.119), wo auch α und β berücksichtigt wurden.
Das Ausklammern von c0 führt dann schließlich auf den Ausdruck:
2
2
c02 c9 c19
ηth = · − 1 + μ · − 1 (7.124)
2 · β · Hi c02 c02
Wird in diese Beziehung für den Quotienten (c9 /c0 )2 die Gl. (7.112), für den Quotien-
ten (c19 /c0 )2 die Gl. (7.116) und für β die Gl. (7.33) eingesetzt, so ergibt sich durch
552 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
c9 c19
−1 +μ· −1
c0 c0
ηP = 2 · 2
2
(7.128)
c9 c19
−1 +μ· −1
c02 c02
Vergleiche hierzu auch das Ergebnis in Gl. (6.140), wo auch α und β berücksichtigt wurden.
Die quadratischen Ausdrücke im Nenner werden mittels binomischer Formeln
umgewandelt und abschließend das Schubverhältnis nach Gl. (7.120) eingesetzt:
μ
1+
ηP = 2 ·
(7.129)
c9 μ c19
+1 + · +1
c0 c0
Mittels der Gln. (7.112) und (7.116) können die in Gl. (7.129) auftretenden Geschwindig-
keitsquotienten c9 /c0 und c19 /c0 ermittelt werden.
7.5 Turbofan mit separaten Schubdüsen 553
Abb. 7.42 Wirkungsgrade ηth , ηP und ηges eines idealen Turbofantriebwerks, aufgetragen über dem
Verdichterdruckverhältnis πV
Abb. 7.43 Wirkungsgrade ηth , ηP und ηges eines idealen Turbofantriebwerks, aufgetragen über der
Flugmachzahl Ma0
ηP π V = 5 ... 30
1
20 2.0
9
ηges 7 5 1.0
1.5
0.6 μ=3
0.5
μ=1 1.0
0.4 5 3 0.5
πV
μ=1
5
0.2 Ma0 = 0.1
10
30 0.1
0.0
1.0 1.4 1.8 2.2 π Fan 3.0 1.0 1.4 1.8 2.2 π Fan 3.0 1.0 1.4 1.8 2.2 π Fan 3.0
Abb. 7.44 Wirkungsgrade ηth , ηP und ηges eines idealen Turbofantriebwerks, aufgetragen über dem
Fandruckverhältnis πFan
Abb. 7.45 Wirkungsgrade ηth , ηP und ηges eines idealen Turbofantriebwerks, aufgetragen über dem
Bypassverhältnis μ
hat. Somit ergibt sich also hinsichtlich des Brennstoffverbrauches und der Wirkungsgra-
de ein jeweils optimales Bypassverhältnis. Dieses verschiebt sich mit größer werdenden
Fandruckverhältnissen zu kleineren Bypassverhältnissen hin.
Beispiel 7.5
Es sind in den verschiedenen Bezugsebenen die Basisdaten (Drücke, Temperaturen,
Geschwindigkeiten und Machzahlen) eines idealen Turbofantriebwerks zu berechnen,
ebenso der spezifische Schub, der spezifische Brennstoffverbrauch, das Schubverhältnis
und die verschiedenen Wirkungsgrade. Das Triebwerk wird bei einer Flugmach-
zahl von Ma0 = 0.8 in einer Flughöhe von H0 = 11 km betrieben (p0 = 226.32 hPa,
T0 = 216.65 K). Das gesamte Verdichterdruckverhältnis beträgt πV = 30, das
Druckverhältnis des Niederdruckverdichters ist πNDV = 2.2, das Fandruckverhältnis
πFan = 1.6, das Bypass-Verhältnis μ = 5 und die Turbineneintrittstemperatur
Tt4 = 1 300 K. Für die durch das Triebwerk strömende Luft gilt: κ = 1.4,
cp = 1 004.5 Nm/(kg · K), Ri = 287 Nm/(kg · K) und Hi = 4.31 · 107 Nm/kg. Den zu-
gehörigen Kreisprozess (Vergleichsprozess) zeigt die Abb. 7.27.
Zuströmung:
√ √
a0 = κ · Ri · T0 = 1.4 · 287 · 216.65 = 295.04 m/s
c0 = Ma0 · a0 = 0.8 · 295.04 = 236.03 m/s
κ −1
τ0 = 1 + · Ma20 = 1 + 0.2 · 0.64 = 1.128
2
Tt0 = T0 · τ0 = 216.65 · 1.128 = 244.38 K
κ
∧
pt0 = p0 · τ0κ−1 = 22 632.35 · 1.1283.5 = 34 499.41 Pa = 0.345 bar
556 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
κ −1
Tt9 = T9 · 1 + · Ma29 = 436.1 · (1 + 0.2 · 1.8132 ) = 722.86 K
2
p9 22 632.35
ρ9 = = = 0.1808 kg/m3
R · T9 287.2 · 436.1
$ $
$qab $ = cp · (T9 − T0 ) = 1004.5 · (436.1 − 216.65) = 220 417.5 W/(kg/s)
558 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
sekundäre Schubdüse:
2 √
Ma19 = · (τ0 · τFan − 1) = 5 · (1.128 · 1.1437 − 1) = 1.2044
κ −1
∧
pt19 = pt13 = 55 199.05 Pa = 0.552 bar und Tt19 = Tt13 = 279.5 K
∧
p19 = p0 = 22 632.25 Pa = 0.226 bar und T19 = T0 = 216.65 K
p19
ρ19 = = ρ0 = 0.364 kg/m3
Ri · T19
√
a19 = κ · Ri · T19 = a0 = 295.04 m/s
c9 − c0 759.04 − 236.03
= = = 4.3834
c19 − c0 355.35 − 236.03
$ $
$qab $ 220 417.453
ηth = 1 − =1− = 0.6645
qzu 657 036.875
μ 5
2· 1+ 2 · 1 +
4.3834
ηP =
= = 0.6052
c9 μ c9II 5
+1 + · +1 (3.2158 + 1) + · (1.5055 + 1)
c0 c0 4.3834
ηges = ηth · ηP = 0.6645 · 0.6052 = 0.4022
7.5 Turbofan mit separaten Schubdüsen 559
Für einen gegebenen Flugzustand mit einer Flugmachzahl Ma0 in einer Flughöhe H0
und einer begrenzenden Angabe zur maximal zulässigen Turbineneintrittstemperatur Tt4
verbleiben drei – mehr oder weniger frei kombinierbare – Auslegungsparameter: das
Verdichterdruckverhältnis πV , das Fandruckverhältnis πFan und das Bypassverhältnis μ.
Die Abb. 7.30 und 7.34 zeigten, dass es durch Steigerung des Verdichterdruckverhält-
nisses πV gelingt, den spez. Schub FS anzuheben, bei gleichzeitiger Absenkung des spez.
Brennstoffverbrauchs BS . Für den spez. Schub FS gelingt dies mit den hier vorgegebenen
Zahlenwerten aber nur bis hin zu Verdichterdruckverhältnissen von πV ≈ 15, ab dann
nimmt FS mit steigendem Verdichterdruckverhältnis πV wieder ab, während der spez.
Brennstoffverbrauch BS weiter absinkt.
Ein Vergleich der Abb. 7.32 und 7.36 zeigt, dass in Abhängigkeit des Fandruckver-
hältnisses πFan der spez. Schubes FS ein Maximum und der spez. Brennstoffverbrauch BS
ein Minimum aufweisen. Dieses Fandruckverhältnis stellt für Turbofantriebwerke einen
Bestwert dar, das sog. optimale Fandruckverhältnis (πFan )opt .
Eine ähnlich herausgehobene Position hat die Auftragung des spez. Brennstoffver-
brauchs BS über dem Bypassverhältnis μ. Abbildung 7.37 zeigt hier, dass es bei ansonsten
fixierten Auslegungsparametern immer ein Bypassverhältnis gibt, bei dem sich der spez.
Brennstoffverbrauch minimiert, bei dem sog. optimalen Bypassverhältnis μopt .
Diese beiden Optimalwerte sollen im Folgenden näher untersucht werden, wobei mit
dem optimalen Bypassverhältnis begonnen wird.
Wird dieser Ausdruck nach μ abgeleitet und gleich null gesetzt, so ergibt sich das gesuchte
Maximum. Dazu wird auf Gl. (7.105) zurückgegriffen:
c9 c19
FS · (1 + μ) = Ma0 · a0 · (μ) − 1 + μ · −1 (7.130)
c0 c0
Nach Gl. (7.112) ist das Geschwindigkeitsverhältnis des Primärkreises c9 /c0 eine Funkti-
on des Bypassverhältnisses μ, während das des Sekundärkreises c19 /c0 entsprechend Gl.
(7.116) unabhängig von μ ist. Durch Umstellen wird daraus:
FS · (1 + μ) c9 c19
= Ma0 · (μ) − Ma0 + μ · Ma0 · − μ · Ma0 (7.131)
a0 c0 c0
560 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
Dieser Ausdruck wird nun nach μ abgeleitet und das Ergebnis zu null gesetzt:
∂ FS · (1 + μ) ∂ c9 c19
:= 0 = Ma0 · (μ) + Ma0 · − Ma0
∂μ a0 ∂μ c0 c0
Die Weiterverarbeitung der rechten Gleichungsseite ergibt:
∂ c9 c19
− Ma0 · (μ) = Ma0 · − Ma0 (7.132)
∂μ c0 c0
∂ c9 c9 c19
− Ma0 · (μ) = 2 · Ma0 · · Ma0 · − Ma0 (7.133)
∂μ c0 c0 c0
Von diesem Ausdruck wird nun die linke Gleichungsseite weiter bearbeitet. Dazu wird
Gl. (7.106) herangezogen und diese auf beiden Seiten durch die Schallgeschwindigkeit a0
dividiert. Durch Umstellen des sich so ergebenden Ausdrucks folgt dann:
2
c9 2 2 · τλ
Ma0 · (μ) = · τ λ · τT − (7.134)
c0 κ −1 (κ − 1) · τ0 · τV
Aus Gl. (7.111) ist zu sehen, dass im obigen Ausdruck nur das Turbinentemperaturver-
hältnis τT abhängig vom Bypassverhältnis μ ist. Die Ableitung nach μ ergibt dann das
folgende Resultat:
2
∂ c9 2 ∂τT
Ma0 · (μ) = · τλ · (7.135)
∂μ c0 κ −1 ∂μ
Gleichung (7.111) wird nun nach dem Bypassverhältnis μ abgeleitet:
∂τT ∂ τ0 τ0 τ0
= 1− · τV + − · μ · (τFan − 1)
∂μ ∂μ τλ τλ τλ
∂τT τ0
= − · (τFan − 1) (7.136)
∂μ τλ
Die Kombination der Gln. (7.135) und (7.136) ergibt:
2
∂ c9 2
− Ma0 · (μ) = · τ0 · (τFan − 1) (7.137)
∂μ c0 κ −1
Die rechte Seite dieses Ausdrucks wird mittels Gl. (7.115) umgeformt:
2 2
Ma219 − · (τ0 − 1) = · τ0 · (τFan − 1) (7.138)
κ −1 κ −1
∂ 2 ∂ c9 ∂ c19
4
x (μ) = 2 · x(μ) · x(μ) mit x(μ) = Ma0 · und x(μ) = − Ma0 · − Ma0
∂μ ∂μ c0 ∂μ c0
7.5 Turbofan mit separaten Schubdüsen 561
c19 c9
−1 =2· −1 (7.144)
c0 c0
Die Verwendung des Schubverhältnisses nach Gl. (7.120) führt mit diesem Ausdruck
im Falle des optimalen Bypassverhältnisses zu dem einfachen Ergebnis:
Für minimalen spez. Brennstoffverbrauch bei optimalem Bypassverhältnis μopt ist der
Schub des Sekundärkreises genau um den Faktor 2 · μ größer als der Schub des Primär-
kreises, FII = 2 · μ · FI . Bei einem Triebwerk mit einem Nebenstromverhältnis μ = 8 wäre
also der Schub des Sekundärkreises 16-mal so groß, wie der des Primärkreises. Von der
Tendenz her ist dies in gutem Einklang mit heutigen Turbofantriebwerken, bei denen der
Sekundärkreis den Hauptanteil am Gesamtschub produziert.
Zur direkten Berechnung des optimalen Bypassverhältnisses μopt werden die Gln.
(7.106) und (7.116) in Gl. (7.144) eingesetzt:
2
2 1 1 2
· τ λ · τT − = · · τ0 · τFan − 1 + Ma0 (7.146)
κ −1 τ0 · τ v 4 κ −1
562 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
Der spez. Brennstoffverbrauch bei optimalem Bypassverhältnis wird aus Gl. (6.33)
bestimmt, wenn dort für den spez. Schub Gl. (7.149) eingesetzt wird. Das Brennstoff/Luft-
Verhältnis β ist unabhängig vom Bypassverhältnis und kann unverändert übernommen
werden:
−1
2·β 2
(BS )μopt = · · τ0 · τFan − 1 − Ma0 (7.150)
a0 · 1 + 2 · μopt κ −1
Aus Gl. (7.129) wird schließlich noch eine Beziehung für den Vortriebswirkungsgrad
bei optimalem Bypassverhältnis abgeleitet, indem dort μ = μopt gesetzt wird. Für das
Schubverhältnis wird = 0.5 gesetzt und der Ausdruck [(c19 /c0 ) – 1] durch Gl. (7.144)
ersetzt:
2 · (1 + 2 · μopt )
(ηP )μopt = c9 (7.151)
1 + · (1 + 4 · μopt )
c0
Die Kombination der Gln. (7.105) und (7.144) ergibt einen Ausdruck für c9 /c0 :
c9 (FS )μopt 1 + μopt
= · +1 (7.152)
c0 c0 1 + 2 · μopt
Das Einsetzen dieses Ausdrucks in Gl. (7.151) ergibt dann schließlich:
2 · (1 + 2 · μopt )
(ηP )μopt =
(7.153)
(FS )μopt 1 + μopt
1+ · + 1 · (1 + 4 · μopt )
c0 1 + 2 · μopt
7.5 Turbofan mit separaten Schubdüsen 563
600 120
PW TF30-P-111 BS
(FS )μ opt FS
(BS) μ opt
⎡ N ⎤ F101-GE-102 ⎡ kg/h ⎤
⎢ ⎥ ⎢ ⎥
⎢ kg/s ⎥ D5 ⎢⎣ kN ⎥⎦
⎣ ⎦ 28- 0
5 10
V2 52 C F- -1 72
360 E 40 -
IA 108 - GE
9
PW F 3
M TF
CF G E
240 48
Ma 0 = 0.0
T0 = 288.15 K
μ = 4.5
120 π V = 26.0 24
π Fan = 1.8
τ λ = 6.0
0 0
0 2 4 6 8 μ opt 10
Abb. 7.46 Spezifischer Schub FS und spezifischer Brennstoffverbrauch BS des idealen Turbofan mit
optimalem Bypassverhältnis μopt im Vergleich mit real ausgeführten Turbofantriebwerken
12.0
8.0
κ
⎛ τ ⎟⎞κ −1
⎜
4.0 (π )
V opt
μopt
= ⎜⎜ λ ⎟⎟⎟
⎜⎜⎝ τ 0 ⎟⎠
0.0
1 11 21 πV 41 1 2 π Fan 3 0 1 2 Ma 3
0
Abb. 7.47 Optimales Bypassverhältnis μopt des idealen Turbofan, aufgetragen über dem Verdich-
terdruckverhältnis πV , dem Fandruckverhältnis πFan und der Flugmachzahl Ma0
Dieser Ausdruck ist identisch mit Gl. (7.60), die beim Turbojet zur Berechnung des opti-
malen Verdichterdruckverhältnisses πVopt bei maximalem spez. Schub benutzt wird. Eine
Beziehung für das zu Gl. (7.154) zugehörige optimale Bypassverhältnis (μopt )πVopt wird
dadurch ermittelt, indem Gl. (7.154) in Gl. (7.148) eingesetzt wird:
7.5 Turbofan mit separaten Schubdüsen 565
⎛ 2 ⎞
τλ ⎝ 2 1 κ −1
1+ 1− √ − τ0 τFan − 1 + Ma0 ⎠
τ0 τλ 4τλ 2
(μopt )πVopt = (7.155)
τFan − 1
In Abb. 7.47 zeigt das optimale Bypassverhältnis μopt in Abhängigkeit des Fandruck-
verhältnisses πFan generell eine abnehmende Tendenz, genau wie in Abhängigkeit der
Flugmachzahl Ma0 . Kleine Fandruckverhältnisse bis etwa πFan ≈ 1.85 können in der Praxis
immer durch eine einzige Fanstufe (Rotor und anschließender Stator) realisiert werden,
erfordern aber – wie der mittlere Teil von Abb. 7.47 zeigt – höhere bis hohe Bypassverhält-
nisse. Höhe Fandruckverhältnisse von πFan > 2 erfordern immer eine höhere Anzahl von
Fanstufen. Darüber hinaus zeigt der rechte Teil von Abb. 7.47 sehr anschaulich, dass für
hohe Flugmachzahlen das optimale Bypassverhältnis gegen null strebt, was bedeutet, dass
der Turbojet bei hohen Machzahlen der Grenzfall des Turbofan mit optimalem Bypassver-
hältnis ist. Hinsichtlich eines günstigen spez. Brennstoffverbrauchs ist somit im höheren
Überschallflugbereich der Turbojet die bessere Lösung.
BS = β · [FS · (1 + μ)]−1
In dieser Beziehung ist der spez. Schub FS abhängig und das Brennstoff/Luft-Verhältnis β
unabhängig vom Fandruckverhältnis πFan . Um hieraus das Minimum von BS in Abhängig-
keit von πFan bzw. τFan zu finden, und um so schließlich das optimale Fandruckverhältnis
angeben zu können, wird die obige Beziehung nach τFan abgeleitet und das Ergebnis zu
null gesetzt:
∂BS ∂
= −β · [FS · (1 + μ)]−2 · [FS · (1 + μ)] := 0
∂τFan ∂τFan
Es ist leicht zu erkennen, dass diese Gleichung z. B. dann erfüllt wird, wenn gilt:
∂ ∂ FS · (1 + μ)
[FS · (1 + μ)] = 0 bzw. =0
∂τFan ∂τFan c0
Wobei der rechte Ausdruck lediglich eine Variation des linken Ausdrucks ist, erweitert um
die Konstante c0 . So kann auf Gl. (7.105) in der folgenden Form zurückgegriffen werden:
FS · (1 + μ) c9 c19
= −1 +μ −1 (7.156)
c0 c0 c0
566 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
Die hierin auftretenden Geschwindigkeitsverhältnisse c9 /c0 und c19 /c0 sind beide vom
Fantemperaturverhältnis τFan abhängig, was bei der folgenden Ableitung von Gl. (7.156)
zu berücksichtigen ist:
∂ FS (1 + μ) ∂ c9 c19
:= 0 = −1+μ −μ
∂τFan c0 ∂τFan c0 c0
∂ c9 ∂ c19
:= 0 = +μ (7.157)
∂τFan c0 ∂τFan c0
Um die Ableitung der Geschwindigkeitsverhältnisse c9 /c0 und c19 /c0 in Gl. (7.157) einfacher
zu gestalten, wird von der Kettenregel der Differenzialrechnung in der folgenden Form
Gebrauch gemacht, Bronstein und Semendjajew (1977):
∂ c9 1 ∂ c9 2
= · (7.158)
∂τFan c0 2 · (c9 /c0 ) ∂τFan c0
∂ c19 μ ∂ c19 2
μ· = · (7.159)
∂τFan c0 2 · (c19 /c0 ) ∂τFan c0
Unter Verwendung von Gl. (7.112) wird die Lösung der Gl. (7.158) ermittelt:
2 0 1
c9 τλ τ0 1
= · 1− · [τV − 1 + μ(τFan − 1)] −
c0 τ0 − 1 τλ τ0 · τ V
τλ τ 0 · τV τ0 τ0 · μ · τFan τ0 · μ τλ · (τ0 · τV )−1
= − + − + −
τ0 − 1 τ0 − 1 τ0 − 1 τ0 − 1 τ0 − 1 τ0 − 1
2
∂ c9 τ0
⇒ = −μ · (7.160)
∂τFan c0 τ0 − 1
Unter Verwendung von Gl. (7.116) wird die Lösung der Gl. (7.159) ermittelt:
2
c19 μ τ0 · τFan μ
μ· = · [τ0 · τFan − 1] = μ · −
c0 τ0 − 1 τ0 − 1 τ0 − 1
2
∂ c19 τ0
⇒ μ· =μ· (7.161)
∂τFan c0 τ0 − 1
Die Gln. (7.160) und (7.161) werden nun unter Beachtung der Gln. (7.158) und (7.159) in
Gl. (7.157) eingesetzt:
μ τ0 μ τ0
0= · − · (7.162)
2 · (c19 /c0 ) τ0 − 1 2 · (c9 /c0 ) τ0 − 1
7.5 Turbofan mit separaten Schubdüsen 567
Es ist nun leicht zu erkennen, dass sich hieraus die folgenden Eigenschaften für einen
Turbofan mit optimalem Fandruckverhältnis ergeben:
c9 − c0 FI
c9 = c19 ⇒ ()πFanopt = =μ· = 1.0 (7.163)
c19 − c0 FII
Bei optimalem Fandruckverhältnis sind die Austrittsgeschwindigkeiten aus Primär- und
Sekundärkreis gleich groß und der Schub des Sekundärkreises ist genau um den Faktor μ
größer als der Schub des Primärkreises, FII = μ · FI .
Aus Gl. (7.163) folgt (c9 /c0 )2 = (c19 /c0 )2 , sodass sich aus den Ausgangsgleichungen, die
oberhalb der Gln. (7.160) und (7.161) stehen, der folgende Ausdruck ergibt:
τλ
τλ − τ0 · (τV − 1 + μ · (τFan − 1)) − = τ0 · τFan − 1
τ0 · τ V
Wird diese Gleichung nach dem Fandruckverhältnis aufgelöst, so ist das Ergebnis das
optimale Fandruckverhältnis πFan, opt :
⎡ τλ ⎤ κ−1
κ
τλ − τ0 · τV − (1 + μ) − +1
⎢ τ0 · τ V ⎥
πFanopt = ⎣ ⎦ (7.164)
τ0 · (1 + μ)
Für μ = 0 und πFan,opt = 1 werden in dieser Gleichung die Randbedingungen für den
Turbojet geschaffen und es ergibt sich eine quadratische Gleichung für das Verdichter-
druckverhältnis πV , deren beide Lösungen wie folgt lauten:
κ κ
πV = [1/τ0 ] κ−1 πV = [τλ /τ0 ] κ−1 (7.165)
Diese beiden Resultate entsprechen den Gln. (7.59) für den Turbojet, an den Stellen, an
denen die spez. Nutzarbeit dessen Kreisprozesses zu null wird. Der Übergang vom Tur-
bofan zum Turbojet – unter der Randbedingung minimalen spez. Brennstoffverbrauchs –
zeigt also, wie die Kurven in Abb. 7.10 und 7.16 bereits vermuten ließen, dass beim idealen
Turbojet kein Minimum im spez. Brennstoffverbrauch existiert.
Wegen c19 = c9 ergibt sich aus Gln. (7.105) FS = c19 – c0 . Zusammen mit Gl. (7.114)
wird daraus:
2
(FS )πFanopt = a0 · · τ0 · τFanopt − 1 − Ma0 (7.166)
κ −1
Mit = 1 und c19 = c9 ergibt sich der Vortriebswirkungsgrad aus Gl. (7.129) zu:
2
(ηP )πFanopt = (7.168)
(FS )πFanopt
2+
c0
568 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
⎡ N ⎤ 250 125 ⎡ kg / h ⎤
⎢ ⎥ ⎢ ⎥
⎢ kg/s ⎥ ⎢⎣ kN ⎥⎦
⎣ ⎦ 200 100
150 75
100 50
50 25
0 0
1 2 3 4 π Fanopt 5
Abb. 7.48 Spezifischer Schub FS und spezifischer Brennstoffverbrauch BS des idealen Turbofan mit
optimalem Fandruckverhältnis πFan
Der mittlere und rechte Teil von Abb. 7.50 zeigen, dass sowohl mit dem Bypassverhält-
nis μ als auch mit der Flugmachzahl Ma0 das optimale Fandruckverhältnis abnimmt. Zu
7.5 Turbofan mit separaten Schubdüsen 569
⎡ N ⎤ ⎡ kg/h ⎤
⎢ ⎥ 600 ⎢ ⎥
⎢ kg/s ⎥ 60 ⎢⎣ kN ⎥⎦
⎣ ⎦
400 40
200 20
0 0
0 5 10 15 20 μ 25
Abb. 7.49 Spezifischer Schub FS und spezifischer Brennstoffverbrauch BS des idealen Turbofan mit
optimalem Fandruckverhältnis πFan , aufgetragen über dem Bypassverhältnis μ
2.0
κ
⎛ τ ⎞⎟κ −1
⎜
1.5 (π )V opt
πFan opt
= ⎜⎜ λ ⎟⎟⎟
⎜⎜⎝ τ 0 ⎠⎟
1.0
1 11 21 πV 41 0 5 10 15 μ 25 0 1 2 Ma0 3
Abb. 7.50 Optimales Fandruckverhältnis πFan,opt des idealen Turbofan, aufgetragen über dem
Verdichterdruckverhältnis πV , über dem Bypassverhältnis μ und über der Flugmachzahl Ma0
1000 100
Ma 0 = 0.0 BS
(FS )π Fan opt T0 = 288.15 K FS (BS )π Fan opt
⎡ N ⎤ μ = 4.5 ⎡ kg/h ⎤
⎢ ⎥ PW TF30-P-111 π V = 26.0 ⎢ ⎥
⎢ kg/s ⎥ ⎢⎣ kN ⎥⎦
⎣ ⎦ General Dynamics π Fan = 1.8 er
F-111 Aardvark nk
τ λ = 6.0 ta
600 00 to 60
F -1 Stra
F101-GE-102 -C R
Rockwell B-1 Lancer 108 135
F C -
400 CFM K 40
ER
- 30 -D5 2
90 8 5
D- 252 40 22 1
200 M V W - 3 E- ed xy 20
s E P 767 -G khe ala
u gla IA g
9
3 c G
Do ein TF Lo -5A
Bo GE C
0 0
0 2 4 6 8 μ 10
Abb. 7.51 Spezifischer Schub FS und spezifischer Brennstoffverbrauch BS des idealen Turbofan mit
optimalem Fandruckverhältnis πFan,opt im Vergleich mit real ausgeführten Turbofantriebwerken
FS = 500 N/(kg/s)
μopt (π Fan ) bzw. Φ = 0.5
4
Φ = 0.0
450
400 Ma 0 = 0.80
3 T0 = 216.65 K
350
325 πV = 30.0
300 τλ = 6.0
275
2 250
225
200
175 150 125
100
1
0 2 4 6 8 μ 10
Abb. 7.52 Fandruckverhältnis πFan des idealen Turbofan, aufgetragen über dem Bypassverhältnis
μ. Parameter sind die Isolinien konstanten spezifischen Schubes FS
3 kg/h
BS = 50
kN
48
Ma 0 = 0.80 46
2 44
T0 = 216.65 K 42 40
πV = 30.0
τλ = 6.0
1
0 2 4 6 8 μ 10
Abb. 7.53 Fandruckverhältnis πFan des idealen Turbofan, aufgetragen über dem Bypassverhältnis
μ. Parameter sind die Isolinien konstanten spezifischen Brennstoffverbrauchs BS
572 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
K3 K23
X1,2 = ± − K4 für Bild 7-53
2 · K1 4 · K21
2 K3 β
K3 = · τ0 · τFan − 1 K4 = · + Ma0 − K2
κ −1 K1 BS · a 0
K3 FS
K5 = · + Ma0 − K2
K1 − FaS 0
a0
Mit den aufgelisteten Gleichungen können in einem πFan -μ-Diagramm die Isolinien für
den spez. Schub FS und den spez. Brennstoffverbrauch BS dargestellt werden. Dazu sind
die obigen Gleichungen für vorgegebene Werte von FS = const bzw. BS = const in Ab-
hängigkeit des Fandruckverhältnisses πFan auszuwerten. Die beiden Bilder zeigen, dass
(πFan )opt dasjenige Fandruckverhältnis ist, das bei gegebenem Bypassverhältnis μ den ma-
ximalen spez. Schub FSmax und den minimalen spez. Brennstoffverbrauch BSmin liefert. Mit
steigendem Bypassverhältnis μ nähern sich die beiden optimalen Lösungen zunehmend
einander an. Abbildung 7.53 zeigt, dass μopt dasjenige Bypassverhältnis μ ist, das bei gege-
benem Fandruckverhältnis πFan den minimalen spez. Brennstoffverbrauch BSmin liefert. In
Abb. 7.53 ist die μopt -Kurve die Verbindungslinie aller Berührungspunkte der horizontalen
Tangenten an die Kurven BS = const und die (πFan )opt -Kurve die Verbindungslinie aller
Berührungspunkte der vertikalen Tangenten an die Kurven BS = const. Letztere Aussage
gilt ebenfalls für Abb. 7.52.
Beispiel 7.6
Hoch-Bypass-Turbofan (Propfan). Bei Grieb und Eckardt (1986) sind die folgenden Da-
ten für das Propfan-Konzept CRISP (Counter Rotating Integrated Shrouded Propfan)
der Firma MTU Aero Enginesbeschrieben (nicht alle Daten davon werden in der
folgenden Rechnung benötigt):
7.5 Turbofan mit separaten Schubdüsen 573
⎡ 6.9991 ⎤3.5
6.9991 − 1.1155 · (2.8273 − 27.1) − +1
⎢ 1.1155 · 2.8273 ⎥
πFanopt = ⎣ ⎦ = 1.3385
1.1155 · 27.1
κ−1
τFanopt = πFan κ
opt
= 1.33850.285714 = 1.0869
2
(FS )πFan,opt = a0 · · τ0 · τFanopt − 1 − Ma0
κ −1
(FS )πFan,opt = 296.3671 · 5 · (1.1155 · 1.0869 − 1) − 0.76 = 80.1922 N/(kg/s)
β 0.0196
(BS )πFan,opt = = · 3.6 · 106 = 32.4522 (kg/h)/kN
(FS )πFan,opt · (1 + μ) 80.1922 · 27.1
574 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
Mit den gegebenen Daten ist sowohl der allgemeine spezifische Schub FS als auch der
allgemeine spezifische Brennstoffverbrauch BS zu berechnen.
⎡ ⎤
2 τλ
⎢ · τλ − τ0 · τV − 1 + μ · τFan − 1 − +⎥
a0 ⎢ κ −1 τ0 · τ V ⎥
FS = ·⎢⎢
⎥
⎥
1+μ ⎣ ⎦
2
+μ · · τ0 · τFan − 1 − Ma0 · (1 + μ)
κ −1
a0 296.3671
= = 10.9361 Ma0 · (1 + μ) = 0.76 · 27.1 = 20.5960
1+μ 27.1
2
μ· · τ0 · τFan − 1 = 26.1 · 5 · (1.1155 · 1.0658 − 1) = 25.3692
κ −1
2 τλ
· τλ − τ0 · τV − 1 + μ · τFan − 1 − =
κ −1 τ0 · τ V
6.9991
= 5 · 6.9991 − 1.1155 · [1.8273 + 26.1 · 0.0658] − = 2.0308
1.1155 · 2.8273
FS = 10.9361 · [2.0308 + 25.3692 − 20.5960] = 74.4088 N/(kg/s)
β 0.0196
BS = = · 3.6 · 106 = 34.9746 (kg/h)/kN
FS · (1 + μ) 74.4088 · 27.1
1 1
= 5 · 6.9991 · 0.4349 − = 2.6721
0.76 1.1155 · 2.8273
c19 1 2 1
= · · (τ0 · τFan − 1) = · 5 · (1.1155 · 1.0658 − 1) = 1.2789
c0 Ma0 κ −1 0.76
c9 = 2.6721 · 225.2390 = 601.8658 m/s
c19 = 1.2789 · 225.2390 = 288.0685 m/s
7.5 Turbofan mit separaten Schubdüsen 575
μ 26.1
2· 1+ 2· 1+
5.9944
ηP =
= = 0.7877
c9 μ c19 26.1
+1 + · +1 3.6721 + · 2.2789
c0 c0 5.9944
2
c02 c92 c19
ηth = · −1 +μ· −1
2 · β · Hi c02 c02
1 1
=1− =1− = 0.6829
τ0 · τV 1.1155 · 2.8273
κ −1
Tt0 = Tt2 = T0 · 1 + · Ma20 = 218.60 · (1 + 0.2 · 0.5776) = 243.8527 K
2
Tt13 = Tt2 · τFan = 243.8527 · 1.0658 = 259.9059 K
Tt3 = Tt2 · τV = 243.8527 · 2.8273 = 689.4364 K
Tt5 = Tt4 · τT = 1530.00 · 0.4349 = 665.4279 K
Tt4 T9
s = cp · ln = cp · ln =
Tt3 T0
1530 485.1179
s = 1 004.5 · ln = 1 004.5 · ln = 800.7357 Nm/(kg · K)
689.4364 218.60
1600
Tt4
T
1200
=p
t4
p t3
1000
800
Tt3 Tt5 =Tt9 p t5 = p t9
600
400
pt13 p0 = p9
200 s
pt2 Δs = 800 Nm/(kgK)
Abbildung 7.54 zeigt Triebwerke mit integraler Schubdüse (z. B. IAE-V2500). Obwohl
diese Triebwerke nur eine einzige Schubdüse haben, sind sie als ideale Turbofans mit
separaten Schubdüsen zu betrachten, für welche die Gleichungen des vorangegangenen
Kapitels gelten. Bei dieser Art der Strahlführung wird der kühlere Fanstrahl um den heißen
Kerntriebwerksstrahl zum Zwecke der Lärmminderung herumgelegt. Eine Vermischung
der beiden Strahlen findet dabei nur in sehr geringem Umfang statt. Ähnliche Anord-
nungen der Schubdüsen waren/sind z. B. beim Zentraltriebwerk PW JT8D-17 der Boeing
B727 − 200 oder beim Triebwerk PW JT8D-15 der Boeing B737 − 200 zu finden.
In den letzten Jahren sind zahlreiche Turbofantriebwerke – z. B. PW300, CFM56-5C-2,
RR-Tay oder BR 710 – mit Zwangsmischern (Forced Mixers) versehen worden. Die Mi-
scher sollen den Lärm mindern und in begrenztem Umfang den spez. Brennstoffverbrauch
senken bzw. den spez. Schub steigern. Für das PW300 gibt die deutsche Kooperationsfirma
– die MTU Aero Engines München – an, dass der Einbau eines Mischers den spez. Ver-
brauch um 3 % und den Lärm um 2 dB senken konnte. Theoretische Ausführungen zum
Thema Strahlmischung sind bereits seit vielen Jahren in der Literatur (Oates 1988 bzw.
Lösch 1990) zu finden. Abbildung 7.55 zeigt einen praktisch ausgeführten Zwangsmischer
am Beispiel des Triebwerks BR 710 der Firma Rolls-Royce Deutschland.
Abbildung 7.56 zeigt am Beispiel des Triebwerks PW6000 von Pratt & Whitney den Auf-
bau und die Bezugsebenen eines Turbofan mit Mischer und Abb. 7.57 den zugehörigen
idealen Triebwerkskreisprozess. Bei Oates (1988) sind Rechengänge zu zwei theoretischen
Modellen für ideale Mischer (Mischer ohne Seitenwandreibung) dargestellt. Das eine ist
ein Mischer mit konstanten Querschnittsflächen in Axialrichtung und das andere ein
7.6 Turbofan mit Strahlmischung 577
Flügel
Pylon
Abb. 7.54 Turbofantriebwerk mit integraler Schubdüse, d. h., mit einer einzigen Schubdüse für
Primär- und Sekundärstrahl, aus der zwei separate und nur wenig vermischte Strahlen austreten.
Bilder mit freundlicher Genehmigung der Firmen Rolls-Royce plc und Airbus Deutschland
Abb. 7.55 Geometrische Formgebung von Zwangsmischern (Forced Mixer) am Beispiel des
Triebwerks BR 710. Bild mit freundlicher Genehmigung von Rolls-Royce-Deutschland
Mischer mit derart veränderlichen Querschnittsflächen, dass sich der statische Druck in
Axialrichtung nicht ändert. Die Resultate zu beiden Mischermodellen sind identisch5 . Aus-
wertungen der Gleichungen von Oates zeigen, dass die Totaldrücke pt13 , pt5 und pt6 zwar
voneinander verschieden sind, aber die Unterschiede zueinander weniger als 1 % betragen.
Für ein Turbofantriebwerk mit idealem Mischer konstanter Querschnittsfläche (p5 = p13 ),
das die Daten T0 = 217 K, Ma0 = 0.85, Ma5 = 0.5, μ = 8, πV = 24, πFan = 1.7, τλ = 6 hat,
ergeben sich nach den Gleichungen von Oates beispielsweise folgende zahlenwertmäßige
5
Oates (1988), S. 176: „Thus the optimal constant-pressure mixer is also the optimal constant-area
mixer!“
578 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
I
m I + mII
m
II
m
0 2 B.O 3 4D.O 5 6 9
Abb. 7.56 Prinzipieller Aufbau und Bezugsebenen bei einem zweiwelligen Turbofantriebwerk mit
(idealem) Zwangsmischer (Forced Mixer). Hier Pratt & Whitney PW 6000 für den Airbus A318.
Bilder mit freundlicher Genehmigung der MTU Aero Engines in München (Media Pool)
Ergebnisse: pt13 /pt5 = 1.0102, pt6 /pt13 = 1.0052 und pt9 /pt13 = 0.995. Aufgrund dieser Re-
sultate wird für die anschließenden rechnerischen Betrachtungen zu Turbofantriebwerken
mit idealen Mischern die folgende Annahme eingeführt:
h
ht4
ht4
|w HDT|=w HDV
4
|w T |= |w HDT| + |w NDT|
|w NDT|=w NDV+μ w Fan
p t4 D.O
q zu p t3= p t4.5
ht4,5
ht3 3
5
ht5
p 9=p t13
wV
w HDV =p t6= t
p t5 q Mischer
ht2,5 p t2,5 6
w NDV p t13 9 ht6 c92
ht13 h9
ht2 h0 2 q ab
2 2 h0
w Fan c19 c0 0
B.O
2
2 2 p t2 AM p 0=p 9
s
genügt. Wir werden sehen, dass diese Anforderung es nicht mehr zulässt, das Bypassver-
hältnis μ und das Fandruckverhältnis πFan unabhängig voneinander zu wählen, so wie es
beim Turbofan ohne Mischer möglich ist. Die beiden Größen μ und πFan „justieren“ quasi
die Isobare nach Gl. (7.170), da μ auf der einen Seite die spez. Turbinenarbeit und πFan auf
der anderen Seite die spez. Fanarbeit beeinflusst.
Ausgehend von einer adiabaten Schubdüse mit isentroper Zustandsänderung
(Tt6 = Tt9 , pt6 = pt9 ) wird nun die Energiebilanz für den Mischer aufgestellt, d. h.,
dass die aus Primär- und Sekundärkreis in den Mischer eintretenden Energien gleich der
Gesamtenergie am Austritt des Mischers ist:
ṁI · cp · Tt5 + ṁII · cp · Tt13 = (ṁI + ṁII ) · cp · Tt6 = (ṁI + ṁII ) · cp · Tt9 (7.171)
Mit cp = const und mit der Einführung des Bypassverhältnisses μ wird hieraus die
Totaltemperatur Tt9 am Triebwerksaustritt ermittelt:
1
Tt9 = Tt6 = · (Tt5 + μ · Tt13 ) (7.172)
1+μ
Wegen pt6 = pt5 = pt13 ergibt sich das sog. Mischerdruckverhältnis πM zu:
pt6 pt13
πM = = = 1.0 (7.173)
pt5 pt5
Das Mischer-Temperaturverhältnis τM folgt passend dazu direkt aus Gl. (7.172):
Tt6 1 Tt13
τM = = · 1+μ· (7.174)
Tt5 1+μ Tt5
580 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
Das hierin enthaltene Turbinendruckverhältnis πT ergibt sich aus der folgenden Betrach-
tung. Gleiche Totaldrücke in den Bezugsebenen 5 und 13 bedeuten, dass sowohl die
1+μ+ − τV
⎢ τ0 ⎥
πFan = ⎣ τλ ⎦ (7.190)
μ+
τ0 · τ V
So, wie es zu Beginn dieses Kapitels erläutert wurde, wird nun aus den letzten beiden
Gleichungen ersichtlich, dass sich beim idealen Turbofan mit Mischer die Anzahl der
frei wählbaren Parameter um eins verringert hat. Ist das Bypassverhältnis μ vorgege-
ben, so ist das Fandruckverhältnis πFan zu berechnen, oder umgekehrt. Abbildung 7.58
zeigt die numerische Auswertung der Gln. (7.189) und (7.190). Der Einfluss des Ver-
dichterdruckverhältnisses πV auf die Ergebnisse ist im Vergleich zur Flugmachzahl Ma0
und zur dimensionslosen Turbineneintrittstemperatur τλ gering. Große Werte für τλ
und kleine Werte für Ma0 ermöglichen bei gegebenem Fandruckverhältnis πFan jeweils
vergleichsweise große Bypassverhältnisse μ. Insgesamt sind die für Turbofantriebwerke
bereits wohl bekannten Ergebnisse zu erkennen, nämlich, dass zu kleinen Fandruckver-
hältnissen große Bypassverhältnisse gehören und zu kleinen Bypassverhältnissen große
Fandruckverhältnisse.
582 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
μ Ma 0
20 τλ 0.0
5.0 0.5
6.0 1.0
π V = 50.0 7.0 1.5
10 8.0 2.0
π V = 10.0 2.5
0
1 2 3 π Fan 5 1 2 3 π Fan 5 1 2 3 π Fan 5
Abb. 7.58 Zusammenhang zwischen Bypassverhältnis μ und Fandruckverhältnis πFan für einen
idealen Turbofan mit idealem Mischer
Der spez. Schub des Triebwerks in Abb. 7.56 kann aus der folgenden Gleichung berechnet
werden:
F F c9 c9
FS = = = c9 − c0 = c0 · − 1 = a0 · Ma0 · −1 (7.191)
ṁ0 ṁI + ṁII c0 c0
mit
c9 a9 · Ma9 T9 Ma9
= = ·
c0 a0 · Ma0 T0 Ma0
T9
FS = a0 · · Ma9 − Ma0 (7.192)
T0
Aus Tab. 18.8 wird unter Berücksichtigung einer freien Nachexpansion hinter der konver-
genten Schubdüse, p9 = p0 , und eines verlustfreien, d. h. isentropen Einlaufs, pt2 = pt0 , zur
Berechnung des Totaldrucks pt9 am Schubdüsenaustritt die folgende Gleichung verwendet:
κ−1
κ
κ −1 pt0 pt13 pt9
pt9 = p9 · 1 + · Ma29 = p9 · · · = pt9 (7.193)
2 p0 pt2 pt13
Der Quotient pt0 /p0 wird durch Gl. (6.2) ersetzt und für pt13 /pt2 das Fandruckverhält-
nis πFan eingeführt. Außerdem gilt wegen der idealen und vollständigen Vermischung
pt9 = pt13 . Die Machzahl Ma9 am Triebwerksaustritt kann nun durch entsprechendes
Umstellen der Gl. (7.193) ermittelt werden:
2
Ma9 = · (τ0 · τFan − 1) (7.194)
κ −1
7.6 Turbofan mit Strahlmischung 583
Aus Tab. 18.8 wird zur Berechnung der Totaltemperatur Tt9 am Schubdüsenaustritt die
folgende Gleichung verwendet:
κ −1
Tt9 = T9 · 1 + · Ma9
2
(7.196)
2
Das Umstellen nach T9 und anschließendes Erweitern mit T0 sowie das Einsetzen der Gl.
(7.194) führt schließlich auf:
T9 Tt9 /T0 Tt9 /T0
= = (7.197)
T0 1 + [(κ − 1)/2 ] · Ma29 τ0 · τFan
Durch geeignetes Erweitern des Zählers und durch Berücksichtigung von Tt9 = Tt6 ergibt
sich:
Tt4 Tt5 Tt9 Tt4 Tt5 Tt6
· · · ·
T9 T Tt4 T t5 T Tt4 T t5
= 0 = 0 (7.198)
T0 τ0 · τFan τ0 · τFan
Das Einsetzen von τλ = Tt4 /T0 , τT = Tt4 /Tt5 und τM = Tt6 /Tt5 und die Berücksichtigung
der Gl. (7.186) führt dann auf:
T9 τλ · τM · τT τλ · τM
= = (7.199)
T0 τ0 · τFan τ0 · τ V
Für den spez. Schub heißt das schließlich:
2 τλ · τM · τFan 1
FS = a0 · · · 1− − Ma0 (7.200)
κ −1 τV τ0 · τFan
Die Gleichung für den spez. Brennstoffverbrauch des idealen Turbofan mit idealem
Mischer ist identisch mit Gl. (7.119) für den normalen Turbofan:
cp · T0
BS = · [τλ − τ0 · τV ] (7.201)
(1 + μ) · FS · Hi
Lediglich für den spez. Schub FS ist hier nun aber die Gl. (7.200) einzusetzen.
584 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
Der Vortriebswirkungsgrad ηP kann mittels der Gl. (6.143) berechnet werden, die
ursprünglich für den Turbojet abgeleitet wurde:
−1
FS −1 FS
ηP = 2 · 2 + =2· 2+ (7.202)
c0 a0 · Ma0
Zur Herleitung der Gleichung für den thermischen Wirkungsgrad ηth wird als Grundlage
auf Gl. (6.115) zurückgegriffen, die etwas umgeformt und in die dann anschließend noch
die Gl. (6.13) eingearbeitet wird:
ṁ0 2 2
κ − 1 c p · T0 1 + μ 2 T9
ηth = · · · Ma9 · − Ma0 2
(7.203)
2 Hi β T0
Hier wird für Ma9 die Gl. (7.194) und für T9 /T0 die Gl. (7.199) eingesetzt:
cP · T0 1 + μ τ λ · τM
ηth = · · · (τ0 · τFan − 1) − (τ0 − 1) (7.204)
Hi β τ0 · τ V
Für die Darstellungen in Abb. 7.59 sind die Gln. (7.200) und (7.117) für den spez. Schub
FS und die Gln. (7.201) und (7.119) für den spez. Brennstoffverbrauch BS ins Verhältnis
gesetzt und über dem Bypassverhältnis μ aufgetragen worden. Basis für die Berechnungen
sind die folgenden Grunddaten: H0 = 11 km, T0 = 217 K, κ = 1.4, Ri = 287 Nm/(kg · K)
und Hi = 4.31 · 107 Nm/kg. Das Fandruckverhältnis πFan , das vom Bypassverhältnis μ
abhängt, wurde bei gegebenem μ jeweils entsprechend Gl. (7.190) berechnet. Die restlichen
Auslegungsparameter sind von den Zahlenwerten her für den Turbofan mit Mischer und
für den Turbofan ohne Mischer ansonsten stets identisch.
Abbildung 7.59 zeigt, dass durch Strahlvermischung ein Gewinn an spez. Schub bei
gleichzeitiger Abnahme des spez. Brennstoffverbrauchs in der Größenordnung von meh-
reren Prozent zu erreichen ist. Bei kleinen Verdichterdruckverhältnissen erreichen die
Vorteile mit den hier verwendeten Zahlenwerten ca. 5 %. Mit zunehmendem Verdichter-
druckverhältnis gehen die Gewinne zurück und erreichen bei πV = 40 nur noch etwa 2 %.
Es gibt beste Bypassverhältnisse, die zwischen μ ≈ 2 . . . 3 liegen, bei denen die größten Ge-
winne zu verzeichnen sind. Bei μ ≈ 10 ist der Gewinn gegenüber den maximal möglichen
Werten um ca. einen Prozentpunkt zurückgegangen. Abbildung 7.60 zeigt ergänzend, dass
7.6 Turbofan mit Strahlmischung 585
1.10 1.00
FSMixer BSMixer
FS π V = 40 BS
1.08 30 0.98
20
1.06 0.96
10 H0 = 11 km
10 Ma 0 = 0.8
1.04 0.94 τ λ = 6.0
20
1.02 30 0.92
π V = 40
1.00 0. 90
0 2 4 6 8 μ 10
Abb. 7.59 Vergleich der Werte für den spezifischen Schub FS und den spezifischen Brennstoffver-
brauch BS von idealen Turbofantriebwerken mit und ohne Zwangsmischer (Forced Mixer)
FSMixer BSMixer
0.98 1.08
FS BS
ter ist, als es der Ausgangszahlenwert von 3 % vermuten lässt. Von daher betreiben die
Triebwerksfirmen z. T. viel Aufwand mit der Optimierung der Mischertechnologie.
Die hier dargestellten idealen Verhältnisse sind in Wirklichkeit nicht realisierbar. Es
treten Mischungsverluste auf, die abhängig vom Unterschied zwischen den Geschwin-
digkeiten c13 und c5 an der Trennstelle zwischen Primär- und Sekundärstrom sind. Der
Totaldruck pt13 hinter dem Fan sollte nur wenig größer sein als der Turbinenaustritts-
druck pt5 , um die Mischungsverluste zu minimieren. Nach Cohen et al. (1996) sind
pt13 /pt5 = 1.05 . . . 1.07 typische Werte. Bei konstantem Gesamtdruck pt13 = pt5 am Mi-
schereintritt hängen diese Mischungsverluste bzw. Geschwindigkeitsunterschiede nur vom
Gesamttemperaturverhältnis Tt13 /Tt5 ab.
Um eine homogene Gesamttemperaturverteilung für Tt6 am Mischeraustritt in Radial-
und Umfangsrichtung mit einem Mischer konstanten Querschnitts in der Praxis zu rea-
lisieren, wären inakzeptabel große axiale Mischerbaulängen erforderlich, die auf zu hohe
Gewichte führen würden. Aus diesem Grunde verzichtet man in der Praxis i. Allg. auf
eine 100 %ige Mischung und führt stattdessen lieber Mischer aus, die zwar unvollständig
mischen, dafür aber bemerkenswert verkürzte Baulänge aufweisen. Dazu zählen speziell
Mischer, in denen die beiden Ströme am Mischereintritt unter einem bestimmten Win-
kel aufeinander zugelenkt werden, oder solche, in denen flossenförmige Bauteile (Lobe
or Chute Mixers) für eine Vermischung sorgen. Experimentelle Arbeiten zu Strömungen
und Verlusten Mischern sind unter anderem bei Frost (1966) und Paterson (1982) zu fin-
den. Hinter dem Mischer sollte sich der Querschnitt des Strömungskanals diffusorförmig
erweitern, Presz et al. (1988).
Bei den Wirkungsgraden ist leicht zu erkennen, dass nach Gl. (7.202) der Vortriebswir-
kungsgrad ηP des Turbofan mit Mischer gegenüber dem ohne Mischer schlechter werden
muss, wenn entsprechend Abb. 7.59 der spez. Schub FS des Mischertriebwerks besser aus-
fällt als der ohne Mischer. Gleichung (7.204) für den thermischen Wirkungsgrad ηth lässt
sich mit etwas algebraischem Aufwand in die Form (7.125) überführen, sodass der thermi-
sche Wirkungsgrad des idealen Mischertriebwerks identisch bleibt mit dem des Triebwerks
ohne Mischer.
Abbildung 7.61 und 7.62 zeigen beim spez. Schub FS und beim spez. Brennstoffver-
brauch BS dieselben Tendenzen, wie sie auch beim idealen Turbofan ohne Mischer zu
erkennen waren, wenn auch die Kurvenverläufe jeweils im Detail klare Unterscheide
erkennen lassen.
Beispiel 7.7
Hoch-Bypass-Turbofan (Propfan) mit Mischer. Das CRISP-Triebwerk, dessen ur-
sprüngliche Auslegungsdaten in Beispiel 7.6 des vorhergehenden Kapitels gegeben
sind, soll nun mit einem Mischer ausgestattet werden, um bei unveränderten Ma0
und T0 den spezifischen Schub anzuheben. Das Verdichterdruckverhältnis πV , die Tur-
bineneintrittstemperatur Tt4 und das Bypassverhältnis μ sollen unverändert bleiben.
Lediglich das Fandruckverhältnis πFan soll variiert werden können. Es ist das neue
Fandruckverhältnis und der Gewinn an spez. Schub und spez. Brennstoffverbrauch zu
7.6 Turbofan mit Strahlmischung 587
180 60 180 60
120 40 120 40
H0 = 11 km
Ma 0 = 0.8
60 π V = 30.0 20 60 20
μ = 5.0
τ λ = 6.0
0 0 0 0
1 11 21 V 41 0 5 10 μ 20
Abb. 7.61 Spezifischer Schub FS und spezifischer Brennstoffverbrauch BS von idealen Turbofan-
triebwerken mit Zwangsmischer (Forced Mixer) in Abhängigkeit des Verdichterdruckverhältnisses
πV und des Bypassverhältnisses μ
180 60 180 60
120 40 120 40
H0 = 11 km
Ma 0 = 0.8
20 60 π V = 30.0 20
60
μ = 5.0
τ λ = 6.0
0 0 0 0
0 1 2 Ma0 3 5 6 7 τλ 8
Abb. 7.62 Spezifischer Schub FS und spezifischer Brennstoffverbrauch BS von idealen Turbofan-
triebwerken mit Zwangsmischer (Forced Mixer) in Abhängigkeit der Flugmachzahl Ma0 und der
dimensionslosen Turbineneintrittstemperatur τλ
berechnen.
τλ 6.9991
1 + μ − τV + 1 + 26.1 − 2.8273 +
τ0 1.1155 = 1.0787
τFan = τλ =
μ+ 6.9991
τ0 · τ V 26.1 +
1.1155 · 2.8273
588 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
κ
πFan = τFan
κ−1
= 1.07873.5 = 1.3035
Das Fandruckverhältnis ist also gegenüber den Werten in Beispiel 7.6 (πFan = 1.25) um
4.2 % anzuheben.
1 τ 0 · τV 1 1.1155 · 2.8273
τM = · 1+μ· = · 1 + 26.1 · = 0.4709
1+μ τλ 27.1 6.9991
2 τλ · τM · τFan 1
FS = a0 · · · 1− − Ma0 =
κ −1 τV τ0 · τFan
5 · 6.9991 · 0.4709 · 1.0787 1
FS = 296.6371 · · 1− − 0.76
2.8273 1.1155 · 1.0787
FS = 80.1923 N/(kg/s)
β 0.0196
BS = = · 3.6 · 106 = 32.5422 (kg/h)/kN
(1 + μ) · FS 27.1 · 80.1923
Der Gewinn an spezifischem Schub FS und spezifischem Brennstoffverbrauch BS beträgt
gegenüber den Berechnungen in Beispiel 7.6, FS = 74.4088 N/(kg/s) und BS = 34.9746
(kg/h)/kN, etwa 7.8 %. Es ist nun die Austrittsgeschwindigkeit c9 aus dem Triebwerk mit
Mischer zu berechnen und mit den Geschwindigkeiten c9 und c19 des ursprünglichen
Triebwerks zu vergleichen.
τλ · τM 6.9991 · 0.4709
T9 = T0 · = 218.60 · = 228.4346 K
τ0 · τ V 1.1155 · 2.8273
√
a9 = κ · Ri · T9 = 1.4 · 287 · 228.4346 = 302.9604 m/s
2
Ma9 = · (τ0 · τFan − 1) = 5 · (1.1155 · 1.0787 − 1.0) = 1.0082
κ −1
c9 = a9 · Ma9 = 302.9604 · 1.0082 = 305.4313 m/s
2 2 2
ηP = = = = 0.8489
FS FS 80.1923
2+ 2+ 2+
c0 a0 · Ma0 296.3671 · 0.76
7.6 Turbofan mit Strahlmischung 589
cP · T0 1 + μ τ λ · τM
ηth = · · · (τ0 · τFan − 1) − (τ0 − 1)
Hi β τ0 · τ V
1 004.5 · 218.60 27.1
= ·
4.31 · 107 0.0196
6.9991 · 0.4709
· · (1.1155 · 1.0787 − 1.0) − (1.1155 − 1.0) = 0.6829
1.1155 · 2.8273
ηges = ηth · ηP = 0.6829 · 0.8489 = 0.5797
Der Vortriebswirkungsgrad hat sich genau wie der spezifische Schub und der spe-
zifische Brennstoffverbrauch um ca. 7.8 % verbessert, wogegen beim thermischen
Wirkungsgrad keine Veränderung zu verzeichnen ist. Es ist nun zu berechnen, welcher
spez. Schub und spez. Brennstoffverbrauch zu erwarten ist, wenn bei unveränder-
tem Bypassverhältnis μ das Verdichterdruckverhältnis auf πV = 26 reduziert und die
Turbineneintrittstemperatur auf Tt4 = 1.655 K angehoben wird.
κ−1
τV = πV κ = 260.285714 = 2.5368
Tt4 1 655.0
τλ = = = 7.5709
T0 218.60
τλ 7.5709
1 + μ − τV + 1 + 26.1 − 2.5368 +
τ0 1.1155 = 1.0895
τFan = τλ =
7.5709
μ+ 26.1 +
τ0 · τV 1.1155 · 2.5368
κ
πFan = τFan
κ−1
= 1.08953.5 = 1.3498
1 τ 0 · τV 1 1.1155 · 2.5368
τM = · 1+μ· = · 1 + 26.1 · = 0.3969
1+μ τλ 27.1 7.5709
2 τλ · τM · τFan 1
FS = a0 · · · 1− − Ma0 =
κ −1 τV τ0 · τFan
5 · 7.5709 · 0.3969 · 1.0895 1
FS = 296.3671 · · 1− − 0.76
2.5368 1.1155 · 1.0895
FS = 91.6417 N/(kg/s)
cp · T0 1004.5 · 218.60
β= · (τλ − τ0 · τV ) = · (7.5709 − 1.1155 · 2.5368) = 0.0242
Hi 4.31 · 107
β 0.0242
BS = = · 3.6 · 106 = 35.0141 (kg/h)/kN
(1 + μ) · FS 27.1 · 91.6417
Der spezifische Schub liegt etwas mehr als 23 % über dem in Beispiel 7.6 berechneten
Wert. Der spezifische Brennstoffverbrauch hat sich nur unwesentlich verändert. Das
Fandruckverhältnis wäre um knapp 8 % anzuheben.
590 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
Mischer
AL AM II
m verstellbare Schub-
mehrstu- I
m Nachbrenner düse mit p 9=p0
figer Fan Kerntriebwerk Flammhalter
Nachbrenner-
0 2 B.O 3 4 5 6 7 gehäuse 8 9
0 =m
m I +m
II D.O 0 =m
m I +m
II
Abb. 7.63 Beispiel für einen zweiwelligen Turbofan mit Strahlvermischung und Nachverbrennung
(Aviadvigatel D-30F6 für das russische Kampfflugzeug MiG-31 mit F = 303.8 kN Schub)
Abbildung 7.63 zeigt ein Turbofantriebwerk, bei dem die Strahlen aus Primär- und
Sekundärkreis erst gemischt, dann durch einen Nachbrenner geführt und schließ-
lich gemeinsam aus einer einzigen verstellbaren Schubdüse bei idealer Expansion, mit
p9 = p0 , ausgestoßen werden. Triebwerke dieser Bauart haben sehr moderate By-
passverhältnisse (μ < 1) und vergleichsweise hohe Fandruckverhältnisse (πFan > 2 . . . 3),
die wiederum eine Mehrzahl von Fanstufen erforderlich machen. Einsatz fin-
den diese Bauformen in schnellen Kampfflugzeugen, wo sie im Nachbrenner-
betrieb hohe spez. Schübe und im Betrieb ohne Nachbrenner günstige spez.
Brennstoffverbräuche aufweisen sollen. Ausgeführte Beispiele für Turbofantriebwer-
ke dieser Art sind das D-30F6 (MiG-31) von Aviadvigatel und das F110-GE-129
(F16 Falcon) von General Electric, die in Abb. 7.63 bzw. in Abb. 7.64 dargestellt sind.
Im unteren Teil von Abb. 7.64 ist die Mischersektion des F110-GE-129 vor dem Eintritt
in den Nachbrenner zu erkennen. Abbildung 7.65 zeigt am Beispiel eines Rolls-Royce-
Triebwerks, dass die Vermischung durch eine Vielzahl von auf dem Umfang verteilten
Mischöffnungen (Mixer Chutes) erfolgt, durch die Sekundärluft in den Primärstrahl ge-
führt wird. Die Mischzone ist relativ kurz und die Vermischung der beiden Ströme dennoch
gut. Abbildung 7.66 zeigt den zugehörigen idealen Kreisprozess im h-s-Diagramm. Durch
die vor der Nachverbrennung stattfindende Mischung wird die gesamte zugeführte spez.
Wärmeenergie qB + qNB bei vorgegebenem Tt7 = const (z. B. als Grenzwert für die ther-
mische Materialbelastung) erhöht, bzw. kann bei vorgegebener spez. Wärmeenergie die
Nachbrennertemperatur Tt7 kleiner ausfallen als bei einem Nachbrennertriebwerk oh-
ne Strahlvermischung. Letzterer Aspekt ist vielfach für Militärs von vitalem Interesse,
wenn sie die sog. Infrarotsignatur eines Triebwerks so gering wie möglich halten wol-
len, um damit weniger anfällig gegenüber „wärmesuchenden“ Raketen zu sein, Walsh
und Fletcher (1999). Der Verlauf der Zustandsänderungen zwischen den Bezugsebenen
4.5 →
5 → 6 . . .
0 ist für den Nachbrennerbetrieb in Abb. 7.66 durch Pfeile gekennzeich-
7.7 Turbofan mit Strahlmischung und Nachverbrennung 591
Turbine
Nachbrenner
Mischer
Turbine
verstellbare
Nachbrenner Düse
Abb. 7.64 Turbofantriebwerk F110-GE-129 von General Electric mit Strahlvermischung (Fan
duct/Core Mixer), Nachbrenner und verstellbarer konvergent-divergenter Schubdüse
Sekundärkanal
Turbinenstruts Mischer-
kanäle
Sekundärluft
Primärluft
Flansch zum
Nachbrenner
Abb. 7.65 Beispiel für einen Mischer in einem Turbofantriebwerk mit kleinem Bypassverhältnis
(Low By-Pass Air Mixer Unit). Hier für den zweiwelligen Turbofan Spey 202/203 von Rolls-Royce
(McDonnell Douglas Phantom). Quelle: Rolls-Royce (1996)
net worden. Der nicht schraffierte Teil des Kreisprozesses stellt die Zustandsänderungen
im Triebwerk bei nicht eingeschaltetem Nachbrenner dar. Dementsprechend ist der Zu-
standspunkt 9 zweimal eingetragen worden, d. h., einmal für den Betrieb ohne und einmal
mit Nachbrenner.
Zur Berechnung idealer Turbofantriebwerke mit Strahlvermischung und Nachverbren-
nung kann im Wesentlichen auf den Gleichungen des vorherigen Kapitels aufgebaut
592 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
h 7 ht 7 = ht 8 = ht 9
=p
t9
a82
t7
=p 2
p t5 h8∗
= 8
4 ht4 3
t1
ht4 =p p8 = p 8∗
c92
p t6 q NB
2
w HDV
=p
t4
q B=q B K D.O
p t3 p t4.5 ht4.5
p t5=
μ ⋅ w Fan + w NDV
ht3 3 5
p t6
ht5
6 h9mNB
9
p t13=
w HDV ht6
mit
p t6
II
m (m 0 + m B )⋅ ht 6
I +m
m B
(m 0 + m B + m B ,NB )⋅ ht 7
mit 0 =m
m I +m
II
I +m
m B
II
m
B ,NB ⋅ Hi
m
4.0 4.0
τ λ = 8.00
μ
Ma0 = 0.9 τ λ NB = 10.85
3.0 3.0 π Fan = 3.80
Ma0 = 2.0 Ma0 = 0.9
2.0 2.0
Abb. 7.68 Bypassverhältnis μ des idealen Turbofan mit Strahlmischung, aufgetragen über dem
Fan- und dem Verdichterdruckverhältnis πFan und πV , mit der Flugmachzahl Ma0 als Parameter
Zur Berechnung des Vortriebswirkungsgrades ηP kann Gl. (7.202) verwendet werden. Für
den thermischen Wirkungsgrad ηth wird aus Gl. (7.203):
κ − 1 c p · T0 1+μ T9
ηth = · · · Ma29 · − Ma20 (7.215)
2 Hi β + (1 + μ) · βNB T0
Hier werden für Ma9 die Gl. (7.194) und für T9 /T0 die Gl. (7.205) eingesetzt:
cP · T0 1+μ 1
ηth = · · τλNB · 1 − − (τ0 − 1) (7.216)
Hi β + (1 + μ) · βNB τ0 · τFan
Basis für die Berechnungen sind die folgenden Grunddaten: H0 = 11 km, T0 = 217 K,
κ = 1.4, Ri = 287 Nm/(kg · K) und Hi = 4.31 · 107 Nm/kg. Das vorangegangene Kap. 7.6
hatte gezeigt, dass beim Turbofan mit Strahlmischung das Bypass- und das Fandruckver-
hältnis keine voneinander unabhängig wählbaren Auslegungsparameter sind. Ist eine der
beiden Größen gegeben, wird die andere daraus berechnet. Das Ergebnis zeigt der linke Teil
von Abb. 7.68. Zu hohen Fandruckverhältnissen πFan gehören kleine Bypassverhältnisse μ
und zu niedrigen Fandruckverhältnissen große Bypassverhältnisse. Hohe Flugmachzahlen
Ma0 lassen nicht so große Bypassverhältnisse zu wie kleinere Flugmachzahlen. Der rechte
Teil von Abb. 7.68 zeigt den Einfluss des Verdichterdruckverhältnisses πV auf die Wahl des
Bypassverhältnisses μ. Für die Überschallflugmachzahl Ma0 = 2 sind bei dem gegebenem
7.7 Turbofan mit Strahlmischung und Nachverbrennung 595
1200 300
FS Ma0 = 2.0 BS
⎡ N ⎤ τ λ = 8.00
⎡ kg/h ⎤
⎢ ⎥ ⎢ ⎥ τ λ NB = 10.85
⎢ kg / s ⎥ ⎣⎢ kN ⎦⎥ Ma0 = 0.9
⎣ ⎦ π V = 31.10
Ma0 = 0.9
800 200 μ = ƒ (π Fan )
Abb. 7.69 Spezifischer Schub FS und spezifischer Brennstoffverbrauch BS des idealen Turbofans mit
Strahlvermischung, mit und ohne Nachbrennerbetrieb, in Abhängigkeit des Fandruckverhältnisses
πFan , Parameter ist die Flugmachzahl Ma0
Abb. 7.70 Spezifischer Schub FS und spezifischer Brennstoffverbrauch BS des idealen Turbofans
mit Strahlmischung, mit und ohne Nachbrennerbetrieb, in Abhängigkeit des Verdichterdruckver-
hältnisses πV , Parameter ist die Flugmachzahl Ma0
linken Diagrammteil von Abb. 7.70 beginnen die Kurven erst bei Verdichterdruckverhält-
nissen πV , die so in etwa zwischen 4 . . . 6 liegen. Dies hat seine Ursache darin, dass in
dem dortigen Bereich die mit Gl. (7.189) berechneten Bypassverhältnisse μ – mit den hier
vorgegebenen Werten – unzulässige negative Werte (μ < 0) annehmen. Ohne Nachbren-
ner ist ein Abfall des spezifischen Schubes FS mit dem Verdichterdruckverhältnis πV zu
verzeichnen, was konträr zu den Gegebenheiten im linken Teil von Abb. 7.61 erscheinen
mag, was aber im rechten Teil von Abb. 7.30 im hohen Flugmachzahlbereich durchaus
auch erkennbar wird.
Abbildung 7.71 zeigt die Abhängigkeit des Vortriebswirkungsgrades ηP und des ther-
mischen Wirkungsgrades ηth vom Fandruckverhältnis πFan . Offensichtlich ist für beide
Wirkungsgrade, dass sie durch die Nachverbrennung negativ beeinflusst, d. h., ver-
schlechtert werden. Für den Fall ohne Nachbrenner ist der thermische Wirkungsgrad
ηth unabhängig vom Fandruckverhältnis πFan . Sowohl der Vortriebswirkungsgrad ηP als
auch der thermische Wirkungsgrad ηth werden mit zunehmender Flugmachzahl Ma0
besser, unabhängig davon, ob der Nachbrenner eingeschaltet ist oder nicht. Bei hohen
Fandruckverhältnissen πFan nähern sich die Wirkungsgrade ηth und/oder ηP der beiden
Fälle mit und ohne Nachverbrennung (durchgezogene und gestrichelte Linien) an, unab-
hängig von der Größenordnung der Flugmachzahl Ma0 . Beim herkömmlichen Turbofan
mit separaten Schubdüsen zeigte Abb. 7.44, dass der Vortriebswirkungsgrad ηP mit den
Fandruckverhältnis πFan ansteigt, beim Turbofan mit Strahlvermischung fällt dagegen
der Vortriebswirkungsgrad ηP mit πFan ab, unabhängig davon, ob der Nachbrenner ein-
oder ausgeschaltet ist. Das Verhalten des thermischen Wirkungsgrades ηth in Abhängig-
keit des Fandruckverhältnisses πFan ist für den Fall ohne Nachbrenner identisch mit der
entsprechenden Darstellung in Abb. 7.44.
7.7 Turbofan mit Strahlmischung und Nachverbrennung 597
1.00 1.00
ηP ηth
Ma0 = 2.0 Ma0 = 2.0
0.75 0.75 Ma0 = 0.9
Ma0 = 0.9
Ma0 = 2.0
0.50 Ma0 = 2.0 0.50
τ λ = 8.00
Ma0 = 0.9 τ λ NB = 10.85
0.25 0.25 Ma0 = 0.9
π V = 31.10
ohne Nachbrenner
μ = ƒ (π Fan )
mit Nachbrenner
0.00 0.00
1 2 3 π Fan 5 1 2 3 π Fan 5
Abb. 7.71 Vortriebswirkungsgrad ηP und thermischer Wirkungsgrad ηth des idealen Turbofans mit
Strahlvermischung, mit und ohne Nachbrennerbetrieb, in Abhängigkeit des Fandruckverhältnisses
πFan , Parameter ist die Flugmachzahl Ma0
1.00 1.00
ηP η th
Ma0 = 2.0
Ma0 = 2.0
0.75 0.75
Ma0 = 0.9
Ma0 = 0.9 Ma0 = 2.0
Abb. 7.72 Vortriebswirkungsgrad ηP und thermischer Wirkungsgrad ηth des idealen Turbofans mit
Strahlvermischung, mit und ohne Nachbrennervertrieb, in Abhängigkeit des Verdichterdruckver-
hältnisses πV , Parameter ist die Flugmachzahl Ma0
Beispiel 7.8
Militärischer Turbofan mit Strahlmischung und Nachbrenner. Das Pratt & Whitney
Turbofantriebwerk F100-PW-229 mit Nachbrenner, das im Kampfflugzeug McDonnell
Douglas F-15 Eagle installiert ist, ist nachzurechnen. Folgende Triebwerksdaten sind
aus der Literatur bekannt: Ma0 = 2.0, H0 = 11 km, πV = 31.1, μ = 0.42, πFan = 3.8,
Tt4 = 1 735 K. Leistungsdaten mit Nachbrenner: FS = 1 145 N/(kg/s) und
BS = 205 (kg/h)/kN. Leistungsdaten ohne Nachbrenner: FS = 705 N/(kg/s) und BS = 74
(kg/h)/kN. Es ist das Fandruckverhältnis nachzurechnen.
κ −1
τ0 = 1 + · Ma20 = 1 + 0.2 · 4 = 1.80
2
1 735
τλ = = 8.0083
216.65
κ−1
τV = πV κ = 31.10.285714 = 2.6699
τλ 8.0083
1 + μ − τV + 1 + 0.42 − 2.6699 +
τFan =
τ0
= 1.80 = 3.1991 = 1.5334
τλ 8.0083 2.0863
μ+ 0.42 +
τ0 · τ V 1.80 · 2.6699
κ
πFan = τFan
κ−1
= 1.53343.5 = 4.4646
Der Unterschied von ca. 17.5 % ist im Rahmen der hier getroffenen Idealisierungen
nicht unerwartet hoch. Würde aus dem Literaturwert πFan = 3.8 mittels Gl. (7.189)
das zugehörige Bypassverhältnis berechnet werden, so ergäbe sich μ ≈ 0.76. Über den
vorgegebenen spez. Schub FS ist nun die Austrittstemperatur Tt7 aus dem Nachbrenner
zu berechnen.
√
a0 = κ · Ri · T0 = 1.4 · 287 · 216.65
= 295.0423 m/s mit T0 = 216.65 K in 11 km Höhe
2 1
FS = a0 · · τλNB · 1 − − Ma0 hieraus folgt durch Umstellen
κ −1 τ0 · τFan
2
κ −1 FS 1
τλNB = · + Ma0 ·
2 a0 1
1−
τ0 · τFan
2
1145 1.0
τλNB = 0.2 · +2 · = 10.8465
295.0423 1.0
1.0 −
1.8 · 1.5334
Tt7 = τλNB · T0 = 10.8465 · 216.65 = 2 349.8877 K
Über den gegebenen spez. Brennstoffverbrauch sind die Brennstoffmassenströme in der
Brennkammer und im Nachbrenner zu berechnen, wenn der gesamte vom Triebwerk
7.8 Turboprop 599
7.8 Turboprop
Wenn das heiße Abgas, das den Gasgenerator verlässt, dazu genutzt wird, eine weite-
re nachgeschaltete Turbine anzutreiben, die ihrerseits über eine separate Welle und ein
Untersetzungsgetriebe Leistung an ein Luftfahrzeug bzw. an eine seiner Komponenten ab-
gibt, so wird dieser Antrieb Wellenleistungstriebwerk oder manchmal auch Turbomotor
genannt. Ist die angetriebene Luftfahrzeugkomponente ein Propeller, so heißt das An-
triebsaggregat Turboprop- oder Propjet-Triebwerk. Eine ältere deutsche Bezeichnung ist
auch PTL-Triebwerk (Propeller-Turbo-Luftstrahl-Triebwerk). Abbildung 7.73 zeigt zwei
Beispiele für diesen Triebwerkstyp. Bei älteren Baumustern von Turboproptriebwerken
(Abb. 7.73 oben) ist die Turbine, die die Leistung zum Propellerantrieb abgibt, integraler
Bestandteil des gesamten Turbinenteils, sodass der Propeller direkt von der Verdichter-
welle, über ein zwischengeschaltetes Untersetzungsgetriebe, angetrieben wird. Modernere
Turboproptriebwerke (Abb. 7.73 unten) verfügen über eine separate Arbeitsturbine (Free
Power Turbine), die über eine eigene Welle und ein zwischengeschaltetes Untersetzungs-
getriebe den Propeller antreibt. Die Arbeitsturbine bezieht ihre Energie aus der restlichen,
im Heißgas noch verbliebenen Energie, wenn dieses den Gasgenerator verlässt.
600 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
Untersetzungs-
getriebe Arbeits-
turbine
Abb. 7.73 Zwei Beispiele zum generellen konstruktiven Aufbau von Turboproptriebwerken; oben
ohne frei drehende Arbeitsturbine, unten mit frei drehender Arbeitsturbine
• Der Propeller kann mit relativ geringen Drehzahlen beim Rollen des Flugzeuges laufen,
wodurch die Lärmemission und die Erosion auf den Propellerblättern gering gehalten
werden.
• Das Triebwerk lässt sich leichter starten, da nur der Gasgenerator – ohne den Propeller
und das Getriebe – durch den Starter zu beschleunigen ist, was speziell bei kaltem
Wetter vorteilhaft ist.
• Der Propeller und das Getriebe übertragen keine direkten Vibrationen auf den
Gasgenerator.
• Beim Be- und Entladen des Flugzeuges kann über eine Rotorbremse der Propeller
gestoppt werden, während der Gasgenerator für die Strom- und Hydraulikversorgung
des Flugzeuges weiterläuft.
7.8 Turboprop 601
Bei Turboproptriebwerken wird i. Allg. nicht alle Strömungsenergie über die Arbeitstur-
bine auf die Welle gegeben. Meist verbleibt eine gewisse Restenergie auf relativ niedrigem
Druck- und Temperaturniveau, die als zusätzlicher Strahlschub genutzt werden kann. Die-
ses ist, je nach ausgeführtem Triebwerk, zwischen 5 % bis 25 % der gesamten Schubleistung.
Sind genaue Werte nicht bekannt, so schätzt man im Mittel üblicherweise 10 %.
In den vergangenen Jahren hat sich aus verschiedenen Gründen ein erhöhtes Inter-
esse an einem hoch effizienten Lufttransport herauskristallisiert, die in der Entwicklung
von Ultra-High-Bypass-Triebwerken (UHB-Engines, Propfan) mündete. Ursächlich da-
für waren in den 70er-Jahren die sog. Erdölkrisen; heute liegen die Gründe außerdem in
umweltrelevanten Gedanken. Solche UHB-Triebwerke können im Unterschallflug By-
passverhältnisse von μ = 25 und mehr erreichen und kommen damit in etwa an das
„Bypassverhältnis“ der Turboprops heran, das etwa bei μ ≈ 40 . . . 60 liegt.
Wie wir wissen, hat sich in den letzten Jahrzehnten der Turbofan in den meisten
Bereichen gegenüber dem Turboprop durchgesetzt. Hierfür gibt es eine Vielzahl von
Gründen, die man sich gut klar machen sollte, um zu verstehen, warum ähnliche Konzepte
wie der „gute alte Propellerantrieb“ heute wieder zunehmend an Popularität gewinnen
(Renaissance der Langsamkeit 6 ). Der wesentliche Erfolgspunkt für den Turbofan ist, dass
er gegenüber dem Turboprop bei sehr hohen Unterschallmachzahlen Ma0 wirtschaftlich
fliegen kann. Ab etwa Ma0 ≈ 0.7 werden an den Propellerblattspitzen eines Turboprop
so hohe lokale Machzahlen erreicht, dass sie weit in den Überschallbereich reichen und
dabei so hohe gasdynamische Verluste erzeugen, dass der Propellerwirkungsgrad extrem
schlecht wird, und damit auch der Vortriebswirkungsgrad des gesamten Triebwerks. Beim
Turbofan dagegen senkt die Diffusion (Verzögerung) im Triebwerkseinlauf die Zuström-
geschwindigkeit zum Fan ab und lässt damit die nachteiligen Machzahleffekte, die zuvor
beim Propeller beschrieben wurden, erst gar nicht entstehen. Darüber hinaus hat ein Fan
wesentlich mehr Blätter als ein Propeller, sodass die aerodynamische Blattbelastung eines
einzelnen Fanblattes von vornherein erheblich geringer ist als die eines einzelnen Propel-
lerblattes. Ein weiterer nicht unerheblicher Vorteil eines modernen Turbofan ist, dass er im
Gegensatz zum Turboprop keine großen Getriebe mit großen Untersetzungsverhältnissen
benötigt, da er schneller drehen kann als ein Propeller. Solche Getriebe sind schwer und
hinsichtlich ihrer technischen Zuverlässigkeit relativ eingeschränkt. Des Weiteren erzeugt
ein Turboprop in Bodennähe und innerhalb der Flugzeugkabinen mehr Lärm als ein Tur-
bofan, was seine Ursache darin hat, dass der Turboprop nicht über die Ummantelung des
Turbofan verfügt.
6
Prof. Dr. Klaus Broichhausen (MTU), Ingenieur des Jahres 2005: „Ob ich nun zwei Stunden oder
zwei Stunden zwanzig fliege, ist mir als Fluggast ziemlich egal. In der Flugeffizienz macht das aber eine
Menge aus.“ anlässlich einer Podiumsdiskussion der Körber-Stiftung zum Thema „Leben 2034: Die
Zukunft der Mobilität“ am 27. Mai 2009 in Hamburg.
602 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
Abb. 7.74 EPI TP400-D6, der modernste und leistungsstärkste Turboprop der westlichen Welt,
dessen Kerntriebwerk ein Derivat des militärischen Snecma M88-2 Turbofan (siehe Abb. 2.24) ist
Abbildung 7.74 zeigt den derzeit modernsten Turboprop der westlichen Welt, den EPI7
TP400-D6, der der Antrieb des militärischen Airbus A400 M ist. Der Turboprop gibt in
Meereshöhe (Sea Level) eine Wellenleistung von rund 8 200 kW (11 000 shp, Shaft Horse
Power) ab. Der Propeller, der eine maximale Drehzahl von 840 min−1 zulässt, hat einen
Durchmesser von 5.33 m und besteht aus acht verstellbaren Propellerblättern. Die Turbi-
nen dieses Triebwerks benötigen keine Kühlung. Die Turbineneintrittstemperatur beträgt
etwa 1 500 K (≈ 1 230 ◦ C). Im Allgemeinen liegen die Turbineneintrittstemperaturen von
Turboproptriebwerken deutlich unter denen der modernen Strahltriebwerke liegen.
Die Grundlagen der Schuberzeugung eines Propellers werden hier, passend zu den idea-
len Kreisprozessen, anhand der sog. einfachen Strahltheorie hergeleitet8 . Abbildung 7.75
zeigt das dieser Theorie zu Grunde liegende physikalische Modell des sog. freifahrenden
7
EPI, Europrop International GmbH, ist ein Joint-Venture aus vier europäischen Triebwerksher-
stellern, MTU Aero Engines (28 %), Snecma (28 %), Rolls-Royce (28 %) und Industria de Turbo
Propulsores (Sener Aeronáutica und Rolls-Royce, 16 %) aus Spanien. Hauptsitz ist München. Eine
Nebenstelle befindet sich in Madrid. Das einzige Produkt ist das EPI TP400-D6 Turboproptriebwerk
für den militärischen Airbus A400M.
8
Die einfache Strahltheorie wurde 1862 von William, John Rankine (schottischer Ingenieur:
*5.7.1820 †24.12.1872) begründet und 1878 von William Froude (englischer Ingenieur und
Schiffsbauer: *1810 †1879) erweitert.
7.8 Turboprop 603
π
FProp = AProp ⋅ ⋅ (c2j − c02 )= DProp
2
⋅ ⋅ (c2j − c02 )⋅
2 8
c
infinitesimal
A A′ B′ B
p′B
p
+
statischer Druckverlauf
pA = p0 − pB = p0 längs der Stromröhre mit
DProp
einer Diskontinuität in
der Propellerebene
p′A
c
cB = cj
kontinuierlicher Verlauf
cM ≈ c′A ≈ c′B
cA = c0 c + c0 der Geschwindigkeit
cM = j längs der Stromröhre
2
Abb. 7.75 Grundlegende Darstellung zur theoretischen Durchströmung eines Propellers entspre-
chend der einfachen Strahltheorie nach Rankine und Froude
Propellers9 . Die Form der Stromröhre bzw. der Randstromlinien entsteht dadurch, dass
über den Propeller der Strömung Energie zugeführt und diese in kinetische Energie gewan-
delt wird, d. h., die Strömung wird beschleunigt. Entsprechend der Bernoulli-Gleichung
verringert sich der Strömungsquerschnitt analog zur Steigerung der Strömungsgeschwin-
digkeit. Die Beschleunigung der Strömung über den Propeller erfolgt reibungsfrei, d. h.,
isentrop. Die durch den Propeller entstehende Schubkraft FProp wirkt gleichmäßig über
den gesamten Propellerquerschnitt AProp , was theoretisch einer unendlichen Anzahl von
Propellerblättern gleichkommt und was eine gleichmäßige Druckverteilung über den Pro-
pellerquerschnitt voraussetzt. Des Weiteren soll die Verdrehung des Strahls hinter dem
Propeller (Schraubenwirkung) keinen Einfluss auf die axiale Strömungsgeschwindigkeit
haben. Weit vor und weit hinter dem Propeller hat sich der statische Druck in der Strö-
mung dem Umgebungsdruck p0 angeglichen: pA = p0 und pB = p0 . Damit gilt nach
9
Es gibt keine Beeinflussung der Strömung durch den Gasgenerator und/oder durch das Flugzeug.
604 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
Die Nutzleistung PN,Prop , die für den Propeller aus dem Kreisprozess des Gasgenerators
unter Vernachlässigung aller Verluste bereitgestellt werden muss, kann mittels der Gln.
(6.108), (7.221) und (7.222) bestimmt werden:
ṁProp 2 ṁ
Prop
PNProp = · cj − c02 = · (cj − c0 ) · (cj + c0 )
2 2
PNProp = ṁProp · cM · (cj − c0 ) = cM · FProp (7.224)
Die Schubleistung des Propellers PF,Prop bestimmt sich nach Gl. (6.110):
sodass man zusammen mit den Gln. (7.222) und (7.224) den folgenden Ausdruck für den
Propellerwirkungsgrad erhält:
c0 · FProp c0 2 · c0 2
ηProp = = = = (7.228)
cM · FProp cM c0 + c j 1 + (cj /c0 )
Für cj = c9 entspricht dieser Ausdruck der Gl. (6.142) für den Vortriebswirkungsgrad. Zur
Erzielung eines guten Propellerwirkungsgrades muss also bei gegebener Fluggeschwindig-
keit c0 die Strahlgeschwindigkeit cj gering ausfallen. Soll unter diesen Umständen aber auch
ein großer Schub FProp = ṁProp · (cj − c0 ) erzeugt werden, so muss der Massenstrom durch
den Propeller groß ausfallen, was dann aber auch mit einem großen Propellerdurchmesser,
der den Stromröhrenquerschnitt und damit den Massenstrom ansteigen lässt, einhergeht.
Nur im Idealfall, wenn die Propeller-Nutzleitung PN,Prop gleich der vom Gasgenerator
bereitgestellten Leistung PGG ist, entspricht der Propellerwirkungsgrad ηProp dem Vor-
triebswirkungsgrad ηP nach Gl. (7.228). Das heißt, der Vortriebswirkungsgrad stellt stets
die theoretische Grenze für den Propellerwirkungsgrad dar. Aus Gl. (6.42) erhält man:
c0 · FProp c0 · ṁProp · (cj − c0 ) c0 · ρ · cM · AProp · (cj − c0 )
ηProp = = = (7.229)
PGG PGG PGG
Das Einsetzen von Gl. (7.222) führt dann schließlich auf den folgenden Ausdruck:
ρ AProp
ηProp = · · c0 · cj2 − c02 (7.230)
2 PGG
606 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
Durch Erweiterung mit der Fläche AA nach Abb. 7.75 und der Gl. (7.217) für den
Massenstrom ṁProp = ρ · c0 · AA erhält man:
ηProp = (ρ/2) · [AA · (AProp /AA )/PGG ] · c0 · cj2 − c02 =
ṁProp 2 1 AProp
ηProp = · cj − c02 · · (7.231)
2 PGG AA
Bei Gl. (6.76) wurde gezeigt, dass die Nutzleistung der Änderung der kinetischen Ener-
gien zwischen dem Aus- und dem Eintritt eines Bezugsraumes entspricht. Wird diese
Grunddefinition auf den Propeller nach Abb. 7.75 übertragen, so folgt:
ṁProp 2
PNProp = · cj − c02 (7.232)
2
Die Kombination der Gln. (7.231) und (7.232) ergibt dann:
PNProp AProp
ηProp = · (7.233)
PGG AA
Dieser Ausdruck zeigt, dass selbst im Idealfall, wenn PN,Prop = PGG gilt, der Propeller-
wirkungsgrad nie eins werden kann, da bei einem funktionierenden Propeller ja stets
AProp < AA gilt. Praktisch wird auch immer PN,Prop < PGG gelten, d. h., nicht alle Leistung,
die der Gasgenerator zur Verfügung stellt, kann am Propeller in Nutzleistung gewandelt
werden. Der Unterschied wird durch den sog. Verlustwirkungsgrad ηL beschrieben:
PNProp ṁProp 2
ηL := = · cj − c02 (7.234)
PGG 2 · PGG
Damit ergibt sich der Propellerwirkungsgrad zu:
ηProp := ηP · ηL (7.235)
Nur im Idealfall ist ηL = 1 und damit der Propellerwirkungsgrad gleich dem Vortriebswir-
kungsgrad. Aus Gl. (7.233) folgt dann auch:
AProp AProp
ηProp = ηL · mit ηP = (7.236)
AA AA
7.8.2 Leistungskoeffizienten
Nach Gl. (6.48) berechnet sich die gesamte Vortriebsleistung eines Turboprop zu:
Hierin ist FGG der Restschub, den der Heißgasstrom des Gasgenerators nach Verlassen
der Arbeitsturbine noch zu erzeugen vermag. Das Produkt FGG · c0 ist die Schubleistung
7.8 Turboprop 607
des Turboprops infolge des Heißgasausstoßes. PGG ist die Wellenleistung des Gasge-
nerators (im Realfall: nach Abzug der Getriebeverluste), die über den Propeller unter
Berücksichtigung des Propellerwirkungsgrades ηProp in Schubleistung umgesetzt werden
kann. Werden diese Leistungen auf den Luftmassenstrom des Gasgenerators bezogen und
mit der statischen Enthalpie h0 = cp · T0 der Zuströmung dimensionslos gemacht, so
ergeben sich daraus per Definition die drei so genannten und nachfolgen aufgelisteten
Leistungskoeffizienten (Work Output Coefficients) eines Turboproptriebwerks:
FGG · c0
KGG := Restschub-Leistungskoeffizient (7.238)
ṁ0 · cp · T0
ηProp · P GG
KProp := Propeller-Leistungskoeffizient (7.239)
ṁ0 · cp · T0
Wird in Gl. (7.229) die Gl. (7.239) eingesetzt, so ergibt sich eine Gleichung für den
Propellerschub FProp :
ṁ0 · cp · T0 κ · Ri T0
FProp = KProp · = KProp · ṁ0 · ·
c0 κ − 1 c0
ṁ0 κ · Ri · T0 c0 ṁ0
= KProp · · · c0 = KProp · ·
2 κ − 1 2 κ − 1
c02 · · Ma20
2 2
c0 ṁ0
FProp = KProp · · (7.241)
2 τ0 − 1
Hierin sind die Beziehungen cp = κ · Ri /(κ − 1), Ma20 = c02 /(κ · Ri · T0 ) und entsprechend
der Gl. (6.1) der Ausdruck (τ0 − 1) = Ma20 · (κ − 1)/2 verarbeitet worden.
Durch Umstellen der Gl. (7.238) ergibt sich dann auch eine Beziehung für den Restschub
FGG des Gasgenerators:
ṁ0 · cp · T0 c0 ṁ0
FGG = KGG · = KGG · · (7.242)
c0 2 τ0 − 1
Der Gesamtschub des Turboprops berechnet sich dann schließlich aus der Beziehung:
ṁ0 · cp · T0 c0 ṁ0
F = FProp + FGG = Kges · = Kges · · (7.243)
c0 2 τ0 − 1
Wird nun in der Gl. (7.242) der Massenstrom durch die Kontinuitätsgleichung
ṁ0 = ρ0 · A0 · c0 ersetzt und über PFGG = FGG · c0 eine Gasgenerator-Schubleistung be-
stimmt, so entsteht zusammen mit Gl. (7.234) der folgende Ausdruck für die erforderliche
Nutzleistung des Kreisprozesses:
ρ0 c03
PNProp = PFGG · ηL = FGG · c0 · ηL = KGG · ηL · A0 · · (7.244)
2 τ0 − 1
608 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
0 2 3 4 D.O 5 9
HDT
NDT
Lufteinlass
Düse
Abb. 7.76 Bezugsebenen-Nummerierung bei einem Turboprop mit einem Einzelverdichter und
einer freien Arbeitsturbine auf separater Welle zum Propellerantrieb. HDT Hochdruckturbine als
Antrieb des Gasgeneratorverdichters. NDT Niederdruckturbine als Propellerantrieb
Hierin tritt die Fluggeschwindigkeit in der dritten Potenz auf: PN ∼ c03 . Soll also bei
einem Propellerantrieb beispielsweise die Fluggeschwindigkeit c0 verdoppelt werden, so
würde dies eine Verachtfachung (23 = 8) der erforderlichen Antriebsleistung bedeuten,
vgl. hierzu auch die Ausführungen in Kap. 1.6. Bei den reinen Strahltriebwerken, Turbojet
und Turbofan, ist im Übrigen die erforderliche Leistung nur dem Quadrat der Flugge-
schwindigkeit proportional: PN ∼ c02 , wie sich z. B. schnell mittels der Gl. (6.108) zeigen
lässt.
Abbildung 7.76 zeigt die Nummerierung der Bezugsebenen beim Turboprop, so wie sie im
folgenden Text verwendet werden. Den zugehörigen Kreisprozess im h-s-Diagramm zeigt
Abb. 7.77. Es wird davon ausgegangen, dass – im Gegensatz zum Fan eines Zweistromtrieb-
werks – der vor dem Gasgenerator sitzende Propeller keinen Einfluss (Vorverdichtung) auf
den Kreisprozess hat. Die direkt auf die Brennkammer folgende Hochdruckturbine (HDT)
treibt den Verdichter an. Die Niederdruckturbine (NDT) oder freie Arbeitsturbine liefert
über eine separate Welle und ein „verlustfreies“ Getriebe die Leistung für den Propeller.
Die nach der Arbeitsturbine noch im Abgas verbleibende Restenergie wird über eine star-
re konvergente Schubdüse in Strahlschub umgesetzt. Das Druck- und Temperaturniveau
hinter der Arbeitsturbine ist so niedrig, dass in der Schubdüse zu keinem Zeitpunkt Schall-
geschwindigkeit erreicht werden kann. Es gilt in der Schubdüsenaustrittsfläche 8 = 9
p9 = p0 . Da der Kreisprozess in Abb. 7.77 von den Relationen her korrekt dargestellt
ist, sollte beachtet werden, wie gering die Triebwerksaustrittsgeschwindigkeit c9 aus-
fällt, was typisch für diesen Triebwerkstyp ist. Turboproptriebwerke kommen im unteren
Fluggeschwindigkeitsbereich zum Einsatz, sodass auch die Geschwindigkeit c0 gering ist.
7.8 Turboprop 609
h
4
ht4 ht4
|wHDT|=wV
D.O
qzu p t4
p t3= p t4.5 ht4,5
|wNDT|
ht5 = ht9
3
ht3 5 c92
p t5=p t9
9 h9 2
wV
=p t0 p 0=p 9
ht2=ht1 2 p t2=p t1
h0 0
c02
2
s
Beim Turboprop ist es weniger üblich, den Schub F anzugeben, als vielmehr die Schub-
leistung PFTP nach Gl. (7.237). In diesem Zusammenhang sei noch einmal ergänzend
auf Kap. 6.6 hingewiesen, wo die zugehörigen Begriffe „Wellenvergleichsleistung“ bzw.
„äquivalente Leistung“ ausführlich erläutert wurden. Die Gln. (7.237) und (7.243) zei-
gen, dass zur Berechnung sowohl des Schubes als auch der Leistung die Angabe eines
Propellerwirkungsgrades ηProp notwendig ist. In der Gl. (7.237) ist ηProp explizit und in
Gl. (7.243) implizit über den Gesamt-Leistungskoeffizienten Kges enthalten. Bei Mattingly
et al. (1987) ist ein einfaches Modell zur Abschätzung des Propellerwirkungsgrades ηProp
in Abhängigkeit der Flugmachzahl Ma0 gegeben:
ηProp = 10 · Ma0 · ηProp max Ma0 ≤ 0.10 (7.245)
ηProp = ηProp max 0.10 < Ma0 ≤ 0.70 (7.246)
Ma0 − 0.7
ηProp = ηProp max · 1 − 0.70 < Ma0 < 0.85 (7.247)
3
Im Folgenden wird für den maximalen Propellerwirkungsgrad (ηProp )max = 0.85 gesetzt
werden, was als Mittelwert durchaus dem derzeitigen Stand der Technik entspricht, obwohl
vereinzelt in der Literatur auch Propellerwirkungsgrade bis hin zu etwa 0.9 zu finden sind.
Für die beiden Turbinen des Turboprops nach Abb. 7.76 werden nun noch die folgenden
Druck- und Temperaturverhältnisse definiert:
pt4,5 Tt4,5
πHDT = τHDT = (7.248)
pt4 Tt4
610 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
pt5 Tt5
πNDT = τNDT = (7.249)
pt4,5 Tt4,5
Entsprechend Gl. (7.243) berechnet sich der spez. Schub FS des gesamten Turboprop zu:
F FProp FGG cp · T0 c p · T0
FS = = + = Kges · = (KProp + KGG ) · (7.250)
ṁ0 ṁ0 ṁ0 c0 c0
Dieses Ergebnis zeigt, dass es zur Berechnung des spez. Schubes genügt, die beiden Lei-
stungskoeffizienten KProp und KGG zu bestimmen. Die in KProp nach Gl. (7.239) enthaltene
Leistung des Gasgenerators PGG , ist die Leistung, die die Arbeitsturbine zwischen den Be-
zugsebenen 4.5 und
5 an den Propeller abgibt und die entsprechend des Energiesatzes für
Turbomaschinen nach den Gln. (18.6) und (18.102) berechnet werden kann:
Tt4,5 Tt5
PGG = ṁNDT · cp · (Tt4,5 − Tt5 ) = ṁ0 · cp · Tt4 · − (7.251)
Tt4 Tt4
Hierbei ist der Massenstrom, der durch die Niederdruckturbine (NDT) strömt, identisch
mit dem, der in den Gasgenerator eintritt, d. h., der Anteil an Brennstoffmassenstrom wird,
genau wie in den Kapiteln zuvor, vernachlässigt. Nach Erweitern der vorhergehenden
Beziehung mit der Turbineneintrittstemperatur Tt4 und anschließendem Einsetzen der
Gln. (7.248) und (7.249) ergibt sich:
Tt5 Tt4,5
PGG = ṁ0 · cp · Tt4 · τHDT − · = ṁ0 · cp · Tt4 · τHDT · (1 − τNDT ) (7.252)
Tt4,5 Tt4
Die Kombination dieser Gleichung mit der Gl. (7.239) und das Einführen der dimensions-
losen Turbineneintrittstemperatur τλ ergibt dann schließlich:
Das Temperaturverhältnis τHDT der Hochdruckturbine wird nach Gl. (7.22) bestimmt, das
für den Turbojet abgeleitet wurde. Der Gasgenerator des Turboprop ist vom Aufbau, und
damit auch von den Gleichungen, her identisch mit dem des Turbojet, sodass gilt:
κ−1 τ0
τHDT = πHDT
κ
=1− · (τV − 1) (7.254)
τλ
Das Einsetzen in Gl. (7.253) ergibt dann so schließlich:
Der hierin enthaltene spez. Schub des Gasgenerators FGG /ṁ0 kann durch Gl. (6.9)
ausgedrückt werden:
FGG c9
= c9 − c0 = c0 · −1 (7.257)
ṁ0 c0
Zusammen mit Gl. (7.3) ergibt sich hieraus:
FGG T9
= a0 · Ma9 · − Ma0 (7.258)
ṁ0 T0
Beim Turbojet ist mit Gl. (7.18) bereits ein Ausdruck für die Triebwerksaustrittsmachzahl
Ma9 angegeben worden, der nur noch geringfügig verändert werden muss, um ihn auch
für den Turboprop anwenden zu können. Mit τT = τHDT · τNDT und mit Gl. (7.254) wird
daraus:
2 τ0
Ma9 = · τ 0 · τV · 1 − · (τV − 1) · τNDT − 1 (7.261)
κ −1 τλ
Ebenfalls beim Turbojet ist mit Gl. (7.16) ein Ausdruck zu finden, der direkt für das
Temperaturverhältnis T9 /T0 in Gl. (7.260) genutzt werden kann. Zusammen mit Gl. (7.261)
ergibt sich so aus Gl. (7.260):
2 τλ
KGG = (κ − 1) · Ma0 τNDT [τλ − τ0 · τV − 1 ] − − Ma0 (7.262)
κ −1 τ0 τV
Damit kann der spezifische Schub des idealen Turboprop aus der Kombination der drei
Gln. (7.250), (7.255) und (7.262) ermittelt werden:
a0
FS = (KProp + KGG ) · (7.263)
(κ − 1) · Ma0
Mit cp = κ · Ri /(κ – 1), a0 = (κ · Ri · T0 )½ und Ma0 = c0 /a0 kann die Gl. (7.263) auch direkt
aus der Beziehung (7.250) abgeleitet werden. Neben den generellen Auslegungsparame-
tern Ma0 bzw. τ0 , T0 , κ und Ri treten folgende weitere Parameter für einen Turboprop
612 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
auf: πV , τλ , τNDT und ηProp . Wenn man einmal davon ausgeht, dass der Propellerwir-
kungsgrad mit ηProp ≈ 0.85 in etwa eine Konstante ist, so ist im Vergleich zu allen anderen
bisher betrachteten Triebwerken nun das Temperaturverhältnis der Niederdruckturbine
τNDT als neuer Auslegungsparameter hinzugekommen. Neben dem Verdichterdruckver-
hältnis πV ist das Temperaturverhältnis der Niederdruckturbine τNDT als bedeutendster
Auslegungsparameter eines Turboprops anzusehen. Über τNDT wird implizit die vom
Wellenleistungstriebwerk abzugebende Leistung beschrieben.
Zur Bestimmung der spez. Arbeit wTP des Turboprop (Specific Power) wird von Gl.
(7.237) ausgegangen und dort die beiden Leistungskoeffizienten entsprechend der Gln.
(7.238) und (7.239) eingesetzt. Gemäß Gl. (18.7) ergibt die Division einer Leistung durch
einen Massenstrom eine spezifische Arbeit:
PFTP
wTP = = (KProp + KGG ) · cp · T0 (7.264)
ṁ0
Durch das Einsetzen der beiden Gln. (7.255) und (7.262) für KProp und KGG in den obigen
Ausdruck wird die Gleichung auswertbar. Das Auflösen der Gl. (7.264) nach dem Ausdruck
(KProp + KGG ) und das Einsetzen dieses Ergebnisses in die Gl. (7.263), ergibt dann den
folgenden relativ einfachen Zusammenhang:
wTP
FS = (7.265)
c0
Das heißt, der spez. Schub des idealen Turboprop ist die auf die Fluggeschwindigkeit c0
bezogene spez. Leistung bzw. spez. Arbeit wTP = PFTP /ṁ0 des Triebwerks.
Die Grunddefinition für den spez. Brennstoffverbrauch des Turboprops ist durch Gl. (6.54)
gegeben, wo der Brennstoffmassenstrom auf die äquivalente Leistung Päq bezogen ist. Die
äquivalente Leistung Päq ist entsprechend Gl. (6.47) die gesamte Schubleistung, dividiert
durch den Propellerwirkungsgrad:
ṁB PFTP
BS = und Päq =
Päq ηProp
ṁB /ṁ0 β
BS = ηProp · = ηProp · (7.266)
PFTP /ṁ0 wTP
Turbojet und Turboprop sind vom Aufbau des Gasgenerators her direkt vergleichbar. Von
daher ist die Gleichung für den thermischen Wirkungsgrad des Turboprops identisch mit
der Gl. (7.43) des Turbojet:
1
ηth = 1 − (7.268)
τ0 · τ V
Der Gesamtwirkungsgrad ηges des Turboprop wird aus der Grunddefinition nach Gl.
(6.144), ηges = wF /qB , ermittelt, wenn dort für wF die spez. Arbeit wTP entsprechend
Gl. (7.264) eingesetzt wird. Für die im Brennstoff enthaltene spez. Wärmeenergie qB wird
Gl. (6.20) verwendet, qB = β · Hi . Zusammen mit Gl. (6.5) ergibt sich so:
wTP PFTP PFTP
ηges = = = (7.269)
qB ṁ0 · β · Hi ṁB · Hi
Die Kombination dieses Ausdrucks mit den Gln. (7.33) und (7.264) führt dann auf die
folgende Beziehung:
(KProp + KGG )
ηges = (7.270)
τλ − τ 0 · τ V
(KProp + KGG )
ηP = (7.271)
τλ
− 1 · [τ0 · τV − 1]
τ0 · τ V
Die Auftragung des spezifischen Brennstoffverbrauchs BS nach Gl. (7.267) über dem
Temperaturverhältnis τNDT der Niederdruckturbine zeigt Abb. 7.78. Offensichtlich gibt
es ein optimales Turbinentemperaturverhältnis τT = τTopt = τHDT · τNDT , bei dem der spez.
Brennstoffverbrauch ein Minimum BSmin hat. Durch das Zusammenführen der Gln. (7.264)
und (7.266):
ηProp · β 1
BS = · (7.272)
cp · T0 KProp + KGG
ergibt sich eine Gleichung, mit der dieses Minimum recht einfach bestimmt werden kann,
indem BS nach τT abgeleitet wird. Alle Größen des ersten Quotienten sind unabhängig
614 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
0.160
BS Ma 0 = 0.56
⎡ kg/h ⎤ τλ = 4.47
⎢ ⎥
⎢ äq kW ⎥ πV = 13.3
⎣ ⎦
ηProp = 0.85
0.155
BSmin
τ NDTopt
0.150
0.610 0.630 0.650 0.670 0.690
T
τ NDT = t 5
Tt 4,5
von τT , lediglich für die beiden Leistungskoeffizienten im Nenner des zweiten Quotienten
existiert eine solche Abhängigkeit. Folglich hat der spez. Brennstoffverbrauch BS sein
Minimum dort, wo Kges = KProp + KGG ein Maximum hat:
∂Kges
BS = BSmin ⇔ Kges = Kges max ⇒ := 0
τT
Mit τT = τHDT · τNDT und aus den Gln. (7.253) und (7.260) ergibt sich:
T9
Kges = ηProp · τλ · (τHDT − τT ) + (κ − 1) · Ma0 · Ma9 · − Ma0 (7.273)
T0
In dieser Gleichung ist auch Ma9 von τT abhängig, sodass sich durch Ableiten nach τT und
gleichzeitiges Einsetzen der Gl. (7.16) für T9 /T0 der folgende Ausdruck ergibt:
T9
Kges = ηProp · τλ · (τHDT − τT ) + (κ − 1) · Ma0 · Ma9 · − Ma0 (7.274)
T0
Die hierin enthaltene Ableitung ∂/∂τT (Ma9 ) wird mittels der Kettenregel der Differenzial-
rechnung und unter Verwendung von Gl. (7.261) ausgewertet:
∂ 1 ∂ 1 ∂ 2
(Ma9 ) = · ( Ma9 ) =
2
· · (τ0 · τV · τT − 1)
∂τ 2 · Ma9 ∂τ 2 · Ma9 ∂τ κ − 1
∂ 1 τ0 · τV
(Ma9 ) = · (7.275)
∂τ Ma9 κ − 1
7.8 Turboprop 615
Das Einsetzen in Gl. (7.274) und anschließendes Umstellen nach Ma9 ergibt:
Ma0 τ0 · τ V
Ma9 = · (7.276)
ηProp τλ
Basis für die Berechnungen sind die folgenden Grunddaten: H0 = 7.25 km, T0 = 241 K,
κ = 1.4, Ri = 287 Nm/(kg · K) und Hi = 4.31 · 107 Nm/kg.
Die Parameter bei der Kreisprozessanalyse des idealen Turboprop beschränken sich
auf wenige Größen, die im Wesentlichen identisch mit denen des Turbojets sind:
Ma0 , T0 , τλ und πV . Beim Turboprop kommt nun noch als weitere Größe das Tempe-
raturverhältnis τNDT der Niederdruckturbine hinzu, also der Turbine des Gasgenerators,
die Arbeit über eine Welle nach außen (zum Propeller hin) abgibt.
616 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
1 .0 0
Ma0 = 0.56
τλ = 4.47
Ma9
ηProp = 0.85
15.0
17.5
0 .7 5 20.0
25.0
30.0 12.5
10.0
Ma9 = Ma0 = 0.56 7.5 π V = 5.0
0 .5 0 Verbindungslinie
aller τ NDTopt
Verbindungslinie
aller c9 = c0
0 . 25
0 .5 5 0 .6 5 0 .7 5 τ NDT 0 .8 5
Abb. 7.79 Austrittsmachzahl eines idealen Turboproptriebwerks, aufgetragen über dem Tempera-
turverhältnis der Niederdruckturbine (freie Arbeitsturbine)
Abbildung 7.79 zeigt die Auswertung von Gl. (7.261). Außerdem ist das Ergebnis der
Gl. (7.279) als „Verbindungslinie aller τNDT,opt “ mit eingetragen worden, also die Stelle,
an der der spezifische Brennstoffverbrauch sein Minimum hat. Im Falle ηProp = 1 fällt
diese Verbindungslinie mit der „Verbindungslinie aller c9 = c0 “ nach Gl. (7.277) zu-
sammen. Die Triebwerksaustrittsmachzahlen Ma9 liegen im Bereich des günstigsten Ver-
brauchs BSmin stets deutlich unterhalb der jeweils aktuell vorliegenden Flugmachzahl Ma0
(hier Ma0 = 0.56).
Bei gegebenem Verdichterdruckverhältnis πV gehören zu kleinen Triebwerksaustritts-
machzahlen Ma9 bzw. zu kleinen spezifischen Brennstoffverbräuchen BS auch kleine Werte
für das Niederdruckturbinentemperaturverhältnis τNDT = Tt5 /Tt4,5 , was einem großen
Unterschied zwischen Tt4,5 und Tt5 entspricht, also einem großen Turbinentempera-
turgefälle. Je größer das Verdichterdruckverhältnis πV ist, umso größer muss auch das
Temperaturgefälle der Niederdruckturbine ausfallen.
Abbildung 7.80 zeigt links die auf den Luftmassenstrom bezogene spezifische äqui-
valente Leistung, aufgetragen über dem Verdichterdruckverhältnis. Die dort dargestellte
Leistung berechnet sich aus den Gln. (6.47), (7.264) und (7.265):
350 0 .4
Päq τ NDTopt τ NDT = 0.60 BS Ma0 = 0.56
m0 0.65 ⎡ kg/h ⎤
⎢ ⎥ τλ = 4.47
⎡ äq kW ⎤ ⎢ äqkW ⎥ ηProp = 0.85
⎢ ⎥ ⎣ ⎦
⎢ kg/s ⎥
⎣ ⎦ 0.70 0 .3
250 0.75
τ NDT
0.80
0.90
τ NDTopt
200 0.85
0.85
0.90 0 .2
0.80
0.75
150
Verbindungslinie 0.70
aller Leistungsmaxima 0.65
0.60
100 0 .1
1 11 21 πV 31 1 11 21 πV 31
Abb. 7.80 Auf den Massenstrom bezogene spezifische äquivalente Leistung Päq und spezifi-
scher Brennstoffverbrauch BS , aufgetragen über dem Verdichterdruckverhältnis πV , mit dem
Temperaturverhältnis der Niederdruckturbine τNDT als Parameter
Abb. 7.81 Auf den Massenstrom bezogene spezifische äquivalente Leistung Päq , spezifischer Brenn-
stoffverbrauch BS und das optimale Temperaturverhältnis der Niederdruckturbine τNDT , aufgetragen
über der Flugmachzahl Ma0 , mit dem Verdichterdruckverhältnis πV als Parameter
Abb. 7.82 Wirkungsgrade ηth , ηP , ηges und die Leistungskoeffizienten KGG , KProp , Kges , aufgetragen
über dem Verdichterdruckverhältnis πV , mit dem Temperaturverhältnis der Niederdruckturbine
τNDT als Parameter
hältnis signifikant zu. Ab πV ≈ 12 sind nur noch marginale Änderungen zu erkennen. Die
Propellerleistung, die durch KProp beschrieben wird, nimmt mit zunehmendem Verdich-
terdruckverhältnis ab. Der Verlauf von Kges ist sehr ähnlich dem Verlauf der spezifischen
äquivalenten Leistung in Abb. 7.80 links.
Beispiel 7.9
Regionalflugzeug mit zwei Turboproptriebwerken. Das Flugzeug Bombardier de Ha-
villand Dash 8, Series 200B sei mit 2 Turboprops ausgestattet, die in H0 = 7 250 m
(T0 = 241 K) Höhe bei einer Flugmachzahl von Ma0 = 0.56 eine äquivalente Leistung
von Päq = 1 565 äq kW liefern. Es kommen Hamilton Standard 14RF-9 Propeller
mit einem Wirkungsgrad ηProp = 0.85 zum Einsatz. Als weitere Triebwerksdaten sind
πV = 13.3 und Tt4 = 1 078 K bekannt. Das Temperaturverhältnis der Niederdrucktur-
bine entspricht dem Optimalwert τNDT = τNDTopt . Es sind die Totaltemperaturen hinter
Verdichter und Turbine, Tt3 und Tt5 , zu berechnen.
√
a0 = κ · Ri · T0 = 1.4 · 287 · 241 = 311.197 m/s
c0 = Ma0 · a0 = 0.56 · 311.197 = 174.27 m/s
κ −1
τ0 = 1 + · Ma20 = 1 + 0.2 · 0.56 · 0.56 = 1.0627
2
620 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
Tt4 1 078
τλ = = = 4.4726
T0 241
κ−1
τV = πV κ = 13.30.285714 = 2.0946
Tt3 κ−1 κ−1
τV = = πV κ ⇒ Tt3 = Tt0 · πV κ mit Tt2 = Tt0 (isentroper Einlauf)
Tt2
Tt0 = T0 · τ0 = 241 · 1.0627 = 256.142 K
Tt3 = 256.142 · 13.30.285714 = 536.514 K
Tt5
τT = = τHDT · τNDT
Tt4
τ0 1.0627
τHDT =1− · (τV − 1) = 1 − · (2.0946 − 1) = 0.7399
τλ 4.4726
τ0 1.0627
τHDT = 1 − · (τV − 1) = 1 − · (2.0946 − 1) = 0.7399
τλ 4.4726
1 κ −1 Ma0 2 1
τTopt = + · =
τ0 · τV 2 · τλ ηProp 1.0627 · 2.0946
2
0.4 0.56
+ · = 0.4687
2 · 4.4726 0.85
−1
τ0
τNDT = τNDTopt = τTopt · 1 − · (τV − 1)
τλ
−1
1.0627
= 0.4687 · 1 − · (2.0946 − 1) = 0.6334
4.4726
τT = τHDT · τNDT = 0.7399 · 0.6334 = 0.4687 = τTopt
Tt5 = Tt4 · τT = 1 078 · 0.4687 = 505.207 K = Tt9
2 Tt9 505.207
Ma9 = · −1 = 5· − 1 = 0.4648
κ −1 T9 484.283
√
a9 = κ · Ri · T9 = 1.4 · 287 · 484.283 = 441.118 m/s
c9 = a9 · Ma9 = 441.118 · 0.4648 = 205.024 m/s
c0 174.2706
= = 0.85 = ηProp
c9 205.0242
7.9 Turboshaft 621
7.9 Turboshaft
Das Turboshafttriebwerk ist dem Turboproptriebwerk sehr ähnlich, mit dem einzigen
Unterschied, dass die Wellenleistung nicht konkret an einen Propeller sondern über eine
Abtriebswelle und ein Getriebe an ein mehr oder weniger beliebiges anzutreibendes Fahr-
zeug abgegeben wird. Der Turboshaft als Triebwerk endet also mit der leistungsabgebenden
Welle. Abbildung 7.83 zeigt skizzenhaft zwei Beispiele für diesen Triebwerkstyp. Das Ab-
gas wird nicht durch eine separate Schubdüse geleitet, sodass auch kein Restschubanteil
existiert. Zusammen mit einem nachgeschalteten Untersetzungsgetriebe werden Turbo-
shafttriebwerke in der Luftfahrt insbesondere zum Antrieb von Hubschraubern genutzt.
622 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
Abgas
Abb. 7.83 Beispiele für Turboshafttriebwerke; oben General Electric T-64 (Forward Drive), z. B.
Hubschrauber Sikorsky CH-53E Super Stallion, unten General Electric T-58 (Rearward Drive), z. B.
Hubschrauber Boeing-Vertol CH-46. Basisbilder mit freundlicher Genehmigung von GE Aircraft
Engines
Außerhalb der Luftfahrt dienen sie zum Antrieb von Schiffen, Zügen, sonstigen Nutzfahr-
zeugen und Panzern. Auch als Antrieb für Pumpen in langen Überland-Rohrleitungen
(Pipelines) finden die Turboshafts ihren Einsatzzweck, ebenso wie in der Industrie,
wo sie als Luftkompressoren und – über Generatoren – als elektrische Stromerzeuger
Verwendung finden.
Wegen der Ähnlichkeiten zwischen Turboprop- und Turboshafttriebwerken können
zum einen der Kreisprozess mit c0 = c9 nach Abb. 7.77 als auch die Gleichungen des
vorherigen Kapitels für das hier zu behandelnde Turboshafttriebwerk direkt übernommen
werden, wenn dort nur ηProp = 1 und der Restschub-Leistungskoeffizient KGG = 0 bzw. der
Restschub FGG = 0 gesetzt werden. Die Leistung PGG ist dann die vom Gasgenerator des
Turboshaft nach außen abgegebene Wellenleistung PTS . Aus Gl. (7.252) wird damit:
Aus KProp nach Gl. (7.255) ergibt sich mit ηProp = 1 nun der sog. Wellen-
Leistungskoeffizient KWL :
PTS
wTS = = cp · T0 · KWL (7.286)
ṁ0
Hierbei ist wTS die spez. Arbeit, die ein idealer Turboshaft nach außen über seine Welle
abgibt und PTS die zugehörige Leistung. Wegen FGG = 0 gilt nach Gl. (7.257) auch c9 = c0
und damit nach Gl. (7.258) auch:
T9
Ma0 = Ma9 · (7.287)
T0
Zusammen mit Gl. (7.16) für T9 /T0 , Gl. (7.261) für Ma9 , Gl. (7.254) für τHDT und Gl. (6.1)
für τ0 ergibt sich daraus der folgende Ausdruck für τNDT :
τλ
τ0 − 1 +
τ0 · τ V
τNDT = ⇔ wenn c9 = c0 gilt (7.288)
τλ − τ0 · (τV − 1)
Das Einsetzen dieses Ausdrucks in Gl. (7.284) ergibt den folgenden Ausdruck für den
Wellen-Leistungskoeffizienten:
1
KWL = τλ · 1 − + (1 − τ0 · τV ) (7.289)
τ0 · τ V
Der erste Klammerausdruck in dieser Beziehung ist identisch mit dem thermischen
Wirkungsgrad nach Gl. (7.268), sodass auch geschrieben werden kann:
Hierin ist der Ausdruck (1 – τ0 · τV ) = −ηth · τ0 · τV , der sich aus Gl. (7.268) ergibt,
berücksichtigt worden. Das Einsetzen der Gl. (7.33) macht hieraus:
β · Hi
KWL = ηth · (7.291)
cp · T 0
Für die spez. Arbeit des idealen Turboshaft nach Gl. (7.286) ergibt sich damit der einfache
Ausdruck:
Dieser Ausdruck ist identisch mit der spez. Nutzarbeit einer allgemeinen Verbrennungs-
kraftanlage oder eines Verbrennungsmotors (Kolbenmotor), Baehr (1992). Dies sehen wir
auch aus Gl. (6.115), wo |wN | = ηth · qzu bei vollständiger Verbrennung mit ηBK = 1 gilt.
Bei vollständiger Verbrennung ist qB = qzu , sodass man dann aus der Gl. (6.20) auch
qzu = qB = β · Hi erhält. Wird dies in Gl. (6.115) eingesetzt, so entsteht der Ausdruck
wN = wTS = ηth · β · Hi , der mit Gl. (7.292) übereinstimmt.
624 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
Aus den Gln. (7.254) und (7.288) kann nun wegen τT = τNDT · τHDT ein Ausdruck für
das Turbinentemperaturverhältnis gefunden werden:
τ0 − 1 1
τT = + (7.293)
τλ τ0 · τ V
Mit Gl. (7.261) ergibt sich hieraus ein Ausdruck für die Austrittsmachzahl Ma9 aus dem
Turboshafttriebwerk:
2 τ 0 · τV
Ma9 = · · (τ0 − 1) (7.294)
κ −1 τλ
Die sich hieraus ergebende Triebwerksaustrittsgeschwindigkeit c9 = Ma9 · a9 ist gleich der
Fluggeschwindigkeit c0 . Aus Gl. (7.270) ergibt sich mit KGG = 0 und KProp = KWL der
Gesamtwirkungsgrad, wenn für KWL die Gl. (7.290) eingesetzt wird:
ηges = ηth (7.295)
Wegen ηges = ηth · ηP folgt sofort:
ηP = 1 (7.296)
Dieses ist auch anhand der Basisgleichung (6.142) für den Vortriebswirkungsgrad mit
c9 = c0 sofort nachzuvollziehen. Ausgehend von Gl. (7.266) für den spez. Brennstoffver-
brauch BS = β/wTS ergibt sich zusammen mit Gl. (7.292) der folgende Ausdruck:
1 1 β kg/s
BS = =
= in (7.297)
ηth · Hi 1 wTS W
1− · Hi
τ0 · τV
Je besser also der thermische Wirkungsgrad ist, umso geringer wird der spezifische Brenn-
stoffverbrauch werden. Dasselbe trifft für Brennstoffe mit höheren spezifischen Heizwerten
zu, wenn also z. B. an Stelle von Kerosin (Jet A-1) Wasserstoff verwendet wird, da der
Heizwert von Wasserstoff mit Hi = 11.7 · 107 Nm/kg etwa 2.7-mal so groß ist wie der
von Jet A-1. Bevor man aber aus diesem Zusammenhang eventuell voreilige Schüsse zieht,
sollte man sich – der Vollständigkeit wegen – auf jeden Fall zusätzlich auch noch mit den
Textpassagen rund um die Abb. 6.22 in Kapitel 6.15.1 auseinandersetzen.
Abgas verloren geht. Um die Abgasexergie dennoch nutzen zu können, wird die Verbren-
nungsluft, die in die Brennkammer einströmt, durch das Abgas der Turbine vorgewärmt.
Hierzu dient ein zusätzlich im Kreisprozess zu integrierender Wärmetauscher, der auch
als Rekuperator11 bezeichnet wird.
Dabei wird das Abgas um einen gewissen Betrag abgekühlt und – im Idealfall – die
Verdichteraustrittsluft in gleichem Maße erwärmt. Mit diesem Aufbau kann der thermi-
sche Wirkungsgrad merklich gesteigert werden, was aber mit einem zusätzlichen und recht
aufwendigen Bauteil erkauft werden muss. Von daher wird der Einbau eines Rekupera-
tors aus wirtschaftlichen Gründen nur in Ausnahmefällen realisiert. Ausgeführte Beispiele
sind die Aggregate AlliedSignal Lycoming AGT1500 und Allison GMT-305 Whirlfire. Der
AGT1500 Turboshaft ist zwar ein vielfach gefertigtes Serienprodukt, aber als Gasturbinen-
antrieb des amerikanischen Panzers M1A1 Abrams12 keines der Luftfahrt. Der GMT-305
Turboshaft ist ebenfalls ein Antrieb für Landfahrzeuge und hat als erwähnenswerte Be-
sonderheit zwei rotierende Wärmetauscher (Regenerators). Eine kurze Abhandlung dazu,
welches die generellen Unterschiede zwischen Rekuperatoren und Regeneratoren sind,
gibt das nachfolgende Kap. 7.10.1, da beide Typen von Wärmetauschern bereits mehrfach
für den Einsatz bei Flugzeugtriebwerken angedacht wurden.
Abbildung 7.84 zeigt eine Fahrzeuggasturbine der Firma Daimler-Benz in Stuttgart,
zusammen mit den Gasströmungen durch das Aggregat. Das Abgas aus der Arbeitsturbine
strömt dabei durch den Rekuperator, ebenso wie die vom Verdichter kommende Luft.
Diese vom Verdichter kommende Luft, die durch den Verdichtungsvorgang bereits eine
erhöhte Temperatur aufweist, wird durch den Wärmetauscher noch weiter erwärmt und in
diesem Zustand bereits angehobener Temperatur als vorgewärmte Luft der Brennkammer
zugeführt. Als Folge davon muss weniger Brennstoff im Brennraum verbrannt werden,
um die gewünschte Eintrittstemperatur an der Hochdruckturbine zu erhalten. Das senkt
den spez. Brennstoffverbrauch erheblich und verbessert den thermischen Wirkungsgrad.
Das Besondere an der Gasturbine in Abb. 7.84 war, dass versuchsweise keramische Turbi-
nenlaufräder zum Einsatz kamen, die Drehzahlen bis zu 65.000 min−1 aushalten mussten,
Mörgenthaler et al. (1989).
Abbildung 7.85 zeigt schematisch, wie die Komponenten eines Wellenleistungstrieb-
werks mit Rekuperator anzuordnen sind, zusammen mit der Nummerierung der einzelnen
Bezugsebenen. Als neue, bisher noch nicht verwendete Bezugsebene ist nun die Ebene 3.5
11
Lat.: recuperator = „Wiedererwerber“; zugehörig zu: recuperare = „wiedererlangen.“.
12
Für den neuen Abrams M1A2 hat die US Army die von Honeywell International Engines and
Systems und General Electric neu entwickelte LV100-5 Gasturbine ausgewählt. Diese hat deut-
lich weniger Bauteile, ist dadurch leichter und kleiner. Sie zeichnet sich durch eine sehr gute
Beschleunigungsfähigkeit, einen leiseren Lauf und einen kaum wahrnehmbaren Abgasstrom aus.
Der Rekuperator dieses Antriebsaggregats kommt von der MTU Aero Engines in München und ist
praktisch identisch mit dem Abb. 7.94 dargestellten Wärmetauscher.
626 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
vorgewärmte Luft,
zur Brennkammer
Abgas
Luft von der
Luft vom Arbeitsturbine,
Verdichter, durch den
durch den tor Rekuperator
Rekuperator upera
e
Rek trie
b
Ge
Brennstoff-
leitung
Abb. 7.84 Fahrzeuggasturbine der Firma Daimler-Benz aus dem Jahr 1984. Die Hochdruckturbine
und der Verdichter drehen maximal etwa bei 60.000 min−1 , die Arbeitsturbine dreht bei etwa
55.000 min−1 und die höchste Drehzahl am Getriebeabtrieb ist etwa 6.000 min−1 . Versuchsweise
kamen in dieser Fahrzeuggasturbine auch Turbinenlaufräder aus Vollkeramik zum Einsatz
9
kühles Abgas
6
3
3 C.O
Rekuperator
vortemperierte Luft
infolge Verdichtung
5
heißes Abgas
Frischluft
h
4
ht4 ht4
wHDT = wV
=p
t4
qzu .5 ht45
=p
t3
p t3 p t4.5 D.O
wNDT
C.O
ht3.5 ht5
5
=p t3. p qabR K = qzuRK
5
qzuR K p t5=
t9
p t3
3 6 p t6= 2
ht3 c 9 ht6= ht 9
2 h9
9
wV p t1=p t2 p 0=p 9 qab
c02 2 2p t0=
h0 h0
0
ht 0 = ht1 = ht 2
s
Ein Wärmeübertrager ist ein Gerät, in dem Wärme von einer wärmeren Strömung
(Heißgas) an einer kältere Strömung (Abgas) abgegeben (übertragen) wird.
7.10.1.1 Rekuperator
In einem Rekuperator (Wärmetauscher oder Wärmeübertrager) strömen das heißere und
das kältere Medium – durch metallische Bauteile (Wandungen) voneinander getrennt – je-
weils separat durch einen eigenen Strömungskanal. Die Wärmeübertragung erfolgt direkt
durch die Wand hindurch, wobei die ursprünglich kühlere Strömung Wärme von der hei-
ßeren Strömung aufnimmt. Maßgeblich für die Effizienz eines solchen Rekuperators ist die
Wärmeleitfähigkeit der verwendeten metallischen Bauteile, deren Wandungen – als Folge
davon – möglichst dünnwandig und dennoch stabil ausfallen sollten. Die Länge und Form
der Bauteile wird ganz maßgeblich durch die beteiligten Strömungsgeschwindigkeiten mit-
bestimmt. An den Wandungen kommt es in den Strömungen zu Druckverlusten, die beim
durch- und beim umströmen der diversen Wärmeübertragerkomponenten entstehen. Ho-
he Strömungsgeschwindigkeiten führen zwar zu kleineren Wärmeübertragungsflächen,
haben aber andererseits den Nachteil, dass sie für hohe Druckverluste in den Strömungen
verantwortlich zeichnen. Die Abb. 7.84 und 7.85 zeigen typischerweise in Gasturbinen zum
Einsatz kommende Rekuperatoren. An Fahrzeugen sind diese Wärmeübertrager einsatz-
bedingten Schwingungen ausgesetzt. Durch häufiges und plötzliches Beschleunigen oder
Verzögern der Fahrzeuge kommt es außerdem zu schnell wechselnden Temperaturände-
rungen (Wärmebelastungen), die die Rekuperatoren anfällig für Spannungsrissbildungen
macht.
7.10.1.2 Regenerator
Die Wirkungsweise eines Regenerators (Wärmetauscher oder Wärmeübertrager) zu ver-
stehen, ist etwas schwieriger. Diese Konstruktion besteht aus einem „porösen“, waben-
ähnlichen Wärmespeicher größerer Masse (Matrix genannt), in dem eine warme/heiße
Strömung kurzzeitig Wärme abgespeichert (zwischengespeichert) wird, wodurch sich die
beteiligten Matrix-Hohlraum-Wandungen aufwärmen, die daran anschließend diese Wär-
me wieder an einer kältere Strömung abgegeben. Die Matrix wird dazu abwechselnd mal
von einer heißen und mal von einer kalten Strömung durchflossen. Die Durchströmung
eines einzelnen Regenerators erfolgt damit diskontinuierlich, im Gegensatz zu der Durch-
strömung eines Rekuperators, bei dem die Durchströmung kontinuierlich erfolgt. Bei
Rekuperatoren ist es so, dass die wärmere und die kältere Strömung stets durch eine wär-
meleitende Wandung voneinander getrennt sind. Im Gegensatz dazu benetzen die wärmere
und die kältere Strömung eines Regenerators aber immer abwechselnd ein und denselben
Bereich der Wärmeaustauschflächen, die man auch Matrix nennt, Abb. 7.87. Wenn die
wärmere Strömung die Matrix (Anordnung einer Vielzahl von wabenähnlichen Öffnun-
gen) des Regenerators ausfüllt, gibt sie ihre Wärme an die Matrix-Wandungen ab. Danach
verlässt das wärmere Gas die Matrix und kälteres Strömungsmaterial füllt den dadurch
7.10 Turboshaft mit Rekuperator 629
geschlossenes
Gas
kühlt wird
kühle
s Gas Matri
Ventil
x offenes
wird des Rege Ventil
abge
kühlt nerators
abge Matrix
Gas kühltes
stationäre Matrix
erwä
Mat Gas rmtes
r
wird ix des R
aufg eg
ehe enerat heiß
izt ors
Gas es erwärmtes
heißes
Gas
Gas
Tu
mi rbop
t R ro
eg p
en
era
tor
Abb. 7.87 Bilder zur prinzipiellen Arbeitsweise von Regeneratoren und deren konzeptionelle
Umsetzung an Flugtriebwerken. Teilbilder: Bilderfundus des Autors
frei werdenden Raum in der Matrix auf, wodurch diese Strömung dann von den warmen
Matrixwandungen erwärmt wird. Anschließend strömt wieder wärmeres Gas nach und
erhitzt die Matrixoberflächen erneuet, usw., usw. Um anstelle eines solchen diskontinuier-
lichen Betriebes einen möglichst kontinuierlichen Betrieb zu gewährleisten benötigt man
zwei Regeneratoren (Doppel-Regeneratoren), so wie sie die Abb. 7.87 oben rechts zeigt.
Dabei findet eine wechselnde Durchströmung der beiden Regeneratoren statt, sodass ein-
mal das wärme Gas gekühlt wird, während das kältere erwärmt wird und dann wieder
630 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
Einleitend war beschrieben worden, dass bei rekuperativen Gasturbinen ohne Zwischen-
kühlung die erreichbaren Verdichterdruckverhältnisse begrenzt sind. Demzufolge stellt
sich sofort die Frage nach einer Quantifizierung dieser Aussage. Aus dem Kreisprozess in
Abb. 7.86 ist dazu abzulesen:
die Punkte 5 und .6 Damit wird Tt3 = Tt5 = Tt6 = Tt9 . Wird Gl. (7.298) mit Tt4 und
Mit Einführung der Gl. (7.293) ist vom vorhergehenden Kapitel die Voraussetzung
c9 = c0 übernommen worden. Setzt man nun dieses Ergebnis in die Gl. (7.299) ein
und stellt sie nach τT = τNDT · τHDT um, so bekommt man daraus einen Ausdruck für den
kleinstmöglichen Zahlenwert des Temperaturverhältnisses der Hochdruckturbine:
τVmax · τ0
τTmax = = τHDT · τNDTmax (7.301)
τλ
Für τHDT kann nun die Gl. (7.254) eingesetzt werden, sodass man durch Umstellen den
folgenden Ausdruck bekommt:
τVmax · τ0
τNDTmax = (7.302)
τλ − τ0 · (τVmax − 1)
Man beachte, dass zwar τNDTmax den kleinsten Zahlenwert ergibt, dass aber dieser
Kleinstwert der größten Leistung der Niederdruckturbine entspricht. Kleinere Verdich-
terdruckverhältnisse als πVmax führen zu größeren Zahlenwerten von τNDTmax , was dann
schließlich einer niedrigeren Leistungsabgabe entspricht. Ebenso wie es beim Turboprop
der Fall war, so muss auch beim rekuperativen Turboshafttriebwerk für die Berechnung
die über die Niederdruckwelle abgegebene Leistung in Form des Temperaturverhältnisses
τNDT vorgegeben werden. In diesem Zusammenhang kann mittels Gl. (7.302) zumindest
ein Grenzwert, für den größtzulässigen Zahlenwert angegeben werden.
Die Wellenleistung, die vom Turboshaft abgegeben wird, ist die Wellenleistung der Nie-
derdruckturbine wTS = |wTS |= |wNDT | und lässt sich mit Gl. (7.286) berechnen. Der darin
enthaltene Wellenleistungs-Koeffizient KWL entspricht der Gl. (7.284), in die τNDT nach
Gl. (7.288) eingesetzt wird. Zusammen mit Gl. (7.293) wird dann daraus:
Beziehungen:
κ−1
κ−1
Tt6 pt6 κ Tt4 pt4 κ
τEX := = und = (7.305)
T9 p9 Tt5 pt5
632 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
Mit τEX wird dabei per Definition das Temperaturverhältnis Tt6 /T9 am Triebwerksaustritt
bezeichnet. Die Multiplikation der beiden Gln. (7.305) ergibt den folgenden Ausdruck:
κ−1
κ−1
pt6 κ pt4 κ Tt4
· = τEX · (7.306)
p9 pt5 Tt5
Wegen τT = Tt5 /Tt4 und wegen pt6 = pt5 wird aus diesem Ausdruck:
κ−1
pt4 κ τEX
= (7.307)
p9 τT
Da aber auch pt3 = pt4 und p9 = p0 gilt, kann Gl. (7.307) auch wie folgt aufgeschrieben
werden:
κ−1
pt3 κ Tt3 τEX
= = (7.308)
p0 T0 τT
Nach Gl. (7.29) gilt, dass Tt3 /T0 = τ0 · τV ist, sodass sich aus Gl. (7.308) schließlich der
folgende Ausdruck ergibt:
τEX
τT = τHDT · τNDT = (7.309)
τ0 · τ V
Die Kombination dieses Ausdrucks mit der Gl. (7.304) ergibt einen Ausdruck zur
Berechnung des Temperaturgefälles am Triebwerksaustritt:
τ0
τEX = τ0 · τV · τNDT · 1 − · (τV − 1) (7.310)
τλ
Wie schon beim Turboprop, so muss auch hier das Temperaturverhältnis τNDT der Nie-
derdruckturbine vorgegeben werden. Implizit wird durch dieses Temperaturverhältnis die
vom Turboshafttriebwerk abgegebene Leistung beschrieben. Aus den Gln. (7.303) und
(7.309) kann dann der folgende Ausdruck aufgeschrieben werden:
τEX
KWL = τλ · 1 − − τ0 · (τV − 1) (7.311)
τ0 · τ V
τ0
KWL = τλ · 1 − τNDT · 1 − · (τV − 1) − τ0 · (τV − 1) (7.312)
τλ
Entsprechend Gl. (7.286) ergibt sich so ein Ausdruck für die spez. Arbeit des Turboshaft
mit Rekuperator:
PTS
wTS = = cp · T0 · KWL = cp · T0 · [τλ · (1 − τT ) − τ0 · (τV − 1)] (7.313)
ṁ0
7.10 Turboshaft mit Rekuperator 633
Zur Berechnung des spez. Brennstoffverbrauchs kann von Gl. (7.297) ausgegangen werden,
BS = β/wTS . Das Brennstoff/Luft-Verhältnis β wird nach Gl. (6.20) bestimmt, β = qB /Hi .
Entsprechend Abb. 7.86 ergibt sich nun der folgende Ausdruck für qzu = qB :
Es wird von einem idealen Rekuperator ausgegangen, der die Luft, die der Brennkam-
mer zuströmt, vollständig auf das Temperaturniveau des Turbinenaustritts anhebt, d. h.,
Tt3.5 = Tt5 . Das Einsetzen dieses Ausdrucks in Gl. (7.314) und das anschließende Erwei-
tern mit der Umgebungstemperatur T0 ergibt unter Verwendung von τλ = Tt4 /T0 und
τT = Tt5 /Tt4 den nachfolgenden Ausdruck:
qzu = cp · τλ · T0 · (1 − τT ) (7.315)
qzu cp · T0
β= = · τλ · (1 − τT ) (7.316)
Hi Hi
Der spez. Brennstoffverbrauch kann dann so wie folgt berechnet werden:
β 1 1
BS = = BS = · (7.317)
wTS Hi τ0 τV − 1
1− ·
τλ 1 − τ T
Wenn τEX = Tt6 /T9 das Temperaturverhältnis am Austritt des Turboshaft ist, dann kann
mit den Gleichungen aus Tab. 18.8 die Austrittsmachzahl berechnet werden:
2 Tt6 2
Ma9 = · −1 = · (τEX − 1) (7.318)
κ −1 T9 κ −1
Wegen Tt6 = Tt3 und zusammen mit Gl. (7.29), Tt3 = T0 · τ0 · τV , ergibt sich:
Tt6 Tt3 τV · τ0 · T0 τV · τ0
τEX = = = ⇒ T9 = T0 · (7.319)
T9 T9 T9 τEX
1 .0
0.75
0 .6
0.70
0 .4
0.65 Ma 0 = 0.26
0 .2 τ λ = 4.435
T0 = 259 K
0 .0
1 .0 6 .0 1 1 .0 1 6 .0 πV 21 .0
Abb. 7.88 Austrittsmachzahl Ma9 aus dem idealen rekuperativen Turboshaft, aufgetragen über
dem Verdichterdruckverhältnis πV , mit dm Temperaturverhältnis der Niederdruckturbine τNDT als
Parameter
Per Definition ist der thermische Wirkungsgrad die nach außen abgegebene spez. Nutz-
arbeit eines Kreisprozesses, bezogen auf die über die Brennkammer zugeführte spez.
Wärmeenergie. Beim Turboshaft mit c9 ≈ c0 entspricht die aus dem Kreisprozess nutz-
bare Arbeit der spez. Arbeit |wNDT | der Arbeitsturbine. Damit wird der thermische
Wirkungsgrad zu
|wNDT | |wTS | wTS
ηth := = = (7.320)
qzu qzu qzu
Werden hier die Gln. (7.313) und (7.315) eingesetzt, so folgt sofort:
τ0 τV − 1
ηth = 1 − · (7.321)
τλ 1 − τ T
Ein Vergleich dieses Ausdrucks mit Gl. (7.317) zeigt, dass auch gilt:
1
ηth = (7.322)
BS · H i
Dies ist in Übereinstimmung mit Gl. (7.297) für den einfachen Turboshaft. Wegen der
Annahme c9 = c0 wird der Vortriebswirkungsgrad ηP = 1, was auch bereits mit Gl.
(7.296) gezeigt worden war. Demzufolge sind der thermische Wirkungsgrad und der
Gesamtwirkungsgrad identisch: ηges = ηth .
7.10 Turboshaft mit Rekuperator 635
200 0.18
0.1 8 0.4
T0 = 275 K
Ma 0 = 0.35
100 0.14
0.1 4 τ λ = 4.5 0.2
c9 = c0
π Vopt
0 0.10 0.1 0 0.0
1 6 11 16 21 πV 31 1 6 11 16 21 πV 31
Basis für die Berechnungen sind die folgenden Grunddaten: H0 = 4 km, T0 = 259 K,
κ = 1.4, Ri = 287 Nm/(kg · K) und Hi = 4.31 · 107 Nm/kg.
Abbildung 7.89 zeigt die Ergebnisse für ein einfaches Turboshafttriebwerk ohne
Rekuperator, für das c9 = c0 gilt. Die spezifische Arbeit der Niederdruckturbine
wTS = |wNDT | zeigt – genau wie der spezifische Schub beim Turbojet – einen Maximalwert
wTSmax , bei dem es ein optimales Verdichterdruckverhältnis πVopt gibt. Wird Gl. (7.292)
nach τV abgeleitet und das Ergebnis zu null gesetzt, so folgt daraus eine Gleichung für das
optimale Verdichterdruckverhältnis, die identisch mit Gl. (7.60) ist. Die sich bei diesem
Druckverhältnis einstellende maximale spezifische Arbeit stimmt mit Gl. (7.62) überein:
√
κ−1
κ
τλ
πVopt = (7.323)
τ0
√ 2
wTSmax = cp · T0 · ( τλ − 1) (7.324)
Die Austrittsmachzahl Ma9 liegt stets unter dem Niveau der Flugmachzahl Ma0 . Für
die zugehörigen Geschwindigkeiten gilt dabei stets c9 = c0 , so wie es als Vorausset-
zung für die Berechnungen zum Turboshaft eingeführt wurde. Wie auch schon beim
Turbojet, so fällt auch beim Turboshaft das Turbinentemperaturverhältnis mit dem
Verdichterdruckverhältnis ab, während die Ausströmmachzahl Ma9 ansteigt.
636 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
1
3 4 5 6 7 τλ 8
Abbildung 7.91 dokumentiert den wesentlichen Vorteil eines Rekuperators, nämlich sei-
nen signifikant verbessernder Einfluss auf den thermischen Wirkungsgrad ηth und damit
auch auf den spezifischen Brennstoffverbrauch BS . Dazu sind in Abb. 7.91 die Ergebnis-
se für einen Turboshaft mit und ohne Rekuperator dargestellt. Eine weitere Kurve zeigt
jeweils die Verhältnisse dieser beiden Werte zueinander. Beim Erreichen von πV = πVmax
– für das jeweils vorliegende τEX > 1 – werden die Ergebnisse mit und ohne Rekuperator
identisch. Dieser Grenzwert, der in Abb. 7.91 durch einen Punkt gekennzeichnet wur-
de, entspricht der Gl. (7.325). Etwas weiter rechts im Bild ist zusätzlich der Grenzwert
πV,max für τEX = 1 nach Gl. (7.300) markiert worden. Abbildung 7.91 macht klar, dass der
Vorteil eines Rekuperators nur dann richtig zum Tragen kommt, wenn der Gasgenera-
tor mit einem vergleichsweise kleinen Verdichterdruckverhältnis ausgestattet ist. Für das
in Abb. 7.91 dargestellte Beispiel werden bei einem Verdichterdruckverhältnis von πV = 7
Verbesserungen beim Wirkungsgrad und im spezifischen Verbrauch von gut 25 % erreicht.
7.10 Turboshaft mit Rekuperator 637
Abb. 7.91 Thermischer Wirkungsdgrad ηth und spezifischer Brennstoffverbrauch BS eines idealen
Turboshafttriebwerks mit und ohne Rekuperator, aufgetragen über dem Druckverhältnis πV des
Verdichters
Bei πV = 8.5 sind es dann nur noch rund 10 %. Die Verbesserungen im spezifischen Brenn-
stoffverbrauch fallen also umso deutlicher aus, je kleiner die Verdichterdruckverhältnisse
gehalten werden.
Abbildung 7.92 zeigt die Ergebnisse für ein einfaches Turboshafttriebwerk mit Re-
kuperator. Bei vorgegebenem τNDT = const nimmt die spezifische Arbeit wTS leicht mit
steigendem Verdichterdruckverhältnis πV ab. Je kleiner τNDT ausfällt, umso größer wird
die spezifische Arbeit, die das Turboshafttriebwerk abgeben kann. Gibt man im Rech-
nungsgang an Stelle τNDT = const einen Wert für das Temperaturverhältnis τEX = const
am Triebwerksaustritt vor, so würden sich Kurven ergeben, die den Grenzkurven im lin-
ken Teil von Abb. 7.92 ähnlich wären und entsprechend des vorgegebenen Zahlenwertes
irgendwo zwischen den beiden eingezeichneten Grenzkurven verlaufen würden. Zusätz-
lich ist in Abb. 7.92 der Grenzwert πVmax = 12.62 mit eingetragen worden, ab dem ein
Rekuperatorbetrieb nicht mehr möglich ist. Entsprechend Gl. (7.300) hängt πVmax im
Wesentlichen nur von der dimensionslosen Turbineneintrittstemperatur τλ ab, da das
ebenfalls noch in Gl. (7.300) auftretende τ0 in allen praktischen Fällen gleich eins ist oder
sehr nahe bei eins liegen wird.
√ 1
· κ−1
κ
τVmax ≈ τλ bzw. πVmax ≈ τλ2 für τ0 ≈ 1 (7.326)
Zusätzlich ist in Abb. 7.92 auch noch das Ergebnis für die größtmögliche Arbeit der Nie-
derdruckturbine mit eingezeichnet worden, die sich entsprechend Gl. (7.302) implizit über
638 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
500 0 .2 5
wTS BS τ NDT
⎡ kW ⎤ ⎡ kg/h ⎤ Grenzkurve
⎢ ⎥ ⎢ ⎥ für Ma9=1 0.75
⎢ kg/s ⎥ ⎣⎢ kW ⎦⎥
⎣ ⎦ Grenzkurve für τ NDTmax
τ EX=1 (Ma9=0) 0.65
300 τ NDT 0 .1 9
0.65
0.7NDT
0
τ
0.90
τ NDT
0.85
0.75
0
0.8
200 0.70=τ 0 .1 6
0.80 NDT τ NDTmax
0.85
Grenzkurve T0 = 259 K
100 0.90 für Ma9=1 0 .1 3
=τ Ma 0 = 0.26
ND T
Abb. 7.92 Spezifische Arbeit wTS und spezifischer Brennstoffverbrauch BS eines idealen reku-
perativen Turboshafttriebwerks, aufgetragen über dem Verdichterdruckverhältnis πV , mit dem
Temperaturverhältnis der Niederdruckturbine τNDT als Parameter
τNDTmax angeben lässt. Für den hier dargestellten Fall lautet der Zahlenwert τNDTmax = 0.64.
√
τVmax τλ
τNDTmax ≈ ≈ √ für τ0 ≈ 1 (7.327)
τλ − (τVmax − 1) 1 + τ λ − τλ
Der rechte Teil von Abb. 7.92 zeigt, dass der spezifische Brennstoffverbrauch BS mit zuneh-
mendem Verdichterdruckverhältnis πV ansteigt. Diese Eigenschaft ist vollkommen anders
als bei allen bisher vorgestellten Triebwerkstypen, bei denen immer der spezifische Brenn-
stoffverbrauch mit dem Verdichterdruckverhältnis abnimmt. Der Grund dafür liegt darin,
dass beim rekuperativen Turboshaft, der Anteil der über den Rekuperator zugeführten
Wärme qzuRK mit steigendem Verdichterdruckverhältnis kleiner wird. Um unter diesen
Umständen dennoch die gewünschte Turbineneintrittstemperatur Tt4 zu erreichen, muss
entsprechend mehr Brennstoff in der Brennkammer verbrannt werden bzw. qzu vergrößert
werden, was schließlich den spezifischen Brennstoffverbrauch ansteigen lässt.
Insgesamt zeigt Abb. 7.92, dass ein rekuperativer Turboshaft, dessen Leistungsabgabe
über τNDT vorgegeben ist, einen möglichst kleinen Wert für τEX bzw. für Ma9 aufwei-
sen sollte, da sich bei einer solchen Konstellation die größten spezifischen Arbeiten wTS
bei geringsten spezifischen Brennstoffverbräuchen BS einstellen würden. Große Austritts-
machzahlen aus dem Turboshaft verschlechtern dessen abgegebene Leistung und erhöhen
den spezifischen Brennstoffverbrauch.
7.10 Turboshaft mit Rekuperator 639
Beispiel 7.10
Hubschrauber mit Turboshafttriebwerk. Der Hubschrauber Bell AH-AW Super Cobra
ist mit dem Turboshafttriebwerk von General Electric T700-GE-401 ausgerüstet, das in
H0 = 4 500 m (T0 = 258.9 K) Höhe bei einer Flugmachzahl von Ma0 = 0.26 eine Leistung
von PTS = 1 210 kW liefert. Als weitere Triebwerksdaten sind πV = 15 und Tt4 = 1 125 K
bekannt. Für die Stoffdaten von Luft und Brennstoff gilt: κ = 1.4, Ri = 287 Nm/(kg·K),
cp = 1 004.5 Nm/(kg·K), Hi = 4.31·107 Nm/kg. Es sind der Luftmassenstrom durch das
Triebwerk, der spezifische Brennstoffverbrauch und der thermische Wirkungsgrad zu
berechnen.
√
a0 = κ · Ri · T0 = 1.4 · 287 · 258.9 = 322.53 m/s
c0 = Ma0 · a0 = 0.26 · 322.53 = 83.858 m/s
κ −1
τ0 = 1 + · Ma20 = 1 + 0.2 · 0.26 · 0.26 = 1.01352
2
Tt4 1 125
τλ = = = 4.3453
T0 258.9
κ−1
τV = πV κ = 150.285714 = 2.1678
τV · τ0 = 2.1678 · 1.01352 = 2.1971
τλ − τ0 · (τV − 1) = 4.3453 − 1.01352 · 1.1678) = 3.1617
τ0 − 1 1 0.01352 1
τT = + = + = 0.4582
τλ τ0 · τ V 4.3453 2.1971
τλ 4.3453
τ0 − 1 + 0.01352 +
τ0 · τ V 2.197 = 0.6298
τNDT = =
τλ − τ0 · (τV − 1) 3.1617
τT 0.4582
τHDT = = = 0.7276
τNDT 0.6298
2 τ0 · τV 1.01352 · 2.1678
Ma9 = · · (τ0 − 1) = 5 · · 0.01352 = 0.18488
κ −1 τλ 4.3453
2 Tt9 Tt9 κ −1
Ma9 = · −1 ⇒ τEX = =1+ · Ma29 = 1.00684
κ −1 T9 T9 2
KWL = (1 − τNDT ) · [τλ − τ0 · (τV − 1)] = (1 − 0.6298) · 3.1617 = 1.1705
Nm
wTS = cp · T0 · KWL = 1004.5 · 258.9 · 1.1705 = 304 394.75
kg
PTS 1 210 000
ṁ0 = = = 3.975 kg/s
wTS 304 394.75
cp · T0 1004.5 · 258.9
β= · (τλ − τ0 · τV ) = · (4.3453 − 2.1971) = 0.0130
Hi 4.31 · 107
640 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
β 0.01230 kg/h
BS = = · 3.6 · 106 = 0.1533
wTS 304 394.75 kW
1 1
ηth = 1 − =1− = 0.5449
τ0 · τ V 2.1971
Der bisherige Turboshaft soll nun bei unverändertem Ma9 = 0.18488 bzw. bei un-
verändertem τEX = 1.00684 mit einem Rekuperator ausgestattet werden. Dazu wird
die Turbineneintrittstemperatur auf Tt4 = 1 350 K angehoben. Die sich dadurch er-
gebenden Werte für den thermischen Wirkungsgrad ηth und für den spezifischen
Brennstoffverbrauch BS sind mit den zuvor berechneten Werten zu vergleichen. Zuvor
ist aber noch zu prüfen, ob das Turboshafttriebwerk mit den jetzt vorgegebenen Werten
überhaupt für den Rekuperatorbetrieb geeignet ist.
Tt4 1 350
τλ = = = 5.2144
T0 258.9
+
1
τVmax = · (τ0 − 1) + (τ0 − 1)2 + 4 · τλ =
2 · τ0
1
τVmax = · 0.01352 + 0.18279 · 10−3 + 20.8575 = 2.2597
2.02704
κ
πVmax = τVκ−1
max
= 2.25973.5 = 17.3456
W
wTS = cp · T0 · KWL = 1 004.5 · 258.9 · 1.641 = 426 766.75
kg/s
cp · T0 1 004.5 · 258.9
β= · τλ · (1 − τT ) = · 5.2144 · 0.5417 = 0.017044
Hi 4.31 · 107
β 0.017044
BS = = · 3.6 · 106 = 0.1438
wTS 426 766.75
1 426 766.75
ηth = = · 10−7 = 0.5823
BS · H i 0.017004 · 4.31
7.10 Turboshaft mit Rekuperator 641
Durch die Erhöhung der Turbineneintrittstemperatur Tt4 und die Umstellung auf den
Rekuperatorbetrieb sind zum einen die spezifische Arbeit um 40.2 % angehoben und
zum anderen der spezifische Brennstoffverbrauch und der thermische Wirkungsgrad
um 6.6 % verbessert worden.
Das ursprüngliche Turboshafttriebwerk soll nun in einer anderen Modifikation eben-
falls mit Rekuperator ausgestattet werden, wobei aber die spezifische Arbeit wTS und
die Turbineneintrittstemperatur Tt4 des ursprünglichen Triebwerks unverändert blei-
ben sollen. Man berechne den spezifischen Brennstoffverbrauch und vergleiche ihn mit
dem des ursprünglichen Turboshaft.
+
1
τVmax = · (τ0 − 1) + (τ0 − 1) + 4 · τλ =
2
2 · τ0
1
τVmax = · 0.01352 + 0.18279 · 10−3 + 17.3812 = 2.0634
2.02704
κ
πVmax = τVκ−1
max
= 2.06343.5 = 12.62
Aus den Gln. (7.303) und (7.309) ergibt sich:
1 4.3453 − 1.1705
τv = · 1 +
2 1.01.325
Das hier vorgestellte Kapitel ist eine überarbeitete Darstellung der Arbeit von Schliemann
(2001). Die Abb. 7.93 zeigt den Allison T78 Turboprop, der seinen Erstlauf am 16. März
1965 hatte. Basis dieses Aggregats ist der bewährte Allison T56 Turboprop (Grumman
E-2A Hawkeye), der als Allison 501-D13 bereits an der Lockheed Electra zum Einsatz
kam. Der Allison T78 Turboprop war die zweite rekuperative Gasturbine, die für die
Luftfahrt angedacht war. Das erste Aggregat war ein modifizierter T56 Turboprop, ein
Demonstrator-Triebwerk, das nach Werksangaben den spezifischen Brennstoffverbrauch
durch den Rekuperator, gegenüber einem leistungsgleichen Triebwerk ohne Vorwärmung,
um 36 % senken konnte13 . An einem Flugzeug ist dieser Allison T78 Turboprop aber nie
zum Einsatz gekommen. Er war ursprünglich einmal für die 4-motorige amerikanische
Lockheed P-3 Orion14 vorgesehen, die noch heute als U-Boot-Jagdflugzeug und Seeauf-
klärer fungiert, also als ein Flugzeug, das möglichst lange über See fliegen können soll und
deswegen einen möglichst geringen spezifischen Brennstoffverbrauch benötigt.
Abbildung 7.93 zeigt, dass dieses Rekuperatortriebwerk für einen Turboprop eine sehr
ausladende Baugröße hat, wobei der Rekuperator deutlich voluminöser als der Gasgene-
rator ist. Genau wie der T56 Turboprop, war auch der rekuperative T78 Turboprop ein
einwelliges Triebwerk mit einem 14-stufigen Verdichter, sechs auf dem Umfang verteilten
Brennkammern mit seitlichem Eintritt, einer vierstufigen Turbine und einem externen,
zweistufigen Untersetzungsgetriebe. Anders als der T56 hatte der T78 aber einen Ver-
dichter mit verstellbaren Eintrittsleitschaufeln und anschließend weiteren sechs Stufen
mit Leitschaufelverstellung. Durch ein Bypassventil konnte der Rekuperator umgan-
gen werden, was bei hohen Leistungen, insbesondere aber während des Flugzeugstarts
(Take-Off ), erforderlich wurde. Besonderes Augenmerk wurde auf die Auslegung des Re-
kuperators gelegt, der bei einem guten Wirkungsgrad leicht und zuverlässig sein sollte.
Dabei wurden mehr als 5.000 Konfigurationen getestet, Jensen und Leonard (2002). Das
Endergebnis dieses extrem aufwendigen Auslegungsprozesses war dann ein feststehender,
Kreuz-Gegenstrom-Röhrenwärmetauscher (Fixed, Tubular, Cross Counter-Flow Heat Ex-
changer). Die „kühlere“, vom Verdichter kommende Luft strömte dabei durch das Innere
der Röhren, während das von der Turbine kommende Heißgas längs zweier Wege (Kreuz-
und Gegenstrom) außen an der Röhren vorbeiströmte. Im Jahr 1967 wurde das Projekt
eingestellt. Die Gründe dafür sind heute nicht mehr bekannt, Jensen und Leonard (2002).
13
Die Werte wurden1964 während zweier sechsstündiger Probeläufe des Triebwerks (ohne Getriebe)
auf einem Prüfstand ermittelt.
14
Die P-3 Orion ist ein militärisches Derivat der zivilen Lockheed L-188 Electra (Erstflug 6.12.1957).
Die letzte P-3C Orion wurde 1990 gebaut. In den USA werden die P-3 Orion ab 2010 durch die P-8
Poseidon von Boeing, einer Militärversion der B-737-800, ersetzt. Die US-amerikanische Meteorolo-
giebehörde National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) setzt zwei P-3 in der Version
WP-3D ein, die speziell für die Aufnahme und Auswertung von meteorologischen Daten ausgerüstet
wurden. In der deutschen Marine ersetzen seit Juni 2006 acht ehemals niederländische P-3 Orions
aus der Produktionsreihe der 80er Jahre die veralteten Maschinen des Typs Breguet Atlantic.
7.11 Rekuperativer Turbofan mit Zwischenkühlung 643
Strömungskanal vom
Rekuperator zur
Re Brennkammer
kup
Ab- era
tor Brennkammer
gas
mit seitlichem
Eintritt
Turbine Ve
rd Querverrohrung des
ich
ter Rekuperators
Lufteinlass
Ga
sg
en
era
tor
Propeller
Längsverrohrung des
Rekuperators
max. Take-Off Power: 3 057 kW
max. Diameter: 0.9144 m
Getriebe
Strömungskanäle Hilfsgeräte-
vom Verdichter träger
zum Rekuperator
Abb. 7.93 Beispiel für einen Turboprop mit Rekuperator: der Allison T78 Recuperated Turboprop,
J.H. Stevens (1964), der einmal für das Flugzeug Lockheed P-3 Orion angedacht war
In den letzten Jahren ist das Konzept des rekuperativen Triebwerks von der Firma MTU
Aero Engines in München wieder aufgegriffen und auf einen Turbofan mit zusätzlicher
Zwischenkühlung im Triebwerksverdichter übertragen worden.
Die Forschung und Weiterentwicklung moderner, kommerzieller Triebwerke für Lang-
streckenflugzeuge nach 2010 firmiert unter dem Kennzeichen 3E bzw. E3 , was für die drei
englischsprachigen Begriffe Environment, Efficiency und Economy steht. In diesem Rah-
men hat sich die Firma MTU Aero Engines in München, im Verbund mit Snecma, Avio
und Volvo, an dem europäischen Forschungsprogramm EEFAE (Efficient and Environ-
644 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
mentally Friendly Aero Engine) beteiligt. Bestandteil des Forschungsprogramms ist u. a. das
Triebwerkskonzept IRA (Intercooled Recuperated Aero Engine). Hierbei sollen kompakte,
robuste und vor allem hoch effiziente Wärmetauscher zur Verringerung der Exergiever-
luste im Strahltriebwerk integriert werden. Vom Rekuperator wird erwartet, dass er den
Brennstoffverbrauch um 20 . . . 25 % senken wird und vom Zwischenkühler, dass er eine
ebenso drastische Verbesserung des Kreisprozesses ermöglichen wird und damit zu we-
sentlich leichteren Einzelkomponenten (15 % besser als heute) im Triebwerk führt. Unter
diesen Aspekten wird ein solches Triebwerk im Hinblick auf das Gewicht durchaus mit
konventionellen Triebwerken mithalten können. Der wesentliche Innovationsschub des
IRA-Triebwerkskonzepts wird aber in der Umweltverträglichkeit liegen (Lärm kumulativ
–30 dB, relativ zu ICAO Stufe 315 , NOX –80 %, relativ zu ICAO 96), der ihm eine ex-
ponierte Position hinsichtlich zukünftiger gesetzgeberischer Umweltauflagen einräumen
soll. Die Abb. 4.87 bis 4.90 zeigen, wie dieses Triebwerk mehr im Detail aufgebaut sein
könnte. Es handelt sich dabei um einen zweiwelligen Turbofan. Die vom Niederdruckver-
dichter (NDV) kommende Luft gelangt über Rohrleitungen in den Zwischenkühler, der
als Kühlmittel Luft aus dem Fankreis verwendet. Die solchermaßen abgekühlte Luft wird
über weitere Rohrleitungen zum Hochdruckverdichter (HDV) geführt. Bevor diese Luft in
die Brennkammer gelangt, wird sie in einem, im Abgasstrahl platzierten Wärmetauscher
(Rekuperator) vorgewärmt. Über ein weiteres System von Rohrleitungen wird dann die so
vorgewärmte Luft zur Brennkammer geleitet und dort durch Verbrennung von Brennstoff
auf die gewünschte Turbineneintrittstemperatur gebracht. Nach Durchströmen der Hoch-
und Niederdruckturbine (HDT und NDT) strömt das Abgas durch den Rekuperator16 und
die primäre Schubdüse aus dem Triebwerk heraus. Eine detailliertere Darstellung zu dem
Triebwerkskonzept als solches und zu den Anforderungen an die Wärmetauscher und
deren Integration in das Triebwerk gibt das Kap. 4.8.5.
Die Zwischenkühlung stellt sicher, dass trotz erhöhtem Verdichterdruckverhältnis πVges
die Verdichteraustrittstemperatur Tt3 unterhalb der Niederdruckturbinenaustrittstempe-
ratur Tt9 bleibt, was Voraussetzung für das Funktionieren des im oberen rechten Teils von
Abb. 7.94 dargestellten Rekuperators ist. Darüber hinaus ermöglicht es die Zwischenküh-
lung, dass für den Verdichtungsvorgang weniger Turbinenleistung aufgewandt werden
muss.
Die Abb. 7.94 zeigt in seinem oberen Teil eine 3-D-Konstruktionsskizze des reku-
perativen Turbofan mit Zwischenkühlung. Der Fan wird von einer schnelllaufenden
Niederdruckturbine angetrieben, deren Drehzahl über ein Untersetzungsgetriebe am Fan
herabgesetzt wird. Im Abgasstrahl ist eine Serie von Rekuperatoren angeordnet und auf
dem Triebwerksumfang, im mittleren Triebwerksteil, eine weitere Serie von Zwischen-
15
Lärmregularien, vgl. hierzu auch Kap. 13.2.
16
Der hier abgebildete Wärmetauscher ist auch im amerikanischen Kampfpanzer Abrams M1A2
vorbaut, der im Rahmen eines sog. Re-Engining-Programs mit der neuen Gasturbine LV100-5 von
General Electric ausgerüstet wurde. Neben dem Wärmetauscher entwickelte die MTU im Übrigen
auch die Arbeitsturbine für dieses neue Antriebsaggregat.
7.11 Rekuperativer Turbofan mit Zwischenkühlung 645
IRA-Triebwerkskonzept Rekuperator
der MTU AeroEngines (Wärmetauscher)
Fan
Getriebe
Zwischenkühler
Abb. 7.94 Konstruktiver Aufbau des IRA-Triebwerkkonzepts (oben) und die Erprobungsplattform
CLEAN (unten) zum Testen der wesentlichen Komponenten neuer Technologie. Basisbilder mit
freundlicher Genehmigung der MTU Aero Engines, München (Media Pool)
kühlern. Der untere Bildteil zeigt den Versuchsaufbau CLEAN, mit dessen Hilfe, unter
der Leitung der MTU, die neuen Technologien des IRA-Konzepts im Höhenprüfstand der
Universität Stuttgart validiert werden. Die MTU ist hierin mit den Schlüsseltechnologien,
wie der schnelllaufenden Niederdruckturbine (vgl. Kap. 4.8.2) und den hoch effektiven
Rekuperatoren und deren Integration in das Triebwerk, involviert. Das Kerntriebwerk
für CLEAN wird von Snecma Moteurs zusammen mit Avio entwickelt. Hierbei soll eine
neue Brennkammer eingebaut werden, die den NOX Ausstoß signifikant reduziert und der
Hochdruckverdichter soll mit einer aktiven Pumpfrüherkennung ausgestattet werden, zu
der bereits in Kap. 4.8.4 Grundlegendes gesagt wurde.
In Kap. 6.8 wurde anhand der Gl. (6.62) und mittels der textlichen Ausführungen dazu er-
läutert, dass im Joule-Prozess, als idealisierter Gasturbinenvergleichsprozess, die reversible
rev
technische Arbeit wtech gleich der totalen Strömungsarbeit wt ist. Mit den Abb. 6.12 und
6.13 wurde darüber hinaus gezeigt, dass diese Strömungsarbeit in einem p-v-Diagramm die
Fläche links neben der zugehörigen Zustandsänderung ist. Abbildung 7.95 zeigt diese Ge-
646 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
Is
Is
ot
ot
he
he
dp
rm
rm
e
e
Ise
Ise
t
ns
t
ns
co
co
=
ntr
ntr
) T=
)s V
(w
op
op
V
(w
e
pt2 2 pt2 2
1 1
v= v=
v ρ ρ
gebenheiten nochmals für einen Verdichter und zwar einmal für eine isentrope und einmal
für eine isotherme Zustandsänderung17 . Es ist klar zu erkennen, dass bei vorgegebenem
Verdichterdruckverhältnis πV = pt3 /pt2 die für diese Druckerhöhung aufzuwendende
totale Strömungsarbeit wt2,3 (= reversible technische Arbeit):
3
|−wT | = wV = v · dp = wtech
rev
2,3
= wt2,3 = w2,3 (7.328)
2
bei einer isothermen Kompression geringer ausfällt als bei einer isentropen. Eine isotherme
Druckerhöhung würde aber einen gekühlten Verdichter bedeuten, bei dem die gesamte,
verdichtungsbedingte Temperaturerhöhung weggekühlt werden muss. Ein solcher
Vorgang ist technisch kaum zu realisieren, aber durch eine Zwischenkühlung in gewissem
Umfang anzunähern, wie Abb. 7.96 zeigt. Durch Zwischenkühlung wird die technische
Arbeit, die für eine vorgegebene Kompression πV = pt3 /pt2 aufzuwenden ist, verringert.
Mehrere Zwischenkühlungen würden zwar eine weitere Verbesserung bewirken, bedeuten
aber auch gleichzeitig einen sehr hohen zusätzlichen technischen Aufwand, der sich meist
nicht mehr lohnt. Die isentrope Kompression von 2 nach 3 s wird durch zwei isentrope
Kompressionen ersetzt, zwischen die eine isobare Zwischenkühlung integriert wird. Die
Zwischenkühlung erfolgt bei einem Druck pt2.5 . Abbildung 7.97 zeigt, dass der einzuspa-
rende Anteil an Strömungsarbeit w (= reversible technische Arbeit) mit der Wahl des
Druckes pt2.5 variiert. Sodass sich die Frage erhebt, ob es einen optimalen Druck ptZK = pt2.5
gibt, bei dem die Zwischenkühlung erfolgen sollte. Dieser Druck stellt sich dann ein,
17
Aus der Technischen Thermodynamik (z. B. Hahne 2000) ist über den Ericsson-Prozess bekannt,
dass isotherme Kompressionen und Expansionen zu Kreisprozessen führen, die ein Maximum an
Nutzarbeit abgegeben, bei thermischen Wirkungsgraden, die dem des Carnot-Prozesses entsprechen.
Isotherme Kompressionen stellen damit eine bessere Lösung dar als isentrope.
7.11 Rekuperativer Turbofan mit Zwischenkühlung 647
p 3T 3 3 s p 3T 3 3 s 2.5
Ise
2
ntr
wZ3,3 3
op
Is B.P w2.6, 3 = ∫ v ⋅ dp
e
ot isobare pt2.5 = pt2.6 B.O
pt2.5 = const he
r Zwischen- 2.6
m
e kühlung
w2,Z2
pt2 2 pt2 2
1 1
v= v=
v3 v2.6 v2.5 v2 ρ ρ
Abb. 7.96 Annäherung einer isothermen Kompression durch zwei isentrope Kompressionen mit
isobarer Zwischenkühlung. Gegenüber einer rein isentropen Kompression verringert sich der
Aufwand an technischer Arbeit um die Fläche zwischen den Punkten ,
2.5 ,
2.6
3 und
3.5
p p eingesparte p
3 3s 3 3s technische 3 3s
Arbeit
B.O
pt2.5
B.P
Ise
B.O
Is
pt2.5
ntr
ot
B.P
he
op
rm
e
B.O
e
pt2.5
B.P
2 2 2
v v v
Abb. 7.97 Prinzipskizze zur Erklärung, dass der Anteil an technischer Arbeit (= Strömungsarbeit),
der im Joule-Prozess durch Zwischenkühlung während einer Verdichtung eingespart werden kann,
mit dem Druck ptZK = pt2.5 = pt2.6 variiert, bei dem die Zwischenkühlung erfolgt. Die jeweils schraf-
fiert dargestellte Fläche entspricht der jeweils eingesparten technischen Arbeit, die zur Verdichtung
erforderlich ist
wenn die Summe der beiden reversiblen technischen Arbeiten (Strömungsarbeiten) w2,2.5
und w2.6,3 aus Abb. 7.96 ein Minimum hat. Dazu wird die Gl. (18.142) aus Kap. 18.2 zur
Berechnung der spezifischen Strömungsarbeit verwendet, wenn dort der Polytropenexpo-
nent n durch den Isentropenexponenten κ ersetzt wird. Mit der allgemeinen Gasgleichung
p · v = Ri · T und der spez. Wärmekapazität cp = κ · Ri /(κ − 1) wird dann daraus:
κ−1
κ−1
pt2.5 κ pt3 κ
(w2,3 )min = w2, 2.5 + w2.6, 3 = cp Tt2 − 1 + cp Tt2.6 −1
pt2 pt2.5
(7.329)
Längs der Isothermen zwischen 2 und 2.6 gilt Tt2 = Tt2.6 , sodass auch gilt:
κ−1
− κ−1 κ−1
− κ−1
(w2,3 )min = cp · Tt2 · pt2.5
κ
· pt2 κ + pt3κ · pt2.5κ − 2 (7.330)
648 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
Zum Auffinden des Minimums wird dieser Ausdruck nach pt2.5 abgeleitet und dann zu
null gesetzt. Substituiert man aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit außerdem auch
noch per Definition x := (κ − 1)/κ, so folgt:
∂(w2,3 )min ∂ x −x −x
=0= cp · Tt2 · pt2.5 · pt2 + pt3
x
· pt2.5 −2
∂pt2.5 ∂pt2.5
−x −x−1
0 = x · pt2.5
x−1
· pt2 − x · pt2.5 · pt3
x
x
pt3 px−1 −1
x+1
= t2.5
x ⇒ (pt2 · pt3 )x = pt2.5
x
· pt2.5 · pt2.5
x
· pt2.5 = pt2.5
2x
pt2.5 pt2
pt2.5 = pt2 · pt3 (7.331)
Oder auch:
2
pt2.5 = pt2.5 · pt2.5 = pt2 · pt3
pt3 pt2.5
= (7.332)
pt2.5 pt2
Hieraus ist zu sehen, dass der Druck pt2.5 , bei dem eine optimale Zwischenkühlung erfolgt,
so zu wählen ist, dass das Druckverhältnis des ersten Teils der Verdichtung pt2.5 /pt2
gleich dem Druckverhältnis pt3 /pt2.6 des zweiten Teils der Verdichtung ist. Das Ergebnis
entspricht der Darstellung ganz links in Abb. 7.97, wo sowohl zwischen 2 und
2.6 als auch
zwischen 2.5 und 3 eine isotherme Zustandsänderung mit Tt2 = Tt2.6 und Tt3 = Tt2.5
Wegen Tt2,6 = Tt2 bedeutet das aber auch, dass die reversiblen technischen Arbeiten
(= Strömungsarbeiten) von Nieder- und Hochdruckverdichter gleich groß sind:
κ−1 κ−1
wNDV = cp · Tt2 · πNDV − 1 = cp · Tt2 · πHDV − 1 = wHDV
κ κ
(7.334)
Diese Art der Aufteilung der Druckverhältnisse bzw. der reversiblen technischen Arbeiten
ist zwar nicht zwingend notwendig, stellt aber die optimale Lösung hinsichtlich der für
die Verdichtung aufzuwendenden Arbeiten dar. Im Weiteren wird davon ausgegangen,
dass die Anordnung des Zwischenkühlers entsprechend des oben erläuterten minimalen
Aufwandes an reversibler technischer Arbeit erfolgt. Langfeldt (2009) hat gezeigt, wie
der hier vorgestellte Rechnungsgang für eine variabel positionierbare Zwischenkühlung
abgewandelt werden kann.
7.11 Rekuperativer Turbofan mit Zwischenkühlung 649
AL AM A3 . O AP AS
II
m II = m
m II + m
II 3
a
C.O
II
a b
m
II
m
0
m b
I
m
I
m
I
m
0 1 2 B.O B.P 3 4 5 6 9
C. O D.O
h
t4
p
.6
t2
p ht13.5
=
A3.O
=
.5
t3
p
.5
isobare
t2
p
=
B.O
AP ht16 = h19 t
wNDV = wHDV = |qabZK|
p t19
qzuZK = |qabZK|
= 2
p t16 c19
=
.5 2
p t13
3
=
p t1 AS
p t0 h19
AM =
ht13 2
p t1 ht13
ht2 = ht2.6 wFan =
ht2 = ht0 =p qab,II
9
p t2
2 p1
9
B.P c02 / 2 =
p0
h0 h0
0
s
Abb. 7.99 Ausschnitt des Kreisprozesses eines rekuperativen Turbofan mit Zwischenkühlung im
h-s-Diagramm, der die Vorgänge im Fan-, Zwischenkühler- und Verdichterbereich wiedergibt. Die
grau angelegte Fläche gehört zum Inneren des Kreisprozesses
Die Abb. 7.98 zeigt die Prinzipskizze eines rekuperativen Turbofan mit Zwischenkühlung
inklusive der dabei verwendeten Bezugsebenen. Einen zugehörigen Kreisprozessaus-
schnitt, der die Verhältnisse im Fan-, Zwischenkühler- und Verdichterbereich in einem
h-s-Diagramm wiedergibt, zeigt Abb. 7.99.
650 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
Die vom Triebwerk angesaugte Luft ṁ0 strömt durch die Fanbeschaufelung und wird
dahinter, wie bei jedem anderen Turbofan auch, in einen Primär- und Sekundärstrom
ṁI und ṁII aufgespalten. Der Primärstrom ṁI passiert den Niederdruckverdichter und
anschließend den Zwischenkühler. Die Kühlung erfolgt isobar mittels eines Teils des Se-
kundärstroms, für den gelten soll: ṁIIb = ṁI . Dieser heizt sich dadurch idealer Weise
entsprechend der Wärmeabgabe des Primärstromes ṁI auf. Es wird dementsprechend
davon ausgegangen, dass die im Zwischenkühler abgegebene Wärme qabZK gleich der zu-
geführten Wärme qzuZK ist, sodass also die Absenkungen der Totaltemperaturen zwischen
den Ebenen 2.5 und 2.6 gleich der Temperaturerhöhung zwischen den Ebenen 13 und
13.5
entspricht:
$ $ $ $
qzuZK = qzu13, 13.5 = $qabZK $ = $qab2.5, 2.6 $ mit ṁIIb = ṁI
$ $
ṁIIb · cp · (Tt13.5 − Tt13 ) = ṁI · cp · $Tt2.6 − Tt12.5 $ = ṁI · cp · (Tt2.5 − Tt12.6 )
Für den Zwischenkühler wird eine Art Bypassverhältnis μZK eingeführt und dabei
angenommen, dass per Definition der Sekundärkreismassenstrom ṁIIb , der durch den
Kühler strömt, gleich dem primären Massenstrom ṁI durch den Verdichter ist:
μ = 1 + μZK (7.336)
Hinter dem Zwischenkühler vermischt sich im Sekundärkreis der Hauptstrom vom Fan
ṁIIa mit dem aus dem Kühler kommenden Strom ṁIIb , sodass der Sekundärstrom insge-
samt eine Wärmezufuhr erfahren hat, wenn er das Triebwerk in der Ebene 19 durch die
Sekundärdüse verlässt. Es wird davon ausgegangen, dass die Vermischung isobar erfolgt
und in der Ebene 16 abgeschlossen ist. Für einen solchen Vermischungsvorgang gilt, dass
die Summe der beteiligten Wärmeströme gleich null ist, was besagt, dass die abgegebene
Wärme des einen Stroms gleich der aufgenommenen Wärme des anderen Stroms ist:
Die Wärmeströme können analog zu Gl. (7.26) formuliert werden, sodass sich unter
Verwendung der Gl. (7.336) die folgenden Ausdrücke ergeben:
0 = ṁIIa · cp · (Tt19 − Tt13 ) + ṁIIb · cp · (Tt19 − Tt13.5 ) mit ṁIIa /ṁIIb = μZK
Hieraus kann dann die Totaltemperatur am Ende der Sekundärdüse ermittelt werden:
μZK · Tt13 + Tt13.5
Tt19 = Tt16 = (7.338)
1 + μZK
7.11 Rekuperativer Turbofan mit Zwischenkühlung 651
Wird hier für Tt13.5 die Gl. (7.335) eingesetzt und dabei berücksichtigt, dass Tt2 = Tt2.6
und Tt3 = Tt2.5 gilt und außerdem μZK durch Gl. (7.336) ersetzt:
1 Tt13 · (μ − 1)
τM = · 1 + (7.340)
μ Tt13 − Tt2 + Tt3
Für Tt13 wird hier nun die Gl. (7.176) eingesetzt und für Tt2 = Tt0 = T0 · τ0 :
⎛ ⎞ ⎛ ⎞
1 ⎜ μ−1 ⎟ ⎜
⎟ = 1 · ⎜1 + μ−1 ⎟
τM = · ⎜1 + ⎟ (7.341)
μ ⎝ Tt2 Tt3 ⎠ μ ⎝ 1 Tt3 ⎠
1− + 1− +
Tt13 Tt13 τFan τFan · τ0 · T0
Aus der Isentropenbeziehung zwischen
2 und
2.5 folgt:
Tt3 κ−1
= πNDV
κ
= τV ⇒ Tt3 = Tt2 · τV = T0 · τ0 · τV (7.342)
Tt2
Sodass sich schließlich für das Mischungstemperaturverhältnis der folgende Ausdruck
angeben lässt, wenn außerdem Gl. (7.344) berücksichtigt wird:
⎡ ⎤
1 (μ − 1) · τFan 1 ⎣ (μ − 1) · τFan ⎦
τM = · 1 + = · 1+ (7.343)
μ τFan + τV − 1 μ κ−1
τ + π 2·κ − 1
Fan V
κ−1 √
κ−1 κ−1
pt2 · pt3 κ
κ
κ−1 κ−1 pt2.5 κ pt3 κ−1
τV = πNDV = πHDV =
κ κ
= = = πV2·κ (7.344)
pt2 pt2 pt2
Der Totaldruck pt19 am Austritt der sekundären Schubdüse wird analog zu Gl. (18.237)
durch den folgenden Ausdruck beschrieben:
κ−1
κ
κ−1
κ
κ −1 κ −1 pt19 pt13 pt0
pt19 = p19 1 + Ma219 = p0 1 + Ma219 = p0 (7.345)
2 2 pt13 pt12 p0
652 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
Die rechte Gleichungsseite ist eine einfache Erweiterung von pt19 mit dem statischen Um-
gebungsdruck p0 = p19 und den Totaldrücken pt0 bis pt19 . Aus Abb. 7.99 ist zu sehen, dass
κ/(κ−1)
pt19 /pt13 = 1 gilt. Der Quotient pt13 /pt12 ist das Fandruckverhältnis πFan = τFan und der
Quotient pt0 /p0 kann mittels Gl. (7.12) umschrieben werden:
κ−1
κ
κ −1 κ κ
1+ · Ma219 = τFan
κ−1
· τ0κ−1 (7.346)
2
Hieraus lässt sich nun die Austrittsmachzahl aus der Sekundärdüse berechnen:
2
Ma19 = · (τ0 · τFan − 1) (7.347)
κ −1
Dieses Ergebnis ist identisch mit dem des normalen Turbofantriebwerks, wie ein Vergleich
mit Gl. (7.115) zeigt. Die zugehörigen Düsenaustrittstemperaturen Tt9 und T19 werden
durch Verwendung der Gl. (18.242) berechnet:
Gemäß Abb. 7.99 gilt in dieser Gleichung: Tt19 /Tt16 = 1, Tt16 /Tt13.5 = τM , Tt13 /Tt12 = τFan
und Tt0 /T0 = τ0 . Zur Umschreibung des Quotienten Tt13.5 /Tt13 wird von dem
Zusammenhang Gebrauch gemacht, dass Tt13.5 − Tt13 = Tt3 – Tt2 gilt:
κ −1 τV + τFan − 1
Tt19 = T19 · 1 + · Ma219 = τM · · τFan · τ0 · T0
2 τFan
Tt19 = T0 · τ0 · τM · (τV + τFan − 1), (7.350)
τ0 · τM · (τV + τFan − 1)
T19 = T0 · (7.351)
κ −1
1+ · Ma219
2
Wird hier Gl. (7.347) eingesetzt, so ergibt sich schließlich:
τM
T19 = T0 · · (τV + τFan − 1) (7.352)
τFan
7.11 Rekuperativer Turbofan mit Zwischenkühlung 653
Die Gl. (7.347) zeigt, dass die Machzahl am Austritt der Sekundärdüse Ma19 durch die
Erwärmung des Sekundärstroms infolge der Zwischenkühlung nicht beeinflusst wird. Ein
solcher Einfluss ist nur bei der Düsenaustrittsgeschwindigkeit c19 zu finden, da diese über
die lokale Schallgeschwindigkeit von T19 abhängt:
2 · κ · Ri τM
c19 = Ma19 κ · Ri · T19 = (τ0 · τFan − 1) · T0 · (τV + τFan − 1)
κ −1 τFan
2 τM
c19 = a0 · · (τ0 · τFan − 1) · (τV + τFan − 1) (7.353)
κ − 1 τFan
ein Ausdruck, der mit Gl. (7.116) des normalen Turbofantriebwerks vergleichbar ist.
In Abb. 7.100 ist ein entsprechender Vergleich vorgenommen worden. Auf der Ordinate
ist dabei das Verhältnis der Austrittsgeschwindigkeiten c19Rek /c19 aus der Sekundärdü-
se c19Rek eines rekuperativen Turbofan zu der aus einem herkömmlichen Turbofan c19
aufgetragen. Der daraus abzuleitende Zuwachs an c19 beim rekuperativen Turbofan ist
gleichbedeutend mit einem entsprechenden Gewinn an Schub, da ja nach den Gln. (5.29)
und (5.55) der Ausdruck ṁII · (c19 − c0 ) einen dominanten Term in der Schubgleichung
eines Turbofantriebwerks darstellt. Der linke Teil von Abb. 7.100 zeigt, dass der Schubge-
winn umso höher ausfallen wird, je kleiner das Bypassverhältnis μ und/oder je größer das
Verdichterdruckverhältnis πV sind. Ein hohes Fandruckverhältnis πFan dagegen senkt den
Schubvorteil ab, wie der rechte Teil von Abb. 7.100 zeigt. Dieser Bildteil zeigt auch, dass
für ein Fandruckverhältnis von πFan ≈ 1.4 und ein Verdichterdruckverhältnis von πV ≈ 25
ein Schubgewinn im Sekundärkreis infolge der Wärmezufuhr durch den Zwischenkühler
von rund 22 % zu erwarten ist.
Die Abb. 7.101 zeigt den vollständigen Kreisprozess des rekuperativen Turbofan
mit Zwischenkühlung. Analog zu den Gln. (7.94) und (7.95) für einen herkömmli-
chen Turbofan können auch die spezifischen technischen Arbeiten für die Hoch- und
Niederdruckturbine angegeben werden:
|−wHDT | = wHDV
Tt4 − Tt4.5 = Tt3 − Tt2.6 = Tt3 − Tt2 (7.355)
1 .5 0 1 .5 0
c19Rek c19Rek H0 = 10 km
H0 = 10 km
c19 Ma 0 = 0.85 c19 Ma 0 = 0.85
1 .4 0 μ=2 1 .4 0
π Fan = 1.65 μ = 5.0
1 .3 0 1 .3 0 π V = 35
30
25
μ 20
1 .2 0 4 1 .2 0 15
6
1 .1 0 8 1 .1 0
10
12 πV = 5
10
1 .0 0 1 .0 0
1 6 11 16 21 πV 31 1 .2 1 .6 2 .0 π Fan 2.8
Abb. 7.100 Vergleich der Austrittsgeschwindigkeiten aus der Sekundärdüse eines rekuperativen
Turbofantriebwerks mit Zwischenkühler c19 Rek mit denen aus einem herkömmlichen Turbofan c19
mit identischen Leistungsdaten
7.11.3 Turbinentemperaturverhältnis
Das Turbinentemperaturverhältnis τT = Tt5 /Tt4 < 1 ist ein Maß für die zur Verdichtung
aufzuwendende technische Arbeit, da der Fan und die Verdichter mit den sie antreibenden
Turbinen im Leistungsgleichgewicht stehen. Analog zu Gl. (7.96) kann nun auch hier
geschrieben werden:
Mit Gl. (7.334) war gezeigt worden, dass die spezifischen technischen Arbeiten von Nieder-
und Hochdruckverdichter gleich sind, sodass man schreiben kann:
|−wT | = 2 · wHDV + μ · wFan = 2 · wNDV + μ · wFan
Tt4 − Tt5 = 2 · (Tt3 − Tt2 ) + μ · (Tt13 − Tt12 ) (7.358)
Durch Umformen wird daraus:
h
4
|wHDT|=wHDV
D.O
p t4
=
.5
p t3
|wNDT|=wNDV+∝wFan
=
qzu,BK p t3
siehe Detail-
darstellung
in Bild 7-99
t19
=p
C.O
t16
5
=p
=p t4
.5
=p t p t9
p t5=
3.5
t13
qzu,Rek A3.O qab,Rek
=p
p t3
3 B.O 6 p t6=
t13
p
AP
c92 / 2
p t2.6
p t2.5= AM 9 qab,I
=p 19
2
0 p 9=p 0
B.P
AS
s
Abb. 7.101 Kreisprozess eines idealen Turbofantriebwerks mit Rekuperator und Zwischenkühlung
im h-s-Diagramm. Dem Kreisprozess, dessen Isobaren durch Geraden angenähert wurden, liegen
folgende Daten zu Grunde: H 0 = 10 km, Ma0 = 0.85, πV = 22, Tt4 = 1 250 K (τλ = 5.6), μ = 12 und
πFan = 1.60
κ−1
τ0
τT = 1 − · 2 · πV − 1 + μ · (τFan − 1)
2·κ
(7.360)
τλ
Für einen Vergleich dieses Ausdrucks mit den Daten eines herkömmlichen Turbofan ist
Gl. (7.111) heranzuziehen. Bei Turbinen ist es sinnvoll, anstelle des Temperaturverhält-
nisses, dessen Kehrwert 1/τT anzuschauen, weil eine Vergrößerung dieses Kehrwertes
einer Zunahme an Turbinenarbeit gleichkommt und eine Verkleinerung einer Abnahme.
Abbildung 7.102 zeigt den Vergleich zwischen dem rekuperativen Turbofan mit Zwischen-
kühlung und einem herkömmlichen Turbofan. Aufgrund der Zwischenkühlung geht die
benötigte Turbinenarbeit zurück, was im Einklang mit den Ausführungen in Kap. 7.11.1
steht. Dieser Effekt verstärkt sich, wenn das Verdichterdruckverhältnis und/oder das Fan-
druckverhältnis ansteigen. Große Bypassverhältnisse begünstigen diesen Vorgang noch.
Der rechte Teil von Abb. 7.102 zeigt auch, dass für ein Fandruckverhältnis von πFan ≈ 1.4
und ein Verdichterdruckverhältnis von πV ≈ 30 eine Verminderung an Turbinenarbeit
infolge der Zwischenkühlung von rund 10 % zu erwarten ist. Gleichung (7.360) zeigt
auch, dass der Rekuperator keinen Einfluss auf die Turbinenarbeit hat, sondern nur der
Zwischenkühler.
656 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
1 .0 0 1 .0 0
H0 = 10 km
H0 = 10 km
πV = 5 Ma 0 = 0.85
1 τ TRek Ma 0 = 0.85 1 τ TRek
μ = 5.0
1 τT π Fan = 1.65 1 τT
10
0 .9 4 0 .9 4 15
μ 20
0 .9 1 2 0 .9 1 25
4
6 30
0 .8 8 8 0 .8 8 35
10
12
0 .8 5 0 .8 5
1 6 11 16 21 πV 31 1 .2 1 .6 2 .0 π Fan 2 .8
Abb. 7.102 Vergleich der Kehrwerte der Turbinendruckverhältnisse eines rekuperativen Tur-
bofantriebwerks mit Zwischenkühlung mit denen eines herkömmlichen Turbofan mit ansonsten
identischen Leistungsparametern
Beim rekuperativen Turboshafttriebwerk hatte sich in Kap. 7.10.1 gezeigt, dass es ein
Grenz-Verdichterdruckverhältnis πVmax gibt, bis zu dem ein Rekuperatorbetrieb möglich
ist. Bei Überschreiten dieses Druckverhältnisses, wird der Rekuperator sinnlos. Als Folge
davon sind rekuperative Turboshafttriebwerke auf kleinere Verdichterdruckverhältnis-
se beschränkt. Bei rekuperativen Turbofantriebwerken mit Zwischenkühlung gibt es ein
solches Grenzdruckverhältnis zwar auch, aber der Zwischenkühler sorgt dafür, dass das
Grenzdruckverhältnis merklich höher ausfallen kann als beim Turboshaft. Um den Vor-
teil des Zwischenkühlers auf das Grenz-Verdichterdruckverhältnis zu zeigen, wird zuvor
das maximal mögliche Verdichterdruckverhältnis für einen rekuperativen Turbofan ohne
Zwischenkühlung hergeleitet. Dabei kann direkt von Gl. (7.299) ausgegangen werden, die
für einen rekuperativen Turboshaft ohne Zwischenkühlung abgeleitet wurde:
1
τVmax = τT · τλ · (7.361)
τ0
Für das Turbinentemperaturverhältnis τT kann Gl. (7.111) eingesetzt werden, die für einen
herkömmlichen Turbofan abgeleitet wurde. Wird das darin enthaltene Verdichtertempe-
raturverhältnis τV gleich dem gesuchten Maximalwert gesetzt, d. h., τV = τVmax , so erhält
man durch Kombination mit der Gl. (7.361):
0 1 κ−1
κ
1 τλ κ
πVmax = · + 1 − μ · (τFan − 1) = τVκ−1
max
rekuperativer Turbofan
2 τ0
7.11 Rekuperativer Turbofan mit Zwischenkühlung 657
Die Gl. (7.361) ist auch die Basis für den rekuperativen Turbofan mit Zwischenkühlung.
Zusammen mit Gl. (7.344) wird daraus:
κ−1 τλ
τVmax = πV2κmax = τT · (7.363)
τ0
Für das Turbinentemperaturverhältnis τT wird hier nun die Gl. (7.360) eingesetzt, sodass
man schließlich den folgenden Ausdruck erhält:
0 1 κ−1
2·κ
1 τλ 2·κ
πVmax = · + 2 − μ · (τFan − 1) = τVκ−1
max
rekuperativer Turbofan
3 τ0
mit Zwischenkühlung (7.364)
Nur für πVmax = 1 sind die Ergebnisse der Gln. (7.362) und (7.363) identisch, andernfalls
ergeben sich stets unterschiedliche Resultate. Die Auswertung der beiden Gln. (7.362)
und (7.364), aufgetragen über der dimensionslosen Turbineneintrittstemperatur τλ , zeigt
Abb. 7.103. Es ist zu erkennen, dass bei einem vorgegebenen Wert von τλ = const, das maxi-
mal mögliche Druckverhältnis πV max beim Turbofan mit Zwischenkühlung deutlich höher
ausfallen kann als im Fall ohne Zwischenkühlung. Andererseits zeigt es sich, dass die mög-
lichen dimensionslosen Turbineneintrittstemperaturen τλ beim rekuperativen Turbofan
mit Zwischenkühlung für die dargestellten Beispielrechnungen kaum Wert von τλ = 5.5
überschreiten können und damit bei allen vorgegebenen πV = const stets deutlich kleiner
ausfallen als im Fall ohne Zwischenkühlung. Große τλ -Werte sind für hohe Flugmach-
zahlen Ma0 , große Bypass-Verhältnisse μ und hohe Fandruckverhältnisse πFan möglich,
wobei das Bypass-Verhältnis μ den größten Einfluss hat.
Insbesondere der beim rekuperativen Turbofan mit Zwischenkühlung stärker ausge-
prägte Gradient der Kurven in Abb. 7.103 verdeutlicht, dass der Maximalwert für das
Verdichterdruckverhältnis πVmax empfindlich auf den τλ -Wert reagiert. Eine nur geringe
Variation bei τλ führt bereits zu einer merklichen Veränderung beim maximal möglichen
Verdichterdruckverhältnis πVmax . Bei Verwendung einer Zwischenkühlung tritt diese Sen-
sibilität des Kreisprozesses auf die Wahl der Turbineneintrittstemperatur Tt4 (τλ = Tt4 /T0 )
stärker hervor als bei einem rekuperativen Turbofan ohne Zwischenkühlung.
Da der Schub im Wesentlichen nur durch die Geschwindigkeiten am Aus- und Eintritt
des Triebwerks und durch den Massenstrom bestimmt wird, kann für den rekuperativen
Turbofan mit Zwischenkühlung auch die Schubgleichung des herkömmlichen Turbofan
(7.105) herangezogen werden:
F 1 c9 c19
FS = = · c0 · − 1 + μ · c0 · −1 (7.365)
ṁ0 1+μ c0 c0
658 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
Abb. 7.103 Maximal mögliches Verdichterdruckverhältnis πV max bis zu dem eine idealer re-
kuperativer Turbofan mit und ohne Zwischenkühlung in Abhängigkeit der dimensionslosen
Turbineneintrittstemperatur τλ = Tt4 /T0 betrieben werden kann
Für den rechts in der eckigen Klammer stehenden Ausdruck kann direkt Gl. (7.354)
verwendet werden. Zur Bestimmung des links in der eckigen Klammer stehenden Terms
wird von der rechten Seite von Gl. (7.3) ausgegangen:
c9 T9
c0 · − 1 = a0 · Ma9 · − Ma0 (7.366)
c0 T0
Die weitere Vorgehensweise erfolgt analog zu der Darstellung in Kap. 7.1.1, d. h., zur
Weiterverarbeitung der Gl. (7.366) werden zwei separate Rechnungsgänge durchgeführt,
der eine auf der Basis der Totaltemperatur Tt9 am Triebwerksaustritt und der andere
auf der Basis des Totaldruckes pt9 am Triebwerksaustritt, die beide zum Ziel haben, den
Ausdruck:
τ0
κ −1
1+ · Ma29
2
auf zwei voneinander unabhängigen Wegen bereitzustellen. Durch anschließendes Zu-
sammenfügen der beiden Ergebnisse wird dann eine Lösung erhalten, mit der Gl. (7.366)
weiter verarbeitet werden kann. Unter Zuhilfenahme von Abb. 7.101 kann für die
Totaltemperatur am Triebwerksaustritt von der folgenden Gleichung ausgegangen werden:
κ −1
Tt9 = T9 · 1 + · Ma29 = Tt6 = Tt3 (7.367)
2
7.11 Rekuperativer Turbofan mit Zwischenkühlung 659
κ −1
Tt9 = T9 · 1 + · Ma9
2
2
Tt6 Tt5 Tt4 Tt3.5 Tt3 Tt2.6 Tt2.5 Tt2 Tt0
Tt9 = · · · · · · · · · T0 = Tt3 (7.368)
Tt5 Tt4 Tt3.5 Tt3 Tt2.6 Tt2.5 Tt2 Tt0 T0
Hierin gilt: Tt6 /Tt5 = Tt3 /Tt3.5 , Tt5 /Tt4 = Tt3.5 /Tt4 , Tt3 /Tt2.6 = τHDV = τV ,
Tt2.6 /Tt2.5 = Tt2 /Tt2.5 , Tt2 /Tt0 = 1 und Tt0 /T0 = τ0 . Somit ergibt sich aus Gl. (7.368)
der folgende Ausdruck:
τ0 T9 1
= · (7.369)
κ −1 T 0 τV
1+ · Ma29
2
Für den Totaldruck am Triebwerksaustritt wird nun von der folgenden Gleichung
ausgegangen:
κ−1
κ
κ−1
κ
κ −1 κ −1
pt9 = p9 · 1 + · Ma 2
9 = p0 · 1 + · Ma9
2
= pt6 = pt5 (7.370)
2 2
Mit pt6 = pt5 , pt4 = pt3.5 , pt3.5 = pt3 , pt2.6 = pt2.5 , pt3 /pt2.6 = pt2.5 /pt2 und pt2 = pt0 erhält
man dann:
κ−1
κ
Werden hier nun die Gl. (7.11) und (7.12) eingesetzt, so folgt:
κ−1
κ
κ −1 κ 2κ κ
1+ · Ma9
2
= τTκ−1 · τNDV
κ−1
· τ0κ−1
2
τ0 1
= (7.373)
κ −1 τT · τV2
1+ · Ma9 2
2
Aus dem Gleichsetzen der Gln. (7.369) und (7.373) folgt:
T9 1
= (7.374)
T0 τV · τ T
660 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
Aus Gl. (7.373) kann die Ausströmmachzahl Ma9 aus der primären Schubdüse ermittelt
werden:
2
Ma9 = · τ0 · τV2 · τT − 1 (7.375)
κ −1
Die Kombination dieser Gleichung mit den Gln. (7.366) und (7.374) ergibt:
c9 2 1
c0 · − 1 = a0 · · τ 0 · τV − − Ma0 (7.376)
c0 κ −1 τV · τT
Werden nun die Gln. (7.376) und (7.354) in die Gl. (7.365) eingesetzt, so ergibt sich
eine Beziehung für den spezifischen Schub eines rekuperativen Turbofantriebwerks mit
Zwischenkühlung:
F
FS = =
ṁ0
⎡
⎤
2 1
⎢ τ ·τ − + ⎥
⎢ κ − 1 0 V τV · τT ⎥
a0 ⎢ ⎥
= ·⎢ ⎥
1+μ ⎢ ⎥
⎣ 2 τM ⎦
+μ · (τ0 · τFan − 1) (τV + τFan − 1) − Ma0 (1 + μ)
κ − 1 τFan
(7.377)
c9
c0 · −1
FS FI /ṁI FI c9 − c0 c
= I = =μ· = = 0
, (7.378)
FSII FII /ṁII FII c19 − c0 c19
c0 · −1
c0
so zeigt sich, dass im Zähler dieser Beziehung die Gl. (7.376) und im Nenner die Gl. (7.354)
stehen. Bemerkenswert hierbei ist, dass nun – ganz im Gegensatz zum herkömmlichen
Turbofan – der Schub FII des Sekundärkreises vom Verdichterdruckverhältnis πV bzw.
von τV abhängt.
Die Abb. 7.104 zeigt die Auftragung des spezifischen Schubes nach den Gln. (7.377)
und (7.117) für einen rekuperativen Turbofan mit Zwischenkühlung und für einen her-
kömmlichen Turbofan im Vergleich. Die Auslegungsparameter Ma0 , H0 , πFan , πV , τλ
7.11 Rekuperativer Turbofan mit Zwischenkühlung 661
Abb. 7.104 Spezifischer Schub FS eines idealen rekuperativen Turbofantriebwerks mit Zwischen-
kühlung, aufgetragen über dem Verdichterdruckverhältnis πV
und μ sind für beide Triebwerke jeweils identisch, sodass die auftretenden Unterschie-
de ausschließlich auf die unterschiedlichen Triebwerkskonzepte zurückzuführen sind. Es
ist zu erkennen, dass die Kurvenverläufe insoweit unterschiedlich sind, dass es beim
rekuperativen Turbofan kein Maximum des spezifischen Schubes in Abhängigkeit des Ver-
dichterdruckverhältnisses gibt, so wie es beim herkömmlichen Turbofan und auch beim
Turbojet der Fall ist. Die jeweiligen Kurven des rekuperativen und des herkömmlichen
Turbofan schneiden sich in Richtung zunehmenden Verdichterdruckverhältnisses. Dieser
Schnittpunkt markiert nicht, so wie es beim rekuperativen Turboshaft der Fall war, die
Stelle des maximal möglichen Verdichterdruckverhältnisses. Links dieser Schnittpunkte
liefert der rekuperative Turbofan generell weniger spezifischen Schub als ein herkömmli-
cher Turbofan mit identischen Auslegungsparametern. Wählt man aber z. B. die folgende
Kombination an Parametern H0 = 10 km, Ma0 = 0.85, πV = 24, πFan = 1.65, τλ = 7 und
μ = 5, so zeigt der rechte Teil von Abb. 7.104, dass der Unterschied beim spezifischen
Schub auf deutlich weniger als 20 % reduziert werden kann. Werden also sowohl das
Verdichter- und Fandruckverhältnis als auch das Bypassverhältnis bei einer Triebwerks-
auslegung nicht zu klein gewählt, so kann praktisch immer davon ausgegangen werden,
dass der rekuperative Turbofan hinsichtlich des spezifischen Schubes – bei ansonsten
gleichen Auslegungsparametern – nur wenig einem herkömmlichen Turbofan nachsteht.
Die Abb. 7.105 zeigt, wo es bei den beiden unterschiedlichen Triebwerkskonzepten zu
Unterschieden im spezifischen Schub kommt. Dazu sind jeweils die spezifischen Schü-
be des Sekundär- und Primärkreises eines rekuperativen Turbofan ins Verhältnis gesetzt
worden zu denen eines herkömmlichen Turbofan. Deutlich ist zu erkennen, dass es beim
rekuperativen Turbofan im Primärkreis zu einem Einbruch des spezifischen Schubes von
25 % bis 50 % gegenüber einem herkömmlichen Turbofan kommen kann. Dieses wird
662 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
1 .0 0 1 .5 0
10
FSI FSII μ
Rek Rek
FSII 2
FSI
8
0 .7 5
6
4
2 1 .3 0
μ
0 .5 0
4
1 .2 0
H0 = 10.0 km
Ma 0 = 0.85
0 .2 5 6
π Fan = 1.65 1 .1 0 8
τλ = 7.0 10
0 .0 0 1 .0 0
1 11 21 3 1 πV 4 1 1 11 21 3 1 πV 4 1
Abb. 7.105 Vergleich der spezifischen Schübe FSI und FSII im Primär- und Sekundärkreis
eines rekuperativen Turbofantriebwerks mit Zwischenkühler mit denen eines herkömmlichen
Turbofantriebwerks, bei ansonsten identischen Leistungsparametern
zu einem großen Teil aber im Sekundärkreis wieder ausgeglichen. Die Ursache dafür
liegt in der Erwärmung des Sekundärstroms durch den Zwischenkühler. Werden so-
wohl das Verdichter- und das Fandruckverhältnis als auch das Bypassverhältnis nicht
zu klein gewählt, so wird der Schubeinbruch im Primärkreis zwar in Grenzen gehalten,
aber gleichzeitig auch der Schubgewinn im Sekundärkreis geschmälert. Mit steigendem
Bypassverhältnis μ wird die durch den Zwischenkühler auf den Sekundärkreis übertra-
gene Wärmemenge auf einen immer größer werdenden Gesamtluftmassenstrom verteilt,
sodass der wärmebedingte Schubgewinn permanent zurückgeht.
Abbildung 7.106 vergleicht die spezifischen Schübe und die Schubverhältnisse der bei-
den Triebwerkskonzepte miteinander. Der grau hinterlegte Bereich im linken Bildteil
deutet die Grenzen an, innerhalb dessen ein rekuperativer Turbofan weniger als 20 %
Nachteile im spezifischen Schub gegenüber einem herkömmlichen Turbofan hat. Die fol-
gende Kombination an Parametern H0 = 10 km, Ma0 = 0.85, πV = 24, πFan = 1.65, τλ = 7
und μ = 5 ist in Abb. 7.106 als separater Punkt gekennzeichnet worden. Um diesen Punkt
weiter an den Ordinatenwert eins heranzuschieben, wäre es erforderlich, das Bypassver-
hältnis zu erhöhen und/oder das Fandruckverhältnis zu steigern, was aber schließlich zu
einem mehrstufigen Fan führen würde. Bei einem Verdichterdruckverhältnis von πV = 40
und einem Bypassverhältnis μ = 8 wären rekuperativer und herkömmlicher Turbofan
hinsichtlich des spezifischen Schubes gleichwertig.
In Abb. 7.32 war gezeigt worden, dass der herkömmliche Turbofan in Abhängigkeit des
Fandruckverhältnisses ein Maximum hat, für das in Kap. 7.5.6.3 ein optimales Fandruck-
7.11 Rekuperativer Turbofan mit Zwischenkühlung 663
1 .2 1 .2
FSRek 12 ΦRek
μ = 12
FS 10 Φ
1 .0 8 1 .0
6 μ
4 10
0 .8 2 0 .8
μ
8
0 .6 0 .6 6
4
H0 = 10.0 km
0 .4 0 .4 2
Ma 0 = 0.85
π Fan = 1.65
0 .2 τλ = 7.0 0 .2
0 .0 0 .0
1 11 21 3 1 πV 4 1 1 11 21 3 1 πV 4 1
Abb. 7.106 Vergleich des spezifischen Schubes FS und des Schubverhältnisses eines rekuperativen
Turbofantriebwerks mit Zwischenkühler mit denen eines herkömmlichen Turbofantriebwerks, bei
ansonsten identischen Leistungsparametern
Für einen ausgewählten Fall wurden die Ergebnisse dieser Gleichung in Abb. 7.107 über
dem Verdichterdruckverhältnis aufgetragen und mit den Ergebnissen eines herkömmli-
chen Turbofan, der auf denselben Auslegungsdaten basiert, verglichen. Wie bereits in
Kap. 7.5.3.1 diskutiert, nimmt der spezifische Brennstoffverbrauch beim herkömmlichen
Turbofan mit steigendem Verdichterdruckverhältnis ab. Beim rekuperativen Turbofan ist
dagegen ein Anstieg des Verbrauchs mit dem Verdichterdruckverhältnis zu erkennen. Bei
hohen Verdichterdruckverhältnissen, die außerhalb des Diagramms liegen, laufen die Kur-
ven dann zusammen, so wie es beispielsweise in Abb. 7.90 für den rekuperativen Turboshaft
gezeigt wurde. Der Vergleich der beiden Kurvenverläufe demonstriert den wesentlichen
Vorteil des rekuperativen Triebwerkkonzepts, nämlich seinen signifikanten Einfluss auf
den spezifischen Brennstoffverbrauch. Für den hier behandelten idealisierten (!) Kreispro-
zess wären für ein Triebwerk mit einem Verdichterdruckverhältnis von πV = 24 und den
sonstigen, in Abb. 7.107 mit angegeben Daten, Einsparungen von 50 % zu erwarten. Dieses
gewaltige Einsparungspotenzial sollte aber keinesfalls überbewertet werden, da in der Pra-
xis der unvollkommene Wärmeaustausch in den realen Wärmetauschern einem Vorteil in
dem hier berechneten Umfange entgegenstehen. Der Wärmeaustausch im Zwischenküh-
ler und im Rekuperator wird jeweils nicht so vollständig und druckverlustfrei ablaufen,
wie es der hier vorgestellte ideale Kreisprozess annimmt. Hinzu kommen dann auch noch
die Wirkungsgrade der einzelnen Triebwerkskomponenten, die, im Gegensatz zu der hier
vorgestellten Rechnung, von eins verschieden sind.
Die Firma MTU Aero Engines in München beziffert das Einsparungspotenzial beim spe-
zifischen Brennstoffverbrauch ihres realen rekuperativen Turbofan mit Zwischenkühlung
mit etwa 20 %. Die MTU verwendet hierbei einen neuartigen Typ von Wärmetauscher,
der in Abb. 7.94 dargestellt ist, dessen Rohre lanzettförmig18 gestaltet sind, wodurch ein
deutlich höherer Wärmetauscherwirkungsgrad möglich wird. Dieser Wärmetauscher hält
hohen Temperaturen und plötzlichen Temperaturänderungen sehr viel besser stand als die
in stationären Gasturbinen üblichen schweren Plattenwärmetauscher. Durch den Wär-
metauschereinsatz wird neben der Ersparnis an Brennstoff auch eine Reduzierung der
Schadstoffe erreicht, wobei man von einer Reduzierung des Kohlendioxidausstoßes um
20 % und des Stickoxid-Ausstoßes um 80 % ausgeht.
18
Lanzette = kleines zweischneidiges Stechinstrument in der chirurgischen Praxis (aus dem
Französischen „lancette“, die Verkleinerungsform von: „lance“ = Lanze).
7.11 Rekuperativer Turbofan mit Zwischenkühlung 665
100 3 .0 0
BSRek
H0 = 10.0 km
2 .7 5 BS
Ma 0 = 0.85
BS herkömmlicher
π Fan = 1.65
⎡ kg/h ⎤ Turbofan 2 .5 0
⎢ ⎥ τλ = 7.0
⎢⎣ kN ⎥⎦
μ = 5.0 2 .2 5
50 2 .0 0
1 .7 5
25 1 .5 0
rekuperativer Turbofan
mit Zwischenkühlung 1 .2 5
π V = 24
0 1 .0 0
1 11 21 31 πV 41
Abb. 7.107 Spezifischer Brennstoffverbrauch BS des idealen rekuperativen Turbofan mit Zwi-
schenkühlung, aufgetragen über dem Verdichterdruckverhältnis πV , im Vergleich mit einem
herkömmlichen Turbofan
In Abb. 7.108 zeigen die drei Teilbilder das Verhalten des spezifischen Brennstoff-
verbrauchs mit steigendem Verdichterdruckverhältnis. Klar zu erkennen ist, dass der
Verbrauch des rekuperativen Triebwerks deutlich unter dem eines herkömmlichen Tur-
bofans liegt. Mit steigendem Verdichterdruckverhältnis nähern sich die Verbräuche der
beiden Triebwerkstypen kontinuierlich an und der Vorteil des Rekuperators für das Trieb-
werk nimmt dabei ab. Der Verbrauchsvorteil des rekuperativen Turbofan ergibt sich
daraus, dass die vom Verdichter kommende Luft vor der Brennkammer über den Wär-
meaustausch im Rekuperator vorerhitzt wird, sodass in der nachfolgenden Brennkammer
dann nur noch entsprechend weiniger Brennstoff zugeführt werden muss, um schließlich
die gewünschte Brennkammeraustrittstemperatur zu erreichen.
Die Kurvenverläufe für das rekuperative Triebwerk zeigen im Gegensatz zum her-
kömmlichen Turbofan einen mit dem Verdichterdruckverhältnis ansteigenden Verlauf.
Der Grund dafür liegt darin, dass die steigenden Druckverhältnisse einen immer geringer
werdenden Wärmeaustausch über den Rekuperator zulassen und somit mehr Brennstoff
zugeführt werden muss, um schließlich das gewünschte Tt4 zu erreichen. An den Stellen,
wo sich die einzelnen Kurvenäste (außerhalb des Diagramms) treffen, geht der Wärme-
transport über den Rekuperator gegen null. Der Rückgang des Wärmetransports bei den
hohen Verdichterdruckverhältnissen resultiert aus dem entsprechend höheren Bedarf an
Verdichterleistung, den die Turbine schließlich abdecken muss. Dadurch steigt zum einen
die Verdichteraustrittstemperatur und sinkt zum anderen – analog dazu – die Turbinen-
austrittstemperatur ab, was schließlich dazu führt, dass das Temperaturgefälle über den
Rekuperator immer geringer wird.
666 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
25 μ =4 25 25
6 π Fan = 1.8
8 2.0
0 0 0
1 11 21 31 π 41
V
1 11 21 31 π 41
V
1 11 21 31π V 41
Abbildung 7.108 zeigt des Weiteren, dass der Einfluss der beiden Triebwerksparameter
Bypass-Verhältnis μ und Fandruckverhältnis πFan beim rekuperativen Turbofan deutlich
geringer ausfällt als beim herkömmlichen Turbofan, da beim rekuperativen Triebwerk
alle Kurven sehr nahe beieinander liegen. Tendenziell ist beim rekuperativen Turbo-
fan dennoch zu erkennen, dass der Verbrauch durch steigende Bypassverhältnisse und
steigende Fandruckverhältnisse leicht verbessert wird. Eine Eigenschaft, die auch beim
herkömmlichen Turbofan zu beobachten ist, aber eben deutlich ausgeprägter.
Der rechte Teil von Abb. 7.108 zeigt dann abschließend, dass – wie es zu erwarten ist –
hohe Flugmachzahlen Ma0 auch einen höheren Verbrauch mit sich bringen. Und das gilt
in gleichem Maße sowohl beim herkömmlichen Turbofan als auch beim rekuperativen.
Abbildung 7.109 zeigt, dass der spezifische Brennstoffverbrauch in Abhängigkeit des
Fandruckverhältnisses ein Minimum besitzt. Die Lage des Minimums wird begünstigt
durch höhere Bypass- und Verdichterdruckverhältnisse. Wie auch schon in Abb. 7.108
zu sehen war, ist dieser Einfluss aber gering, da alle Kurven sehr nahe beieinander liegen.
Hinzu kommt, dass die Minima außerdem auch noch sehr flach verlaufen.
In Abb. 7.110, in dem der spezifische Brennstoffverbrauch über dem Bypassverhältnis
aufgetragen ist, zeigen die Kurvenverläufe ebenfalls flach verlaufende Minima. Wie es auch
schon beim herkömmlichen Turbofan beschrieben wurde, so weist auch der rekuperati-
ve Turbofan minimale spezifische Verbräuche in Abhängigkeit des Fandruck- und des
Bypassverhältnisses auf.
Zusammengefasst geht aus den Abb. 7.109 und 7.110 hervor, dass sich ein günstiger
spezifischer Verbrauch bei kleinen Fandruckverhältnissen und großen Bypassverhältnis-
sen einstellen wird. Abbildung 7.104 zeigte dagegen aber, dass ein guter spezifischer Schub
7.11 Rekuperativer Turbofan mit Zwischenkühlung 667
25 25 25
Kurven- Kurven-
minima minima Kurvenminima
0 0 0
1 2 π Fan 3 1 2 π Fan 3 1 2 π Fan 3
25 25 25
0 0 0
0 5 10 μ 15 0 5 10 μ 15 0 5 10 μ 15
nur dann erreicht wird, wenn das Fandruckverhältnis groß und das Bypassverhältnis klein
ist. Die Auslegung für einen rekuperativen Turbofan wird es folglich erforderlich machen,
die einzelnen Triebwerksparameter so aufeinander abzustimmen, dass sich ein Kompro-
miss zwischen ausreichendem spezifischem Schub und günstigem spezifischem Verbrauch
ergibt.
668 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
Zur Berechnung des thermischen Wirkungsgrades wird von Gl. (7.124) ausgegangen:
2
2
c02 c9 c19
ηth = · − 1 + μ · − 1 (7.384)
2 · β · Hi c02 c02
c92 τ0 · τT · τV2 − 1
= (7.385)
c02
τV · τT · (τ0 − 1)
Die Kombination der Gln. (7.385), (7.386), (7.382) und (7.360) mit der Gl. (7.384) ergibt
dann den nachfolgenden Ausdruck für den thermischen Wirkungsgrad:
τ0 τV2 τT − 1 τM
− (1 + μ)(τ0 − 1) + μ (τ0 τFan − 1)(τFan + τV − 1)
τV τT τFan
ηth = (7.387)
τλ · (1 − τT )
In Anlehnung an die Gln. (6.115) und (6.76) kann der thermische Wirkungsgrad auch wie
folgt aufgeschrieben werden:
$ $ $ $
|wN | qzu − $−qab $ $−qab $
ηth = = =1− (7.388)
qzu qzu qzu
Die über den Zwischenkühler und über den Rekuperator jeweils zu- und abgeführten Wär-
men heben sich in einer Energiebilanz gegeneinander heraus. Hinsichtlich der zugeführten
Wärmen verbleibt damit nur noch die über die Brennkammer zugeführte spezifische
Wärme:
Q̇zu
qzu = = cp · (Tt4 − Tt3 ) = cp · (Tt4 − Tt5 ) (7.389)
ṁI
Die über den Primär- und Sekundärkreis durch die jeweiligen Strahlen an die Umgebung
abgeführten spezifischen Wärmen lauten:
$ $
$−Q̇ab $ = ṁI · cp · (T9 − T0 ) + ṁII · cp · (T19 − T0 )
$ $
$ $ $ $
$−qab $ = $$− Q̇ab $$ = cp · (T9 − T0 ) + μ · cp · (T19 − T0 ) (7.390)
$ ṁI $
7.11 Rekuperativer Turbofan mit Zwischenkühlung 669
Mit diesen beiden letzten Gleichungen kann nun zusätzlich zu Gl. (7.387) ein weiterer
Ausdruck für den thermischen Wirkungsgrad angegeben werden, wenn dabei außerdem
auch noch von den Gln. (7.374) und (7.352) Gebrauch gemacht wird:
$ $ $ $
|−wN | qzu − $−qab $ $−qab $ T9 − T0 + μ · (T19 − T0 )
ηth = = =1− =
qzu qzu qzu Tt4 − Tt5
T0 (T9 /T0 − 1) + μ · (T19 /T0 − 1)
ηth = ·
Tt4 1 − Tt5 /Tt4
1 τM
−1+μ· · (τV + τFan − 1) − 1
τV · τ T τFan
ηth = (7.391)
τλ · (1 − τT )
Die Zahlenwerte, die sich aus den beiden Gln. (7.391) und (7.387) ergeben, sind natürlich
identisch. Zur Berechnung des Vortriebswirkungsgrades wird von Gl. (7.129) ausgegangen:
μ
1+
ηP = 2 ·
(7.392)
c9 μ c19
+1 + · +1
c0 c0
In Kap. 6.13 war erläutert worden, dass der Gesamtwirkungsgrad ηges dem spezifi-
schen Brennstoffverbrauch BS umgekehrt proportional ist, d. h., ein hoher Wert für den
Gesamtwirkungsgrad bedeutet einen niedrigen Wert für den spezifischen Verbrauch.
Abbildung 7.111 zeigt die Auftragung des thermischen Wirkungsgrades über dem Ver-
dichterdruckverhältnis. Deutlich sticht der Vorteil des rekuperativen Triebwerks hervor.
Längs des dargestellten Bereichs für das Verdichterdruckverhältnis hat das Triebwerk einen
sehr hohen thermischen Wirkungsgrad, der zu steigenden Verdichterdruckverhältnissen
hin leicht abfällt, um sich – außerhalb der Diagrammgrenzen – den Werten des herkömm-
lichen Turbofan anzunähern. Als horizontale Linie ist im oberen Diagrammbereich der
Carnot-Faktor ηCar mit eingetragen worden, der für Wärme-Kraft-Maschinen den oberen
Grenzwert des bestenfalls zu erreichenden thermischen Wirkungsgrades darstellt. Analog
zu Gl. (6.121) wurde der Carnot-Faktor hier aus der nachfolgenden Beziehung bestimmt:
Tmin T0 1
ηCar = ηthopt = 1 − =1− =1− (7.394)
Tmax Tt4 τλ
670 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
Abb. 7.111 Thermischer Wirkungsgrad ηth eines idealen rekuperativen Turbofantriebwerks mit
Zwischenkühlung und eines herkömmlichen Turbofan, aufgetragen über dem Verdichterdruckver-
hältnis πV
Isentrope
b
Iso
3J
4C re
(Tmax)C 9C ba
Iso
(Tmin)C trope 3C 9J
Isen-
0C
3E
Tmin
Isotherme 0E
0J Ericsson-Prozess (Index: E)
Joule-Prozess (Index: J)
Carnot-Prozess (Index: C)
s
Abb. 7.112 Vergleich der beiden Gasturbinenvergleichsprozesse, Joule- und Ericsson-Prozess, mit
dem Carnot-Prozess, bei gleichen Minimal- und Maximaldrücken, zur Hinführung auf den offenen
Ackeret-Keller-Prozess als Grundlage des Kreisprozesses des rekuperativen Turbofantriebwerks mit
Zwischenkühlung
Turbine verlangen würde, ist er aber technisch kaum zu realisieren. Durch Zwischenküh-
lung und Zwischenerhitzung lassen sich aber die Isothermen des Ericsson-Prozesses in
gewisser Art und Weise annähern. Was die Zwischenkühlung betrifft, so vollzieht der hier
beschriebene Kreisprozess des rekuperativen Turbofan die Annäherung an die isotherme
Verdichtung des Ericsson-Prozesses. Eine Zwischenerhitzung in der Turbine findet aber
nicht statt.
Zur Verbesserung des Joule Prozesses haben erstmals Ackeret und Keller (1939)
und Keller (1946) eine Abänderung des Prozesses vorgeschlagen. Diese Abänderung
entspricht im Prinzip genau dem hier vorgestellten Kreisprozess des rekuperativen Tur-
bofan mit Zwischenkühlung. Im Ackeret-Keller-Prozess19 erfolgt die Verdichtung in
mehreren aufeinander folgenden Einzelverdichtern, zwischen denen das Fluid jeweils
immer wieder rückgekühlt wird. Vor der eigentlichen Wärmezufuhr im Prozess wird
das von den Verdichtern kommende Fluid in einem Wärmetauscher vorgewärmt, z. B.
Stephan und Mayinger (1998). Die Vorwärmung erfolgt mittels des von der Turbi-
ne kommenden Fluides. Exakt einen solchen Zyklus durchläuft das Fluid auch im
rekuperativen Turbofan mit Zwischenkühlung. Aus thermodynamischer Sicht kann
deswegen der hier beschriebene Kreisprozess auch als offener Ackeret-Keller-Prozess
19
Der Ackeret-Keller-Prozess ist ursprünglich ein Gasturbinenprozess mit geschlossenem Kreislauf
und mit vollständiger innerer Wärmeübertragung, der technische Anwendung bei gasgekühlten
Kernreaktoren finden sollte.
672 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
Beispiel 7.11
Es sind in den verschiedenen Bezugsebenen die Basisdaten (Drücke, Temperaturen, Ge-
schwindigkeiten und Machzahlen) eines idealen rekuperativen Turbofantriebwerks mit
Zwischenkühlung zu berechnen, ebenso der spezifische Schub, der spezifische Brenn-
stoffverbrauch, das Schubverhältnis und die diversen Wirkungsgrade. Das Triebwerk
7.11 Rekuperativer Turbofan mit Zwischenkühlung 675
wird bei einer Flugmachzahl von Ma0 = 0.85 in einer Flughöhe von H0 = 10 km betrie-
ben (p0 = 264.36 hPa, T0 = 223.15 K). Das gesamte Verdichterdruckverhältnis beträgt
πV = 22, das Fandruckverhältnis πFan = 1.60, das Bypass-Verhältnis μ = 12 und die
Turbineneintrittstemperatur Tt4 = 1.250 K. Für die durch das Triebwerk strömende
Luft gilt: κ = 1.4, cp = 1 004.5 Nm/(kg · K), Ri = 287 Nm/(kg · K) und Hi = 4.31 · 107
Nm/kg. Den zugehörigen Kreisprozess zeigt Abb. 7.101 maßstäblich.
Zuströmung:
√
a0 = κ · Ri · T0 = 1.4 · 287 · 223.15 = 299.436 m/s
c0 = Ma0 · a0 = 0.85 · 299.436 = 254.520 m/s
κ −1
τ0 = 1 + · Ma20 = 1 + 0.2 · 0.7225 = 1.145
2
Tt0 = T0 · τ0 = 223.15 · 1.145 = 255.395 K
κ
pt0 = p0 · τ0κ−1 = 26 436.06 · 1.1453.5 = 42 398.648 Pa ∼
= 0.0424 bar
Fan und Verdichter:
κ−1
τFan = πFan
κ
= 1.600.285714 = 1.144
κ−1
τV = πV2·κ = 200.142857 = 1.555
τNDV = τHDV = τV = 1.555
κ
πNDV = τNDV
κ−1
= 1.5343.5 = 4.690
κ
πHDV = τHDV
κ−1
= 1.5343.5 = 4.690
676 7 Parametrische Kreisprozessanalyse idealer Flugzeugtriebwerke
1 τFan · (μ − 1) 1 1.144 · 11
τM = · 1+ = · 1+ = 0.700
μ τFan + τV − 1 12 1.144 + 1.555 − 1
Tt2 = Tt2,6 = Tt0 = 255.395 K
Tt13 = Tt2 · τFan = 255.395 · 1.144 = 292.101 K
Tt2,5 = Tt2 · τV = 255.395 · 1.555 = 397.180 K
Tt3 = Tt2,5 = 397.180 K
Tt19 = T0 · τ0 · τM · (τV + τFan − 1)
= 223.15 · 1.145 · 0.7 · (1.555 + 1.144 − 1) = 303.916 K
Tt16 = 303.916 K
Tt19 303.916
Tt13,5 = = = 433.886 K
τM 0.70
τM 0.70
T19 = T0 · · (τV + τFan − 1) = 223.15 · · (1.555 + 1.144 − 1) = 232.176 K
τFan 1.144
pt2 = pt12 = pt0 = 42 398.648 Pa
pt13 = pt13,5 = pt16 = pt19 = pt2 · πFan = 42 398.648 · 1.60 = 67 837.836 Pa
∧
= 0.6784 bar
pt2,5 = pt2,6 = pt2 · πNDV = 42 398.648 · 4.690 = 198 867.297 Pa
pt3 = pt2,6 · πHDV = 198 867.297 · 4.690 = 932 770.312 Pa
p19 = p0 = 26 436.059 Pa
wFan = cp · (Tt13 − Tt2 ) = 1 004.5 · (292.101 − 255.395) = 36 870.773 W/ kg/s
wV = cp · (Tt3 − Tt2 ) = 1 004.5 · (397.180 − 255.395) = 142 422.844 W/ kg/s
wNDV = cp · Tt2,5 − Tt2 = 1 004.5 · (397.180 − 255.395) = 142 422.844 W/ kg/s
wHDV = cp · Tt3 − Tt2,6 = 1 004.5 · (397.180 − 255.395) = 142 422.844 W/ kg/s
Tt13 − Tt2 = wFan /cp = 36 870.773/1 004.5 = 36.706 K
Tt3 − Tt2 = Tt2,5 − Tt2 = Tt3 − Tt2.6 = wV /cp = 142 422.844/1 004.5 = 141.785 K
Brennkammer:
Tt4 1 250
τλ = = = 5.602
T0 223.61
pt4 = pt3 = 932 770.312 Pa
cp · T0 · τ0
β= · [2 · (τV − 1) + μ · (τFan − 1)]
Hu
1 004.5 · 223.15 · 1.145
= · [2 · (1.555 − 1) + 12 · (1.144 − 1)] = 0.017
4.31 · 107
7.11 Rekuperativer Turbofan mit Zwischenkühlung 677
Turbine:
τ0
τT = 1 − · [2 · (τV − 1) + μ · (τFan − 1)]
τλ
1.145
=1− · [2 · (1.555 − 1) + 12 · (1.144 − 1)] = 0.421
5.602
κ
πT = τTκ−1 = 0.4213.5 = 0.048
Tt5 = Tt4 · τT = 1 250.0 · 0.421 = 525.963 K
Tt4,5 = Tt4 − ΔTt,HDV = 1 250.0 − 141.785 = 1 108.215 K
Tt5 = Tt4,5 − ΔTt,HDV − μ · ΔTt,Fan = 1 108.215 − 141.785 − 12 · 36.706 = 525.963 K
Tt3,5 = Tt5 = 525.963 K
qzu = cp · Tt4 − Tt3,5 = 1 004.5 · (1 250.0 − 525.963) = 727 294.812 W/(kg/s)
wT = cp · (Tt4 − Tt5 ) = 1 004.5 · (1 250.0 − 525.963) = 727 294.812 W/(kg/s)
wNDT = cp · Tt4 − Tt4,5 = 1 004.5 · (1 250.0 − 1 108.215) = 142 422.828 W/(kg/s)
wHDT = cp · Tt4,5 − Tt5 = 1 004.5 · (1 108.215 − 525.963) = 584 872.000 W/(kg/s)
τNDT = Tt4,5 /Tt4 = 1 108.215/1 250.0 = 0.887
τHDT = Tt5 /Tt4,5 = 525.963/1 108.215 = 0.475
κ
πNDT = τNDT
κ−1
= 0.8873.5 = 0.656
κ
πHDT = τHDT
κ−1
= 0.4753.5 = 0.074
pt4,5 = πHDT · pt4 = 0.074 · 932 770.312 = 68 696.492 Pa
pt5 = πT · pt4 = 0.048 · 932 770.312 = 45 074.805 Pa
primäre Schubdüse:
sekundäre Schubdüse:
2
c02 c92 c19
ηth = · −1 +μ· −1
2 · β · Hi c02 c02
c92 τ0 · τT · τV2 − 1 1.145 · 0.421 · 1.555 · 1.555 − 1.0
= = = 1.742
c02
τV · τT · (τ0 − 1) 1.555 · 0.421 · 0.145
2
c19 τM · (τ0 · τFan − 1) · (τV + τFan − 1)
=
c02 τFan · (τ0 − 1)
0.700 · (1.145 · 1.144 − 1.0) · (1.555 + 1.144 − 1.0)
= = 2.225
1.144 · (1.145 − 1.0)
254.520 · 254.520
ηth = · [(1.742 − 1.0) + 12 · (2.225 − 1.0)] = 0.688
2 · 0.017 · 4.31 · 107
Tmin T0 1 1
ηCar = 1 − =1− =1− =1− = 0.821
Tmax Tt4 τλ 5.602
μ 12.0
1+ 2· 1+
0.650
ηP = 2 ·
= = 0.806
c9 μ c19 12.0
+1 + · +1 2.32 + 1 + · 2.492
c0 c0 0.650
ηges = ηth · ηP = 0.688 · 0.806 = 0.554
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Thermische Turbomaschinen
8
Turboarbeitsmaschinen
Turbokraftmaschinen
1
Enthalpie = innere Energie + Verschiebearbeit: h = u + p · v.
2
Die Summe aus Enthalpie und kinetischer Energie nennt man per Definition Totalenthalpie ht .
z. B. Wellen-
Generator)
Propelleran-
trieb
Brennkammer
Fluid mit erhöhter Fluid mit erhöhter
Strömungsenergie Wärme- bzw. Brennstoffzufuhr Strömungsenergie
(Druck) bei Kreisprozessen (Druck + Temperatur)
Von der Eigenschaft, dass die Energieumwandlung zwischen der Strömungsenergie des
Fluides und der mechanischen Arbeit an der Welle über einen Rotor, der auch Laufrad
genannt wird, erfolgt, haben die Turbomaschinen ihren Namen, denn turbare heißt im
Lateinischen „kreiseln, wirbeln, sich drehen“. Der französische Ingenieur Claude Burdin
(*1788 †1873) führte diesen lateinischen Ausdruck erstmals für sein 1824 entwickeltes
Wasserrad in die Welt der Technik ein.
Da diese Energieumsetzung bei kontinuierlicher Durchströmung der Turbomaschinen
vor sich geht, d. h. bei kontinuierlich geöffnetem Ein- und Austrittsquerschnitt, und die
strömungstechnisch günstige Gestaltung der Bauteile innerhalb der Maschine – wie z. B.
tragflügelähnliche Schaufeln – auf die Energieumsetzung entscheidenden Einfluss haben,
werden sie i. Allg. auch einfach nur als Strömungsmaschinen bezeichnet.
Der Sinn der Kombination von Turboarbeits- und Turbokraftmaschinen liegt in der
Möglichkeit, durch Zufuhr von Wärme an das Fluid (z. B. aus fossilen Brennstoffen in
einer Brennkammer) zwischen Verdichter und Turbine, einen möglichst großen Betrag an
mechanischer Nutzarbeit (vgl. Kap. 6.8) zur Verfügung zu stellen. Wobei die Wandlung
von Wärme in Arbeit nur immer in begrenztem Umfang vollzogen werden kann. Der
thermische Wirkungsgrad quantifiziert diesen Vorgang.
8.1 Grundlagen und Begriffe 683
Abb. 8.2 Entstehung des Modells eines ebenen Schaufelgitters. Vom beschaufelten Rad hin zum
Ebenen Turbomaschinengitter. (Einzelbildquelle: DLR, Göttingen, Institut für Antriebstechnik)
8.1.1 Gitterströmungen
In Abb. 8.1 ist als Aufgabe der Turbomaschinen die Umwandlung von Strömungsenergie
in mechanische Arbeit mittels Rotoren (oder umgekehrt) dargestellt. Dieses erfordert ei-
ne zweckmäßige Gestaltung der jeweiligen Rotoren, sodass der Austausch mechanischer
Arbeit zwischen Rotor und Fluid möglichst optimal, d. h. intensiv und verlustarm erfol-
gen kann. Hierzu dient eine Vielzahl von auf dem Drehkörper des Rotors (Rotorscheibe
oder -trommel) befestigten oder mit ihm aus einem Stück hergestellten aerodynamisch ge-
formten Körpern, die als Laufschaufeln bezeichnet werden. Sie haben je nach Bauform des
Rotors, der auch Laufrad genannt wird, unterschiedliches Aussehen. Allen Schaufelformen
ist aber gemeinsam, dass bei ihrer Umströmung aerodynamische Kräfte entstehen, die bei
Rotation zu einem mechanischen Arbeitsaustausch zwischen Rotor und Fluid führen.
Die Abb. 8.2 zeigt, wie schrittweise aus einem dreidimensionalen Schaufelrad (hier ein
Turbinenrad) das zweidimensionale Modell eines sogenannten „Ebenes Schaufel- oder
Strömungsgitters“ entsteht. Die im Bild dargestellte Beschaufelung wird von einem zen-
trischen, parallel zur Achse liegenden Zylinders geschnitten (koaxialer Zylinderschnitt)
und die sich so ergebende Schnittfläche anschließend gedanklich in eine Ebene abge-
wickelt, so entsteht ein so genanntes Turbomaschinengitter, das oft auch nur kurz als
Gitter bezeichnet wird.
684 8 Thermische Turbomaschinen
v1
omlinien
t′ str
t rie
v1 e
m
m
Sy
t′ > t
t
v2
Gitterströmung als Gitterströmung als
Kanalströmung zwischen Profilumströmung zwischen
v2
zwei profilierten Schaufeln zwei Symmetriestromlinien
Abb. 8.3 Zwei mögliche Modellvorstellungen zur theoretischen Behandlung von Strömungen durch
Turbomaschinengitter
tGehäuse=tG
tm
Abb. 8.4 Prinzipskizze zur Änderung der Teilung eines Gitters längs der Schaufelhöhe. Hier am
Beispiel des Fans des Triebwerks Rolls-Royce RB211-Trent 900 (Airbus A380)
der Schaufeln zueinander wird als Gitterteilung, oder kurz auch nur als Teilung „t“
bezeichnet. In Abb. 8.3 sind die Teilungen am Gittereintritt (Gittereintrittsebene) und
am Gitteraustritt (Gitteraustrittsebene) gleich groß. Abbildung 8.4 zeigt, dass im Falle
eines radial weit außen durchgeführten koaxialen Zylinderschnitts die Teilung größer aus-
fällt als bei einem entsprechenden Schnitt nahe an der Nabe. In diesen Fällen wird von
einem Außenschnittgitter mit großer Teilung und von einem Nabenschnittgitter mit
kleinerer Teilung gesprochen. Der in Abb. 8.3 dargestellte Schnitt würde somit von den
geometrischen Gegebenheiten her einem so genannten Mittenschnittgitter entsprechen.
Die Gitterteilung nimmt also für verschiedene Zylinderschnitte von der Nabe bis zum
Gehäuse hin zu – präzise gesagt, bis zur Schaufelspitze hin.
Etwas später werden wir noch ausführlicher sehen und erklären, dass bei Tur-
bomaschinengittern die „Mitte“ (in Radialrichtung) nicht die halbe Schaufelhöhe ist.
Ein Mittenschnitt liegt, von der Nabe aus gesehen, immer etwas oberhalb der halben
Schaufelhöhe.
Die links in Abb. 8.3 dargestellte Kanalströmung wird als axiale Gitterdurchströmung
bezeichnet, da sie entsprechend der Modellvorstellungen auf einem koaxialen Zylinder-
mantel liegt. Die Ein- und Austrittskanten der Schaufeln liegen dabei auf Geraden, sodass
das zugehörige Schaufelgitter auch Gerades bzw. Ebenes Gitter heißt.
Hat die Strömung eine zusätzliche Radialkomponente, so wird die Gitterdurchströmung
als diagonale Durchströmung bezeichnet. Die Beschaufelung wird in diesen Fällen durch
eine geometrisch entsprechende Rotationsfläche geschnitten, die in den meisten Fällen
einer Kegelfläche entspricht. Deren Abwicklung in die Ebene liefert dann keine geraden
Gitterein- und Gitteraustrittsfronten mehr. Bei rein radial durchströmten Beschaufelungen
liefert eine ebene Schnittfläche normal zur Drehachse das so genannte Ebene Kreisgitter,
Abb. 8.5.
Die Teilung t beeinflusst bei konstanter Profilgeometrie längs der Schaufelhöhe3 in
erheblichem Maße die Umlenkung der Strömung. Die Darstellung in Abb. 8.6 demon-
striert diese Aussage. Es ist zu erkennen, dass die kleine Teilung im Nabenschnitt der
3
Hat eine Schaufel längs der Schaufelhöhe – also in Radialrichtung – überall dasselbe Schaufelprofil
und ist dabei nicht verwunden, d. h. nicht in sich verdreht, so nennt man eine solche Schaufel eine
zylindrische oder prismatische Schaufel.
686 8 Thermische Turbomaschinen
Austrittsstutzen
Schaufel-
kanal
A
Abströmung
A
v1
Zuströmung
ω
se
A
ehäu A
lg
ira
Sp
v2
Schaufeln
A
Winkelgeschwindigkeit ω
Abb. 8.5 Prinzipskizze eines Ebenen Kreisgitters am Beispiel eines Radialverdichterlaufrades, das
man auch als Impeller bezeichnet (Verzögerungsgitter mit
v2 < v1 )
unten
oben
mitte
oben
Zuströmung Beschleunigungsgitter
mitte (Turbine) mit zylindri-
schen Schaufeln
unten
Abströmung
Naben-
Stromfäden in unterschiedlicher radialer Position
schnitt Mitten- Außen-
schnitt schnitt
Abb. 8.6 Zur Strömung auf unterschiedlichen radialen Positionen durch ein feststehendes Tur-
binengitter (Leitrad oder Stator genannt) mit zylindrischen oder prismatischen Schaufeln. Das
Bild ist die Nachzeichnung einer ehemaligen, schlecht erhaltenen Fotografie (Gallus 1977) zu einer
entsprechenden Strömungssichtbarmachung
Beschaufelung die Strömung stärker umlenkt als die größeren Teilungen im Mitten- und
Außenschnitt. Bei einer engen Teilung – also bei nahe beieinanderstehenden Schaufeln
– kann die Strömung der Kontur der Beschaufelung besser folgen als dort, wo die Tei-
lung groß ist. Wenn die Strömung nicht vollständig der Schaufelkontur folgt, so spricht
8.1 Grundlagen und Begriffe 687
man von Minderumlenkung. Im Außenschnitt zeigt sich also eine besonders ausgeprägte
Minderumlenkung. Extrapoliert man diesen Zusammenhang auf den Fall einer unendlich
großen Teilung, so ergibt sich dadurch der Fall des umströmten Einzelflügels, der keine
Umlenkung der Strömung bewirkt. Lässt man die Teilung sehr, sehr eng werden, so wird
zwar die Umlenkung erhöht, aber damit auch die Anzahl der Schaufeln – bezogen auf den
jeweiligen Umfang – vergrößert. Damit vergrößern sich auch die reibenden Oberflächen
und somit auch der Verlust in diesem Bereich der Beschaufelung.
Um von daher bei endlicher Teilung einen gewünschten Abströmwinkel tatsächlich
zu erhalten, muss die Wölbung der Beschaufelung verstärkt werden. Man bezeichnet
diesen konstruktiven Zusammenhang als Winkelübertreibung. Dabei stimmt der Schau-
felkonstruktionswinkel (auch Metallwinkel genannt) an der Vorder- und Hinterkante
einer Schaufel nicht mit den geforderten Strömungswinkeln überein. Wir werden auf
die näherungsweise Berechnung solcher Schaufelkonstruktionswinkel noch einmal später
zurückkommen, nachdem die erforderlichen Grundlagen der Gitter abgehandelt wurden.
Der Begriff der Winkelübertreibung zählt zu den älteren Theorien, deren Formeln meist
auf empirischen Grundlagen basieren, die keinen Einblick in die zu Grunde liegenden
physikalischen Sachverhalte zulassen. Hinzu kommt, dass praktisch alle Winkelüber-
treibungsformeln mehr oder weniger nur auf eine jeweils ganz individuelle Profilform
beschränkt sind.
Die Vorstellung über die Strömung durch ein ebenes Gitter befasst sich immer nur mit
den Verhältnissen in einem ganz bestimmten radialen Gitterschnitt. In diesem Schnitt ist
die Umfangsgeschwindigkeit u konstant. Sie differiert aber bezüglich aller anderen Schau-
felschnitte zwischen Nabe und Blattspitze. Diese führt schließlich zu unterschiedlichen
Strömungsverhältnissen in Radialrichtung und macht letztlich eine räumliche Betrach-
tung der Strömungsvorgänge erforderlich, die als Radiales Gleichgewicht (Smith Jr. 1966)
bezeichnet wird.
Abbildung 8.7 lässt erkennen, dass sich beim Durchströmen eines Gitters nach den
aus der Strömungsmechanik bekannten Grundlagen (Bernoulli-Gleichung) an der kon-
kaven Schaufelbauchseite (Schaufelunterseite) kleinere Geschwindigkeiten ausbilden als
auf der konvexen Schaufelrückenseite (Schaufeloberseite). Daraus folgen unterschiedliche
Drücke auf den beiden Schaufelseiten, die zu einer aerodynamischen Druckwirkung zwi-
schen Schaufel und Fluid führen. Da auf der konkaven Bauchseite, wegen der kleineren
Geschwindigkeiten, die höheren statischen Drücke auftreten, bezeichnet man diese Seite
auch als Druckseite. Die konvexe Rückenseite weist wegen der höheren Geschwindigkeiten
auch die niedrigeren statischen Drücke auf und wird von daher als Saugseite bezeichnet.
Aufgrund dieser Druckunterschiede in der Schaufelpassage kommt es zusätzlich zu lokalen
Querbewegungen der Hauptströmung von der Saugseite zur Druckseite hin, was man als
Sekundärströmung bezeichnet. Werden die Druckverteilungen auf Saug- und Druckseite
über alle Oberflächenelemente der Schaufel aufintegriert, so ergibt sich eine resultieren-
de Schaufelkraft, die konzentriert im radialen Mittenschnitt der Beschaufelung (zwischen
Nabe und Gehäuse) angreifen soll und deren Richtung stets von der Druck- zur Saugseite
688 8 Thermische Turbomaschinen
Bewegungsrichtung
Kraft, die das Schaufelgitter
der Schaufeln in v2 auf das Fluid in
Umfangsrichtung Umfangsrichtung
ausübt
actio = reactio
v1
i te
se
g
Sau
ite
Druckseite
ite
se
Kraft, die das ck
se
Abb. 8.7 Strömung durch ein Turbinengitter mit homogener Zu- und Abströmung
zeigt. Diese Kraft ist mit dem Auftrieb eines Tragflügels vergleichbar. Es handelt sich hier-
bei also um eine Kraft, die vom Fluid an der Schaufel erzeugt wird. Die Reaktionskraft,
die gemäß des dritten Newtonschen Axioms (actio = reactio) von der Schaufel auf das
Fluid wirkt, zeigt umgekehrt stets von der Saug- zur Druckseite. Die in Abb. 8.6 in einem
der Schaufelkanäle mit eingezeichneten Kreise verdeutlichen bei der dort dargestellten
Turbinenbeschaufelung, dass sich der durchströmte Querschnitt zwischen den Schaufeln
– ähnlich einer Düse – nach hinten verengt, wodurch die Strömung beschleunigt wird,
v2 > v1 . Bei einem Verdichtergitter sind diese Verhältnisse genau umgekehrt, sodass der
durchströmte Querschnitt zwischen den Schaufeln die Form eines Diffusors hat.
Die Zu- und Abströmung der Beschaufelung ist in Abb. 8.7 als homogene Strömung
dargestellt, d. h. ohne Einfluss der Schaufelgrenzschichten (Reibungsschichten), eine Be-
trachtungsweise, die im Folgenden als zweckmäßige Vereinfachung beibehalten werden
soll. Dabei soll aber stets klar sein, dass die allgegenwärtige Reibung die Strömung ähnlich
wie in Abb. 8.8 aussehen lässt. Die Grenzschichten von Druck- und Saugseite der Schaufeln
laufen in die Abströmung und bilden dort eine so genannte Nachlaufdelle, so wie man sie
auch vom Nachlauf eines Tragflügelprofils her kennt. Der Geschwindigkeitsausgleich in
den Nachlaufdellen vollzieht sich relativ langsam, sodass in einer Maschine mit mehreren
Schaufelreihen hintereinander die jeweils nachfolgenden Schaufelreihen in Wirklichkeit
nicht mehr homogen, sondern „gestört“ angeströmt werden. Dieses hat an der folgen-
den Beschaufelung fluktuierende Schaufelkräfte zur Folge, die Schaufelschwingungen und
Lärm produzieren. Real liegen also nur sehr weit vor und sehr weit hinter dem Gitter
homogen verteilte Strömungszustände vor, was man als ungestörte Zu- und Abströmung
8.1 Grundlagen und Begriffe 689
Radial - Axialrichtung
richtung v2
Umfangs-
richtung
ungestörte Abströmung
lle
v1
fde
lau
ch
ungestörte Zuströmung
Na
i
te
Saugse
Schaufel-
g
un
passage
röm
fst
Druckseite
lau
ch
Na
Abb. 8.8 Grenzschichten und Geschwindigkeitsentwicklungen im Nachlauf eines Turbinengitters
Es wird ein einzelnes, sich in Umfangsrichtung drehendes Laufrad mit homogener Zu-
und Abströmung betrachtet. Das Rad rotiert aufgrund der Anströmung der Beschaufelung
durch ein energiereiches Fluid, ähnlich, wie es prinzipiell bei einem Windrad der Fall ist.
Im Sinne einer zweckmäßigen Vereinfachung bleiben räumliche Strömungsvorgän-
ge vorläufig unberücksichtigt, ebenso wie der Einfluss der Nachbarbeschaufelungen. Es
wir also eine Beschaufelung mit sehr, sehr großer Teilung betrachtet. Alle Schaufelkräf-
te werden als resultierende Gesamtkraft, konzentriert im radialen Schaufelmittenschnitt
angenommen. Dasselbe soll für die Umfangsgeschwindigkeit und alle anderen Zu- und
Abströmgeschwindigkeiten gelten. Auf dieses Mittenschnittprofil der solchermaßen idea-
lisierten Beschaufelung wird nun der Kräfteformalismus der Tragflügeltheorie angewandt,
Abb. 8.9. Die im Bild dargestellte Schaufel gehört zu einer Turbine, die vom Fluid ange-
trieben wird. Wie schon bei Abb. 8.7 beschrieben, so sind auch hier die resultierenden
Schaufelkräfte eingetragen, die zum einen von der Wirkung des Fluides auf die Schaufel
herrühren und zum anderen diejenigen, die von der Schaufelwirkung auf das Fluid her-
690 8 Thermische Turbomaschinen
r Axialkraft
ax Fres = FR
Fax
FR Fu actio = reactio
Umfangskraft
Resultierende Schaufelkraft
u (Kraftwirkung von der
Schaufel auf das Fluid)
rs der
d e s Vekto keit
m- nie dig
Anströ indigkeit Wirkli mgeschwin
h w n s t rö
gesc A
v∞
Verschiebevektor bzw. su Resultierende Schaufelkraft
Umfangsgeschwindigkeit u (Kraftwirkung vom
Fluid auf die Schaufel)
Schaufelauftrieb F Schaufelwiderstand
FA res (senkrecht zum Auftrieb und
(senkrecht zur An- FW
strömgeschwindigkeit) parallel zur Anströmgeschwindigkeit)
rühren. Diese beiden Kräfte sind dem Betrag nach gleich, aber entgegengesetzt gerichtet
(actio = reactio).
Für eine Turbomaschine ist dabei ausschließlich die Kraft von Interesse, die von der
Schaufel auf das Fluid übertragen wird. Im Verdichter erhöht diese Schaufelkraft schließ-
lich das Energieniveau (Druck und Temperatur) im Fluid und in der Turbine baut diese
Schaufelkraft das Energieniveau (Druck und Temperatur) im Fluid ab. Hinzu kommen
unter Umständen auch noch Änderungen der kinetischen Energien (Geschwindigkeiten)
in den beteiligten Fluidströmungen. Das physikalische Interesse bei den Turbomaschi-
nen liegt also primär erst einmal bei all denjenigen Vorgängen, die die Fluideigenschaften
verändern. Von dieser Reaktionskraft FR ist für die Arbeitsumsetzung aber nur deren
Umfangskomponente Fu wirksam, da sich der Rotor ausschließlich in Umfangsrichtung
bewegen kann. Die Umfangskraft Fu weist bei allen Turbomaschinen stets von der Saug-
zur Druckseite, so wie es die Abb. 8.9 zeigt. Diese Richtung ist das Resultat der zuvor erläu-
terten Tatsache, dass immer die Wirkung der Beschaufelung auf das Fluid zu betrachten
ist.
Arbeit ist allgemein Kraft × Weg. Mechanische Arbeit W ist also das vektorielle
Punktprodukt (Skalarprodukt) aus Kraftvektor Fu und Verschiebevektor su .
W = Fu ·
su (8.1)
Die Kraft, die zur Arbeitsumsetzung in einer Turbomaschine notwendig ist, ist also eine
aerodynamische Schaufelkraft, die durch Rotation in Umfangsrichtung „verschoben“ wird.
8.1 Grundlagen und Begriffe 691
Verdichterlaufrad r Turbinenlaufrad
ax
= su = = su =
u
or
u
us
axiale u
iff
D
Haupt-
se
v2
Dü
anström-
richtung
Drehrichtung
v2
Fu
Fu
v1
v1
WV = Fu ⋅ su WT = Fu ⋅ su
WV = Fu ⋅ su ⋅ cos (Fu , su ) WT = Fu ⋅ su ⋅ cos (Fu , su )
Wv = Fu ⋅ su ⋅ cos 0° WT = Fu ⋅ su ⋅ cos 180°
WV = +Fu ⋅ su > 0 WT = −Fu ⋅ su < 0
Von daher kann mechanische Arbeit nur in beweglichen Bauteilen einer Turbomaschine
umgesetzt werden, also in einem Laufrad bzw. in einem Rotor.
8.1.3 Vorzeichenvereinbarungen
In Kap. 6.8 war mittels des ersten Hauptsatzes der Thermodynamik am Beispiel des Joule-
prozesses gezeigt worden, dass im Triebwerkskreisprozess Verdichterleistung bzw. -arbeit
ein positives und Turbinenleistung bzw. -arbeit ein negatives Vorzeichen hat. Für die
Gl. (8.1) bedeutet dies, dass das Punktprodukt Fu · s u bzw. die entsprechenden Vekto-
ren für Verdichter und Turbinen jeweils so zu orientieren sind, dass sich die geforderten
Vorzeichen für die Leistung P bzw. für die Arbeit W einstellen. Dieses wird durch eine
entsprechende Schaufelanordnung, verbunden mit der richtigen Wahl der Drehrichtung,
erreicht. Abbildung 8.10 zeigt die sich dadurch zwangsläufig ergebenden Schaufelanord-
nungen für Verdichter und Turbinen. Wird davon ausgegangen, dass Verdichter und
Turbine auf einer gemeinsamen Welle, ohne zwischengeschaltetes Getriebe, angeordnet
692 8 Thermische Turbomaschinen
sind, so wie es in einem Triebwerk i. Allg. der Fall ist, so muss die Umfangskraft Fu 4 beim
Verdichter durch die Profilanordnung so gerichtet werden, dass Fu und s u dieselbe Rich-
tung haben. Bei der Turbine müssen Fu und s u entgegengesetzte Richtungen haben. Das
Ausmultiplizieren der Gl. (8.1) ist in Abb. 8.10 zusätzlich mit angegeben und führt zu den
gewünschten Vorzeichen bei der Verdichter- und Turbinenarbeit, d. h. WV >0 und WT <0.
Abbildung 8.10 zeigt darüber hinaus im oberen Bildteil das Basis-Koordinatensystem, das
zukünftig für Gitterbetrachtungen verwendet werden soll. Hierbei stehen r für Radial-, ax
für Axial- und u für Umfangsrichtung. Skalare Größen, die in Richtung dieser Koordina-
ten weisen, sind positiv, entgegengesetzt dazu weisende, sind negativ. Unter Benutzung
dieses Koordinatensystems kann aus W = Fu · su auch das Vorzeichen für Verdichter und
Turbine gefunden werden. Beim Verdichter sind Fu und su jeweils positiv, wogegen Fu bei
der Turbine negativ und su positiv ist.
Aus Abb. 8.10 sind außerdem auch die typischsten geometrischen Eigenschaften von
Verdichter- und Turbinenbeschaufelungen zu erkennen, die nachfolgend aufgelistet sind:
Verdichter Turbine
Die Saugseite zeigt zur axialen Die Saugseite zeigt im Wesentlichen von der
Hauptanströmrichtung hin axialen Hauptanströmrichtung weg
Die Schaufelpassage, d. h. der Strömungskanal Die Schaufelpassage, d. h. der Strömungskanal
zwischen den Schaufeln, ist diffusorförmig, was zwischen den Schaufeln, ist düsenförmig, was
die mit eingezeichneten Kreise (Querschnitte) die mit eingezeichneten Kreise (Querschnitte)
verdeutlichen sollen verdeutlichen sollen
Die Zuströmgeschwindigkeit ist größer als die Die Zuströmgeschwindigkeit ist kleiner als die
Abströmgeschwindigkeit (Verzögerung) Abströmgeschwindigkeit (Beschleunigung)
Die Strömungsumlenkung zwischen der Zu- Die Strömungsumlenkung zwischen der Zu-
und Abströmung ist vergleichsweise gering und Abströmung ist vergleichsweise groß
Das Schaufelprofil ist dünn, mit relativ spitzer Das Schaufelprofil ist füllig, mit runder
Vorderkante, und ist insgesamt einem Vorderkante, und weist meist eine stärkere bis
Tragflügel ähnlich starke Wölbung auf
Vor und hinter den jeweiligen Gitterein- und Gitteraustrittsebenen sind in Abb. 8.10 Hilfs-
linien mit eingezeichnet, die vor und hinter dem Gitter etwa denselben Abstand haben,
was durch die mit eingezeichneten Gleichheitszeichen symbolisiert wird.5 Genau zwischen
diesen Hilfslinien und den Gitterfronten sind die Geschwindigkeitsvektoren platziert. Die
4
Es sei hier daran erinnert, dass die Umfangskraft entsprechend Abb. 8.9 immer von der Saug- zur
Druckseite zeigen soll, um der für Turbomaschinen üblichen Betrachtung gerecht zu werden, dass
die Schaufelkraft auf das Fluid wirkt.
5
Hierbei handelt es sich um eine Vereinfachung, die an dieser Stelle lediglich aus Anschaulich-
keitsgründen gewählt wird, von der aber später – speziell bei kompressiblen Fluiden – abgewichen
werden muss. Die Abstände sind dann zwar nicht mehr in jedem Fall gleich aber auch nicht sehr
stark unterschiedlich voneinander, sodass die hier getroffene vorläufige Vereinfachung (d. h. gleiche
Abstände) die Dinge nicht signifikant verfälscht.
8.1 Grundlagen und Begriffe 693
x
v1 Normalen-Winkel der Skelettlinie
v2
Sehnenlänge s
y Dickenverteilung d(x)
Profilob erse
ite (Saug
seite
)
Skelettlinie
ƒ maximale
Profilunterseit (D ruckseite) Wölbung
x
xd
maxim. Dickenrücklage
xƒ
maxim. Wölbungsrücklage Sehnenlänge s
Abb. 8.11 Zu- und Abströmrichtung am Beispiel eines Verdichterprofils der NACA-65-Serie
gleichen Abstände der Hilfslinien vor und hinter dem Gitter kennzeichnen in einer an-
schaulichen Näherung die Massenerhaltung des durchströmenden Fluides (Kontinuität).
Auf diese Eigenschaft wird etwas später noch einmal zurückkommen werden.
Die Vektoren der Zu- und Abströmgeschwindigkeiten sind so eingezeichnet, dass sie
die Verlängerung der Tangente der Skelettlinie des jeweiligen Profils an der Profilvorder-
und -hinterkante sind, Abb. 8.11. Man sagt in diesem Fall, dass die Strömungsrichtungen
der Zu- und Abströmung, v1 und v2 mit den sog. Schaufelkonstruktionswinkeln über-
einstimmen. Diese Art der skizzenhaften Darstellung der Beschaufelung – zusammen mit
den Hilfslinien in Abb. 8.10 – ist stets eine gute zeichnerische Näherung, die gewährleistet,
dass die Zu- und Abströmverhältnisse eines Gitters auch in mehr oder weniger groben
Skizzen qualitativ richtig dargestellt werden. Dass beim Verdichter stets v2 < v1 und bei
der Turbine v2 ≥ v1 gelten soll, ergibt sich bei dieser Art der Skizzierung, so wie sie
Abb. 8.9 zeigt, vollkommen automatisch. Es gibt bei Turbinen – und nur bei Turbinen –
einen Sonderfall, die so genannte Aktions- oder Impulsturbine, bei dem in der Tat auch
v2 = v1 gelten kann. Wir kommen später noch darauf zu sprechen.
In Abb. 8.12 und 8.13 wurden die Verhältnisse aus Abb. 8.10 in Form einer räumlichen
Darstellung auf eine Verdichter- und eine Turbinenbeschaufelung übertragen. Dadurch
wird es anschaulich möglich, die Gleichungen für die Umfangsgeschwindigkeit u und
das Rotormoment M in vektorieller Form darzustellen und auch deren Wirkrichtung
aufzuzeigen. Darüber hinaus ist zudem auch die Gleichung für die Rotorleistung P, die ein
Skalar ist, dargestellt. Im Folgenden werden die Ergebnisse – inklusive der sich ergebenden
Vorzeichen – zusammengefasst. In den Gleichungen ist ω die Winkelgeschwindigkeit des
694 8 Thermische Turbomaschinen
Fu r
ax
u = ω×r
r M = r × Fu
u P = ω⋅M u
r
v2
su r
M
v1
ax
ω
r
ax
r u = ω×r
u r M = r × Fu
P = ω⋅M
u
Fu
su v2
r
u
M v1
ω ax
Laufrades in [s−1 ] und t die Zeit in [s]. Alle anderen Größen wurden bereits zuvor bzw.
sind in den beiden Abb. 8.11 und 8.12 definiert.
Aus den obigen Gleichungen ergibt sich dann eine Beziehung für die Rotorleistung:
u = Fu · (
P = Fu · ω× r ) = Fu ·
ω· r =ω· r · Fu durch zyklisches Vertauschen
P= r × Fu ) =
ω · ( ω·M (8.2)
Nach der bisherigen Betrachtung ist die übertragene Arbeit positiv, wenn sie die Strö-
mungsenergie des Fluides erhöht (Verdichter) und negativ, wenn sie die Strömungsenergie
des Fluides absenkt (Turbine). Die mechanische Leistung P ist dementsprechend für eine
Turbine negativ und für einen Verdichter positiv.
Aerodynamische Oberflächenkräfte auf den Schaufeln werden nicht nur von Druck-
verteilungen normal zur Schaufeloberfläche erzeugt. Jedes reale Fluid besitzt eine gewisse
Zähigkeit, die als Viskosität bezeichnet wird, wodurch molekular kleine Teilchen unmittel-
bar an der Oberfläche der umströmten Schaufeln anhaften (Newtonsche Haftbedingung).
Von hier wächst die örtliche Geschwindigkeit v – in einer dünnen Schicht über der
Schaufelkontur – vom Wert v = 0 unmittelbar an der Wand auf den Wert v = vS am
strömungsseitigen Rand dieser Schicht an ∂v/∂n n > 0, mit n als Normalenrichtung, also
der Richtung senkrecht zur Schaufeloberfläche. Diese Schicht wird nach Prandtl (1904)
als Grenzschicht bezeichnet, Abb. 8.14. Tangential zur Schaufelprofilkontur wirken in
einer solchen Grenzschicht Schubspannungen, sodass zur Bestimmung der wirksamen
696 8 Thermische Turbomaschinen
1.2 1.2
1.0 1.0
0.8 0.8
0.6 0.6
0.4 0.4
0.2 0.2
0.0 0.0
0.0 0.5 1.0 0.0 0.5 1.0
MISES Vers. 2.56
Verdichter Turbine
Mav1 = 1.050 Mav1 = 0.310
Mav2 = 0.562 Mav2 = 1.300
Re = 4 ⋅106 Re = 6 ⋅106
aerodynamischen Schaufelkräfte nicht nur über die lokalen Druckverteilungen auf der
Schaufeloberfläche, Abb. 8.14, sondern auch über die lokalen Schubspannungsverteilungen
zu integriert ist.
Bisher wurden z. B. in Abb. 8.10 nur die Verhältnisse auf einem Zylinderschnitt bei ei-
nem bestimmten Radius r diskutiert. Wäre in Abb. 8.10 der Zylinderschnitt enger, d. h. auf
einem kleineren Radius durchgeführt worden, so wären auch die Strömungskanäle klei-
ner und die zugehörigen Profildruckverteilungen anders ausgefallen, auch dann, wenn die
Schaufeln prismatisch wären. Unter einer prismatischen Schaufel wird eine Schaufel ver-
standen, die von der Rotornabe bis zum äußeren Schaufelende hin ein und dasselbe Profil
hat, und die in Radialrichtung nicht in sich verwunden ist. In der Praxis erfordern aber län-
gere Schaufeln aufgrund strömungstechnischer und festigkeitsmechanischer Rücksichten
eine Veränderung der Profilform und Profilneigung über dem Radius. Die Profilkontur ist
dann von der Nabe bis zur Gehäusewand verwunden und verjüngt sich im Querschnitt,
sodass sich die Geschwindigkeits- bzw. Druckverteilungen am Profil ebenfalls in den ver-
schiedenen Zylinderschnitten von der Nabe bis zum Gehäuse hin verändern. Soll also die
an der Schaufel von der Nabe bis zur Schaufelspitze übertragene mechanische Arbeit be-
rechnet werden, so muss die Schaufelkraft in jedem Profilschnitt, rN ≤ r ≤ rG , aus den
Druck- und Schubspannungsverteilungen über dem Radius durch Integration ermittelt
werden.
Die über den Radius in jedem einzelnen Profilschnitt ermittelten Schaufelkräfte
Fu r haben in Bezug auf die Drehachse jeweils einen unterschiedlichen Hebelarm r .
8.1 Grundlagen und Begriffe 697
Für eine einzige der Rotorschaufeln berechnet sich dann das Rotordrehmoment Mi zu:
rG
Mi = r · dFu (r ) (8.3)
rN
Zur Unterscheidung vom Leitrad (Stator) werden alle Größen, die zu einem Laufrad (Ro-
tor) gehören zusätzlich mit gekennzeichnet. Größen, die zu einem Leitrad gehören,
werden etwas später mit gekennzeichnet werden. Beträgt also die Schaufelanzahldes Ro-
tors iS , so ergibt sich unter der Annahme gleicher Umfangskräfte je Schaufel Fu r das
Gesamtmoment Mges aller Schaufeln des Laufrades zu:
rG
Mges = iS · r · dFu (r ) (8.4)
rN
Hierin ist iS die Anzahl der Schaufeln pro Leitrad. Im Allgemeinen gilt iS = iS . Für
gehäusefeste Leiträder ist die Winkelgeschwindigkeit ω = 06 und von daher die zugehörige
Leistung P = 0.
Bisher wurde ausschließlich die aerodynamische Kraft- und Momentenwirkung der
Schaufeln auf die Strömung betrachtet. Die Schaufeln in Turbomaschinen haben aber eine
endliche Länge. Ineinem
Laufrad wird der Strömungsraum an der Nabe rN und an
der Schaufelspitze rG durch rotationssymmetrische Flächen begrenzt, an denen eben-
falls wieder die Newtonsche Haftbedingung gilt, also Reibungseffekte auftreten. An diesen
rotationssymmetrischen Flächen können Umfangskräfte und Umfangsmomente auf das
6
Es gibt auch Maschinen mit rotierenden Leiträdern. In diesem Fall besteht die Maschine dann
ausschließlich aus gegenläufig drehenden Laufrädern. Ein Beispiel hierfür ist die sog. Ljungström-
Turbine (z. B. Stodola 1922), eine gegenläufige Zentrifugalturbine.
698 8 Thermische Turbomaschinen
Systemgrenze r
(Ringraum) 1 2
br1 br2 c2 m
u
ax
c1
FR r2
r1 Meridianschnitt „m”
ω
MG′′ ′′
MG′′ (τG ) MN′′ (τ N ) ∑ M ′′= M′′
i ges
Mres
ω
′′
Mres M ′′ + ∑ M ′′> 0
N
i
∑ M ′′+ M ′′
i N MTres < 0 Turbine
MVres > 0 Verdichter
Fluid nur durch Schubspannungen übertragen werden. Bezeichnet man diese Umfangs-
momente an der Nabe mit M N und an der Außenwand mit M G , so ergibt sich das der
Strömung aufgeprägte resultierende Umfangsmoment zu:
M res = M N + M G + M i = M N + M G + M ges (8.8)
eingeschlossene Fluid unterliegt Wirkungen, die von den Schaufeln und von den Wänden
herrühren. Von der mitrotierenden Nabe erfährt das Fluid infolge der Schubspannungen
eine antreibende – in Richtung des Schaufelmoments gerichtete – Wirkung und von der
gehäusefesten Außenwand eine bremsende – gegen die Richtung des Schaufelmoments
gerichtete – Wirkung, (Pfleiderer und Petermann 1991).
In der bisher dargestellten Vorgehensweise ist die praktische Ermittlung der Druck- und
Schubspannungsverteilungen am Schaufelprofil und an den ringförmigen Kanalwänden
rechnerisch und/oder experimentell außerordentlich schwierig und zeitraubend. Deswe-
gen ist es einfacher, die Ermittlung des resultierenden Momentes M res mittels des aus der
Strömungsmechanik bekannten und in Kap. 5 bzw. in Kap. 18 sehr eingehend behan-
delten Impulssatzes an der Begrenzungsfläche des zwischen 1 und 2 eingeschlossenen
Fluides vorzunehmen (Systemgrenze in Abb. 8.15, rechts), wenn dort die lokalen Strö-
mungsgeschwindigkeiten c1 und
c2 bekannt sind. Die mit eingezeichnete Schaufelkraft FR
entspricht der in Abb. 8.9 eingezeichneten Kraft, die die Beschaufelung auf das Fluid aus-
übt. Die Vektorschreibweise weist darauf hin, dass die Ausrichtung der Geschwindigkeiten
8.1 Grundlagen und Begriffe 699
c2ax
F p1
FR
c1 c 1u Fu
c 1ax
t1
F ax
und der Kraft nicht notwendigerweise parallel zu einer der Achsen des Koordinatensystems
erfolgen muss, sondern allgemein räumlich sein kann.
Der Impulssatz der Strömungsmechanik besagt nun, dass die an der Systembegrenzung
wirkende resultierende Kraft FR gleich dem aus der Systembegrenzung an der Stelle 2
pulsstrom ṁ1 · c1 , ist. Sind die Massenströme am Ein- und Austritt der Systembegrenzung
identisch, d. h. ṁ = ṁ1 = ṁ2 , so kann man diesen Zusammenhang mittels der Verallge-
meinerung der Gl. (5.33) formulieren, in der auch die Druckkräfte Fp2 = A2 · (p2 − p0 )
und Fp1 = A1 · (p1 − p0 ), am Aus- und Eintritt berücksichtigt sind:
FR = ṁ · (
c2 −
c1 ) + Fp2 − Fp1 (8.9)
Siehe hierzu auch Abb. 8.16. Hinsichtlich des resultierenden Rotormoments sind in dieser
Vektorgleichung aber nur die Komponenten der Vektoren in Umfangsrichtung von In-
teresse. Da die Druckkräfte in Abb. 8.16 keine Komponenten in Umfangsrichtung haben,
lautet die Komponentenschreibweise der Gl. (8.9) in u-Richtung dann:
Mit den Bezeichnungen aus Abb. 8.15 und 8.16 liefert die Komponentenschreibweise in
Axialrichtung das nachfolgende Ergebnis:
Nach Abb. 8.16 sind die Geschwindigkeiten c1u und c2u die Umfangskomponenten der
Geschwindigkeiten c1 und c2 der Gitterzu- und Gitterabströmung. Dieses sind die Ge-
schwindigkeiten in ein Gitter hinein und aus ihm heraus, die ein Beobachter sehen würde,
der von außen auf die Schaufeln schaut (gehäusefester Beobachter) und die man von da-
her Absolutgeschwindigkeiten nennt. Diese Geschwindigkeiten sind nicht vergleichbar
mit den so genannten Relativgeschwindigkeiten v1 und v2 , die ein mit den Schaufeln
mitrotierenden Beobachter sehen würde (vgl. hierzu z. B. Abb. 8.17). Im nächsten Kapitel
wird vertiefend auf den Zusammenhang zwischen Absolut- und Relativgeschwindigkei-
ten eingegangen werden. Vom Laufrad wird das Rotordrehmoment MR um die Drehachse
übertragen, das sich entsprechend der vorausgegangenen Ausführungen aus der Summe
aller einzelnen Rotorschaufelmomente Mi und dem Nabenschubspannungsmoment MN
zusammensetzt:
MR = Mi + MN = Mi + MN (8.13)
PR = MR · ω (8.14)
Die Kombination der Gl. (8.14) mit den Gln. (8.12) und (8.13) ergibt dann:
PR = MR · ω = (Mres − MG ) · ω = ṁ · (c2u · r2 · ω − c1u · r1 · ω) − MG · ω (8.15)
Die Eulersche Hauptgleichung ist universell, da sie für kompressible, inkompressible, rei-
bungsbehaftete und reibungsfreie Fluide anwendbar ist. Einschränkungen bestehen nur
insoweit, als sie auf stationäre Strömungen begrenzt ist, was aber unerheblich ist, da kaum
zu erwarten ist, dass es innerhalb der Beschaufelung zu einer Fluid- und daraus resul-
tierenden Energiespeicherung kommt. Die Eulersche Hauptgleichung setzt voraus, dass
es in Umfangsrichtung keine veränderlichen Strömungsbedingungen gibt, d. h., dass alle
Schaufelkanäle ein und dieselben Zu- und Abströmverhältnisse haben, eine Eigenschaft,
die als Rotationssymmetrie bezeichnet wird.
Entsprechend der Gl. (18.7) ist spezifische Arbeit gleich der Änderung der Totalenthal-
pie zwischen Aus- und Eintritt der Systembegrenzung, P/ṁ = ht1,2 . Zusammen mit Gl.
(18.102) ergibt sich deswegen auch:
P
w= = u2 · c2u − u1 · c1u = cp · (Tt2 − Tt1 ) = ht2 − ht1 (8.17)
ṁ
• Absolutsystem. Die Strömung wird vom feststehenden Gehäuse der Turbomaschine aus
betrachtet (gehäusefestes System). Dieses System wurde zur Herleitung der Eulerschen
Hauptgleichung verwendet.
• Relativsystem. Die Strömung wird von der bewegten Beschaufelung der Turbomaschine
aus betrachtet (schaufelfestes System). Dazu muss ein Beobachter (hypothetisch) mit
der Schaufel mitrotieren. Damit wird die Schaufel für den Beobachter ein feststehendes
Objekt, um welches das Fluid strömt. Dieses System wurde z. B. für die Darstellungen
in Abb. 8.10 verwendet.
Nach den Gesetzen der Physik sind alle gleichförmig bewegten Bezugssysteme hinsichtlich
ihrer Verwendung zur Beschreibung mechanischer Vorgänge gleichberechtigt, und man
kann jedes von ihnen nach Wahl so behandeln, als sei es ein absolut ruhendes System. Ein
solches System nennt man Inertialsystem. Die Wahl des Bezugssystems hat keinen Einfluss
auf die aus der Beobachtung solcher Vorgänge abgeleiteten Gesetze. Entscheidend für die
Wahl eines Bezugssystems ist allein dessen Zweckmäßigkeit.8
8
Ist ein System ein Inertialsystem (Flughafen), so ist auch ein transformiertes System (Flugzeug, das
sich auf dem Flughafen bewegt) ein solches Inertialsystem. In allen Inertialsystemen gilt, dass die
Gesetze der klassischen Physik (Mechanik) unverändert bleiben, d. h., die Stoßgesetze behalten ihre
Gültigkeit, ein schiefer Wurf bleibt ein schiefer Wurf usw. Bei beschleunigten Systemen dagegen
treten Änderungen auf. Insbesondere sind hier Scheinkräfte, wie z. B. die Coriolis-Kraft, zu beob-
702 8 Thermische Turbomaschinen
Von daher sind die aerothermodynamischen Vorgänge, die im Absolut- und Rela-
tivsystem einer Turbomaschine unabhängig voneinander hergeleitet werden können, in
geeigneter Weise miteinander kombinierbar, da sie gegenüber dem Übergang von einem
Bezugssystem zum anderen invariant sind.
Da jede Bewegung nach den Gesetzen der Physik relativ ist, kann eine solche Bewegung
auch immer nur bezüglich eines als ruhend angenommenen Bezugsystems beschrieben
werden. Für Turbomaschinen bedeutet das:
Geschwindigkeit gegenüber dem Ufer c = 0, d. h., der Beobachter am Ufer würde den
Menschen auf dem Schiff bezüglich des Ufers immer am gleichen Ort „stehen“ sehen.
Dieser einfache Zusammenhang kann durch die folgende Vektorgleichung beschrieben
werden, die sofort aus Abb. 8.17 ersichtlich wird. Diese Gleichung ist die so genannte
Galilei-Transformation für Geschwindigkeiten:
c =
u +
v =
v +
u (8.18)
u= –Geschwindigkeit des bewegten Bezugssystems (Schiff).
–Geschwindigkeit des sich bewegenden Relativsystems (Rotor, Nabe).
–In Turbomaschinen ist dies die Umfangsgeschwindigkeit, mit der sich die
Schaufeln eines Rotors (bewegliches Relativsystem) bewegen.
v = –Geschwindigkeit des Menschen im bewegten Bezugssystem (Schiff).
–Geschwindigkeit eines Strömungs- bzw. Massenteilchens (analog dem gehenden
Menschen auf dem Schiff) im beweglichen Relativsystem.
achten. Anschaulich bedeutet dies, dass man auch in einem (gleichförmig) fliegenden Flugzeug ohne
weiteres Ballspiele ausführen könnte, ohne dass man dazu irgendetwas umtrainieren müsste, wenn
man von den unvermeidlichen Erschütterungen einmal absieht. Lediglich wenn das Flugzeug eine
Kurve fliegt, startet oder landet, würde sich die Bewegungsbahn des Balles verändern.
8.1 Grundlagen und Begriffe 703
u
c
v
v
) fer
em U
Mensch.
st m
Masse, die sich im beweg-
ol hte er
sy r a
bs ac nd
ten Relativsystem bewegt
(A ob ehe
ut
Be tst
s
fe
Abb. 8.17 Zur Erläuterung der Galilei-Transformation für Geschwindigkeiten, am Beispiel eines
Schiffes, das mit der Geschwindigkeit u fährt, und auf dem sich ein Mensch mit der Geschwindigkeit v
entgegen zur Fahrtrichtung – zum Heck hin – bewegt, und eines am Ufer fest stehenden Beobachters,
der – von seiner Position aus – sich den Mensch auf dem Schiff mit der Geschwindigkeit c bewegen
sieht
–In Turbomaschinen ist dies die Strömungsgeschwindigkeit, mit der sich die
Strömungs-Massenteilchen durch die sich bewegenden Rotorschaufelpassagen
hindurch bewegen (Relativgeschwindigkeit). Man sagt, dies ist die Strömung, die
ein mitbewegter Beobachter sehen würde.
c = –Geschwindigkeit, die ein Beobachter im feststehenden Bezugssystem (Ufer)
wahrnimmt.
–Geschwindigkeit und Richtung eines Strömungsteilchens im rotierenden System
(Rotor-Schaufelpassage) vom feststehenden Absolutsystem (Stator, Gehäuse) aus
gesehen.
–In Turbomaschinen ist dies die Strömungsgeschwindigkeit in einen Rotor hinein
oder aus einem Rotor heraus, vom Maschinengehäuse aus gesehen. Es ist auch die
Strömungsgeschwindigkeit durch die fest mit dem Gehäuse verbundenen Leitrad-
schaufeln. Man sagt, dies ist die Strömung, die ein gehäusefester Beobachter sehen
würde.
Die in Abb. 8.17 dargestellten Geschwindigkeiten müssen nicht zwangsläufig parallel zu-
einander verlaufen, sie können auch allgemein die Form eines Dreiecks annehmen, so
wie es Abb. 8.18 zeigt, wo sich der Mensch auf dem Schiff sowohl in Richtung Heck
als auch gleichzeitig von Steuerbord nach Backbord bewegt. Die Anordnung der Ge-
schwindigkeitsvektoren wird dann Geschwindigkeitsdreieck genannt, ein geometrisches
Geschwindigkeitsgebilde, das für die Theorie der Turbomaschinenbeschaufelungen von
essenzieller Bedeutung ist.
Die Abb. 8.17 und 8.18 zeigen, dass die Bewegungen im Absolut- und Relativsystem
nach Betrag und Richtung extrem unterschiedlich sein können. Ein Vorgang, der z. B. im
bewegten Relativsystem sehr schnell abläuft, kann vom unbewegten Absolutsystem aus
704 8 Thermische Turbomaschinen
u c
v
) fer
v
em U
Mensch.
st m
ol hte er
Masse, die sich im beweg-
sy r a
bs ac nd
ten Relativsystem bewegt
(A ob ehe
ut
Be tst
s
fe
Abb. 8.18 Zur Erläuterung der Galilei-Transformation für Geschwindigkeiten, am Beispiel eines
Schiffes, das mit der Geschwindigkeit u fährt, und auf dem sich ein Mensch mit der Geschwindigkeit
v entgegen und quer zur Fahrtrichtung – nach Backbord – bewegt, und eines am Ufer fest stehenden
Beobachters, der – von seiner Position aus – sich den Mensch auf dem Schiff mit der Geschwindigkeit
c und deren Richtung bewegen sieht
gesehen, viel langsamer vor sich gehen und dazu auch noch eine ganz andere Bewegungs-
richtung haben. Im Folgenden werden wir dies insbesondere an bewegten Verdichter- und
Turbinengittern feststellen, deren Strömungen sehr unterschiedlich ausfallen können, je
nachdem, ob man sie von den rotierenden Schaufeln aus betrachtet oder vom feststehenden
Maschinengehäuse aus.
8.1.7 Geschwindigkeitsdreiecke
In den vorherigen Kapiteln wurde erläutert, wie die Beschaufelungen von Verdichter- und
Turbinenrotoren im Gitterverbund prinzipiell anzuordnen sind und in welche Richtung
die Rotoren drehen müssen, um die richtigen Vorzeichen der Verdichter- und Turbinen-
arbeit gewährleisten zu können. Hierdurch ist die Umfangsgeschwindigkeit u bekannt.
Darüber hinaus wurde gezeigt, dass für eine erste, qualitativ richtige Darstellung der Zu-
und Abströmverhältnisse die zugehörigen Relativgeschwindigkeiten v1 und
v2 in etwa
tangential an die Skelettlinie des Gitterein- und -austritts gezeichnet werden sollten, auch
wenn dadurch solche Dinge wie die Minderumlenkung bzw. die Winkelübertreibung nicht
erfasst werden. Mittels dieser drei Informationen – Gittergeometrie, Umfangsgeschwindig-
keit und Relativgeschwindigkeit – können unter Verwendung der Galilei-Transformation
die Geschwindigkeitsdreiecke der Zu- und Abströmung von Verdichter- und Turbinen-
laufradgittern gezeichnet werden. Abbildung 8.19 zeigt, wie diese so genannten Zu- und
Abströmdreiecke dann qualitativ aussehen.
Zusätzlich wurden von den Absolutgeschwindigkeiten c1 und
c2 deren Komponenten
c1u , c2u , c1ax und c2ax in Umfangs- und Axialrichtung mit eingezeichnet. Diesen Kompo-
nenten kommt eine herausragende Bedeutung zu, was bereits anhand der Komponenten
8.1 Grundlagen und Begriffe 705
Verdichter- 1 2 r 1 2
ax
Laufrad
u1 ≈ u 2 v2 u2
v2
u c 1ax ≈ c 2ax
u2 c2
c2
−c 2u
c 2u v1 c 2ax
c 2ax
c 1u u1
c1
v1
u1
c 1ax
c1 Galilei-Transformation Turbinen-
c 1u c
1ax c =u + v = v + u Laufrad
c1u , c2u und der Eulerschen Hauptgleichung (8.16) zu erkennen war. In der Darstellung
der Geschwindigkeitsdreiecke wurde u1 ≈ u2 und c1ax ≈ c2ax verwendet. Eine Eigenschaft,
die für eine erste, qualitativ richtige Darstellung immer eine gute Näherung ist, auch wenn
diese Geschwindigkeiten in der Praxis meist unterschiedlich voneinander sind – aber nicht
allzu signifikant.
Wenn die Absolutgeschwindigkeiten c in Axialrichtung weisen, so strömt das Fluid
„gerade“ durch die axialen Zwischenräume (Axialspalte) zwischen den einzelnen Gittern
einer Turbomaschine. Ist die Absolutgeschwindigkeit c dagegen „seitlich geneigt“, so hat
die Strömung Drall, d. h., sie strömt spiralförmig durch die Axialspalte, Abb. 8.20. Ein
Maß für den Drall in der Absolutströmung stellen von daher die Umfangskomponenten
c1u bzw. c2u dar. Die Axialkomponenten c1ax bzw. c2ax dagegen bestimmen den Durchfluss,
d.h. den Massendurchsatz ṁ durch die Zwischenräume bzw. durch die Turbomaschine.
Demzufolge kann die Kontinuitätsgleichung wie folgt aufgeschrieben werden:
Hierin sind ρ die Dichte des Fluides und A die Querschnittsfläche (Ringraumfläche) in
den Bezugsebenen 1 oder .
2 Sowohl bei Verdichtern als auch bei Turbinen werden der
Komponenten cax und cu sind miteinander gekoppelt. Wenn der Drall cu zunimmt, nimmt
der Massendurchsatz cax ab und umgekehrt. Der Drall cu bzw. die Dralländerung haben
unmittelbar mit der Arbeitsfähigkeit (spezifische Strömungsarbeit w) der Maschine gemäß
der Euler-Gleichung (8.16) zu tun. Der Massenstrom ṁ hat mit deren Leistung, P = ṁ · w
706 8 Thermische Turbomaschinen
cax
cu
cax
c c
cu
Abb. 8.20 Zur Veranschaulichung und Deutung der Komponenten cax und cu der Absolutgeschwin-
digkeit c, wenn diese sich als Drallströmung durch den Gehäusekanal bewegt. Die Komponente cu ist
ein Maß für die Stärke des Dralls der Absolutströmung. Die Komponente cax ist ein Maß für den axia-
len Durchfluss durch das Gehäuse der Maschine und damit mitbestimmend für den Massenstrom,
den die Maschinen durchsetzen kann
zu tun, wobei aber zu berücksichtigen ist, dass der Massenstrom und damit auch die
Leistung P ganz maßgeblich durch die Größe der durchströmten Fläche A mitbestimmt
werden und nicht nur durch die Geschwindigkeitskomponente cax .
Längs der Schaufelhöhe, in r-Richtung, ändern sich die Geschwindigkeitsdreiecke,
Abb. 8.21. Wird z. B. bei einem Verdichter davon ausgegangen, dass die Absolutgeschwin-
digkeit c1 der Zuströmung über dem Radius r konstant ist, so ändert sich aber dennoch
die Relativgeschwindigkeit v1 nach Betrag und Richtung, d. h. der Vektor der relativen
Zuströmgeschwindigkeit v1 , da die Umfangsgeschwindigkeit u1 = r1 · ω zwischen Na-
be und Gehäuse mit dem Radius größer wird. Lange Schaufeln werden z. B. auch aus
diesem Grunde in Schaufelhöhenrichtung verwunden (verdreht), damit längs des Radius
die relative Zuströmrichtung von v1 immer optimal zur Profilvorderkante verläuft. Ge-
rade bei dünnen Schaufeln – wie sie bei Verdichtern vorliegen – würde es sonst schnell
zu Fehlanströmungen und damit zu Strömungsablösungen an den Schaufeln kommen,
was den Verdichterwirkungsgrad verschlechtert bzw. die geordnete Verdichterströmung
total zusammenbrechen lässt. Weitere Gesichtspunkte hinsichtlich der Schaufelverwin-
dung in Radialrichtung werden in späteren Kapiteln mittels des so genannten Radialen
Gleichgewichts diskutiert werden.
Bei räumlicher Strömung, worunter man eine Strömung versteht, die nicht aus-
schließlich axial verläuft, sondern auch Radialkomponenten aufweist, werden auch die
Geschwindigkeitsdreiecke räumlich. Dieses verdeutlicht Abb. 8.22, das die Strömung durch
8.1 Grundlagen und Begriffe 707
r in Radialrichtung
ax
1 verwundene Ver-
dichterschaufeln
Naben-
schnitt
u
Gehäuse-
Index schnitt
N = Nabe
G = Gehäuse
v1N u1N
c1N Nabenkörper
v1G
u1G
c1G = c1N
u > u1N
c1G 1G
v1G > v1N 2
ein Verdichterlaufrad auf einer mittleren, um den Winkel σ geneigten Stromfläche zeigt.
Bei rein axialer Durchströmung war dieser Schnitt als Mittenschnitt bezeichnet worden.
Bei der geneigten Stromfläche wird dieser Schnitt nun Meridianschnitt9 genannt, der
ebenfalls eine mittlere Stromfläche bildet, auf der alle Strömungsvorgänge – wie bisher
auch – mit zeitlich und räumlich gemittelten Strömungsgrößen nach der eindimensiona-
len Stromfadentheorie behandelt werden können. Die um σ geneigte Stromlinie, die im
oberen Bildteil zwischen den Ebenen 1 und 2 eingezeichnet ist, wird deswegen auch als
9
Meridian (lateinisch: circulus meridianus „Mittagskreis“). Ist in der Geografie ein senkrecht auf dem
Äquator stehender und vom Nord- zum Südpol verlaufender Halbkreis. Von einem Pol ausgehend
wird der Abstand zwischen zwei Meridianen immer größer, bis er schließlich am Äquator sein
Maximum erreicht.
708 8 Thermische Turbomaschinen
A1m 1 r 2 A2m
c2m m
c1m u σ c2
ax
c1
r1 r2 c2m
ω c2
c2r
σ ng
2 c2ax h tu
- i c
ian r2 c2u nr e
rid linie ia σ achs 1 2
e
M om r >r ir d s
e n
str 2 1
M tatio
1 Ro
r1 c1m c1m = c1ax + c1r
c1
c =c +c
c1r 2 m 2ax 2 r
σ c1 = c1m + c1u
c1ax
c1u c2 = c2 m + c2u
mungswinkel werden durch den griechischen Buchstaben α und die relativen durch
Strömungswinkel β gekennzeichnet. Alle Strömungswinkel laufen im Gegenuhrzeigersinn
(mathematisch positiv) und werden von der positiven u-Richtung aus gezählt und können
dabei ausschließlich positive Zahlenwerte zwischen 0◦ < β, α < 180◦ annehmen.10
Wie in Abb. 8.22 skizziert, werden nun auch die Umfangsgeschwindigkeiten unter-
schiedlich gewählt, sodass die Geschwindigkeitsdreiecke mit u2 > u1 (r1 · ω > r2 · ω)
gezeichnet werden. Des Weiteren sollen nun auch die Axialkomponenten c1ax und c2ax
unterschiedlich sein. In Abb. 8.22 sind die Geschwindigkeitsdreiecke mit c2m > c1m
gezeichnet worden. Wie sich c1m und c2m zueinander verhalten, kann aus der Konti-
nuitätsgleichung (8.19) abgeleitet werden:
10
Diese Definition zu den Strömungswinkeln lehnt sich an die klassischen Darstellungen bei Stodola
(1922), Gallus (1977) und Traupel (1988) an. Um dabei aber den Umgang mit den Winkelfunktio-
nen zu vereinfachen, insbesondere mit der Tangensfunktion, die bei 90◦ eine Polstelle hat, findet
man heute auch vielfach den Ansatz, die Strömungswinkel von der positiven x-Achse aus, links
und rechtsherum, zu zählen, was dann schließlich zu positiven und negativen Strömungswinkeln
führt, die einen Bereich von −90◦ < β, α < + 90◦ überdecken, aber die Polstelle 90◦ der Tangens-
funktion nicht beinhalten. Aus rein mathematischer Sicht ist die hier im Buch gewählte klassische
Winkeldefinition die konsequentere Wahl, da es nur positive Strömungswinkel gibt. Aus Gründen
der Anschaulichkeit kann die andere, hier ergänzend beschriebene Definition der Winkel aber viel-
fach um einiges praktischer sein. Der Leser sollte also nicht darüber stolpern, in der Literatur auch
Gleichungen zu finden, die hinsichtlich der Winkelfunktionen ein wenig anders aussehen, als die
hier präsentierten.
8.1 Grundlagen und Begriffe 709
1 Verdichter- 2
r Separate Geschwindigkeitsdreiecke
m laufrad
Abström- Zuströmdreieck Abströmdreieck
dreieck c2
c v v2
v2 1 1
u
α1 β1 α2 β2
β2 u1 u2
u2
α2
c2 Zusammengefügte Geschwindigkeitsdreiecke
c2
c1 v2
v1
Zuström- m
dreieck u1
u2
v1
u
u1 r
c2 c1 v 2 v1
α1 u1
u2
β1 c1
c1m ρ2 A2m
ρ1 · c1m · A1m = ρ2 · c2m · A2m ⇒ = ·
c2m ρ1 A1m
• axiale Durchströmung r2 = r1
• diagonale Durchströmung r2 > r1 oder r2 < r1
• radiale Durchströmung r2 > r1 oder r2 < r1
Bei der diagonalen und radialen Durchströmung werden zusätzlich die folgenden zwei
Differenzierungen getroffen:
Die Bezeichnung „axiale Durchströmung“ bedeutet, dass die in Abb. 8.22 eingezeichnete
radiale Geschwindigkeitskomponente c1r im Vergleich zu allen anderen Geschwindigkeits-
komponenten klein ist, sodass durchaus auch c1r = 0 bei axialen Durchströmungen gelten
kann. Bei radialer Durchströmung ist die Geschwindigkeit c1 am Eintritt im Wesentlichen
axial gerichtet, während Austrittsgeschwindigkeit c2 in Radialrichtung zeigt, also um 90◦
gegenüber der Eintrittsgeschwindigkeit gedreht ist, Abb. 8.5 links. Bei diagonaler oder
halb axialer Durchströmung ist im Vergleich zur radialen Durchströmung die Austrittsge-
schwindigkeit c2 nicht genau radial gerichtet, sondern besitzt eine Neigung, die zwischen
der axialen und radialen Strömungsausrichtung liegt. Im Bereich der Flugzeugtriebwer-
ke sind aber diagonal durchströmte Maschinen nicht zu finden, sodass im Weiteren nur
Axial- und Radialmaschinen behandelt werden.
P
w= = u2 · c2u − u1 · c1u (8.20)
ṁ
Die Eulersche Hauptgleichung ist universell gültig, d. h., sie ist für kompressible, inkom-
pressible, reibungsbehaftete und reibungsfreie Fluide anwendbar. Sie ist aber auf stationäre
Strömungen begrenzt, was aber für alle praktischen Fälle unerheblich ist, da bei keiner An-
wendung zu erwarten ist, dass es innerhalb der Beschaufelung zu einer Fluid- und daraus
resultierenden Energiespeicherung kommt.
Wenn u = r · ω die Umfangsgeschwindigkeit ist und c2u und c1u ein Maß für die Dral-
länderung in der Strömung darstellen, dann können anhand der Gl. (8.20) die folgenden
grundsätzlichen Aussagen getroffen werden:
8.1 Grundlagen und Begriffe 711
Bei Verdichtern ist die spezifische Arbeit w stets größer als null. Das bedeutet für die
Eulersche Hauptgleichung, dass dies nur dann gelingen kann, wenn
gilt. Große positive Werte für w werden erreicht, wenn c2u groß und gleichzeitig c1u = 0
oder c1u < 011 ist, d. h., wenn in der Zuströmung zum Verdichterlaufrad kein Drall oder
aber ein so genannter Gegendrall vorliegt, während gleichzeitig in der Abströmung mög-
lichst viel Drall existiert. Damit liegt eine wesentliche Eigenschaft eines Verdichterrotors
vor: Er erhöht zwischen Ein- und Austritt des Laufrades den Drall in der Absolutströmung.
Bei Turbinen ist die spezifische Arbeit w immer kleiner als null. Das bedeutet für die
Eulersche Hauptgleichung, dass dies nur dann gelingen kann, wenn
11
Vordrallerzeugung bei Verdichtern mit negativen Geschwindigkeitskomponenten c1u – die entge-
gen zur positiven u-Richtung gerichtet sind – ist theoretisch zwar denkbar aber bietet praktisch keine
Vorteile, da das Erzeugen von Vordrall vor dem Laufrad immer mit einem Abbau von statischem
Druck einhergeht, der im anschließenden Laufrad wieder wettgemacht werden muss.
712 8 Thermische Turbomaschinen
cu
α
cm
gilt. Große negative Werte für w werden erreicht, wenn c2u = 0 oder c2u < 0 ist und c1u
gleichzeitig groß ist, d. h., wenn in der Abströmung aus dem Turbinenlaufrad kein Drall
oder aber Gegendrall vorliegt, während in der Zuströmung gleichzeitig möglichst viel
Drall existiert. Damit liegt eine wesentliche Eigenschaft eines Turbinenrotors vor: Er muss
zwischen Ein- und Austritt den Drall in der Absolutströmung abbauen. Folglich muss vor
dem Laufrad einer Turbine erst einmal eine Drallströmung existieren, damit das Laufrad
diesen Drall dann auch wieder abbauen kann.
v 2 = c2 + u2 − 2 · c · u · cos α
cu
cos α = ⇒ v 2 = c 2 + u 2 − 2 · u · cu
c
1
u · cu = · c 2 + u 2 − v 2 (8.21)
2
Dieser Ausdruck tritt auch in der Eulerschen Hauptgleichung (8.20) auf. Das Einsetzen
von Gl. (8.21) in Gl. (8.20) ergibt dann so deren erweiterte Form:
8.1.8.3 Rothalpie
In Gl. (8.22) ist die spezifische Arbeit w direkt vergleichbar mit dem analogen Term im
ersten Hauptsatz der Thermodynamik nach Gl. (6.63):
c22 − c12
w = ht2 − ht1 = (h2 − h1 ) + = wabs spez. Arbeit im Absolutsystem (8.24)
2
Die Kombination der Gln. (8.22) und (8.24) ergibt:
u22 − u12 v 2 − v12
= (h2 − h1 ) + 2 = wrel (8.25)
2 2
Der rechte Teil dieser Gleichung entspricht der spezifischen Arbeit wrel im Relativsystem,
die analog zu Gl. (8.24) formuliert werden kann:
v22 − v12
wrel = (h2 − h1 ) + = ht2rel − ht1rel = 0 ohne Seitenwandeinfluss (8.26)
2
In einem bewegten Relativsystem ist die spezifische Arbeit der Beschaufelung i. Allg. gleich
null, da ein im System mitbewegter Beobachter die Schaufeln als feststehend ansieht. In
Gehäusenähe trifft dies aber nicht mehr zu, da der mitbewegte Beobachter die Gehäuse-
wand als eine sich bewegende Fläche wahrnimmt. Aus dieser Eigenschaft ergibt sich ein
zusätzlicher Arbeitsbetrag im Relativsystem, der mit Gl. (8.8) auch als Reibungsanteil MG
identifiziert werden kann. Aus Gl. (8.25) wird nun:
v12 u2 v2 u2
h1 + − 1 = h2 + 2 − 2 (8.27)
2 2 2 2
Die Terme h+v 2 /2 in diesem Ausdruck können durch Gl. (8.26) ersetzt werden:
u12 u2 v2 u2 v2 u2
hROT := ht1rel − = ht2rel − 2 = h1 + 1 − 1 = h2 + 2 − 2 (8.28)
2 2 2 2 2 2
Per Definition wird dieser Zusammenhang als Rothalpie hROT bezeichnet und ist in dieser
Form erstmals durch Wu (1952) eingeführt worden. In einer definierten Bezugsebene ist
die Rothalpie also die Totalenthalpie des Relativsystems htrel , vermindert um die spezifi-
sche kinetische Energie u2 /2 des bewegten Relativsystems. Ähnliche Formulierungen sind
auch schon bereits bei Stodola (1922) zu finden. Entsprechend der vorherigen Aussagen
ist die Rothalpie längs einer Stromlinie überall dort konstant, wo der Einfluss des Gehäu-
ses und seiner viskosen Effekte vernachlässigbar ist. Wird Gl. (8.28) mit dem Ausdruck
(c2 /2–c 2 /2) = 0 erweitert, so ergibt sich unter Verwendung der Gln. (8.21) und (8.24) auch:
2
v2 u2 c c2
hROT = h + − + −
2 2 2 2
2
c2 v2 u2 c2 c2 c u2 v2
hROT = h+ + − − = h+ − + −
2 2 2 2 2 2 2 2
hROT = ht − u · cu (8.29)
714 8 Thermische Turbomaschinen
Pres
= u2 · c2u − u1 · c1u = (ht2 − ht1 ) − hROT (8.30)
ṁ
Auf Grund viskoser Vorgänge zwischen den rotierenden Schaufeln und dem feststehenden
Gehäuse ist in diesem Maschinen- bzw. Strömungsbereich hROT = 0. Die Gl. (8.30) sagt
also aus, dass ein Verlust im Relativsystem, also eine Umwandlung von relativer kinetischer
Energie in Wärme, zugleich ein absoluter Verlust ist, Stodola (1922). In der Literatur wird
beschrieben, dass in Radialverdichtern der Rothalpieanteil 1.2 % der gesamten spez. Arbeit
ausmachen kann. Andere Autoren halten den Einfluss der Rothalpie für vernachlässigbar
(speziell in Radialverdichtern) und bezweifeln, dass die Rothalpie überhaupt akkurat zu
berechnen ist, Dixon (1998).
Wird die Gl. (8.30) sowohl mit der Gl. (8.15) als auch mit der Darstellung in Abb. 8.15
verglichen, so zeigt sich, dass mit dem Begriff der Rothalpie – aber umgekehrtem Vorzei-
chen – das beschreiben wird, was dort als Umfangsmoment infolge der Gehäusewirkung
MG beschrieben wurde. Mit der Rothalpie kann also im rotierenden Relativsystem der
Einfluss der Gehäusewandung mitberücksichtigt werden.
c22 − c12 Beschreibt die Änderung der kinetischen Energie und des Dralls durch das Laufrad
2 im Absolutsystem:
Verdichter Turbine
wv = u2 ⋅ c2u − u1 ⋅ c1u > 0 wv = u2 ⋅ c2u − u1 ⋅ c1u > 0
⇒ c1u → 0 und c2u möglichst groß ⇒ c1u → 0 und c2u möglichst groß
c2 > c1 c2 < c1
c2u > c1u c2u < c1u
Zunahme der kinetischen Energie und des Abnahme der kinetischen Energie und des
Dralls der Absolutströmung über das Laufrad. Dralls der Absolutströmung über das Laufrad.
v22 − v12 Beschreibt die Änderung der statischen Strömungsgrößen durch das Laufrad, die für
2 Absolut- und Relativsystem gleich sind:
8.1 Grundlagen und Begriffe 715
nach den Gln. (18.232) und (18.234) und der allgemeinen Gasgleichung (18.94) ergibt sich
dann:
v22 v2
Tt2rel = Tt1rel ⇒ T2 + = T1 + 1
2 · cp 2 · cp
v2 − v1
2 2 cp p1 p2 κ (p1 − p2 )
= cp · (T1 − T2 ) = · − = ·
2 Ri ρ1 ρ2 κ −1 ρ1,2
2
In inkompressiblen Fluiden ohne Dichteänderungen (ρ1 = ρ2 ) ist v2 − v12 /2 ausschließ-
lich der Änderung des statischen Druckes (p1 −p2 ) im Laufrad proportional, so wie es auch
die Bernoulli-Gleichung im Relativsystem zeigt:
ρ ρ v22 − v12 p1 − p2
ptrel 1,2 = const = p2 + · v22 = p1 + v12 ⇒ = für ρ = const
2 2 2 ρ
Verdichter Turbine
verzögerte Relativströmung beschleunigte Relativströmung
v2 < v1 v2 > v1
Zunahme des statischen Druckes in Abnahme des statischen Druckes in
der Absolut- und Relativströmung der Absolut- und Relativströmung
über das Laufrad über das Laufrad
u22 − u12 Beschreibt die Arbeitswirkung des Zentrifugalkraftfeldes auf die Strömung durch
2 das Laufrad:
Die Zentrifugalkraft dF Z am Massenteilchen dm ist: dFZ = dm · r · ω2 .
Die Änderung der spezifischen Arbeit dw z infolge der Zentrifugalwirkung ergibt sich aus der
nachfolgenden Gleichung, wenn berücksichtigt wird, dass spez. Arbeit = w = Arbeit pro
Masse = dW/dm ist, und dass allgemein gilt, dass Arbeit = W = Kraft × Weg = dFZ · dr ist
dWZ dF ⋅ dr dm ⋅ r ⋅ ω 2 ⋅ dr
dwZ = = Z =
dm dm dm
Spezifische Arbeit längs der Meridianstrom-
linie zwischen und infolge der Zentri-
fugalwirkung
r2
r22 − r12 u22 − u12
wZ = ω ∫ r ⋅ dr = ω ⋅ =
2 2
r1
2 2
716 8 Thermische Turbomaschinen
dFZ = dp · dA
an dem Massenteilchen
dm = ρ · dA · dr,
wenn es auf der Meridianstromlinie von 1 nach 2 strömt und dA die Fläche des Mas-
senteilchens senkrecht zur Radialrichtung ist. Die Änderung der spezifischen Arbeit dw z
infolge der Zentrifugalwirkung wird damit:
dFZ · dr dp · dA · dr dp dρ
dwZ = = = = Ri · · dT.
dm ρ · dA · dr ρ ρ
Aus der allgemeinen Gasgleichung ergibt sich dabei dp = Ri ·dρ·dT. Durch Integration
zwischen 1 und 2 für ρ = const (inkompressibles Fluid) lässt sich so vereinfacht zeigen,
dass die Wirkung des Zentrifugalfeldes im Wesentlichen eine Änderung des statischen
Druckes zur Folge hat:
p u2 − u12
= 2 .
ρ 2
Beispiel 8.1
Ein Turbinenlaufrad wird mit einem absoluten Strömungswinkel von α1 = 22.5◦ ange-
strömt. Über das Laufrad nimmt die Totaltemperatur um Tt12 = Tt2 − Tt1 = − 250 K
infolge von Arbeitsabgabe ab. Der Eintrittszustand des Heißgases in die Turbine ist
Tt1 = 1 350 K mit κ = 1.331 und Ri = 287 Nm/(kg · K). Das Turbinenlaufrad hat an
seinem größten Radius in der Ebene 2 (Gehäuseradius) eine maximal zulässige
Umfangsgeschwindigkeit von uG2max = 500 m/s und weist einen Massendurchsatz von
75 kg/s (c1m = c2m ) auf. Der Gehäuseradius am Laufradaustritt ist rG2 = 0.50 m und
das Nabenverhältnis in der Ebene 2 ist ν2 = rN2 /rG2 = 0.85. Im Laufrad soll der so
ben, d. h. es gilt: rE = rE1 = rE2 . Die Berechnung ist am Euler-Radius nach Gl. (8.95)
durchzuführen. Es ist die vom Laufrad abgegebene Leistung in [kW] zu berechnen,
wenn dessen Abströmung drallfrei ist, c2u = 0.
κ · Ri 1.331 · 287 Nm
cp = = = 1 154.07
κ −1 0.331 kg · K
uG2max 500 30 · ω 30000
ω= = = 1 000.0 s−1 ⇒ n= = = 9 549.3 min−1
rG2 0.5 π π
rN2 = ν2 · rG2 = 0.85 · 0.50 = 0.425 m
2
rN2 + rG2
2
1 + ν22 1 + 0.852
rE = rE2 = = rG2 · = 0.5 · = 0.46402 m
2 2 2
u = u1 = u2 = rE · ω = 0.46402 · 1 000 = 464.02 m/s
PT
wT = = u2 · c2u − u1 · c1u = −u · c1u =
ṁ
wT = cp · (Tt2 − Tt1 ) = 1 154.07 · ( − 250) = −288 517.41 W/(kg/s)
Nm
PT = wT · ṁ = −288 517.41 · 75 = −21 638 806 = −21 638.8 kW = −21.64 MW
s
Es ist die Zuströmmachzahl Mac1 der Absolutströmung zum Laufrad zu bestimmen.
wT −288 517.41
c1u = − =− = 621.781 m/s
u 464.02
tan α1 = c1m /c1u ⇒ c1m = c1u · tan α1 = 621.781 · tan 22.50 = 257.55 m/s
c1 = c1m2
+ c1u
2
= 257.552 + 621.7812 = 673.011 m/s
718 8 Thermische Turbomaschinen
c1 673.011
Mac1 = = = 1.014
a1 663.88
Es sind die Relativgeschwindigkeiten v1 und v2 , die zugehörigen Machzahlen Mav1 und
Mav2 und außerdem die Machzahl Mac2 zu berechnen.
v1 302.03
Mav1 = = = 0.455
a1 663.88
drallfreie Abströmung, d. h.: c2u = 0 ⇒ c2 = c2m = c1m = 257.55 m/s
v2 = 2
c2m + u22 = 257.552 + 464.022 = 530.7 m/s
c22 257.552
T2 = Tt2 − = 1 100 − = 1 071.26 K
2 · cp 2 · 1 154.07
√ √
a2 = κ · Ri · T2 = 1.331 · 287 · 1 071.26 = 639.7 m/s
v2 530.7 c2 257.55
Mav2 = = = 0.83 Mac2 = = = 0.403
a2 639.7 a2 639.7
Es sind die Ringraumquerschnitte A1 und A2 und die Dichten ρ1 und ρ2 zu berechnen.
Die Totaldruckverluste infolge Reibung betragen im Laufrad 4 %.
2
A2 = π · rG2 − rN2
2
= π · 0.5002 − 0.4252 = 0.21795 m2
ṁ 75
ρ2 = = = 1.336 kg/m3
c2m · A2 257.55 · 0.21795
p2 = ρ2 · Ri · T2 = 1.336 · 287 · 1 071.26 = 4.108 · 105 N/m2
8.2 Axialmaschinen 719
κ−1
κ
κ −1
pt2 = p2 · 1 + · Ma2c2
2
4.021148
= 4.108 · 105 · 1 + 0.1655 · 0.4032 = 4.5694 · 105 N/m2
κ−1
κ
κ −1
pt2rel = p2 · 1 + 2
Mav2
2
4.021148
= 4.108 · 105 1 + 0.1655 · 0.832 = 6.3388 · 105 N/m2
p1 5.7666 · 105
ρ1 = = = 1.7415 kg/m3
Ri · T 1 287 · 1 153.76
ṁ 75
A1 = = = 0.16722 m2
ρ1 · c1m 1.7415 · 257.55
wegen des konstantenEuler-Radius ergiben sich dann der Naben- und Gehäuseradius
zu:
A1 A1
rN1 = rE −
2
= 0.4344 m und rG1 = rE2 + = 0.49186 m
2·π 2·π
8.2 Axialmaschinen
Fan
(Axial- Axialturbine
verdichter) Axialverdichter
des Zentrifugalfeldes darstellt, klein, im Vergleich zu den anderen beiden Termini dieser
Gleichung.
Eine einfache Art der Beschreibung von Axialmaschinen geht davon aus, dass alle
im Mittenschnitt einer Beschaufelung (am sog. Euler-Radius, Gl. (8.95)) vorliegenden
Strömungszustände (Druck, Temperatur, Dichte, Geschwindigkeit, Richtung) auch re-
präsentativ für die anderen Schaufelschnitte sind. Diese sog. 2-dimensionale Theorie ist
immer dann eine gute Näherung, wenn die radiale Schaufelerstreckung br (Schaufelhöhe)
klein ist im Vergleich zum Mittenschnittradius rM bzw. zum Eulerradius rE , vgl. hierzu
Gl. (8.95). In Flugzeugtriebwerken trifft dies vielfach zu, wenn vielleicht von den ersten
Schaufelreihen in Verdichtern und den letzten Schaufelreihen in Turbinen einmal abge-
sehen wird. Bei der 2-dimensionalen Theorie wird des Weiteren davon ausgegangen, dass
jede der auf dem Umfang angeordneten Schaufeln identisch angeströmt wird und auch
identische Abströmzustände hat, was als Rotationssymmetrie bezeichnet wird.
Die nachfolgenden Darstellungen und Erläuterungen in Kap. 8.2 gehen grundsätzlich
von einer Mittenschnittbetrachtung am Eulerradius Gl. (8.95) aus. Darauf aufbau-
end wird dann in Kap. 8.4 gezeigt werden, wie aus einer solchen grundlegenden
mittenschnittbasierenden Schaufelkonstruktion eine vollständige quasi-dreidimensionale
Schaufel entsteht.
8.2 Axialmaschinen 721
r Laufrad
m 0 Leitrad Turbinenstufe
Leitrad / Laufrad
c0
u
v2 u2
e
c2
e
v1
e
e c1 c1 u 1
Abb. 8.26 Grundlegende Möglichkeit der Leit- und Laufradanordnung bei einer Axialturbine
Bisher wurden nur das Laufrad einer Turbomaschine und seine Beschaufelung als Wandler
zwischen mechanischer Leistung an der Welle und Strömungsenergie im Fluid betrach-
tet. Dabei ist a priori vorausgesetzt worden, dass z. B. vor dem Turbinenlaufrad in der
Absolutströmung ein großer Drall vorhanden ist, der im Laufrad, zum Zwecke der Ener-
giewandlung, dem Fluid entzogen werden kann. Dieser Eintrittsdrall muss der Strömung
aber in der Regel erst erteilt werden. Dies erfolgt im gehäusefesten Absolutsystem mit
einer sog. Leiteinrichtung, die ein Stator (Leitrad), eine Gehäusespirale oder manchmal
auch einfach nur Düsen sein können. Alle diese Leiteinrichtungen einer Turbine haben
es gemeinsam, dass die Drallströmung durch Abbau statischer Strömungsenergie, d. h.
durch Abbau von statischem Druck erfolgt, der in kinetische Energie (Geschwindigkeits-
erhöhung) gewandelt wird. Ein Vorgang, der sich bei den meisten Turbinenausführungen
im nachfolgenden Laufrad fortsetzt.
Eine solche Kombination von Leit- und Laufrad heißt Stufe und ist in der zuvor ge-
nannten Reihenfolge (Leitrad/Laufrad) für Turbinen typisch. Abbildung 8.26 zeigt den
generellen Aufbau einer Turbinenstufe. Die Schaufeln von Leit- und Laufrad sind bei Tur-
binen immer so angeordnet, dass die jeweilige Schaufelsaugseite von der Anströmung weg
zeigt. Die Austrittsebene aus dem Leitrad hat die Kennzeichnung 1 genau so wie Ein-
12
Trajektorie = Kurve, die sämtliche Kurven einer (anderen) Kurvenschar isogonal (im gleichen
Winkel) schneidet. Sämtliche Stromlinien durch den engsten Querschnitt schneiden die Trajektorie
„e“. Im einfachsten Fall stehen die Stromlinien und die Trajektorie senkrecht zueinander. Bei einer
räumlichen Beschaufelung wird die Trajektorie zu einer gekrümmten Geodäten, Abb. 8.30. In diesem
allgemeineren Fall stehen die Stromlinien und die Geodäte orthogonal zueinander.
8.2 Axialmaschinen 723
v2
u
u2
c2
c2
c3
v1
u1
c1
Abb. 8.27 Grundlegende Möglichkeit der Lauf- und Leitradanordnung bei einem Axialvberdichter
Strömung mit großem Drall und hoher kinetischer Energie (große Geschwindigkeit c2 )
vorhanden. Da Verdichter vor allem das Ziel haben, den Druck im Fluid zu erhöhen, muss
die hohe kinetische Energie am Austritt des Laufrades durch Herausnahme des Dralls in
erhöhten statischen Druck umgewandelt werden. Dazu muss dem Verdichterlaufrad ein
Leitrad nachgeschaltet werden, das wie ein Diffusor wirkt, die Absolutgeschwindigkeit von
c2 auf c3 reduziert und die Strömung weitestgehend axial ausrichtet. Dabei steigt gemäß
der Bernoulligleichung der statische Druck von p2 nach p3 an. Diese Verhältnisse in einer
Verdichterbeschaufelung verdeutlicht Abb. 8.27.
Die Schaufeln von Lauf- und Leitrad sind bei Verdichtern immer so angeordnet, dass die
jeweilige Schaufelsaugseite zur Anströmung hin zeigt. Ein Turbomaschinenlaufrad wird
immer durch die Bezugsebenen 1 und 2 eingerahmt. In konsequenter Zählweise wird
daher bei Verdichtern das nachfolgende Leitrad durch die Ebenen 2 und 3 eingerahmt.
Entspricht die vollständige Geometrie des folgenden Gitters der des vorangegangenen, so
wird zusätzlich auch noch von einem Repetiergitter gesprochen.
Zur Erzielung kurzer axialer Baulängen, insbesondere bei mehrstufigen Maschinen,
sollten die Axialspalte, sowohl zwischen den einzelnen Stufen als auch zwischen den Leit-
und Laufrädern, vergleichsweise schmal gehalten werden. Dieses ist dann aber auch ursäch-
lich für eine erhebliche Wechselwirkung zwischen den stehenden und rotierenden Gittern.
In Abhängigkeit der Rotordrehzahl und der Anzahl der Schaufeln auf Rotor und Stator
8.2 Axialmaschinen 725
1 2 v2 2 3 0 1 1 2
v2
v2 c1
u2 u
v1
c2
v2 u1
c1 c1
v2
u c1
Abb. 8.28 Einfluss der reibungsbedingten Nachlaufdelle des stromaufliegenden Gitters auf die An-
strömung das stromab folgenden Gitters; links Wirkung des Laufradnachlaufes auf das nachfolgende
Leitrad eines Axialverdichters, rechts Wirkung des Leitradnachlaufes auf das nachfolgende Laufrad
einer Axialturbine
13
Da es sich in Turbomaschinen in vielen Fällen um Drallströmungen handelt, ist die Laufstrecke
eines Nachlaufes also nicht generell der axiale Abstand (Spalt) zwischen zwei Schaufelreihen, sondern
vielmehr der Weg längst der Drallströmung, der dann stets deutlich länger ist, als der axiale Spalt
breit ist, vgl. Abb. 8.20 rechts.
726 8 Thermische Turbomaschinen
Gitterfront
baxS = axiale Gitterbreite, bezogen auf
s x die Sehne
baxP = axiale Gitterbreite, bezogen auf
ne die Profilkante
Seh
br = Schaufelhöhe (-länge) (radiale
Schaufelerstreckung)
βs = Staffelungs- oder Schau-
x felwinkel
r
t s = Sehenlänge
ax y ax
t = Teilung
t/s = Teilungsverhältnis
u
x, y = Bezugskoordinaten-
system des Profils br
βs Skelettlinie
y baxP
baxS
1 σ = 0° σ = 30° 1 σ = 45°
1
2
2 2
t1 t1
e e e
t2 = t1
t2 > t1
r
r m
Geodäte
ax
schen Gründe hat, sondern vielmehr der Lärmreduzierung dient (Cut-Off Condition, Gl.
15.13).
Die endgültige Festlegung der Schaufelanzahl wird schließlich von den Gitterverlusten,
die z. T. noch experimentell bestimmt und optimiert werden müssen, von zusätzlichen
Gewichts- und Fertigungsaspekten und von den bereits erwähnten Schwingungsfrequen-
zen bestimmt. Bei Turbinen sind zum Teil auch noch Gesichtspunkte der Schaufelkühlung
zusätzlich mitzuberücksichtigen.
Ergänzend zu den geometrischen Gegebenheiten in den beiden Abb. 8.22 und 8.29 zeigt
die Abb. 8.30, dass sich durch eine Verallgemeinerung der Strömungsbetrachtung von der
reinen Axialrichtung hin zu einer um den Winkel σ geneigten Meridianstromfläche auch
die gesamte Schaufelgeometrie „verzerrt“, sodass zusätzlich auch noch die Gitterteilungen
an Ein- und Austritt unterschiedlich groß werden und dass die Gitteraustrittsebenen nicht
mehr parallel zur Gittereintrittsebene verlaufen. Genauer gesagt, ist die Gitteraustrittsebe-
728 8 Thermische Turbomaschinen
ne keine Gerade mehr, sondern hat nun einen gekrümmten Verlauf. Der geringste Abstand
e zwischen zwei Schaufeln (der „engste Querschnitt“) wechselt seine geometrische Form
von einer geraden Trajektorie hin zu einer leicht gekrümmten Geodäten, die in der Auflö-
sung der Abb. 8.30 aber nicht zu erkennen ist. Genaueres dazu zeigen aber die grafischen
Darstellungen der Literaturstelle Bräunling und Kost (1985). Alle diese Effekte verstärken
sich mit steigendem Konuswinkel σ .
8.2.2.1 Verdichter
Die frühen Triebwerksverdichter – speziell amerikanische – waren mit Beschaufelungen
versehen, deren Profile zur NACA-65-Serie gehörten. Zum Zwecke einer kurzen Erklä-
rung soll hier als ein Beispiel das NACA 65-(18)10 Profil herausgegriffen werden, das in
Abb. 8.31 als zweites Profil von oben dargestellt ist. Die Zahl in der Klammer, dividiert
durch zehn, ist der Auslegungs-Auftriebsbeiwert cA0 des Profils: Hier also cA0 = 1.8 (der
Auftriebsbeiwert cA0 variiert bei Profilen der NACA-65-Serie für Verdichter typischerwei-
se zwischen 0.8 und 3.0). Der Wert 10 hinter der Klammer ist die größte Dicke des Profils
8.2 Axialmaschinen 729
Kontur-Machzahl
1.6 SS NACA 65-010(08)-Profil β1 = 142.0°
DS ω = 1.50% ωv = 1.04%
1.4 SS Superkritsches CDA-Profil β1 = 140.0°
DS
1.2 ω = 0.99% ωv = 0.99%
Re = 4.0⋅106
1.0
Ma1 = 0.80 0.8
in Prozent, bezogen auf die Sehnenlänge s. In der frühen britischen Praxis kamen Profile
der sog. C-Serie zum Einsatz (C.1, C.2, C.3, C.4, C.5 und C.7 Profile), deren Skelettlini-
en eine Kreisbogen- oder Parabelform hatten. Davon wurde das C.2-Profil praktisch nie
verwendet. Das C.4-Profil, das eine modifizierte Version des C.1-Profils ist, kam am häu-
figsten zur Anwendung, Carter et al. (1960). Auch das C.5-Profil ist einer Modifikation
des C.1-Profils. Das C.3-Profil mit 50 % Dickenrücklage (vgl. Abb. 8.11) und das C.7-Profil
mit 40 % Dickenrücklage waren Profile, die auf den Saugseiten lokale Überschallgebiete
zuließen. In Deutschland und Japan wurden ebenfalls eigene Profilformen entwickelt. Die
NACA-65- und die C.4-Profile sind typisch für Unterschallverdichter, d. h., die gesamte
Zuströmung längs der Radialrichtung ist subsonisch.
Für transsonische Verdichter (vgl. Text unterhalb von Abb. 8.27) sind im Bereich su-
personischer Strömungen ganz spezielle Profile, die sog. Doppelkreisbogenprofile (DCA,
Double Circular Arc Profiles) entwickelt worden, Crouse et al. (1969). Eine Variante dieses
Profils ist das Mehrfachkreisbogenprofil (MCA, Multiple Circular Arc Profiles). Ebenfalls
für Verdichter mit Überschallströmungsgebieten sind Profile stoßfreier, kontrollierter Ver-
zögerung (CDA, Controlled Diffusion Airfoil) gedacht, Sanz (1987). Bei diesen Profilen wird
die lokale Überschallströmung auf der Profilsaugseite allmählich und ohne Ausbildung
von zu starken Verdichtungsstößen von super- nach subsonisch überführt. Abbildung
8.32 zeigt die reibungsbehaftet berechneten Konturmachzahlverteilungen für ein älteres
NACA-65-Profil und ein modernes superkritisches CDA-Profil. Bei dem NACA-Profil
ist im vorderen Saugseitenbereich eine Überschallzone mit vergleichsweise hohen loka-
730 8 Thermische Turbomaschinen
len Machzahlen bis fast Ma ≈ 1.3 zu erkennen. Dieses Überschallgebiet endet über einen
Verdichtungsstoß mehr oder weniger abrupt mit einem Machzahlabfall in den Unter-
schallbereich von knapp Ma ≈ 1.3 auf Ma ≈ 0.9. Dagegen zeigt das CDA-Profil einen
breiten knapp am/im Überschall liegenden Bereich auf der vorderen Saugseite, dem sich
an kurzes Überschallgebiet anschließt, mit moderaten lokalen Machzahlen, die Ma ≈ 1.1
kaum übersteigen. Dieser lokale supersonische Bereich wird dann durch einen schwachen
Stoß „sanft“ in den Unterschall überführt. Dieses hat Vorteile hinsichtlich der Grenz-
schichtentwicklung, insbesondere unter den Gesichtspunkten Grenzschichtablösung und
den damit einhergehenden Strömungsverlusten. In Abb. 8.32 sind die jeweiligen Ver-
luste mit angegeben worden, so betragen die Stoßverluste beim NACA-65-Profil 1.5 %,
während sie beim CDA-Profil nur knapp 1.0 % ausmachen. Die reibungsbedingten vis-
kosen Verluste betragen beim NACA-65-Profil 1.04 % und beim CDA-Profil 1.0 %. Beim
NACA-Profil dominieren also die Stoßverluste. Die Abb. 8.33 zeigt die berechneten, zu
Abb. 8.31 zugehörigen Strömungsfelder, indem dort die sog. Iso-Mach-Linien14 dargestellt
wurden. Deutlich ist beim NACA-65-Profil der stärker ausgeprägte Verdichtungsstoß auf
der Saugseite zu erkennen.
Der Entwicklungstrend bei den Verdichterprofilen hat in den letzten Jahren immer
mehr dazu geführt, von standardisierten Profilserien wegzugehen, wie den NACA-65-
Profilen, und stattdessen für den lokalen Bedarf innerhalb des Verdichters ein den
jeweiligen Verhältnissen angepasstes, ganz individuelles Profil zu entwickeln. Durch diese
optimierte Vorgehensweise konnten die Wirkungsgrade für Verdichter erfolgreich verbes-
sert werden, Köller (1999). Als Nachteil steht dem zwar ein erhöhter Fertigungsaufwand
entgegen, der aber im Betrieb durch eine erhöhte Wirtschaftlichkeit infolge des besseren
Wirkungsgrades mehr als ausgeglichen wird.
8.2.2.2 Turbinen
Die Profiform von Turbinenbeschaufelungen unterscheidet sich deutlich von derjenigen
in Verdichtern. Große Strömungsumlenkungen und -beschleunigungen mit den entspre-
chenden Energieumsetzungen führen zu den in Abb. 8.34 dargestellten Profilformen.
Typisch für moderne Triebwerksturbinen ist hier, dass die Zuströmung im Unterschall
(subsonisch) und die Abströmung im Überschall (supersonisch) erfolgt. Sowohl die Saug-
und Druckseitenkontur als auch die Dickenverteilung und die Form der Profilhinterkante
variieren je nach Einsatzbedingungen und Schaufelschnitt (Nabe, Mitte oder Gehäuse).
Typischerweise entstehen Turbinenprofile nicht aus einer systematischen Profilserie, so
wie es bei den frühen Verdichterprofilen der Fall war, sondern viel mehr individuell und
empirisch durch Vorgabe von gewünschten Druck- oder Machzahlverteilungen auf der
Profilkontur, mit dem Ziel einer optimierten Leistungsfähigkeit. Die meisten Triebwerks-
hersteller haben so im Laufe der Jahre ihre eigenen, ganz speziellen Profile entworfen,
14
Isolinien, die auch Isarithmen genannt werden, sind Linien, die benachbarte Punkte gleicher
Merkmale oder Werte, wie zum Beispiel Machzahl, Druck oder Temperatur, miteinander verbinden,
ähnlich den Höhenlinien in einer Landkarte.
8.2 Axialmaschinen 731
stärkerer schwächerer
Verdichtungs- Verdichtungs-
stoß stoß
Grenzschicht
Grenzschicht
dickere
dünnere
größeres, lokales
MISES Vers. 2.56
Abb. 8.33 Reibungsbehaftet berechnete Iso-Machlinien-Verteilung für ein NACA-65- und ein
modernes superkritisches CDA-Profil. Ergänzende Information sind in Abb. 8.32 angegeben
A B C D
Nach der Eulerschen Hauptgleichung (8.20) bzw. (8.22) wird die spez. Arbeitsumset-
zung innerhalb einer Stufe durch die in der Gleichung enthaltenen Geschwindigkeiten
begrenzt, die aufgrund verschiedener physikalischer Gründe nicht beliebig klein oder groß
ausfallen können. Die Folge ist, dass zur Umsetzung einer vorgegebenen spez. Arbeit ge-
wöhnlich mehrere Stufen hintereinander zu schalten sind. Mehrstufige Turbomaschinen
sind deswegen die Regel. Verdichterstufen sind hinsichtlich der Arbeitsumsetzung stärke-
ren Restriktionen unterworfen als Turbinenstufen. Bei Leistungsgleichgewicht zwischen
Verdichter und Turbine haben Turbinen von daher immer weniger Stufen als der Ver-
dichter, den sie antreiben. Abbildung 8.35 verdeutlicht dies am Beispiel des militärischen
8.2 Axialmaschinen 733
8.2.3.1 Fliehkrafteinfluss
Die Schaufeln in Turbomaschinen werden durch Zentrifugalbelastungen, aerodynamische
Kräfte infolge der Profilumströmung, thermische Beaufschlagungen und durch Schwin-
gungen belastet. Obwohl die Zentrifugalbelastungen vom Betrag her zwar signifikant sind,
sollten die instationären Belastungen hinsichtlich Materialversagens nicht unterschätzt
werden.
Hinsichtlich der Fliehkraftbelastung soll anhand eines Beispiels von einer Turbinen-
schaufel ausgegangen werden, die eine Masse von m = 100 g = 0.10 kg hat, die punktförmig
konzentriert im Mittenschnitt angreift. Die zugehörige Turbine soll mit einer Drehzahl von
n = 15 000 min−1 laufen und einen Mittenschnittradius von rM = 0.30 m haben. Daraus
ergibt sich eine Fliehkraftbelastung von:
Fz+dFZ dm = ρS ⋅ A ⋅ dr
rG
rN r
Um positive Werte für σZ zu erhalten, muss zwischen Gehäuse und Nabe integriert werden,
da bei r = rG die Schaufelspannung null ist. Eine nach außen hin „spitz“ zulaufende
Schaufel mit AG /AN <1, bei der also in Gehäusenähe der Schaufelquerschnitt AG kleiner
ist, als der an der Nabe AN , kann nach Dixon (1998) durch einen zusätzlichen empirischen
Faktor K = 0.5 · [1+(AG /AN )], der in Gl. (8.33) eingeführt wird, Berücksichtigung finden.
σZ u2 AG r2
= G · 1+ · 1 − N2 (8.34)
ρS 4 AN rG
Per Definition wird nun das Nabenverhältnis ν eingeführt, das den Quotienten aus Naben-
und Gehäuseradius des durchströmten Ringraums darstellt:
rN
ν := <1 (8.35)
rG
Aus Gl. (8.34) wird damit:
σ
Z 1
uG = 2 · · (8.36)
ρS 1+ AG
· (1 − ν 2 )
AN
Ist das Material der Beschaufelung und sind damit ρS und σZ = σS,max bekannt, so
kann mit Kenntnis der Geometriedaten in Gl. (8.36) die maximal mögliche Umfangs-
geschwindigkeit am Gehäuseradius berechnet werden. Wird z. B. für eine Turbine bei
einer Schaufeltemperatur von 1 255 K der Werkstoff MAR-M 509 gewählt, mit den Daten
ρS = 8 865 kg/m3 , σmax = 62 · 106 N/m2 bei 0.5 % Kriechen in 500 h (Mattingly et al. 1987),
und für AG /AN = 0.3 und für ν = 0.8 eingesetzt, so ergibt sich eine maximal zulässige Um-
fangsgeschwindigkeit am Gehäuse von uG = 245 m/s, was bei einem Gehäuseradius von
rG = 0.4 m einer Winkelgeschwindigkeit ω = uG /rG = 612.5 s−1 und damit einer Drehzahl
von n = 30 · ω/π = 5.849 min−1 entspricht. Würde die Temperatur auf 1 085 K gesenkt, so
8.2 Axialmaschinen 735
würde nach den Werkstoffdatenblättern (Mattingly et al. 1987) σmax bei 0.5 % Kriechen in
500 h auf 138 · 106 N/m2 ansteigen, mit der Folge, dass die Drehzahl auf n = 8 708 min−1
angehoben werden könnte.
Damit ist gezeigt, dass die Umfangsgeschwindigkeit in der Eulerschen Hauptglei-
chung keine beliebig wählbare Größe ist und hinsichtlich der Fliehkraftbelastung der
Beschaufelung in Grenzen gehalten werden muss. Die Eulersche Hauptgleichung macht in
diesem Zusammenhang auch klar, dass Turbomaschinen mit kleinen Gehäusedurchmes-
sern schneller drehen müssen, als solche mit großen Durchmessern, wenn die spez. Arbeit
als gewünschte Größe vorgegeben ist.
8.2.3.2 Machzahleinfluss
Unter gasdynamischen Verlustmechanismen sollen hier Verdichtungsstöße und Stoß-
Grenzschicht-Wechselwirkungen verstanden werden. Die Geschwindigkeitsdreiecke in
Abb. 8.21 zeigen, dass die Umfangsgeschwindigkeit erheblichen Einfluss auf die Strö-
mungsverhältnisse in Turbomaschinengittern hat. So erhöht sich beispielsweise bei einem
Laufrad mit konstanter absoluter Zuströmung längs der radialen Schaufelerstreckung die
Relativgeschwindigkeit zwischen Nabe und Gehäuse. Abbildung 8.37 zeigt links mögli-
che Strömungsverhältnisse an einer Verdichterbeschaufelung mit Unterschallanströmung,
und rechts die Strömungsverhältnisse bei einer möglichen Überschallanströmung.
Bei Verdichterbeschaufelungen, die für einen reinen Unterschallbetrieb ausgelegt sind,
darf die größte im Absolut- oder Relativsystem auftretende Geschwindigkeit nicht größer
als die Schallgeschwindigkeit sein, da im engsten Querschnitt keine höhere Geschwin-
digkeit als die Schallgeschwindigkeit auftreten kann. Tritt dies ein, so ist hierdurch der
Massendurchsatz begrenzt und man sagt, das Gitter sperrt. Die höchste Geschwindig-
keit tritt innerhalb der Beschaufelung auf. Die mit der Anströmgeschwindigkeit gebildete
Machzahl ist dann wegen der endlichen Schaufeldicken (Strömungskanal wird enger ⇒
Geschwindigkeit wird höher) niedriger. Die Zuströmmachzahl in der freien Strömung
vor dem Gitter (Ma1 < 1), bei der dies geschieht, wird als Sperrmachzahl bezeichnet. Sie
liegt bei heutigen Unterschallverdichtern in einer Größenordnung von 0.8 . . . 0.9. Durch
die Geschwindigkeitsüberhöhung auf der Schaufelkontur entstehen Gebiete mit örtlicher
Überschallströmung, die durch senkrechte Verdichtungsstöße abgeschlossen werden. Die
gasdynamischen Verdichtungsstöße selbst sind Ursache für Strömungsverluste (Entropie-
anstieg über den Stoß). Durch die mit den Stößen verbundenen Druckgradienten kann
die Strömung aber zusätzlich auch noch von der Profilkontur ablösen, wodurch es zu
weiteren Verlusten kommt. Am Austritt des Verdichters muss Ma2 < Ma1 gewährleistet
sein. Da Ma1 bereits im Unterschall lag, können die zwischen den Schaufeln existie-
renden Überschallgeschwindigkeiten am Austritt der Beschaufelung gasdynamisch nicht
bestehen. Verdichtungsstöße sind zum einen infolge von Totaldruckverlusten und zum
anderen infolge von zusätzlichen Grenzschichtablösungen für erhebliche Verlustmecha-
nismen verantwortlich, die einen entsprechend starken Wirkungsgradabfall bedeuten und
zudem zu erheblichen Schaufelschwingungen führen können. Diese zusätzlichen Verlu-
ste lassen sich in Grenzen halten, wenn dünne, scharfkantige Profile verwendet werden.
736 8 Thermische Turbomaschinen
schic
ht 1.313 1.609
renz
eG
e löst Ma2 = 0.965
abg
417
=0. senkrechter
Ma 2
1.125 Verdichtungsstoß 1.469
Machreflektion
.0
<1
(λ-förmiger Stoß)
=1
a
Ma
M
0.938 1.328
Ma>1
Ma >1
Kanalstoß
(Passage Shock)
Ma >1
0.563 1.047
1
abgelöste
0.375 Grenz- 0.906
Ma1 =1.15 schichten
Expansions-
wellen (Prandtl-
MISES Vers. 2.56
Meyer-Fächer)
0.188 0.766
6
Re = 4.0 ⋅ 10 0.000 Re = 4.0 ⋅ 106 0.625
Da durch die hohen Machzahlen auch ein Mehr an spez. Arbeit erreichen werden kann,
müssen die Stoßverluste immer im Verhältnis zum Gewinn an Arbeit betrachtet werden.
Der rechte Teil von Abb. 8.37 zeigt ein Verdichtergitter, dessen Zuströmmachzahl im
Überschall liegt. Typische Eintrittsmachzahlen sind Ma1 ≈ 1.2 . . . 1.4. Vor dem Gitter
bildet sich eine Front von schrägen Verdichtungsstößen aus, die so genannte Kopfwelle.
Diese kann an den Profilvorderkanten anliegen (Attached Shocks) oder aber einen gewis-
sen Abstand zur Schaufelvorderkante haben, d. h., nicht an ihr anliegen, was dann als
abgelöste Kopfwelle bezeichnet wird (Detached Shocks). Die Ausbildung der Kopfwelle
wird von den endlichen Vorderkantendicken der Profile und von den Expansionswellen
auf der vorderen Profilsaugseite beeinflusst. Zwischen den Stoßfronten und den Expan-
sionswellen kommt es vor der Beschaufelung zu einer Wechselwirkung der Art, dass die
Stöße im Fernfeld immer schwächer werden und sich so schließlich weit ab vom Gitter
„auflösen“. Praktisch sind so alle Verdichtungsstöße in der dargestellten Konfiguration
schwache Stöße, mit Ausnahme der Verdichtungsstöße direkt an bzw. vor den jeweiligen
Profilvorderkanten. Über den Verdichtungsstoß der Kopfwelle wird die Zuströmmach-
zahl entsprechend der Bedingungen eines schrägen Verdichtungsstoßes reduziert. Infolge
der Expansionswellen auf dem konvexen vorderen Teil der Profilsaugseite kommt es aber
8.2 Axialmaschinen 737
räumliches Feld
mit Kanalstößen relative
(passage shocks) Zuström-
richtung
Drehrichtung
Gehäuse
B
Radialrichtung
Umfangs-
richtung
Axial-
richtung Nabe
Abb. 8.38 Räumliche Darstellung der Lage der Kanalstöße (Passage Shocks) in einem Fanrotor mit
kleinem Nabenverhältnis ν = rN /rG nach Wood et al. (1986). Die Darstellungen in den beiden Zeilen
B sind in jeder Zeile von Bild zu Bild um jeweils 20◦ gedreht;
A und A Strömungszustand kurz vor
dem Strömungsabriss, B Strömungszustand bei bestem Wirkungsgrad
Hierin ist Ma2 die Austrittsmachzahl aus der Turbinenbeschaufelung. Für Ma2 = 1 wird
β = 0. Wird die Machzahl aber beispielsweise auf Ma2 = 1,4 erhöht, so bewirkt die
15
Die aerodynamische Belastung ist hoch, wenn die Zuströmbedingungen zur Beschaufelung so
sind, dass eine weitere Steigerung der aerodynamischen Schaufelkräfte durch Zuströmwinkelverän-
derungen zu einer Strömungsablösung und damit zu einem Unwirksamwerden der Beschaufelung
führen würde. Wir werden dies später in Kapitel 9 als einen Verdichterbetrieb nahe der Pumpgrenze
bezeichnen.
8.2 Axialmaschinen 739
1.3
M
a1
2 =
=
0.
Ma
31
1
Ma1 < 1
=
Ma
Hinterkanten- Ver-
totwasser dich-
tungs-
Verdichtungsstöße stöße
Expan-
sions- Verdichtungsstöße 1.750
fächer
Expansionsfächer Expan-
1.531
sions-
Ablöseblase 1.313 fächer
1.094
0.875
Schlierenfotografie
0.656
0.438
0.219
0.000
Abb. 8.39 Strömungsfeld durch die Schaufelpassage eines stark umlenkenden transsonischen Na-
benschnittgitters eines Turbinenlaufrades; links Zeichnung des Strömungsfeldes der unten links
eingefügten Schlierenfotografie des realen Strömungsfeldes, rechts reibungsbehaftete numerische
Berechnung eines ähnlichen Strömungsfalles
V A r
>1 2 2 >
A ax
Ma
v2
e
c2
u2
A −c2u
e
c2 c2ax
−wT = u2c2u − u1c1u < 0
Mav 2 = 1.00
Mav 2 = 1.25 negative Werte −c2u erhöhen die
abgegebene spezifische Turbinenarbeit
Mav 2 = 1.45
Abb. 8.40 Freie Expansion am Austritt des Gitters eines Turbinenlaufrades. Mit steigender Über-
schallmachzahl dreht sich die Strömungsrichtung mehr und mehr der Axialrichtung zu. Die
eingezeichneten Geschwindigkeiten v2 bzw. Machzahlen Mav2 und deren Richtungen wurden
numerisch ermittelt. Der rechte Bildteil zeigt ein solches berechnetes Strömungsfeld hinter dem
Turbinengitter
hat die zugehörige Turbinenstufe auch ihre Leistungsgrenze erreicht. In Kap. 12 wird auf
diese Eigenschaft von Turbinen noch näher eingegangen werden. Da im Überschall die
Dichte ρ2 stark abnimmt, bedeutet die Vergrößerung der Axialkomponente c2ax dennoch
keine Zunahme des Massenstroms entsprechend der Gl. (8.19), da ja das Gitter sperrt und
dementsprechend der Massenstrom konstant bleibt. In dem Maße, wie ρ2 im Überschall
kleiner wird vergrößert sich die Absolutkomponente c2ax .
Belastungszahl Die Belastungszahl ist ein Erfahrungswert und berücksichtigt die Strö-
mungsablösung am Profil. Sie wird auch manchmal als ein Grenzwert für die maximal
mögliche Umlenkung in einem Verdichtergitter angesehen:
s
cA · ≤ 0.2 ... 5.0 (8.39)
t
Die Belastungszahl nach Gl. (8.39) besteht aus zwei Erfahrungswerten:
Die Definitionen für die beiden Geometriegrößen Teilung t und Sehnenlänge s können
Abb. 8.41 bzw. 8.11 entnommen werden. Die ersten Entwicklungen von Axialverdichtern
basierten auf den bekannten Vorstellungen der Tragflügeltheorie. Für die Schaufeln wählte
man von daher auch Profile, die ursprünglich für Flugzeugtragflügel entworfen worden
waren (NACA Profile der Reihe 65) und bildete daraus Gitter, die durch den Staffelungs-
winkel βS und das Teilungsverhältnis t/s den jeweiligen Strömungsverhältnissen angepasst
wurden. Dieses Verfahren ist für Verdichterstufen, die nicht besonders schwierigen Be-
dingungen genügen müssen, bis heute üblich geblieben. Analog zu Abb. 8.3 (rechts) wird
in Abb. 8.41 um ein Profil herum eine geschlossene Kontrollkontur (K) gelegt. In Um-
fangsrichtung wird diese Kurve durch zwei Stromlinien begrenzt, auf denen identische
Strömungsverhältnisse vorliegen und die den Teilungsabstand t zueinander haben. Diese
beiden Symmetriestromlinien BC und DA bilden zusammen mit den beiden senkrechten
Linien AB und CD die Kontrollkontur (K). Längs dieser Kurve ist die Zirkulation " 16
16
Der Begriff der Zirkulation ist ein Werkzeug der Aerodynamik zur Beschreibung des aerodyna-
mischen Auftriebs. Unabhängig voneinander wurde dieser Begriff von Frederick Lanchester (*1878
742 8 Thermische Turbomaschinen
r 1 2
ax
s
t
u
C
βS
v2 v2 v2u
v∞ −t (−ds)
β2 v2m
β∞ v1
β1 D
B
Γ = ∫ v ⋅ ds = Zirkulation
+t (+ds) v1m
(K )
v1u
v1 A Symmetriestromlinien
Kurve (K); der Weg längs der Kurve wird durch „s” beschrieben
um die eingeschlossene Schaufel bestimmbar. Die Zirkulation " ist das Linienintegral der
Geschwindigkeit längs der geschlossenen Kurve (K):
"= ν · d
s (8.40)
K
Hier sind v die Geschwindigkeit und s der Weg längs der Kontur (K). Geschwindigkeits-
komponenten vu , die entgegen der positiven u-Richtung weisen, sind negativ, ebenso die
zugehörigen Wege s = Teilung t, die beim Umfahren der Kurve (K) entgegen der positi-
ven u-Richtung verlaufen. Auf den beiden Symmetriestromlinien heben sich die Größen
wegen der entgegengesetzten Laufrichtung gegeneinander auf. Somit verbleiben nur die
Anteile längs der beiden senkrechten Linien AB und CD.
†1946) in England, von Wilhelm Kutta (*1867 †1944) in Deutschland und von Nikolai Joukowski
(*1847 †1921) in Russland eingeführt. Der Begriff der Zirkulation darf nicht so gedeutet werden,
dass sich Strömungsteilchen um einen Auftriebskörper (z. B. Tragflügel) in kreisender Bewegung
(Zirkulation) herum bewegen. Die Existenz von Zirkulation bedeutet vielmehr nur, dass das Linien-
integral (8.40) endliche Werte, ungleich von null annimmt. Oder anders ausgedrückt, jeder Körper,
der aerodynamischen Auftrieb erzeugt, besitzt immer eine von null verschiedene Zirkulation. Sie ist
ein Maß für die Wirbelstärke in dem vom Weg (K) umschlossenen Gebiet.
8.2 Axialmaschinen 743
Analog zu den Schreibweisen und Kennzeichnungen für Leit- und Laufräder in Kap.
8.1.4 ist die Zirkulation eines Laufrades. Da |v2u | < |v1u | ist, wird die Zirkulation eines
Verdichterlaufrades positiv, " > 0. Für ein Verdichterleitrad ergibt sich analog:
" = t · (c3u − c2u ) = t · cu < 0 (8.42)
Die Gln. (8.41) und (8.42) haben von ihrem Grundaufbau her eine große Ähnlichkeit mit
der Gl. (8.10), die zur Herleitung der Eulerschen Hauptgleichung diente. Mittels der allge-
meinen Zirkulation " kann nach der Formel von Kutta-Joukowsky17 (z. B. Schlichting und
Truckenbrodt 1967) die Auftriebskraft FA einer Verdichterschaufel mit der Schaufelhöhe
br bestimmt werden
FA = " · v ∞ · b r · ρ ∞ (8.43)
Hierin ist v ∞ die von der Tragflügeltheorie her bekannte Zuströmgeschwindigkeit zum
Profil. Bei einem Verdichtergitter ist darunter die aus v1 und v2 nach Betrag und Rich-
tung gemittelte Geschwindigkeit zu verstehen. Der Betrag von v ∞ ergibt sich durch
arithmetische Mittelung, Lieblein et al. (1953)
v1 + v2
v∞ = (8.44)
2
In Abb. 8.41 sind diese Gegebenheiten an der obersten Schaufel des Gitters dargestellt.
Beim Leitradgitter heißt die Geschwindigkeit c∞ und wird aus c2 und c3 nach Betrag
und Richtung gemittelt. In Gl. (8.43) ist ρ∞ die arithmetisch gemittelte Dichte, die aus
den Dichten ρ1 und ρ2 in der Zu- und Abströmung analog zu Gl. (8.44) gebildet wird.
Der Auftriebsbeiwert cA∞ einer Schaufel berechnet nach den bekannten Definitionen der
Aerodynamik aus, Schlichting und Truckenbrodt (1967):
FA
c A∞ = ρ (8.45)
∞
· v∞
2 ·b ·s
r
2
Hierin ist br · s die projizierte Schaufelfläche, mit br als Schaufel- und s als Sehnenlänge.
Die Kombination der Gln. (8.43) und (8.45) ergibt dann:
"
cA∞ = 2 · (8.46)
s · v∞
Werden hier für die allgemeine Zirkulation " die speziellen Zirkulationen " und " für
ein Lauf- und Leitrad entsprechend der Gln. (8.41) und (8.42) eingesetzt, so ergeben sich
die entsprechenden Auftriebsbeiwerte cA bzw. Belastungszahlen:
t vu s vu
cA∞ =2· · ⇒ cA∞ · =2· Verdichterlaufrad (8.47)
s v∞ t v∞
17
Die Herleitung der Gleichung von Kutta-Joukowsky geht über den hier zu behandelnden Stoff
weit hinaus. Es handelt sich dabei um einen mathematischen Vorgang, bei dem gezeigt wird, dass
beliebige Funktionen von komplexen Variablen eine allgemeine Lösung der Laplace’schen Gleichung
sind, die ihrerseits inkompressible Potenzialströmungen beschreibt.
744 8 Thermische Turbomaschinen
Sehnenlänge s
v1 v2
vmax
Geschwindigkeit auf der Profilkontur
Geschwindigkeitsverlauf
längs der Saugseite Δv
mittlerer G
es
v1 in de chwi
r S ndig
cha ke Δv
ufe itsv
lpa erl vmax
ssa auf
xa/s ge
v2 v
Geschwindigkeitsverlauf
längs der Druckseite
0
0 dimensionslose Sehnenlänge x/s 1
Abb. 8.42 Geschwindigkeitsverteilungen längs der Druck- und Saugseite eines Verdichterlaufrad-
profils im Bereich des Auslegungszuströmwinkels, bei minimalen Verlusten
t cu s cu
cA∞ =2· · ⇒ cA∞ · =2· Verdichterleitrad (8.48)
s c∞ t c∞
Der unterhalb von Gl. (8.39) angegebene Bereich für die Auftriebsbeiwerte cA∞ ≈ 0.4 . . . 2.5
ist der für einfache Tragflügel ohne Klappen übliche Bereich.
dδ2 τ0 δ2 dv
= − (2 + H12 ) · · (8.49)
dx ρ · v2 v dx
Hierin ist x der axial zurückgelegte Weg der Strömung, τ0 die Wandschubspannung,
H12 = δ1 /δ2 ist der sog. Formfaktor (Verdrängungsdicke δ1 durch Impulsverlustdicke δ2 )
und v und ρ sind Geschwindigkeit und Dichte der Strömung außerhalb der Grenzschicht.
Im Falle einer beginnenden Ablösung geht die Wandschubspannung τ0 → 0 und der
Formfaktor nimmt dann erfahrungsgemäß einen konstanten Wert von H12 ≈ 2.5 an. Aus
Gl. (8.49) wird dann:
dδ2 δ2 dv dδ2 /dx δ2 dv
= −const · · ⇒ D := =− · (8.50)
dx v dx const v dx
Hierin wird D als der sog. Diffusionsfaktor bezeichnet, der in dieser Herleitung als eine Art
vereinfachtes Ablösekriterium angesehen werden kann und proportional zum Gradienten
bzw. zum Anwachsen der Impulsverlustdicke δ2 im Punkt der beginnenden Ablösung ist.
Für den Auslegungspunkt, wo die Verluste gewöhnlich ihr Minimum haben, zeigt
Abb. 8.42 beispielhaft, dass längs einer Verdichterbeschaufelung eine Diffusion (Verzö-
gerung) auf der Saugseite zwischen den Geschwindigkeiten vmax und v2 auftritt, wobei
angenommen wird, dass v2 die Abströmgeschwindigkeit der Beschaufelung ist, so wie sie
sich in einem zugehörigen Abströmdreieck abbilden würde. Nimmt man nun an, dass die
Geschwindigkeitsabnahme von vmax auf v2 näherungsweise linear verläuft, so kann der
Diffusionsgradient dv/dx (negative Steigung) entsprechend Abb. 8.42 wie folgt formuliert
werden:
dv vmax − v2 1 dv 1 dv vmax − v2
=− bzw. − · =− · = (8.51)
dx s · (1 − xa /s) v dx v̄ dx s · (1 − xa /s) · v̄
v̄ ist hierin eine mittlere Konturgeschwindigkeit zwischen vmax und v2 . Lieblein et al.
(1953) schlagen vor, diese mittlere Geschwindigkeit v̄ durch die Zuströmgeschwindigkeit
v1 anzunähern, Abb. 8.42:
vmax v2 v2 vmax
− 1− + −1
1 dv v v1 v1 v1
− · = 1 xa = (8.52)
v1 dx s· 1− s − x a
s
Des Weiteren liest man nun aus Abb. 8.42 den folgenden Zusammenhang für die
Geschwindigkeiten ab:
vmax = v̄ + v = v1 + v̄ + v (8.53)
oberhalb von v̄, die ihre wesentliche Ursache in der aerodynamischen Schaufelbelastung
(Zirkulation ") hat.
vmax v v̄
−1= + (8.54)
v1 v1 v1
Bei Lieblein et al. (1953) wurden nun die Niedergeschwindigkeitsdruckverteilungen von
NACA-65-Profilen nach Herrig et al. (1951) systematisch ausgewertet und daraus ein
funktionaler Zusammenhang zwischen dem Geschwindigkeitsverhältnis vmax /v1 und dem
Auftriebsbeiwert ähnlich der Gl. (8.47) hergestellt:
vmax t vu
−1=b· · +d (8.55)
v1 s v1
Hierin sind b und d zwei Parameter, die mit der Profilform, dem Zuströmwinkel und der
Zuströmmachzahl variieren. Insbesondere die Größe d repräsentiert im Wesentlichen den
Wert v̄ aus Gl. (8.53). Das Einsetzen der Gln. (8.55) und (8.52) in die Gl. (8.50), führt auf
den folgenden Ausdruck für den Diffusionsfaktor D:
δ2 /s v2 t vu
D= · 1− +b· · +d (8.56)
1 − xa /s v1 s v1
Mit dem Ziel einer weiteren Vereinfachung gehen Lieblein et al. (1953) nun davon aus,
dass sowohl die Impulsverlustdicke δ2 /s als auch der Ort der Maximalgeschwindigkeit
xa /s bei üblichen Verdichterbeschaufelungen nur sehr, sehr wenig variieren, sodass der
Quotient vor den eckigen Klammern in Gl. (8.56) praktisch als konstant angesehen werden
kann. Es ergibt sich dann so die folgende etwas modifizierte Definition der ursprünglichen
Definition der Diffusionszahl:
D v2 t vu
D := = 1− +b· · +d (8.57)
δ2 /s v1 s v1
1 − xa /s
Bei Lieblein et al. (1953) wird des Weiteren beschrieben, dass die Auswertung der be-
reits erwähnten Daten von Herrig et al. (1951) im Auslegungspunkt (Verlustminimum)
auf Zahlenwerte für b von ca. b ≈ 0.4 . . . 0.5 und für d von ca. d ≈ 0.1 führten. Die in-
kompressiblen Niedergeschwindigkeitsdaten von Herrig et al. (1951) wurden trendmäßig
auch auf ihre Tauglichkeit für kompressible Strömungen untersucht. Es ergab sich da-
bei, dass im Verlustminimum bis hin zu lokalen Machzahlen von Ma ≈ 0.7 für den Wert
b = 0.5 = const und für den Wert d = 0.1 = const gesetzt werden kann. Aus Gl. (8.57) folgt
dann damit:
v2 t vu
D = 1− + · + 0.1 (8.58)
v1 s 2 · v1
Es ergibt sich damit die folgende nochmals etwas modifizierte aber nun endgültige
Definition der Diffusionszahl:
v2 t vu
D := D − 0, 1 = 1 − + · (8.59)
v1 s 2 · v1
8.2 Axialmaschinen 747
Dieser Ausdruck beschreibt die Diffusion (Verzögerung) auf der Saugseite eines Verdich-
terprofils, dessen Zuströmwinkel derart ist, dass sich minimale Profilverluste ergeben, und
dessen lokale Konturmachzahlen an keiner Stelle den Wert Ma = 0.7 überschreiten. Für
Lauf- und Leitrad kann die Diffusionszahl D dann wie folgt aufgeschrieben werden:
v2 vu
D = 1 − + Verdichterlaufrad (8.60)
v1 s
2 · · v1
t
c3 cu
D = 1 − + Verdichterleitrad (8.61)
c2 s
2 · · c2
t
Wird nun beispielsweise Gl. (8.60) mit der Geschwindigkeit v ∞ erweitert, so bekommt sie
die folgende Form, wenn man außerdem Gl. (8.47) berücksichtigt:
v2 v∞ 2 ⋅Δvu v v
D ′′ = 1 − + ⋅ = 1 − 2 + ∞ ⋅ c A′′∞ (8.62)
v1 4 ⋅ s ⋅ v v∞ v1 4 ⋅ v1
1
t
= Belastungszahl = c A′′∞ ⋅ (s / t ) ′′
= de Haller-Kriterium
Gleichung (8.62) zeigt, dass die Diffusionszahl D sowohl das de Haller-Kriterium (Be-
rücksichtigung der Strömungsablösung an Nabe und Gehäuse) als auch die Belastungszahl
(Berücksichtigung der Strömungsablösung an den Schaufelsaug- und -druckseiten) bein-
haltet. Dieses ist insoweit nicht verwunderlich, da die Spitzengeschwindigkeit vmax in
einem Gitter, die ja der Definition des Diffusionsfaktors zu Grunde liegt, sowohl von der
Verzögerung (Diffusion) in der Schaufelpassage als auch von den Seitenwandgrenzschich-
ten auf Nabe, Gehäuse und Beschaufelung gesteuert wird. Ein Strömungsabriss an einer
Verdichterbeschaufelung wird i. Allg. durch das Ablösen der Grenzschichten an Nabe und
Gehäuse eingeleitet und setzt sich dann bei den Schaufelgrenzschichten fort, Lakshminara-
yana (1996). Es empfiehlt sich von daher, bei einer Verdichterauslegung immer alle drei
Kriterien zu überprüfen. Wird nun in Gl. (8.62) der Ausdruck (8.44) eingesetzt, so folgt:
v2 cA ∞ v1 + v2 v2 cA ∞ v2
D =1− + · =1− + · 1+
v1 8 v1 v1 8 v1
c v 2 c
D = 1 + ∞ −
A A
· 1− ∞ (8.63)
8 v1 8
Der Diffusionsfaktor ist also ausschließlich eine lineare Funktion von zwei Hauptfak-
toren, und zwar vom Verhältnis der Gesamtgeschwindigkeitsänderung längs des Profils
v2 /v1 , sprich vom de Haller Kriterium, und von dem ganz konventionellen Profilauftriebs-
beiwert cA .
cA c3 cA
D = 1 + ∞ − · 1 − ∞ (8.64)
8 c2 8
748 8 Thermische Turbomaschinen
Diffusionszahl D
über dem Auftriebsbeiwert v2 /v1
cA∞ , mit dem de Haller- 0.70
Kriterium v2 /v1 als Parameter. 0.8 0.75
Daten im Bereich des 0.80
Auslegungszuströmwinkels, 0.85
0.6 0.90
bei minimalen Verlusten
0.95
0.4
0.2
0.0
0.0 0.7 1.4 2.1 2.8 3.5
Auftriebsbeiwert cA∞
Die Abb. 8.43 zeigt die Auswertung dieser Gleichung. Die Diffusionszahl wird größer, je
stärker das Verzögerungsverhältnis und je größer der Auftriebswert ist.
Setzt man – dem Stoff etwas vorgreifend – die Gln. (8.123), (8.124) und (8.110) in
die Gl. (8.59) unter Berücksichtigung der Geschwindigkeitsdreiecke aus Abb. 8.27 mit
cax = cm = const und c1u = 0 ein, so erhält man z. B. für das Laufrad, da v1u = u und
v2u = u−c2u und damit vu = v1u −v2u = c2u ist:
sin β1 t sin β1
D = 1 − + · · (cot β2 − cot β1 ) (8.65)
sin β2 s 2
Aus Gl. (8.47) ergibt sich z. B. für das Laufrad in analoger Vorgehensweise:
Die entsprechenden Ausdrücke für das Leitrad erhält man aus den Gln. (8.65) und (8.66),
wenn dort die Winkel β1 durch α2 und die Winkel β2 durch α3 = α1 ersetzt werden.
Außerdem muss natürlich auch das Teilungsverhältnis t /s des Leitrades Verwendung
finden.
Bei Lieblein (1965) ist eine Kurzdarstellung zur Herleitung des Diffusionsfaktors zu fin-
den. Lieblein formuliert hier, dass die Maximalgeschwindigkeit vmax durch den folgenden
Ausdruck beschreibbar sei:
t vu
vmax = v1 + · (8.67)
s 2
Setzt man nun per Definition für den Diffusionsfaktor den nachfolgenden Ausdruck:
vmax − v2
D := , (8.68)
v1
8.2 Axialmaschinen 749
so erhält man ebenfalls das Ergebnis der Gl. (8.59). Bei Lieblein et al. (1953) wird der
folgende Verlustparameter (Totaldruckverlustkoeffizient) definiert und in Kap. 18 der
zuvor genannten Veröffentlichung dann wie folgt weiterentwickelt:
pt1 − pt2 pt1,2
:= =
pt1 − p1 pt1 − p1
s sin2 β1 s sin2 α2
(8.69)
= · cW ∞
· bzw. = · cW ∞
·
t sin3 β∞ t sin3 α∞
cW∞ ist der jeweilige Widerstandsbeiwert des Profils, der unter Verwendung der Gl. (8.44)
mit der Geschwindigkeit v ∞ gebildet wird und der sich analog zu Gl. (8.45) wie folgt
berechnet:
FW 2
cax t cot β2 − cot β1
cW ∞
= ρ∞ 2 = 2 · 2
· − cA∞ · tan β∞ (8.70)
· v∞ · br · s v∞ s sin β ∞
2
FW
2
cax t cot α2 − cot α3
cW ∞
= ρ∞ 2 = cA∞ · tan α ∞ − 2 · 2
· (8.71)
· c∞ · br · s c∞ s sin α∞
2
Die Geschwindigkeit c∞ berechnet sich analog zu Gl. (8.44) aus den Geschwindigkeiten c2
und c3 : c ∞ = (c2 +c3 )/2. Die Winkel β∞ bzw. α∞ ergeben sich dann schließlich ebenfalls
als arithmetische Mittel, Lieblein et al. (1953):
◦ 2
tan β∞ mit β∞ = 180 + arctan (8.72)
cot β1 + cot β2
sin β1 + sin β2
sin β∞ mit β∞ = 180◦ − arcsin (8.73)
2
2
tan α∞ mit α∞ = arctan (8.74)
cot α2 + cot α3
sin α2 + sin α3
sin α∞ mit α∞ = arcsin (8.75)
2
Die Auftriebsbeiwerte in den Gln. (8.70) und (8.71) können nach, Lieblein et al. (1953) mit
den folgenden zwei Gleichungen ermittelt werden:
t D − 1 + v2 /v1
cA∞ = 2 · sin β∞ · (cot β2 − cot β1 ) = 8 · (8.76)
s 1 + v2 /v1
t D − 1 + c3 /c2
cA∞ = 2 · sin α∞ · (cot α2 − cot α3 ) = 8 · (8.77)
s 1 + c3 /c2
Mittels einer weitergehenden Parameteranalyse, die in Kap. 8.2.6 vorgestellt werden wird,
konnte gezeigt werden, dass die Ergebnisse für den Auftriebsbeiwert cA aus den Gln. (8.76)
750 8 Thermische Turbomaschinen
0.5
2.5
t
s 2.1
1.7
D = 0.50
1.3
0.9
0.5
2.5
t
s 2.1
1.7
D = 0.65
1.3
0.9
0.5
5° 14° 23° 32° 41° 50° 5° 14° 23° 32° 41° 50° 5° 14° 23° 32° 41° 50°
Umlenkung = Δβ = β1 − β 2
und (8.77) in ausgezeichneter Übereinstimmung mit denen aus den Gln. (8.63) und (8.64)
stehen, wenn diese nach cA umgestellt werden, was im Übrigen in den Gln. (8.76) und
(8.77) auf der rechten Gleichungsseite zu sehen ist.
Gibt man den Zuströmwinkel β1 , die Diffusionszahl D und das Verzögerungsverhältnis
v1 /v2 vor, so kann aus den Gln. (8.63), (8.76) und (8.77), und das Teilungsverhältnis t/s
berechnet werden. Eine entsprechende Auswertung zeigt die Abb. 8.44. Es ist zu sehen,
dass stärkere Strömungsumlenkungen β nur mit kleineren Teilungsverhältnissen t/s
und/oder kleineren Diffusionszahlen D zu erreichen sind. Bei gegebener Umlenkung β
wird das Teilungsverhältnis kleiner, wenn die Verzögerung verstärkt wird v2 /v1 → 0.7. Bei
gegebenem Teilungsverhältnis t/s führen verstärkte Verzögerungsverhältnisse zu geringer
8.2 Axialmaschinen 751
2
sin β2 sin β2 sin β2 2
cW2 − · = · · (8.82)
s/t 2 · sin β1 s/t 2 sin β1
Wegen v1 /v2 = sinβ2 /sinβ1 gemäß der Gln. (8.129) und (8.130) folgt:
2
cW2 sin β2 sin β2
v2 = s/t · 2 · sin β1
(8.85)
1+
v1
Das Einsetzen der Gl. (8.78) ergibt dann schließlich:
1
1+
ϖ · t · sin3 β2 0.06
2 · s · sin β1
2
0.05
0.03
0.02
0.01
Abb. 8.45 Verlustparameter nach Gl. (8.86), aufgetragen über der Diffusionszahl D, für subso-
nische durchströmte Verdichterbeschaufelungen mit NACA-65-10 Profilen im Strömungsbereich
minimaler Verluste, nach Lieblein (1965)
Bei Lieblein (1965) wird insbesondere der Ausdruck auf der rechten Gleichungsseite als
Verlustparameter ζ für Strömungen mit Anstellwinkeln im Bereich minimalen Verlustes
bezeichnet und zur Auftragung von Messergebnissen benutzt, so wie es z. B. Abb. 8.45 zeigt.
Nach Lieblein (1965) approximiert der Verlustparameter nach Gl. (8.86) in guter Näherung
die Dicke des Nachlaufs hinter dem Profil. Bei Kerrebrock (1996) wird diese Approximati-
on mittels einer kurzen Ableitung etwas näher erläutert. Je dicker der Profilnachlauf ist, der
ja seine Ursachen in den Profilgrenzschichten hat, umso größer werden auch die Verluste.
Der starke Verlustanstieg ab D ≈ 0.6 lässt demzufolge auf erhebliche Strömungsablösung
an den Profilen schließen. Der in Abb. 8.45 miteingezeichnete Kurvenverlauf ist ein Po-
lynom 7-ten Gerades, das mittels der Gaußschen Methode der kleinsten Fehlerquadrate
ermittelt wurde:
ζ = k0 + k1 · D + k2 · D2 + k3 · D3 + k4 · D4 + k5 · D5 + k6 · D6 + k7 · D7 (8.87)
Anzumerken ist, dass in der ursprünglichen Arbeit von Lieblein et al. (1953) noch die
Gl. (8.69) zur Darstellung der Verluste verwendet wurde, während in späteren Veröf-
fentlichungen des Autors, z. B. Lieblein (1965), die Verlustbeschreibung nach Gl. (8.86)
Verwendung findet, so wie es auch Abb. 8.45 zeigt. Die letztgenannte Verlustformu-
lierung hat sich im Zusammenhang mit der Diffusionszahl dann auch in der gesamten
einschlägigen Fachliteratur etabliert.
8.2 Axialmaschinen 753
Obwohl der Diffusionsfaktor in der hier vorgestellten Form auch heute noch vielfach
praktischen Gebrauch bei der Verdichtervorauslegung findet, ist er aber dennoch mit
Bedacht zu verwenden, da er streng genommen nur für rein subsonisch durchströmte
zweidimensionale Gitter gilt, deren Zuströmwinkel beim Verlustminimum liegen und
deren Profile insbesondere zur NACA-65-Serie gehören. Dreidimensionale Effekte und
die Kompressibilität der Strömung werden durch die ursprüngliche Definition des Dif-
fusionsfaktors nicht erfasst. Die Erfahrung hat aber gezeigt, dass der hier vorgestellte
Diffusionsfaktor durchaus auch auf modernere Beschaufelungen mit Zuströmbedingun-
gen bei minimalen Verlusten übertragbar ist. Eine modifizierte und mehr verallgemeinerte
Form des Diffusionsfaktors, die ebenfalls eine empirische Grundlage hat, ist bei Koch und
Smith (1976) zu finden. Dieser Diffusionsfaktor gilt auch für kompressible Strömungen
im hohen subsonischen Geschwindigkeitsbereich.
Beispiel 8.2
Die erste Stufe eines Axialverdichters saugt 35 kg/s Luft im Umgebungszustand
an, mit: p1 = 1 013 hPa, T1 = 293.0 K an: κ = 1.4, Ri = 287 Nm/(kg · K),
cp = 1 004.5 Nm/(kg · K). Das Laufrad, das am Gehäuse eine maximale Umfangs-
geschwindigkeit uGmax = 400 m/s nicht überschreiten soll, wird am Euler-Radius
drallfrei mit c1 = 150 m/s angeströmt. Am Verdichtereintritt beträgt das Nabenver-
hältnis ν1 = rN1 /rG1 = 0.65. Die Energieabgabe des Laufrades an das Fluid hebt dessen
Totaltemperatur zwischen Ein- und Austritt um Tt12 = Tt2 − Tt1 = 40K an. Unter
der Annahme, dass c1m = c2m gilt, sind die Verdichtereintrittsgeometrie (A1 , rG1 , rN1 ),
seine Drehzahl n und die erforderliche Antriebsleitung der Stufe PVSt zu bestimmen.
uGmax 400
ω= = = 1 224.2 s−1
rG1 0.3267
30 · ω 30 · 1 224.2
n= = = 11 690.25 min−1
π π
u1 = u2 = rE · ω = 0.27556 · 1 224.2 = 337.34256 m/s
√ √
a1 = κ · Ri · T1 = 1.4 · 287 · 293 = 343.11 m/s
c1 150
Mac1 = = = 0.4372
a1 343.11
√
v1 = c1m
2
+ u12 = 1502 + 337.342 = 369.19 m/s
v1 369.19
Mav1 = = = 1.076
a1 343.11
◦ u1 ◦ 337.34
β1 = 90 + arctan = 90 + arctan = 156.03◦
c1m 150
wVSt 40 180
c2u = = = 119.11 m/s
u2 337.34
v2u = − (u2 − c2u ) = − (337.34 − 119.11) = −218.235 m/s
√
v2 = v2u 2
+ c2m
3
= 218.2352 + 1502 = 264.814 m/s
√
c2 = c2u 2
+ c2m
2
= 119.112 + 1502 = 191.537 m/s
c2m 150
α2 = arctan = arctan = 51.55◦
c2u 119.11
◦
|v2u | ◦ 218.235
β2 = 90 + arctan = 90 + arctan = 145.5◦
c2m 150
v2 264.814 c3 c1 150.0
= = 0.717 ≥ 0.7 und = = = 0.783 ≥ 0.7
v1 369.19 c2 c2 191.537
Das de Haller-Kriterium ist in Lauf- und Leitrad erfüllt!
c12 1502
Tt1 = T1 + = 293 + = 304.2 K
2 · cp 2 · 1 004.5
Tt2 = Tt1 + Tt1,2 = 304.2 + 40 = 344.2 K
8.2 Axialmaschinen 755
c2 191.5372
T2 = Tt2 − 2 = 344.2 − = 325.94 K
2 · cp 2 · 1 004.5
√ √
a2 = κ · Ri · T2 = 1.4 · 287 · 325.94 = 361.887 m/s
c2 191.537 v2 264.814
Mac2 = = = 0.5293 Mav2 = = = 0.732
a2 361.887 a2 361.887
κ−1
κ
κ −1 3.5
pt1rel = p1 · 1 + · Ma2v1 = 101 300 · 1 + 0.2 · 1.0762 = 209 987.75 Pa
2
pt2rel = 0.96 · pt1rel = 0.96 · 209 987.75 = 201 588.24 Pa (4 % Reibungsverluste
im Laufrad)
pt2rel 201 588.24
p2 = κ−1
κ = 3.5 = 141 194.8 Pa
κ −1 0.4
1+ · Mav2
2 1+ · 0.732 2
2 3
κ−1
κ
κ −1 3.5
pt2 = p2 · 1 + · Ma2c2 = 141 194.8 · 1 + 0.2 · 0.52932 = 170 875.64 Pa
2
pt3 = 0.96 · pt2 = 0.96 · 170 875.64 = 164 040.61 Pa (4 % Reibungsverluste
im Leitrad)
κ−1
κ
κ −1 3.5
pt1 = p1 · 1 + · Mac1
2
= 101 300 · 1 + 0.2 · 0.43722 = 115 512.23 Pa
2
pt3 164 040.61
πVSt = = = 1.42 Stufendruckverhältnis
pt1 115 512.23
Lauf- und Leitrad sollen dieselbe Diffusionszahl D = D = 0.45 haben. Man be-
stimme für beide Räder jeweils das Teilungsverhältnis, die Belastungszahl und den
Auftriebsbeiwert der Profile.
v1 + v2 369.19 + 264.814
v∞ = = = 317.0 m/s
2 2
v1u = −u = −337.343 m/s
∧
vu = |v1u − v2u | = |−337.343 − (−218.235)| = 119.11 m/s = c2u
v2 vu
D = 1 − +
v1 2 · (s/t) · v1
t 2 · v1 · D − 1 + (v2 /v1 ) 2 · 369.19 · (0.45 − 1 + 0.7173)
⇒ = = = 1.037
s vu 119.11
s vu 119.11
cA · =2· =2· = 0.75146 ≤ 0.4 ... 2.5
t v∞ 317.0
⇒ die Belastungszahl ist erfüllt
t
cA = 0.75146 · = 0.75146 · 1.037 = 0.77931
s
cA v2 cA
D =1+ − · 1−
8 v1 8
756 8 Thermische Turbomaschinen
0.77931 0.77931
D =1+ − 0.7173 · 1 − = 0.45 entspricht dem
8 8
vorgegebenen Wert
c2 + c3 191.537 + 150.0
c∞ = = = 170.77 m/s
2 2
c2u = 119.11 m/s
∧
cu = |c2u − c3u | = |119.11 − 0| = 119.11 m/s = c2u
c3 cu
D = 1 − +
c2 2 · (s/t) · c2
t 2 · c2 · D − 1 + (c3 /c2 ) 2 · 191.537 · (0.45 − 1 + 0.7831)
⇒ = = = 0.750
s cu 119.11
s cu 119.11
cA · =2· =2· = 1.395 ≤ 0.4...2.5
t c∞ 170.77
⇒ die Belastungszahl ist erfüllt
t
cA = 1.395 · = 1.395 · 0.750 = 1.046
s
cA c3 cA
D =1+ − · 1− = 0.45 entspricht dem vorgegebenen Wert
8 c2 8
Wie viel Schaufeln haben Lauf- und Leitradrad, wenn das Verhältnis von Schaufel-
höhe br zu Sehnenlänge s für das Laufrad zu (br /s) ≈ 2.75 und für das Leitrad zu
(br /s) ≈ 2.75 vorgeschätzt wird? Wie groß sind die Sehnenlängen in Lauf- und Leitrad
und welche Schaufelhöhenverhältnisse ergeben sich tatsächlich?
br1 rG1 − rN1 0.11436
s = = = = 0.041586 m Schaufelsehnenlänge Laufrad
(br1 /s) (br1 /s) 2.75
Umfang 2 · rE · π s 2 · rE · π
Schaufelanzahl = = · = = iS
Teilung t s (t/s) · s
2 · π · 0.275562
i S = = 40.147 Schaufeln ⇒ gewählt iS = 40
1.037058 · 0.041586
Passend dazu wird nun eine neue Sehnenlänge s und das neue
Schaufelhöhenverhältnis berechnet:
2 · π · 0.275562
s = = 0.041738 m
1.037058 · 41
br1 rG1 − rN1 0.11436
(br1 /s) = =
= = 2.74
s s 0.041738
p2 141 194.8
ρ2 = = = 1.5094 kg/m3
R · T2 287 · 325.94
ṁ 35
A2 = = = 0.15459 m2
ρ2 · c2m 1.5093 · 150
8.2 Axialmaschinen 757
wegen des konstanten Euler-Radius ergiben sich dann der Naben- und Gehäuse-
radius zu:
A2 A2
rN2 = rE2 − = 0.22656 m und rG2 = rE2 + = 0.31708 m
2·π 2·π
br2 = rG2 − rN2 = 0.31708 − 0.22656 = 0.090514 m
br2 0.090514
s = = = 0.032914 m Schaufelsehnenlänge Leitrad
(br2 /s) 2.74
Umfang 2 · rE · π s 2 · rE · π
Schaufelanzahl = = · = = iS
Teilung t s (t/s) · s
2 · π · 0.275562
iS = = 70.1554 Schaufeln
0.749818 · 0.030496
⇒ gewählt iS = 71 = nächstliegende Primzahl
Passend dazu wird nun eine neue Sehnenlänge s und das neue
Schaufelhöhenverhältnis berechnet:
2 · π · 0.275562
s = = 0.032523 m
0.749818 · 76
br2 rG2 − rN2 0.090514
(br2 /s) = = = = 2.7831
s s 0.032523
Anmerkung: Die Anzahl der Schaufeln iS wird kleiner (weniger), wenn das Schaufelhö-
henverhältnis klein gewählt wird, z. B. zu (br /s) = 2.0. Umgekehrt wird die Anzahl der
Schaufeln größer (mehr), wenn das Schaufelhöhenverhältnis groß gewählt wird, z. B.
zu (br /s) = 3.25.
8.2.4 Stufenkenngrößen
c32 c02
2 h3 2 h0
−Δht=−wT
3 0
Δh t = w V
2 2 p0
c
2 Δh′ c
1 −Δh
2 2
p2
Δh −Δh′
h2 h1
2 1
p1
ht1 1 t pt1 ht2 2t
2
Δh″ 2
c c
2 −Δh″
1
p1 pt2
2 h1 2 h2
1 2
p2
Verdichter s Turbine s
Abb. 8.46 Der Kompressions- und Expansionsvorgang in einer Verdichter- und in einer Turbinen-
c3 =
Repetierstufe ( c0 =
c1 bzw. c2 ) im h-s-Diagramm
c32 − c12
wV = h3 − h1 + = cp · (Tt2 − Tt1 ) = u2 · c2u − u1 · c1u > 0 (8.90)
2
c − c0
2 2
wT = h2 − h0 + 2 = cp · (Tt2 − Tt1 ) = u2 · c2u − u1 · c1u < 0 (8.91)
2
Für den spezifischen Arbeitsumsatz einer Stufe sind also die Umfangsgeschwindigkeiten
u und die Strömungsumlenkungen cu = c2u − c1u von Einfluss. Implizit trifft dies auch
für die Aufteilungen der statischen Stufenenthalpien auf Leit- und Laufrad zu, wie die
nachfolgen zwei Gleichungen zeigen
Hierin sind h und h die statischen Enthalpieänderungen über das jeweilige Leit-
und Laufrad. Im Falle von Repetierstufen mit c3 = c1 bzw. c2 = c0 , so wie sie in Kap.
8.2.1 beschrieben wurden, wird die statische Enthalpieänderung gleich der totalen Enthal-
pieänderung h = ht . In Abb. 8.46 sind die Energieänderungen für Verdichter- und
Turbinen-Repetierstufen im h-s-Diagramm dargestellt, wo auch die in den Gln. (8.90)
bis (8.93) enthaltenen Differenzen abgelesen werden können, ebenso wie die nachfolgend
angegebenen Differenzen:
c2 c2 c 2 − c12
wV = ht = 2 + h − 1 = h + 2 > 0 (8.94)
2 2 2
c2 $ $ c2
|wT | = | ht | = 1 + $ h $ − 2 durch Ablesen der Strecken in Abb. 8.46
2 2
8.2 Axialmaschinen 759
c12 c22
−wT = − ht = + − h − mit negativen Vorzeichen bei den Enthalpien
2 2
• u 1 = u2 = u
• c1m = c2m = cm bzw. c0m = c1m bzw. c3m = c2m
18
In der Literatur gibt es einige Unterschiede bei diesen Definitionen, speziell beim Vergleich zwi-
schen deutschen und angelsächsischen Literaturstellen. Im Folgenden werden die angelsächsischen
Definitionen verwendet, die in der Fachliteratur für Flugzeugtriebwerke dominant sind. Bei Zahlen-
wertangaben oder Zahlenwertvergleichen mit der deutschen Literatur sind deswegen die jeweiligen
Definitionen unbedingt zu beachten.
760 8 Thermische Turbomaschinen
Verdichterstufe r r Turbinenstufe
feststehendes
1 2 3 Gehäuse mit 0 1 2
Leitrad
m, ax
br1 br2
u m, ax u
br2 br0
Laufrad Leitrad br3 br1 Leitrad Laufrad
A1 (Rotor) A2 (Stator) A3 A0 (Stator) A1 (Rotor) A2
r=rE=r0=r1=r2
Mittenschnitt beim
r=rE=r1=r2=r3
Euler-Radius rE
rN rG
rotierender rotierender
Nabenkörper Nabenkörper
ω ω
Abb. 8.47 Schematische Darstellung so genannter Normalstufen von Verdichtern und Turbinen
die Normalstufe für die meisten Stufen in Triebwerksverdichtern und -turbinen offen-
sichtlich eine gute Näherung darstellt. Die durchströmten Ringraumquerschnitte A0 , A1 ,
A2 und A3 variieren bei Normalstufen analog zu den jeweiligen Dichteänderungen, was
sich direkt aus der Kontinuitätsgleichung mit cax = cm = const ergibt:
ρ0 A1 ρ1 A2 ρ2 A3
= = = (8.96)
ρ1 A0 ρ2 A1 ρ3 A2
Ist darüber hinaus das Nabenverhältnis ν = rN /rG , das bereits durch Gl. (8.35) definiert
wurde, bekannt, so kann die jeweilige Querschnittsfläche auch wie folgt berechnet werden:
2 rN2 1
A = π · rG − rN = π · rG · 1 − 2 = π · rG · (1 − ν ) = π · rN ·
2 2 2 2 2
−1
rG ν2
(8.98)
8.2 Axialmaschinen 761
mittlerer Radius rm
bei der halben Schaufelhöhe br
r +r
rm = G N dius
2 Gehäusera
G
AGE
=
Hinterkante
rG
Euler-Radius rE
bei der Flächenhalbierenden E m A
des Strömungsquerschnittes A br
AEN
A = AGE + AEN =
rE r m
AGE = AEN
N
mittlerer Radius
DG2 ⋅ π DE2 ⋅ π DE2 ⋅ π DN2 ⋅ π Euler-Radius
− = − Naben-
4 4 4 4 radius
rG − rE = rE − rN
2 2 2 2
rG2 + rN2 rN
rE =
2
Anstelle des geometrisch mittleren Radius rm = (rG + rN )/2. (halbe Schaufelhöhe) wird im
Bereich der Turbomaschinen eher der so genannte Euler-Radius r E verwendet. Dieses ist
der Radius, an dem die hier bisher dargestellten Vorgänge, die man auch als zweidimen-
sionale Theorie bezeichnet, die tatsächlichen dreidimensionalen Vorgänge repräsentieren.
Bei Axialmaschinen ist dies der Radius, der den gesamten Strömungsringquerschnitt A
in zwei flächengleiche Ringquerschnitte AGE und AEN aufteilt, Abb. 8.48, durch die je-
weils dieselben Teilmassenströme strömen, und deren Summe den Gesamtmassenstrom
ṁ ergibt:
2
rN2 + rG2 1 r rG √
rE = = √ · rG2 · N2 + 1 = √ · ν 2 + 1
2 2 rG 2
2 2
rG = rE · bzw. rN = rE · (8.99)
1 + ν2 1 + (1/ν 2 )
Ist das Nabenverhältnis klein, also sind die Schaufeln lang (br groß), so ist der Unterschied
zwischen rm und rE durchaus signifikant, wobei generell gilt, dass rE größer als rm ist.
Ist aber das Nabenverhältnis ν groß, also sind die Schaufeln kurz (br klein), so ist der
Unterschied zwischen rm und rE nur gering. Bei ν = 0.2 beträgt der Radienunterschied
17%, bei ν = 0.5 beträgt er 5 % und bei ν = 0.8 nur noch 0.6 %. Die Kombination der Gln.
(8.98) und (8.99) ergibt dann:
1 − ν2
A = π · rG2 · (1 − ν 2 ) = 2 · π · rE2 · (8.100)
1 + ν2
762 8 Thermische Turbomaschinen
8.2.4.2 Durchflusskenngröße
Per Definition ist die Durchflusskenngröße ϕ die Meridionalkomponente der Absolutge-
schwindigkeit cm , bezogen auf die Umfangsgeschwindigkeit u2 am Laufradaustritt:
cm cm
ϕ := = wegen u2 = u1 = u für Axialmaschinen (8.104)
u2 u
Mit ϕ wird das Axialgeschwindigkeitsniveau durch die Turbomaschinen eines Triebwerks
beschrieben. Das Axialgeschwindigkeitsniveau ist ein Maß für die Masse, die durch die
Stufe durchgesetzt werden kann. Damit stellt die Durchflusskenngröße auch eine Art
von dimensionslosem Ersatz für die Kontinuitätsgleichung dar. Je mehr Masse durch
eine Stufe zu strömen vermag, umso mehr Leistung kann in ihr umgesetzt werden, da
ja entsprechend Gl. (8.20) gilt, dass Leistung P gleich Massenstrom ṁ mal spezifischer
Arbeit w ist: P = ṁ · w. Im Mittenschnitt einer Normalstufe ist ϕ in Axialrichtung
konstant, variiert aber mit dem Radius r. In einer allgemeinen Stufe – mit cm = const – hat
ϕ in jeder Bezugsebene und/oder in jedem Radialschnitt einen anderen Wert. Es ist auch
möglich, dass ϕ der Mittelwert aus den jeweiligen ϕ-Werten vor und hinter der Stufe ist.
Viele Axialverdichter sind so ausgelegt, dass ihr ϕ-Wert im Auslegungspunkt zwischen
0.3 . . . 0.9 liegt. Axialverdichter von Flugzeugtriebwerken decken im Mittenschnitt einen
Bereich von 0.45 ≤ ϕ ≤ 0.55 ab. Wirkungsgradoptimierte Turbinen haben im Mittenschnitt
Durchflusskenngrößen von ϕ ≈ 0.6. Der gesamte Schwankungsbereich im Mittenschnitt
von Flugzeugtriebwerksturbinen liegt zwischen 0.5 ≤ ϕ ≤ 1.1.
In Radialmaschinen ist es üblich, als Bezugsgeschwindigkeit die größte Umfangsge-
schwindigkeit des Laufrades zu wählen:
cm cm
ϕ := bei Radialverdichter bzw. ϕ := bei Radialturbinen (8.105)
u2 u1
8.2 Axialmaschinen 763
8.2.4.3 Enthalpiekenngröße
Die Enthalpiekenngröße ψh beschreibt die Änderung der Totalenthalpie bzw. Total-
temperatur längs der Stufe und wird mit dem Quadrat der Umfangsgeschwindigkeit
dimensionslos gemacht:
Diese Kenngröße ist in der Literatur – in leicht abgewandelten Formen – auch unter den
Bezeichnungen „Druckzahl“, „Leistungszahl“ oder „Arbeitszahl“ zu finden. Dabei wird die
spezifische Strömungsarbeit w ins Verhältnis zu u2 gesetzt. Als häufigste Abwandlung ist
in der Literatur die nachfolgende Form zu finden:
ht cp · Tt
ψh = =
u2 /2 u2 /2
Andere Definitionen beziehen sich auf die Änderung der statischen Enthalpie:
h cp · T
ψh = = 2
u2 /2 u /2
Für Repetierstufen gehen diese beiden letztgenannten Formen direkt ineinander über,
wie man mithilfe der beiden Gln. (8.90) oder (8.91) leicht zeigen kann. Im Nenner u2 /2
zu verwenden, ist von Keller (1934) eingeführt worden, um eine Ähnlichkeit mit der in
der Aerodynamik üblichen Bezugnahme auf den Staudruck zu haben. Aus Praktikabili-
tätsgründen wird aber vielfach in der Literatur – speziell in der angelsächsischen – von
u2 /2 auf (nur) u2 im Nenner übergegangen. Insbesondere bei Radialmaschinen wird als
Referenzgeschwindigkeit die größte Umfangsgeschwindigkeit des Laufrades verwendet:
ht ht
ψh := bei Radialverdichter bzw. ψh := 2 bei Radialturbinen (8.107)
u22 u1
ψ h ist die dimensionslose Form der Eulerschen Hauptgleichung (8.17) und beschreibt die
aerothermodynamische Belastung der Stufe. Wegen P = ṁ · w beschreiben ψ h und ϕ
zusammen die Möglichkeiten der Leistungsumsetzung in einer Stufe. In Verdichtern ist
ψ h positiv und in Turbinen negativ, analog zu den jeweiligen Totalenthalpieänderungen
ht in Abb. 8.46. Im Mittenschnitt haben Axialverdichter moderner Flugzeugtriebwerke
Enthalpiekenngrößen im Bereich von 0.3 ≤ ψ h ≤ 0.35. Hochleistungsturbinen erreichen
in Triebwerken im Mittenschnitt Werte von ψ h ≈ − 1.3 . . . − 2.2.
h h
ρh := = (8.108)
ht w
764 8 Thermische Turbomaschinen
Damit gibt ρh an, wie viel Prozent der statischen Stufenenthalpiedifferenz im Laufrad – im
Vergleich zur totalen Stufenenthalpiedifferenz – umgewandelt werden. Die Aufteilung der
statischen Enthalpieänderungen auf Lauf- und Leitrad hat in gewissem Umfang Einfluss
auf die Profilformen und auf die Staffelung der einzelnen Schaufeln (vgl. Staffelungswinkel
in Abb. 8.29) aber nicht auf deren Teilung. Verdichter decken typischerweise Reaktions-
grade zwischen 0.5 ≤ ρh ≤ 1.0 ab und Turbinen zwischen 0.0 . . . 0.05 ≤ ρh ≤ 0.5. Wie
auch schon bei der Durchfluss- und der Enthalpiekenngröße angemerkt wurde, so kann
auch – je nach Auslegung – der Reaktionsgrad entlang der Schaufelhöhe variieren und von
den genannten Grenzwerten abweichen. Konstruktiv wird der Reaktionsgrad einer Stufe
durch das Verhältnis der durchströmten Ringraumquerschnitte A0 /A1 , A1 /A2 und A2 /A3
zueinander festgelegt. Diese Querschnittsverhältnisse werden maßgeblich von den Gitter-
abströmwinkeln mitbestimmt. Aus den Gln. (8.94) und (8.95) ist zu sehen, dass sowohl für
Verdichter als auch für Turbinen der nachfolgende Ausdruck gemeinsam gilt:
c22 − c12
h = w − (8.109)
2
Wird dieser Ausdruck in Gl. (8.108) eingesetzt und für die spezifische Arbeit w die
Eulersche Hauptgleichung eingeführt, so ergibt sich:
c22 − c12 c22 − c12
ρh = 1 − =1− für allgemeine Stufen (8.110)
2·w 2 · (u2 · c2u − u1 · c1u )
In der vorliegenden Form gilt diese Gleichung sowohl für Verdichter als auch für Turbinen
mit allgemeinen Geschwindigkeitsdreiecken (u1 = u2 und c1m = c2m ). Für eine Normalstufe
mit u= u1 = u2 und cm = c1m = c2m gilt:
c12 = cm
2
+ c1u
2
c22 = cm
2
+ c2u
2
m
Δcu Δcu
u
r
c1 c2 v1 v2 cm c2 v2 c1 v1
180°− β2 180°−β 1
α1 α 2 180°−β1 α2
α1 180°−β 2
u u
−v1u
c1u −c2u c1u v1u
c2u −v2u −v2u
Verdichter Turbine
Abb. 8.49 Geometrischer Aufbau typischer Geschwindigkeitsdreiecke von Verdichter- und Turbi-
nennormalstufen (Geschwindigkeitskomponenten, die entgegen der positiven u-Richtung weisen,
sind negativ)
Eulersche Hauptgleichung Verarbeitung der Gl. (8.20) und der Geometrie der Geschwin-
digkeitsdreiecke:
w
= ϕ · (cot α2 − cot α1 ) (8.115)
u2
w
= ϕ · (cot β2 − cot β1 ) (8.116)
u2
Das Gleichsetzen der Gln. (8.115) und (8.116) ergibt:
Enthalpiekenngröße Verarbeitung der Gln. (8.106) und (8.20) und der Geometrie der
Geschwindigkeitsdreiecke:
Durchflusskenngröße Verarbeitung der Gl. (8.104) und der Geometrie der Geschwin-
digkeitsdreiecke:
1
ϕ= (8.121)
(cot α1 − cot β1 )
1
ϕ= (8.122)
(cot α2 − cot β2 )
Reaktionsgrad Verarbeitung der Gl. (8.111) und der Geometrie der Geschwindigkeits-
dreiecke:
ϕ
ρh = − · (cot β2 + cot β1 ) (8.123)
2
ϕ
ρh = 1 − · (cot α2 + cot α1 ) (8.124)
2
Relative Strömungswinkel Verarbeitung der Gln. (8.119)und (8.123) und der Geometrie
der Geschwindigkeitsdreiecke:
β1 = 180◦ − arctan Kβ1 für Kβ1 ≥ 0
ϕ (8.125)
β1 = − arctan Kβ1 für Kβ1 < 0 mit Kβ1 =
ψh
ρh +
2
β2 = 180◦ − arctan Kβ2 für Kβ2 ≥ 0
ϕ (8.126)
β2 = − arctan Kβ2 für Kβ2 < 0 mit Kβ2 =
ψh
ρh −
2
8.2 Axialmaschinen 767
Absolute Strömungswinkel Verarbeitung der Gln. (8.120) und (8.124) und der Geome-
trie der Geschwindigkeitsdreiecke:
α1 = arctan Kα1 für Kα1 ≥ 0
ϕ (8.127)
α1 = 180◦ + arctan Kα1 für Kα1 < 0 mit Kα1 =
ψh
1 − ρh −
2
α2 = arctan Kα2 für Kα2 ≥ 0
ϕ (8.128)
α2 = 180◦ + arctan Kα2 für Kα2 < 0 mit Kα2 =
ψh
1 − ρh +
2
Relative Geschwindigkeiten. Verarbeitung der Gln. (8.125) und (8.126) und der
Geometrie der Geschwindigkeitsdreiecke:
v1 ϕ
= ϕ · 1 + cot2 β1 = (8.129)
u sin β1
v2 ϕ
= ϕ · 1 + cot2 β2 = (8.130)
u sin β2
Absolute Geschwindigkeiten Verarbeitung der Gln. (8.127) und (8.128) und der
Geometrie der Geschwindigkeitsdreiecke:
c1 ϕ
= ϕ · 1 + cot2 α1 = (8.131)
u sin α1
c2 ϕ
= ϕ · 1 + cot2 α2 = (8.132)
u sin α2
Die Gln. (8.129) bis (8.132) zeigen, dass die darin enthaltenen Strömungsgeschwindigkei-
ten jeweils auf die Umfangsgeschwindigkeit bezogen sind. Diese Art der Aufschreibung
hat einen Vorteil, den Abb. 8.50 zeigt. Die Umfangsgeschwindigkeit hat dabei den
Wert Eins, und im Vergleich zu diesem Wert – bzw. zu dieser Strecke – kön-
nen sowohl die Durchflusskenngröße ϕ als auch die Enthalpiekenngröße ψ h direkt
aus den Geschwindigkeitsdreiecken abgelesen werden. Dies gilt in etwa auch für den
Reaktionsgrad ρh .
cm c2 v2 c1 v1 cm
ϕ= =ϕ
u u u u u u
u
=1
u
c2u c1u
− +
u u
Verdichterstufe m
u
ϕ1 ϕ2 ϕ3 r
c2 u2 c3 u2 c1 u2 v2 u2 v1 u2
c∞ u2 α3 v∞ u2
α2 = β2
=
u2 u2 = 1 =
α1 u1 u2 β1
=
ϕ2 ϕ1 ϕ0 c1 u2 v1 u2 c2 u2 v2 u2 Turbinenstufe
c0 u2
α0
α1 β1
u1 u2 α2 β2
u2 u2 = 1
Für eine Repetierstufe mit c3 = c1 und deswegen auch mit c1m = c3m bzw. ϕ1 = ϕ3 und
mit c3u = c1u ergibt sich daraus für u = u1 = u2 :
c2u − c1u cu
ψ hV = = >0 (8.135)
u u
c 2 c 2
2u 1u
1 ϕ 2
2 − ϕ 2
1 + −
ρh = 1 − · u u (8.136)
2 c2u − c1u
u
Wird zusätzlich auch noch c1m = c2m bzw. ϕ1 = ϕ2 eingeführt, was in den vorhergehenden
textlichen Ausführungen als Normalstufe mit Repetierbedingung bezeichnet wurde, so
folgt:
c2u − c1u cu
ψhV = = >0 (8.137)
u u
c 2 c 2
2u 1u
1 − 2
c2u − c1u
2
c + c1u
ρh = 1 − · u u =1− = 1 − 2u (8.138)
2 c2u − c1u 2 · u · (c2u − c1u ) 2·u
u
Mit zusätzlich c1u = 0, d. h. mit drallfreier Zuströmung zum Verdichterlaufrad, folgt:
c2u
ψhV = >0 (8.139)
u
c 2
2u
1 u 1 c2u ψh
ρh = 1 − · c2u =1− · =1− V (8.140)
2 2 u 2
u
Anhand der beiden Gln. (8.139) und (8.140) ist zu sehen, dass im Falle des Aufeinander-
treffens aller beschriebenen Sonderfälle der Reaktionsgrad ρh und die Enthalpiekenngröße
in sehr einfacher Weise ψh unmittelbar voneinander abhängen.
770 8 Thermische Turbomaschinen
Die beiden allgemeinen Gleichungsformen (8.133) und (8.134) zeigen, dass sowohl die
Enthalpiekenngröße als auch der Reaktionsgrad ausschließlich von sieben voneinander
unabhängigen Geschwindigkeitsverhältnissen der Verdichterstufe abhängen, nämlich von
den drei Durchflusskenngrößen ϕ1 , ϕ2 und ϕ3 und von c1u /u2 , c2u /u2 , c3u /u2 und von u1 /u2 .
Mit der ersten Vereinfachung, u2 = u1 = u, die besagt, dass die allgemeine Meri-
dianstromfläche der Abb. 8.22 und 8.30, in der Schaufelmitte, am Euler-Radius, zu
einer Zylinderfläche (σ = 0◦ ) degeneriert, reduziert sich die Anzahl der unabhängigen
Geschwindigkeitsverhältnisse auf sechs: ϕ1 , ϕ2 , ϕ3, c1u /u2 , c2u /u2 und c3u /u2 .
Nach der weiteren Vereinfachung (Repetierbedingung), die schließlich auf die Gln.
(8.135) und (8.136) führte, hat sich die Anzahl der unabhängigen Geschwindigkeitsver-
hältnisse dann bereits auf vier reduziert: ϕ1 , ϕ2 , c1u /u und c2u /u.
Nach der nächsten zusätzlichen Vereinfachung (ϕ2 = ϕ1 = ϕ), die zu homogen
gekrümmten Strömungsführungen in vielstufigen Axialmaschinen beiträgt, und die
auf die Gln. (8.137) und (8.138) führte, beträgt die die Anzahl der unabhängigen
Geschwindigkeitsverhältnisse dann nur noch drei: ϕ, c1u /u und c2u /u.
Und im einfachsten Fall der Gln. (8.139) und (8.140) sind es dann nur noch zwei un-
abhängige Geschwindigkeitsverhältnisse, nämlich die dimensionslose Axialkomponente
cax /u = cm /u und der dimensionslose Drall in der Laufradabströmung c2u /u. Die Enthal-
piekenngröße und der Reaktionsgrad sind in diesem letzteren Fall nicht mehr unabhängig
voneinander.
Für eine Repetierstufe mit c2 = c0 und deswegen auch mit c2m = c0m bzw. ϕ2 = ϕ0 und
mit c2u = c0u ergibt sich daraus für u = u1 = u2 :
c2u − c1u cu
ψ hT = = <0 (8.143)
u u
c 2 c 2
2u 1u
1 ϕ 2
2 − ϕ 2
1 + −
ρh = 1 − · u u (8.144)
2 c2u − c1u
u
8.2 Axialmaschinen 771
Wird zusätzlich auch noch c1m = c2m bzw. ϕ1 = ϕ2 eingeführt, was in den vorhergehenden
textlichen Ausführungen als Normalstufe mit Repetierbedingung bezeichnet wurde, so
folgt:
c2u − c1u cu
ψhT = = <0 (8.145)
u u
c 2 c 2
2u 1u
1 − 2
c2u − c1u
2
c + c1u
ρh = 1 − · u u =1− = 1 − 2u (8.146)
2 c2u − c1u 2 · u · (c2u − c1u ) 2·u
u
Mit zusätzlich c2u = 0, d. h. mit drallfreier Abströmung aus dem Turbinenlaufrad, folgt:
c1u
ψ hT = − <0 (8.147)
u
c 2
1u
1 u 1 c1u ψh
ρh = 1 − · c1u =1− · =1+ T mit ψhT < 0 (8.148)
2 2 u 2
u
Die textlichen Ausführungen zu der Anzahl der unabhängigen Geschwindigkeitsverhält-
nisse bei Verdichterstufen unterhalb der Gl. (8.140) können analog dazu nun auch auf
Turbinenstufen übertragen werden.
Beispiel 8.3
Es ist eine einstufige Triebwerks-Hochdruck-Turbine als Normalstufe mit Repetierbe-
dingung ( c0 = c2 ) und mit ρh = 0.25, ϕ = 0.75 auszulegen. Die Stufe wird drallfrei,
◦
d. h. mit α0 = 90 angeströmt. Der Totalzustand des Heißgases am Turbineneintritt ist
pt0 = 3.8 · 106 N/m2 , Tt0 = 1 680 K, κ =1.331, Ri = 287 Nm/(kg · K). Der Mittenschnitt
der Stufe liegt beim Euler-Radius rE = r1 = r2 = 0, 245 m mit einem Nabenverhältnis
in der Ebene 2 von ν2 = rN2 /rG2 = 0.77. Die höchstzulässige Umfangsgeschwindigkeit
soll am Gehäuse in der Ebene 2 uGmax = 465 m/s nicht überschreiten. Der Massen-
strom ist ṁ = 135 kg/s. Für die Beschaufelungen der adiabaten Leit- und Laufräder
sind jeweils 2 % an Totaldruckverlust infolge von Reibung zu schätzen. Es sind alle
Strömungswinkel der Stufe, die Drehzahl des Laufrades in [min−1 ], die Umfangsge-
schwindigkeit beim Euler-Radius und die von der Turbinenstufe abgegebene Leistung
in [MW] zu berechnen.
Wenn α0 = 90◦ vorgegeben ist, dann gilt wegen der Repetierbedingung auch
α2 = α0 = 90◦ .
ψh
ψh = ϕ · (cot α2 − cot α1 ) = −ϕ · cot α1 ⇒ cot α1 = −
ϕ
ϕ ϕ 2
ρh = 1 − · (cot α2 + cot α1 ) = 1 − · cot α1 ⇒ cot α1 = · (1 − ρh )
2 2 ϕ
ψh 2
⇒ − = · (1 − ρh ) ⇒ ψh = −2 · (1 − ρh ) = −2 · (1 − 0.25) = −1.5
ϕ ϕ
772 8 Thermische Turbomaschinen
Wie in Kap. 8.2.4.6 erläutert, hängen bei Normalstufen mit Repetierbedingung und
drallfreier Zu- oder Abströmung die beiden Kenngrößen ρh und ψh unmittelbar von-
einander ab und können deswegen auch nicht unabhängig voneinander angegeben
werden.
ϕ 0.75
Kβ1 = = = −1.50 < 0 ⇒ β1 = − arctan (Kβ1 ) = 56.310
ψh 0.25 − 0.75
ρh +
2
ϕ 0.75
Kβ2 = = = +0.75 ≥ 0 ⇒ β2 = 180◦ − arctan (Kβ2 ) = 143.130
ψh 0.25 + 0.75
ρh −
2
ϕ 0.75
Kα1 = = = +0.50 ≥ 0 ⇒ α1 = arctan (Kα1 ) = 26.5650
ψh 1 − 0.25 + 0.75
1 − ρh −
2
ϕ 0.75
Kα2 = = →∞≥0 ⇒ α2 = + arctan (Kα2 ) = 900
ψh 1 − 0.25 − 0.75
1 − ρh +
2
Repetierstufe ⇒ α0 = α2 = 90◦
1 − ν22 1 − 0.772
A2 = 2 · π · rE2 · = 2 · π · 0.2452 · = 0.096422 m2
1 + ν22
1 + 0.772
A2 0.096422
rN2 = rE −
2
= 0.2452 − = 0.211387 m
2·π 2·π
A2 0.096422
rG2 = rE +
2
= 0.2452 + = 0.274528 m
2·π 2·π
uGmax 465 ω·π
ω= = = 1 693.816 ⇒ n= = 16 174.75 min−1
rG2 0.274528 30
u = u1 = u2 = rE · ω = 0.245 · 1 693.816 = 414.98 m/s
cax 311.24
c1u = = = 622.48 m/s
tan α1 tan 26.5650
v1u = v12 − cax
2 = 374.062 − 311.242 = 207.49 m/s
wT −258 318.67
c2u = c1u + = 622.48 + = 0 m/s drallfreie Abströmung
u 414.98
√
v2u = − v22 − cax
2 = − 518.732 − 311.242 = −414.98 m/s
c02 311.2282
T0 = Tt0 − = 1 680 − = 1 638.034 K
2 · cp 2 · 1 154.07
c12 695.9272
T1 = Tt1 − = 1 680 − = 1 470.171 K
2 · cp 2 · 1 154.07
c22 311.2282
T2 = Tt2 − = 1 456.183 − = 1 414.217 K
2 · cp 2 · 1 154.07
√ √
a0 = κ · Ri · T0 = 1.331 · 287 · 1 638.034 = 791.027 m/s
√ √
a1 = κ · Ri · T1 = 1.331 · 287 · 1 470.171 = 749.400 m/s
√ √
a2 = κ · Ri · T2 = 1.331 · 287 · 414.217 = 735.001 m/s
c0 311.228 c1 695.927
Mac0 = = = 0.39345 Mac1 = = = 0.9286
a0 791.027 a1 749.400
c2 311.228 v1 374.049
Mac2 = = = 0.42344 Mav1 = = = 0.4991
a2 735.001 a1 749.400
v2 518.713
Mav2 = = = 0.70573
a2 735.001
774 8 Thermische Turbomaschinen
T1 T1 1 470.171 4.021148
p1 = pt1 · = 0.98 · pt0 · = 0.98 · 3.8 · 10 ·
6
Tt1 Tt0 1 680
p1 = 2 177 804.25 N/m2
p1 2 177 804.25
ρ1 = = = 5.16142 kg/m3
R · T1 287 · 1 470.171
κ−1
κ
κ −1 4.021148
pt1rel = p1 · 1 + · Ma2v1 = 2 177 804.25 · 1 + 0.1655 · 0.499132
2
pt1rel = 2 561 999.0 N/m2
p2 1 825 916.625
ρ2 = = = 4.49866 kg/m3
R · T2 287 · 1 414.217
pt2 2 053 755.75
πT = = = 0.540462 (Turbinen-Stufendruckverhältnis)
pt0 3 800 000.00
Für die Bezugsebenen ,
0 1 und 2 gelten die folgenden Beziehungen
ṁ A A rN
A = rN = rE2 − rG = rE2 + ν=
ρ · cax 2·π 2·π rG
A0 = 0.059409 m rN0 = 0.224877 m rG0 = 0.263591 m 0.85313
2
Beispiel 8.4
Es liegt die Normalstufe einer axialen Niederdruckturbine mit Repetierbedingung vor,
deren Stufen-Enthalpiekenngröße im Mittenschnitt (am Euler-Radius) ψh = − 2 be-
trägt. Das zugehörige Geschwindigkeitsdreieck, inklusive der zugehörigen Zahlenwerte
und geometrischen Relationen, ist unten dargestellt. Das adiabate Leitrad der Stufe wird
drallfrei, mit Tt0 = 1 000 K, α0 = 90◦ und c0 = cax angeströmt. Für das Heißgas, das
durch die Turbine strömt, gilt. κ =1,3 und cp = 1 244 Nm/(kg · K). Die Turbinenstufe
hat ein Stufendruckverhältnis von πT = 0.62 und einen polytropen Wirkungsgrad von
ηT = 0.96 gemäß der Gl. (18.156) in Kap. 18. Man berechne die statische Temperatur
T0 , den isentropen Wirkungsgrad ηTS gemäß der Gleichung (18.157), die Durchfluss-
kenngröße ϕ, die Anströmmachzahl Mac0 und die Umfangsgeschwindigkeit u des
Turbinenlaufrad im Mittenschnitt.
c02 c2
Tt0 = Tt1 = T0 + = T0 + ax wegen α0 = 90◦
2 · cp 2 · cp
cax
tan α1 = ⇒ cax = c1u · tan α1
c1u
2
c1u · tan2 α1 u2 u2 c2
Tt0 = T0 + · 2 = T0 + · 1u2 · tan2 α1
2 · cp u 2 · cp u
u · c2u − u · c1u c2u c1u
ψh = 2
= −
u u u
−c2u +c1u
cax c2 v2 c1 v1 cax
α1 = 26°
−c2u v1u
u
776 8 Thermische Turbomaschinen
1 0.3
(1 + 2)2
T0 = 1000 · 1 − · 0.620.96· 1.3 − 1 · · tan2 26◦ = 986.55 K
8 −2
Entsprechend der Gleichung (18.157) in Kap.18.1
wird der isentrope Turbinenwirkungsgrad nun wie folgtaufgeschrieben:
n−1
Tt2 pt2 n
−1 −1 n−1
ηT · κ−1
Tt1 pt1 πT n − 1 πT κ
−1
ηTs = κ−1 = κ−1 = κ−1 = κ−1
πT − 1
κ
πT − 1κ
πT − 1 πT − 1
κ κ
0.3
0.620.96· 1.3 − 1
= 0.3 = 0.9621 > ηT = 0.960
0.62 1.3 − 1
Regel:
isentrope Turbinenwirkungsgrade sind größer (besser) als polytrope
Turbinenwirkungsgrade
cax c1u · tan α1 c1u 1 − ψh 1+2
ϕ= = = · tan α1 = · tan α1 = · tan 26◦ = 0.7316
u u u 2 2
Tt0 κ −1 2 Tt0
=1+ · Mac0 ⇒ Mac0 =
2
· −1
T0 2 κ −1 T0
2 1000
= · − 1 = 0.3015
0.3 986.55
8.2 Axialmaschinen 777
Wir hatten:
u2 Tt0 n−1
= · πT n − 1
cp ψh
Tt0 ηT · κ−1 1000 0.3
u = cp · · πT κ − 1 = 1244 · · 0.620.96· 1.3 − 1 = 250 m/s
ψh −2
Beispiel 8.5
Für das Turbinenlaufrad aus Beispiel 8.1 sind die drei Kenngrößen ρh , ϕ und ψh zu be-
rechnen, ebenso wie der Polytropenexponent n der Zustandsänderung über das Laufrad
als auch der polytrope und der isentrope Wirkungsgrad ηT und ηTS des Laufrades.
Für die Verdichterstufe aus Beispiel 8.2 sind nun ebenfalls die drei Kenngrößen ρh ,
ϕ und ψh zu berechnen, ebenso wie der Polytropenexponent n der Zustandsän-
778 8 Thermische Turbomaschinen
derung über die gesamte Stufe als auch der polytrope und der isentrope Wirkungsgrad
ηV und ηVS der Gesamtstufe.
c1u + c2u 0.0 + 119.107
ρh = 1 − =1− = 0.823462
2·u 2 · 337.342
cm 150.0
ϕ= = = 0.44465
u 337.342
wV +40 180.00
ψh = 2 = = +0.353076
u 337.3422
Polytrope Zustandsänderung zwischen den Totalzuständen.
ln (pt3 /pt1 ) ln (pt3 /pt1 )
n= =
ln (pt3 /pt1 ) − ln (Tt3 /Tt1 ) ln (pt3 /pt1 ) − ln (Tt2 /Tt1 )
ln (164 040.61/115 512.23)
n= = 1.54374 > κ
ln (164 040.61/115 512.23) − ln (344.2/304.2)
κ −1 n 0.40 1.543740
ηV = · = · = 0.811176 polytroper Wirkungsgrad
κ n−1 1.40 0.543740
κ−1
κ−1
0.4
pt3 κ pt3 κ 164 040.61 1.4
−1 −1 −1
pt1 pt1 115 512.23
ηVS = = = = 0.801596
Tt3 Tt2 344.2
−1 −1 −1
Tt1 Tt1 304.2
isentroper Wirkungsgrad ηVS = 0.801596 < ηV = 0.811176 polytroper Wirkungsgrad
Für die Turbinenstufe aus Beispiel 8.3 sind nun ergänzend der Polytropenexponent n
der Zustandsänderung über die gesamte Stufe als auch der polytrope und der isentrope
Wirkungsgrad ηT und ηTS der Gesamtstufe zu berechnen.
c1u + c2u
=u
2 c1u
c2u c1u c2u
c2 v2 c2 v2 c1 v1 c1 v1
β2
m
β1
c2u=0 u u
β1=180°−β2 β r
Abbildung 8.52 zeigt zwei mögliche Varianten von Geschwindigkeitsdreiecken, die dieses
Ergebnis erzeugen. Stufen mit ρh = 0 sind in Turbinen und nicht in Verdichtern zu finden.
Würde man versuchen, Verdichter mit 0 % Reaktion zu bauen, so würde das dazu füh-
ren, dass der Drall hinter dem Lauf- und/oder Leitrad viel zu hoch ausfallen würde.19 Im
deutschen Sprachgebrauch werden Turbinenstufen mit ρh = 0 manchmal auch als Akti-
onsturbinen bezeichnet. Im englischen Sprachgebrauch heißen sie Impulsturbinen. Der
Begriff Impulsturbine kommt daher, weil es keine Expansion und keine Beschleunigung
der Relativströmung im Laufrad gibt, sodass die Schaufelpassage überall denselben Durch-
strömquerschnitt hat (Abb. 8.54, oben rechts) und deswegen das Drehen des Laufrades
(Rotormoment) ausschließlich das Resultat des Impulses der in das Laufrad ein- und aus-
tretenden Strömung ist. Der Eingangs- und der Ausgangsimpuls haben die gleiche Größe,
sind aber entgegengesetzt gerichtet. Am Laufrad gibt es deswegen auch keine Reaktions-
wirkung (Düsenwirkung) der austretenden Strömung (0 % Reaktion), vgl. hierzu auch
Abb. 4.36 links.
19
Die Firma Junkers versuchte bei den allerersten Entwicklungen der JUMO-Triebwerke, Verdichter
mit 0 % Reaktion zu bauen.
780 8 Thermische Turbomaschinen
h adiabates Leitrad:
pt0 pt1
Totaldruckverlust
ht0=ht1 0 t 1t
längs einer Isothermen
2
c
0 p0 infolge Reibung pt1<p t0
2 h0 −Δht=−wT
c2 0
1 pt2 −Δh
2 −Δh′
ht2 2t
c22
2 h1=h2
12 Δh″=0 isentropes Laufrad:
p1
p 2= Totaldruckabnahme
längs einer Isentropen
s infolge Arbeitsabgabe
Abb. 8.53 Zustandsänderung für eine Aktionsturbine im h-s-Diagramm, die auch gleichzeitig
Gleichdruckturbine ist. Der besseren Darstellbarkeit wegen, wird das Leitrad als reibungsbehaf-
tet (polytrop) durchströmt angesehen, während das Laufrad als hypothetisch reibungsfrei (isentrop)
angesehen wird
r m Bewegungs-
richtung
u
c0
v1 +v1u −v2u v2 u
Fu
c1u c c2
1
u
c1m FA
Leitrad Laufrad
Abb. 8.54 Leit- und Laufradgitter der Stufe einer reibungsfrei betrachteten Aktionsturbine
(Gleichdruckturbine) mit v1 = v2 und p1 = p2
Nach Abb. 8.52 ergibt sich auch tanβ1 = cm /u, sodass sich schließlich für die Stufe einer Ak-
tionsturbine ψ h = −2 ergibt. Dies ist für Flugzeuggasturbinen ein vergleichsweise großer
Wert. Abbildung 8.54 zeigt, wie der Gitterverband einer Aktionsturbinenstufe aussehen
könnte. Die auf den ersten Blick etwas ungewöhnlich anmutende Form der Laufradbe-
schaufelung ergibt sich aus der Eigenschaft v1 = v2 . Das Laufrad lenkt die Relativströmung
lediglich um, wobei es zu keiner Beschleunigung der Strömung kommt. Die Umlenkung
ist sehr groß und verlangt von daher eine Vielzahl von eng beieinanderstehenden Schau-
feln, die diese Umlenkung praktisch auch realisieren können. Dadurch ergibt sich in der
Summe eine große umströmte Oberfläche, die erhöhte Reibungsverluste bzw. ungünstige
Wirkungsgrade bedingt. Die in Abb. 8.52 gestrichelt eingezeichneten Geschwindigkeits-
dreiecke führen zu einer stärkeren Umlenkung im Laufrad als die ausgezogen dargestellten
Geschwindigkeitsdreiecke.
Obwohl sich der durchströmte Querschnitt der Laufradbeschaufelung nicht ändert,
stellt sich aufgrund der Strömungsumlenkung an der konkaven Schaufelseite (Druckseite
mit geringeren lokalen Geschwindigkeiten) ein höherer statischer Druck ein als auf der
konvexen Seite (Saugseite mit höheren lokalen Geschwindigkeiten), siehe z. B. Strömungs-
feldberechnungen bei Hinteregger (2011). Durch diese Druckdifferenz zwischen Saug- und
Druckseite der Beschaufelung entsteht eine aerodynamische Schaufelkraft FA . Diese Kraft
lässt sich im bewegten Relativsystem auch durch die zeitliche Impulsänderung zwischen
Aus- und Eintritt angeben. Analog zu Gl. (8.10) schreibt man:
|Fu | = 2 · ṁ · u = FA (8.151)
Wie schon erwähnt, bezieht sich sowohl das Laufradgitter in Abb. 8.54 als auch das zuge-
hörige h-s-Diagramm in Abb. 8.53 auf eine reibungsfreie, d. h. isentrope Laufradströmung.
782 8 Thermische Turbomaschinen
s s
Gleichdruckturbine mit ρh < 0 Aktionsturbine mit ρh = 0
Die allgegenwärtige Reibung bewirkt aber, dass pt2 im Laufrad nicht isentrop auf pt1 abge-
baut wird. Zu einer echten Gleichdruckstufe mit p1 = p2 gehört deswegen das in Abb. 8.55
links dargestellte h-s-Diagramm. Hierin ist aber nun zu sehen, dass offensichtlich das sta-
tische Enthalpiegefälle des Laufrades h und damit auch der Reaktionsgrad ρh von null
verschieden ist. Das heißt also, dass eine reale Gleichdruckturbine immer einen Reakti-
onsgrad hat, der von null verschieden ist und – wie Abb. 8.55 zeigt – dabei sogar negativ
wird. Der rechte Teil von Abb. 8.55 zeigt eine Stufe mit ρh = 0 und Reibungsverlusten
in Leit- und Laufrad. Diese Gegebenheit ist aber offensichtlich nur dann möglich, wenn
p2 < p1 ist. Somit kann eine echte Aktionsturbine mit ρh = 0 keine echte Gleichdruckturbi-
ne mit p1 = p2 sein. Nur im reibungsfreien Fall (isentropes Laufrad) sind die Aktionsturbine
und die Gleichdruckturbine identisch. In der Praxis ist der Reaktionsgrad ρh immer von
null verschieden. Es hat sich aber z. T. im technischen Sprachgebrauch eingebürgert, auch
Stufen mit kleinen ρh -Werten (bis ρh ≈ 0.05) oder geringen Druckgefällen im Laufrad als
Aktions- oder Gleichdruckturbinen zu bezeichnen.
Abbildung 8.56 zeigt drei mögliche Varianten von Geschwindigkeitsdreiecken, die dieses
Ergebnis erzeugen. Stufen mit ρh = 0.5 sind sowohl bei Turbinen als auch bei Verdich-
tern zu finden. Im deutschen und englischen Sprachgebrauch werden Turbinenstufen mit
8.2 Axialmaschinen 783
cm c2 v2 c1 v1 cm
m
β2 u
β1 r
180°−β2 180°−β2 β1
−c2u u v1u=−c2u
+c2u −v2u
c2 v2 c1 v1=cm c1 v1 c2 v2 cm
β2 β2
u u β1
β1 = 90
o
Abb. 8.56 Symmetrische Geschwindigkeitsdreiecke von Turbinen- und Verdichterstufen. Die Sym-
metrie besteht gegenüber einer gedachten, vertikal verlaufenden Mittellinie. Diese geometrische
Eigenschaft ist typisch für Stufen mit einem Reaktionsgrad von ρh = 0.5
Werden diese beiden Ausdrücke in Gl. (8.119) eingesetzt, so ergibt sich eine Enthalpie-
kenngröße von ψ h = −1, was für eine Turbine eine mittelgroße Belastung ist. Abbildung
8.57 zeigt, wie das Gitter einer klassischen Reaktionsturbinenstufe nach Parsons aussieht.
Die Gittergeometrien von Leit- und Laufrad sind ähnlich. Beide Gitter lenken die Strö-
mung um denselben Betrag um und beschleunigen $ $ $sie im
$ Absolutsystem von c0 auf c1 bzw.
$ c $ $ $
im Relativsystem von v1 auf v2 so, dass sich 1 = 1 einstellt. Die Umlenkung im Lauf-
v
rad ist geringer als bei der Aktionsturbine. Die Drallkomponente der Absolutströmung
beträgt am Laufradeintritt c1u = u, mit c1u = |v1u | = 0.
Die Druckunterschiede zwischen Saug- und Druckseite erzeugen eine aerodynamische
Auftriebskraft FA . Diese Kraft lässt sich im bewegten Relativsystem auch durch die zeitliche
Impulsänderung zwischen Aus- und Eintritt angeben. Analog zu Gl. (8.10) schreibt man:
Die ein- und austretenden Impulsströme zwischen Laufradein- und Laufradaustritt bewir-
ken eine Kraft FA = |−Fu |, die in Umfangsrichtung u weist und durch die das Laufrad
bewegt wird. Im Vergleich zur Aktionsturbine kommt diese Bewegung nun ausschließlich
21
Sir Charles Algernon Parsons (*1854 †1931) war englischer Ingenieur. Er ist der Erfinder der
nach ihm benannten Überdruckturbine (1884), die ursprünglich als Dampfturbine konzipiert war.
Parsons gründete später eine eigene Turbinenfabrik (C.A. Parsons & Co in Heaton). Die Dreh-
zahl seiner Turbinen lag in einem Bereich, der ohne Getriebe auskam, sodass sie sich schnell in
Dampfkraftwerken zur Elektrizitätserzeugung durchsetzen.
8.2 Axialmaschinen 785
v1u=0
Laufrad
v1
c1u c1 u
c0 = c2 c0 = c1m = cm = c 2
c1m
durch den Impuls infolge des beschleunigten Fluidstrahls aus dem Laufrad heraus zu Stan-
de22 , vgl. hierzu auch die ähnliche Darstellung in Abb. 4.36 rechts. Nach dem Impulssatz
der Strömungsmechanik wird die dabei entstehende Kraft, die entgegengesetzt zu dem
austretenden Fluidstrahl wirkt, als Reaktionskraft bezeichnet. Diese Kraft gibt der Turbine
auch ihren Namen.
Die Kombination der Gln. (8.108) und (8.114) oder aber die Gl. (8.112) alleine zeigen
im Falle einer Repetierstufe mit c2 = c0 , dass ρh = 0.5 auch h = h bedeutet. Es wird
also im Laufrad einer Reaktionsturbine genau so viel statische Enthalpie umgesetzt wie im
Leitrad. Abbildung 8.58 zeigt dies im h-s-Diagramm.
gilt. Das heißt, wenn man für die Aktionsturbine den Index „AT“ und für die
Reaktionsturbine den Index „RT“ einführt, bei u = const:
22
Die hier wirkende Kraft kann prinzipiell mit der Schubkraft (Bruttoschub) nach Kap. 5 verglichen
werden.
786 8 Thermische Turbomaschinen
h
p0
pt0 pt1
ht0=ht1 0t 1t
ht0=ht1
c02
p1
c1 2
2
h0 h0 −Δht=−wT
2 0
pt2−Δh′=−Δh″
−Δh=−(+Δh″+Δh′)
h1 2t
1 ht2
c22 −Δh″=−Δh′
2
h2 h2
2
p2
Hieraus sind folgende Eigenschaften für geometrisch ähnliche Aktions- und Reaktions-
turbinen mit drallfreier Abströmung (c2u = 0) zu erkennen, d. h. bei ansonsten gleichen
geometrischen Abmessungen (Radien),
√
für rAT = rRT ⇒ ωRT = 2 · ωAT
• Bei gleicher Umfangsgeschwindigkeit uAT = uRT , was gleiche Drehzahl bedeutet, wenn
wegen der geometrischen Ähnlichkeit rAT = rRT gilt, gibt die Aktionsturbine doppelt
so viel spezifische Stufenarbeit ab, wie die Reaktionsturbine:
w w wAT wRT
= ⇒ =
c1u AT c1u RT 2 · uAT uRT
wAT = 2 · wRT
Bei gleicher Drehzahl und vorgegebener spezifischer Turbinenarbeit wird also die Akti-
onsturbine weniger Stufen haben als die Reaktionsturbine. Eine Faustregel besagt, dass
die Stufenanzahl einer Reaktionsturbine nahezu doppelt so groß ist, wie die einer Ak-
tionsturbine. Nachteilig bei einer Aktionsturbine ist aber ihr vergleichsweise schlechter
8.2 Axialmaschinen 787
138°
Profilverlust-
koeffizient
134°
v2
130°
β1 β2
v1
e pt1 − pt 2
0.20 ζ=
±Δβi Skelettlinie pt 2 − p2
2
0.16
βSk
A kt
ionsbe
0.12 sch
aufel
un
g
Tangente an die Skelettlinie 0.08
in der Vorderkante Reak
tionsbeschaufel
v1, v2 = Zu- und Abströmge- ung
0.04
schwindigkeit
β1, β2 = Zu- und Abströmwinkel
βSk = Schaufeleintrittswinkel 0.00
+Δ i = Sk − 1= Inzidenzwinkel −30° −20° −10° 0° +10° +20° +30°
Inzidenzwinkel Δβι
Abb. 8.59 Variation der Profilverluste ζ über dem Inzidenzwinkel βi für Turbinengitter mit
Aktions- und Reaktionsbeschaufelung nach Ainley (1948)
Wirkungsgrad. Wegen der starken Umlenkung im Laufrad werden viele eng beieinan-
derstehende Schaufeln benötigt (kleine Teilung), die diese Umlenkung auch praktisch
umsetzen können, was in der Summe auch eine große umströmte Oberfläche mit den
entsprechenden Reibungsverlusten bedeutet. Hinzu kommt, dass zum einen die starken
Umlenkungen selbst zu deutlichen Verlusten führen und zum anderen unterschiedliche
Einflüsse durch die jeweiligen Grenzschichtentwicklungen in den Beschaufelungen, die bei
einer Reaktionsturbine günstiger sind, da hier die Strömung in der Schaufelpassage – im
Gegensatz zum Laufrad der Aktionsturbine – durchweg beschleunigt wird und es so zu
keinen ausgedehnten Bereichen mit Strömungsablösungen kommt. Bei beschleunigten
Strömungen erfolgt außerdem der Umschlag von laminarer nach turbulenter Grenz-
schicht weiter hinten im Schaufelbereich, was insoweit vorteilhaft ist, da die Größe der
Verluste stark von der Lage dieses Umschlagpunktes abhängt. Die Profilverluste ζ eines
Aktionsturbinengitters können 3- bis 6-mal so groß sein wie die eines Reaktionsturbi-
nengitters, Abb. 8.59. Die Messungen von Ainley (1948) haben außerdem gezeigt, dass
die Abströmwinkel β2 aus Reaktionsturbinengittern – im Gegensatz zu denen von Ak-
tionsturbinengittern – über einen ausgedehnteren Bereich von Zuströmwinkeln β1 eine
ausgeprägtere Konstanz zeigen, sodass sich die Gitterumlenkung β =|β2 − β1 | und da-
mit auch die Arbeitsumsetzung mit dem Zuströmwinkel β1 bei Reaktionsturbinen stärker
verändert als bei Aktionsturbinen.
Im Vergleich zur Aktionsturbine führt die größere Stufenanzahl der Reaktionsturbine
nicht zu einer größeren Baulänge der Gesamtturbine, da die axiale Stufenbreite der Ak-
788 8 Thermische Turbomaschinen
Definiert man, wie zuvor gezeigt, den größeren Radius der Reaktionsturbine als Gehäu-
seradius rG und den kleineren Radius der Aktionsturbine als Nabenradius rN , so würde
eine Schaufel, längs deren Schaufelhöhe br die spezifische Arbeit konstant sein soll, am
Schaufelfuß eine reine Aktionsbeschaufelung (ρh = 0) erhalten und am Außenschnitt eine
klassische Reaktionsbeschaufelung nach Parsons (ρh = 0.5). Das Nabenverhältnis einer sol-
chen Schaufel wäre ν =2−1/2 = 0.707124 . Diese Abschätzung ist in guter Übereinstimmung
mit der Darstellung in Abb. 4.37.
Unter dem Gesichtspunkt einer eher einfach gehaltenen, prismatischen Schaufelform
wäre in Flugzeugtriebwerken eine Reaktionsbeschaufelung wegen ihres besseren Wir-
kungsgrades die überlegene Bauform. Da aber – bei vergleichbarer Drehzahl – Stufen
mit kleinem Reaktionsgrad das größere Temperaturgefälle (w= cp · Tt ) produzieren,
würden sie bevorzugt dort eingesetzt werden, wo schwierig beherrschbare Temperaturen
rasch abgebaut werden müssen. In Flugzeuggasturbinen wären davon z. B. die ersten Stufen
der Hochdruckturbine direkt nach der Brennkammer betroffen.
Der moderne Turbinenbau betrachtet den Reaktionsgrad als einen Auslegungspara-
meter der Stufe, der je nach den vorliegenden Verhältnissen gewählt werden kann. Der
Reaktionsgrad ist also nicht an die Werte 0 und 0.5 gebunden, er kann durchaus auch
Zwischenwerte und selbst Werte größer als 0.5 annehmen. Echte Gleichdruckturbinen
können sogar leicht negative Reaktionsgrade haben.
23
Hat eine Schaufel längs der Schaufelhöhe – also in Radialrichtung – überall dasselbe Schaufelprofil
und ist dabei nicht verwunden, d. h. nicht in sich verdreht, so nennt man eine solche Schaufel eine
zylindrische oder prismatische Schaufel.
24
Im Vergleich dazu hat das Triebwerk GE CF6-80C2 in der Hochdruckturbine Nabenverhältnisse
im Bereich von etwa 0.87 und 0.79 und in Niederdruckturbine von etwa 0.71 bis 0.57.
8.2 Axialmaschinen 789
v1 v2 v1 v2
c1 c2 c1 c2
u u
−c1u
c2u = 0
v1 v2
c1 c2
Verdichter
mit ρh > 1.0 u
Δh
v1 u Δh″
pt1
c1
−c1u 2
c
1
c1m p1
2
Abb. 8.61 Gittergeometrie einer Verdichterstufe mit 100 % Reaktion, zusammen mit den
zugehörigen Zustandsänderungen im h-s-Diagramm
bei der Rotordurchströmung. Ersteres ist hierbei als günstig und Letzteres als nachteilig
anzusehen.
Die untere Grenze des Reaktionsgrades für Verdichter war die 50-%-Stufe, deren
Geschwindigkeitsdreiecke in Abb. 8.56 unten rechts dargestellt sind. Die zugehörige Geo-
metrie der Beschaufelung ist in etwa in Abb. 8.27 zu sehen. Hier sind v1 und v2 stark
voneinander verschieden und somit auch die Diffusionszahl hoch. Dafür ist aber das
Machzahlniveau im Rotor geringer.
Bei Verdichtern sind auch Reaktionsgrade ρh >1 möglich. Ein zugehöriges Geschwin-
digkeitsdreieck zeigt die Abb. 8.60 unten. Würde diese Stufe als 1. Stufe eines Verdichters
Verwendung finden, so benötigte sie ein Vorleitrad, das der Geschwindigkeit c1 den
notwendigen Vordrall erteilt. Ähnlich wie es bereits bei der Stufe mit ρh = 1 disku-
tiert wurde, kommt es auch hier zu einem statischen Druckabbau um Leitrad, da ein
Vorleitrad, rein strömungsmechanisch gesehen, ein Beschleunigungsgitter ist, Abb. 8.62,
jetzt aber infolge einer beschleunigten Strömung im Vorleitrad. Dieser statische Druck-
abbau muss schließlich in den nachfolgenden Stufen durch ein Mehr an spez. Arbeit
wieder wettgemacht werden. Trotz dieses offensichtlichen Nachteils finden Vorleiträder
unter bestimmten Voraussetzungen technische Anwendung. Im Sinne eines möglichst
wirtschaftlichen, sprich eines möglichst hohen Wirkungsgrades, und damit eines umwelt-
schonenden und stabilen Betriebes einer Gasturbine auch im Teillastbereich, ist häufig
eine Einstellung (Regelung) des Luftmassenstromes im Verdichter erforderlich. Dies kann
mit Hilfe einer oder mehrerer verstellbarer Verdichterleitradgitter erfolgen. Verdichter-
Vorleitgitter erlauben eine Reduktion des Ansaugmassenstromes auf rund 75 %. Das hat
8.2 Axialmaschinen 791
r m Laufrad
verstellbares
u Vorleitrad. Be-
schleunigungs-
gitter, d. h. tur-
binenähnlich
u1
v1
>c −c1u
0
c1
verstellbares
c1m=c1 Vorleitrad
c0
statischer Druckab- ...muss im Laufrad wie-
p0 bau im Vorleitrad... p1<p0 der wettgemacht werden
Abb. 8.62 Zur Wirkungsweise eines Verdichtervorleitrades, das aus aerodynamischer Sicht ein
Beschleunigungsgitter ist und den statischen Druck zwar abbaut, aber aus regeltechnischen Gründen
oft unverzichtbar ist
zur Folge, dass im oberen Lastbereich einer Gasturbine beispielsweise eine Lastanpassung
primär durch die Verstellung des Vorleitgitters erfolgen kann und dabei der Brennstoff
nur soweit zurückgenommen wird, dass die Turbineneintrittstemperatur konstant bleibt.
Erst sobald die Regelungsmöglichkeiten des Vorleitgitters voll ausgeschöpft sind, wird ei-
ne weitere Lastanpassung durch eine Brennstoffreduktion vorgenommen. Auch während
des Anfahrvorganges einer Gasturbine sind Verdichtervorleiträder eine hilfreiche stabi-
lisierende Einrichtung, die in Flugtriebwerken insbesondere vor Mitteldruck- und/oder
Hochdruckverdichtern zu finden ist, Abb. 8.62 rechts. Bereits ältere Einstromtriebwerke,
wie z. B. das GE CJ610 (Abb. 2.3), hatten direkt zu Beginn des Verdichters verstellba-
re Eintrittsleitschaufeln, die auch hier Regelaufgaben zu verrichten hatten. Insbesondere
aus Lärmgründen verzichtet man heute darauf, ein Triebwerk unmittelbar mit einem
verstellbaren Leitrad beginnen zu lassen.
Abb. 8.63 Berechnete Ergebnisse aus einer Parameteranalyse für eine einfache Axialverdichter-
Normalstufe mit Repetierbedingung und c1u =0
Im ersten Schritt wird nun für Lauf- und Leitrad das Verzögerungsverhältnis nach de Hal-
ler bestimmt, v2 /v2 und c3 /c2 . Dazu werden zuerst mittels der Gln. (8.125) bis (8.128) die
Strömungswinkel β1 , β2 , α1 und α2 in einem Bereich 0.25 ≤ ψh ≤ 0.45 berechnet und an-
schließend die auf die Umfangsgeschwindigkeit bezogenen Strömungsgeschwindigkeiten
v1 /u, v2 /u, c1 /u und c2 /u aus den Gln. (8.129) bis (8.132). Wegen der Repetierbedingung
c1 = c3 kann außerdem auch noch α3 = α1 und c3 /u = c1 /u gesetzt werden. Die Er-
gebnisse zum de Haller Kriterium zeigt der linke Teil von Abb. 8.63. Die Darstellung
endet dort, wo das Laufrad das de Haller Kriterium v2 /v1 ≥ 0.7 in etwa unterschreitet.
Das Leitrad hat hierbei immer einen ausreichenden Abstand zu der, durch das Verzöge-
rungsverhältnis c3 /c2 vorgegebenen Grenze. Damit ergibt sich ein sinnvoller Bereich für
die Enthalpiekenngröße von 0.25 ≤ ψh ≤ 0.45, die die aerothermodynamische Belastung
der Stufe beschreibt. Je größer die Belastung einer Stufe ist, umso eher wird auch das de
Hallerkriterium erreicht, wobei im dargestellten Fall das Laufrad das kritischere Bauteil
ist und nicht das Leitrad. Der Grund dafür liegt darin, dass der statische Druckanstieg
p über das Laufrad größer ist als der statische Druckanstieg p über das Leitrad. Diese
statischen Druckänderungen sind gemäß der Bernoulli-Gleichung auch ein Maß für die
Geschwindigkeitsänderungen und damit für das Verzögerungsverhältnis.
Im zweiten Schritt kann nun die Teilungsverhältnisse t/s (Teilung/Sehnenlänge) für
Lauf- und Leitrad in Abhängigkeit von ψ h bestimmt werden. Dazu werden die Gln. (8.60)
und (8.61) nach dem jeweiligen Teilungsverhältnis umgestellt. Es ergeben sich dann die
folgen Beziehungen:
t 2 · v1 · [D − 1 + (v2 /v1 )] t 2 · c2 · [D − 1 + (c3 /c2 )]
= =
s |v1u − v2u | s |c2u − c3u |
8.2 Axialmaschinen 793
1.0 1.0
D ρh c1u = 0
ρh = 0.75 ϕ = 0.7
0.8 t/s 0.9 ψh
2.0 ρh = 1−
2
0.6 0.8
1.5
0.4 1.0 0.7
0.5
0.2 0.6
0. 0.5
0.25 0.30 0.35 0.40 0.45 0.25 0.30 0.35 0.40 0.45
ψh ψh
Abb. 8.64 Berechnete Diffusionszahl D und berechneter Reaktionsgrad ρh aus einer Parameter-
analyse für eine einfache Axialverdichter-Normalstufe mit Repetierbedingung; links Berechnung für
c1u =0, wie auch in Abb. 8.63, rechts Berechnung für den bei Axialverdichtern häufig vorkommenden
Sonderfall mit c1u = 0
Die Geschwindigkeitskomponenten cax , c2u , c3u , v1u und v2u berechnen sich anhand der
Geometrie der Geschwindigkeitsdreiecke dabei wie folgt:
Die Ergebnisse sind in der Mitte von Abb. 8.63 dargestellt. Mit steigender Stufenbelastung
ψ h nimmt das Teilungsverhältnis t/s ab, d. h., die Schaufeln bekommen im Gitterver-
band in Umfangsrichtung einen immer geringer werdenden Abstand zueinander. Dieser
Tendenz kann man entgegenwirken, wenn bei höheren Stufenbelastungen auch höhere
Diffusionszahlen gewählt werden. Hohe Stufenbelastungen ψ h und hohe Diffusionszahlen
D lassen größere Teilungsverhältnisse t/s zu, Abb. 8.64 links. Dieses ist auch in gu-
ter Übereinstimmung mit den Aussagen aus Abb. 8.45. Verdichterlaufräder haben im
Außenschnitt eine hohe aerodynamische Belastung und benötigen deswegen dort auch
höhere Diffusionszahlen, um die dort zwangsweise auftreten großen Teilungsverhältnis-
se realisieren zu können. An der Nabe, dort wo das Teilungsverhältnis t/s gering ist,
haben Verdichterlaufräder generell eine geringere Belastung und können deswegen dort
auch mit kleinen Diffusionszahlen auskommen. Leiträder haben an der Nabe eine große
aerodynamische Belastung bei kleinen Teilungsverhältnissen, was wiederum kleine Dif-
fusionszahlen zulässt. Am Gehäuse ist die aerodynamische Belastung gering, sodass die
dort auftretenden großen Teilungen auch mit kleinen Diffusionszahlen umgesetzt werden
können. Bei kleinen Stufenbelastungen ψ h ist das Teilungsverhältnis des Laufrades größer
als das des Leitrades, eine Eigenschaft, die zu größeren aerodynamischen Belastungen ψ h
hin abnimmt, und sich unter Umständen sogar umkehren kann.
Hinsichtlich des Teilungsverhältnisses t/s sollte angemerkt werden, dass Werte von
t/s < 0.5 in praktisch ausgeführten Verdichtern nicht vorkommen, weil die vielen eng
beieinanderstehenden Schaufeln zum einen die Reibungsverluste ansteigen lassen (viel
794 8 Thermische Turbomaschinen
umströmte Oberfläche), und zum anderen sehr schnell zum gasdynamischen Sperren
neigen. Gerade Letzteres ist der primäre Grund für die Wahl größerer Teilungsverhältnisse.
Für den bei Axialverdichtern häufig vorkommenden Sonderfall der drallfreien An-
strömung des Laufrades (c1u = 0) zeigt der rechte Teil von Abb. 8.64 die Auftragung des
Reaktionsgrades ρh über der Enthalpiekenngröße ψ h . Es ist zu sehen, dass drallfrei an-
geströmte Stufen stets einen hohen Reaktionsgrad haben, der etwa zwischen 0.8 und 0.9
liegt. Entsprechend der Ausführungen in den vorangegangenen Kapiteln zum Reaktions-
grad, bedeutet dies, dass der größte Druckanstieg und damit aber auch die Mehrheit der
allgegenwärtigen Verluste im Laufrad produziert werden. Dieses verdeutlicht auch der
rechte Teil von Abb. 8.63, wo für ρh = 0.75 der Wirkungsgrad des Laufrades deutlich unter
dem des Leitrades liegt. Für ρh = 0.5 würden die Wirkungsgrade von Lauf- und Leitrad
denselben, d. h. deckungsgleichen Kurvenverlauf aufweisen.
Für die Definition des im rechten Teil von Abb. 8.63 dargestellten Wirkungsgrades
η von Lauf- und Leitrad und auch von der gesamten Stufe wurde der folgende Ansatz
gewählt:
spez. Nettorabeit spez. Bruttoarbeit − spez. Verlustarbeit
η= =
spez. Bruttoarbeit spez. Bruttorabeit
spez. Verlustarbeit Nm/kg
η =1− ·
spez. Bruttorabeit Nm/kg
(8.154)
( ptRotor + ptStator )Dissipation /ρ ( pt + pt )Dissipation
η =1− =1−
ht ρ · ht
1 pt pt
η =1− · +
ht ρ ρ
Zur Bestimmung der darin enthaltenen reibungsbedingten Totaldruckverluste pt wird
auf den Ansatz von Lieblein et al. (1953) nach Gl. (8.69) zur Beschreibung der Schaufelpro-
filverluste zurückgegriffen. Hierzu werden zuerst mittels der Gln. (8.76) und (8.77) die
cA -Werte für Lauf- und Leitrad ermittelt und im Anschluss daran mittels der Gln. (8.70)
und (8.71) die zugehörigen cW -Werte. Mit den Gln. (8.69) kann nun der jeweilige To-
taldruckverlustkoeffizient bestimmt werden. Die jeweilige Differenz pt − p wird dann
durch den dynamischen Druck entsprechend der Bernoulli-Gleichung ersetzt:
ρ 2 ρ 2
pt − p = · v∞ bzw. pt − p = · c∞ (8.155)
2 2
Für die verlustbedingten Totaldruckänderungen von Lauf- und Leitrad ergeben sich dann
die folgenden Ausdrücke:
pt v2 pt c2
= · ∞ bzw. = · ∞ (8.156)
ρ 2 ρ 2
Die Totalenthalpieänderung ht über die Stufe wird nach Gl. (8.116) oder aber nach Gl.
(8.119) bestimmt:
ht w
ψh = 2 = 2 = ϕ · (cot β2 − cot β1 ) (8.157)
u u
8.2 Axialmaschinen 795
1.00 1.00
D ′ = 0.40 D ′′ = 0.50 D ′ = 0.40 D ′′ = 0.50
η η
ψh = 0.35 ρh = 0.75 ψh = 0.35 ϕ = 0.90
0.98 0.98
Leitrad
Leitrad
Laufrad
0.96 0.96 Laufrad
Stufe Stufe
0.94 0.94
0.92 0.92
0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1.0 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1.0
ϕ ρh
der gewünschte Wirkungsgrad25 sowohl für Lauf- und Leitrad als auch für die gesamte Stufe
berechnet werden. Der rechte Teil von Abb. 8.63 zeigt, dass sowohl die Einzelwirkungs-
grade von Lauf- und Leitrad als auch der Gesamtwirkungsgrad der Stufe mit steigender
aerodynamischer Belastung abnehmen, wie es wohl auch zu erwarten war. Der Wirkungs-
grad des Laufrades ist deutlich schlechter als der des Leitrades. Wie bereits erwähnt, hängt
die Aufteilung der Verluste bzw. des Wirkungsgrades zwischen Lauf- und Leitrad von
der Wahl des Reaktionsgrades ρh ab, der hier mit einem Zahlenwert von 0.7 relativ hoch
ist, und von daher die meiste Druckerhöhung und damit auch die meisten Verluste im
Laufrad produzieren lässt. Die Abb. 8.65 zeigt zusätzlich Auftragung der Wirkungsgrade
(Verluste) über der Durchflusskenngröße ϕ und über dem Reaktionsgrad ρh . Bei einem
Reaktionsgrad von ρh = 1 gehen die Leitradverluste – wie schon zuvor erläutert – gegen
null. Interessant dabei ist aber, dass die Laufradverluste über dem Reaktionsgrad nahezu
25
Ähnlich Wirkungsradabschätzungen und Parameterstudien sind auch in der Literatur zu finden,
wie z. B. bei Cumpsty (1996), der aber den Profil-Verlustbeiwert der Gln. (8.70) und (8.71) sowohl
für das Lauf- als auch das Leitrad mit cW = cW = 0.007 = const ansetzt. Der mit Gl. (8.158) oder
(8.159) jeweils ermittelte Wirkungsgrad basiert dagegen auf den Daten von Lieblein et al. (1953).
796 8 Thermische Turbomaschinen
auf einem unveränderten Niveau bleiben und damit die Variation des Stufenverlustes mit
dem Reaktionsgrad praktisch nur vom Verlustverlauf des Leitrades bestimmt wird.
Die in Abb. 8.63 dargestellten Wirkungsgrade für die gesamte Stufe liegen zwischen 97
und 92 %. In praktisch ausgeführten Verdichtern, mit guten aerodynamischen Eigenschaf-
ten, liegen die Wirkungsgrade mit 92 bis 86 % aber dennoch um ca. fünf Prozentpunkte
niedriger. Das bedeutet, dass die hier getroffenen Verlustannahmen einige Verluste in
Verdichterstufen nicht vollständig beschreiben bzw. diese evtl. erst gar nicht beinhalten.
Die hier verwendete Verlustbeschreibung nach Lieblein et al. (1953), die über die empiri-
sche Gl. (8.69) eingeführt wurde, beschreibt im Wesentlichen Schaufelprofilverluste, aber
nicht die Seitenwandverluste. In realen Verdichterstufen betragen die Profilverluste im
Auslegungspunkt etwa vier Prozent und die Ringraumverluste an Nabe und Gehäuse ca.
zwei Prozent. Die Anteile infolge der Sekundärströmungsverluste aufgrund der Laufrad-
schaufelumströmung im Spalt zwischen Gehäuse und Schaufel betragen weitere vier bis
fünf Prozent. Damit stellen die Seitenwandverluste in der Summe den größten Anteil an
den Gesamtverlusten einer Verdichterstufe dar. Gerade diese letzteren Verluste sind aber
in der hier vorgestellten Parameterstudie nicht enthalten.
Durch die Kombination der Gln. (8.119) und (8.121) ergibt sich der folgende
Zusammenhang:
Für α1 ≈ 90◦ geht cot α1 → ∞ und man erhält zusammen mit Gl. (8.120):
Die Auswertung von Gl. (8.161) ist in Abb. 8.66 dargestellt. Der Abströmwinkel β2 ist dabei
jeweils vorgegeben worden, da er im Wesentlichen von der Lage der Schaufelhinterkante
(Schaufelwinkel) abhängt, also von der Profilgeometrie und der Gitterstaffelung, wenn
man von Effekten der Minderumlenkung in erster Näherung einmal absieht. Da nun
β2 praktisch immer größer als 90◦ ist, wird cot β2 stets negativ, sodass Gl. (8.161) eine
Geradengleichung mit negativer Steigung ist. Ist ψ h bei vorgegebenem β2 und ϕ aus dem
linken Teil von Gl. (8.161) berechnet worden, so kann aus dem rechten Gleichungsteil der
absolute Abströmwinkel α2 bestimmt werden:
ϕ
α2 = arctan (8.162)
ψh
Die sich daraus ergebenden Ergebnisse wurden ebenfalls in Abb. 8.66 mit eingetragen
(rechte Ordinate, graue Kurvenverläufe). Je größer der Winkel β2 wird, umso steiler wird
der Verlauf der jeweiligen Geraden und auch der der jeweils zugehörigen α2 -Winkelkurven.
Für c1u = 0 ergibt sich aus der Gl. (8.106) ψ h = c2u /u. Aus der Gl. (8.104) erhalten
wir ϕ = cm /u = cax /u. Hieraus sieht man, dass ψ h und ϕ auch als die Komponenten
der absoluten Verdichterabströmgeschwindigkeit c2 angesehen werden können. Wenn
man also bei vorgegebenem β2 in einem Diagramm ψ h über ϕ aufträgt, so sind die dabei
8.2 Axialmaschinen 797
1.0 90°
α2
ψh 81°
β2 =
110°
0.8 72°
β2 63°
β2 = =
13
0.6 160 5 54°
° °
45°
0.4 36°
27°
0.2 18°
9°
0.0
0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 ϕ 1.0
Abb. 8.66 Variation der Enthalpiekenngröße ψ h mit der Durchflusskenngröße ϕ für ein
Verdichter-Normalstufen-Gitter mit Repetierbedingung und drallfreier Zuströmung c1u = 0,
α1 = 90◦
c2u, ψ h
72° c2
⎛ϕ⎞
α2 = arctan⎜⎜⎜ ⎟⎟⎟ c1m, ϕ
β2 ⎜⎝ ψh ⎠⎟
90° 1.0 u v2
normal
c2u, ψh
c2 v1
v2
klein
ψh v1
c1m, ϕ
Abb. 8.67 Variation der Enthalpiekenngröße ψ h mit der Durchflusskenngröße ϕ für ein
Verdichter-Normalstufen-Gitter mit Repetierbedingung und drallfreier Zuströmung c1u = 0,
α1 = 90◦ . Der Schaufelwinkel an der Hinterkante (≈ β2 ) wir konstant gehalten. Vgl. auch Abb. 8.66
dichterauslegung, über den noch im Kapitel über die Verdichter ausführlich zu reden sein
wird.
Des Weiteren zeigt Abb. 8.67, dass kleine ϕ-Werte, zusammen mit einer hohen Bela-
stung ψ h das Geschwindigkeits- bzw. Machzahlniveau auf der Beschaufelung gering hält,
was sich bei großen ϕ-Werten und kleineren Belastungen umkehrt. Dies ist insoweit ver-
ständlich, da große ψ h -Wert auch große Druckerhöhungen pt bedeuten, ein Vorgang,
der der Entwicklung kinetischer Energie in Strömungsrichtung rein strömungsphysika-
lisch entgegen steht, da Strömungen natürlicherweise nur „unwillig“ gegen steigenden
Druck anströmen wollen.
ψh Strömungsabriss (stall)
Auslegungspunkt
• Kleiner Staffelungswinkel βs
Hysterese • Große Durchflusskenngröße ϕ
(große Öffnung des Strömungs-
kanals)
βS ϕ
ψh
Abb. 8.68 Einfluss des Staffelungswinkels βS auf die Enthalpie- und Durchflusskenngrößen ψ h und
ϕ eines Verdichtergitters nach Wilson und Korakianitis (1998)
ist. Wird bei diesem Gitter der Durchsatz ϕ zu klein, so kommt es zu einem plötzli-
chen Strömungsabriss (Stall) mit einem großen Einbruch bei der Enthalpiekenngröße
(Arbeitsumsatz), was einem entsprechenden Verlust bei der Druckproduktion der Stufe
gleichkommt. Im realen Verdichterbetrieb kommt es bei einer danach wieder anschließen-
den Durchflusssteigerung zu einem Hysterese-Effekt. Unterhalb des Auslegungspunktes
gibt es diesen Effekt nicht. In Axialverdichtern von Flugzeugtriebwerken wird dieser
Hysterese-Effekt als Non-Recoverable Stall bezeichnet, was bedeutet, dass der Verdich-
ter nach einer Durchflusssteigerung nicht wieder selbstständig in den druckaufbauenden,
stabilen Betriebsbereich zurückgeht. Eine solche Stufe benötigt auf jeden Fall verstellbare
Leitschaufeln, durch die der Hysterese-Effekt abgebaut werden kann.
Im unteren Teil von Abb. 8.68 ist ein Verdichtergitter mit kleinerem ψ h , kleinerem ϕ
und größerem Staffelungswinkel βS dargestellt. Wird bei diesem Gitter der Durchsatz ϕ
zu klein, so kommt es zu einem praktisch kaum wahrnehmbaren Strömungsabriss, nach
welchem der Druck bzw. die Enthalpiekenngröße mit abnehmendem Durchsatz weiter
ansteigt, Koch (1981).
Die Wahl der richtigen Geschwindigkeitsdreiecke in Verdichtern hängt ganz wesentlich
vom sog. Nabenverhältnis ν ab, Gl. (8.35). Soll der Außendurchmesser eines Verdichters
möglichst klein ausfallen, was bei Flugzeugtriebwerken durchaus wünschenswert ist, so
sollte das Nabenverhältnis möglichst nahe bei ν = 0, 3 angesiedelt werden. Das Quadrat
der Umfangsgeschwindigkeiten zwischen Gehäuse und Nabe beträgt dann:
2
uG rG · ω 2 1 1
= = 2 = = 11.111 ⇒ uG2 = 11.111 · uN2
uN rN · ω ν 0.32
Die Zunahme an spezifischer Arbeit ist nach Gl. (8.106) das Produkt aus der Enthal-
piekenngröße und dem Quadrat der Umfangsgeschwindigkeit, w = ht = ψ h · u2 . Der
Wunsch, längs der Schaufelhöhe br überall eine gleichmäßige Zunahme der Totalenthalpie
ht in Strömungsrichtung anzustreben, ist angesichts des oben dargestellten Faktors elf
ein schwieriges Unterfangen und schränkt die Auslegungsmöglichkeiten sehr ein:
ht ht
ψG = und ψN = ⇒ ψN ≈ 11.111 · ψG für ht = const
uG2 uN2
cm cm
ϕG = und ϕN = ⇒ ϕN ≈ 3.333 · ϕG für cm = const
uG uN
Der Reaktionsgrad bei Verdichtern wird lieber höher als niedrig angesetzt. Der Vorteil
liegt dann darin, dass der Unterschied zwischen Aus- und Eintrittsgeschwindigkeit nicht
ganz so hoch ist und damit dem de Haller-Kriterium besser entsprochen werden kann.
Verdichter mit hohem Reaktionsgrad werden gewöhnlich so ausgelegt, dass die Absolut-
geschwindigkeiten c1 und c3 am Ein- und Austritt der Stufe gleich groß und axial gerichtet
sind. Hierbei ist das de Haller-Kriterium im Leitrad besser (höher) als im Laufrad. Da
sich Schmutzpartikel eher auf den Leitradschaufeln als auf Laufradschaufeln absetzen, von
denen sie gewöhnlich durch Fliehkraftwirkung heruntergeschleudert werden, führt das
bessere de Haller-Kriterium im Leitrad zu einem insgesamt stabileren Verdichterbetrieb.
8.2 Axialmaschinen 801
0.75
ϕ = 0.8
0.50 ϕ = 0.6
ϕ = 0.4
ϕ = 0.2
0.25
0.00
0.00 0.25 0.50 0.75 ρh 1.00
Abb. 8.69 Einfluss des Reaktionsgrades ρ h und der Durchflusskenngröße ϕ auf die Stufenbelastung
(Enthalpiekenngröße ψ h ) bei gerade erfülltem de Haller Kriterium. Berechnete Werte aus einer
Parameter Analyse für eine einfache zweidimensionale Verdichterstufe mit Repetierbedingung auf
der Basis der Daten der Abb. 8.63 und 8.64
Für den Fall des Laufrades mit gerade erfülltem de Haller Kriterium v2 /v1 = 0.7 wird
dann mittels der Gl. (8.119) ψ h und mittels der Gl. (8.123) ρh berechnet. Für den Fall des
Leitrades mit gerade erfülltem de Haller Kriterium c3 /c2 = 0.7 wird schließlich mittels der
802 8 Thermische Turbomaschinen
Gl. (8.120) ψ h und mittels der Gl. (8.124) ρh berechnet. Die so ermittelten Wertepaare ψ h
und ρh sind in Abb. 8.69 dargestellt.
Die unterste Kurve eines zu Lauf- und Leitrad gehörenden Kurvenpaares mit demselben
ϕ-Wert stellt bei vorgegebener ψ h -ρh -Kombination die unterste mögliche Grenze für die
Durchflusskenngröße ϕ dar. Würden zum Beispiel ψ h = 0.45 und ρh = 0.75 vorgegeben
werden, so wäre der kleinstmögliche Wert für die Durchflusskenngröße ϕ = 0.6. Diese
Wertekombination führt dazu, dass das de Haller-Kriterium zuerst im Laufrad erreicht
wird, das Leitrad ist weit vondiesem limitierenden ϕ-Wert entfernt. Würden in einem
anderen Beispiel ϕ = 0.6 und ρh = 0.45 vorgegeben werden, so wäre der kleinstmögliche
Wert für die Enthalpiekenngröße ψ h ≈ 0.45. Diese Wertekombination führt nun dazu, dass
das de Haller Kriterium zwar zuerst im Leitrad erreicht wird, aber auch das Laufrad nicht
weit davon entfernt ist. Dort wo die Laufradkurven im linken Teil von Abb. 8.69 enden,
existiert bei vorgegebenem v2 /v1 = 0.7 keine sinnvolle Lösung mehr. Dieses ist aber auch
der Bereich mit Reaktionsgraden (ρh < 0.5), die für Verdichter gewöhnlich nicht gewählt
werden.
Aus Abb. 8.69 ist auch zu erkennen, warum hohe Reaktionsgrade ρh bei Verdichtern
attraktiv sind. Eine Durchflusskenngröße von ϕ = 0.4 ergibt bei 100 % Reaktion (ρh = 1)
eine Stufenbelastung von ψ h ≈ 0.4, wogegen im Falle von 50 % Reaktion (ρh = 0.5) nur
eine Stufenbelastung von ψ h ≈ 0.3 möglich wäre. Hinzu kommt, dass dann bei der Stufe
mit 50 % Reaktion sowohl Lauf- als auch Leitrad am Limit des de Haller Kriteriums wären.
Wählt man sich also eines Stufenbelastung von ψ h ≈ 0.48 aus, bei einem Reaktionsgrad
von 100 %, so würden alle Durchflusskenngrößen ϕ > 0.6 zu einem Ergebnis führen, wo es
weder im Lauf- noch im Leitrad zu einem Problem mit dem de Haller Kriterium kommen
würde.
Die Diskussion zu Abb. 8.69 gilt nur für zweidimensionale Beschaufelungen. Wie wir
später noch sehen werden, ist es in der Praxis aber nicht üblich, eine Stufe mit konstantem
Reaktionsgrad längs der gesamten radialen Schaufelerstreckung auszulegen. Die endgül-
tige Wahl des Reaktionsgrades wird in Wirklichkeit durch weitere wesentliche Aspekte
beeinflusst, die mit der radialen Verteilung der bisher diskutierten Auslegungsparameter
zu tun haben.
0
ψhG
−1
ϕG
0.75
= 1.00
Axialturbinen mit ψhG
−2
hohem Wirkungsgrad
−3
ϕG
0.75
= 0.50
ψhG
−4 c
ϕG = m Axialturbinen mit
uG niedrigem Wirkungsgrad
−5 wT Δht
ψh G = = 2
uG2 uG
−6 ϕG
σMG = 0.75
= 0.25
ψhG
−7
0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 1.2 1.4 1.6
ϕG
Abb. 8.70 Darstellung der Durchfluss- und Enthalpiekenngrößen von Axialturbinenstufen unter-
schiedlichen Wirkungsgrades nach Horlock (1985). Mit eingetragen sind die Linien konstanten
Formfaktors σMG . Alle Größen sind auf die Umfangsgeschwindigkeit uG am Gehäuse bezogen
Es wird dabei davon ausgegangen, dass die geometrische Form des axial durchströmten
Schaufelkanals einer Stufe durch das Nabenverhältnis ν nach Gl. (8.35) beschrieben wird.
Zur Beschreibung des Formfaktors verwendet man anstelle von ν den Ausdruck 1−ν 2
4·A
1 − ν2 = (8.165)
π · DG2
Ganz rechts ist der vorhergehende Ausdruck mit dem Quadrat der Laufraddrehzahl
n = 60·ω/(2·π ) erweitert worden, wobei ω die Winkelgeschwindigkeit ist.
4 · π · ṁ · n2 π · ṁ · n2
1 − ν2 = = (8.167)
900 · ρ · ϕG · uG · DG2 · ω2 900 · ρ · ϕG · uG3
Hierin ist von 4 · uG2 = DG2 · ω2 Gebrauch gemacht worden. Aus der Definition der
Enthalpiekenngröße ergibt sich nun:
$ $
$ $ $ h3/2 $
$ψh $ = | ht | ⇒
$ t $
uG = $ 3/2 $
3
(8.168)
G
uG2 $ψ $
hG
Die Kombination der Gln. (8.167) und (8.168) führt dann auf:
$ $3/2
$ $
π · ṁ · n 2
π · ṁ · n 2$ψ hG $
1−ν =
2
= · $ $3/2 (8.169)
900 · ρ · ϕG · uG · DG2 · ω2 900 · ρ ϕG · $ ht $
Wird nun auf der rechten und linken Seite die Quadratwurzel gezogen, so folgt:
$ $3/4
√ $ $ √ $ $
π ṁ n $ψ hG $ π · n ṁ/ρ 1 $ψh $3/4
1 − ν2 = · ·$ $ · = · ·√ · G
30 ρ $ ht $3/4 ϕG
1/2 30 | ht |3/4 π 1/2
ϕG
(8.170)
Hierin wird der Ausdruck in den eckigen Klammern als spezifische Drehzahl nS einer
Turbomaschine bezeichnet, Lakshminarayana (1996):
√
π ·n ṁ/ρ
nS = · (8.171)
30 | ht |3/4
Die spezifische Drehzahl ist dimensionslos. Aus Gl. (8.170) wird damit:
$ $3/4
nS $ψhG $
1−ν = √ ·
2
1/2
(8.172)
π ϕG
Das Nabenverhältnis ν, das die Geometrie einer Stufe mit beschreibt, kann somit aus
einer dimensionslosen Drehzahl nS und einem dimensionslosen Formfaktor σMG bestimmt
werden:
1 nS
1 − ν2 = √ · (8.174)
π σM G
8.2 Axialmaschinen 805
Beim bisher abgeleiteten Formfaktor σMG beziehen sich die Durchfluss- und die Enthalpie-
kenngröße auf die Umfangsgeschwindigkeit uG am Gehäuse. Diese Verhältnisse können
nun leicht auf die Größen im Mittenschnitt (Euler-Radius), die hier bisher immer betrach-
tet wurden, umgerechnet werden. Zusammen mit den Gln. (8.99) und (8.101) ergibt sich
bezüglich des Euler-Radius rE bzw. bezüglich des Euler-Durchmessers DE :
2 2
DG = DE · bzw. DN = DE · (8.175)
1+ν 2 1 + ν −2
Dieser Ausdruck wird nun in Gl. (8.165) eingesetzt und man erhält:
1 − ν2 4·A
2· = (8.176)
1+ν 2 π · DE2
Nun wird mit dieser Gleichung genauso verfahren, wie es im Anschluss an die Gl. (8.165)
gezeigt wurde, nur dass jetzt ϕ und ψ h auf den Euler-Radius der Beschaufelung bezogen
sind:
√ $ $3/4 √
1 − ν2 π ṁ n $ψ $ π ·n ṁ/ρ 1 |ψh |3/4
2· = · · $ $ · h
= · · √ · 1/2
1 + ν2 30 ρ $ ht $3/4 ϕ 1/2 30 | ht |3/4 π ϕ
(8.177)
Wenn die Definition der spezifischen Drehzahl nS identisch bleibt mit der nach Gl. (8.171),
so erhält man nun zum einen für das Nabenverhältnis den Ausdruck:
1 − ν2 nS |ψh |3/4 1 nS
2· = √ · 1/2 = √ · (8.178)
1+ν 2 π ϕ π σM
ϕ 1/2 1 − ν2
nS = · 2·π · (8.179)
|ψh | 3/4 1 + ν2
ϕ 1/2
σM := ⇒ Siehe hierzu auch Gl. (8.242) (8.180)
|ψh |3/4
In diesem Formfaktor sind nun die Größen ϕ und ψ h auf die Umfangsgeschwindigkeit am
Euler-Radius uE = rE ·ω bezogen. Sind die auf das Gehäuse bezogenen Daten gegeben, so
kann die Umrechnung auf die auf den Euler-Radius bezogenen Daten durch Kombination
der Gln. (8.174) und (8.178) erfolgen:
1 + ν2 1 + ν2
σM = σMG · ⇒ u = uE = uG · (8.181)
2 2
Abbildung 8.71 zeigt, in welchem Bereich sich die Durchflusskenngrößen ϕ und die Ent-
halpiekenngrößen ψ h , die auf die Umfangsgeschwindigkeit u = uE beim Euler-Radius
806 8 Thermische Turbomaschinen
−0.5 Radialturbinen-
stufen
ψh = −1 auf u1 bezogen
−1.0
maximale Grenze für
Radialturbinenstufen
−1.5
Axialturbinenstufen
−2.0
−2.5
0.0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1.0
cm
Durchflußkenngröße ϕ =
u
Abb. 8.71 Bereichsgrenzen für die Durchfluss- und Enthalpiekenngrößen von Verdichter- und
Turbinenstufen. Bei Axialstufen beziehen sich die Größen auf die Umfangsgeschwindigkeit am
Euler-Radius, bei Radialmaschinen auf die jeweils größte Umfangsgeschwindigkeit, d. h. bei
Radialverdichtern auf u2 am Impelleraustritt und bei Radialturbinen auf u1 am Laufradeintritt
bezogen sind, bei Axialturbinen und -verdichtern bewegen. Geht man bei Flugzeug-
turbinen von Nabenverhältnissen ν aus, die zwischen 0.5 . . . 0.8 liegen, so sind die
Daten in Abb. 8.71 in gutem Einklang mit den Daten aus Abb. 8.70, wenn diese mit-
tels der Gl. (8.181) umgerechnet werden. Beste Turbinenwirkungsgrade werden bei
Durchflusskenngrößen zwischen 0.4 ≤ ϕ ≤ 1.0 erreicht, wenn dabei die Enthalpiekenn-
größen innerhalb des Bereiches −1 ≤ ψ h ≤ −1.3 liegen. Werden die Enthalpiekenngrößen
und/oder die Durchflusskenngrößen größer gewählt, so gehen die Turbinenwirkungsgra-
de zurück. Für Turboproptriebwerke wird ψ h = −1.55 und ϕ = 0.65 empfohlen und für
Turboshafttriebwerke ψ h = −1.15 und ϕ = 0.525.
Wird nun sowohl ein gängiger Austrittswinkel aus dem Leitrad α1 im Bereich zwi-
schen 20◦ . . . 40◦ vorgegeben, z. B.: α1 = 25◦ , als auch ein Stufenreaktionsgrad ρh zwischen
den Werten 0.0 . . . 0.5, so kann jeweils die Durchflussgröße ϕ in Abhängigkeit der
Enthalpiekenngröße ψ h ermittelt werden:
ψh
ϕ = 1− − ρh · tan α1 mit ψh < 0 (8.182)
2
Ausgehend von Gl. (8.180) ist dann auch der Formfaktor σM aus der nachfolgenden
Beziehung ermittelbar:
ϕ
σM = (8.183)
|ψh |3/2
8.2 Axialmaschinen 807
ρ h=
ϕ=0.466 0.50 100
0.5
2.00
0.70
0
ϕ=0.70
ϕ=0.70 75 1.75
0.55 ρh=0.25 ρh=0.25
ϕ=0.933 1.50
ϕ=0.933 ϕ=1.166
ρh=0.0
0.40 ϕ=1.166 50 1.25
ϕ=1.399 ρh=0.0
0.25 25 1.00
−1 −2 −3 ψh −4 −1 −2 −3 ψh −4 −1 −2 −3 ψh −4
Abb. 8.72 Berechnete Resultate zu einer elementaren Parameteranalyse für eine einfache Turbi-
nennormalstufe mit Repetierbedingung. In den beiden rechten Diagrammen liegen für ρ h = 0,5 die
Kurven für Lauf- und Leitrad unmittelbar übereinander. Im ganz rechten Diagramm fällt für ρ h = 0
der Kurvenverlauf für das Laufrad exakt mit der Abszisse zusammen
Die Auswertung der Gln. (8.182) und (8.183) ist im linken Teil von Abb. 8.72 aufgetragen
worden. Enthalpiekenngrößen |ψ h | > 3 sind im Wesentlichen nur mit Durchflusskenngrö-
ßen von ϕ > 1 zu erreichen, wobei gleichzeitig kleinere Reaktionsgrade auch zu kleineren
ϕ-Werten beitragen. Abbildung 8.72 zeigt, dass nur Formfaktoren σM wirklich interes-
sant sind, die zwischen 0.4 . . . 0.85 oder knapp darüber liegen. Das hatte auch schon die
Abb. 8.70 gezeigt.
Im rechten Teil von Abb. 8.72 sind die Strömungsumlenkungen des Laufrades
β = β2 –β1 und die des Leitrades α = α0 –α1 mittels der Gln. (8.125) bis (8.128) be-
rechnet worden. Die Beschleunigungsverhältnisse v2 /v1 und c1 /c0 für das Lauf- und Leitrad
wurden mittels der Gln. (8.129) bis (8.132) ermittelt. Die erforderlichen Strömungsumlen-
kungen β und α in Leit- und Laufrad fallen bei größeren Leistungen, d. h. bei großen
Beträgen von |ψ h | entsprechend groß aus. Für Reaktionsgrade unter 50 % (ρh < 0.5) ist
die Strömungsumlenkung im Laufrad stets größer als die im Leitrad. Bei ρh = 0.5 sind die
Strömungsumlenkungen in Lauf- und Leitrad identisch, wobei die Beschleunigungsver-
hältnisse nirgends größer als 2.5 werden. Im Bereich ψ h = −1 . . . −2 treten die größten
Beschleunigungsverhältnisse auf. Für Reaktionsgrade unter 50 % (ρh < 0.5) ist die Strö-
mungsbeschleunigung im Leitrad stets deutlich größer als die im Laufrad. Bei ρh = 0.5 sind
die Beschleunigungsverhältnisse in Lauf- und Leitrad identisch. Bei ρh = 0 sind entspre-
chend Kap. 8.2.5.1 die relativen Geschwindigkeiten an Laufradein- und Laufradaustritt
gleich groß, v1 = v2 , was nun dazu führt, dass in Abb. 8.72 der Kurvenverlauf für das
Laufrad bei v2 /v1 = 1 horizontal verläuft und somit exakt mit der Abszisse zusammenfällt.
808 8 Thermische Turbomaschinen
Aus Abb. 8.73 ergeben sich nun noch die folgenden geometrischen Zusammenhänge:
Aus diesem Ausdruck hat Zweifel (1945) einen Kraftbeiwert CU gebildet, so wie es auch
beim Auftriebs- und/oder Widerstandsbeiwert üblich ist, indem er die Umfangskraft Fu
26
Bei großer Teilung kann die Strömung der Schaufelkontur – gerade bei großer Umlenkung – nicht
vollständig folgen, sodass es im hinteren Schaufelbereich zu Strömungsablösungen kommt, die zu
Minderumlenkungen führen, vgl. hierzu auch die Ausführungen im Kap. 8.2.5.2 (Vergleich zwischen
Aktions- und Reaktionsturbine).
27
Nach Abb. 8.39 verkleinert sich bei geringerer Teilung t der Bereich auf der Schaufelsaugseite, der
für Stoß-Grenzschicht-Wechselwirkungen relevant werden kann.
8.2 Axialmaschinen 809
niedriger r
Druck ax
p2
(s)
ρ2 2
⋅ v2
2 (d) u
ρ1 2 p1
⋅ v1
2
pt1=pt2
d)
höherer
(
v2
te
Druck
ei
ks t
Druc −v2u
s)
e(
eit
gs
β1 u
Sa
+v1u
v1 β2 +v2m=v1m=vm
−Fu
br
+v1m
bax
Abb. 8.73 Druckverteilung längs der Saug- und Druckseite eines Turbinenprofils zur Ableitung des
Zweifel-Kriteriums
auf den dynamischen Druck q2 = ρ2 · v22 /2 am Schaufelaustritt und auf die projizierte
Schaufelfläche Au = br · bax in Umfangsrichtung bezogen hat. Für Laufräder ergibt sich
damit:
Fu t
CU := =2· · sin2 β2 · [ cot β1 − cot β2 ] = 0.8 ... 0.9 ... 1.2 (8.186)
q2 · A u bax
Für Leiträder ergibt sich analog:
Fu t
CU := =2· · sin2 α1 · [ cot α1 − cot α0 ] = 0.8 ... 0.9 ... 1.2 (8.187)
q1 · A u bax
Durch eine Vielzahl von Experimenten an Turbinengittern fand Zweifel heraus, dass
ein Zahlenwert von CU = 0.8 zu den gewünschten optimalen Teilungsverhältnissen
t/s führt. Dieses trifft speziell für Abströmwinkel von etwa β2 = 150◦ . . . 160◦ bzw.
α1 = 20◦ . . . 30◦ zu. Ein Kraftbeiwert zwischen CU = 0.9 . . . 1.2 deckt einen weiten Bereich
von heute existierenden Turbinengeometrien ab, Wilson und Korakianitis (1998). Auf
jeden Fall ist das Zweifel-Kriterium immer ein guter Ansatz zur Ermittlung eines ersten
Wertes für das Teilungsverhältnis t/s einer Turbinenbeschaufelung.
Nach Abb. 8.29 kann in guter Näherung für Laufräder bax = s · sin βS bzw. für
Leiträder bax = s · sin αS gesetzt werden, wenn βS bzw. αS die Staffelungswinkel von
Laufrad- bzw. Leitradgittern sind. Damit können die Teilungsverhältnisse (t/s) bzw. (t/s)
von Turbinengittern aus den folgenden Gleichungen berechnet werden:
t C sin βS
= U · (8.188)
s 2 sin2 β2 · (cot β1 − cot β2 )
810 8 Thermische Turbomaschinen
Leitrad-Staffelungswinkel αS
Laufrad-Staffelungswinkel βS 170° Abströmwinkel 10°
α1 β 2
10° 170°
150° 20° 160° 30°
30° 150°
40° 140°
130° 50°
110° 70°
90° 90°
Laufrad 130° 110° 90° 70° 50° 30° Zuströmwinkel β1
Leitrad 50° 70° 90° 110° 130° 150° Zuströmwinkel α0
t C sin αS
= U · (8.189)
s 2 sin2 α1 · (cot α0 − cot α1 )
Flugzeugturbinen weisen i. Allg. Teilungsverhältnisse auf, die kleiner als eins sind. Übliche
Werte liegen zwischen 0.5 . . . 0.9.
Zur Auswertung der Gln. (8.188) und (8.189) ist es erforderlich, die Staffelungswinkel
βS und/oder αS zu kennen. Hierzu gibt Abb. 8.74 Anhaltswerte, mit denen, bei gegebenen
Zu- und Abströmwinkeln, ein möglicher Staffelungswinkel für Leit- und Laufräder ab-
gelesen werden kann. Durch den Staffelungswinkel wird die Überdeckung der Schaufeln
im hinteren Profilbereich maßgeblich beeinflusst, was einen erheblichen Einfluss auf Lei-
stungsfähigkeit einer Beschaufelung hat. Welcher Staffelungswinkel für ein Turbinengitter
schließlich tatsächlich der beste ist, wird i. Allg. durch systematische Variation von βS bzw.
αS in Rechenverfahren und/oder Experimenten ermittelt. Weitergehende Informationen
auf der Basis numerischer Methoden sind bei Korakianitis (1993) zu finden. Zusätzliche
Anhaltspunkte in Abhängigkeit der Grenzschichtentwicklungen gibt Hoheisel et al. (1987)
an.
Zu Berechnungszwecken für einfache Turbinennormalstufen mit Repetierbedingung
ist in Abb. 8.74 eine vergleichsweise einfache Korrelation für die Staffelungswinkel von
Lauf- und Leitradgittern abgeleitet worden, die im Folgenden angegeben ist und deren
Basis zwei miteinander gekoppelte Polynome zweiten Grades sind. Basis der Gleichungen
sind entsprechende Kurvenverläufe, die bei Kacker und Okapuu (1982) in Diagrammform
8.2 Axialmaschinen 811
1.0
Leitrad mit α1 = 25° und CU′ = 0.9
t
Laufrad mit CU′′ = 0.9
s
0.8
ρh = 0.00
ρh = 0.25
ρh = 0.50
0.6
ρh = 0.25
ρh = 0.00
0.4
−1.0 −2.0 −3.0 ψh −4.0
Abb. 8.75 Berechnete optimale Teilungsverhältnisse t/s zu der elementaren Parameteranalyse nach
Abb. 8.72 für eine einfache zweidimensionale Turbinennormalstufe mit Repetierbedingung. Die
Kurvenverläufe entsprechen den Gln. (8.188), (8.189), (8.190) und (8.191). Für ρh = 0.5 liegen die
Kurven für Lauf- und Leitrad unmittelbar übereinander
Werden die Gln. (8.190) und (8.191) mit den Gln. (8.188) und (8.189) kombiniert, so kön-
nen die Teilungsverhältnisse t/s auf der Basis der in Abb. 8.74 angegebenen Kurvenverläufe
berechnet werden. Abbildung 8.75 zeigt solchermaßen berechnete Teilungsverhältnisse t/s.
Für den für Turbinen typischen Bereich an Reaktionsgraden zwischen ρh = 0 . . . 0.5 lie-
gen die Teilungsverhältnisse im turbinenüblichen Bereich von t/s = 0.45 . . . 0.9. Bei reinen
Aktionsturbinen mit ρh = 0.0 ist das Laufrad mit t/s ≈ 0.45 sehr eng geteilt, während das
zugehörige Leitrad in etwa eine doppelt so große Teilung aufweist. Für Reaktionsgrade
812 8 Thermische Turbomaschinen
ten Totaldruckverlustes
Teilungsverhältnis t/s
Abb. 8.76 Prinzipdarstellung zur Änderung des Betrages und der Art des Totaldruckverlustes eines
Turbinengitters in Abhängigkeit der Gitterteilung
unter 50 % (ρh < 0.5) ist die Teilung des Leitrades stets größer als die des Laufrades. Im
Falle der symmetrischen Geschwindigkeitsdreiecke bei ρh = 0.5 sind die Teilungsverhält-
nisse von Leit- und Laufrad jeweils identisch und liegen etwa zwischen 0.7 . . . 0.8. Für
ρh > 0.0 ergeben sich bei kleinen Stufenbelastungen |ψ h | größere Teilungsverhältnisse
als bei größeren Belastungen. Für ρh = 0 existiert der größte Unterschied bei den Tei-
lungsverhältnissen zwischen Leit- und Laufrad. Die zugehörige starke Umlenkung in den
Laufrädern verlangt eng beieinanderliegende Beschaufelungen, was dann zwangsläufig zu
kleinen Teilungsverhältnissen führt. Die Abb. 8.59 zeigte bereits, dass eng geteilte Aktions-
beschaufelungen gegenüber weiter geteilten Reaktionsbeschaufelungen den schlechteren
Wirkungsgrad haben. Die Abb. 8.76 verdeutlicht in diesem Zusammenhang nochmals die
Ursachen. Weitgeteilte Turbinengitter (großes t/s) haben erhöhte Verluste, da die Strö-
mung der stärker umlenkenden Profilkontur eines Turbinenprofils nicht folgen kann. Der
dominante Verlustmechanismus ist hier die Strömungsablösung im hinteren Profilbereich.
Ist ein Turbinengitter dagegen sehr eng geteilt (kleines t/s), so kann die Strömung zwar
stark umgelenkt werden, aber das muss mit vielen Profilen und damit mit einer Vielzahl von
umströmten Oberflächen erkauft werde, was schließlich zu verstärkten Reibungsverlusten
führt. Zwischen diesen beiden Extremen liegt ein Bereich an Teilungsverhältnissen, für
den die Verluste sich weitestgehend minimieren. Die durch die Gln. (8.188) und (8.189)
bestimmbaren Teilungsverhältnisse nach Zweifel stellen allgemeinhin solche optimalen
8.2 Axialmaschinen 813
ρh = 1
1.2 180° v2/v15
ρh = 1
ρh = 1
ρh = 1
ρh Δβ
1.0 Δα c1/c0
4
ρh = 1
σM
135°
σ M=
σM=0.4
σ M=
=0
0.8
0.5 3
0.5
.4
ρh = 1
0.6
0.6 90°
ρh = 0
0.6 0.5
σM=0.4
ρh = 0
2
0.4
45°
ρh = 0
0.2 1 0.6
ρh = 0
ρh = 0
ρh = 0
0.0 0° 0
0 −1 − 2 − 3 − 4 − 5 0 −1 −2 −3 −4 −5 0 −1 −2 −3 −4 −5
ψh ψh ψh
Abb. 8.77 Berechnete Resultate zu einer elementaren Parameteranalyse für eine einfache Turbi-
nennormalstufe mit Repetierbedingung
1.0
ρh=1.0
ρh=1.0
t Leitrad mit α1 = 25° und CU′ = 0.9
s Laufrad mit CU′′ = 0.9
0.8
ρh=0.0
ρh=0.0
ρh=0.0
0.6
σM = 0.5 σM = 0.4
0.4 σM = 0.6
0.2
0.0
0 −1 −2 −3 −4 ψh −5
Abb. 8.78 Berechnete Resultate zu einer elementaren Parameteranalyse nach Abb. 8.77 für eine
einfache Turbinennormalstufe mit Repetierbedingung
würde, nicht mehr dargestellt. Die Bereiche, in denen für die einzelnen Kurvenäste der
Reaktionsgrad ρh zwischen 0 . . . 0.5 liegt, sind dunkel schraffiert hinterlegt.
Hohe Leistungen, d. h. große Werte für |ψ h |, sind nur dann zu erwarten, wenn so-
wohl der Formfaktor σM als auch der Reaktionsgrad ρh klein sind. Die Umlenkungen und
Strömungsbeschleunigungen in Leit- und Laufrad fallen dann zwangsläufig groß aus. Dar-
über hinaus ist zu erkennen, dass Reaktionsgrade ρh > 0.5 im Laufrad theoretisch stets zu
erheblichen Strömungsbeschleunigungen und im Laufrad zu erheblichen Strömungsum-
lenkungen führen, die sich aber praktisch kaum realisieren lassen dürften und wenn, dann
nur mit erheblichen Verlusten bzw. sehr schlechten Wirkungsgraden.
In Kap. 8.2.5.2 war gezeigt worden, dass die Geschwindigkeitsdreiecke für ρh = 0.5
symmetrisch sind. Entsprechend zeigt auch Abb. 8.77, dass dann die Umlenkungen und
die Beschleunigungsverhältnisse von Leit- und Laufrad identisch sind, d. h., die jeweiligen
Kurven schneiden sich in diesen Fällen. Im Fall σM = 0.6 sind dabei die Umlenkungen
deutlich geringer als im Fall σM = 0.4.
Reine Aktionsturbinen mit ρh = 0 zeigen im Laufrad – wie zu erwarten – Beschleu-
nigungsverhältnisse von Eins, also keine Beschleunigung sondern nur Umlenkung. Die
zugehörigen Beschleunigungsverhältnisse im Leitrad liegen dann zwischen 2 . . . 2.5. Die
Abb. 8.78 zeigt die mit Gl. (8.188) und (8.189) berechnete Teilungsverhältnisse. Die Art der
Darstellung entspricht den Erklärungen bei Abb. 8.77. Im Bereich der typischen Reaktions-
grade ρh = 0 und ρh = 0.5 liegen die Teilungsverhältnisse für die ausgewählten σM -Werte
in dem für Turbinengitter durchaus üblichen Bereich von t/s = 0.4 . . . 0.8. Im Falle der
symmetrischen Geschwindigkeitsdreiecke bei ρh = 0.5 sind die Teilungsverhältnisse von
Leit- und Laufrad jeweils identisch. Für ρh = 0.5 ergeben sich bei kleinen Stufenbelastun-
gen |ψ h | größere Teilungsverhältnisse als bei größeren Belastungen. Für ρh = 0 existiert
der größte Unterschied bei den Teilungsverhältnissen zwischen Leit- und Laufrad. Die
8.3 Radialmaschinen 815
ichter
er Axialverd
3-stufig
2-stufige
Axialturbine
1-stufiger
Radialverdichter
Abb. 8.79 Laufräder einer Kleingasturbine mit Kombinationsverdichter, bestehend aus einem
3-stufigen Axialverdichter und einem abschließendem Radialverdichter, angetrieben von einer
2-stufigen Axialturbine. (Bild mit freundlicher Genehmigung der MTU Aero Engines)
8.3 Radialmaschinen
Drehrichtu
ng
Radialverdichter
zentrifugal durchströmt
Axialverdichter
Radialturbine
ung
gricht zentripetal durchströmt
Flu
Abb. 8.80 Läufer (Turbine und Verdichter auf einer gemeinsamen Welle) des Strahltriebwerks
Heinkel HeS 8A, das in der 2-strahligen He 280 installiert war und erstmals am 30. Mai 1941 flog
werden würden, vgl. Abb. 2.7. Letzteres würde sich besonders negativ auf den Wirkungs-
grad des Verdichters auswirken, Leyes und Fleming (1999). Kombinationsverdichter, wie
der in Abb. 8.79 dargestellte, kommen meist zum Einsatz, wenn die Massenströme zwi-
schen 5 und 20 kg/s liegen. Je höher dabei der Massenstrom ist, umso größer wird die
Anzahl der Axialverdichterstufen ausfallen, die dem Radialverdichter vorgeschaltet sind.
Abbildung 8.80 zeigt die Welle des historischen Strahltriebwerks Heinkel He S8A mit
einem Axialrad und einem anschließenden Radialverdichter, der zentrifugal durchströmt
ist, d. h. von innen nach außen mit axialer Zuströmung und radialer Abströmung. Im
hinteren Teil der Welle ist die Radialturbine zu erkennen, die zentripetal durchströmt ist,
d. h. von außen nach innen mit radialer Zuströmung und axialer Abströmung.
Im Vergleich zum Radialverdichter ist die Radialturbine in modernen Flugtriebwerken
nahezu unbekannt. Häufiger anzutreffen ist sie dagegen in Hilfstriebwerken (Auxiliary
Power Unit, APU), so wie sie z. B. Abb. 8.81 zeigt. Hierbei handelt es sich um die APU
GTCP36-280 der Firma AlliedSignal (später Garrett, heute Honeywell) für die Boeing
B737-300/400/500. APUs werden im Wesentlichen dazu genutzt, ein Flugzeug am Boden
mit elektrischer Energie mittels eines angeflanschten Generators zu versorgen und Druck-
luft für die Kabinenklimatisierung und das Anlassen der Haupttriebwerke zu liefern, vgl.
hierzu auch Kap. 2.2.1.
Die auffälligste Eigenschaft der Rotoren von Radialmaschinen ist, dass die Umfangsge-
schwindigkeiten am Ein- und Austritt aufgrund der unterschiedlichen Radien deutlich
voneinander verschieden sind. Hinsichtlich der Arbeitsumsetzung kommt somit dem
mittleren Term von Gl. (8.22), (u22 − u12 )/2, der die Wirkung des Zentrifugalfeldes auf
die Strömung beschreibt, eine wesentliche Bedeutung zu. In Kap. 8.1.8.4 (oberhalb von
Beispiel 8.1) war gezeigt worden, dass dabei ein Verdichter die Eigenschaft u2 > u1 ha-
8.3 Radialmaschinen 817
Radial- Radialverdichter
verdichter Brenn-
Lufteinlass kammer
Radialturbine
gemeinsame
Welle
verstell- und regel-
bare Leitschaufeln
Druckluft zum Flugzeug
Abb. 8.81 Auxiliary Power Unit (APU). Das Hilfstriebwerk GTCP36-280 von AlliedSignal-Garrett
(heute Honeywell) für Boeing B737. (Bild mit freundlicher Genehmigung der Firma Honeywell)
ben sollte, was einer zentrifugalen Durchströmung entspricht. Bei einer Turbine sollte es
dagegen genau umgekehrt sein, d. h., sie sollte zentripetal mit u2 < u1 durchströmt werden.
8.3.1 Radialverdichterstufen
Abbildung 8.82 zeigt den generellen Aufbau einer Radialverdichterstufe. Wie schon beim
Axialverdichter, so beginnt auch die Radialverdichterstufe mit einem Laufrad, welches
auch als Impeller28 bezeichnet wird. Diesem schließt sich ein Leitrad an, das oft auch nur
Diffusor genannt wird. Am Austritt des Impellers liegt eine sehr große Absolutgeschwin-
digkeit c2 vor, die im Leitrad (Diffusor) durch Verzögerung in statische Druckerhöhung
gewandelt wird.
Zwischen den beiden Eintrittsradien r1N und r1G , die den Ringraum zwischen Nabe
und Gehäuse beschreiben (Impeller Eye), tritt die Strömung in der Bezugsebene 1 in
den Impeller ein. Die Eintrittskanten der Beschaufelung sind gebogen (Inducer Section)
und so der Zuströmrichtung der Relativströmung v1 angepasst, die sich aus der absoluten
axialen Anströmung c1 und der Umfangsgeschwindigkeit u1 entsprechend der Galilei-
Transformation am Impellereintritt ergibt. Ebenso wie beim Axialverdichter (Abb. 8.27)
so treten auch beim Radialverdichter die größten Relativgeschwindigkeiten am Eintritt in
die Beschaufelung auf. Von daher ist der Auslegung des Inducers insoweit eine besondere
28
Impeller = angetriebenes Rad mit einer Beschaufelung, durch das ein Fluid zur Druckerhöhung
hindurch gedrückt bzw. getrieben wird (engl.: to impel = treiben, zwingen, nötigen). Nicht zu ver-
wechseln mit Propeller (engl.: to propel = vorwärtstreiben), der eine Axialkraft für den Vortrieb
erzeugt.
818 8 Thermische Turbomaschinen
Spiralgehäuse Diffusor
(Collector Scroll) (Leitrad)
Rotorbe-
schaufelung 3
2
1
b2
b1 r2
r1G
r1 Nabe
r1N 3 2 1 1 23
Welle
gebogene Eintrittsenden
(Inducer) Impeller-
schaufeln
Impeller
am Radius r2 nahezu radial. Der Strömungskanal hat an dieser Stelle die Höhe b2 . Um die
fliehkraftbedingten Materialspannungen in den Rotorschaufeln gering zu halten, sind diese
im Bereich der Austrittsebene 2 häufig exakt radial ausgerichtet, was aber andererseits
– wie noch gezeigt werden wird – zu einer erheblichen aerodynamischen Belastung des
nachfolgenden Diffusors mit ebenso erheblichen Nachteilen beim Wirkungsgrad führt.
Die Abb. 8.83 zeigt die Geschwindigkeitsdreiecke in der Ein- und Austrittsebene eines
Impellers mit radial endenden Schaufeln, wobei der untere Bildteil die gebräuchliche Art
der Darstellung der Geschwindigkeitsdreiecke wiedergibt, zusammen mit einer verein-
fachten Darstellungsform der Beschaufelung. Aus dem darüber liegenden Bild, mit einer
vollständigeren Form der Schaufeldarstellung, lässt sich die vereinfachte Form relativ leicht
ableiten. Der rechte Bildteil zeigt, wie man sich das Zuströmdreieck vorstellen muss, das
in der vereinfachten Darstellungsform (unterer Bildteil) um 90◦ gekippt dargestellt ist. Die
absolute Anströmung c1 erfolgt axial, die relative Schaufelzuströmung v1 tangential zur
gebogenen Eintrittskante (Inducer). In der vereinfachten Darstellungsform wird c1 radial
gerichtet angetragen, was in der um 90◦ gekippten Darstellung der axialen Zuströmung
8.3 Radialmaschinen 819
b2
Dre
Wink h
v2 elg rich
es Dreh-
c
tu
richtung
ng
c2
hw
v1
ind
u2
igke
c1 u1
r1 v1
r1G u1
it ω
r2 r1N
c1
voreilende Seite
axiale
nacheilende Seite
Zuströmung
ω
v2
Sa
Dr
ug
uc
kse eite
s
ite
ω
c2
v1
u2 c1
u1
r1
r2
Abb. 8.83 Geschwindigkeitsdreiecke in der Zu- und Abströmung des Impellers eines Radialver-
dichters mit radial endenden Schaufeln
D
Sa
ru
ck
ug
se
se
ite
ite
ω
ω
Abb. 8.84 Impeller eines Radialverdichters mit rückwärts gekrümmten Schaufeln; rechts Impeller
mit 10 Schaufeln und weiteren 10 dazwischen liegenden und nach hinten versetzten Schaufeln, den
so genannten Splitter Blades
820 8 Thermische Turbomaschinen
und der Austrittsebene 2 hat die Form eines Diffusors. Innerhalb eines Schaufelkanals ist
die Saugseite der Beschaufelung diejenige, die der Drehrichtung voreilt, d. h. die, auf die
der Pfeil der Winkelgeschwindigkeit zeigt, wenn er innerhalb eines einzigen Schaufelkanals
angetragen wird. In Abb. 8.83 ist dies der konvexe Teil der Beschaufelung. Die Druckseite
verläuft längs des konkaven Teils. Bei rückwärts gekrümmten Schaufeln (Abb. 8.84) be-
finden sich die Saugseiten auf den konkaven und die Druckseite auf den konvexen Teilen
der Beschaufelung. Etwas weiter unten wird im Zusammenhang mit dem so genannten
Kanalwirbel noch einmal auf diese Gegebenheiten eingegangen werden.
Die in Abb. 8.83 dargestellten radial endenden Schaufeln werden gewählt, um die
Materialbelastung der Beschaufelung infolge der großen, an den äußeren Schaufelenden
wirkenden Fliehkräfte, konstruktiv bewältigen zu können. Moderne Konstruktionsverfah-
ren und -methoden, im Zusammenspiel mit fortschrittlichen Materialien, erlauben es aber
inzwischen, auch hoch fliehkraftbelastete, d. h. schnell drehende Impeller mit rückwärts
gekrümmten Schaufeln zu entwickeln, Calvert und Swinhoe (1977) oder Šafr et al. (1996).
Abbildung 8.84 zeigt eine solche Beschaufelung. Am Austritt des Impellers ist das zuge-
hörige Geschwindigkeitsdreieck eingezeichnet, zusammen mit dem, das sich bei radial
endenden Schaufeln einstellen würde. Durch einen Vergleich der beiden Geschwindig-
keitsdreiecke werden die zwei wesentlichen Vorteile von rückwärts gekrümmten Schaufeln
(Backswept Vanes) deutlich:
• v2 wird bei rückwärts gekrümmten Schaufeln größer und damit das relative Verzö-
gerungsverhältnis v2 /v1 (Diffusion) des gesamten Schaufelkanals. D. h., die Relativge-
schwindigkeit wird gemäßigter von v1 auf v2 verzögert. Diese verbesserte Diffusion führt
zu einer geringeren Neigung der Strömung von den Wandungen der Schaufelpassage
abzulösen und damit schließlich zu einem verbesserten Wirkungsgrad.
• c2 wird bei rückwärts gekrümmten Schaufeln kleiner und damit muss im nachfol-
genden Leitrad (Diffusor) weniger kinetische Energie in statischen Druck gewandelt
werden. Bei sehr hohen Umfangsgeschwindigkeiten u2 kann dadurch c2 meist deutlich
im Unterschall gehalten werden. Dieses alles trägt schließlich zu einem verbesserten
Wirkungsgrad bei. Die Geschwindigkeitsdreiecke in Abb. 8.84 zeigen, dass bei radial
endenden Schaufeln generell c2 > u2 gilt. Insbesondere bei kleinen, sehr schnell dre-
henden Impellern, kann u2 durchaus Werte von 550 m/s annehmen und liegt dadurch
8.3 Radialmaschinen 821
eite
cks
radialer
Schaufelkanal −Δvr
Dru
fel
v(su)
hau
v sr
Sc
vm
Fluid- su
teilchen eite −ω
el s
auf aug +Δvr
Sch ω S
ω su ω
Der Winkel β der Rückwärtskrümmung sollte im Bereich von 30 . . . 45◦ liegen. Auf den
ersten Blick scheint der Nachteil der rückwärts gekrümmten Schaufeln darin zu liegen,
dass c2u gegenüber den radial endenden Schaufeln kleiner ausfällt und damit auch die
spezifische Arbeit, wV = u2 · c2u − u1 · c1u , und damit schließlich auch die erreichbare
Druckerhöhung. Diesem Nachteil wirkt aber zum einen der verbesserte Wirkungsgrad
entgegen und zum andern der höhere Massendurchsatz, der Folge der geringeren Strö-
mungsablösung im Schaufelkanal ist. Dieses beides zusammen macht die c2u -Verringerung
(Minderleistung) im Allgemeinen mehr als wett, sodass rückwärtsgekrümmte Schaufeln
heute eher die Regel sind, im Vergleich zu radial endenden Schaufeln.
Auch ohne tiefere Kenntnis der Ableitung dieser Gleichung ist leicht zu erkennen, dass
längs eines Weges su in Umfangsrichtung (in Drehrichtung ω) die Relativgeschwindig-
keit v innerhalb der Schaufelpassage – von einer Schaufel zur anderen hin – um den Betrag
v = 2 · ω zunimmt. Der mittlere Teil von Abb. 8.87 zeigt dementsprechend, wie die
Verteilung der Relativgeschwindigkeit v(su ) innerhalb des Schaufelkanals in Umfangsrich-
tung in etwa aussehen müsste. Die niedrigsten lokalen Relativgeschwindigkeiten und damit
die höchsten statischen Drücke werden an der hinter der Drehrichtung zurückbleibenden
Schaufelseite erreicht, die deswegen auch als Druckseite bezeichnet wird. Bei gekrümm-
ten Impeller-Schaufeln ist dies immer die konvexe30 Schaufelseite. Die andere Seite der
Schaufel hat folglich die höheren lokalen Relativgeschwindigkeiten und damit die nied-
rigeren statischen Drücke, sodass diese Schaufelseite deswegen dann auch als Saugseite
bezeichnet wird. Bei gekrümmten Impeller-Schaufeln ist dies immer die konkave Schau-
felseite. Diese Änderung der Relativgeschwindigkeit in Umfangsrichtung kann man sich
modellmäßig auch so vorstellen, dass einer konstanten Basisgeschwindigkeit vm in Radi-
alrichtung ein im Schaufelkanal entgegen der Winkelgeschwindigkeit ω drehender Wirbel
überlagert wird, Abb. 8.85 rechts. Die eindimensionale Theorie der Strömungsmaschi-
nen liefert immer eine gleichförmige Geschwindigkeitsverteilung in den Schaufelkanälen.
Die wirkliche Geschwindigkeitsverteilung ist aber im vorliegenden Fall ganz offensichtlich
ungleichförmig. Um dieses zu erfassen, soll die Durchströmung im Schaufelkanal in ei-
ner Modellvorstellung deswegen nun als eine Überlagerung einer Verdrängungsströmung
(gedachte Wirbelbewegung im Strömungskanal) und einer Durchflussströmung vm mit
gleichförmiger Geschwindigkeitsverteilung angesehen werden. Längs der Saugseite addie-
ren sich die radiale Grundgeschwindigkeit vm und die lokale Wirbelgeschwindigkeit vr
zu einer insgesamt höheren Relativgeschwindigkeit auf, wogegen sie sich analog dazu an
der Druckseite subtrahieren. Damit im Schaufelkanal – zwischen Saug- und Druckseite –
insgesamt die Beziehung v ≈ 2·ω· su gelten kann, muss der im Schaufelkanal drehende
Wirbel die Winkelgeschwindigkeit –ω haben, d. h., er muss entgegen der Drehrichtung des
Impellers rotieren31 . Dieser gedachte Wirbel wird als relativer Kanalwirbel bezeichnet.
Analog zu der schon genannten Wirbelgeschwindigkeitskomponente vr existiert am
Austrittskreis r2 des Impellers – infolge der Modellvorstellung eines relativen Kanalwirbels
30
Für diejenigen, die Schwierigkeiten damit haben, sich zu merken, was die konvexe und was die
konkave Krümmung ist, hier eine kleine aber hilfreiche Eselsbrücke, die bei meinen Studenten immer
hilft und unvergesslich ist: „in konkav ist gut schlaf“.
31
Nimmt man an, dass ein reibungsfreies Fluid in wirbelfreier Bewegung – also als Potenzialströ-
mung – einem rotierenden Impeller zuströmt, so ist auch die Absolutströmung im Impeller eine
Potenzialströmung. Dieses trifft aber nicht für die Relativströmung im Impeller zu. Denn wird die
Strömung von einem mit der Winkelgeschwindigkeit ω mitrotierenden Koordinatensystem aus be-
trachtet, so hat jedes Fluidteilchen gegenüber diesem Koordinatensystem die Winkelgeschwindigkeit
− ω und damit Rotation. Strömungen mit Rotation sind aber keine Potenzialströmungen. Wollte
man also die Strömung in einem Impeller potenzialtheoretisch behandeln, so müsste dazu immer die
Absolutströmung herangezogen werden und nicht die Relativströmung, so wie man es gewöhnlich
in axial durchströmten Laufrädern macht.
8.3 Radialmaschinen 823
v2th
vu
−Δ
v2
uth
c2
c2th rk
k
2r
c2 rk relativer
k=
Kanalwirbel
u
c2
u2
r2 r1
Abb. 8.86 Prinzipskizze zur so genannten Minderleistung bzw. zum so genannten Minderlei-
stungsfaktor (Slip Factor) in einem reibungsfrei durchströmten Radialverdichter-Impeller mit radial
endenden Schaufeln
β2−β2s
180°−β2s
β2s
v2th
r ≈180°−β2
ax t2
−v2u k
u β2
c2uth v2th
−Δvu −v2uth v2 ≈180°−β2
c2u
c2 c2th c2r
v2th
c2r v2
β2 r
180°−β2s β2s
α2 u2 −u ω
ax
k
vu = − · ω < 0 (8.194)
2
Die Breite der Schaufelpassage im Bereich des Impeller-Austritts ist k. Die Teilung t2 am
Austritt berechnet sich aus dem äußeren Umfang des Impellers 2 · r2 · π, dividiert durch
die Anzahl iS der Schaufeln. Damit ergibt sich aus der Geometrie am Austritt des Impellers,
wenn β2 der dortige Strömungswinkel ist, Abb. 8.87:
k iS · k
sin (180◦ − β2 ) = sin β2 = = (8.195)
t2 2 · π · r2
Das Umstellen dieses Ausdrucks nach der Kanalhöhe k ergibt dann den nachfolgenden
Ausdruck:
2 · π · r2
k= · sin β2 (8.196)
iS
Durch die Kombination der Gl. (8.194) und (8.196) ergibt sich dann die folgende
Beziehung:
2 · π · r2 · ω π
vu = − · sin β2 = − · u2 · sin β2 < 0 (8.197)
2 · iS iS
8.3 Radialmaschinen 825
$ $ $ $
Die Gl. (8.197) wird in Gl. (8.193) mit c2u = u2 − | vu | − $v2uth $ und c2uth = u2 − $v2uth $
eingesetzt:
$ $
c2u u2 − $v2uth $ − | vu | | vu | π u · sin β
ε= = $ $ =1− $ $ = 1 − · 2 $ 2$ (8.198)
c2uth u2 − $v2u $ th
u2 − $v2u $ th
iS u2 − $v2u $ th
Aus der Geometrie der Geschwindigkeitsdreiecke in Abb. 8.87 kann nun abgelesen werden:
c2r 1
tan (180◦ − β2S ) = = − tan β2S = − (8.199)
−v2uth cot β2S
Hierin ist β2S der Schaufelwinkel am Impelleraustritt. Mit der Gl. (8.104) für die
Durchflusskenngröße ϕ2 = c2r /u2 , hier definiert am Impelleraustritt ,
2 wird dann daraus:
1 π sin β2
cot β2S = · 1− · (8.203)
ϕ2 iS 1 − ε
Mit sin β2 = sin β2S wird Gl. (8.202) auch als Minderleistungsfaktor nach Stodola32
bezeichnet, Dixon (1998). Aus Gl. (8.200) ergibt sich:
$ $
$v2u $ = −c2r · cot β2S > 0 (8.204)
th
Aus diesen letzten beiden Gleichungen ergibt sich durch Kombination der Ausdruck:
$ $ $ $
| vu | = $v2uth $ + | vu | − $v2uth $ = −c2r · cot β2 − (−c2r · cot β2S )
32
Prof. Dr.phil. Dr.-Ing. Aurel Stodola (*11.5.1859 †25.12.1942) war Ordinarius für Dampf- und
Gasturbinen an der ETH-Zürich. Er zählt auf diesem Fachgebiet noch heute zu der bedeutendsten
Persönlichkeit. Siehe auch im Literaturverzeichnis: Stodola (1922).
826 8 Thermische Turbomaschinen
aus dem zusammen mit Gl. (8.197) die folgende Beziehung entsteht:
π
| vu | = · u2 · sin β2
iS
| vu | π sin β2
cot β2S = cot β2 + = cot β2 + · (8.207)
c2r iS ϕ2
Für kleine ϕ2 ≈ 0.1. . . 0.2 wird ε ganz eindeutig mit größer werdendem β2 besser und für
große ϕ2 ≈ 0.4 . . . 0.5 ganz eindeutig schlechter. Im Fall um ϕ2 ≈ 0.3 herum verschlechtern
kleine β2 -Werte den Minderleistungsfaktor ε etwas, wogegen große β2 -Werte ihn leicht
verbessern, oder anders und besser ausgedrückt, um ϕ2 ≈ 0.3 herum hat β2 nach der obigen
Gleichung kaum Einfluss auf den Minderleistungsfaktor ε.
Zu Beschreibung des Minderleistungsfaktors ε wird häufig auch die so genannte Kor-
relation nach Wiesner (1967) verwendet, die auf einem Vergleich von verschiedenen
theoretischen Methoden zur Bestimmung von ε mit experimentellen Daten beruht:
√
1 sin β2S
εW = 1 − 0.7 · (Korrelation nach Wiesner) (8.209)
iS 1 + ϕ2 · cot β2S
Eine gewisse Ähnlichkeit dieses Ausdrucks mit der Gl. (8.202) ist unverkennbar. Für
Impeller mit radial endende Schaufeln wird β2S = 90◦ und damit cot β2S = 0. Gleichung
(8.202) vereinfacht sich damit zu:
π
ε = 1 − · sin β2 (radial endende Schaufeln) (8.210)
iS
Für β2 ≈ 140◦ wird der Ausdruck π · sinβ2 ≈ 2. Aus Gl. (8.210) wird dann:
ε ≈ 1 − (2/iS ) (radial endende Schaufeln) (8.211)
Dieses Ergebnis ist in sehr guter Übereinstimmung mit der so genannten Stanitz-Form
des Minderleistungsfaktors: ε = 1 − (1.98/iS ), Stanitz (1952). Die Kombination der Gln.
(8.207) und (8.210) ergibt nun des Weiteren:
π
ϕ2 · cot β2 = − · sin β2
iS
8.3 Radialmaschinen 827
Bei radial endenden Schaufeln besteht also zwischen der Schaufelanzahl iS und der Durch-
flusskenngröße ϕ2 der folgende einfache Zusammenhang, der sich ergibt, wenn Gl. (8.210)
gleichgesetzt wird mit der Gl. (8.212):
π sin2 β2 π
iS = − · = − · sin β2 · tan β2 (radial endende Schaufeln) (8.213)
ϕ2 cos β2 ϕ2
Die Korrelation nach Wiesner (8.209) bekommt im Fall radial endender Schaufeln die
einfache Form εW = 1 − iS−0.7 . Das Gleichsetzen dieses Ausdrucks mit der Gl. (8.210) führt
auf den Ausdruck:
0.3
i
β2 = 180◦ − arcsin S (radial endende Schaufeln) (8.214)
π
Für gängige Schaufelzahlen zwischen iS = 10 . . . 20 ist gemäß dieser Gleichung zu erwar-
ten, dass der Strömungswinkel β2 bei Impellern mit radial endenden Schaufeln zwischen
141◦ und 128◦ variiert. Bildet man daraus einen mittleren Abströmwinkel, so ergibt sich
β2 ≈ 135◦ . Dieses ist in soweit interessant, weil in diesem Fall cot β2 = −1 wird. Für Gl.
(8.212) heißt das:
Diese einfache und sehr grobe Beziehung zeigt aber bereits, dass der Minderleistungsfaktor
mit steigendem Durchfluss immer schlechter wird, und macht klar, warum nach Abb. 8.71
die Durchflusskenngrößen ϕ2 von Radialverdichtern auf Werte zwischen 0.1 und 0.45
beschränkt sind. Größere Durchflusswerte setzen die Minderleistung, die ja nichts mit
Reibungseffekten zu tun hat, bereits so hoch, dass mit zusätzlichen Reibungsverlusten ein
ineffektiver Verdichter zu erwarten ist.
Um die reibungslosen Minderleistungsverluste in Grenzen zu halten, wird der Min-
derleistungsfaktor ε im Vorhinein zwischen 0.8 und 0.9 gewählt. Abbildung 8.88, in
dem die Gln. (8.212) und (8.213) ausgewertet wurden, zeigt, dass mit dieser Wahl von
ε die Schaufelanzahl in Abhängigkeit von ϕ2 zwischen iS ≈ 10 . . . 30 Schaufeln liegen
sollte, wobei die Durchflusskenngröße ϕ2 zwischen 0.10 . . . 0.45 gewählt wurde. Kleine
Durchflusskenngrößen führen auch zu kleineren Schaufelanzahlen. Zusätzlich wurden die
Ergebnisse der Wiesner-Korrelation mit eingetragen. Für radial endende Schaufeln wird
daraus iS = [1/(1–ε)]1/0.7 .
Für Impeller mit rückwärts gekrümmten Schaufeln kann die Schaufelanzahl mit der Gl.
(8.208) berechnet werden:
ε π · sin β2
iS = · (8.216)
1 − ε 1 + ϕ2 · cot β2
Abbildung 8.89 zeigt die Auswertung dieser Gleichung, indem iS über dem Schaufelwin-
kel β2S aufgetragen wurde. Die Umrechnung zwischen β2 und β2S erfolgt dabei mit Gl.
828 8 Thermische Turbomaschinen
W
ϕ2
Bereich
ie
=
,
Schau in dem die
sn
er
ko 0.4
0.
20.0 5 fe
wählt w lanzahl ge- ϕ rre
4
erden 2= lat
sollte 0. ion
W 1
ies 0
10.0 ne 0.2
rko
rrel
ation
0.0 0.0
90° 100° 110° 120° 130° 140° 150° 160°
Abströmwinkel β2
.8
10 ε = 0.8 10 ε = 0.8 10 ε=0
0 0 0
90° 110° 130° 150° 90° 110° 130° 150° 90° 110° 130° 150°
β2s β2s β2s
Korrelation nach Wiesner
Bereiche, in dem die
Schaufelanzahl ge-
wählt werden sollte
(8.207). Über dem jeweiligen Diagramm in Abb. 8.89 sind die gerundeten Anfangs- und
Endwerte der sich dabei ergebenden Strömungswinkel β2 mit eingetragen worden. Die
drei Diagramme unterscheiden sich hinsichtlich der Durchflusskenngröße ϕ2 . Zwischen
8.3 Radialmaschinen 829
den jeweiligen Grenzen, die sich durch die Vorgabe ε = 0.8 und ε = 0.9 ergeben, liegen
die üblicherweise wählbaren Schaufelanzahlen. Für Werte ε > 0.9 würde die Schaufelan-
zahl iS deutlich zunehmen und die endlichen Schaufeldicken der Einzelschaufeln in der
Summe eine relativ große Versperrung am Verdichtereintritt für die Strömung darstellen.
Deswegen werden praktisch kaum größere Minderleistungsfaktoren als ε = 0.9 angestrebt.
Wie schon Abb. 8.88, so zeigt auch Abb. 8.89, dass sinnvolle Schaufelanzahlen zwischen
iS ≈ 10 . . . 30 liegen sollten.
Die in den Abb. 8.88 und 8.89 jeweils mit eingetragene Wiesner-Korrelation ist in guter
Übereinstimmung mit den rein theoretischen Ergebnissen entsprechend der Gln. (8.208)
und (8.207).
Wie beim Axialverdichter, so nimmt auch beim Radialverdichter der Druckanstieg (in
begrenzter Größenordnung) mit zunehmender Anzahl von Schaufeln (kleiner werdendes
Teilungsverhältnis) zu, sodass eine möglichst hohe Impeller-Schaufelanzahl auf den ersten
Blick ein erstrebenswertes Ziel zu sein scheint. Andererseits nehmen aber in einem solchen
Fall auch die Verluste zu bzw. der Wirkungsgrad ab – und das sehr rapide. Aus diesen
physikalischen Gegebenheiten, die hier bisher für den Radialverdichter noch nicht mit
betrachtet wurden, ergibt sich eine weitere praktische obere Grenze für die Schaufelanzahl
iS , die nicht überschritten werden sollte.
Beispiel 8.6
Der Impeller des Turboladers des Sechszylindermotors Lycoming TIO-540-AH1A,
der der Antrieb der Piper 6XT (Saratoga II mit festem Fahrwerk) ist, soll be-
rechnet werden. Der Impeller hat iS = 8 Schaufeln, die um β2S = 135◦ rückwärts
gekrümmt sind. Der Massenstrom beträgt ṁ = 0.15 kg/s und die Durchflusskenngröße
ist ϕ2 = 0.15. Der Außenradius des Impellers ist r2 = 0.03 m und seine Drehzahl be-
trägt n = 120 000 min−1 . Die Totaltemperatur im Impeller-Auge beträgt Tt1 = 300 K
und der polytrope Wirkungsgrad der Stufe ηRV = 0.8. Das Fluid ist Luft mit κ = 1.4,
Ri = 287 Nm/(kg·K), cp = 1 004.5 Nm/(kg·K). Es sind der Abströmwinkel β2 aus dem
Impeller, der Minderleistungsfaktor ε, der Minderleistungsfaktor εW nach Wiesner, die
Umfangsgeschwindigkeit u2 und das Druckverhältnis πRV zu berechnen.
β2 muss iterativ bestimmt werden. Dazu wird von Gl. (8.208) ausgegangen, in die als
Startwert β2X = β2S = 135◦ eingesetzt wird
1
ε =1− (##)
iS 1 + ϕ2 · cot β2 X
1+ ·
π sin β2 X
ε = 0.7538, 0.7845, 0.7962, 0.8004, 0.8019, ...
$ $
Mit der Abfrage $β2 − β2X $ > 10−3 = JA rechnet man mit β2X = β2
Mit der oben angegebenen Genauigkeit sind etwa 10 Iterationsschritte erforderlich. Als
β2 = 154.7236◦
ε = 0.8027
vu = −c2r · (cot β2S − cot β2 ) = −56.5487 · (cot 135◦ −cot 154.7225◦ ) = −63.2105 m/s
c2r 56.5487
v2 = ◦
= = 132.4387 m/s
cos (β2 − 90 ) cos (154.7236◦ − 90◦ )
c2u = u2 − | vu | − |v2u | = 376.991 − 63.2105 − 56.5487 = 257.2319 m/s
c2r 56.5487
α2 = arctan = arctan = 12.3984◦
c2u 257.2319
8.3 Radialmaschinen 831
oder
η· κ−1
κ
Tt2 κ−1
πRV = ⇒ Tt2 = Tt1 · πRV
η·κ
= 300 · 2.1840.357143 = 396.5397 K
Tt1
c22 c22 263.37432
Tt2 = T2 + ⇒ T2 = Tt2 − = 396.5397 − = 362.0121 K
2 · cp 2 · cp 2 · 1 004.5
√ √
a2 = κ · Ri · T2 = 1.4 · 287 · 362.0121 = 381.3875 m/s
v2 132.4387 c2 263.3743
Mav2 = = = 0.3473 Mac2 = = = 0.6906
a2 381.3875 a2 381.3875
ṁ = ρ1 · v1 · A1 = ρ2 · v2 · A2
2
v2 ρ1 · A1 ρ1 r1G − r1N 2
sin β1
= = · · (8.219)
v1 ρ2 · A2 ρ2 2 · r 2 · b2 sin β2S
832 8 Thermische Turbomaschinen
v2 < v1 b2
v2
β2s v2
A2′ <1 β1
v1
β2s−90° v1
A1′
r2
ω β1 − 90°
A1′
r1N
r1G
180° − β1
Abb. 8.90 Geometrie einer Stromröhre am Ein- und Austritt eines Impellers
te
Grenzschichten
ei
ks
von der Druck-
uc
Dr
zur Saugseite
A2
A
te
ei
gs
Geschwin-
u
Sa
Schnitt A-B
eite
k2th Wake digkeitsver-
teilungen
cks
ite
Dru
k2 Jet e B
ugs
Sa
Abb. 8.91 Prinzipdarstellung der reibungsbehafteten Strömung durch die Schaufelpassage eines
Radialverdichterimpellers unter Einfluss von Zentripetal- und Coriolis-Kräften, zusammen mit der
idealisierten Vorstellung des so genannten Strahl-Totwasser-Modells (Jet-Wake Model)
Impeller-
Austritt
Wake
Jet
Sa
ug
se
ite
e Dru
äus cks
G eh
eite
Geschwindigkeiten vorliegen als an der Druckseite. Am Eintritt des Impellers sind die
Verhältnisse umgekehrt, und zwar so, wie man sie von einer reibungsfreien Strömung her
erwarten würde. Das Ansammeln der Grenzschicht und die kleinen Geschwindigkeiten
an der Saugseite, zusammen mit dem radialen Druckanstieg im Strömungskanal, führen
am saugseitigen Impelleraustritt zu deutlichen Gebieten mit Strömungsablösung. Damit
wird die effektiv durchströmte Fläche A2 am Impelleraustritt kleiner als die theoretisch
mögliche Fläche A2th , Das Strömungsbild am Impelleraustritt besteht also aus einer Tot-
wasserzone und einer Strömungszone, was Ursache dafür ist, dass diese Modellvorstellung
auch als Strahl-Totwasser-Modell (Jet-Wake Model) bezeichnet wird, Dean und Senoo
(1960). Die Totwasserzone beansprucht dabei einen erheblichen Teil des Strömungska-
nals. Messungen von Krain (1987) haben gezeigt, dass das Strahl-Totwasser-Modell nicht
für alle Impeller zutreffend sein muss, insbesondere nicht für moderne Impeller mit guter
Auslegung.
Wie auch immer, die tatsächliche Strömung durch einen Impeller ist hochgradig
dreidimensional, wie Abb. 8.92 zeigt. Am Eintritt in den Impeller ist die Strömungsge-
schwindigkeit in Gehäusenähe größer als in Nabennähe. Das hat seine Ursache darin,
dass die Umfangsgeschwindigkeit u1G größer als die an der Nabe u1N ist. Ist die ab-
solute Zuströmung am Impellereintritt zwischen Nabe und Gehäuse gleich verteilt, so
muss entsprechend der Galilei-Transformation für Geschwindigkeiten dann die relative
Zuströmgeschwindigkeit am Gehäuse v1G größer sein als die an der Nabe v1N . Am Impel-
leraustritt ist dann die Geschwindigkeit in Gehäusenähe kleiner als die in der Nabennähe.
Das haben sowohl die Messungen von Eckardt (1976) als auch die von Krain (1987)
gezeigt. Dieses Ergebnis ist nicht überraschend, da die Strömungsumlenkung längs der
8.3 Radialmaschinen 835
cp cp cp · Tt1 Tt2
ψh = 2 · (Tt3 − Tt1 ) = 2 · (Tt2 − Tt1 ) = · −1 (8.220)
u2 u2 u22 Tt1
Die spezifische Arbeit wRV eines Radialverdichters kann zum einen durch die Eulersche
Hauptgleichung und zum anderen durch den 1. Hauptsatz der Thermodynamik für offene,
stationär durchströmte Systeme beschrieben werden:
Wird von drallfreier Zuströmung zum Impeller ausgegangen (c1u = 0) und werden dann
mit dieser Randbedingung die Gln. (8.220) und (8.221) miteinander kombiniert, so ergibt
sich – zusammen mit Gl. (8.193) für den Minderleistungsfaktor ε – die folgende Beziehung
für die Enthalpiekenngröße eines Radialverdichters:
wRV u2 · c2u c2u c2u /c2uth ε
ψh = = = = = (8.222)
u22 u22 u2 u2 /c2uth u2 /c2uth
Bei Impellern mit radial endenden Schaufeln wird u2 = c2uth und damit ψ h = ε:
wRV = ε ⋅ u2 ⋅ c2 uth = u2 ⋅ c2 u ≈ ε ⋅ u22 (8.223)
Da stets u2 /c2uth ≥ 1 gilt, kann nach Gl. (8.222) bei Radialverdichterstufen die Enthal-
piekenngröße praktisch den Wert eins nicht überschreiten. Die größtmögliche spezifische
Arbeit wird entsprechend Gl. (8.223) bei Impellern mit radial endenden Schaufeln erreicht,
wenn ε = 1 ist:
ψhmax = 1.0 und wRVmax = u22 ⇔ radial endende Schaufeln
mit ε = 1 (8.224)
Nur bei negativem Vordrall in der Anströmung zum Impeller (c1u < 0, d. h. entgegen u1
gerichtet) sind theoretisch größere spezifische Arbeiten möglich. Da dadurch aber zum
836 8 Thermische Turbomaschinen
Dieser Ausdruck geht von einem adiabaten Leitrad aus und berücksichtigt reibungsbe-
dingte Totaldruckverluste in Lauf- und Leitrad (Impeller und Diffusor). Mit n wird der
Polytropenexponent der Zustandsänderung zwischen 1 und 3 beschrieben. Aus den
Gängige Werte in dieser Gleichung sind ηRV ≈ 0.85 und 0.9 > ε > 0.6, wobei – wie schon
mehrfach erwähnt – gute Maschinen einen Minderleistungsfaktor zwischen ε = 0.8 . . . 0.9
haben sollten. Abbildung 8.93 zeigt die Auswertung der Gl. (8.228) für einen Impeller
mit radial endenden Schaufeln, indem das Verdichterdruckverhältnis πRV über der Um-
fangsgeschwindigkeit u2 aufgetragen wurde. Aus Festigkeitsgründen haben Impeller aus
Leichtmetalllegierungen eine Grenzumfangsgeschwindigkeit von u2 ≈ 450 m/s. Abbildung
8.93 zeigt, dass für diesen Wert maximale Verdichterdruckverhältnisse von πRV ≈ 4.5 zu
8.3 Radialmaschinen 837
16
πRV ε= 0.90
ηV = 0.85
Tt1 = 283 K
11
cp = 1004.5 Nm/(kg ⋅ K)
Grenzwert für Impeller aus
hochwertigen Materialien
7.5
6 Grenzwert für Impeller aus
Leichtmetalllegierungen
4.5
1
0 100 200 300 400 500 u2 [m/s] 700
erreichen sind. Variationen in den ε- und ηRV -Werten lassen das Druckverhältnis geringfü-
gig um den zuvor genannten Wert herum variieren. Höhere Drehzahlen und damit höhere
Druckverhältnisse bis etwa πRV ≈ 7.5 werden nur mit qualitativ höherwertigen Materiali-
en, wie z. B. Titan möglich. Die Umfangsgeschwindigkeit beträgt dann u2 ≈ 550 m/s, was
√
einer Machzahl von Mau2 = u2 /a2 = u2 / κ · Ri · T2 ≈ 1.2 entspricht, wenn davon aus-
gegangen wird, dass am Impelleraustritt die Schallgeschwindigkeit a2 ≈ 460 m/s beträgt.
Bei Radialverdichtern, mit Impellern, die eine doppelseitige Beschaufelung (z. B. Abb. 1.9)
haben, d. h. bei denen die Rotorscheibe die doppelte Anzahl von Schaufeln tragen muss,
sind aus Festigkeitsgründen Drehzahlen bzw. Umfangsgeschwindigkeiten notwendig, die
unterhalb der in Abb. 8.93 dargestellten Werte liegen.
Diffusorbeschaufelung c3<c2
ks eite
v2 Druc c2
v2
Abs u2
olu
v2 tst
röm ω
Impellerbeschaufelung un c2>c1
g
r2′
r2 c1
ω schaufelfreier Ringspalt
Impeller Diffusor
Abb. 8.94 Beschaufelter Diffusor (Leitrad) am Austritt des Impellers eines Radialverdichters
ist, wie die Abb. 8.92 gezeigt hat. Bei den Diffusoren sollen hier drei wesentliche Typen
unterschieden werden:
• schaufellose Diffusoren
• schaufellose Diffusoren mit anschließendem Spiralgehäuse
• beschaufelte Diffusoren
Schaufellose Diffusoren findet man immer dann, wenn der Radialverdichter einen weiten
Arbeitsbereich abdecken muss, und/oder wenn es darum geht, die Kosten des Verdichters
gering zu halten. Beschaufelte Diffusoren kommen dann zum Einsatz, wenn es um große
Verdichterdruckverhältnisse und/oder optimierte Wirkungsgrade geht.
Abbildung 8.94 zeigt eine mögliche Anordnung der Beschaufelung eines Austrittsdiffu-
sors, der an einen Impeller anschließt, um die vergleichsweise große Absolutgeschwindig-
keit c2 (große kinetische Energie) – durch Verzögerung auf die kleinere Geschwindigkeit
c3 – in statische Druckerhöhung zu wandeln. Weitere Anordnungen von Impellern mit ra-
dial endenden und mit rückwärts gekrümmten Schaufeln und anschließenden Diffusoren
zeigen die Abb. 4.12 und 4.15.
Zwischen dem Impeller und dem beschaufelten Diffusor befindet sich ein schaufel-
freier Raum (Ringspalt) mit einer endlichen Abmessung. Diesem Ringspalt kommt eine
wichtige Bedeutung zu, sodass er konstruktiv nicht beliebig klein gestaltet werden kann.
Nachdem das Fluid den Impeller verlassen hat, hat es den konstanten, d. h. einen sich
nicht mehr ändernden Drall r · cu = const (Drallerhaltungssatz). Über den schaufelfreien
Ringspalt, zwischen Impelleraustritt und Diffusoreintritt, nimmt aber der Radius r zu und
wegen des konstanten Dralls die Geschwindigkeitskomponente cu ab. Über den schau-
felfreien Ringraum nimmt aber auch die radial durchströmte Fläche mit dem Radius r
zu, A = 2 · r · π · b, wenn b die konstante Breite des Ringspaltes ist, vgl. Abbildung 8.82.
Aufgrund der Kontinuitätsgleichung ṁ = ρ · cr · A nimmt damit dann auch cr über
den Ringspalt ab. Da sich aber auch die Dichte ρ über den Ringspalt verändert, wird cr
8.3 Radialmaschinen 839
Maabsolut
200 1.0
−1 0.6
n = 50 000 min
0.4
0.2
150 seite
Saug
0.0
Druckseite
100
0 50 100 150
Umfangsrichtung in [mm]
Abb. 8.95 Mit Lasertechnik gemessene Machzahlverteilung in einem beschaufelten Diffusor hinter
einem Radialverdichterimpeller, auf halber Höhe des Strömungskanals. (Bild adaptiert aus einer
animierten Online-Messdatenpräsentation des DLR Instituts für Antriebstechnik)
nicht im gleichen Maße kleiner werden wie cu , sondern geringfügiger. Das Maß dafür
wird schließlich durch die Kontinuitätsgleichung bestimmt. Wenn also cu und cr längs des
Ringspaltes kleiner werden, so muss auch die daraus resultierende Absolutgeschwindigkeit
c22 = c2u
2
+ c2r2
kleiner werden. Am Diffusoreintritt ist somit die Absolutgeschwindigkeit
c2 kleiner als am Impelleraustritt, d. h. der Ringspalt selbst wirkt bereits wie ein Diffu-
sor. Der Ringspalt ist also das, was man einen schaufellosen Diffusor nennt. Die sich
daraus ergebende Strömungsrichtung der Geschwindigkeit c2 bestimmt die Ausrichtung
der Diffusor-Beschaufelung, sodass das Fluid möglichst verlustarm einströmen kann. Im
Auslegungspunkt des Verdichters werden so optimierte Verdichtergeometrien geschaffen.
Bei unterschiedlichen Massenströmen und Druckverhältnissen wird die Zuströmung zum
Diffusor ebenfalls variieren und damit die Ausrichtung der Diffusorschaufeln nicht mehr
optimal sein, was schließlich zu einer Verschlechterung des Wirkungsgrades führt. Bei Ra-
dialverdichtern, wo es auf optimale Wirkungsgrade und nicht auf Gewichtsminimierung
ankommt, werden manchmal auch verstellbare Diffusor-Beschaufelungen vorgesehen, so-
dass über einen weiten Arbeitsbereich des Verdichters beste Wirkungsgrade verwirklicht
werden können.
Dem schaufellosen Ringspalt kommt somit zum einen die Aufgabe zu, die Geschwin-
digkeit c2 , die am Impelleraustritt im Überschall oder nahe beim Überschall liegt, auf ein
Unterschallniveau zu reduzieren und dadurch gasdynamische Stoßverluste am Diffusor-
eintritt zu verhindern. Dieses zeigt sehr anschaulich die Abb. 8.95, welches Ergebnisse zu
Strömungsfeldmessungen im Absolutsystem hinter einem Impeller und im anschließenden
Diffusor zeigt. Das Bild ist eine Momentaufnahme einer bestimmten Strömungssituation,
840 8 Thermische Turbomaschinen
da das gesamte Strömungsfeld sich infolge des rotierenden Impellers zeitlich verändert,
man spricht dann von einem instationären Strömungszustand. Im schaufellosen Ringspalt
zwischen Impeller und Diffusor ist ein supersonisches Strömungsfeld zu erkennen, dessen
Geschwindigkeitsniveau sich in Richtung auf den Diffusor zu abbaut. Der Eintrittszustand
in die Diffusorbeschaufelung ist dann bereits im Wesentlichen im hohen Unterschall-
bereich. Daran schließt sich eine weitere diffusortypische Verzögerung an, sodass am
Diffusoraustritt ein Machzahlniveau zwischen 0.3 . . . 0.5 erreicht wird. Auf den hinteren
Druckseiten der Diffusorbeschaufelung sind Zonen sehr, sehr geringer Geschwindigkeit
zu erkennen, was hier auf lokale Strömungsablösungen rückschließen lässt.
Darüber hinaus kann sich der statische Druck, der am Impelleraustritt infolge der
Ungleichförmigkeiten der Geschwindigkeiten (Abb. 8.92) in Umfangsrichtung stark
schwankt, über den Ringspalt ausgleichen, sodass möglicherweise daraus resultierende
Schwingungsanregungen für die Diffusor-Beschaufelung weniger stark sind. Praktisch
wird die Schwingungsanregung auch dadurch gedämpft, indem die Anzahl der Impeller-
Schaufeln nicht als Vielfache der Diffusorschaufeln gewählt werden. Dabei ist es manchmal
übliche Praxis, dass die Anzahl der Impeller-Schaufeln eine Primzahl und die der Diffu-
sorschaufeln eine gerade Zahl ist. Ist die Anzahl der Diffusorschaufeln geringer als die des
Impellers, lässt sich die Strömung in Umfangsrichtung vergleichmäßigen, da so ein einzel-
ner Diffusorkanal Strömungsmaterial aus mehreren Impeller-Kanälen aufnehmen kann.
Andernfalls hat es sich gezeigt, dass einzelne Diffusorkanäle zu viel Fluid aufnehmen
müssen und so zum Sperren neigen, während andere „unterversorgt“ sind.
Das Radienverhältnis für den schaufelfreien Ringspalt sollte etwa r2 /r2 ≈ 1.1 be-
tragen, Cumpsty (1989). Manchmal wird das Verhältnis auch etwas größer gewählt,
insbesondere dann, wenn entweder mögliche Schwingungen besser gedämpft oder die
Eintrittsmachzahlen Mac2 stärker verringert werden sollen.
Die Länge des Strömungskanals im Diffusor bestimmt sich zum einen aus dem Wert,
um den man die Geschwindigkeit c2 reduzieren will, und zum anderen aus dem Öff-
nungswinkel des Diffusors. Wird dieser Winkel relativ groß gewählt, so kommt es an
den Seitenwänden zu Strömungsablösungen, die den Wirkungsgrad verschlechtern, wird
der Winkel dagegen relativ klein gewählt, so ergeben sich lange Diffusorlauflängen mit
den entsprechenden Reibungsverlusten, die auch wiederum zu schlechten Wirkungsgra-
den führen. Es ist also immer ein Kompromiss zwischen Öffnungswinkel und Lauflänge
erforderlich. Gute Ergebnisse erzielt man mit halben Öffnungswinkeln von etwa 7◦ .
Die Abb. 8.96 zeigt auf der rechten Seite verschiedene Formen von Diffusor-
Beschaufelungen. Die keilförmigen Diffusor-Beschaufelungen mit ihren dicken Hinter-
kanten erzeugen nicht soviel Strömungsverluste, wie man evtl. meinen könnte. Grund
dafür ist, dass die Strömungsgeschwindigkeiten in diesem Bereich bereits vergleichs-
weise klein sind. Diffusoren mit gekrümmten Schaufeln haben den Vorteil, dass der
Außendurchmesser des Diffusors vergleichsweise klein gehalten werden kann, wie es
z. B. die Abb. 8.94 andeutet. Strömungsmechanisch gesehen ist die Auslegung eines Dif-
fusors mit gekrümmten Schaufeln anspruchsvoller als bei keilförmigen Schaufeln. Der
links in Abb. 8.96 dargestellte schaufellose Diffusor arbeitet praktisch genauso wie der
8.3 Radialmaschinen 841
b2=b3=const.
b3
b2
r3
r2
A3 > A2
A3 = 2 ⋅ r3 ⋅ π ⋅ b > 2 ⋅ r2 ⋅ π ⋅ b = A2 π Diffusor aus
r3 > r2 gekrümmten Schaufeln
Abb. 8.96 Diffusoren von Radialverdichtern; links schaufelloser Diffusor konstanter Breite rechts
Formen beschaufelter Diffusoren
Austrittsstutzen
Zunge schaufelloser
A Diffusor
A
b
A
1
äuse
r2 2
3 A
r3
rM geh A rM r3
b p iral M c3u α3
c3r
S
c3
A
A
Abb. 8.97 Geometrie eines Spiralgehäuses, das einen Radialverdichter mit einem schaufellosen
Diffusor umgibt
Die Geschwindigkeit cu wird also durch den Radius r bestimmt, sodass auch gilt:
gegeben, so liegt damit auch die Geschwindigkeit cMu fest. Für den Massenstrom ṁ kann
nun geschrieben werden:
Hierbei wird die in Abb. 8.97 eingezeichnete Fläche A mit der Geschwindigkeit c3u und die
Umfangsfläche A3r in der Ebene 3 mit der Geschwindigkeit c3r in der jeweils zugehörigen
ρM
· r3 · c3u · A = ρ3 · c3r · 2 · π · r3 · b
rM
A ρ3 c3r ρ3
=2·π · · ·b=2·π ·b· · tan α3 ≈ 2 · π · b · tan α3 (8.232)
rM ρM c3u ρM
Im rechten Teil von Gl. (8.232) wird davon ausgegangen, dass das Dichteverhältnis ρ3 /ρM
ungefähr den Wert Eins hat, da der Wert des Geschwindigkeitsunterschieds in der Ebene M
und der Ebene 3 im Vergleich zur lokalen Schallgeschwindigkeit nur sehr, sehr gering ist.
Der Quotient c3r /c3u ergibt sich aus den Strömungsverhältnissen am Austritt des schaufel-
losen Diffusors und entspricht dem Tangens des dortigen absoluten Strömungswinkels α3 .
Ist also der mittlere Radius rM des Spiralgehäuses gegeben, so gilt: A/rM = const. Von der
so genannten Zunge des Spiralgehäuses aus, zum Austrittstutzen hin, wird der Radius rM
kontinuierlich größer, sodass die Fläche A wegen A/rM = const gleichermaßen zunehmen
muss. Die Geometrie des Spiralgehäuses wird also durch den Strömungswinkel α3 eines
ganz bestimmten Austrittszustandes der Strömung bzw. durch die dazugehörige Impeller-
Drehzahl bestimmt. Für alle anderen Drehzahlen ist dann das Spiralgehäuse nicht mehr
optimal, was wiederum Einfluss auf den statischen Druckrückgewinn und damit auch auf
das gesamte Leitungsverhalten des Radialverdichters hat.
Im Folgenden wird gezeigt, wie mit Hilfe der so genannten spezifischen Drehzahl nS die
Hauptabmessungen und die Drehzahl n eines Impellers berechnet werden können. Unter
den Hauptabmessungen werden hier die Geometrien am Ein- und Austritt des Impellers
verstanden, d. h. die dort jeweils vorliegenden Impellerdurchmesser D1G , D1N und D2
sowie die Schaufelhöhen b1 und b2 .
Die Abb. 8.98 zeigt die verwendete Ausgangsgeometrie. Am Impellereintritt wird das
Nabenverhältnis:
r1N D1N
ν1 := = <1 (8.233)
r1G D1G
gebildet und daraus per Definition der nachfolgende Ausdruck geschaffen:
2
D1N 2
D1G − D1N
2
1 − ν12 = 1 − = 2
(8.234)
D1G D1G
2
Wenn A1 = (π/4) · D1G − D1N 2
die Eintrittsfläche in den Impeller ist, dann ergibt sich
in Kombination mit der Gl. (8.234):
4 · A1
1 − ν12 = (8.235)
π · D1G
2
844 8 Thermische Turbomaschinen
Impellerbe- Diffusorbe-
Diffusorbe- schaufelung
schaufelung schaufelung
3 α3
Impeller- 3
beschaufe-
lung α2
sor
2 Diffu
Ge- 1 3
häu- b2 2 2
se
b1 1 G
1G
Nabe
1 N 1N
r
∅ D1N
∅ D1G
∅ D3
∅ D2
ω r
u ax ax
c2u −v2u ω u
th th
v1 c2u
G>
v1 v
>v 1N >v
Koordinatensystem
c2 v2
Koordinatensystem
c2r=c1ax
c2
c1ax = c1
N th
2 th
β2S−90°
2
v2
für Ebene 2
für Ebene 1
2
α
°−
ax β1N β1G β2 r
90
α2 u1N β2S
r u u1G u2 ax u
Der Volumenstrom am Impellereintritt ist V̇1 = A1 · c1ax . Wird dieser Ausdruck in Gl.
(8.235) eingesetzt und mit der Umfangsgeschwindigkeit u1G am Gehäuse des Impeller-
Eintritts eine Durchflusskenngröße ϕ1 = c1ax /u1G gebildet, so ergibt sich:
Dieser Ausdruck wird auf der rechten Gleichungsseite mit dem Quadrat der Drehzahl
n2 in Zähler und Nenner erweitert. Aus dem Ausdruck für die Winkelgeschwindigkeit
ω =2·π·n/60 ergibt sich dann im Nenner n2 = 900·ω2 /π 2 :
4 · V̇1 n2 4 · V̇1 · n2 · π 2
1 − ν12 = · 2 = (8.237)
ϕ1 · u1G · π · D1G n
2
π · 900 · ϕ1 · u1G · D1G2
· ω2
4 · V̇1 · n2 · π 2 V̇1 · n2 · π
1 − ν12 = = (8.238)
4 · π · 900 · ϕ1 · u1G3
900 · ϕ1 · u1G
3
Mit der Umfangsgeschwindigkeit u1G am Gehäuse des Impeller-Eintritts wird nun eine
Enthalpiekenngröße ψh1 = ht /u1G
2
für den Impellereintritt
1 gebildet, aus der sich der
8.3 Radialmaschinen 845
Dieser Ausdruck wird nun in Gl. (8.238) eingesetzt und man erhält:
3/2
π V̇1 · n2 ψh1
1 − ν12 = · · 3/2
900 ϕ1 ht
√
π V̇1 ψh1
3/4
π ·n V̇1
3/4
ψh1
1 − ν1 =
2
· · · n = · · √ (8.240)
30 ϕ1 h3/4
t
30 h3/4 t
π · ϕ1
V̇1 π ·n V̇1
nS1 = ω · 3/4
= · (8.241)
ht 30 h3/4 t
Dieser Ausdruck, der in Gl. (8.240) enthalten ist, ist dimensionslos. Die Kombination der
Gln. (8.240) und (8.241) ergibt deswegen den nachfolgenden, ebenfalls dimensionslosen
Ausdruck:
+ 3/4 3/4
ψ nS1 ψh1 nS1 1
1 − ν12 = √ h1 · nS1 = √ · 1/2 =√ · (8.242)
π · ϕ1 π ϕ1 π σM
Der ganz rechts in der Gl. (8.242) stehende Quotient 1/σM ist der Reziprokwert des bereits
mit der Gl. (8.180) für Turbinen eingeführten Formfaktors σM (Shape Parameter) nach
Horlock (1985). Dieser Formfaktor σM (Shape Parameter) ist also nahezu dasselbe, wie die
hier benutzte spezifische Drehzahl nS . Diese Größe nS1 ist für die Bezugsebene 1 herge-
leitet worden und darf deswegen auch nur zusammen mit Zahlenwerten aus dieser Ebene
1 verwendet werden. Dieses alles hat seine Gründe darin, dass die spezifische Drehzahl
nS ursprünglich nur für inkompressibel durchströmte Maschinen gedacht war, mit der der
optimale Maschinentyp und dessen optimale Dimensionen festgelegt werden konnten. Bei
Pfleiderer und Petermann (1991) und bei Horlock (1985) sind weitergehende und aus-
führlichere Diskussionen zur Bedeutung der spezifischen Drehzahl (Shape Parameter) für
die geometrische Formgebung von Strömungsmaschinen zu finden. Die Anwendung des
Konzepts der spezifischen Drehzahl auf Maschinen mit kompressiblen Fluiden verlangt,
dass die beteiligte Volumenströme V̇i=1,2,3, ... n auch stets in der zugehörigen Bezugsebene
(hier i=)
1 angeben wird, in der auch die spezifische Drehzahl nS1 definiert wurde. Aus Gl.
(8.241) ist leicht zu erkennen, dass die spezifische Drehzahl nS1 mit wachsendem Volumen-
strom V̇1 und wachsender natürlicher Drehzahl n zunimmt, wogegen sie mit steigender
Belastung ht (= zugeführte spezifische Arbeit = Druckerhöhung) abnimmt. Die Eu-
lersche Hauptgleichung (8.16) zeigt andererseits, dass bei konstanter Drehzahl n bzw.
Winkelgeschwindigkeit ω die spezifische Arbeit w durch die Umfangsgeschwindigkeit u
846 8 Thermische Turbomaschinen
0.3 0.4
c1m 0.2
80 % = 0.1
u2
Umfangsgeschwindigkeits-
β2S = 115° Machzahl des Impellers
90 %
u2 κ ⋅ Ri ⋅ T2
= 0.70
c1m 0.2 0.3 0.4 = 1.54
= 0.1
80 % u2
β2S = 90°
90 %
c1m 0.2
= 0.1 0.3
80 % u2 0.4
0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 1.0 spezifische Drehzahl nS1
Abb. 8.99 Polytroper Wirkungsgrad ηV von Radialverdichterimpellern, aufgetragen über der spe-
zifischen Drehzahl nS1 . Adaptiert von Rodgers (1980). Der polytrope Wirkungsgrad ist in Kap. 18,
in Abschn. 18.1.4.3 definiert worden
abnimmt, d. h., wenn der Durchmesser der Maschine kleiner wird. Für die Geometrie einer
Maschine heißt das also, dass bei hohen spezifischen Drehzahlen nS1 kleine Durchmesser
D1 bzw. D2 und große Eintrittsquerschnitte A1 ( = großer Volumenstrom V̇1 = A1 · c1ax )
erforderlich sind. Da folglich eine hohe spezifische Drehzahl nS1 auch eine kleine, kompak-
te Maschine impliziert, ist es aus Gründen der Wirtschaftlichkeit wünschenswert, immer
diejenige höchstmögliche spezifische Drehzahl nS1 anzustreben, bei der eine Maschine
noch gerade einen guten Wirkungsgrad ηV hat. In Kap. 18, in den Abschn. 18.1.4.1 bis
18.1.4.3 sind die dafür relevanten Wirkungsgrade, d. h. der totale, der statische und der
polytrope Wirkungsgrad, definiert worden.
Die Abb. 8.99 zeigt die Auftragung des polytropen Verdichterwirkungsgrades ηV über
der spezifische Drehzahl nS nach Rodgers (1980), in Abhängigkeit einer Durchflusskenn-
größe ϕ = c1ax /u2 , des Schaufelwinkels β2S und einer aus der Umfangsgeschwindigkeit
u2 gebildeten Machzahl Mau2 . Rodgers (1980) empfiehlt, dass Radialverdichter mit einem
guten Wirkungsgrad eine spezifische Drehzahl in der Nähe von 0.7 haben sollten, wäh-
rend kleine kompakte Maschinen mit Werten bei 1.0 auszulegen wären. Abbildung 8.99
zeigt, dass die Bestwerte für spezifische Drehzahlen bei etwa nS ≈ 0.6 . . . 0.7 liegen, d. h.,
hier ergeben sich die optimalen polytropen Wirkungsgrade von Impellern mit rückwärts
gekrümmten Schaufeln. Bei Impellern mit radial endenden Schaufeln verschieben sich die
8.3 Radialmaschinen 847
Beispiel 8.7
Für eine Kleingasturbine ist eine Vorauslegung des Impellers (ähnlich Abb. 8.98)
vorzunehmen, zu dem die untenstehenden Geschwindigkeitsdreiecke gehören sol-
len. Es sind folgende Vorgabegrößen bekannt: Verdichterdruckverhältnis πV = 3,
Schaufelanzahl iS = 20, Rückwärtskrümmung der Schaufeln β2S = 115◦ , Diffusorein-
trittswinkel α2 = 33◦ und Massenstrom ṁ = 0.75 kg/s. Das Fluid ist Luft mit κ = 1.4,
Ri = 287 Nm/(kg·K) und cp = 1 004.5 Nm/(kg·K). Der statische Ansaugzustand der Luft
soll am Impellereintritt p1 = 1 013 hPa und T1 = 288 K betragen.
Der Verhältnisfak-
tor zwischen den Geschwindigkeiten c2r und c1 = c1ax soll − = 1.5 betragen (siehe
Geschwindigkeitsdreiecke). Mit diesen Daten sind der Impelleraußendurchmesser D2 ,
die natürliche Impellerdrehzahl n, die Schaufelhöhe b2 am Impelleraustritt und die
Impellereintrittsgeometrie A1 , D1N und D1G zu berechnen.
848 8 Thermische Turbomaschinen
Koordinatensystem Koordinatensystem
für Ebene 1 für Ebene 2
ax c2uth v2uth r
c2u
u v1G > v1N > v2 c2 u
r c2th
v2th ax
v2 c2r
v1N > v2
c1 = c1ax =
c2 r β2 β2s
ƒ β1N
α2
u1N β1G
u2
u1G
Zum Lösen dieses Ausdrucks ist zuvor die Bestimmung des Abströmwinkels β2 , des
Minderleistungsfaktors ε und der Enthalpiekenngröße ψh erforderlich. Der Minder-
leistungsfaktor ε soll hier mittels der Methode nach STODOLA aus den Gln. (8.202)
und (8.208) berechnet werden. Die Lösung für β2 und ε erfolgt – wie bereits in Beispiel
8.6 präsentiert – iterativ. Dazu wird von Gl. (8.208) ausgegangen, in die als Startwert
β2X = β2S = 115◦ eingesetzt wird.
1
ε =1−
iS 1 + ϕ2 · cot β2X (##)
1+ ·
π sin β2X
Die Werte für ε und εW unterscheiden sich nur unwesentlich um 1,25 %. Es wird
mit dem Zahlenwert für ε weitergerechnet werden. Aus Geometrie der skizzierten
Geschwindigkeitsdreiecke zu Beginn dieser Aufgabe ergibt sich
$ $⎫
|v2u | $u2 − c2u $ ⎪ $ $
th ⎪
◦
tan (β2S − 90 ) = = ⎬ tan (β − 90◦ ) $u2 − c2u $ u2 c2u
c2r c2r 2S
= th
= − th
c2u ⎪
⎪ tan (90 ◦−α ) c c c2u
tan (90◦ − α2 ) = ⎭ 2 2u 2u
c2r
Zusammen mit Gl. (8.193) ε = c2u /c2uth wird daraus
c2u 1 tan (β2S − 90◦ ) −1 1 tan (115◦ − 90◦ ) −1
= + = + = 0.6713
u2 ε tan (90◦ − α2 ) 0.842575 tan (90◦ − 33◦ )
Entsprechend der Gl. (8.222) gilt dann auch: ψh = ht /u22 = c2u /u2 = 0.6713
pt1 = p1 · (Tt1 /T1 )κ/(κ−1) = 101 300.0 (295.5607/288.0 )3.5 = 110 917.25 Pa
8.3 Radialmaschinen 851
n−1
Tt2 pt2 n n−1
Polytropenbeziehung zwischen und
1
2 : = = πV n
Tt1 pt1
n−1
Tt2 = Tt1 · πV n = 295.5607 · 30.3106 = 415.7392 K
c22 c2 339.43262
Tt2 = T2 + ⇒ T2 = Tt2 − 2 = 415.7392 − = 358.39 K
2 · cp 2 · cp 2 · 1 004.5
√ √
a2 = κ · Ri · T2 = 1.4 · 287 · 358.39 = 379.4748 > c2 > v2 = 231.5307 m/s
Hinter dem Impelleraustritt ist also die Schallgeschwindigkeit a2 die größte aller
Geschwindigkeiten innerhalb der Strömung, wenn man die Impellerumfangsge-
schwindigkeit u2 außer Acht lässt, die streng genommen keine Geschwindigkeit des
Strömungsfeldes ist. Das gesamte Strömungsfeld hinter dem Impelleraustritt ist also im
Unterschall. Im Folgenden wird nun geprüft, ob die beiden zu Beginn der Rechnung
geschätzten Größen Mau2 und ϕ genau genug vorgeschätzt wurden.
Wie zu Beginn der Rechnung bereits erwähnt, ist diese „wundersame“ Übereinstim-
mung der Ergebnisse bis auf sechs Nachkommastellen das Resultat einer aufwendi-
gen Vorbereitung und Optimierung der Zahlenwerte, die natürlich insgesamt mit
zum Rechnungsgang gehört. Im nächsten Schritt erfolgt nun die Berechnung der
852 8 Thermische Turbomaschinen
2 4 · A1 8 h1.5
D1G · D1G − D1N
2
= D1G · = · t
· n2S1
π π · ϕ1 ω3
2 h1.5 c1ax c1 D1G
A1 = · 3 t · n2 mit ϕ1 = = und mit u1G = r1G · ω = ·ω
ϕ1 ω · D1G S1 u1G u1G 2
2 · c1
ergibt sich: ϕ1 = und damit
D1G · ω
t · nS1 t · nS1 120 719.29691.5 · 0.6002
2 2
h1.5 h1.5
A1 = = = = 0.00496541 m2
c1 · ω2 c1ax · ω2 123.2455 · 4 967.30322
oder aber aus der Kontinuitätsgleichung: ṁ = ρ1 · c1ax · A1
ṁ 0.75
A1 = = = 0.00496541 m2
ρ1 · c1ax 1.2256 · 123.2455
Zur Berechnung der Durchmesser an Nabe und Gehäuse des Impeller-Eintritts wird
im vorliegenden Beispiel der Nabendurchmesser mit D1N = 80 mm vorgegeben. Dieser
Nabendurchmesser wird immer größer oder wenigstens gleich dem Wellendurchmesser
sein, Abb. 8.97.
4 · A1 4 · A1
D1G − D1N =
2 2
⇒ D1G = + D1N
2
π π
4 · 0.00496541 ∧
D1G = − 0.082 = 0.1127925 m = 113 mm
π
Das zuletzt berechnete Durchmesserverhältnis D1G /D2 sollte sich entsprechend der
Darstellungen in Abb. 8.100 verhalten und seine Einhaltung mit der nachfolgend vor-
gestellten Rechnung und mit den darin enthaltenen Parametern überprüft werden. An
dieser Stelle der Rechnung erst einmal festzuhalten, dass der hier berechnete Zahlenwert
für D1G /D2 grundsätzlich unterhalb des so genannten kritischen Durchmesserverhält-
nisses (D1G /D2 )krit nach Gl. (8.256) liegen muss, was er hier auch tut. Wir werden
im folgenden Kapitel auf die Herleitung und Bedeutung dieses kritischen Durchmes-
serverhältnisses (D1G /D2 )krit bei Gl. (8.256) noch einmal ausführlicher eingehen und
deswegen an dieser Stelle hier diese Gegebenheiten einfach nur als eine zu beachtende
Randbedingung zur Kenntnis nehmen.
In Kap. 8.2.3.3 war zur Minimierung von Strömungsablösungen an Nabe und Gehäuse
von Axialverdichtern das so genannte Verzögerungsverhältnis nach de Haller beschrieben
worden. In Radialverdichtern hat dieses de Haller Kriterium im ursprünglichen Sinne, d. h.,
854 8 Thermische Turbomaschinen
bezogen auf das Ablöseverhalten der Grenzschichten an Nabe und Gehäuse, keine explizite
Bedeutung. Dennoch ist es möglich, auch für Radialverdichter ein Verzögerungsverhältnis
nach diesem Muster anzugeben.
Durch eine verstärkte Rückwärtskrümmung der Beschaufelung wird die diffusorarti-
ge Schaufelpassage verlängert, sodass der Diffusoröffnungswinkel kleiner ausfallen kann.
Dieses resultiert i. Allg. in einer geringeren Neigung der Strömung zur Ablösung und ver-
bessert den Impellerwirkungsgrad. Hinsichtlich der Beurteilung der Strömungsablösungen
in der Schaufelpassage gibt es zwei grundlegende Ansichten:
Für den letztgenannten Fall schlagen Wilson und Korakianitis (1998) ein mehr oder weni-
ger sicheres Verzögerungsverhältnis von v2 /v1G = 0.8 vor, während Rodgers (1978) einen
weniger bodenständigen Vorschlag von v2 /v1G = 0.71 macht. Wir wollen hier im Folgenden
für beide Vorschläge offen sein:
v2
1> ≥ 0.8 Verzögerungsverhältnis für Radialverdichter nach Wilson (8.246)
v1G
v2
1> ≥ 0.71 Verzögerungsverhältnis für Radialverdichter nach Rodgers (8.247)
v1G
Die Geschwindigkeitsdreiecke in Abb. 8.98 oder die des Bildes zu Beginn des Beispiels 8.7
ergeben die folgenden vier trigonometrischen Ausdrücke:
u1G u1G
cos (180◦ − β1G ) = = − cos β1G ⇒ v1G = − (8.248)
v1G cos β1G
c2r c2r
sin (180◦ − β2 ) = = + sin β2 ⇒ v2 = + (8.249)
v2 sin β2
c2r
tan α2 = ⇒ c2r = c2u · tan α2 (8.250)
c2u
c2r c2r c2r
tan (180◦ − β2 ) = = = − tan β2 ⇒ c2u = u2 + (8.251)
|v2u | u2 − c2u tan β2
Die Kombination der Gln. (8.246), (8.248) und (8.249) führt auf:
v2 c2r cos β1G c2r cos (180◦ − β1G )
1> =− · =+ · ≥ 0.71 ... 0.8 (8.252)
v1G u1G sin β2 u1G sin β2
8.3 Radialmaschinen 855
Das Einsetzen der Gl. (8.253) in Gl. (8.252) ergibt dann schließlich:
v2 v2
mit 1 > ≥ 0.71 ... 0.80 =
v1G v1G krit
Wilson und Korakianitis (1998) weisen darauf hin, dass der relative Strömungswinkel
am Gehäuse des Impeller-Eintritts bei praktisch ausgeführten Radialverdichtern häufig
um einen Wert von β1G ≈ 150◦ herum schwankt, vor allem dann, wenn der Gehäuse-
durchmesser am Impellereintritt hinsichtlich einer minimalen Relativgeschwindigkeit v1G
optimiert wurde. Unter diesen Umständen kann die Gl. (8.255) leicht ausgewertet und das
Durchmesserverhältnis D1G /D2 z. B. für das kritische Verzögerungsverhältnis v1G /v2 = 0.8
nach Wilson über dem relativen Abströmwinkel β2 aufgetragen werden. Die Abb. 8.100
zeigt das Resultat für drei unterschiedliche relative Zuströmwinkel im Gehäusebereich
β1G , jeweils aufgetragen für drei verschiedene Diffusoreintrittswinkel α2 . Für eine Voraus-
legung vorgesehene Durchmesserverhältnisse D1G /D2 , die oberhalb der jeweiligen Kurve
für das kritische Durchmesserverhältnis (D1G /D2 )krit liegen, führen bei der zugehörigen
Impellergeometrie zu signifikanten Strömungsablösungen, während Durchmesserverhält-
nisse D1G /D2 unterhalb der jeweiligen Kurve, (D1G /D2 )krit , keine allzu signifikanten
Strömungsablösungen erwarten lassen.
Beispiel 8.8
Dies ist eine Fortführung des Beispiels 8.7. Für den in Beispiel 8.7 berechneten Impeller
soll nun kontrolliert werden, ob für die dort berechnete Geometrie ein gewähltes Ver-
zögerungsverhältnis von (v1G /v2 )krit = 0.73 eingehalten wird. Es ist zu prüfen, ob die
856 8 Thermische Turbomaschinen
1.0
⎛ D1G ⎞⎟ β1G = 140° β1G = 150° β1G = 160°
⎜⎜ ⎟ α2 α2 ke Ablö α2
⎜⎜⎝ D ⎠⎟⎟ kei Ablös
ine s
Abl ung 20°
ne u ösung
Ablö ng
2 krit
kei Ablösu sung
20°
ne A ng 20° 30°
0.6 blösun
g Ablösung
30° Ablösung
keine A
30° keine Ablösung blösung 40°
Ablösung
keine Ablösung 40°
40° Ablösung
0.4 Ablösung keine Ablösun
g
Ablösung keine Ablösun
g
g
keine Ablösun
endend
wärts gekrümmten
Schaufeln
0.0
90° 110° 130° β2 150° 90° 110° 130° β2 150° 90° 110° 130° β2 150°
Abb. 8.100 Kritisches Durchmesserverhältnis (D1G /D2 )krit von Impellern zur Vermeidung von
Strömungsablösung bzw. zur Einhaltung eines vorgegebenen zulässigen Verzögerungsverhältnisses
im Impeller-Gehäusebereich von (v1G /v2 )krit . Hier im Bild wurde dazu der Zahlenwert 0,8 gewählt
D1G 0.1127925
u1G = r1G · ω = ·ω = · 4 967.3032 = 280.1374 m/s
2 2
c1ax c2r
tan (180◦ − β1G ) = = = − tan β1G ⇒ β1G = − arctan (c2r /u1G )
u1G u1G
c2r 184.8682
β1G = − arctan = − arctan = β1G,temp = −23.7469◦
u1G 280.1374
β1G = 180◦ + β1G,temp = 180◦ − 23.7469◦ = 156.2531◦
v2 u2 cos (180◦ − β1G )
= · ≥ 0.73
v1G u1G (cot α2 − cot β2 ) · sin β2
v2 424.0644 cos (180◦ − 156.2531◦ )
= ·
v1G 306.0495 (cot 33.0◦ − cot 127.0161 ◦ ) · sin 127.0161◦
= 0.7565 ≥ 0.73 = (v2 /v1G )krit
⇒ Das für die Berechnung vorgegebene Verzögerungsverhältnis wird eingehalten
v1G = v2 · [1./(v2 /v1G )] = 231.5307/0.7565 = 306.0495 m/s
v1G 306.0495
Mav1G = √ =√ = 0.8997 < 1.0
κ · R i · T1 1.4 · 287 · 288
8.3 Radialmaschinen 857
v2 v2
1> ≥ 0.80...0.71 = = 0.73
v1G v1G krit
die Strömung hier eine Beschleunigung erfährt: v2 > v1N . Es ist die relative Machzahl
Mav1N im Nabenbereich am Impellereintritt zu berechnen, die mindestens erforderliche
Antriebsleistung PV für den Impeller und der isentrope Verdichterwirkungsgrad ηVs .
Letzterer ist vom Zahlenwert her mit dem vorgegebenen polytropen Wirkungsgrad ηV
zu vergleichen.
DN1 0.080
u1N = ·ω = · 4 967.3032 = 198.6921 m/s
2 2
c1 123.2455
β1N = − arctan = − arctan = β1N,temp = −31.8106◦
u1N 198.6921
β1N = 180◦ + β1N,temp = 180◦ − 31.8106 = 148.1894◦
u1N 198.6921
v1N = = = 233.8119 m/s
cos (180◦ − β1N ) cos (180◦ − 148.1894)
v2 231.5307
= = 0.9902 < 1.0
v1N 233.8113
v1N 233.81195
Mav1N = √ =√ = 0.6873 < 1.0
κ · R i · T1 1.4 · 287 · 288
Es ergibt sich also eine nur ganz schwache Verzögerung im Nabenbereich des Impellers.
isentroper Verdichterwirkungsgrad:
κ−1
π κ −1 30.285714 − 1
η VS = V = = 0.9069
Tt2 415.7392
−1 −1
Tt1 295.5607
isentroper Wirkungsgrad ηVS = 0.9069 < ηV = 0.920 polytroper Wirkungsgrad
Diese Aussage ergab sich auch schon bei den betrachteten Axialverdichterstufen.
858 8 Thermische Turbomaschinen
düsen-
Spiral-
bildende
gehäuse
Leitrad- v1
0 beschaufe- c1
0
Leitrad lung
1 1 u1
b1
2
ω u2
La c2
r0 ufr r1 v2
ad
Diffusor
r1 b2
r2G
r2
r2N r2 2
Heißgaseintritt
Δcu≈u1
v1
v2G>v1 c1
c2=c2ax
v2N>v1 c1r
Au
sla β2N β2G
β1≈90°
s s
u1
u2G
α2≈90° u2N
α1≈20°
Spiralgehäuse
Abb. 8.101 Genereller Aufbau einer Radialturbinenstufe, zusammen mit den zugehörigen
Geschwindigkeitsdreiecken
8.3.4 Radialturbinenstufen
Abbildung 8.101 zeigt den prinzipiellen Aufbau einer Radialturbinenstufe. Wie schon bei
der Axialturbine, so beginnt auch die Radialturbinenstufe mit einem Leitrad, dem sich
dann ein Laufrad anschließt, das – anders als beim Radialverdichter – bei der Radialtur-
bine aber nicht als Impeller bezeichnet wird. Im Englischen wird das gebogene Ende des
Radialturbinenlaufrades auch als Exducer bezeichnet, der Eintritt als Inducer. Zwischen
Inducer und Exducer liegt Laufradbeschaufelung.
Eine Radialturbinenstufe kann gewöhnlich weniger spez. Arbeit umsetzen und hat
zudem auch noch einen geringeren Massendurchsatz als eine axial durchströmte Turbi-
nenstufe. Dafür hat aber die Radialturbine – bei vergleichbaren Umfangsgeschwindigkeiten
– den besseren Wirkungsgrad und ermöglicht einen größeren Druckabbau. Zudem ist die
Radialturbine robuster und weniger anfällig gegenüber Korrosion und Erosion. Der Ein-
8.3 Radialmaschinen 859
satz von Radialturbinen ist immer dann von Interesse, wenn es auf geringe Fertigungs-
und Wartungskosten ankommt und der Einsatz einer Axialturbine vergleichsweise teuer
wäre. Die Turbineneintrittstemperatur ist außerdem auch begrenzt, da es im Vergleich
zu einer Axialstufe sehr schwierig ist, eine Radialturbinenstufe zu kühlen. Bei hohen
Leistungen wird immer die mehrstufige Axialturbine den Vorrang bekommen. Radi-
alturbinen werden in der Praxis nicht als mehrstufige Maschinen ausgeführt, da sie
gegenüber mehrstufigen Axialmaschinen weder energetische noch konstruktive und auch
keine fertigungstechnischen Vorteile bieten.
Praktische alle mit Heißgas beaufschlagten Radialturbinen haben im Rotoraußenbe-
reich radial ausgerichtet Schaufeln. Der absolute Zuströmwinkel (Neigung der Leitradbe-
schaufelung) liegt praktisch immer in der Nähe von α1 ≈ 20◦ , wenn keine verstellbaren
Leitschaufeln Verwendung finden. Im Auslegungspunkt ist die Abströmung fast immer
drallfrei, d. h. c2u = 0 bzw. α2 = 90◦ .
Bei Radialturbinen wird über das Leitrad mit düsenförmigen Schaufelkanälen eine hohe
absolute Zuströmgeschwindigkeit c1 zum Rotor erzeugt. Diese Geschwindigkeit ist i. Allg.
etwas kleiner oder gleich der Umfangsgeschwindigkeit u1 . Die relative Zuströmung v1 ist
im Vergleich zu c1 deutlich geringer und erfolgt ein wenig zur Radialrichtung hin ge-
neigt. In der Turbinenrotorbeschaufelung zwischen Inducer und Exducer kommt es – wie
auch schon bei der Axialturbine – zu einer Beschleunigung der Strömung mit v2 > v1 .
Das mittlere Relativgeschwindigkeitsniveau von v1 und v2 ist im Vergleich zur absoluten
Eintrittsgeschwindigkeit c1 eher gering. Die in Abb. 8.101 eingezeichneten Geschwindig-
keitsdreiecke entsprechen dem typischen Auslegungsfall einer mit Heißgas beaufschlagten
Radialturbine. Bei Abweichungen vom Auslegungspunkt wird die Strömung den Rotor
immer mit einem leichten Drall verlassen. Anders ausgeführte Heißgasradialturbinen,
als die hier dargestellte, sind nicht bekannt. Die Anzahl der Schaufeln beträgt bei aus-
geführten Maschinen zwischen 9 und 19 Schaufeln. Dem Minderleistungseffekt, der bei
Radialverdichtern von hervorgehobener Bedeutung ist, kommt bei Radialturbinen nur
eine vernachlässigbare Größenordnung zu.
Vor dem Leitrad ist häufig ein Spiralgehäuse33 (Scroll or Volute) angeordnet, das der
Absolutströmung eine Beschleunigung und einen Drall erteilt, Abb. 8.97 (aber umgekehrt
durchströmt). Bei kleinen Maschinen reicht dies bereits aus, um eine ausreichend gute
Zuströmung zum Laufrad zu erhalten. Bei größeren Maschinen wird diese Drallströmung
zusätzlich in ein Leitrad mit düsenförmigen Schaufelkanälen geführt und dort mit wei-
terem Drall und erhöhter kinetischer Energie versehen. Vielfach ist es dabei möglich, in
Abhängigkeit der Drehzahl die Leitschaufeln zu verstellen, was dann als variable Geome-
trie bezeichnet wird und in den letzten Jahren bevorzugt bei Abgasturboladern eingesetzt
wurde, Abb. 8.102. Durch verstellbare Turbinenleitschaufeln gelingt es, die Ansprechzei-
ten des von der Turbine angetriebenen Verdichters bis zur gewünschten Druckerhöhung
33
Wilson u. Korakianitis (1998) „We know of no proven design methods for turbine or compressor
snail-shell scrolls; many have been published, and some may be effective.“
860 8 Thermische Turbomaschinen
α1
c1
α1
c1
Abb. 8.102 Radialturbinen mit verstellbaren Leitschaufeln; oben: nahezu geschlossene Beschaufe-
lung, die hohe Geschwindigkeiten c1 und kleine Winkel α1 erzeugt, unten: offene Beschaufelung, die
geringe Geschwindigkeiten c1 und große Winkel α1 erzeugt
zu halbieren. Der Vorteil liegt also in der Verbesserung transienter Vorgänge, speziell beim
Beschleunigen der Maschine.
Wegen der starken Strömungsbeschleunigung im Leitrad kommt der Profilform der
Leitschaufeln i. Allg. nur eine weniger wichtige Bedeutung zu. Die Auslegung des Leitrades
beschränkt sich zumeist auf die Festlegung des Teilungsverhältnisses t/s, der Schaufelan-
zahl iS und der Strömungsumlenkung α1 . Hierbei ist s die Sehnenlänge einer Leitschaufel
und t die Teilung am Austritt des Leitrades. Werte von t/s = 2/3 und iS =10 . . . 15 sind
hierbei durchaus typische Ergebnisse. Der absolute Strömungswinkel α1 nicht verstellbarer
Leitschaufeln liegt zwischen 20◦ . . . 25◦ .
8.3.4.1 Schaufelanzahl
Wilson und Jansen (1965) haben gezeigt, dass Radialturbinen mit gutem Wir-
kungsgrad einen Zusammenhang zwischen der Schaufelanzahl iS und dem Turbinen-
Minderleistungsfaktor εT haben, der sich in Anlehnung an die Wiesner-Korrelation (8.209)
durch die folgende Gleichung beschreiben lässt:
√
sin β1 c1u c1u
εT = 1 − 0.7
= = (8.257)
iS c 1uth u1
Der Minderleistungsfaktor εT ist hierbei der Wert, der sich ergeben würde, wenn die
Radialturbine umgekehrt – als es in Abb. 8.101 eingezeichnet ist – durchströmt werden
würde. Da β1 nach Abb. 8.101 im Auslegungspunkt gewöhnlich immer im Bereich von
8.3 Radialmaschinen 861
36
Saugseite
schraffiert dargestellt ist der
iS praktisch übliche Bereich
t1 von 9 bis 19 Schaufeln
v
te
ei
26
Gl
ks
uc
. (8
Dr
vmax
.2
63
)
−ω vmin 16
Gl
ass
ma
n (1
relativer 976)
Kanalwirbel
ω 6
10 15 20 25 30 α1
Abb. 8.103 Strömung in den Rotor einer zentripetal durchströmten Radialturbine – mit Einfluss
des relativen Kanalwirbels – zur Bestimmung der minimalen Schaufelanzahl iS
90◦ . . . 100◦ liegt und durch verstellbare Leitschaufeln auch außerhalb des Auslegungs-
punktes bei diesen Werten gehalten werden kann, ergibt sich wegen sin β1 ≈ sin 90◦ ≈ 1
aus Gl. (8.231) der folgende einfache geometrische Zusammenhang:
Eine andere Art zur Bestimmung der Anzahl von Rotorblättern in einer Radialturbine kann
mittels Gl. (8.192) vorgenommen werden, die die Änderung v der Relativgeschwindigkeit
v(su ) innerhalb eines Schaufelkanals zwischen Saug- und Druckseite in Umfangsrichtung
beschreibt. Für die halbe Schaufelkanalbreite in der Eintrittsteilung t1 gilt dann:
t1
v = vmax − vmin = 2 · ω · = ω · t1 (8.259)
2
An Saug- und Druckseite ergeben sich damit die maximalen und minimalen Relativge-
schwindigkeiten zu:
wenn v̄ die Geschwindigkeit in der Kanalmitte ist, Abb. 8.103. Für die kleinste Geschwin-
digkeit vmin an der Druckseite wird nun vorausgesetzt, dass sie nicht kleiner als null werden
soll, was bedeutet, dass es hier per Definition zu keiner Rückströmung kommt. Mit vmin = 0
ergibt sich aus Gl. (8.259):
v̄ = ω · t1 (8.261)
Die Teilung t1 ist der äußere Umfang 2 · r1 · π, dividiert durch die Schaufelanzahl iS .
Wenn u1 = r1 · ω die Umfangsgeschwindigkeit ist, so wird aus Gl. (8.261):
r1 r1 · ω u1
iS = 2 · π · =2·π · =2·π · (8.262)
t1 v̄ v̄
862 8 Thermische Turbomaschinen
Nach Abb. 8.80 ist tan α1 ≈ v1 /u1 ≈ v̄/u1 . Somit kann die Schaufelanzahl iS mit der
folgenden Beziehung berechnet werden:
2·π
iS = (8.263)
tan α1
Dieses ist die Anzahl von Schaufeln, die ein Rotor haben sollte, um sicherzustellen, dass es
am Eintritt nicht zu Rückströmungen und daraus resultierenden Verlusten kommt. Der
rechte Teil von Abb. 8.103 zeigt, dass Gl. (8.263) bei Winkeln α1 < 20◦ auf eine ver-
gleichsweise hohe Anzahl von Schaufeln und damit – wegen der vergrößerten umströmten
Fläche – zu erhöhten reibungsbedingten Verlusten führt. Praktisch wird dies also immer
auf einen Kompromiss hinauslaufen, bei dem zwischen den beiden hier beschriebenen
Verlustmechanismen abzuwägen ist, Hiett und Johnson (1964). Bei kleinen Winkeln α1
ergibt die nachfolgend angegebene empirische Gleichung von Glassman (1976) kleinere
Schaufelanzahlen, Abb. 8.103 rechts:
π 20◦ + α1
iS = · mit α1 in Winkelgraden[◦ ] (8.264)
30 tan α1
Die Kombination der Gln. (8.258) und (8.263) führt auf:
Für Minderleistungsfaktoren zwischen 0.785 < εT < 0.9 ergeben sich absolute Abström-
winkel zwischen 13◦ < α1 < 35◦ . Dieser Winkelbereich ist in Abb. 8.103 grau hinterlegt
worden. Der zum Eingang dieses Kapitels genannte typische Bereich von 9 . . . 19 Schaufeln
für praktisch ausgeführte Radialturbinen ist in Abb. 8.103 zusätzlich schraffiert dargestellt
worden. Es ist gut zu erkennen, dass speziell die empirische Lösung nach Glassman diesen
Bereich sehr gut abdeckt.
cp cp cp · Tt0 Tt2
ψh = 2 · (Tt2 − Tt0 ) = 2 · (Tt2 − Tt1 ) = · −1 (8.266)
u1 u1 u12 Tt0
Die spezifische Arbeit w = wRT einer Radialturbine kann zum einen durch die Euler-
sche Hauptgleichung und zum anderen durch den 1. Hauptsatz der Thermodynamik
beschrieben werden:
Wird von drallfreier Abströmung aus dem Rotor ausgegangen (c2u = 0) und werden die
Gln (8.266) und (8.267) miteinander kombiniert, so ergibt sich:
wRT u2 · c2u − u1 · c1u u1 · c1u c1u
ψh = = =− =− ≈ −1 (8.268)
u12 u12 u12 u1
8.3 Radialmaschinen 863
Hierbei wurde davon ausgegangen, dass u1 ≈ c1u ist. Bei Radialturbinen kann also die
Enthalpiekenngröße praktisch nicht kleiner als ψ h = −1 werden34 :
Mittels des Geschwindigkeitsdreiecks in Abb. 8.101 ergibt sich für die Umfangsgeschwin-
digkeit u1 am Rotoreintritt:
c12 κ −1
Tt1 = T1 + = Tt0 ⇒ κ · Ri · T1 = · 2 · c p · Tt0 − c12 (8.276)
2 · cp 2
34
Achtung! In der Literatur sind häufig größerer Werte für |ψh | zu finden, was darauf beruht, dass
dort die Enthalpiekenngrößen ψh auf die kleinere Umfangsgeschwindigkeit u2 bezogen sind.
864 8 Thermische Turbomaschinen
12o = α1
700
κ = 1.33 24
o
u1 Ri = 287 Nm/(kg. K) Mac1 = 1.00
[m/s] 36
o
550 12o
o
24 Mac1 = 0.75
o
36
400 12o
o
24 Mac1 = 0.50
o
36
250
100
800 1000 1200 1400 Tt0 [K] 1600
c12 = κ · Ri · T1 · Ma2c1
κ −1 κ −1
c12 = 2 · cp · Tt0 − c12 · · Ma2c1 = cp · Tt0 · (κ − 1) · Ma2c1 −c12 · · Ma2c1
2 2
2 κ −1 κ · Ri
c1 · 1 + Mac1 ·
2
= · Tt0 · Ma2c1 ·(κ − 1) = κ · Ri · Tt0 · Ma2c1
2 κ −1
κ · Ri
· Tt0 2 · cp · Tt0
κ · Ri · Tt0 · Ma2c1 κ · Ri · Tt0 κ −1
c1 =
2
= = =
κ −1 1 κ −1 1 1 1 1 2
1+ · Ma2c1 + · + · +1
2 Ma2c1 2 Ma2c1 κ − 1 2 Ma2c1 κ − 1
2 · c p · Tt0
c1 = (8.277)
2 1
· + 1
κ − 1 Ma2c1
Die Auswertung dieser Gleichung zeigt die Abb. 8.104. Es ist zu erkennen, dass hohe
Turbineneintrittstemperaturen Tt0 auch zu hohen Umfangsgeschwindigkeiten u1 führen.
Wegen der Zentrifugalbelastung der Beschaufelung werden in der Praxis die maximal
8.3 Radialmaschinen 865
80%
α1 = 7° 22°
α1 =
70% Kurve maximalen
statischen
28° Wirkungsgrades
α1 =
60%
34°
50% α1 =
8°
α1 = 3
40%
30%
20%
0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 1.2 1.4
spezifische Drehzahl nS
Abb. 8.105 Totaler und statischer Wirkungsgrad von Radialturbinenrotoren, aufgetragen über der
spezifischen Drehzahl. Adaptiert von Rohlik (1975). Der totale und der statische Wirkungsgrad sind
in Kap. 18, in Abschn. 18.1.4.1 und 18.1.4.2 definiert
c12
isentrope
2
Austritts-
geschwin- 2 p1 pt2 = Totaldruck hinter dem Laufrad
digkeit cis (pt2 < pt1 infolge Arbeitsabgabe und Dissipation)
(Spouting 2 Tt2 c22
Velocity) 2 p2 = statischer Druck am Turbinenaustritt
(hinter dem Laufrad)
ht 2is = cp ⋅ Tt 2is
Radialverdichter drallfrei zugeströmt wird (c1u = 0), so beschreibt ausschließlich das Aus-
trittsdreieck die spezifische Arbeit. Bei den Radialturbinen ist das ähnlich, nur dass dort
das Eintrittsdreieck maßgeblich ist.
35
Der Begriff der Spouting Velocity (Ausspeigeschwindigkeit) kommt ursprünglich aus dem Be-
reich der hydraulischen Turbinen. Er ist definiert als die Geschwindigkeit, die man gedanklich mit
der kinetischen Energie in Zusammenhang bringen muss, die dem isentropen Enthalpiegefälle zwi-
schen dem Totaldruck pt0 am Turbineneintritt und dem Turbinenaustrittsdruck entspricht. Der
Turbinenaustrittsdruck kann in dieser Definition eine unterschiedliche Bedeutung (Totaldruck oder
statischer Druck) haben, was davon abhängt, ob in den verwendeten Wirkungsgraddefinitionen
statische Größen oder Totalgrößen Verwendung finden. Auch kann es eine Rolle spielen, ob hinter
8.3 Radialmaschinen 867
cis2 cis2
− = (ht2 − ht0 ) = cp · (Tt2 − Tt0 ) < 0 ⇒ = cp · (Tt0 − Tt2 ) (8.279)
2 2
Für den typischen Auslegungsfall der meisten Radialturbinen: drallfreie Abströmung aus
dem Laufrad, c2u = 0, und gleichzeitig drallfreie Zuströmung zum Laufrad, c1u = u1 , ergibt
sich nach der Eulerschen Hauptgleichung (8.17):
cis2
w = u2 · c2u − u1 · c1u = −u1 · c1u = −u12 = cp · (Tt2 − Tt0 ) = − (8.280)
2
Hieraus ergibt sich nun aber auch:
u12 1 u1 1
= ⇒ = ≈ 0.7071 (8.281)
cis2 2 cis 2
dem Turbinenaustritt noch ein Diffusor in die Gesamtbetrachtung mit einbezogen wird oder nicht.
Wir wollen den Turbinenaustrittszustand für unsere Betrachtungen hier beim Totaldruck pt2 bzw.
bei der zugehörigen isentropen Totalenthalpie ht2is = cp · Tt2is definieren, was zu den im isentropen
Wirkungsgrad ηTs verwendeten Totalgrößen passt.
868 8 Thermische Turbomaschinen
Wird in diesem Ausdruck nun der Minderleistungsfaktor εT nach Gl. (8.257) eingeführt
und für εT = c1u /u1 = 0.83 gesetzt, was dem mittleren Wert des in Gl. (8.258) angegebenen
Wertebereichs entspricht, so ergibt sich:
$ $ $ $ + $
cp · $ Tt0,2 $ cp · $ Tt0,2 $ $
u1 = ≈ ≈ 1.0976 · cp · $ Tt0,2 $ (8.286)
εT 0.83
Mit dem auf Totalgrößen bezogenen isentropen Wirkungsgrad für adiabate Turbinen
analog zu Gl. 18.45:
$ $
ht0,2 Tt0,2 Tt2 − Tt0 $ Tt $
ηTs = = = =
0,2
(8.287)
ht0,2is Tt0,2 Tt2is − Tt0 Tt0 − Tt2is
is
Hat eine Radialturbine nun beispielsweise einen isentropen Wirkungsgrad von ηTS ≈ 0,802,
so führt Gl. (8.288) genau zu demselben Ergebnis wie Gl. (8.258), sodass zusammenfassend
als Näherungsgleichung zur Bestimmung der Umfangsgeschwindigkeit u1 der folgende
Ausdruck aufgeschrieben werden kann:
ηTs + + +
u1 = · cp · (Tt0 − Tt2 ) ≈ 0.983 · cp · (Tt0 − Tt2 ) ≈ cp · (Tt0 − Tt2 ) (8.289)
εT
annimmt. Der einzige Unterschied zu Gl. (8.241) besteht darin, dass unter dem Bruch-
strich die Änderung der Totalenthalpie nun in Betragsstrichen steht, da ht bei Turbinen
aufgrund des Temperaturabbaus im Laufrad negative Werte annimmt.
Wie die Berechnung der geometrischen Hauptabmessungen D1 und b1 sowie D2N und
D2G (vgl. Abb. 8.101) erfolgen kann, und wie die Bestimmung der Drehzahl nT erfolgt,
wird nun anhand eines Zahlenwertbeispiels gezeigt.
Beispiel 8.9
Für ein Radialturbinenlaufrad sollen in der Vorauslegung die Hauptabmessungen
D1 , b1 , D2N , D2G und die Drehzahl nT berechnet werden. Das Nabenverhältnis
am Laufradaustritt soll ν2 = r2N /r2G = 0.32 betragen. Totaldruck und Totaltempe-
ratur am Turbineneintritt betragen pt0 = 3.125 · 105 Pa und Tt0 = 1 200 K. Das
Laufrad soll iS = 13 Schaufeln, einen Massenstrom von ṁ = 0.5 kg/s, einen poly-
tropen Wirkungsgrad von ηT = 0.92 und eine spezifische Drehzahl von nS = 0.6
haben. Der Leitradaustrittswinkel beträgt α1 = 20◦ . Am Laufradaustritt soll schließ-
lich ein Totaldruck von pt2 = 1.1 · 105 Pa und ein statischer Druck von p2 = 105 Pa
(= Umgebungsdruck) vorliegen. Im Leitrad sind 4 % an Totaldruckverlust infolge von
Reibung zu berücksichtigen. Das Fluid sei heiße Luft, dessen Isentropenexponent
κ = 1.315 und dessen spezifische Gaskonstante Ri = 287 Nm/(kg · K) betragen. Aus
Gl. (8.258) wird nun der „Minderleistungsfaktor“ εT des Turbinenlaufrades geschätzt
werden:
1
iS = (1 − εT )− 0.7 ⇒ εT = 1 − iS−0.7 = 1 − 13−0.7 = 0.83395
Für die polytrope Zustandsänderung zwischen 1 und 2 werden aus Kap. 18 die
Gl. (18.239) und aus Kap. 18 die Gl. (18.133) verwendet, sodass schließlich die
Totaltemperatur am Laufradaustritt berechnet werden kann, wenn dabei mit n der
Polytropenexponent bezeichnet wird. Das Leitrad sei adiabat: Tt0 = Tt1 .
n−1
Tt2 Tt2 pt2 n κ n−1 n−1 κ −1
= = und ηT = · ⇒ = ηT ·
Tt1 Tt0 pt1 κ −1 n n κ
mit 4 % Reibungsverlusten im Laufrad erhält man
Aus der Gl. (8.266) kann dann die Umfangsgeschwindigkeit u1 berechnet werden:
cp · Tt1,2 cp · Tt1,2
ψh = ⇒ u1 =
u1 ψh
κ · Ri 1.315 · 287
mit cp = = = 1 198.111 Nm/(kg K)
κ −1 0.315
1 198.111 · (961.956 − 1 200)
ergibt sich dann u1 = = 584.8 m/s
−0.83395
+ $ $
Schätzung mittels Gleichung (8.289) u1 ≈ cp · $ Tt1,2 $ = 534 m/s
Aus Gl. (8.231) erhält man:
Aus Abb. 8.105 ist zu sehen, dass sich bei α1 = 20◦ und nS1 = 0,6 eine Radialturbine mit
bestem Wirkungsgrad ergeben sollte.
D1 4·π 4·π
= 2 · tan α1 = √ · tan 20◦ = 13.91244
b1 nS1 .|ψh |1/2 0.62 · 0.83395
Da das Leitrad adiabat ist, Tt0 = Tt1 , kann mittels Gl. (18.234) nun die Berechnung der
geometrischen Hauptabmessungen wie folgt fortgesetzt werden
c12 c2 519.02
Tt1 = T1 + ⇒ T1 = Tt0 − 1 = 1 200 − = 1 087.5925 K
2 · cp 2 · cp 2 · 1 198.111
κ−1 κ
Tt1 pt1
mit der Isentopenbeziehung = ergibt sich dann:
T1 p1
1−κκ
−4.174603
Tt0 1 200
p1 = pt1 · = 3 · 105 · = 1.98977 · 105 Pa
T1 1 087.5925
mittels der allgemeinen Gasgleichung p1 /ρ1 = Ri · T1 kann nun die Dichte ρ1
p1 1.98977 · 105
ρ1 = = = 0.637463 kg/m3
Ri · T 1 287 · 1 087.5925 K
Aus der Kontinuitätsgleichung folgt nun:
b1
ṁ = ρ1 · c1r · A1 = ρ1 · c1r · D1 · π · b1 = ρ1 · c1r · D12 · π ·
D1
ṁ D1 0.5 ∧
D1 = · = · 13.91244 = 0.139887 m = 140 mm
ρ1 · c1r · π b1 0.637463 · 177.5 · π
aus D1 /b1 = 13.91244 ergibt sich:
D1 0.1398870 ∧
b1 = = = 0.010055 m = 10 mm
13.91244 13.91244
π · nT π
aus u1 = r1 · ω = r1 · ⇒ u1 = · D 1 · nT
30 60
60 · u1 60 · 584.8
nT = = = 79 841.8 min−1
π · D1 π · 0.139887
werden:
π 2
ṁ = ρ2 · c2ax · · D2G − D2N
2
= ρ1 · c1r · π · D1 · b1
4
D2 ρ1 c1r
2
D2G − D2N
2
= D2G
2
1 − 2N
2
= D2G
2
· [1 − ν22 ] = 4 · · · D1 · b1
D2G ρ2 c2ax
ρ1 c1r D1 · b1
D2G = 4· · ·
ρ2 c2ax 1 − ν22
κ
Tt2 κ−1 pt2
mit der Isentopenbeziehung = ergibt sich dann
T2 p2
1−κ
−0.239544
pt2 κ 1.1 · 105
T2 = Tt2 · = 961.956 · = 940.24255 K
p2 105
Aus Abb. 8.99 und mit Verwendung der Gl. (18.234) folgt dann
√
c2 = c2ax = 2 · cp · (Tt2 − T2 ) = 2 · 1198.111 · (961.956 − 940.24225) = 228.1023 m/s
Das Nabenverhältnis ν2 = r2N /r2G am Laufradaustritt fällt gewöhnlich sehr klein aus und
hängt ganz wesentlich vom Nabenradius r2N ab. Denkbar wäre es, den Nabenradius gegen
null laufen zu lassen und so wirklich kleine Nabenverhältnisse zu erhalten. Dieses wird aber
deswegen nicht realisiert, weil die Turbinenschaufeln aus Festigkeitsgründen zur Nabe hin
dicker sein müssen als zum Gehäuse hin, da es nur so möglich wird, die auftretenden
8.3 Radialmaschinen 873
Fliehkraftbelastungen zu beherrschen. Die Folge ist, dass sich die durchströmbare Quer-
schnittsfläche zur Nabe hin reduziert. Kleine Nabenverhältnisse lassen die Schaufeln an der
Nabe aber immer näher zusammenrücken und die zusätzlich festigkeitsbedingte Schaufel-
verdickung bringt deswegen kaum Vorteile hinsichtlich des durchströmten Querschnitts.
Da das Beschleunigungsverhältnis der Relativströmung im Nabenbereich v2N /v1 immer
größer als wenigstens 1.1 sein soll, um so zu gewährleisten, dass die Strömung überall
zwischen Nabe und Gehäuse eine Beschleunigung erfährt, ergeben sich typischer Weise
an allen praktisch ausgeführten Radialturbinen Nabenverhältnisse, die generell zwischen
ν2 = 0.25 . . . 0.40 liegen.
Des Weiteren sollte darauf geachtet werden, dass das Durchmesserverhältnis D2G /D1
stets kleiner als 0.9 ausfällt, damit der Gehäusedurchmesser am Austritt kleiner ist
als der Durchmesser am Eintritt. Im vorhergehenden Beispiel 8.9 beträgt dieser Wert
beispielsweise D2G /D1 = 91.6/139.9 = 0.655.
v12 2
c1r c1u c1u
v1 = c1r + (u1 − c1u )
2 2
⇒ = 2 + 1−2· + 2
u12 u1 u1 u1
v12 c2 c2
2
= 1r2 + (1 − 2 · ψh + ψh2 ) = 1r2 + (1 − ψh )2 (8.292)
u1 u1 u1
Aus den Geschwindigkeitsdreiecken in Abb. 8.101 ergibt sich außerdem:
2
u2N r2 r2 r2
2
v2N = c2ax
2
+ u2N
2
= c2ax
2
+ 2
· u12 = c2ax
2
+ 2N
2
· u12 = c2ax
2
+ 2N · 2G · u12
u1 r1 r2G r12
2
2
r2G
2
v2N = c2ax
2
+ ν22 · · u12 (8.293)
r12
Dieser Ausdruck wird nun durch u12 dividiert und der erste Summand auf der rechten
2
Gleichungsseite mit c1r erweitert:
2
v2N c2 c2 r2
2
= 2ax
2
· 1r2 + ν22 · 2G (8.294)
u1 c1r u1 r12
874 8 Thermische Turbomaschinen
Abschließend wird nun Gl. (8.294) durch Gl. (8.292) dividiert und es ergibt sich das
gesuchte Beschleunigungsverhältnis:
2
c2ax c1r 2
r2
· 2 + ν22 · 2G
v2N 2
c1r u1 r12
= 2
> 1.1 (8.295)
v1 c1r
+ (1 − ψ h )2
u12
Werden in diese Beziehung die Zahlenwerte des Beispiels 8.9 eingesetzt, so ergibt sich ein
Beschleunigungsverhältnis von v2N /v1 = 1.27975 (mit v2N = 258.93 m/s), das die geforderte
Randbedingung – größer als 1.1 zu sein – gut erfüllt.
Beispiel 8.10
Die Skizze zeigt den Prinzipaufbau einer APU (Auxiliary Power Unit, Hilfstriebwerk)
für ein Transportflugzeug mit separaten Sektionen für den Gasgeneratorverdichter und
für den Arbeitsverdichter (Load Compressor). Eine Radialturbine (T) treibt über eine
gemeinsame Welle den Radialverdichter (V) der Gasgeneratorseite und den Arbeits-
verdichter (AV) an, ebenso wie die angeschlossenen Hilfsgeräte (H), wie Generator,
Kraftstoffpumpe und Ölpumpe. Die abgegebene Turbinenleistung ist PT = −390 kW,
bei Turbineneintrittsbedingungen von Tt0 = Tt1 = 1 315 K und pt0 = 3 · 105 Pa. Für die
Hilfsgeräte wird eine Leistung von PH = 50 kW benötigt. Der mechanische Wirkungs-
grad sei ηmech ≈ 1.0. Für den Verdichter gilt κ =1.4 und für die Turbine κ =1.33. Die
Gaskonstante ist generell überall Ri = 287 Nm/(kg · K).
Druckluft BK
zum Flugzeug 3 3 0
−PT
Leistungs- AV V T
abgabe +PH +PAV +PV
an die Hilfs-
geräte Abgas
1 1
2
Lufteintritt pamb, Tamb
In einem ersten Schritt sind die Drehzahl und die Hauptgeometriedaten der Radial-
turbine zu berechnen. Die maximal zulässige Umfangsgeschwindigkeit des Laufrades
soll u1max = 510 m/s nicht überschreiten und das vorgeschaltete adiabate Leitrad hat
4 % Totaldruckverluste (ζ =0,96) infolge viskoser Vorgänge. Darüber hinaus ist mit
folgenden Daten für die Radialturbine zu rechnen: ψh = −0.92, ηT = 0.85, nS1 = 0.7,
c2u = 0, α1 = 15◦ , ηT = 0.85. Am Turbinenaustritt soll das Nabenverhältnis ν2 = 0.35
8.3 Radialmaschinen 875
Die relative Zuströmung zum Rotor erfolgt also nicht genau radial, was für prak-
tisch ausgeführte Radialturbinen nicht ungewöhnlich ist, auch wenn die Beschaufelung
radial ausgerichtet ist: β1S = 90◦ . Nach Wilson und Jansen (1965) wird der Minderlei-
stungsfaktor mit εT ≈ 0.85 vorgegeben und dann daraus – mit – die Schaufelanzahl
berechnet:
√ 1 √ 1.428571
sin β1 0.7 sin 107.9796◦
iS = = ≈ 15 nach Wilson u. Jansen (1965)
1 − εT 0.15
1/2
b1 ϕ b1 n2 |ψh |3/2 0.72 0.921.5
nS = 2 · π · · $ 1$3/4 ⇒ = S · = · = 0.279163
r1 $ψ $ r1 2·π ϕ1 2 · π 0.246513
h
876 8 Thermische Turbomaschinen
Durch Umstellen der Gl. (8.278) wird die absolute Zuströmmachzahl zum Rotor
bestimmt:
c2 485.7516172
T1 = Tt1 − 1 = 1 315.0 − = 1 213.005 K
2 · cp 2 · 1 156.6969
2 Tt1 2 1 315.0
Mac1 = · − 1 = · − 1.0 = 0.713865
κ − 1 T1 0.33 1 213.005
pt1 288 000.00
p1 =
κ
=
4.03030303 = 208 006.75 N/m
2
0.33
κ −1 κ −1
1+ · 0.7138652
1+ · Ma2c1 2
2
p1 208 006.75
ρ1 = = = 0.597493 kg/m3
Ri · T 1 287 · 1 213.005
ṁT 1.62981
r1= = = 0.111219 m
ρ1 · c1r · 2 · π · (b1 /r1 ) 0.597493 · 125.721855 · 2 · π · 0.279163
D1 = 2 · r1 = 222.437 mm
∧
b1 = r1 · (b1 /r1 ) = 0.111219 · 0.279163 = 0.031048 m = 31.048 mm
u1 510.0 30
ω= = = 4 585.5625 s−1 ⇒ n= · ω = 43 788.8945 min−1
r1 0.111219 π
Tt2 1 108.124756
T2 = = = 1 082.337036 K
κ − 1 0.33
1+ · Ma2c2 1+ · 0.382
2 2
pt2 133 244.546875
p2 =
κ
=
4.03030303 = 121 181.11 N/m
2
0.33
κ −1 κ −1
1+ · 0.382
1+ · Ma2c2 2
2
p2 121 181.11
ρ2 = = = 0.390113 kg/m3
Ri · T 2 287 · 1 082.337
+
c2 = 2 · cp · (Tt2 − T2 )
√
c2 = 2 · 1 156.6969 · (1 108.124756 − 1 082.337036) = 244.248138 m/s
∧
D2N = ν2 · D2G = 0.35 · 0.157539 = 0.055139 m = 55.14 mm
u2G = (D2G /2) · ω = 361.203064 m/s u2N = (D2N /2) · ω = 126.421074 m/s
+
v2G = 2
c2ax + u2G
2
= 244.2481382 + 361.2030642 = 436.033051 m/s
v2N = 2
c2ax + u2N
2
= 244.2481382 + 126.4210742 = 275.026245 m/s
2
c2ax c1r2
r2
2 · 2 + ν22 · 2G
v2N c1r u1 r12 275.026
=
c2 = = 2.0807 > 1.1
v1 1r 132.1785
+ (1 − ψ h )2
u12
Durch diese Vorauslegungsrechnung sind die Hauptgeometriedaten der Radialtur-
bine (Schaufelanzahl, Durchmesser und Schaufelhöhen am Ein- und Austritt), die
Geschwindigkeitsdreiecke und die Drehzahl des Rotors in einer ersten Näherung
festgeschrieben.
Da Verdichter und Turbine auf einer gemeinsamen Welle sitzen, ist die zuvor
berechnete Turbinendrehzahl nun auch die Drehzahl des jetzt zu berechnenden Ra-
dialverdichters der Gasgeneratoreinheit, für den die folgende Daten gelten sollen:
ṁV = ṁT − ṁB = 1.575 kg/s, ηV = 0.9, πV = 3.1, α2 = 26.6◦ , c1u = 0. Die größ-
te maximal zulässige Umfangsgeschwindigkeit des Laufrades beim Radius r2 soll
u2max = 466 m/s nicht überschreiten Der Impeller soll iS = 30 rückwärts gekrümm-
te Schaufeln haben (davon 15 als Splitter Blades) und sein Ansaugzustand sei
T0 ≈ T1 = 293 K, p0 ≈ p1 = 1 013 hPa. Die absolute Zuströmmachzahl im
Impeller-Auge ist Mac1 = 0.61.
κ · Ri 1.4 · 287
cp = = = 1 004.5 Nm/(kg · K)
κ −1 0.4
κ−1
κ
κ −1 3.5
pt1 = p1 · 1 + · Ma2c1 = 101 300 · (1 + 0.2 · 0.612 ) = 130 232.3047 N/m2
2
p1 101 300
ρ1 = = = 1.204647 kg/m3
Ri · T 1 287 · 293
κ −1
Tt1 = T1 · 1 + · Ma2c1 = 293 · (1 + 0.2 · 0.612 ) = 314.805054 K
2
√ √
c1 = Mac1 · κ · Ri · T1 = 0.610 · 1.4 · 287 · 293 = 209.3 m/s
κ−1
ṁV 1.575
A1 = = = 0.006246 m2 mit c1ax = c1 , wegen c1u = 0
ρ1 · c1ax 1.204647 · 209.3
c2u = wV /u2 = 136 654.4844/466.0 = 293.25 m/s
1 1 π sin β2
cot β2S = = · 1− ·
tan β2S ϕ2 iS 1 − ε
◦ π sin β2 −1
⇒ β2S = 180 − arctan ϕ2 · 1 − ·
iS 1 − ε
◦
−1
π sin 139.633
β2S = 180◦ − arctan 0.315126 · 1 − · = 133.8652◦
30 1 − 0.902707
√ √
1 sin β2S 1 sin 133.8652◦
εW = 1 − 0.7 · = 1 − 0.7 · = 0.887366
iS 1 + ϕ2 · cot β2S 30 1 + 0.315126 · cot 133.8652◦
v2u = c2r · tan (90◦ − β2S ) = 146.848648 · tan (90◦ − 133.8652◦ ) = −141.143738 m/s
cp 1 004.5
Tt2 450.84735
T2 = = = 397.308228 K
κ −1 0.4
1+ · Ma2c2 1+ · 0.8208372
2 2
pt2 403 720.125
p2 =
κ−1
κ =
3.5 = 259 372.21875 Pa
κ −1 0.4
1+ · Mac2
2 1+ · 0.8208372
2 2
p2 259 372.21875
ρ2 = = = 2.274647 kg/m3
Ri · T 2 287 · 397.308228
8.3 Radialmaschinen 879
u2 466.00
r2 = = = 0.101623 m
ω 4 585.5625
b2 ṁV 1.575
= = = 0.072652
r2 2 · r2 · π · ρ2 · c2r
2
2 · 0.101623 · π · 2.274647 · 146.848648
2
∧
b2 = r2 · (b2 /r2 ) = 0.101623 · 0.072652 = 0.007383 m = 7.4 mm
√
2 · ϕ2 · π · (b2 /r2 ) 2 · 0.315126 · π · 0.072652
nS2 = = = 0.536804
ψh
3/4 0.6292920.75
V̇1 = ṁV /ρ1 = 1.575/1.204647 = 1.307182 m3 /s
√
ω · V̇1 4 585.5625 · 1.307182
nS1 = = = 0.737637
3/4
ht12 136 654.4843750.75
c1ax = c1 = 209.299698 m/s
3/2
ht12 136 654.4843751.5
A1 = n2S1 · = 0.7376372
· = 0.006246 m2
c1ax · ω2 209.299698 · 4 585.5625
∧
D1N = D2NTurbine = 0.055139 m = 55.14 mm
4 · A1 4 · 0.006246 ∧
D1G = + D1N
2
= + 0.0551392 = 0.104844 m = 104.844 mm
π π
D1G D1G 0.104844
= = = 0.515847 < 0.9 ⇒ O.K.
D2 2 · r2 2 · 0.101623
u1G = (D1G /2) · ω = (0.104844/2) · 4 585.5625 = 240.384811 m/s
Geht man nun mit den hier vorgegebenen bzw. den hier ermittelten Werten in den Rech-
nungsgang des Beispiels 8.7, so wird man eine ausgezeichnete Übereinstimmung der Er-
gebnisse feststellen können, wenn man dort − = c2r /c1ax = 0.70162 benutzt. Die dabei
erforderlichen Schätzwerte zu Beginn der Rechnung sollte man mit Mau2 = 1.168
und ϕ = 0.449 vorgeben. Alle restlichen Datenwerte können aus der vorhergehenden
Rechnung übernommen werden.
880 8 Thermische Turbomaschinen
Für den Arbeitsverdichter (Load Compressor) steht nun noch nachfolgende An-
triebsleistung zur Verfügung
Die Berechnung des Arbeitsverdichters läuft praktisch genauso ab, wie die zuvor durch-
geführte Berechnung für den Verdichter der Gasgeneratoreinheit. Es werden dazu
folgende Daten vorgegeben: ηV = 0.9, πV = 3.1, α2 = 27.0◦ , c1u = 0. Die maximal zu-
lässige Umfangsgeschwindigkeit des Laufrades soll u2max = 425 m/s nicht überschreiten
Der Impeller soll iS = 24 rückwärts gekrümmte Schaufeln haben (davon 12 als Splitter
Blades) und sein Ansaugzustand sei T0 ≈ T1 = 293 K, p0 ≈ p1 = 1 013 hPa. Die absolute
Zuströmmachzahl im Impeller-Auge sei hier nun Mac1 = 0.476.
κ−1
Fan
Niederdruckverdichter (NDV)
Hochdruckverdichter (HDV)
Abb. 8.107 Fan- und Verdichtersektion des Turbofantriebwerks PW 6000 (Airbus A318). Mit
freundlicher Genehmigung der MTU Aero Engines in München (Media Pool)
p+dp
db ⎛ ⎞
⎜⎜ p + dp ⎟⎟ ⋅ dr ⋅ db ⋅ sin dθ
⎜⎝ ⎟⎠
⎟ 2
2
dθ
dm
2 dr
b
dr r. d
p
cu dp ). d
dθ (p+ 2 dθ
2
r dθ
Abb. 8.108 Infinitesimales Fluidelement einer Drallströmung mit der absoluten Geschwindigkeits-
Drall-Komponente cu im Axialspalt zwischen Leit- und Laufrad einer Turbomaschinenbeschaufe-
lung, d. h., ohne Schaufelwirkung
r 2 · ωdm
2
c2
dFz = dm · r · ωdm
2
= dm · = dm · u (8.296)
r r
Diese Fliehkraft ist im Gleichgewicht (Summe aller Kräfte gleich null) mit den verschiede-
nen Druckkräften (Druck×Fläche), die an dem Fluidelement wirken:
dθ
dFz = − p · r · dθ · db + 2 · p · dr · · db − (p + dp) · (r + dr) · dθ · db
2
(8.297)
8.4 Dreidimensionale Strömungen 883
Von den drei hierin enthaltenen Hauptsummanden beschreibt der erste die Druckkraft
auf den unteren Teil, der zweite die beiden Druckkräfte auf die Seitenteile und der dritte
die Druckkraft auf den oberen Teil des Fluidelements. Abbildung 8.108 zeigt rechts, dass
sich die beiden auf die Seitenflächen des Fluidelements wirkenden Druckkräfte mit dem
folgenden Ausdruck berechnen lassen:
dp
p+ · dr · db
2
In der Mitte der Fläche soll der Druck p+dp/2 wirken. Da sin(dθ/2) ≈ dθ/2 ist, wenn der
Winkel dθ nur klein genug gewählt wird, wirkt dann in Radialrichtung die Komponente:
dp dθ dp dθ
p+ · dr · db · sin ≈ p+ · dr · db ·
2 2 2 2
Da das Produkt der infinitesimalen Differenzen (dp/2)·dr·db·(dθ/2) ≈ 0 ist, ergibt das
Ausmultiplizieren:
dp dθ dθ dp dθ dθ
p+ · dr · db · = p · dr · db · + · dr · db · ≈ p · dr · db ·
2 2 2 2 2 2
Das weitere Ausmultiplizieren von Gl. (8.297) ergibt nun:
⎧ ⎫
⎨p · r · dθ · db + p · dr · dθ · db − p · r · dθ · db − p · dr · dθ · db−⎪
⎪ ⎬
dFz = −
⎪
⎩−dp · r · dθ · db − dp · dr · dθ · db ⎪
⎭
Hierin heben sich die ersten vier Summanden gegeneinander heraus. Der letzte Term
dp·dr·dθ·db ist ein Produkt vieler infinitesimaler Differenzen und somit ungefähr gleich
null36 :
dFz = dp · r · dθ · db (8.298)
Wenn ρ die Dichte des Fluides ist, gilt für das Massenteilchen dm:
dr
dm = r + · dθ · dr · db · ρ ≈ r · dθ · dr · db · ρ (8.299)
2
Die Kombination der Gln. (8.296), (8.298) und (8.299) ergibt dann schließlich:
dp c2
=ρ· u für cr =const (8.300)
dr r
Je größer der Drall (Drehimpuls oder Impulsmoment) bzw. je größer cu ist, umso größer
wird der Druckgradient in Radialrichtung werden. Die Annahme, dass die Radialkompo-
nente cr konstant ist, bedeutet, dass die Stromlinien im betrachteten Bereich des Axialspalts
36
Beispiel: 10−3 · 10−3 · 10−3 · 10−3 = 10−12 = 0.0000000000001 → 0.
884 8 Thermische Turbomaschinen
keine Krümmung haben, sondern geradlinig verlaufen. Es werden nun die folgenden –
bereits bekannten – Gleichungen eingeführt:
c2
− Totalenthalpie ht = h + nach Gl. (18.4)
2
mit c 2 = cax
2
+ cu2 + cr2 nach Abb. 8.22
− statische Enthalpie dh = du + pdv + vdp nach Gl. (18.9)
− Gibbssche Gleichung dh = vdp + Tds nach Gl. (18.8)
Aus der Gibbsschen Beziehung und der Gleichung für die Totalenthalpie ergibt sich durch
Ableiten nach dr:
dh dp ds
=v· +T ·
dr dr dr
dht dh 1 d 2 1 d 1 d
= + · cax + · cu2 + · cr2
dr dr 2 dr 2 dr 2 dr
Werden diese beiden Gleichungen ineinander eingesetzt, so ergibt sich mit v = 1/ρ:
dht 1 dp ds 1 d 2 1 d 1 d
= · +T · + · cax + · cu2 + · cr2
dr ρ dr dr 2 dr 2 dr 2 dr
Wird nun die Voraussetzung dcr /dr = 0 berücksichtigt und außerdem die Gl. (8.300)
eingesetzt, so folgt:
dht c2 ds 1 d 2 1 d
= u +T · + · cax + · cu2 (8.301)
dr r dr 2 dr 2 dr
Zur weiteren Bearbeitung des Ausdrucks dcu2 /dr in dieser Gleichung, wird von der
Produktregel der Differenzialrechnung Gebrauch gemacht:
d 2 2 d 1 d 2 1 d 2 2 cu2
r · cu = r 2 · cu2 + 2 · r · cu2 ⇒ · · cu = · r · cu −
dr dr 2 dr 2 · r dr
2 r
Damit bekommt Gl. (8.301) die Form:
dht ds 1 d 2 1 d 2 2
−T · = · cax + · r · cu (8.302)
dr dr 2 dr 2 · r dr
2
d 2 1 d 2 2
0= c + · r · cu (8.303)
dr ax r 2 dr
8.4 Dreidimensionale Strömungen 885
Mittels der Produktregel der Differenzialrechnung können die in Gl. (8.303) enthaltenen
Terme umgeformt werden:
d 2 dcax dcax dcax
c = cax · + cax · = 2 · cax ·
dr ax dr dr dr
2
1 d 2 2 1 dcu cu dcu
· r · c u = · 2 · r · c 2
u + r 2
· 2 · c u · = 2 · + cu ·
r 2 dr r2 dr r dr
Gleichung (8.303) bekommt damit abschließend die folgende Form:
dcax dcu c2
0 = cax · + cu · + u (8.304)
dr dr r
Diese Gleichung wird als Einfaches Radiales Gleichgewicht (Simple Radial Equilibri-
um, SRE) bezeichnet und hat ausschließlich im unbeschaufelten Axialspalt zwischen
zwei Gitter-Schaufelreihen Gültigkeit. Für eine Schaufelauslegung kann nun vorgege-
ben werden, nach welcher Regel oder nach welchem Gesetz die Geschwindigkeiten cax
oder cu längs der Radialrichtung im Axialspalt verteilt werden sollen. Diese Verteilung,
zusammen mit einem, an einem beliebigen Radius (meist der Euler-Radius) vorgege-
benen Geschwindigkeitsdreieck, bestimmt dann in Radialrichtung die Zahlenwerte der
Geschwindigkeitskomponenten cax und cu im Axialspalt.
ln cu + C1 + ln r + C2 = const ⇒ ln cu + ln r = const
Die kreisende Bewegung eines Strömungsfeldes, das dem Gesetz cu · r = const gehorcht,
wird als Potenzialwirbel bezeichnet. Im englischen Sprachraum wird hierfür die Bezeich-
nung Free Vortex Condition benutzt. Dabei nimmt die Geschwindigkeit cu zum Gehäuse
hin mit 1/r ab, während sie bei Annäherung an die Nabe zunimmt. Werden dieses Ergeb-
nis und alle anderen bisher getroffenen Voraussetzungen zusammengefasst, so ergeben
886 8 Thermische Turbomaschinen
sich die folgenden fünf Bedingungen für das Radiale Gleichgewicht im Axialspalt zwischen
zwei Schaufelreihen:
Sie stellen damit eine Grundlage zur Auslegung der Beschaufelung in Radialrichtung dar.
Sie wirken sich im Axialspalt primär auf die Gestalt der Geschwindigkeitsdreiecke vor und
hinter der Beschaufelung aus und haben damit aber auch eine Rückwirkung auf die Gestal-
tung (Form) der davor bzw. dahinter angeordneten Schaufeln selbst. Aus den Ergebnissen
können die Variationen der Durchflusskenngröße ϕ = cax /u und der Enthalpiekenngrö-
ße ψ h = ht /u2 in Radialrichtung angegeben werden. Der Reaktionsgrad ρh kann unter
Verwendung von Gl. (8.111) wie folgt in die Betrachtung mit einbezogen werden:
c2u + c1u u uE r·ω rE · ω
ρh = 1 − mit = wegen = ⇒ ω = const
2·u r rE r rE
c2u + c1u r · c2u + r · c1u
ρh = 1 − uE = 1 − uE
2·r· 2 · r2 ·
rE rE
uE
mit r · c1u = const, r · c2u = const, 2 · = const
rE
Beispiel 8.11
Räumliche Laufradbeschaufelung einer Hochdruck-Turbinenstufe nach dem Potenzi-
alwirbelgesetz, deren Rotor mit einer Drehzahl von n = 10 000 min−1 dreht. Er soll
seinen Mittenschnitt M beim Euler-Radius rM = rE = 0.4 m haben und dort folgende
Kenngrößen aufweisen:
8.4 Dreidimensionale Strömungen 887
Axialgeschwindigkeit:
cax
ϕM = ⇒ cax = ϕM · uM
uM
cax = 0.6 · 418.88 = 251.33 m/s = const längs des Radius r
Totalenthalpieänderung:
ht
ψ hM = 2
⇒ ht = ψhM · uM
2
uM
ht = −1.75 · 418.882 = −307 054.406 m2 /s2 = const längs des Radius r
rm rm m/s rm m/s
1.00 −1.0 500 800
90° 180°
ψh α1 α2
v1 v2
ρh β2
ψh −1.5 β1 β2
c2 c1
ϕ ϕ
60° 400 c1 700
150°
β1
0.50 ρh −2.0
v1 v2
α2
30° 300 600
0.25 −2.5 120° c2
α1
90°
0.00 −3.0 0° 320
0 500
0.32 m 0.4 m 0.46 m 0.32 m 0.4 m 0.46 m 0.32 m 0.4 m 0.46 m
rN rE rG rN rE rG rN rE rG
cax ht const
ϕG = = 0.51788 ψhG = = −1.30375 ρhG = 1 − = 0.62750
uG uG2 rG2
cax ht const
ϕM = = 0.6000 ψhM = 2
= −1.7500 ρhM = 1 − 2
= 0.5000
uM uM rM
cax ht const
ϕN = = 0.73983 ψhN = = −2.6607 ρhN = 1 − = 0.2398
uN uN2 rN2
Abbildung 8.109 zeigt im linken Teil den Verlauf der drei Kenngrößen ϕ, ψ h und
ρh über dem Radius. Der mittlere Teil des Bildes zeigt den Verlauf der mittels der Gln.
(8.125) bis (8.128) berechneten relativen und absoluten Strömungswinkel β1 , β2 , α1 und
α2 zwischen dem Nabenradius rN und dem Gehäuseradius rG . Der rechte Teil des Bildes
zeigt ergänzend dazu den Verlauf der mittels der Gln. (8.129) bis (8.132) berechneten
relativen und absoluten Strömungsgeschwindigkeiten v1 , v2 , c1 und c2 zwischen dem
Nabenradius rN und dem Gehäuseradius rG . Der oben in den Bildern angegebene
Radius rm ist der Radius bei der halben Schaufelhöhe. Der Mittenschnittradius rM > rm
entspricht dem Euler-Radius rE .
Aus der radialen Verteilung der Strömungswinkel im Axialspalt zwischen den Schau-
felreihen kann das Aussehen der zugehörigen Schaufel längs des Radius abgeleitet
werden. Das Ergebnis zeigt Abb. 8.110. An der Nabe des Laufrades kommt es zu ei-
ner starken Strömungsumlenkung, die mit einem kleinen Reaktionsgrad verbunden
8.4 Dreidimensionale Strömungen 889
v2G = 669.8 m / s
v2M = 628.4 m / s
v2M = 589.6 m / s
v1N = 447.7 m / s
v1M = 296.4 m / s
Außenschnitt
v1G = 251.6 m / s
Abb. 8.110 Prinzipskizze zur grafischen Umsetzung der Anordnung der Turbinenlaufradprofile
in Radialrichtung, entsprechend der Ergebnisse der in Beispiel 8.11 durchgeführten Rechnung zum
Radialen Gleichgewicht nach dem Potenzialwirbelgesetz (Free Vortex Design)
ist. In Richtung auf das Gehäuse zu, nehmen die Umlenkung ab und der Reakti-
onsgrad zu. Am Verlauf des Winkels α1 (r) ist erkennen, dass es im vorgeschalteten
Leitrad nur zu einer vergleichsweise geringen Änderung des Strömungswinkels in
Radialrichtung kommt. Ein dem berechneten Laufrad nachfolgendes Leitrad einer wei-
teren Stufe würde mit der radialen Winkelverteilung α0 (r) = α2 (r) und der radialen
Strömungsgeschwindigkeitsverteilung c0 (r) = c2 (r) angeströmt werden.
Der Reaktionsgrad soll in Nabennähe nicht negativ werden, da sonst ein axialer –
der Arbeitsrichtung entgegengesetzt gerichteter – Druckgradient entsteht, der lokale
Rückströmgebiete und damit verbundene Wirkungsgradverluste zur Folge hätte.
Die spezifische Arbeit w = u2 · c2u − u1 · c1u = ht ist wegen des Potenzialwir-
belgesetzes über der Schaufelhöhe konstant. Aufgrund der veränderlichen Umfangsge-
schwindigkeiten in Radialrichtung ändert sich die Enthalpiekenngröße ψ h = ht /u2 so,
dass u an der Nabe klein und demzufolge ψ h groß ist. Analog dazu variiert auch die
Durchflusskenngröße ϕ = cax /u, obwohl cax längs r konstant ist.
Der zum Gehäuse hin ansteigende Reaktionsgrad (abnehmende Strömungsumlenkung)
bewirkt, dass der statische Druck p im Axialspalt zwischen Lauf- und Leitrad ansteigt,
890 8 Thermische Turbomaschinen
u m
σ
ax
Leitrad Laufrad
und damit auch die Dichte ρ. Wegen der längs der Schaufelhöhe konstant bleibenden
Geschwindigkeit cax wird sich also der lokale Volumenstrom zum Gehäuse hin verringern
(vgl. auch den Verlauf der Durchflusskenngröße ϕ in Abb. 8.110):
d ṁ = ρ · d V̇ = ρ · cax · dA = const
Da der Volumenstrom an der Nabe größer als am Gehäuse ist, kommt es zur Abdrän-
gung der Strömung in Richtung zum Gehäuse hin und damit zu einer unterschiedlichen
radialen Verteilung der Stromlinienkrümmungen. Abbildung 8.111 zeigt prinzipiell,
wie solche variierenden Krümmungen der Meridianstromlinien aussehen könnten. Bei
der hier vorliegenden Betrachtungsweise sind die Stromlinienkrümmungen auf die
axialen Schaufelbereiche begrenzt. Im Axialspalt zwischen den Schaufeln liegt keine
Stromlinienkrümmung vor.
Eine echte Potenzialwirbelstufe wird also immer nur dann vollständig realisierbar sein,
wenn das Fluid näherungsweise inkompressibel (ρ = const) ist. Je höher aber schließlich
die Strömungsgeschwindigkeiten sind, umso mehr wird sich auch die Dichte verändern
und damit auch die Stromlinienkrümmung zunehmen.
• b = 0 und n = −1 ergibt:
a · rM
cu = bzw. cu · r = a · rM = const
r
das bereits behandelte Potenzialwirbelgesetz (Free Vortex Blading).
• b = 0 und n = +1 ergibt:
cu a
= = const
r rM
den so genannten Festkörperwirbel bzw. die so genannte Festkörperrotation (Solid-Body
or First Power Blading).
• b = 0 und n = 0 ergibt:
cu = a = const
Allgemeine Lösungen für die Fälle n = −1, n = 0 und n = +1 sind z. B. bei Cohen et al.
(1996) zu finden und sind in Tab. 8.1 aufgelistet. Die Auswertung dieser Drallgesetze ist für
ρhM = 0.5 und rM = 0.4 m in Abb. 8.112 so dargestellt, dass ein direkter Vergleich mit dem
linken Teil von Abb. 8.109 möglich ist. Die Ergebnisse sind ähnlich und zeigen zur Nabe
hin eine Abnahme des Reaktionsgrades, die beim Potenzialwirbelgesetz am stärksten ist.
In vielstufigen Axialmaschinen sind von vorne nach hinten – je nach den lokalen Anfor-
derungen – unterschiedliche Drallgesetze zu finden. Das Potenzialwirbelgesetz (n = −1)
des konstanten Dralls bei gleich bleibender Axialgeschwindigkeit wird z. B. in den mittleren
und letzten Stufen von nicht allzu stark belasteten Axialverdichtern verwand. Die Gesetze
mit n = 0 und n = +1 werden in den ersten Stufen hoch belasteter Verdichter verwendet,
weil es damit einfacher wird, in den äußeren Schnitten der Laufräder das Auftreten von
transsonischen oder supersonischen Strömungen zu vermeiden.
Ein weiteres Drallgesetz, bei dem z. B. α1 längs der Schaufelhöhe konstant gehalten
wird, bietet den Vorteil einfacher konstruktiver Gestaltung, da die Schaufeln des dem
Laufrad vorgeschaltete Leitrades dadurch ohne Verwindung ausgeführt werden können.
Für eine möglichst gleichmäßige aerodynamische Belastung längs der Schaufelhöhe eignet
892 8 Thermische Turbomaschinen
1.00 rE = rM = 0.50 m
n
ρh 1 rN
0 ν= 0.55
rG
−1
0.75 ρhM = 0.75
rE = rM = 0.5 m
0
0.3408 m 0.4105 m 0.4802 m 0.5499 m 0.6196 m
rN rG
sich eine Schaufelverwindung nach dem Drallgesetz des konstanten Reaktionsgrades längs
der Schaufelhöhe. In Turbinen ist u. a. das Drallgesetz des konstanten Massenstroms längs
der Schaufelhöhe zu finden, das aber nicht mehr durch die Gleichungsformen (8.307)
beschrieben werden kann.
Im Rahmen des hier darzustellenden Stoffes ist es nicht sinnvoll, detaillierter auf die
verschiedenen Drallgesetze, deren Randbedingungen sowie deren einzelne Vor- und Nach-
teile einzugehen. Eine relativ umfassende Darstellung zu diesen Dingen ist bei Münzberg
(1972) und/oder Lakshminarayana (1996) zu finden.
Gleichgültig, welches der Drallgesetze zur Anwendung kommt, für alle gilt, dass der
Reaktionsgrad an der Nabe nicht negativ und an der Blattspitze nicht größer als eins
werden sollte. In Axialverdichtern ist zusätzlich in Lauf- und Leitrad längs der gesamten
Schaufelhöhen wenigstens das de Haller-Kriterium zu erfüllen.
Bei der Verdichterauslegung in Kap. 10 wird auf dieses Thema noch einmal zu-
rückgekommen und die Auslegung der ersten Stufe eines Axialverdichters nach dem
Festkörperwirbelgesetz dargestellt werden. Es wird sich dann zeigen, dass andere Drall-
gesetze, als das des Potenzialwirbels, ein deutliches Mehr an Rechenaufwand bedeuten,
speziell im Vergleich zu dem vorhergehenden Unterkapitel und dem dort dargestellten
Beispiel.
8.4.2 Stromlinienkrümmungsverfahren
In mehrstufigen Verdichtern oder Turbinen verlagert sich i. Allg. der Radius der Me-
ridianstromlinien infolge abwechselnden Auf- und Abbaus von Drall (Drehimpuls bzw.
Impulsmoment) alternierend beim Durchströmen der Leit- und Laufräder (Abb. 8.113),
8.4 Dreidimensionale Strömungen 893
Stator
was zu zusätzlichen Druckgradienten und daraus resultierenden Einflüssen auf die Strö-
mung führt. Das im vorherigen Kapitel beschriebene Radiale Gleichgewicht berücksichtigt
diese besondere Eigenschaft nicht. Die Stromlinienkrümmung (Streamline Curvature) hat
kombiniert wirkende Ursachen
In der Summe ergibt dies zusammen mit einigen weiteren Effekten schließlich ein kom-
pliziertes Meridianstromlinienbild mit räumlich gekrümmten Stromflächen, die sich nicht
mehr in der Ebene abwickeln lassen, wodurch eine Behandlung der Strömung nach
den Modellvorstellungen in Abb. 8.2 ein nicht mehr praktikables physikalisches Mo-
dell ist. Die meisten der genannten Ursachen für räumliche Strömungseffekte sind nicht
reibungsbedingte Phänomene und können von daher durch vereinfachte Bewegungsglei-
chungen beschrieben werden, die keine viskosen Terme enthalten. Sekundärströmungen
dagegen haben primär ihre Ursache in der Existenz von Reibungsschichten (Grenz-
schichten) an den umströmten Oberflächen von Schaufeln, Gehäuse und Nabe, wodurch
Geschwindigkeitsgradienten normal zu den Oberflächen entstehen, die ihrerseits Wir-
894 8 Thermische Turbomaschinen
belstärke37 (Vorticity) in die Abströmung der Schaufeln tragen. In vielen Fällen kommt
es zu ausgeprägten Interaktionen zwischen den reibungsfreien und den reibungsbehafte-
ten Phänomenen, die oft auch noch zu deren Verstärkung beitragen. So existiert zwar
auch in reibungsfreien Strömungen im Spalt zum Gehäuse hin sowohl ein Druckun-
terschied zwischen Schaufelvorder- und -hinterkante38 als auch ein Druckausgleich am
Schaufelende zwischen der Saug- und Druckseite (ähnlich dem induzierten Wider-
stand39 bei Tragflügeln) und es kommt dadurch zu einer Wirbelbildung, aber gesteuert
wird dieses Aufrollen der Strömung und die daraus resultierenden Diffusionseffekte
ausschließlich durch viskose Einflüsse. In transsonischen und supersonischen Gitterströ-
mungen existieren auch ohne Viskosität Verdichtungsstöße. Treffen diese Stöße aber auf
die Grenzschichten der Schaufeln und/oder der Seitenwände, so kommt es zu ausge-
prägten Stoß-Grenzschicht-Wechselwirkungen mit Strömungsablösungen, die ihrerseits
wieder Quelle für die Ausbildung weiterer Verdichtungsstöße oder Expansionsfächer sein
können und deswegen bei der Beschreibung dreidimensionaler Strömungsfelder nicht
vernachlässigt werden dürfen. Verdichtungsstöße führen im Strömungsfeld zu plötzlichen
Änderungen bei der Dichte und der Strömungsumlenkung und so schließlich zu daraus
resultierenden Stromliniendivergenzen. Die geometrischen Strukturen solcher Verdich-
tungsstöße sind in Turbomaschinen stark dreidimensional und demzufolge auch die sich
daraus entwickelnden Strömungseffekte.
Sowohl radiale Änderungen in der Kontur der Naben- und der Gehäusewandungen als
auch im Verlauf der Strömungskanalhöhe in Axialrichtung führen zu Radialkomponenten
bei den Strömungsgeschwindigkeiten. Aus Festigkeitsgründen sind Schaufeln im Naben-
bereich fast immer dicker als am Gehäuse (vgl. hierzu auch Kap. 8.2.3.1) und bewirken so
radiale Stromlinienverschiebungen mit entsprechenden Geschwindigkeitskomponenten.
In transsonischen Strömungen kommt es zwischen den Schaufeln zum Sperren (d. h. die
lokale Strömungsgeschwindigkeit erreicht die Schallgeschwindigkeit) bzw. zum Blockieren
der Strömungskanäle. Dieses Phänomen tritt wegen der radialen Fächerung der Schau-
feln und der sich damit ändernden Teilung (radiale Änderung der engsten Querschnitte
zwischen den Schaufeln) nicht gleichmäßig längs der Schaufelhöhen auf und erzeugt so
ebenfalls einen radialen Versatz der Stromlinien.
37
Strömungsmechanischer Begriff, der die Grenzschicht als zusammengesetzte Wirbellinien be-
schreibt, die in ihrer Umgebung ein Geschwindigkeitsfeld induzieren. Die strömungsmechanische
Wirbelstärke ist mit der Stromstärke der Elektrodynamik zu vergleichen, die in ihrer Umgebung
ein Magnetfeld induziert, was in der Strömungsmechanik einem induzierten Geschwindigkeitsfeld
entspricht.
38
In Verdichtern wird vom Funktionsprinzip her längs der axialen Schaufelbreite Druck aufgebaut
und in Turbinen wird Druck abgebaut.
39
Der induzierte Widerstand wird durch seitliche Ausgleichsströmungen hervorgerufen, die
durch strömungsbedingte Druckunterschiede zwischen Profilober- und -unterseite entstehen.
Der induzierte Widerstand geht additiv mit dem Oberflächenwiderstand (Reibung) und dem
Druckwiderstand (Form der Stirnfläche) in den Gesamtwiderstand ein.
8.4 Dreidimensionale Strömungen 895
n ie
mlin
Stro m, s
v2 Stromlinie
dm
Tangential-
ebene
r
Rn u
Meridianebene ω Krümmungs-
radius der
Stromlinie dm
u =r ⋅ω
Tangential- v1
ebene
Krümmungs-
radius der
Stromlinie s
Rk
dm
Stro
mlin
ie
Abb. 8.114 Allgemeine Durchströmung einer Turbinenbeschaufelung auf einer räumlich ge-
krümmten Stromfläche
• k-Richtung. Steht senkrecht zur lokalen Strömungsrichtung innerhalb des durch die
Schaufeln beschriebenen Strömungskanals und weist dadurch mal mehr und mal
weniger in Umfangsrichtung
896 8 Thermische Turbomaschinen
• s-Richtung. Ist die lokale Strömungsrichtung und weist dadurch mal mehr und mal
weniger in Axialrichtung
• n-Richtung. Steht senkrecht zur lokalen Strömungsrichtung innerhalb des durch Nabe
und Gehäuse beschriebenen Strömungskanals bzw. normal zur Tangentialebene und
weist dadurch mal mehr und mal weniger in Radialrichtung
Die Tangentialebene ist eine gedachte lokale Fläche, die im Fluidteilchen dm die Rotati-
onsfläche gerade tangiert. Senkrecht zur Tangentialebene steht die Meridianebene. Beide
Ebenen sind Abb. 8.114 (oben links) gekennzeichnet worden. Die Stromlinie ist räum-
lich gekrümmt. Die jeweilige lokale Krümmung wird durch die beiden Radien Rk und Rn
beschrieben.
d
c d
u d
v
c =
u +
v ⇒ = + ⇒ b abs = b u + b rel (8.308)
dt dt dt
Da ein rotierendes Relativsystem kein Inertialsystem40 mehr darstellt, sind in dem mit u
bewegten Relativsystem die ideellen Feldkräfte – Corioliskraft41 und Zentripetalkraft42 –
bzw. die zugehörigen Beschleunigungen bc und bz einzuführen, d. h. die Beschleunigung
bu wird durch die Coriolisbeschleunigung bc und die Zentripetalbeschleunigung bz ersetzt:
b abs = b rel + b c + b z (8.309)
d
c
F = dm · = dm · b abs (8.310)
dt
40
Alle physikalischen Bezugssysteme, in denen physikalische Vorgänge nach den gleichen Gesetzen
ablaufen wie in einem gedachten, absolut ruhenden System, sind untereinander vollkommen gleich-
berechtigt und werden Inertialsysteme genannt. Beschleunigte Systeme sind keine Inertialsysteme
mehr. Sie unterscheiden sich vom Inertialsystem durch das Auftreten von Trägheitskräften, die das
Resultat der Beschleunigungen sind.
41
Nach dem französischen Mathematiker Gaspard Gustave Coriolis (*1792 †1843) benannte Träg-
heitskraft. Bewegte Körper erfahren relativ zu einem rotierenden System Beschleunigungen, die sie
relativ zu einem Inertialsystem nicht erfahren und denen im rotierenden System Trägheitskräfte
entsprechen.
42
Ein sich auf einer gekrümmten Bahn bewegendes Massenelement erfährt neben etwaigen Bahn-
beschleunigungen auch stets eine Zentripetalbeschleunigung in Richtung auf das Drehzentrum zu.
Die zugehörige Trägheitskraft heißt Zentripetalkraft.
8.4 Dreidimensionale Strömungen 897
Durch Einsetzen von Gl. (8.309) ergibt sich hieraus die so genannte d’Alembertsche Form
des Newtonschen Axioms43 :
F = dm · ( b rel + b c + b z ) (8.311)
In dieser Gleichung wird die linke Seite als die Summe aller äußeren Kräfte bezeichnet und
die rechte Seite als die Summe aller Trägheitskräfte. Die Vektorgleichung (8.311) wird nun
in ihre drei Komponentengleichungen zerlegt, bezogen auf das k-s-n-Koordinatensystem.
Es wird dazu mit der Relativbeschleunigung brel begonnen.
Dv ∂v dv
= + vgl. hierzu auch Kap. 18.10, Kap. 18.10.4
Dt ∂t dt
Die konvektive Beschleunigung liefert in den meisten Strömungen den dominanten An-
teil. Die lokale Beschleunigung ist für instationäre Strömungen von Interesse, die aber
nicht Bestandteil der hier vorliegenden Betrachtungen sein sollen. Es ist zweckmäßig, den
konvektiven Anteil der Beschleunigung durch die lokale Geschwindigkeitsänderung dv/d
eines allgemeinen Strömungsweges, der hier mit bezeichnet werden soll, auszudrücken:
dv ∂v d ∂v d
= · =v· mit v=
dt ∂ dt ∂ dt
43
Jean le Rond d’Alembert (*1717 †1783), französischer Mathematiker, Physiker und Philosoph.
d’Alembertsches Prinzip: In Bezug auf ein mit einem beschleunigten Körper mitbewegtes Bezugs-
system befindet sich dieses in Ruhe. Die vektorielle Summe aller am Körper angreifenden Kräfte,
einschließlich der an ihm angreifenden Trägheitskräfte (−m · b), ist stets gleich null. Der Vorteil
des d’Alembertsches Prinzips liegt darin, dass mit ihm das Erfassen der Kräfte, die an einem be-
schleunigten Körper angreifen, auf eine statische Gleichgewichtsbedingung zurückgeführt werden
kann.
44
Gemäß des 2. Newtonschen Axioms handelt es sich bei der Berechnung von Beschleunigungen
um die Ermittlung zeitlicher Geschwindigkeitsänderungen eines Massen- oder Fluidteilchens, wo-
durch der Begriff substanzieller Differenzialquotient (vgl. hierzu auch Kap. 18.10, Abschn. 18.10.4)
entsteht. Diese Beschleunigung besteht aus zwei Anteilen. Der erste Anteil heißt lokale Beschleuni-
gung, wird mit ∂v/∂t bezeichnet und kommt dadurch zu Stande, dass sich in einem Raumpunkt des
Strömungsfeldes die Geschwindigkeit v(, t) mit der Zeit ändert, wenn die Bewegung instationär ist.
Der zweite Anteil heißt konvektive Beschleunigung, wird mit dv/dt bezeichnet und kommt dadurch
zu Stande, dass sich die Geschwindigkeit des Fluidteilchens längs des Strömungsweges ändert. Sie
wird also durch die Ortsänderung des Flüssigkeitsteilchens hervorgerufen. Die konvektive Beschleu-
nigung existiert auch in stationärer Strömung, und zwar immer dann, wenn der Strömungskanal
durch den das Fluid strömt, entweder konvergent (Düse) oder divergent (Diffusor) ist.
898 8 Thermische Turbomaschinen
n −bz
s
m
γ
−bzn
π
β−
σ −bzs 2
−bzsk ene
Rk ianeb
β erid
dm M −bz
m
k ax
−bzk ω
e r u
lini ax
rom chse
St ionsa
Rotat
σ u
σ
Dv ∂v ∂v
= +v· (8.312)
Dt ∂t ∂
Mit dieser Vorbetrachtung kann nun die Relativbeschleunigung brel in ihre drei Kom-
ponenten zerlegt werden. Anstelle des allgemeinen Strömungsweges werden nun die
Weglängen k, s, n im zugehörigen k-s-n-Koordinatensystem benutzt:
∂v ∂v dk ∂v dk
brelk = + · = ·
∂t ∂k dt ∂k dt
∂v ∂v ds ∂v ds ∂v
brels = + · = · mit =0 (8.313)
∂t ∂s dt ∂s dt ∂t
∂v ∂v dn ∂v dn
breln = + · = ·
∂t ∂n dt ∂n dt
Für die n-Komponente der Zentripetalbeschleunigung folgt dann aus den geometrischen
Verhältnissen in Abb. 8.115, wenn σ die Neigung der Tangentialebene gegenüber der
Rotationsachse ax ist:
Wird der lokale relative Strömungswinkel β eingeführt, so lassen sich aus den geometri-
schen Zusammenhängen in Abb. 8.115 – zusammen mit Gl. (8.317) – die anderen beiden
Beschleunigungskomponenten berechnen:
s
r von ω und v aufgespannte Fläche
n m
v ω paralell verschoben
ω
Rechtsschraube, wenn v auf kürzestem
Weg nach ω gedreht wird
Stromlinie
k
u
v Rechts-
bc bc steht senkrecht auf der von schraube
ω und v aufgespannten Fläche
σ
ω
bc = 2 ⋅ (v × ω )
ω
k
u
bC
bCn
σ
Die rechte Gleichungsseite stellt die Summe der Trägheitskräfte dar. Werden nun die
entsprechenden Komponenten aus den Gln. (8.313), (8.318) und (8.322) eingesetzt und
außerdem berücksichtigt, dass v = ds/dt ist, so ergibt sich:
∂v
Fs = dm · v · − r · ω · sin σ · sin β
2
(8.323)
∂s
Die linke Gleichungsseite stellt die Summe aller äußeren Kräfte am Fluidelement dm dar
und ist die Summe aus Reibungskraft FR (Tangentialkraft) und Druckkraft Fp (Normal-
kraft). Aus dem linken Teil von Abb. 8.118 (dAs = dn · dk) ist zu entnehmen, dass für die
Druckkraft der folgende Ausdruck gilt:
∂p ∂p
Fp = p · dAs − p + · ds · dAs = − · dk · ds · dn (8.324)
∂s ∂s
Die Reibungskraft FR ist negativ, da sie der s-Richtung entgegen gerichtet ist. Im Übrigen
tritt sie auch nur in s-Richtung auf, da ja nur in dieser Richtung der Bewegungsvorgang
stattfindet. Für die k- und n-Komponenten wird FR zu null werden. Somit folgt aus Gl.
(8.297):
∂p ∂v
0=− · dk · ds · dn − FR − dm · v · + dm · r · ω2 · sin σ · sin β
∂s ∂s
Wird berücksichtigt, dass für das Fluidelement dm = ρ · dk · ds · dn gilt, wenn ρ die Dichte
des Fluides ist, so folgt schließlich:
1 ∂p FR ∂v
0=− · − −v· + r · ω2 · sin σ · sin β (8.325)
ρ ∂s dm ∂s
902 8 Thermische Turbomaschinen
⎛ ⎞ s m
∂p
⎜⎜⎜ p + ⋅ dp⎟⎟⎟ ⋅ dAs
⎝ ∂s ⎠ m dr σ
n Rn sin
dr
σ
Fluidelement ω
dm = ρ ⋅ dk ⋅ ds ⋅ dn
ω s
dAS = dn ⋅ dk
β−π/2 ds
k
m
ds
Rk u β = ds ⋅ cos (β − π / 2)
dn
che ω = ds ⋅ sin β
dk nflä
r Meridia h s e
ac
p ⋅ dAS tions
Stromlinie Rota k
u
dr = sin σ ⋅ sinβ ⋅ ds
Die Gl. (8.325) ist die sog. Bewegungsgleichung in s-Richtung. Der rechte Teil von
Abb. 8.118 zeigt, dass dr/ds = sinσ · sinβ gilt. Aus Gl. (8.325) wird damit:
1 ∂p FR ∂v
0=− · · ds − · ds − v · · ds + r · ω2 · dr (8.326)
ρ ∂s dm ∂s
2 dp 2 FR 2 2
0=− − · dAs − v · dv + ω2 · r · dr
1 ρ 1 ρ 1 1
c22 − c12
wtech = wtech
irr
= wtech
rev
+ eDiss + (8.328)
2
45
Dissipation ist der Anteil an mechanischer Energie, der infolge viskoser Vorgänge in nicht weiter
technisch nutzbare Wärme umgewandelt wird. Vgl.: Kap. 18, Abschn. 18.1.2, Gl. (18.15).
8.4 Dreidimensionale Strömungen 903
Hierin ist wtech die spezifische Arbeit, die auch durch die erweiterte Form der Eulerschen
Hauptgleichung (8.22) beschrieben werden kann:
dhROT = dw + deDiss
+ v · dv + ω2 · r · dr = dh + v · dv + ω2 · r · dr (8.329)
∂v dn
Fn = dm · · − r · ω · cos σ − 2 · ω · v · cos σ · cos β
2
(8.330)
∂n dt
Die linke Seite dieser Gleichung stellt die Summe aller äußeren Kräfte dar, die sich
beim Fluidelement dm aus der Reibungskraft FR (Tangentialkraft) und der Druckkraft
Fp (Normalkraft) zusammensetzt. Aus dem linken Teil von Abb. 8.119 (dAn = ds · dk) ist
zu entnehmen, dass für die Druckkraft der folgende Ausdruck gilt:
∂p ∂p
Fn = p · dAn − p + · dn · dAn = − · dk · ds · dn (8.331)
∂n ∂n
Die Reibungskraft ist null, da sie nur in der Bewegungsrichtung s- und nicht in n-Richtung
auftreten kann. Somit folgt aus Gl. (8.330):
∂p
− · dk · ds · dn =
∂n
∂v dn
= dm · · − dm · r · ω2 · cos σ − dm · 2 · ω · v · cos σ · cos β (8.332)
∂n dt
Wird berücksichtigt, dass für das Fluidelement dm= ρ · dk · ds · dn gilt, wenn ρ die Dichte
des Fluides ist, so folgt schließlich:
1 ∂p ∂v dn
0=− · − · + r · ω2 · cos σ + 2 · ω · v · cos σ · cos β (8.333)
ρ ∂n ∂n dt
Der Anteil der Relativbeschleunigung (∂v/∂n) · (dn/dt) kann mittels der Hilfsdarstellung
im rechten Teil von Abb. 8.119 abgeleitet werden. Das Fluidteilchen dm strömt dabei auf
904 8 Thermische Turbomaschinen
n
s
m
⎛ ⎞
⎜⎜ p + ∂p ⋅ dp⎟⎟ ⋅ dA
⎜⎝ ∂n ⎠⎟ n
Der Vektor von ω*
ω ω* schaut aus der Zeichen-
ebene heraus
Fluidelement
dm = ρ ⋅ dk ⋅ ds ⋅ dn k
Rn Stromlinie
ds u n
s, m
dn p ⋅ dAn
dk r ω v = Rn ⋅ ω *
Stromlinie dAn = ds ⋅ dk
chse b z*
tationsa gedachte
Ro
Zentripetal-
beschleunigung
einer gekrümmten Stromlinie, die hinsichtlich der n-Richtung den vergleichsweise großen
lokalen Krümmungsradius Rn hat. Dieser Bewegung auf der gekrümmten Bahn kann eine
hypothetische Winkelgeschwindigkeit ω∗ zugeordnet werden. Die lokale Geschwindigkeit
v ist unter diesen Umständen vergleichbar mit einer Art von „Umfangsgeschwindigkeit“
auf der gekrümmten Bahn (Bahngeschwindigkeit): v = Rn · ω∗ . Die hier zugehörige,
hypothetische Zentripetalbeschleunigung bz ist dann bz = −[ω∗ × v]. Diese Beschleuni-
gung entspricht der n-Komponente der Relativbeschleunigung breln , die ihre Ursache eben
genau in dieser hier beschriebenen Bewegung des Fluidteilchens hat. Ohne die gekrümmte
Bahn wäre diese Feldbeschleunigung gleich null. Der eingeschlossene Winkel zwischen
den Vektoren ω∗ und v ist, wie der rechte Teil von Abb. 8.119 zeigt, gleich 90◦ . Es ergibt
sich also:
∂v dn v2
breln = ω∗ ×
= bz∗ = −[ ω∗,
v ] = −ω∗ · v · sin ( v ) = −ω∗ · v = − (8.334)
∂n dt Rn
Da bz∗ entgegen zum Radius Rn wirkt, ist das negative Vorzeichen eingeführt wor-
den. Das Zusammenführen der Gln. (8.333) und (8.334) ergibt dann schließlich die
Bewegungsgleichung in n-Richtung:
1 ∂p v2
0=− · + + r · ω2 · cos σ + 2 · ω · v · cos σ · cos β (8.335)
ρ ∂n Rn
Der Radius Rn in dieser Gleichung, der auf das mitbewegte Koordinatensystem bezogen ist,
kann mittels der Eulerschen Formel zur Krümmung einer Fläche (Bronstein und Semend-
jajew 1977) durch einen in der Meridianebene definierten Radius Rm im maschinenfesten
8.4 Dreidimensionale Strömungen 905
Dieser Ausdruck kann nun durch Ausklammern in die folgende Form gebracht werden:
1 ∂p v 2 sin2 β cos σ 2 2
0=− + + (v cos β + r 2 · ω2 + 2 · r · ω · v · cos β) =
ρ ∂n Rm r
1 ∂p v 2 sin2 β cos σ 2 2
0=− + + (v cos β + u2 + 2 · u · v · cos β) =
ρ ∂n Rm r
1 ∂p v 2 sin2 β cos σ
0=− + + (v cos β + u)2 (8.338)
ρ ∂n Rm r
Aus der Geometrie des allgemeinen Geschwindigkeitsdreiecks in Abb. 8.24 ist zu
entnehmen, dass gilt:
π cm
cos β − = sin β = ⇒ cm 2
= v 2 · sin2 β
2 v
u − cu
cos (π − β) = − cos β = ⇒ v · cos β = cu − u ⇒ cu = v · cos β + u
v
∂v dk
Fk = dm · · + r · ω2 · sin σ · cos β + 2 · ω · v · sin σ (8.340)
∂k dt
Die linke Seite dieser Gleichung stellt die Summe aller äußeren Kräfte dar, die sich
beim Fluidelement dm aus der Reibungskraft FR (Tangentialkraft) und der Druckkraft
Fp (Normalkraft) zusammensetzt. Aus dem linken Teil von Abb. 8.120 (dAk = ds · dn) ist
zu entnehmen, dass für die Druckkraft der folgende Ausdruck gilt:
∂p ∂p
Fk = p · dAk − p + · dk · dAk = − · dk · ds · dn (8.341)
∂k ∂k
906 8 Thermische Turbomaschinen
n Rk
s
m gedachte bz*
dn Zentripetal-
beschleunigung
ds ω
p ⋅ dAk k
⎛ ∂p ⎞
Fluidelement ⎜⎜⎜ p + ⋅ dp⎟⎟⎟ ⋅ dAn Stromlinie k
⎝ ∂n ⎠
dm = ρ ⋅ dk ⋅ ds ⋅ dn dk dAk = ds ⋅ dn u
r ω
Stromlinie
e
achs
o tations
R
Die Reibungskraft ist null, da sie nur in der Bewegungsrichtung s- und nicht in k-Richtung
auftreten kann. Somit folgt aus Gl. (8.340):
∂p
− · dk · ds · dn =
∂k
∂v dk
= dm · · + dm · r · ω2 · sin σ · cos β + dm · 2 · ω · v · sin σ (8.342)
∂k dt
Wird berücksichtigt, dass für das Fluidelement dm = ρ · dk · ds · dn gilt, wenn ρ die Dichte
des Fluides ist, so folgt schließlich:
1 ∂p ∂v dk
0=− · − · − r · ω2 · sin σ · cos β − 2 · ω · v · sin σ (8.343)
ρ ∂k ∂k dt
Der Anteil der Relativbeschleunigung (∂v/∂n) · (dn/dt) kann mittels der Hilfsdarstellung
im rechten Teil von Abb. 8.120 abgeleitet werden. Das Fluidteilchen dm strömt dabei auf
einer gekrümmten Stromlinie, die hinsichtlich der k-Richtung den vergleichsweise großen
lokalen Krümmungsradius Rk hat. Dieser Bewegung auf der gekrümmten Bahn kann eine
gedachte Winkelgeschwindigkeit ω∗ zugeordnet werden. Die lokale Geschwindigkeit v ist
unter diesen Umständen vergleichbar mit einer Art von „Umfangsgeschwindigkeit“ auf der
gekrümmten Bahn (Bahngeschwindigkeit): v= Rk · ω∗ . Die hier zugehörige, hypothetische
Zentripetalbeschleunigung bz ist dann bz = −[ω∗ × v]. Diese Beschleunigung entspricht
der k-Komponente der Relativbeschleunigung brelk , die ihre Ursache eben genau in dieser
8.4 Dreidimensionale Strömungen 907
β−π/2
dr π−β
β k
dk
β−π/2
u
dr
dk ⋅ cos (π − β ) = ω
sin σ
dr
= − sin σ ⋅ cos β
dk
hier beschriebenen Bewegung des Fluidteilchens hat. Ohne die gekrümmte Bahn wäre
diese Feldbeschleunigung gleich null. Der eingeschlossene Winkel zwischen den Vektoren
ω∗ und v ist, wie der rechte Teil von Abb. 8.120 zeigt, gleich 90◦ . Es ergibt sich also:
∂v dk v2
brelk = · ω∗ ×
= bz∗ = −[ ω∗,
v ] = −ω∗ · v · sin ( v ) = −ω∗ · v = − (8.344)
∂k dt Rk
Da bz∗ entgegen des Radius Rk wirkt, ist das negative Vorzeichen eingeführt wor-
den. Das Zusammenführen der Gln. (8.333) und (8.334) ergibt dann schließlich die
Bewegungsgleichung in k-Richtung:
1 ∂p v2
0=− · + − r · ω2 · sin σ · cos β − 2 · ω · v · sin σ (8.345)
ρ ∂k Rk
Die Geometrie in Abb. 8.121 zeigt, dass dr/dk= −sinσ · cosβ gilt. Wenn zudem für die
Umfangsgeschwindigkeit u = r · ω eingeführt wird, dann wird aus Gl. (8.345):
1 ∂p v2 ∂u
0=− · + − 2 · ω · v · sin σ + u (8.346)
ρ ∂k Rk ∂k
Schließlich wird nun noch die Energiegleichung (8.327) in differenzieller Form aufge-
schrieben und ebenfalls nach k abgeleitet. Es ergibt sich:
dv 2 du2 ∂w ∂e ∂v ∂u
0 = −dw − deDiss
− + ⇒ 0=− − Diss − v · +u·
2 2 ∂k ∂k ∂k ∂k
(8.348)
Werden nun die Gln. (8.348) und (8.347) miteinander kombiniert, so folgt daraus:
∂v v 1 ∂e
= 2 · ω · sin σ − − · Diss (8.349)
∂k Rk v ∂k
Für eine rein radial gerichtete Strömung (z. B. Impeller eines Radialverdichters mit radial
endenden Schaufeln) wird in Gl. (8.349) σ = 90◦ und damit sinσ =1. Ebenfalls existiert
dadurch auch kein Krümmungsradius in k-Richtung, d. h. Rk → ∞ bzw. v/Rk → 0. Wird
dazu noch Reibungsfreiheit angenommen, d. h. eDiss = 0, so vereinfacht sich Gl. (8.349) zu
der Form:
∂v
=2·ω (8.350)
∂k
Diese Gleichung wurde in Kap. 8.3.1.1 dazu verwendet, das Modell des relativen Kanal-
wirbels in einem Radialverdichter zu erklären. Gleichung (8.349) macht aber nun auch
klar, dass die nachteilige Wirkung des relativen Kanalwirbels, der zu der so genannten
Minderleistung eines Impellers führte, durch Schaufelkrümmung (Rk = 0) und Reibung
(eDiss > 0) gemindert wird. Die Erläuterungen zu Abb. 8.91 bestätigen dies.
Die jeweils auf der linken Gleichungsseite stehenden Ausdrücke ∂p/ρ in allen drei Glei-
chungen (8.351) sind die Anteile der spezifischen Strömungsarbeit dw in differenzieller
Form längs der jeweiligen Koordinatenrichtung, vgl. Kap. 18, Abschn. 18.1.2, Gl. (18.12).
In der obersten Beziehung des Gleichungssystems (8.351) stehen auf der rechten
Gleichungsseite von links nach rechts: die Relativ-, die Zentripetal- und die Coriolis-
beschleunigung. In der mittleren Beziehung sind es die Verzögerung infolge Reibung, die
Relativ- und die Zentripetalbeschleunigung. Die Coriolisbeschleunigung hat hier keinen
Anteil. In der untersten Beziehung von (8.351) stehen – genau wie bei der obersten Glei-
chung – auf der rechten Gleichungsseite von links nach rechts: die Relativ-, die Zentripetal-
und die Coriolisbeschleunigung.
Der Übergang zum räumlich durchströmten Leitrad erfolgt im Gleichungssystem
(8.351) dadurch, dass ω = 0 und v = c gesetzt werden. Durch ω = 0 entfallen alle
Anteile der Coriolis- und Zentripetalbeschleunigungen. Für Leiträder ergibt sich damit
das folgende einfache System von Gleichungen
1 ∂p c2
· =
ρ ∂k Rk
1 ∂p FR ∂c
· =− −c· (8.352)
ρ ∂s dm ∂s
1 ∂p c2
· =
ρ ∂n Rn
Diese beiden Systeme von partiellen Differenzialgleichungen (8.351) und (8.352) (Be-
wegungsgleichungen) stellen die Lösung des räumlichen Strömungsproblems durch
thermische Turbomaschinen (Rotor und Stator) dar. Ihre Lösung verlangt die simulta-
ne Integration von jeweils drei partiellen Differenzialgleichungen unter Verwendung der
Energiegleichung (8.327) bzw. (8.348) und unter Beachtung der Kontinuitätsgleichung
und der jeweiligen geometrischen Randbedingungen der zu berechnenden Maschine. Eine
geschlossene Lösung für dieses komplexe Problem ist nicht möglich, sodass in den letzten
Jahren zahlreiche aufwendige und inzwischen sehr hoch entwickelte numerische Lösungs-
verfahren von ebenso zahlreichen Autoren entwickelt wurden, deren Lösungsalgorithmen
zwar oft unterschiedlich sind, deren Qualität der Lösung aber eigentlich nur noch von der
Leistungsfähigkeit der dabei verwendeten Rechner bestimmt bzw. eingeschränkt wird.
Die hier dargestellten stationären Bewegungsgleichungen (Differenzialgleichungen)
haben die mathematische Eigenschaft, dass sie im subsonischen Fall von elliptischer
Form und im supersonischen Fall von hyperbolischer Form sind. Da in modernen Tur-
bomaschinen überwiegend transsonische Strömungen vorliegen, kommt also bei den
910 8 Thermische Turbomaschinen
Abb. 8.122 Typischer Aufbau von Rechennetzen zur numerischen Lösung von Bewegungsglei-
chungen durch Turbomaschinenbeschaufelungen. Hier am Beispiel von Hochdruckturbinenschau-
feln; links Beach (1990), rechts MISES V. 2.5.6 by Drela und Youngren (1998)
1 ∂p c2 c2
· = m + u · cos σ (8.353)
ρ ∂r Rm r
Für Axialmaschinen mit kleinem Neigungswinkel der Meridiankoordinate (σ → 0◦ ,
cos σ → 1) und schwach gekrümmten Stromlinien (Rm = ∞) im Axialspalt wird cm ≈ cax ,
bei vernachlässigbar kleinen Radialkomponenten cr , Gleichung (8.353) bekommt so die
folgende Form:
1 ∂p c2 c2
· = ax + u (8.354)
ρ ∂r Rm r
Es wird nun die Energiegleichung (8.328) in differenzieller Form eingeführt und nach dem
Radius r abgeleitet, wobei die Laufradkennzeichnung entfällt, da hier eine Strömung im
unbeschaufelten Axialspalt betrachtet wird
c22 − c12
wtech = wtech
irr
= wtech
rev
+ eDiss + = ht
2
c 2 − c12
wtech = wtech
irr
= wtech
rev
+ eDiss + 2 = ht
2
∂c 2
⇒ ∂wtech
irr
= ∂wtech
rev
+ ∂eDiss + = ∂ht
2
∂w irr ∂w rev ∂eDiss ∂c ∂ht
= + +c· = (8.355)
∂r ∂r ∂r ∂r ∂r
Unter Verwendung der Gln. (18.12) und (18.15) aus Kap. 18 können die Ausdrücke
∂w rev 1 ∂p ∂eDiss ∂s
= · =T·
∂r ρ ∂r ∂r ∂r
in die Gl. (8.355) überführt werden:
1 ∂p ∂ht ∂s ∂c
· = −T · −c· (8.356)
ρ ∂r ∂r ∂r ∂r
Schließlich wird nun noch die Absolutgeschwindigkeit c in ihre Komponenten cax und cu
zerlegt. Wie weiter oben erläutert, soll für die Radialkomponente cr → 0 gelten:
unberücksichtigt, sodass der Dissipationsterm T · (∂s/∂r) = 0 wird. Damit ergibt sich die
Allgemeine Differenzialgleichung des Radialen Gleichgewichts:
2 rN2
ṁ = ρ · cax · A = ρ · cax · π · rG − rN = ρ · cax · π · rG · 1 − 2
2 2
rG
1 − ν2
ṁ = 2 · π · ρ · cax · rE2 · (8.361)
1 + ν2
Bei modernen Turbofantriebwerken werden zu lange Schaufeln im Eintritt des Nieder-
druckverdichters dadurch vermieden, dass sowohl ν = rN /rG als auch rE groß ausgeführt
914 8 Thermische Turbomaschinen
werden, sodass eine Ringraumfläche mit großen Durchmessern – aber kleiner Kanalhö-
he – am Verdichtereintritt entsteht. Die Abb. 2.16, 2.19 und 2.20 veranschaulichen diese
Konstruktion, die größere Massenströme bei kleineren Schaufelhöhen gestattet.
Als Nachteil langer Schaufeln mit kleinen Nabenverhältnissen ist zu vermerken, dass
solche Schaufeln in Radialrichtung stark verwunden sein müssen, wegen der starken Um-
lenkung im Nabenbereich, und dass die Schaufeln wegen ihrer langen radialen Erstreckung
eine erhebliche Fächerung aufweisen (Schwingungen, Lärm). Die kleinen Nabenradien
rN machen des Weiteren die Schaufelbefestigung konstruktiv schwierig, da dort nicht
viel Einbauplatz zur Verfügung steht. Bei modernen Turbofantriebwerken betrifft dies
insbesondere den Fan des Triebwerks.
rN rG x
x=0
würden den Umfang dieses Buches und auch die Bedeutung der Theorie der Wirkenden
Scheibe für die Flugtriebwerke bei weitem übersteigen. Deswegen wird sich im Folgenden
auf eine kurze Übersichtsdarstellung beschränkt.
Es wird davon ausgegangen, dass die Strömung weit vor und weit hinter der Scheibe
parallel zur Achse verläuft und dort die Bedingungen des radialen Gleichgewichts erfüllt.
Im Bereich der Scheibe selbst sollen die radialen Verschiebungen der Stromlinien gering
und die Komponente cu nur mit dem Radius r veränderlich sein.
An der axialen Position der Scheibe (x = 0) soll die Axialgeschwindigkeit cax (r), an
einem bestimmten Radius r, gleich dem arithmetischen Mittelwert aus den Axialgeschwin-
digkeiten weit vor und weit hinter der Scheibe – bei ein und demselben Radius r – sein.
Abbildung 8.123 verdeutlicht die verwendeten Indices, wobei 10 und 20 die Positionen
unmittelbar vor und hinter der Scheibe, die selbst bei x = 0 positioniert ist, und 1∞ und
2∞ die Positionen weit vor und weit hinter der Scheibe beschreiben:
cax1∞ + cax2∞
cax10 = cax20 = für r = const (8.362)
2
Diese Beziehung wird als das sog. Mittelwertgesetz (Mean-Value Rule) bezeichnet. Im
Strömungsfeld hinter der Scheibe (x > 0) wird nun die Differenz zwischen der Axial-
geschwindigkeit an irgendeiner Position cax (x, r) und der ganz weit hinter der Scheibe
cax (x = 2∞ , r) liegenden als Geschwindigkeitsstörung bezeichnet, wobei entsprechend
Abb. 8.124 (unten) die Axialgeschwindigkeitsstörung am Ort der Scheibe (x = 0) mittels
des Ausdrucks c 0 und die an irgendeinem Ort x in der Abströmung mittels c beschrieben
wird.
Eine wesentliche Aussage der Theorie der Wirkenden Scheibe ist es nun, dass die
Axialgeschwindigkeitsstörung exponentiell mit dem Abstand zur Scheibe abklingt. Dies gilt
entsprechend Abb. 8.124 sowohl für die Zu- als auch für die Abströmung. Die Abklingrate
wird mit c /c 0 bezeichnet und durch die folgende Gleichung beschrieben:
c ∓ π·x
= 1 − e rG ·(1−ν) (8.363)
c 0
Hierin ist rG der Gehäuseradius entsprechend Abb. 8.123 und ν = rN /rG das Nabenverhält-
nis. Durch das Minuszeichen im Exponenten wird die Strömung hinter der Scheibe (x > 0)
916 8 Thermische Turbomaschinen
x
x=0
cax(x, r=const)
cax1∞
cax1
cΔ
cax10
cax20
cΔ
cΔ0
cax2
cax2 ∞
und durch das Pluszeichen die Strömung vor der Scheibe (x < 0) beschrieben. Wenn cax1
und cax2 Axialgeschwindigkeiten im Strömungsfeld vor bzw. hinter der Scheibe sind und
cax10 und cax20 Axialgeschwindigkeiten unmittelbar vor bzw. hinter der Scheibe, so kann
aus Abb. 8.124 abgelesen werden:
cax1∞ − cax2∞
cax1 = cax10 + c bzw. cax2 = cax20 − c und c 0 =
2
Das Einsetzen der Gl. (8.362) und der Abklingrate c /c 0 (8.363) ergibt dann:
cax1∞ − cax2∞ + r ·(1−ν)
π·x
cax1 = cax1∞ − ·e G
2 (8.364)
cax1∞ − cax2∞ − r ·(1−ν)
π·x
cax2 = cax1∞ + ·e G
2
Diese beiden Gleichungen, die für inkompressible Strömungen gelten, sind in sehr guter
Übereinstimmung mit experimentellen Untersuchungen an Gebläsen und Ventilatoren,
wie es Abb. 8.125 beispielhaft zeigt. In der Literatur sind weitergehende Ausführungen über
die Erweiterung der Theorie der Wirkenden Scheibe sowohl auf mehrere hintereinander
geschaltete Scheiben (Dixon 1998) als auch auf kompressible Strömungen (Horlock 1985)
zu finden.
Für die Verteilung der Radialkomponente cr (x, r) wird eine aus theoretischen Über-
legungen (Definition einer Potenzialfunktion und Einsetzen dieser Funktion in die
linearisierte Kontinuitätsgleichung) gewonnene Funktion verwendet:
∂cr cr ∂cax
+ + =0 (8.365)
∂r r ∂x
8.4 Dreidimensionale Strömungen 917
Axialgeschwindigkeit [m/s]
Horlock 1962) und der Theorie 39 Scheibe
der Wirkenden Scheibe
(einzelne, separate
36
Schaufelreihe). (Adaptiert von
Dixon (1998)) Theorie
33 Messpunkte
30
27
−150 −100 −50 0 50 100 150
x-Koordinate [mm]
Durch Separation der Variablen kann hieraus die Verteilung der Axialgeschwindigkeiten
cax (x,r) entsprechend der Gl. (8.364) ermittelt werden, wobei der Wert πim Exponenten
eine Näherungslösung für die Bessel-Funktion ersten Grades darstellt. Der Rechnungsgang
bei der Theorie der Wirkenden Scheibe verläuft dann wie folgt:
• Die radialen Verteilungen der Axialgeschwindigkeiten (cax1∞ und cax2∞ ) weit vor
und weit hinter einem Gitter werden – nach der Methode des Einfachen Radia-
len Gleichgewichts – durch Vorgabe eines Drallgesetzes (radiale Verteilung von cu )
ermittelt.
• Für die Beschaufelung werden die axiale Breite, die Schaufelhöhe und das Nabenver-
hältnis festgelegt, und dann die einzelnen Schaufelreihen durch Wirkende Scheiben
ersetzt.
• Mittels der Gl. (8.364) zur Theorie der Wirkenden Scheibe können dann die Axial-
geschwindigkeiten cax (x, r) in jedem Punkt berechnet werden. Für die geometrische
Schaufelgestaltung ist dabei speziell die Geschwindigkeitsverteilung an der Position der
Ein- und Austrittskante der eigentlichen Beschaufelung von Interesse.
• Aufgrund der Voraussetzung, dass die Drallkomponente cu nur vom Radius r abhängt
(Drallgesetz), können aus der Geometrie der Geschwindigkeitsdreiecke die absoluten
und relativen Strömungswinkel α und β an der Schaufelvorder- und -hinterkante be-
stimmt und daraus auf die jeweilige geometrische Grundstruktur des Schaufelprofils
rückgeschlossen werden.
c1ax c2ax
tan α1 = tan α2 =
c1u c2u
c1ax c2ax
tan β1 = tan β2 =
c1u − u c2u − u
918 8 Thermische Turbomaschinen
r
S2-Fläche S2
S1
S1-Fläche
ax, x
Die Theorie der Wirkenden Scheibe liefert gegenüber der Methode des Einfachen Ra-
dialen Gleichgewichts i. Allg. immer eine verbesserte Näherungslösung, da hierbei
die Krümmung der Stromlinien innerhalb der Schaufelpassagen mitberücksichtigt wird.
Die Übertragung der Theorie der Wirkenden Scheibe auf die Lösung von komple-
xen dreidimensionalen Strömungen mit variierenden Naben- und Gehäuseradien und
ungleichförmigen Totaldruckverteilungen hat sich als wenig praktikabel herausgestellt,
sodass hier die weiter oben erwähnten numerischen Verfahren in der Praxis den Vorzug
bekommen haben.
Bei der Berechnung von Turbomaschinen werden die allgegenwärtigen Verluste durch
die Einführung von Wirkungsgraden berücksichtigt. Dabei unterscheidet man zwischen
inneren und äußeren Verlusten:
Gerade bei den inneren Verlusten ist es in vielen Fällen schwer – vielleicht sogar un-
möglich – zwischen den einzelnen Verlustursachen klar zu unterscheiden, da hier mehr
oder minder stark ausgeprägte Interaktionen existieren. Die Basis einer analytischen
Verlustbestimmung kann von daher im Wesentlichen nur auf Erfahrungswerten beru-
hen, die das Ergebnis umfangreicher experimenteller Untersuchungen sind. Theoretische
Überlegungen verschaffen zumeist nur einen qualitativen Überblick. Vielfach wird schließ-
920 8 Thermische Turbomaschinen
lich mit Daten gearbeitet, die eine Koppelung aus theoretischen Gesetzmäßigkeiten mit
experimentellen Ergebnissen sind.
Pmech
ηTmech = 1 + irr
für Turbinen (8.367)
Ptech T
irr irr
In diesen beiden Gleichungen sind Ptech V
> 0 bzw. Ptech T
< 0 die strömungsmechanischen
Leistungen, die entsprechend Gl. (8.16), P = ṁ · w, zwischen Rotor und Fluid in idealer
Weise ausgetauscht werden. Pmech ist die mechanische Verlustleistung in den Lagern und
Dichtungen und ist sowohl bei Verdichtern als auch bei Turbinen stets positiv definiert.
Beim Durchtritt rotierender Teile (Wellen) durch das Gehäuse kommt es unweigerlich
zu Leckagen, die als Massenverluste bezeichnet werden. Hierdurch wird energiehaltiges
Fluid an die Umgebung abgegeben. Aufgrund konstruktiver Maßnahmen (Labyrinthdich-
tungen) werden diese Verluste aber möglichst gering gehalten, sodass sie bei den meisten
Betrachtungen vernachlässigbar sind.
8.5.2 Strömungsverluste
Alle realen Fluide haben eine endliche kinematische Zähigkeit ν. Das führt auch bei
Strömungen mit großen Reynoldszahlen46
c·
Re = , (8.368)
ν
46
Die Reynoldszahl stellt das Verhältnis von Trägheitskraft zu Reibungskraft dar und wurde 1883
von Osborne Reynolds (*1842 †1912) bei Untersuchungen zu Rohrströmungen gefunden. Dabei ist
ν = μ/ρ die kinematische Zähigkeit, μ die dynamische Zähigkeit und ρ die Dichte des Fluides. Im
Zähler steht mit c die Strömungsgeschwindigkeit und mit eine charakteristische Länge des um-
oder durchströmten Körpers. Man vergleiche hierzu auch die weitergehenden Ausführungen in Kap.
3.6.
8.5 Verluste in thermischen Turbomaschinen 921
saugseitiges
Geschwindig- Ablösegebiet
Grenzschicht keitsprofil
Nach-
c lauf-
delle
Staupunkt
reibungsfreie
druckseitiges Außenströmung
Geschwindig-
keitsprofil
Abb. 8.127 Prinzipskizze zur möglichen Grenzschichtentwicklung längs der Saug- und Druckseite
eines Schaufelprofils, mit Ablösegebieten und Nachlaufdelle
8.5.2.1 Profilverluste
Auf der Saug- und Druckseite eines umströmten Profils bilden sich Grenzschichten (Rei-
bungsschichten) aus, die im Staupunkt beginnen und an der Hinterkante – wenn sie nicht
zuvor ablösen – ihre maximale Dicke erreichen und hinter dem Profil zu den so genannten
Nachlaufdellen zusammenlaufen, Abb. 8.127. Durch das Vermessen der Geschwindigkeits-
bzw. der Totaldruckverteilung im Schaufelnachlauf kann z. B. mittels des Impulssatzes der
Strömungsmechanik die sog. Impulsverlustdicke δ2 experimentell ermittelt werden (vgl.
Beispiel 18.5 in Kap. 18). Diese ist ein Maß für die Geschwindigkeits- und Massendif-
ferenz gegenüber der idealen, reibungsfreien Strömung und ist damit proportional zur
reibungsbedingten Widerstandskraft FWR des Profils:
F WR = ρ · b r · c 2 · δ 2 (8.369)
In Gl. (8.369) ist ρ die Dichte des Fluides und br die radiale Schaufelerstreckung (Schaufel-
höhe, vgl. z. B. Abb. 8.29) zwischen Nabe und Gehäuse. Daraus ergibt sich der zugehörige
Widerstandsbeiwert für das umströmte Profil:
2 · F WR 2 · δ2
cWR = = (8.370)
ρ · br · c 2 ·
Hierin ist die Sehnenlänge des Profils, Abb. 8.127. Bei Kenntnis der Druckverteilung
um das Profil kann die Impulsverlustdicke δ2 auch theoretisch berechnet werden, z. B.
922 8 Thermische Turbomaschinen
s pt
= − ln A (8.371)
Ri p tE
Dieser Ausdruck gilt für eine isotherme Zustandsänderung mit TtE = TtA = const, d. h. für
eine adiabate Beschaufelung. Hierin ist Ri die spezifische Gaskonstante, ptE der Totaldruck
vor dem Profil und ptA derjenige hinter dem Profil. Der Ausdruck pt = ptE − ptA > 0 ist
47
Validierung (lateinisch validus = wirksam oder gesund) ist der Nachweis der Reproduzierbarkeit
der Ergebnisse eines Computerprogramms unter klar definierten Randbedingungen. Für die Vor-
gehensweise bei einer solchen Validierung gilt an allererster Stelle der Grundsatz: „Traue niemals
dem Benutzer und seinen Eingabewerten“. Die Validierung von Ergebnissen kann zu verschiedenen
Zeiten währende des Nutzungszyklus einer Software stattfinden.
8.5 Verluste in thermischen Turbomaschinen 923
s pt
= − ln 1 − (8.372)
Ri ptE
Der natürliche Logarithmus kann nach Taylor in Reihe entwickelt werden. Es gilt hierbei
allgemein:
x2 x3 x4
ln (1 − x) = −x − − − − ...... . für | x | < 1
2 3 4
Da pt /ptE < 1 ist, kann Gl. (8.372) durch analoge Anwendung dieser Reihenentwicklung
in die folgende Form gebracht werden:
s pt 1 pt 2 1 pt 3 1 pt 4
= + · + · + · + ...... .
Ri pt E 2 p tE 3 p tE 4 p tE
Da in Grenzschichten der Term pt /ptE 1 klein ist, können die Terme höherer
Ordnung vernachlässigt werden, und es ergibt sich:
s pt pt − ptA pt
= = E = 1 − A := ζ (8.373)
Ri pt E p tE p tE
Dabei ist es üblich, den isothermen Totaldruckverlust in Form eines dimensionslosen
Verlustbeiwertes anzugeben, der mit ζ bezeichnet wird. Anzumerken ist, dass auch andere,
aber generell ähnliche Formen für den Verlustbeiwert ζ verwendet werden, wie z. B.:
2 · pt s 2 · ptE s ρ · cE2
ζ = = · bzw. =ζ· (8.374)
ρ · cE2 Ri ρ · cE2 Ri 2 · p tE
Die Profilverluste beinhalten also alle Verluste infolge von Grenzschichteffekten, d. h.
Reibung, Strömungsablösungen sowie Wirbelablösungen und Vermischung im Nachlauf.
Dabei wird Strömungsenergie (mechanische Energie) in Wärme gewandelt, was als Dissi-
pation bezeichnet wird. Erst die Kenntnis dieses Temperaturanstieges ermöglicht es, aus
dem Verlustbeiwert ζ die Dissipation deDiss = Tds nach Gl. (A.15) zu bestimmen. In trans-
sonischen und supersonischen Strömungen bilden sich zusätzlich Verdichtungsstöße aus,
die das Verlustniveau ganz erheblich weiter anheben. Über einen solchen Stoß kommt
es längs eines sehr kurzen Weges zu einem sprunghaften Entropieanstieg sVS . Die Gas-
dynamik (Zierep 1976) bietet hier zwar längliche aber dennoch einfache Beziehungen
an:
0
κ 1
2·κ 2 1
ln 1 + (Ma2 sin2 θ − 1) · 1 − 1−
sVS κ +1 κ +1 Ma2 sin2 θ
= (8.375)
Ri κ −1
Hierin ist Ma die Machzahl vor dem Verdichtungsstoß und θ der Neigungswinkel des Sto-
ßes (vgl. hierzu Abb. 18.35 und 18.36 im Kap. 18). Für einen senkrechten Verdichtungsstoß
wird θ = 90◦ und damit sin θ = 1. Die Beziehung (8.375) vereinfacht sich damit zu
0
κ 1
2·κ 2 1
ln 1 + · (Ma2 − 1) · 1 − · 1−
sVS κ +1 κ +1 Ma2
= (8.376)
Ri θ = 90◦ κ −1
924 8 Thermische Turbomaschinen
Ma2
0.06
schwach umlenkendes
Außenschnittgitter
0.02 β1 = 118o Ma1
Abb. 8.128 Gitterverlustbeiwert über der isentropen Gitterabströmmachzahl für zwei transsonische
Turbinengitter. Hinweis: Das im Bild dargestellte Außenschnittgitter in Gestalt einer ebenen Platte ist
für Flugzeugtriebwerke eine eher untypische Form. Solche Profilformen sind häufiger im Außenschnitt
von Niederdruckdampfturbinen zu finden
48
Das in Abb. 8.128 und 8.131 dargestellte Außenschnittgitter in Form einer ebenen Platte ist für
Flugzeugtriebwerke eine untypische Form, die hier nur von akademischer Bedeutung sein soll. Solche
eine Profilform ist eher im Außenschnitt von Niederdruckdampfturbinen zu finden.
8.5 Verluste in thermischen Turbomaschinen 925
werden so besonders deutlich visualisiert. Ohne ein solches optisches Verfahren, würde
ein Strömungsbeobachter die in Abb. 8.129 zu erkennenden Effekte mit bloßem Auge nicht
wahrnehmen können.
In etwa passend zu den Verlustverlaufskurven in Abb. 8.128 sind in Abb. 8.130 und
in Abb. 8.131 die zugehörigen Strömungssichtbarmachungen in Form von Schlierenfo-
tografien dargestellt49 . Für das stärker umlenkende Turbinengitter ist zu sehen, dass die
Verluste bis hin zu einer Machzahl Ma2 von etwa 0.9 . . . 0.95 kontinuierlich ansteigen. Die
Strömungssichtbarmachungen zeigen, dass sich innerhalb der Nachläufe der einzelnen
Schaufeln zeitlich periodische Erscheinungen, ähnlich den Kármánschen-Wirbelstraßen,
49
Diese Farbbilder sind eingescannte Dias von Schlierenfotografien, die Mitte der 1970er Jahre
unmittelbar als Farbschlierenbilder am Institut für Experimentelle Strömungsmechanik des DLR
(früher DFVLR) erzeugt wurden. Das Zustandekommen dieser Aufnahmen ist insbesondere Herrn
Dr.-Ing. Hajo Heinemann zu verdanken. Er musste dazu sehr empfindlichen Fotofilm benutzen,
sodass die Fotos zum Teil sehr pixelig geworden sind.
926 8 Thermische Turbomaschinen
Abb. 8.130 Schlierenfotografien eines stärker umlenkenden ebenen Turbinengitters bei unter-
schiedlichen isentropen Abströmmachzahlen Ma2 . (Bilder mit freundlicher Genehmigung des DLR
(Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) in Göttingen, Institut für Antriebstechnik, Abteilung
Turbine)
A B C D
Schaufel ist mit der Ausbildung von Wirbeln verbunden, die abwechselnd, etwas saug-
seitig, und druckseitig versetzt, abschwimmen, sodass eine regelmäßige Anordnung von
8.5 Verluste in thermischen Turbomaschinen 927
rechts- bzw. linksdrehenden Wirbeln entsteht. Mit zunehmender Expansion werden diese
Wirbelstraßen breiter, Abb. 8.129- B bis
D und Abb. 130-,B was mit dem oben genann-
letzten Teil der konvexen Saugseitenkontur mit der Ausbildung eines sehr breiten, voll-
ständig verwirbelten Totwassergebietes, das sich in Abb. 8.128 durch einen sehr starken
Verlustanstieg ausdrückt. Bei weiterer Absenkung des Gegendrucks wird der Abreiß-
punkt der Strömung auf der Saugseitenkontur in Richtung zur Hinterkante verschoben,
Abb. 8.129-, F wodurch das Totwassergebiet wieder kleiner wird.
Die Kurve für das Außenschnittgitter in Abb. 8.128 zeigt den typischen Verlauf für
ein hoch belastetes Gitter mit einem ausgeprägten Verlustminimum im Bereich hoher Ab-
strömmachzahlen. Abbildung 8.131 zeigt anhand von Schlierenbildern (Heinemann 1976),
dass sich bei Unterschallabströmmachzahlen im Gitternachlauf ausgeprägte Wirbelstraßen
ausbilden, Abb. 8.131-,A so wie sie auch bereits im Zusammenhang mit den Verlustkurven
des Turbinengitters erwähnt wurden. Zudem zeigen diese Schlierenbilder im Bereich der
Schaufelvorderkante auf der Saugseite eine Strömungsablösung mit einer anschließenden
langen turbulenten Wiederanlegestrecke. Mit zunehmender Expansion verbreitert sich der
Schaufelnachlauf und erreicht dabei teilweise die Breite einer halben Gitterteilung. Dieser
verlustbehaftete Strömungsvorgang dürfte die hauptsächliche Ursache für den Verlustan-
stieg im Bereich der Unterschallabströmung sein. Dieser Verlustverlauf ist im Übrigen weit
gehend unabhängig vom Zuströmwinkel. In der Nähe der Abströmmachzahl Ma2 = 1.0
erreichen die Verlustbeiwerte ein Maximum und werden dann mit steigender Expansion
kleiner. Eine weitere Steigerung der Expansion senkt dann die Verluste nochmals weiter
ab, bis sie schließlich wieder ansteigen. Auf dem Schlierenfoto in Abb. 8.131-, B das bei
einer Abströmmachzahl Ma2 = 1.01 aufgenommen wurde, ist ein nahezu senkrechter Stoß
zu erkennen, der den ganzen Schaufelkanal überdeckt und wesentlich zu der bei dieser Ab-
strömmachzahl auftretenden Verlustspitze beiträgt. In dem Bereich der Schaufelsaugseite,
der etwa zwischen dem Stoß an der Profilvorderkante und dem reflektierten Heckstoß liegt,
Abb. 8.131-, C wird die Strömung aufgrund des von der Hinterkante des Nachbarprofils
ken Stöße führen zum deutlichen Ansteigen der Verlustkurven im Bereich der höchsten
untersuchten Abströmmachzahlen.
Einfluss auf die Profilverluste haben auch die Oberflächenrauigkeiten, die nicht nur
vom Herstellungsverfahren der Oberfläche, sondern auch vom Strömungsmittel beein-
flusst werden, in dem z. B. Staub und Salz enthalten sein kann, was sich entweder auf den
Schaufeloberflächen ablagert – speziell auf Leitradschaufeln – oder aber zu Erosionserschei-
nungen führt. Zur Beschreibung dieser Verhältnisse wird die zulässige Rauigkeitshöhe kzul
eingeführt. Das ist die Rauigkeitshöhe in Millimeter, die noch gerade keine Widerstandser-
höhung gegenüber einer glatten Wand ergibt. Bei Turbinen z. B. sind dies Werte zwischen
0.0002 mm < kzul < 0.002 mm. Die zulässige Rauigkeitshöhe ist nicht von der Weglänge
längs der umströmten Oberfläche abhängig und wird durch die nachfolgende Beziehung
beschrieben, Schlichting (1982):
ν
kzul ≤ 100 · (8.377)
cE
Nur aus praktischen Gründen ist es zweckmäßig, die zulässige Rauigkeitshöhe auf die
Sehnenlänge eines Profils zu beziehen, da dies ein anschauliches relatives Maß kzul / für
die erforderliche Oberflächengüte liefert:
kzul ν 100
≤ 100 · = (8.378)
cE · Re
Da die kinematische Zähigkeit ν mit steigenden Drücken und Temperaturen kleiner wird,
so wie es in Flugzeugtriebwerken der Fall ist, wird dabei auch kzul / kleiner, was zum einen
gute Oberflächen erfordert und zum andern die Empfindlichkeit der Turbomaschinen hin-
sichtlich korrosiver und erosiver Einflüsse demonstriert. Der Rauigkeitseinfluss ist auch
abhängig vom Zuströmwinkel zum Gitter, so wie es die Abb. 8.132 zeigt, Seipel (1954). Mit
kleiner werdendem Zuströmwinkel β1 (Zunahme der Umlenkung) werden bei gleichem
Massendurchsatz die Zuströmgeschwindigkeiten v1 größer, wodurch die Verlustbeiwerte
ansteigen. Mit zunehmender Rauigkeit, die in den Versuchen zu Abb. 8.132 durch die
relative Sandrauigkeit kS ersetzt wurden, steigen die Verlustbeiwerte deutlich an und ha-
ben bei relativen Sandrauigkeiten, die größer als 0,001 sind, einen linearen Verlauf, der in
guter Übereinstimmung mit der Gl. (8.378) ist. Die niedrigen Verlustbeiwerte bei den klei-
neren Sandrauigkeiten sind darauf zurückzuführen, dass in Turbinenbeschaufelungen die
8.5 Verluste in thermischen Turbomaschinen 929
0.40
2 ⋅ Δpt
ζ= o
8
ρ ⋅ v12 β1 = 2
o
32
0.20 β1 =
o
42
0.10 β1 =
o
60
β1 =
0.07
0.05
0.03
0.1 kszul 0.3 0.5 0.7 1.0 2.0 3.0 k s
relative Sandrauigkeit ⋅ 10
3
Grenzschichten zu Beginn ganz erhebliche laminare Lauflänge haben und so die Verluste
insgesamt niedrig halten.
Sowohl aus Fertigungsgründen als auch aus Gründen der Haltbarkeit können die
Hinterkanten der Schaufeln nicht so dünn hergestellt werden, wie es theoretisch wün-
schenswert wäre. Zum Beispiel wäre es in Turbinen dann nicht mehr möglich, solche
dünnen Hinterkanten ausreichend zu kühlen, mit der Folge, dass sie in der sie umge-
benden Heißgasströmung über kurz oder lang „wegbrennen“ würden. Folglich müssen die
Hinterkanten, je nachdem wo die Schaufel zum Einsatz kommt, mit individuellen Mindest-
dicken ausgestattet sein. Dadurch erfährt die Strömung am Schaufelende eine sprunghafte
Erweiterung ihres Strömungskanals, wodurch periodische Totwassergebiete stromab der
Hinterkante entstehen, die den Profilverlust erhöhen und in Überschallströmungen zu-
sätzlich auch noch Quelle für das Entstehen von Verdichtungsstößen sind, Abb. 8.39. In
Turbinenbeschaufelungen, wo z. T. aus der Hinterkante Kühlluft ausgeblasen wird, Abb.
4.45, wird durch dieses Ausblasen der Hinterkantenverlust reduziert, Kost und Holmes
(1985). Der Hinterkantenverlust ist ansonsten im Wesentlichen nur von der Hinterkan-
tendicke abhängig. Zudem wird er noch von den Details der Formgebung beeinflusst.
Besonders ungünstig ist es, wenn die Saug- und Druckseiten im Hinterkantenbereich
parallel verlaufen.
In Verdichtergittern haben die Profildicke, die Staffelung und das Teilungsverhältnis
einen wesentlich ausgeprägteren Einfluss auf die Verluste als in Turbinengittern. Deswegen
reagieren Verdichtergitter sehr viel empfindlicher auf kleine Änderungen dieser Parameter,
als es bei Turbinengittern der Fall ist.
930 8 Thermische Turbomaschinen
1.00 1.00
ηVSt ηTSt
ρh = 0.50 ρh = 0.50
0.95 ρh = 0.75 0.95 ρh = 0.25
ρh = 1.00 ρh = 0.00
0.90 0.90
Verdichter Turbine
ε̂ = 0.02 εˆ = 0.02
ψh = −2
0.85 0.85
0 0.25 0.50 ϕ 1.0 0 0.25 0.50 ϕ 1.0
Abb. 8.133 Polytrope Stufenwirkungsgrade für Verdichter und Turbinen nach Seippel/Bidard,
aufgetragen über der Durchflusskenngröße ϕ, mit dem Reaktionsgrad ρ h als Parameter
Eine einfache, aber qualitativ interessante Abschätzung über die Gitterverluste in Form
eines polytropen Stufenwirkungsgrades gibt Seippel (1959) an. Basis seiner Darstellung ist
die Übertragung der allgemeinen Tragflügeltheorie auf ein Schaufelgitter, unter Verwen-
dung der so genannten Bidardschen Form der Verlustkenngrößen, Bidard (1943). Eine
Beschreibung des Rechnungsganges ist im Vergleich zu dessen Bedeutung zu Umfang-
reich, um hier dargestellt zu werden. Vollständige Darstellungen sind aber in der Literatur
zu finden, z. B. Traupel (1988). Für eine Verdichternormalstufe ergibt sich daraus ein
polytroper Verdichter-Stufen-Wirkungsgrad ηVSt von:
ε̂
ηVSt = 1 − · (1 − ρh )2 + ρh2 + 2 · ϕ 2 (8.379)
ϕ
In Gl. (8.379) ist ϕ die Durchflusskenngröße entsprechend der Definition nach Gl. (8.104)
und ρh der Reaktionsgrad nach Gl. (8.108). Mit ε̂ = cW /cA wird die aus der Aerodyna-
mik oder aus der Flugmechanik her bekannte mittlere Gleitzahl bezeichnet (vgl. hierzu
auch Abb. 3.16), die bei gut ausgeführten Gittern in einem sehr engen Bereich zwischen
0.01 < ε̂< 0.03 liegt. Hierbei wird angenommen, dass die Leit- und Laufradbeschaufelun-
gen ein und dieselbe Gleitzahl haben sollen. Für eine Turbinenstufe kommt zu der obigen
Gleichung noch ein weiterer Term hinzu, der die stärkere Umlenkung von Turbinengit-
tern berücksichtigt, und von der Enthalpiekenngröße ψ h nach Gl. (8.106) abhängt. Der
polytrope Turbinenwirkungsgrad ηTSt einer Turbinennormalstufe ergibt sich dann zu:
1
ηTSt = (8.380)
ε̂ ψ2
1 + · (1 − ρh )2 + ρh2 + 2 · ϕ 2 + h
ϕ 96
Abbildung 8.133 zeigt die beiden Stufenwirkungsgrade, ηVSt und ηTSt , aufgetragen über der
Durchflusskenngröße ϕ, mit dem Reaktionsgrad ρh als Parameter. Grau schraffiert sind die
8.5 Verluste in thermischen Turbomaschinen 931
ω
Gebiete mit Strö-
mungsablösung
Bereiche von ϕ, die normaler Weise für axiale Verdichter und Turbinen im Mittenschnitt
üblich sind. Beste Wirkungsgrade bzw. geringste Verluste werden für Verdichter und
Turbinen bei ϕ = 0.5 und ρh = 0.5 erreicht. Kleinere Werte für ε̂ = cW /cA verbessern die
Wirkungsgrade, da dies kleinere cW -Werte – also geringere Widerstände – bedeutet. Die
hier dargestellte Methode ist lediglich zur qualitativen Beschreibung der Parameter ρh , ϕ
und ε̂ auf den Stufenwirkungsgrad inkompressibler Gitter geeignet. Für eine quantitative
Erfassung besteht die Schwierigkeit der exakten Vorhersage der Gleitzahl ε̂.
8.5.2.2 Spaltverluste
Spaltverluste entstehen zwischen stehenden und drehenden Bauteilen einer Turbomaschi-
ne (Verdichter und Turbine), d. h. in den Spalten zwischen Rotor und stehendem Gehäuse
und zwischen Stator und drehender Nabe. Ursache ist der Druckausgleich zwischen Druck-
und Saugseite, der zu einer Strömung vom Gebiet höheren Drucks zum Gebiet niedrige-
ren Drucks führt. Dieser Strömungsbewegung ist die Hauptströmungsrichtung von der
Vorder- zur Hinterkante hin überlagert, sodass es zum einen zur Ausbildung eines Wir-
bels kommt, der dann zum anderen stromab weggetragen wird, so wie es die Skizze in
Abb. 8.134 für eine Turbine zeigt.
Der Massenstromanteil, der durch den Spalt fließt, nimmt nicht an dem Energieaus-
tausch der Turbomaschine (Verdichtung oder Expansion) teil, ist damit als Verlust zu
bewerten und ist abhängig von der Größe des Spalts. Nur eine Minimierung des Spaltes
könnte die resultierenden Verluste in Grenzen halten. Praktisch ist aber eine gewisse Grö-
ßenordnung für den Spalt immer unumgänglich, da ein Schleifen der drehenden Teile auf
den stehenden aus Festigkeitsgründen und wegen der Entwicklung von Reibungswärme
auf Dauer nicht wünschenswert ist und zudem auch nur den mechanischen Wirkungsgrad
verschlechtern würde. Darüber hinaus variiert der Spalt ohnehin mit der Drehzahl und der
Temperatur in der Maschine, da sich die Rotorschaufeln durch Fliehkrafteinfluss längen,
ebenso wie sich die Rotor- und Statorschaufeln und auch das Gehäuse aufgrund thermi-
scher Einwirkung verändern. Die Größenordnung der Spaltverluste wird also primär von
der Spaltbreite und der aerodynamischen Schaufelbelastung, d. h. dem Druckunterschied
932 8 Thermische Turbomaschinen
zwischen Druck- und Saugseite bestimmt. Die Spaltströmung beeinflusst zum einen die
Wandströmungen (Grenzschichten) an Gehäuse und Nabe von Rotor und Stator, jeweils
in der Nähe des Spaltes, als auch die Strömung hinter der Beschaufelung, die durch das
Wegtragen und das Ausmischen des Randwirbels beeinflusst wird. Gewöhnlich erzeugt
der Randwirbel auf der Saugseite, in der Nähe des Spaltes, eine begrenzte Ablösezone
am Schaufelende, Abb. 8.134. In Verdichtern und Turbinen werden dadurch die theore-
tisch erzielbaren Druckanstiege bzw. -gefälle negativ beeinflusst und können so z. B. bei
Verdichtern einen nicht unerheblichen Einfluss auf dessen Pumpgrenze haben. Die Spalt-
strömungen und deren Wechselwirkungen mit den übrigen Strömungsregionen in einer
Turbomaschine führen zu sehr komplexen Strömungsphänomenen mit herausragender
Bedeutung für die Turbomaschinenverluste. Wenn es sich überhaupt genau beziffern lässt,
so haben die Spaltverluste einer Turbomaschine zwischen 20 und 35 % Anteil an deren ge-
samten Strömungsverlusten. Bei gekühlten Turbinenschaufeln wird ein Teil der Kühlluft in
den Spalt zwischen Schaufel und Wandung geblasen. Dies kann dazu führen, dass sich die
Spaltströmung nicht wie bisher beschrieben entwickeln kann und so die Wirbelbildung
u. U. gedämpft wird. Schließlich regen die Spaltströmung und der Randwirbel insta-
tionäre Strömungsvorgänge an, die zu Schaufelschwingungen und Turbomaschinenlärm
beitragen.
Die Randwirbelbildung im Blattspitzenspalt ist mit dem analogen Strömungsphänomen
an endlichen Tragflügeln zu vergleichen, die dort für den sog. induzierenden Widerstand
verantwortlich sind. Induzierter Widerstand existiert auch in reibungsfreier Strömung
und ist dem Quadrat des Auftriebsbeiwerts proportional, d. h. ist kein Auftrieb bzw. kein
Druckunterschied zwischen Druck- und Saugseite vorhanden, so entfällt auch dieser rei-
bungsfreie Widerstandsanteil. Folglich ist der Spaltverlust in Turbomaschinen nicht nur
ein rein viskoses Phänomen.
8.5.2.3 Sekundärströmungsverluste
Die Verteilungen von Geschwindigkeit, Totaldruck und Totaltemperatur in Radial- und
Umfangsrichtung sind beim Eintreten in eine Beschaufelung i. Allg. sehr ungleichmä-
ßig. Sie werden durch Grenzschichten, Wärmezufuhr (Brennkammer) und vorgeschaltete
Schaufelreihen beeinflusst. Abbildung 8.135 zeigt prinzipiell einige mögliche Verteilungen,
die praktisch immer nur in kombinierter Form in Turbomaschinen auftreten. Aus allen
diesen Effekten in der Schaufelzuströmung entwickeln sich schließlich die sog. Sekundär-
strömungen, die zu Verlusten führen. Einige dieser Vorgänge können nur aufgrund von
viskosen Effekten auftreten, andere – wie z. B. die Fälle
B und F in Abb. 8.135 – sind
Gehäuse
A B C D E F
c, v c, v, pt c, v Tt, pt Tt Tt, pt
Nabe
Geschwindig- Geschwindig- Geschwindig- Totaltempera- Totaltemperatur- Totaltemperatur-
keitsverteilung keits und Total- keitsverteilung tur und Totaldruck- verteilung infolge und Totaldruckver-
infolge Gehäuse- druckverteilung einer voll ent- verteilung nach Gehäuse- und Na- teilung infolge vor-
und Nabengrenz- infolge vorge- wickelten einer Brennkam- bengrenzschichten geschalteter
schichten schalteter Schau- Strömung mer (Temperaturgrenz- Schaufelreihen
felreihen schicht)
Abb. 8.135 Eigenschaften von Strömungen hinsichtlich der Verteilung von Geschwindigkeit,
Totaldruck und Totaltemperatur zwischen Nabe und Gehäuse beim Eintritt in eine Turbomaschine
Stromlinie AAA liegt außerhalb dieser Scherschicht und die Stromlinie BBB innerhalb. Des
Weiteren soll die gesamte Strömung inkompressibel sein und in Umfangsrichtung nicht
variieren. Aufgrund der gekrümmten Kontur der Beschaufelung strömt das Fluid eben-
falls auf gekrümmten Bahnen, wobei die Druckverteilungen auf Saug- und Druckseite der
Schaufeln erst einmal keinen Einfluss auf die Stromlinien haben sollen. Nach Gl. (8.345)
ergibt sich dann für ein Fluidteilchen, das die Beschaufelung auf zylindrischen Stromflä-
chen (σ = 0◦ bzw. sin σ = 0) längs der gekrümmten Stromlinie AAA durchströmt, eine
Zentripetalbeschleunigung in k-Richtung (normal zur Stromlinie) von:
∂p v2
=ρ· A
∂k A RA
Sekundärströmungswirbel
vA A A
Stromlinien und Geschwindigkeitsprofil, wenn
vB B keine Sekundärströmung vorhanden wäre
s B
k
B' A
RA RB'
B
s
RB B''
∂p v2
=ρ· B
∂k B RB
ergeben. Für beide Stromlinien sind deren Krümmungsradien identisch RA = RB , aber
ihre Geschwindigkeiten unterschiedlich vA > vB . Wenn nun – wie vorausgesetzt – die
zuströmende Scherschicht in Umfangsrichtung nicht variiert und die Druckverteilungen
auf den Schaufeln keinen Einfluss haben sollen, dann muss folglich der Druckgradient
∂p/∂k konstant bleiben. Dieses kann sich wegen der Unterschiede bei vA und vB aber nur
dann einstellen, wenn sich gleichzeitig der Radius RB zum kleineren Radius RB hin ver-
ändert. Damit folgt die Strömung in der Scherschicht nicht der Stromlinie BBB, sondern
verlagert sich auf die Stromlinie BB B . Diese hier beschriebene Querströmung, die Folge
des zuströmenden Geschwindigkeitsprofils und der anschließend gekrümmten Stromli-
nien zwischen den Schaufeln ist, ist in Abb. 8.136 im Punkt B"gekennzeichnet worden
und wird als Sekundärströmung bezeichnet. Entsteht die Geschwindigkeitsverteilung der
Zuströmung z. B. als Folge der Schaufelauslegung nach dem Radialen Gleichgewicht (ra-
diales Drallgesetz), Abb. 8.135-,
B so hat der gesamte Vorgang absolut nichts mit viskosen
Effekten zu tun. Reibung kann somit Einfluss auf die Sekundärströmungen haben, muss
aber nicht.
Dadurch, dass sich durch den hier beschriebenen Vorgang an der Nabe eine Strö-
mungsbewegung von der Druck- zur Saugseite hin einstellt, muss die dabei zur Saugseite
hin abfließende Masse ausgeglichen werden. Diese Masse kommt längs der druckseitigen
Radialrichtung aus dem gehäusenäheren Bereich der Beschaufelung und fließt längs der
saugseitigen Radialrichtung der Nachbarschaufel wieder in Richtung zum Gehäuse hin
ab. Dadurch entsteht der im Abb. 8.136 dargestellt Sekundärströmungswirbel. Sind für
das in Abb. 8.136 dargestellte Geschwindigkeitsprofil die Grenzschichten an Nabe und
Gehäuse ursächlich, so wird der zuvor beschriebene Vorgang auch in der Gehäuseregion
zwischen den Schaufeln auftreten und es bildet sich dort ein zweiter Sekundärströmungs-
wirbel aus. Abbildung 8.137 zeigt, wie man sich diese Wirbel in Axialstufenleiträdern von
Turbomaschinen vorstellen muss.
Wird diesem Vorgang noch ein negativer Druckgradient ∂p/∂k < 0 überlagert, der
durch den Druckunterschied zwischen Druck- und Saugseite entsteht, so verstärkt sich
der Effekt der Stromlinienkrümmung zusätzlich. Da längs der Stromlinien auch noch
ein Druckgradient ∂p/∂s = 0 existiert, der positiv oder negativ sein kann, je nach dem,
ob es sich um einen Verdichter oder eine Turbine handelt, entwickelt sich daraus ein
zunehmend komplexer werdendes Strömungsphänomen, das in Turbinen ausgeprägter ist
als in Verdichtern. Ursächlich hierfür sind die starke Umlenkung (Stromlinienkrümmung)
und die dicken Schaufelvorderkanten in Turbinen.
8.5.2.4 Seitenwandreibungsverluste
Hierbei handelt es sich um viskose und stark dreidimensionale Vorgänge längs der
Nabe und des Gehäuses einer Turbomaschine. Die Strömung ist zudem instationär,
Literatur 935
Geh
äus
e
Saugseite
c1
Zus
tröm
ung
Na
be
Druckseite
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Teil II
Triebwerkseinlauf
9
Aufgabe eines Triebwerkeinlaufs ist es, dem Fan bzw. dem Verdichter unter allen Flug-
bedingungen und -geschwindigkeiten eine ausreichende, homogen über den gesamten
Querschnitt verteilte und verlustminimierte Luftzufuhr mit Strömungsgeschwindigkeiten
im Unterschallbereich bereitzustellen. Dabei sollen der Einlauf und die anschließende
Triebwerksgondel so gestaltet sein, dass sie die aerodynamischen und flugmechanischen
Eigenschaften der Flugzeuggesamtkonfiguration so wenig wie möglich stören.
Die Triebwerksgondel nimmt über den Einlauf die für das Triebwerk benötigte Luft auf.
Wie in Kap. 4 bereits erläutert, teilt die so genannte Fangstromröhre, Abb. 9.1, vor dem
Triebwerk die Strömung in einen internen und einen externen Anteil auf. Die interne Strö-
mung ist primär für die einwandfreie Versorgung des Triebwerks mit Luft verantwortlich,
während die externe Strömung die aerodynamischen Eigenschaften des Gesamtflugzeuges
mit beeinflusst. Die interne geometrische Einlaufgestaltung ist vom Prinzip her ein Diffu-
sor, in dem die aus der Fangstromröhre mit der Fluggeschwindigkeit c0 zuströmende Luft
verzögert wird. So wird es möglich, die eigentlichen Triebwerkseintrittsflächen A2 (Primär-
kreis) bzw. A12 (Sekundärkreis) stets mit Unterschallmachzahlen anzuströmen, auch wenn
Flugmachzahl Ma0 selbst viel höher ist oder gar im Überschallbereich liegt. Einlaufdiffuso-
ren, die für Flugmachzahlen im Unterschall oder im moderaten Überschall ausgelegt sind,
weisen den konvergent-divergenten Querschnittsverlauf eines klassischen Unterschalldif-
fusors auf, während die Einlaufdiffusoren für den Überschallflug vom Querschnittsverlauf
her eher einer umgekehrt durchströmten Lavaldüse entsprechen.
Dir Beträge der Querschnittsflächen A2 bzw. A12 am Ende eines Einlaufs sind praktisch
durch das Triebwerk bzw. durch dessen Massenstrombedarf und die daraus resultierenden
konstruktiven Randbedingungen vorgegeben. Passend dazu wird unter rein aerodynami-
schen Gesichtspunkten der Eintrittsquerschnitt A1 und der äußere und innere Verlauf der
Wandkontur des Einlaufs – häufig vollkommen unabhängig vom Triebwerk – entwickelt,
Abb. 9.2. Die dabei relevanten aerodynamischen Gesichtspunkte variieren mit dem Flug-
zeugtyp, dem Installationsort des Triebwerks am Flugzeug und mit der Flugmachzahl für
die die Gondel bzw. der Einlauf primär ausgelegt werden soll. Die Geometrie eines Ein-
externer Einlauf-
druckwiderstand FWG
Zulauf- externer Einlauf-
widerstand FWZ reibungswiderstand FWGR
interner Dmax
A0 Fangstromröhre A1 Einlauf- Abgas-
widerstand FWE strahl
A2
engster Quer-
Vorderkante schnitt (Throat)
0 (Highlight Area ) 1 1e AL
p12
c12
Fan
Ma c12
Einlauflippen- A12
Ma1e ≤ 0.75
p0
kontur
c0
Mac0 Innenströmung p1
A0 c1
Mac1 p2
Fangstromröhre c2
A1 Mac2
A2
Außenumströmun
g
Ma1emax <1 2
Mac0
Mac1 Ma1e
p 2, p 12
Mac2
Mac12
p1 p 1e
p0
interne Diffusion
externe Diffusion
laufs und der anschließenden Gondel ist von daher nicht starr mit einem ganz bestimmten
Triebwerk gekoppelt, sondern wird immer durch die aerodynamische Kombination von
Flügel, Rumpf und Triebwerk bestimmt.
Hinter der Frontfläche A1 (Highlight Area) der Gondel verengt sich der durchströmte
Querschnitt erst einmal wieder, um so eine gerundete Einlauflippe mit anschließen-
dem Diffusor formen zu können. Dieser engste Querschnitt ist in Abb. 9.2 mit 1 e
Triebwerkseintritt 2 bzw. 12 prinzipiell verändern. Abgesehen von lokalen Spitzen neh-
men Geschwindigkeit c und Machzahl Mac zum Turbomaschineneintritt hin ab, bei
gleichzeitigem Anstieg des statischen Druckes p.
Die axiale Zuströmung c12 = c2 oder Mac12 = c12 /a12 zur Fan- bzw. Verdichtereintritts-
fläche A12 bzw. A2 muss im Unterschallbereich liegen, damit gewährleistet werden kann,
dass die Zuströmung zum Fan im rotierenden Relativsystem längs der gesamten Schaufel-
höhe im Unterschall- bzw. im moderaten Überschallbereich liegt. Die Geschwindigkeiten
c12 = c2 oder Machzahlen Mac12 = Mac2 haben zwischen Nabe und Gehäuse praktisch
denselben Betrag und dieselbe drallfreie, d. h. axial gerichtete Zuströmrichtung, Abb. 9.3.
Wird nun davon ausgegangen, dass der im Außenschnitt mit der größten Umfangsge-
schwindigkeit u12Gmax rotierende Fan im Gehäusebereich (im Relativsystem entweder mit
Schallgeschwindigkeit oder aber maximal mit 1.4-facher Schallgeschwindigkeit angeströmt
wird (Mav12G = 1 bzw. Mav12G = 1.4), so ergibt sich aus dem Zuströmdreieck des Fans
(Abb. 9.4 rechts) bei drallfreier, axial gerichteter absoluter Zuströmung c12 der folgende
Zusammenhang:
+
c12 = v12G2
− u12G
2
Die größte Geschwindigkeit ist die Relativgeschwindigkeit v12G bzw. die zugehörige
Machzahl Mav12G an der Blattspitze des Fan.
Ma c12 = Mav212G − Ma 2u12G
Mau12G
Mac2 = Mac12
Mac2
Einlaufdiffusor
(Inlet Diffusor) Primärkreis
Mac2
Drehrichtung
Mav2N
Mau2N
Einlauflippe
(Inlet Lip) Einlaufverkleidung
(Inlet Cowl)
Fanverkleidung
(Fan Cowl)
Abb. 9.3 Pitot-Einlauf und Einlaufverkleidung des Turbofantriebwerks CF6-80C2. Basisbild mit
freundlicher Genehmigung von General Electric Aircraft Engines
+ +
Mac12 = Ma2v12G − Ma2u12G = 1 − Ma2u12G
Abb. 9.4 links: Numerisch ermittelte Profilmachzahlverteilungen auf dem so genannten UHBRR
(Ultra High Bypass Ratio-Rig) des DLR; rechts: der zur Rechnung zugehörige Versuchsrotor aus Titan.
Bilder mit freundlicher Genehmigung des Instituts für Antriebtechnik des Deutschen Zentrums für
Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln-Porz
ω2 · r12
2
r22N r22N
Ma2v2N = Ma2v12G + G
· −1 = Ma2v12G − Ma2u12G · 1−
a22 2
r12G
2
r12 G
+
Mav2N = Ma2v12G − Ma2u12G · 1 − ν22 (9.2)
1
Ein transsonischer Fan bzw. ein transsonischer Verdichter ist ein solcher, bei dem die relati-
ve Zuströmgeschwindigkeit (Zuströmmachzahl) an der Nabe im Unterschall und am Gehäuse im
Überschall liegt, Abb. 9.3.
9.1 Subsonischer Einlauf 947
gsk er
al
un end
itt
an
hn
öm eit
rsc
Str erw
ueQ
h
sic
ter
engster
gs
Querschnitt
en
ka er
gs nd
l
na
un ge
öm ren
Str h ve
sic
Abb. 9.5 Verlustoptimierte Profilgeometrie und zugehörige Strömungsverhältnisse in einem Fan-
Rotor-Außenschnittgitter, das mit einer Überschallmachzahl von Mav12G = 1,25 im Relativsystem
angeströmt wird. Linker Bildteil mit freundlicher Genehmigung des Instituts für Antriebtechnik des
Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln-Porz
Strömungskanal (Diffusor) anschließt. Trifft eine Überschallströmung auf einen sich ver-
engenden Kanal, so wird diese Strömung darin verzögert, vgl. dazu auch Abb. 3.23 unten
rechts. In einem solchen Fall wird also die klassische Düsenform zu einem Überschalldif-
fusor in dem die supersonische Strömung verzögert und dann im anschließenden engsten
Querschnitt über einen Verdichtungsstoß in den Unterschall wechselt. Dem engsten Quer-
schnitt schließt sich dann ein klassischer subsonischer Diffusor mit sich erweiterndem
Strömungsquerschnitt an, in dem die Strömung dann weiter in den Unterschallbereich
hin verzögert wird.
Entsprechend zu den Angaben in Abb. 5.6 werden nun Gleichungen für den Zulaufwi-
derstand (US: Additive Drag, UK: Pre-Entry Drag) und den Gondelwiderstand (Nacelle
Drag) formuliert. In Kap. 5.2.1 wurden die Kräfte infolge der Druckverteilungen auf der
Fangstromröhre und auf der Gondelkontur ganz allgemein durch das Integral pext · dA
beschrieben.
A1
• Der Zulaufwiderstand FWZ ist proportional zur Druckverteilung pext FWZ = pext · dA
längs der Kontur der Fangstromröhre zwischen den Ebenen 0 und 1 A0
A9
• Der Gondelwiderstand FWG ist proportional zur Druckverteilung pext FWG = pext · dA
längs der Kontur der Triebwerksgondel zwischen den Ebenen 1 und 9 A1
948 9 Triebwerkseinlauf
Aus Gründen der Praktikabilität wird dazu in den beiden obigen Gleichungen die folgende
triviale Erweiterung mit dem Umgebungsdruck p0 vorgenommen:
⎡A ⎤
A1
A1
1
A1
FWZ = pext · dA = pext · dA + ⎣ p0 · dA − p0 · dA⎦
A0 A0 A0 A0
A1
A1
F WZ = pext · dA = (pext − p0 ) · dA + p0 · (A1 − A0 )
A0 A0
A1
A9
FWG = pext · dA = (pext − p0 ) · dA + p0 · (A9 − A1 )
A0 A1
Diese beiden Gleichungen für FWZ und FWG werden nun durch Addition zusammengefasst:
A9
A1
A9
F WZ + F WG = pext dA = (pext − p0 )dA + (pext − p0 )dA + p0 (A9 − A0 ).
A0 A A1
Der letzte Ausdruck entspricht der Gl. (5.20). Bei Gl. (9.3) handelt es sich um die allgemeine
Schubgleichung (5.17) für Einstromtriebwerke, vermindert um den Zulaufwiderstand FWZ
und den Gondelwiderstand FWG . Der sich ergebende Schub FiF ist der bereits in Kap. 5
erläuterte installierte Schub. In Gl. (9.3) wurden die Definitionen für den Zulauf- und den
Gondelwiderstand verwendet:
A1
FWZ = (pext − p0 ) · dA = Zulaufwiderstand, (9.4)
A0
A9
FWG = (pext − p0 ) · dA = Gondelwiderstand. (9.5)
A1
9.1 Subsonischer Einlauf 949
9.1.2.1 Einige Erkenntnisse aus den Gleichungen für den Zulauf- und den
Gondelwiderstand
Zulauf- und Gondelwiderstand hängen wechselwirkend voneinander ab. Anhand einer
idealisierten, dissipationsfreien Triebwerksgondel, die keine Grenzschichten, Ablösungen,
Verdichtungsstöße oder ähnliches aufweist, wird unter Verwendung des Impulssatzes nun
darauf eingegangen. Dazu wird die Durchströmung des äußeren Teils der Kontrollfläche in
Abb. 5.2 betrachtet. Wie es auch schon im Zusammenhang mit Abb. 5.4 gezeigt wurde, sind
hier die Strömungszustände in der Ein- und Austrittsebene identisch, sodass es zwischen
0 und 9 in der Bilanz zu keiner Impulsstromänderung kommt. Ebenso existieren keine
Stützkräfte:
A1
A9
A∞
F = 0 = + (pext − p0 ) · dA + (pext − p0 ) · dA + (pext − p0 ) · dA. (9.6)
A0 A1 A9
Da es sich hier um das äußere Kontrollvolumen handelt, kehren sich im Vergleich zur
Vorgehensweise bei Gl. (9.3) – wo das innere Volumen betrachtet wurde – nach dem
Prinzip actio = reactio die Vorzeichen vor den Integralen um. Das Einsetzen der Gln. (9.4)
und (9.5) in Gl. (9.6) ergibt:
A∞
F WZ + F W G = − (pext − p0 ) · dA. (9.7)
A9
A∞
A∞
FiF = FuF + (pext − p0 ) · dA = F + (pext − p0 ) · dA (9.8)
A9 A9
Ist der Abgasstrahl aus dem Triebwerk, entgegen der Darstellung in Abb. 5.6, nicht kon-
turiert, so gibt es auch keine externe Druckverteilung pext , die vom Umgebungsdruck p0
verschieden ist, auf dem austretenden und dann zylindrisch konturierten Heißgasstrahl, d.
h., es wird pext − p0 = 0. Nach Gl. (9.7) wird dann die Summe aus Zulauf- und Gondelwi-
derstand zu null werden. Gleichung (9.8) zeigt auch, dass in diesem Fall der installierte und
der uninstallierte Schub identisch sind. Wir haben damit auch beim reibungsfrei umström-
ten Triebwerk gezeigt, dass sich – wie es zu erwarten war – auch hier das d’Alembertsche
Paradoxon einstellt, nämlich dass auch der Druckwiderstand eines umströmten Körpers
in reibungsfreier Strömung zu null wird. Dieses Resultat und weitere Erkenntnisse dazu
sollen nun noch einmal auf einem anderen Weg betrachtet werden.
In der Praxis ist es üblich, den Gondelwiderstand in zwei separate, voneinander un-
abhängige Komponenten zu zerlegen und zwar in den der vorderen Triebwerkshälfte
FWG,V , (Fore-Body Drag) und in den der hinteren Triebwerkshälfte FWG,H , (Aft-Body Drag).
Dieses wäre unter realen Strömungsgegebenheiten (kompressibel und viskos) durchaus
950 9 Triebwerkseinlauf
üblich, zulässig und auch praktisch, weil die Widerstandsursachen am Ein- und Austritt
des Triebwerks deutlich voneinander verschieden sind. Im vorderen Bereich dominieren
Strömungsablösungen an den Triebwerkseinlauflippen den Widerstand und im hinteren
Bereich diverse strömungs- und gasdynamische Effekte im Heißgasstrahl.
In der hier vorliegenden reibungsfreien Betrachtung sollen die Kraft aufgrund der
äußeren Umströmung des vorderen Gondelbereichs als Gondelvorkörperkraft und die
des hinteren Gondelbereichs als Gondelheckkörperkraft bezeichnet werden, da diese
beiden Kräfte – wie wir noch sehen werden – im engeren Sinne nicht wirklich als
Widerstandskräfte angesehen werden können.
Es wird nun dazu eine idealisierte, sehr lange, reibungs- und stoßfrei umströmte und
in der Mitte zylindrische Gondel betrachtet, bei der sich in der mittleren Ebene , M
vgl. Markierung in Abb. 5.6, in der externen Druckverteilung pext gerade wieder der
Umgebungsdruck p0 einstellt:
AM
FWG,V = (pext − p0 ) · dA = Gondelvorkörperkraft, (9.9)
A1
AM
FWG,H = (pext − p0 ) · dA = Gondelheckkörperkraft. (9.10)
A1
A1
AM
0=+ (pext − p0 ) · dA + (pext − p0 ) · dA = FWZ + FWG,V . (9.11)
A0 A1
Das heißt, die Beträge von Gondelvorkörperkraft und Zulaufwiderstand sind gleich und
unterscheiden sich nur durch ihr Vorzeichen, FWZ = −FWG,V . Die Gondelvorkörperkraft
ist also eine Saugkraft, die unter idealisierten Bedingungen den Zulaufwiderstand gerade
aufhebt. Die analoge Anwendung des Impulssatzes zwischen den Ebenen ‚ M und (∞)
A9
A∞
0=+ (pext − p0 ) · dA + (pext − p0 ) · dA = FWG,H + FWD . (9.12)
AM A9
Die Beträge von Gondelheckkörperkraft und Düsenwiderstand sind also auch gleich und
unterscheiden sich ebenfalls nur durch ihr Vorzeichen. Auch auf diesem Wege wurde
gezeigt, dass sich beim reibungsfrei umströmten Triebwerk – so wie es zu erwarten war –
abermals das d’Alembertsche Paradoxon einstellt, nämlich dass auch der Druckwiderstand
eines umströmten Körpers in reibungsfreier Strömung zu null wird.
9.1 Subsonischer Einlauf 951
Δm
Fres p ext T0 p0 ρ 0 c 0
FWG,V
T1
T0
p1 A1
p0
ρ1 Amax
ρ0 A
Ma1
Ma0
c1
c0
T0 p0 ρ 0 c 0
Δm
Abb. 9.6 Kontrollfläche zur Ableitung der Gondelvorkörperkraft FWG,V mittels Anwendung des
Impulssatzes der Strömungsmechanik
max
A
Das Integral im letzten Ausdruck kann entsprechend Gl. (9.9) als die Gondelvorkörperkraft
angesehen werden:
max
A
Der seitlich aus dem Kontrollraum austretende Massenstrom ṁ wird mittels einer
Massenbilanz für das Kontrollvolumen bestimmt:
ṁEIN = ṁAUS
ρ0 · c0 · A = ṁ + ρ0 · c0 · (A − Amax ) + ρ1 · c1 · A1
ṁ = ρ0 · c0 · Amax − ρ1 · c1 · A1
Damit ergibt sich für die Differenz der aus- und eintretenden Impulsströme:
Die Kombination des letzten Ausdrucks mit Gl. (9.13) führt dann schließlich auf:
max
A
Wird nun – unabhängig von der bisherigen Vorgehensweise – Gl. (5.33) auf die diffu-
sorförmige Fangstromröhre zwischen den Ebenen A0 und A1 in Abb. 5.2 angewendet, so
ergibt sich für pEIN = p0 :
Die Axialkraft, die in Gl. (5.33) mit Fx bezeichnet wurde, entspricht im Fall der durch-
strömten, diffusorförmigen Fangstromröhre dem Zulaufwiderstand FWZ . Vergleicht man
nun die Gln. (9.14) und (9.15) miteinander, so stellt sich wiederum das bereits mit Gl.
(9.11) vorgestellte Ergebnis ein. Der Zulaufwiderstand ist vom Betrag her identisch mit
der Gondelvorkörperkraft. Beide Kräfte unterscheiden sich nur durch das Vorzeichen,
FWG,V = −FWZ . Damit ist die eine Kraft (FWZ ) als Widerstand und die andere Kraft (FWG,V )
als Saugkraft aufzufassen ist. Beide Kräfte neutralisieren sich unter den idealisierten Bedin-
gungen einer reibungs- und stoßfreien Strömung. Durch Ausklammern erhält Gl. (9.15)
nun die folgende Form:
ṁ0 c0 p0
FWZ = A1 · p1 · · c1 · 1 − + 1− . (9.16)
A1 · p 1 c1 p1
9.1 Subsonischer Einlauf 953
E Δm D
T0 p0 ρ 0 c 0 T0 p0 ρ 0 c 0
m0 mM
p ext p ext
A
C
B
T0 T1
p0 p1
ρ 0 A0 A1 ρ1 Amax
Ma0 Ma1
c0 c1
Abb. 9.7 Kontrollfläche zur Erläuterung des Zulaufwiderstandes bei einer düsenförmigen
Fangstromröhre A0 > A1 im Langsamflugfall
Das Druckverhältnis p0 /p1 in Gl. (9.17) kann schließlich durch Kombination der Gln.
(9.19) und (9.20) bestimmt werden:
⎛ κ −1 ⎞κ−1
κ
κ−1
κ
1+· Ma21
p0 T0 ⎜ 2 ⎟
= =⎝ ⎠ . (9.22)
p1 T1 κ −1
1+ · Ma02
2
Der Zulaufwiderstand FWZ bzw. die Gondelvorkörperkraft FWG,V sind somit nach Berück-
sichtigung der Gln. (9.18) bis (9.22) bei gegebenem Isentropenexponenten κ eine Funktion
des Umgebungsdruckes p0 , der Triebwerkseintrittsfläche A1 , der Flugmachzahl Ma0 und
der Eintrittsmachzahl Ma1 in die Triebwerksgondel:
Die bisherigen Ableitungen gingen stets davon aus, dass die Fangstromröhre vor dem
Triebwerk die in Abb. 5.1 bzw. 5.2 skizzierte Diffusorform hat. In Abb. 4.1 · B wurde
aber bereits gezeigt, dass – speziell im Langsamflugfall – die Fangstromröhre auch die in
Abb. 9.7 skizzierte Düsenform haben kann. Für die Gondelvorkörperkraft FWG,V wird sich
in diesem Fall dasselbe Ergebnis einstellen, wie es bereits mit Gl. (9.14) abgeleitet worden
war. Anders sieht es aber mit dem Zulaufwiderstand FWZ aus. Nach Gl. (9.15) gilt:
0
mit c0 > c1 und p0 < p1 bei
diffusorförmiger Fangstromröhre
FWZ = ṁ0 · (c1 − c0 ) + A1 · (p1 − p0 ) (9.23)
0
mit c0 < c1 und p0 > p1 bei
dü senförmiger Fangstromröhre
9.1 Subsonischer Einlauf 955
Saugkraft (negativ)
(Cowl Suction )
projizierte
Druckverteilung
pext
Amax
Abb. 9.8 Saugkraft (Nasenschub) an der Einlauflippe einer Triebwerksgondel infolge von Umströ-
mung. Im Sinne eines Widerstandes sind Saugkräfte als negativ anzusehen
Betrachtet man die Zahlenwertergebnisse in Beispiel 5.2, so wird klar, dass Gl. (9.23) das
Vorzeichen wechselt, wenn die Form der Fangstromröhre von der Diffusorform in die
Düsenform wechselt. Man kommt also zu dem Ergebnis:
Das heißt aber auch, dass bei der düsenförmigen Fangstromröhre nach Abb. 4.1 B bzw.
9.7 wegen des Vorzeichenwechsels nicht mehr von einem Zulaufwiderstand gesprochen
werden kann. In der einschlägigen Literatur (z. B. Seddon und Goldsmith 1985) ist es
deswegen üblich, nur dann von einem Zulaufwiderstand zu sprechen, wenn A0 < A1 gilt,
also die Fangstromröhre diffusorartig ist.
In den Abb. 9.6 und 9.7 wurde jeweils ein Einlauf verwendet, der eine spitze Vorder-
kante hat, sodass angenommen werden kann, dass es keine nennenswerte Umströmung
der Einlauflippe gibt. Abbildung 9.8 zeigt, dass es bei einer realen, d. h. dicken Einlauflippe
zu einer Umströmung der Vorderkante (zwischen Staupunkt und engstem Einlaufquer-
schnitt) derart kommt, dass eine nach vorne – in Schubrichtung – gerichtete Saugkraft FNF
(Nasenschub) zusätzlich zur Gondelvorkörperkraft entsteht, die den Zulaufwiderstand
FWZ reduzieren kann. Bei realen Strömungsgegebenheiten wird der Zulaufwiderstand nie
vollständig durch die Gondelvorkörperkraft kompensiert werden, es verbleibt im Allge-
meinen stets eine Differenz, die als Überlaufwiderstand FWÜ bezeichnet wird, wobei diese
Differenz auf den Referenzfall A0 = A1 (Full Flow) bezogen wird (vgl. die Ausführungen
im folgenden Kap. 9.1.2.3). Bei realen Gondelumströmungen treten auf dem Vorkörper
lokale Verdichtungsstöße und Strömungsablösungen auf, die die Gondelvorkörperkraft
(Saugkraft) reduzieren und damit den Überlaufwiderstand ansteigen lassen. Jegliche Strö-
956 9 Triebwerkseinlauf
mungseffekte, die die Saugkraft (Cowl Suction) auf dem äußeren Gondelvorkörper stören,
sind maßgeblich für das Ansteigen des Überlaufwiderstandes FWÜ .
9.1.2.3 Überlaufwiderstand
Entsprechend Abb. 5.6 und den zuvor gemachten Ausführungen soll ein externer
Einlaufwiderstand FWE,ext definiert werden, der sich aus den folgenden zwei Anteilen
zusammensetzt:
• Zulaufwiderstand FWZ . Widerstand auf Grund der externen Druckverteilung auf der
äußeren Fangstromröhre.
• Gondelvorkörperkraft FWG,V . Saugkraft auf Grund der externen Druckverteilung auf
der vorderen Einlaufkontur, die beschleunigt umströmt wird.
Ist die Fangstromröhre vor dem Triebwerk, entgegen der Darstellung in Abb. 5.6, nicht
konturiert (A0 = A1 , Full Flow), so gibt es auch keine externe Druckverteilung pext auf
der dann zylindrischen Stromröhre, die vom Umgebungsdruck p0 verschieden wäre, d. h.,
es wird pext − p0 = 0. Nach Gl. (9.4) wird dann der Zulaufwiderstand null, d. h., es gilt
FWZ = 0. Man schreibt für diesen Fall:
Für alle davon abweichenden Fälle mit A0 < A1 wird zum einen ein Zulaufwiderstand FWZ
hinzukommen und zum anderen wird sich aufgrund der geänderten externen Einlaufum-
strömung die Gondelvorkörperkraft FWG,V im Vergleich zum Strömungsfall A0 = A1 (Full
Flow) verändern, was durch eine Zusatzkraft FWG,V erfasst wird:
Die allerletzten beiden Summanden in Gl. (9.34) werden als der so genannte Überlaufwi-
derstand FWÜ (Spillage Drag) bezeichnet:
Dieser Widerstandsanteil beschreibt also den zusätzlichen Widerstand, der dann auftritt,
wenn die Fangstromröhrenform von der zylindrischen Standardgeometrie A0 = A1 (Full
Flow) abweicht und es zu einer geänderten Umströmung des Einlaufs gegenüber diesem
Standardfall kommt:
In den Kap. 9.1.2.1 und 9.1.2.2 wurde gezeigt, dass für einen idealen, reibungsfreien
Einlauf ohne örtliche Überschallgebiete und mit einer Fangstromröhre der Form A0 < A1
9.1 Subsonischer Einlauf 957
hinsichtlich der Widerstände FWG,V = −FWZ gilt, und so die Gondelvorkörperkraft FWG,V
des Einlaufs den Zulaufwiderstand FWZ der Fangstromröhre gerade kompensiert.
Im Falle A0 = A1 (Full Flow) wird FWZ = 0 und damit auch die Gondelvorkörperkraft
zu null werden:
Diese Aussage bedeutet, dass in der Nähe des Staupunktes die Drücke auf dem Einlauf im
Gleichgewicht mit denen weiter hinten auf der Einlaufkontur stehen müssen, sodass sie
sich gegenseitig neutralisieren.
Da im Falle A0 = A1 aber auch FWG,V = 0, wird der Überlaufwiderstand FWÜ in
diesem Fall – gemäß Gl. (9.35) – ebenfalls zu null werden:
Abbildung 9.9 zeigt die numerische Auswertung der Gl. (9.17). Der Kurvenast im grau
unterlegten Bereich des Diagramms zeigt den Verlauf des Zulaufwiderstandes (positi-
ve Zahlenwerte), der mit kleiner werdendem Verhältnis Ma0 /Ma1 bzw. A0 /A1 monoton
ansteigt. Bei A0 = A1 (Full Flow) ist der Zulaufwiderstand gleich null. Für Flächenver-
hältnisse A0 /A1 > 1 wird der Zulaufwiderstand negativ, d. h., er geht in die Form einer
Saug- bzw. Schubkraft über. Dass sich diese Saugkraft vorteilhaft auf die Schubentwick-
lung eines Triebwerks auswirkt, zeigen die Zahlenwertergebnisse am Ende des Beispiels
5.3. Für Ma0 = 0 (Bodenstandfall) ist die Gondelvorkörperkraft gleich null, da es in diesem
Fall keine Gondelumströmung und damit auch keine Druckverteilung bzw. Kraft auf der
Gondel gibt.
Die Eigenschaft, dass im rechten Kurvenast von Abb. 9.9 FWG,V = −FWZ gilt, ist nur im
Idealfall (reibungsfreie inkompressible Strömung) zutreffend. Praktisch kommt es auf der
äußeren Gondelkontur immer zu Strömungsverlusten in Form von Verdichtungsstößen
und Ablösungen, die ursächlich dafür sind, dass praktisch nie so gute Gondelvorkörper-
kräfte erreicht werden, wie sie in Abb. 9.9 angegeben sind, wodurch der zuvor beschriebene
Überlaufwiderstand entsteht.
Beispiel 9.1
Der Eintrittsquerschnitt eines Einstromtriebwerks beträgt A1 = 0.26 m2 . Bei einer
Flugmachzahl von Ma0 = 0.5 in Bodennähe, p0 = 1 013hPa, T0 = 288 K, κ = 1.4,
Ri = 287 Nm/(kg · K), wird ein Luftmassenstrom von 41.75 kg/s aufgenommen. Es ist
958 9 Triebwerkseinlauf
−0.20
FWG,V −FWG,V
A1 ⋅ p0 A0 A1 A0 A1 +FWZ Nur in diesem
−0.15 Bereich ist die
Gondelvorkörper-
Gondelvorkörperkraft
+0.05
Ast des „Zulaufwiderstandes”,
der theoretisch als Saugkraft
−FWZ (Schub) interpretiert werden kann
+0.10
Abb. 9.9 Dimensionslose Gondelvorkörperkraft eines Triebwerks, aufgetragen über der Flugmach-
zahl. Die Triebwerkseintrittsmachzahl ist in allen Fällen Ma1 = 0.6 = const. Im grau hinterlegten
Bereich sind die Beträge von Gondelvorkörperkraft und Zulaufwiderstand gleich
ṁ1 = ρ1 · c1 · A1
√
ṁ1 p1 p1 · c1 κ · p 1 · c1
= ρ1 · c1 = · c1 = √ √ =√ √
A1 Ri · T 1 Ri · T 1 · Ri · T 1 κ · R i · T 1 · Ri · T 1
κ
= Ma1 · p1 ·
Ri · T 1
√
ṁ1 Tt1 κ p1 pt1
· = Ma1 · ·+
A1 pt1 Ri T1 Tt1
− κ−1
κ −1
p1 κ −1 T1 κ −1
mit = 1+ · Ma12
und = 1+ · Ma12
pt1 2 Tt1 2
√ − 2·(κ−1)
κ+1
ṁ1 Tt1 κ κ −1
· = Ma1 · · 1+ · Ma12
A1 pt1 Ri 2
Diese Gleichung ist der sog. Massenstromparameter 4. Art ϑIV , vgl. Kap. 18.8,
Gl. (18.292). Die Fangstromröhre ist ein adiabates System mit isentroper Zustands-
änderung, sodass die Totalgrößen längs der Fangstromröhre unverändert bleiben:
Tt0 = Tt1 und pt0 = pt1 . Der Massenstrom in der Triebwerkseintrittsebene 1
9.1 Subsonischer Einlauf 959
Hierin ist Ma1 die einzige unbekannte Größe. Da die Gleichung aber nicht explizit nach
Ma1 aufgelöst werden kann, muss sie iterativ gelöst werden.
√ 2·(κ−1)
κ+1
ṁ0 Tt0 Ri κ −1
Ma1 = · · · 1+ · Ma1 2
A1 pt0 κ 2
κ −1
Tt0 = T0 · 1 + · Ma20 = 288 · [1 + 0.2 · 0.25] = 302.4 K
2
κ−1
κ
κ −1
pt0 = p0 · 1 + · Ma20 = 1013 · 102 · [1 + 0.2 · 0.25]3.5 = 120163 Pa
2
Es ist zu prüfen, ob A0 /A1 <1 vorliegt, da nur für solche Flächenverhältnisse ein
Zulaufwiderstand existiert. Dazu wird A0 mittels des zu Beginn hergeleiteten Mas-
senstromparameters 4. Art ϑIV berechnet:
√ 2·(κ−1)
κ+1
Tt0 1 Ri κ −1
A0 = ṁ0 · · · · 1+ · Ma0 2
pt0 Ma0 κ 2
√
302.4 1 287
A0 = 41.75 · · · · [1 + 0.2 · 0.25]3 = 0.2003 m2
120 163 0.5 1.4
A0 0.2003
= = 0.77 < 1 q.e.d
A1 0.2600
Entsprechend Abb. 9.1 und der Ausführungen in Kap. 9.1.2 setzt sich der äußere bzw.
externe Widerstand eines Einlaufs FWE,ext aus den folgenden drei Anteilen zusammen:
• Zulaufwiderstand FWZ
Widerstand aufgrund der Druckverteilung auf der Fangstromröhre
• Externer Druckwiderstand FWG
Widerstand aufgrund der Druckverteilung auf der äußeren Einlaufkontur
• Externer Reibungswiderstand FWG,R
Viskoser Widerstand infolge der Grenzschichtentwicklung auf der äußeren Gondel-
kontur.
Für den Fall, dass A0 = A1 ist, wurde in Kap. 9.1.2 gezeigt (Abb. 9.9), dass für den
Zulaufwiderstand FWZ = 0 gilt. Man schreibt in diesem Fall:
Für alle anderen Fälle A0 = A1 wird zum einen ein Zulaufwiderstand FWZ hinzukommen
und zum anderen werden sich auch aufgrund der geänderten externen Einlaufumströmung
die beiden Widerstände FWG und FWG,R gegenüber dem Strömungsfall A0 = A1 verändern,
was durch einen Zusatzwiderstand FWZ erfasst wird:
Ist A0 < A1 , so wird üblicher Weise der Zusatzwiderstand negativ werden FWZ < 0. Die
zusätzliche Beschleunigung der Strömung um die Einlaufvorderkante erzeugt in diesem
Fall ein Unterdruckgebiet, das eine zusätzliche Saugkraft in Schubrichtung (Cowl Suction
or Cowl Thrust) zur Folge hat (vgl. Abb. 9.6). Die letzten beiden Terme in Gl. (9.34) werden
als der sog. Überlaufwiderstand FWÜ (Spillage Drag) bezeichnet:
Dieser Anteil beschreibt also die zusätzlichen Widerstandsanteile, die dann auftreten,
wenn die Fangstromröhrenform von der zylindrischen Standardgeometrie A0 = A1 (Full
Flow) abweicht und es zu einer geänderten Umströmung des Einlaufs gegenüber diesem
Standardfall kommt.
In Kap. 9.1.2 war gezeigt worden, dass für einen idealen, reibungsfreien Einlauf ohne
örtliche Überschallgebiete und mit einer Fangstromröhre der Form A0 = A1 hinsicht-
lich der Widerstände FWG = −FWZ gilt und so der Druckwiderstand FWG des Einlaufs
den Zulaufwiderstand FWZ der Fangstromröhre gerade vollständig kompensiert. Im Falle
A0 = A1 wird FWZ = 0 und damit auch der Gondeldruckwiderstand FWG = 0 werden2 .
Da im Falle A0 = A1 aber auch FWZ = 0 ist, wird der Überlaufwiderstand FWÜ in diesem
Fall – gemäß Gl. (9.35) – ebenfalls zu null werden.
Wird der Querschnitt A0 der Fangstromröhre deutlich kleiner als der Eintrittsquer-
schnitt A1 des Einlaufs, so verstärkt sich der „seitliche Überlauf“ (Spillage) um die äußere
Einlaufkontur herum. Es entsteht dort eine deutlich beschleunigte Strömung, die selbst
bei Unterschallflugmachzahlen zu örtlichen Überschallgebieten auf der externen Ein-
laufkontur führen kann. In besonders ungünstigen Fällen kann es sogar zu externen
Strömungsablösungen kommen. Das zugehörige Flächenverhältnis A0 /A1 wird dann als
das sog. kritische Flächenverhältnis der Fangstromröhre (A0 /A1 )krit (Critical Flow Ratio)
bezeichnet. Untersuchungen von Stanhope (1968) an so genannten NACA-1-Series Gon-
deln haben gezeigt, dass das Vorhandensein dieses kritischen Flächenverhältnisses mit
2
Im Fall A0 = A1 gestaltet sich die Druckverteilung aufgrund der Umströmung des vorderen Ein-
laufbereichs derart, dass keine Zusatzkraft entstehen kann, d. h. positiv und negativ gerichtete
Kraftkomponenten aufgrund von örtlichen Über- und Unterdruckgebieten auf der Gondelkontur
stehen so im Gleichgewicht, dass sie sich gegenseitig aufheben.
9.1 Subsonischer Einlauf 961
ρ N /Dmax
0.0 0.005 0.010 0.015 0.020
1.0
⎛ A0 ⎟⎞
⎜⎜ ⎟ Messwerte
⎜⎜⎝ A ⎟⎟⎠
1 krit
0.8 r2N r2G Dmax
D1
ρN
D1 De D2
0.6
0.4 E
A0 A1
E+rN
0.2
Stanhope-Korrelation
0.0
0.0 0.04 0.08 0.12 0.16
⎛ D ⎞
2
⋅ ⎜⎜⎜1− 1 ⎟⎟⎟
Dmax
( E + ρN ) ⎝ Dmax ⎠⎟
⎜
markanten Geometrieparametern eines Einlaufs korreliert werden kann. Die Abb. 9.10
zeigt das zugehörige Ergebnis, zu dem die folgende Gleichung gehört:
ρN Dmax D1 2
= 0.1365 · · 1− (9.36)
Dmax E + ρ N Dmax
Das kritische Flächenverhältnis (A0 /A1 )krit ist nach Abb. 9.10 eine Funktion des Ver-
hältnisses aus Einlaufnasenradius ρN und maximalem Gondeldurchmesser Dmax . Dieses
Verhältnis kann wiederum durch die grundlegenden Geometriegrößen D1 , Dmax , E und
ρN ausgedrückt werden, so wie es Gl. (9.36) beschreibt. Die genannten Geometriedaten
sind in Abb. 9.10 zur Erläuterung prinzipiell mit dargestellt worden. In den Fällen, in de-
nen entweder das Verhältnis D1 /Dmax nahe bei eins liegt oder aber der Einlauf sehr lang ist
(großes E ), ergeben sich in Abb. 9.10 kleine Zahlenwerte auf der Abszisse, was bedeutet,
dass das kritische Flächenverhältnis bereits bei Werten nahe von (A0 /A1 )krit ≈ 1 auftritt.
Lange Einläufe neigen also bereits bei relativ geringem seitlichem Überlauf zur Strömungs-
ablösung auf der äußeren Gondelkontur. In den Fällen, in denen entweder das Verhältnis
D1 /Dmax sehr klein ist oder aber der Einlauf sehr kurz (kleines E ) ausfällt, ergeben sich in
Abb. 9.10 große Zahlenwerte auf der Abszisse, was bedeutet, dass das kritische Flächenver-
hältnis erst bei sehr kleinen (A0 /A1 )krit -Werten auftritt. Bei kurzen, gedrungenen Einläufen
kommt es demzufolge erst dann zu Strömungsablösungen auf der äußeren Gondelkontur,
wenn ein starker seitlicher Überlauf auftritt.
962 9 Triebwerkseinlauf
Langsamflugfall Reiseflugfall
Ma0 ≈ 0.3 Ma0 ≈ 0.8
p t, p p t, p
0 1 2 0 1 2
p t0 p t1 p t2 p t0 p t1 p t2
p2 p2
polytrop
p0 isentrop p0 p1
p1
T p t0=p t1 pt2 T p t 0=p t 1 pt2
Tt0= Tt1= Tt2 Tt0= Tt1= Tt2
1 2 1 2
c22
Tt2s Tt2s
2S 2c p c02 2S
p2 p2 Tt0− T0
T2 2c p c12 T
2
Tt 2s− T0
2c p
0 p0 p1 p1 p0
T0 T1
T1 T0
0
s s
Abb. 9.11 Prinzipieller Verlauf des statischen Druckes und des Totaldruckes in der Fangstromröhre
und im anschließenden Diffusor eines Pitoteinlaufs bei zwei unterschiedlichen Flugmachzahlen,
zusammen mit den zugehörigen Zustandsänderungen im T-s-Diagramm
1.00 1.0
πE ηE
0.98 0.9
4
0.
=
ac 2 5
M 0.
0.96 = 0.8
a c2
6
M 0.
=
2 m0
ac
M
0.94 0.7
0.4
0.5
0.92 Mac2=0.6 0.6
0.90 0.5
0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 Ma0 1.0
direkt vor dem Einlauf, wird die Strömung entweder beschleunigt oder verzögert, was sich
in einer entsprechenden Änderung des statischen Druckes bemerkbar macht. Innerhalb
des Einlaufs kommt es zu einem isotherm verlaufenden Totaldruckverlust aufgrund visko-
ser Vorgänge (Reibung, turbulente Vermischung und Strömungsablösung). Wie bei jedem
Diffusor, so muss auch im Triebwerkseinlauf die Geschwindigkeitsreduzierung von c1 auf
c2 allmählich erfolgen, um Gebiete starker Grenzschichtablösungen zu vermeiden. Für den
Einlauf gilt also:
Tt0 = Tt1 = Tt2 adiabater Strömungsvorgang (9.37)
pt0 = pt1 > pt2
pt2 pt2
πE := = < 1 Einlaufdruckverlust (PressureRecovery) (9.38)
pt0 pt1
Der Einlaufdruckverlust πE (Pressure Recovery) ist eine experimentell zu bestimmende
Größe. Für einen subsonischen Einlaufdiffusor zeigt Abb. 9.12 die Abhängigkeit von πE
von der Flugmachzahl und dem Triebwerksmassenstrom. Der Kurvenverlauf entspricht
tendenziell den Darstellungen bei einer Vielzahl von Autoren, wie Münzberg (1972), Sed-
don und Goldsmith (1985), Mattingly et al. (1987) und Urlaub (1995). Zusätzlich ist in
Abb. 9.12 der so genannte Einlaufwirkungsgrad ηE mit eingezeichnet worden, der sich aus
dem experimentellen πE -Verlauf berechnet. Die Definition des Einlaufwirkungsgrades ηE
kann aus Abb. 9.12 abgeleitet werden. Es handelt sich dabei um das Verhältnis aus spe-
zifischer isentroper Kompressionsarbeit cp · (Tt2s − T0 ), die im Einlauf verrichtet wird, zu
spezifischer kinetischer Energie in der Zuströmung c02 /2, die für den Kompressionsvorgang
964 9 Triebwerkseinlauf
ergibt sich dann durch Kombination der Gln. (9.39), (9.40), und (9.41):
κ−1
π κ · τ0 − 1
ηE = E (9.42)
τ0 − 1
Im Reiseflug sind die Totaldruckverluste im Diffusor vergleichsweise gering bzw. der
zugehörige Wirkungsgrad gut. Bei den kleineren Fluggeschwindigkeiten und beim Star-
ten erzeugen die internen Strömungsablösungen eine deutliche Verschlechterung des
Einströmvorganges, wodurch der Wirkungsgrad merklich abfällt.
Die Verringerung der Geschwindigkeit im Einlaufdiffusor erzeugt gemäß der Bernoul-
ligleichung einen statischen Druckanstieg, der sich seinerseits ganz maßgeblich auf das
Verhalten der Seitenwandgrenzschichten im Einlauf auswirkt und so schließlich dessen
Effektivität signifikant beeinflusst. Steigt der statische Druck zu schnell an, so enthalten
die Seitenwandgrenzschichten zu wenig kinetische Energie, um gegen diesen Druckan-
stieg anströmen zu können. Die Folge davon ist, dass es im wandnahen Bereich zu
Rückströmungen bzw. Strömungsablösungen kommt. Für den gesamten Einlaufdiffu-
sor bedeutet dies einen Anstieg der Totaldruckverluste πE und eine Abschwächung des
statischen Druckanstieges bzw. eine verminderte Diffusion oder Geschwindigkeitsverzö-
gerung. Der Totaldruck und der statische Druck am Ende des Einlaufdiffusors werden
folglich gegenüber den erwarteten Werten zu klein.
Auf die Grenzschichtentwicklung und auf eventuelle Strömungsablösungen hat die Art
und Weise der Querschnittszunahme im Diffusor einen ganz wesentlichen Einfluss, eben-
so wie die Qualität der Strömung am Diffusoreintritt. So können Ungleichförmigkeiten
3
Mit der Ebenenbezeichnung 2 ist hier der die gesamte Fläche im Triebwerkseintritt gemeint,
zwischen Spinner und Fangehäuse, vgl. Skizze in Abb. 9.10 oben rechts. Es wird dabei nicht zwischen
den Ebenen 2 (Primärkreis) und
12 (Sekundärkreis) unterschieden, weil dies den Schreibaufwand in
den Gleichungen deutlich verkomplizieren und dadurch nur noch unübersichtlicher werden lassen
würde.
9.1 Subsonischer Einlauf 965
30° θE
2 ⋅ θE De D2
Gebiet ohne A2
10° Strömungsablösungen
Ae
E
0°
1 2 4 6 8 10 E 20
2⋅
De
Abb. 9.13 Grenzen beginnender Strömungsablösung in konischen Diffusoren nach Sovran und
Klomp (1967)
D2 − De 1 D2
tan θE = = · −1 (9.43)
2 · E E De
2·
De
Daraus ergibt sich das folgende Diffusorflächenverhältnis:
2
A2 E
= 1+2· · tan θE (9.44)
Ae De
Kurze Diffusoren mit großen Eintrittsquerschnitten (kleine E /De -Werte) können nach
Abb. 9.13 durchaus halbe Öffnungswinkel von θE ≈ 10◦ aufweisen, während lange
4
In einem Triebwerkseinlauf verändern sich die durchströmten Flächen von einem Kreisquer-
schnitt auf einen kreisringförmigen Querschnitt. Die hier angegebenen experimentellen Werte aus
der Literatur stimmen deswegen im Wesentlichen mit den Gegebenheiten eines Triebwerkeinlauf-
diffusors insoweit nicht überein, weil jeweils die Strömungsqualitäten zu Beginn der Diffusoren
unterschiedlich sind und das am Ende des experimentellen Diffusors weder ein rotierender Zentral-
körper (Spinner) existiert noch eine Vorwärtswirkung des rotierenden Fans (bei unterschiedlichen
Leistungsstufen) auf die ankommende Strömung Berücksichtigung findet.
966 9 Triebwerkseinlauf
c SWN =15m/s
Gondel mit dünner
c SWN =10m/s
c SWN =15m/s
Einlauflippe im Langsamflugfall
0 1 2
c SWN =10m/s
c 0 [m/s]
Mac2
c0 20
Strömungs-
ablösung
10
Normalkomponente
des Seitenwindes cSWN
Abb. 9.14 Einfluss der Dicke der Einlauflippe von Triebwerksgondeln bei Reise- und Langsamflug-
machzahlen und bei Seitenwind nach Goldsmith und Seddon (1993)
Diffusoren mit kleinen Eintrittsquerschnitten (große E /De -Werte) nur noch halbe
Öffnungswinkel von θE ≈ 10◦ zulassen.
Abbildung 9.14 verdeutlicht die beiden wesentlichen – und dazu auch noch gegensätz-
lichen – Probleme bei der Gestaltung subsonischer Einläufe, nämlich die Dicke und die
Profilgebung der Gondeleinlauflippe. Im Reiseflug – bei hohen Flugmachzahlen – muss die
Einlauflippe möglichst dünn sein, um lokale Überschallgebiete und Verdichtungsstöße und
daraus resultierende Verluste auf der äußeren Gondelkontur zu vermeiden. Im Startfall –
bei niedrigen Flugmachzahlen – muss die Einlauflippe möglichst dick und bauchig sein, um
die Einlaufströmung ohne zu hohe örtliche Übergeschwindigkeiten und damit verbundene
interne Ablösegebiete dem Fan zuzuführen. Starker Seitenwind und niedrige Rollgeschwin-
digkeiten beim Starten verstärken diese Problematik zusätzlich. So zeigt z. B. Abb. 9.14,
dass bei einer Normalkomponente des Seitenwindes von cSWN = 15 m/s und einer axialen
Zuströmmachzahl zum Fan von Mac2 = 0.45, das Flugzeug eine Rollgeschwindigkeit von
wenigstens c0 = 10 m/s haben muss, um großflächige interne Ablösungen zu vermeiden.
Bei geringen Leistungsstufen (Power Setting) des Triebwerks (geringes Mac2 ) existiert zwi-
schen Triebwerkseintritts- und Faneintrittsfläche ein großer statischer Druckunterschied,
9.1 Subsonischer Einlauf 967
A0 A1 A0
>1
Start, Rotieren A1
αTO Steigen
α TO > 0
⎛A ⎞
< ⎜⎜⎜ 0 ⎟⎟⎟ > 1
A0 A1 A0
Landen A1 ⎜⎝ A1 ⎠⎟
αA/C Abfangen TO
αA / C <α TO > 0
A0
A1 A0
Steigen mit <1
ausgefallenem Triebwerk A1
αA/C (Windmilling )
αA / C > 0
Abb. 9.15 Prinzipielle Darstellung von Fangstromröhren bei verschiedenen „kritischen“ Flugzu-
ständen
Abbildung 9.16 zeigt die wesentlichen Größen der Basisgeometrie eines einfachen subso-
nischen Triebwerkseinlaufs, auf der die folgenden Ausführungen aufbauen. Es wird davon
ausgegangen, dass von der Triebwerksauslegung her der Massenstrom ṁ0 und der Fanau-
968 9 Triebwerkseinlauf
x=0 y
y=0 y(x)
Da(x,y) r2G
engster Querschnitt
Di(x,y)
x
D1 ρN
r2N
De Dmax
D2=DFan D1
spin De Staupunkt
T0
p0
Ma0 D0
E
c0 m0
+
E N
Staupunkt
ßendurchmesser D2 bekannt sind. Die Abb. 5.18 zeigt, dass aufgrund des sog. Staueffekts
(Ram Effect) der größte Massenstrom ṁ0 eines Triebwerks in Bodennähe H0 = 0 m und bei
hohen Flugmachzahlen Ma0 zu erwarten ist, wenn zudem auch noch die Machzahl Ma1
direkt in der Einlaufeintrittsebene groß ist. Damit können für eine Einlaufberechnung
der Umgebungszustand p0 , T0 und der Flugzustand c0 bzw. Ma0 ebenfalls als bekannt
vorausgesetzt werden. Mittels des sog. Massenstromparameters 4. Art ϑIV (Kap. 18.8, Gl.
18.290) ist dann der Fangstromröhrenquerschnitt A0 in der Bezugsebene 0 – weit vor
Zur Bestimmung des engsten durchströmten Querschnitts Ae wird Gl. (18.292) aus Kap.
18.8 verwendet:
√ 12 · κ+1
ṁ0 Tt0 Ri κ −1 κ−1
Ae = · · · 1+ · Ma2e (9.46)
Mae pt0 κ 2
Hierin ist berücksichtigt, dass die Fangstromröhre adiabat ist (Tte = Tt0 ) und die Zu-
standsänderung darin isentrop verläuft, pte = pt0 . Das Einsetzen von Gl. (5.57) in Gl.
9.1 Subsonischer Einlauf 969
ṁ0 T0 Ri ⎢ 2 e⎥
Ae = · · ·⎣ ⎦ (9.47)
Mae p0 κ κ −1
1+ · Ma20
2
Es kann nun beispielsweise festgelegt werden, dass bei dem größtmöglichen Massenstrom
ṁ0,max , der bei einem gegebenen Triebwerk überhaupt auftreten kann, die Machzahl im
engsten Querschnitt gerade Mae = 0.75 als obersten zulässigen Grenzwert erreichen soll.
Mit einer solchen Festlegung kann dann aus Gl. (9.47) der engste Querschnitt Ae im
Gondeleintritt bestimmt werden. Durch Verwendung der Gl. (5.59) kann nun auch für die
Querschnitt A32 eine analoge Gleichung angegeben werden:
⎡ κ −1 ⎤ 12 · κ+1
√ 1+ · Ma 2
κ−1
ṁ0 T0 Ri ⎢ 2 c2 ⎥
A2 = · · ·⎣ ⎦ (9.48)
Mac2 πE · p0 κ κ −1
1+ · Ma20
2
Hierin ist der Totaldruckverlust (Pressure Recovery) im Einlaufdiffusor mit πE ent-
sprechend der Gl. (9.38) berücksichtigt worden. Der Diffusor ist adiabat, sodass
Tt2 = Tt1 = Tte = Tt2 gilt. Wie zu Beginn dieses Kapitels erwähnt, werden für eine
Einlaufauslegung die Fläche A2 bzw. der Durchmesser D2 von der Triebwerksauslegung
her als bekannt vorgegeben, sodass Gl. (9.48) zur Bestimmung der axialen Zuströmmach-
zahl Mac2 zum Fan verwendet werden kann. Beim rechnerischen Übergang von der Fläche
A2 auf den Durchmesser D2 ist der Nabenkörper (Spinner) vor dem Fan mitzuberück-
sichtigen. Hierzu wird das Nabenverhältnis ν2 am Faneintritt eingeführt, das für eine
Einlaufauslegung als Vorgabegröße bekannt sein muss:
ν2 = r2N r2G (9.49)
Für die Fläche A2 = π · rG2 − rN2 = π(r2N + r2G )(r2G − r2N ) kann nun der folgende
Ausdruck gefunden werden, wenn für den Durchmesser D2 = 2 · r2G gesetzt wird:
D22 · π
A2 = · 1 − ν22 (9.50)
4
Die Kombination der Gln. (9.48) und (9.50) ergibt schließlich einen Ausdruck zur iterativen
Berechnung der axialen Zuströmmachzahl Mac2 zum Fan:
⎡ κ −1 ⎤ 12 · κ+1
√ 1+ · Ma 2
κ−1
4 · ṁ0 T0 Ri ⎢ 2 c2 ⎥
Mac2 = · · ·⎣ ⎦ (9.51)
D22 · π · 1 − ν 2 πE · p 0
2 κ κ −1
1+ · Ma20
2
Zur iterativen Lösung der Gl. (9.51) muss der Einlaufdruckverlust πE bekannt sein. Nach
Abb. 9.12 kann dazu z. B. πE = 0.99 als Ausgangswert geschätzt werden. Ist dann Mac2
970 9 Triebwerkseinlauf
Fres p ext T0 p0 ρ 0 c 0
T0 Te
p0 pe
ρ0 ρe Amax
Ma0 A Ae
Mae
c0 ce
Fres p ext T0 p0 ρ 0 c 0
Δm0
Abb. 9.17 Kontrollfläche zur Ableitung des Widerstandes des Gondelvorkörpers FWG,V mittels
Anwendung des Impulssatzes der Strömungsmechanik
berechnet worden, kann das zuvor geschätzte πE mittels Abb. 9.12 überprüft werden.
Eventuell ist es erforderlich, die Iteration mit einem dann korrigierten Wert für πE noch
einmal zu wiederholen.
Durch Wahl eines Längenverhältnisses E /De für den Einlaufdiffusor kann auf der
Ordinate von Abb. 9.13 ein geeigneter halber Öffnungswinkel θE abgelesen werden. Mittels
des aus Gl. (9.43) herleitbaren geometrischen Zusammenhangs:
cot θE A2
E = √ · − Ae (9.52)
π 1 − ν22
erhält man so einen ersten Anhaltswert für die Diffusorlänge zwischen engstem Quer-
schnitt und Faneintrittsebene. Für weitergehende Berechnungen sind sophistischere
Rechenverfahren, Finite Elemente Methoden und evtl. zusätzliche Windkanaluntersu-
chungen erforderlich.
Zur Festlegung des äußeren Maximaldurchmessers Dmax des Einlaufs wird eine leicht
modifizierte Methode nach Küchemann und Weber (1953) verwendet, die auf der Anwen-
dung des Impulssatzes auf den Eintrittsbereich des Einlaufdiffusors beruht und die der im
Kap. 9.1.2.2 beschriebenen Vorgehensweise zur eindimensionalen Abschätzung des Zul-
aufwiderstandes FWZ ähnlich ist. Abbildung 9.17 zeigt den Kontrollraum, auf den dabei
der Impulssatz der Strömungsmechanik anzuwenden ist. Ausgehend von Gl. (5.12) ergibt
sich:
9.1 Subsonischer Einlauf 971
max
A
max
A
max
A
Hierin wurde von den Eigenschaften der Gln. (9.9) und (9.10) Gebrauch gemacht, die
zeigen, dass der Widerstand das Integral des Ausdrucks (pext − p0 ) · dA ist. Für die aus-
und eintretenden Impulsströme gilt:
Der seitlich aus dem Kontrollraum austretende Massenstrom ṁ wird mittels einer
Massenbilanz für das Kontrollvolumen bestimmt:
ṁEIN = ṁAUS
ρ0 · c0 · A = ṁ + ρ0 · c0 · (A − Amax ) + ρe · ce · Ae
ṁ = ρ0 · c0 · Amax − ρe · ce · Ae
Damit ergibt sich für die Differenz der aus- und eintretenden Impulsströme:
Die Kombination des letzten Ausdrucks mit den vorhergehenden Ergebnissen führt dann
schließlich auf:
max
A
Analog zur Vorgehensweise bei der Herleitung der Gl. (9.17) kann dieser Ausdruck nun
wie folgt umgeschrieben werden:
FWG,V pe c0 p0
= · κ · Mae ·
2
−1 − 1− (9.54)
Ae · p 0 p0 ce pe
Es wird nun die Definition des in der Aerodynamik üblichen Druckbeiwerts Cp (z. B.
Schlichting und Truckenbrodt 1967)5 eingeführt:
pext − p0 pext − p0 pext − p0
Cp := = ρ = κ (9.55)
q0 0
· c2 p0 · · Ma20
2 0 2
Durch Einführen der Schallgeschwindigkeit a0 2 = c02 /Ma0 2 = κ · Ri · T0 und mit Verwen-
dung der allgemeinen Gasgleichung p0 = ρ0 · Ri · T0 ist der Nenner der obigen Gleichung
umgeformt worden. Die Gleichung für den Widerstand des Gondelvorkörpers FWG,V erhält
damit die folgende Form:
max
A
max
A
FWG,V (pext − p0 )
FWG,V = (pext − p0 ) · dA ⇒ = · dA
q0 q0
Ae Ae
max
A
max
A
FWG,V FWG,V
= κ = Cp · dA ≈ C p · dA (9.56)
q0 p0 · · Ma20
2 Ae Ae
Wenn C p ein mittlerer Druckbeiwert zwischen Ae und Amax ist, so folgt daraus:
Zur Auswertung werden in analoger Schreibweise die Gln. (9.21) und (9.22) übernommen:
1 + κ − 1 · Ma2
c0 e Ma0
=
2 · (9.59)
ce κ −1 Mae
1+ · Ma20
2
5
Um Verwechslungen mit der spezifischen Wärme cp zu vermeiden, wird hier der Druckbeiwert als
Großbuchstabe Cp geschrieben.
9.1 Subsonischer Einlauf 973
1.8 0.5
Amax
Cp Mae = 0.75
Ae
1.6 0.0
Amax
= 2.0
−0.5 Ae
1.4
C p = Cp,krit Cp,krit
−1.0 Cp
1.2
−1.5
1.0
−2.0
Mae = 0.75
0.8 −2.5
0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0
Ma0 Ma0
Abb. 9.18 Flächenverhältnis Amax /Ae und Druckbeiwerte Cp und Cp,krit der äußeren Einlaufkontur
in Abhängigkeit der Flugmachzahl Ma0 für Mae = 0.75 und κ = 1.4
⎛ κ −1 ⎞κ−1
κ
κ−1
κ
1+ · Ma2e
p0 T0 ⎜ 2 ⎟
= =⎝ ⎠ (9.60)
pe Te κ −1
1+ · Ma02
2
Anhaltswerte zur Bestimmung des Druckbeiwerts C p in Gl. (9.58) können z. B. über die
folgende Näherungsbeziehung (Schlichting und Truckenbrodt 1967) geschätzt werden:
2 1 − Ma20
C p ≈ Cp,krit = − · (9.61)
κ +1 Ma20
Den Verlauf von Cp, krit über der Flugmachzahl Ma0 zeigt die gestrichelte Kurve im rech-
ten Teil von Abb. 9.18. Der Kurvenverlauf beschreibt für die jeweilige Machzahl Ma0
den kritischen C p = Cp,krit -Wert, bei dem örtlich auf der Gondelkontur die Schallge-
schwindigkeit überschritten werden würde. Werte für C p , die oberhalb der gestrichelten
Kurve gewählt werden (außerhalb des schraffierten Bereiches) gehören dementsprechend
zu unterkritischen Strömungszuständen im Unterschallbereich.
Der linke Teil von Abb. 9.18 zeigt die Auswertung von Gl. (9.58) für den Fall C p = Cp,krit
und einer vorgegebenen Machzahl im engsten Einlaufquerschnitt von Mae = 0.75. Im
Fall Ma0 = Mae wird das Flächenverhältnis Amax /Ae = 1, was praktisch an einem realen
Einlauf hinsichtlich der Geometrie nicht umsetzbar ist. Brauchbare Werte für Amax /Ae ,
die eine sinnvolle Gondel entstehen lassen, dürften eher zwischen 1.5 und 3.0 liegen. Im
rechten Teil von Abb. 9.18 ist deswegen ein konstanter und praktisch auch umsetzbarer
Geometriewert von Amax /Ae = 2.0 vorgegeben worden und damit dann für Mae = 0.75
aus Gl. (9.58) der zu verschiedenen Flugmachzahlen Ma0 jeweils zugehörige C p -Wert
berechnet worden. Oberhalb von Flugmachzahlen Ma0 > 0.5 stellen sich C p -Werte ein, die
zwischen − 0.15 und 0 liegen. Oberhalb von Flugmachzahlen Ma0 > 0.6 stellen sich dann
974 9 Triebwerkseinlauf
4.0
Amax
Ae
3.5 Mae = 0.75
3.0
2.0
Ma0 = 0.5
1.5
Ma0 = 0.6
1.0
0.0 −0.1 −0.2 −0.3 −0.4 −0.5
Abb. 9.19 Flächenverhältnis Amax /Ae in Abhängigkeit des mittleren Druckbeiwertes auf der
äußeren Einlaufkontur für verschiedene Flugmachzahl Ma0 , sowie für Mae = 0,75 und κ = 1,4
sogar C p -Werte ein, die nur noch zwischen − 0.05 und 0 schwanken. Abbildung 9.19 zeigt
dieselben Gegebenheiten in einer anderen Darstellungsform. Geht man davon aus, dass für
einen geometrisch realisierbaren Einlauf Flächenverhältnisse von Amax /Ae > 2.0 benötigt
werden, so bedeutet dies bei höheren Flugmachzahlen sehr kleine mittlere C p -Werte, die
nahe bei null liegen und die einen deutlichen Abstand zu den Cp, krit -Werten haben. Stellt
sich der größte Massendurchsatz eines Triebwerks z. B. am Boden bei Ma0 = 0.5 ein und
wird bei einer Einlaufauslegung im engsten Querschnitt eine Machzahl von Mae = 0.75
gewählt, so sollte im Idealfall der mittlere C p -Wert nach Abb. 9.17 bei etwa − 0.07 liegen,
um ein erforderliches Flächenverhältnis von Amax /Ae ≈ 2.5 erreichen zu können. Praktische
Dmax -Werte werden natürlich auch durch den inneren Einlaufdurchmesser D2 bestimmt,
denn die Differenz (Dmax − D2 )/2 beschreibt in etwa die Dicke der Wandung des Einlaufs
im Faneintrittsbereich.
Wird vorausgesetzt, dass Cp kein Mittelwert ist, sondern längs der äußeren Kontur
Cp = const gilt, so handelt es sich um so genannte Gondeln konstanter Geschwindigkeits-
verteilung, so wie sie um 1940 herum entwickelt wurden und aus denen sich später die
sog. NACA-1-Serien-Konturen nach Baals et al. (1949) entwickelt haben, die lange und
vielfach in der Praxis Anwendung fanden, Seddon und Goldsmith (1985). Die Tab. 9.1 gibt
die Konturdaten der NACA-1-Einläufe wieder. Die in der Tabelle angegebenen Geome-
triedaten beziehen sich auf die Darstellungen in Abb. 9.16. Der Veränderung des äußeren
Einlaufdurchmessers Da mit der x- und y-Koordinate kann anhand von Abb. 9.1 und
mittels der Tab. 9.1 nun wie folgt beschrieben werden:
Tab. 9.1 Dimensionslose Koordinaten der äußeren Einlaufkontur von Gondeln der NACA-1-Serie
x y(x) x y(x)
x = y (x) = x = y (x) =
ρN + E (Dmax − D1 )/2 ρN + E (Dmax − D1 )/2
0.000 0.0000 0.260 0.6035
0.004 0.0663 0.300 0.6489
0.008 0.0933 0.340 0.6908
0.015 0.1272 0.380 0.7294
0.025 0.1657 0.420 0.7648
0.035 0.1994 0.460 0.7974
0.050 0.2436 0.500 0.8269
0.080 0.3181 0.580 0.8795
0.110 0.3815 0.660 0.9220
0.140 0.4366 0.740 0.9548
0.170 0.4840 0.820 0.9787
0.200 0.5270 0.900 0.9940
0.230 0.5666 1.000 1.0000
Wobei der maximale äußere Einlaufdurchmesser Dmax prinzipiell anhand von Gl. (9.58)
bestimmt werden kann, d. h. wenn C p bekannt ist. Eine Festlegung mittels Abb. 9.19
ist aber auch möglich und eventuell sogar praktikabler. Der Durchmesser D1 des
Eintrittsquerschnittes (Highlight Area) des Einlaufs ergibt sich aus der Geometrie in
Abb. 9.16:
D1 = De + 2 · ρN (9.63)
Der dazu erforderliche Nasenradius ρN des Einlaufs lässt sich z. B. anhand der empirischen
Gl. (9.36) ermitteln:
2E D 1 2 E
ρN = + 0.1365 · Dmax · 1 −
2 − (9.64)
4 Dmax 2
Die Ermittlung von D1 ist damit ein iterativer Prozess, der sich aus der Kombination der
Gln. (9.63) und (9.64) ergibt, wenn De , E und Dmax bekannt sind. Mittels des Nasenradius
ρN kann nun auch der Verlauf des inneren Durchmessers des Einlaufs zwischen der Ein-
trittsebene A1 und dem engsten Querschnitt Ae beschrieben werden, wenn die Koordinate
x beim Durchmesser D1 mit null beginnt und beim Durchmesser De den Wert x = ρN hat,
Abb. 9.16:
+
Di (x, y) = D1 − 2 · y = D1 − 2 · ρN2 − (ρN − x)2 x, y = 0 . . . ρN (9.65)
Der Wurzelausdruck in Gl. (9.65) ergibt sich aus der allgemeinen Kreisgleichung
ρN2 = y 2 + (ρN − x)2 . Im Anschluss an den engsten Querschnitt Ae lässt sich der Verlauf
976 9 Triebwerkseinlauf
des inneren Einlaufdurchmessers berechnen, wenn die Verläufe für die Änderungen der
Machzahl zwischen Mae und Mac2 und des Totaldruckes zwischen pte und pt2 in x-Richtung
bekannt sind. Aus Gründen der Vereinfachung soll hier angenommen werden, dass pte =pt0
gilt und dass die Änderungen der Machzahl und des Totaldruckes jeweils linear verlaufen.
Die Totaltemperatur ändert sich in x-Richtung nicht: Tt0 = Tt1 = Tt2
ρN + E − x
Mac (x) = Mac2 + · (Mae − Mac2 ) (9.66)
E
ρN + E − x
pt (x) = pt2 + · (pt0 − pt2 ) (9.67)
E
Durch Verwendung der Gl. (18.292) ergibt sich dann eine Beziehung für den Querschnitts-
verlauf in x-Richtung:
√ + 12 · κ+1
ṁ0 Tt0 Ri κ −1 κ−1
A(x) = · · · 1+ · Ma2 (x) x = ρN . . . ρN + E
Ma(x) pt (x) κ 2
(9.68)
Durch ν(x) wird das Nabenverhältnis im Bereich des Nabenkörpers (Spinner) entspre-
chend Abb. 9.16 beschrieben wird. Dort wo kein Nabenkörper im Einlauf existiert, ist in
Gl. (9.69) ν(x) = 0 zu setzen:
E + ρN − x
ν(x) = ν2 · 1 − (9.70)
spin
Im nachfolgenden Beispiel wird auf der hier beschriebenen Berechnungsbasis ein einfacher
Einlauf ausgelegt werden. Der hier vorgestellte Rechnungsgang ist vergleichsweise simpel
und soll in dieser Form auch nur einige grundlegende Prinzipien beschreiben, die bei einer
Einlaufgestaltung zu beachten sind. Für eine tatsächliche Einlaufauslegung sind weitere
geometrische und strömungsmechanische Details zu beachten, die hier aber nicht mehr
behandelt werden können, da sie den Rahmen dieses Buches sprengen würden. Auch
werden in der Praxis komplexere Rechenmethoden verwendet als die hier dargestellten.
Beispiel 9.2
Einlaufgeometrie für eine Turbofangondel. In einer Flughöhe von H0 = 0 km
(T0 = 288,15 K, p0 = 101. 325 Pa, κ = 1.4, Ri = 287 Nm/(kg · K) nimmt ein Turbofan
bei einer Flugmachzahl von Ma0 = 0.5 einen maximal möglichen Massendurch-
satz an Luft von 375 kg/s auf. Im engsten Querschnitt des Einlaufs soll in diesem
9.1 Subsonischer Einlauf 977
Strömungszustand die Machzahl Mae = 0.75 nicht überschritten. Von der ursprüngli-
chen Triebwerksauslegung her ist der Fanaußendurchmesser mit D2 = 1.6 m bekannt.
Das Flächenverhältnis Amax /Ae soll 2.4 sein. Die Einlaufverluste zwischen Gondel-
und Faneintritt betragen 2 % (πE = 0.98). Der halbe Öffnungswinkel des
Einlaufdiffusors sei θE = 7◦ . Das Nabenverhältnis am Faneintritt ist von der Triebwerk-
sauslegung her mit ν2 = 0.313 = r2N /r2G vorgegeben. Die axiale Länge des Naben-
körpers (Spinner) soll spin = 1.8 · r2N betragen. In Form eines Entwurfs sind die Daten
für eine einfache Basisgeometrie des Einlaufs zu ermitteln.
κ · Ri 1.4 · 287 Nm
cp = = = 1 004.5
κ −1 0.4 kg · K
√ √
ṁ0 Ri T0 375 287 218.15
A0 = · · = · · = 1.799 m2
Ma0 κ p0 0.5 1.4 101 325
4 · A0 4 · 1.799
D0 = = = 1.5135 m
π π
κ −1
τ0 =1+ · Ma20 = 1 + 0.2 · 0.552 = 1.105
2
κ −1
τe =1+ · Ma2e = 1 + 0.2 · 0.752 = 1.1125
2
√ 12 · κ+1 √
ṁ0 T0 Ri τ κ−1 375 218.15 287 1.1125 3
Ae = · · · e = · · ·
Mae p0 κ τ0 0.75 101325 1.4 1.105
= 1.4265 m2
4 · Ae 4 · 1.4265
De = = = 1.3477 m
π π
A0 /Ae = 1.799/1.4265 = 1.2611
Tt0 = T0 · τ0 = 288.15 · 1.05 = 302.56 K
κ
pt0 = p0 · τ0κ−1 = 101 325.00 · 1.053.5 = 120 192.98 Pa
pt2 = pt0 · πE = 120 192.98 · 0.98 = 117 789.12 Pa
Iteration zur Bestimmung von Mac2 mit Mac2 = Ma0 = 0.5 als Startwert.
κ −1
τc2 = 1 + · Ma2c2
2
√ 12 . κ+1
4 · ṁ0 T0 Ri τc2 κ−1
Mac2 = 2 · · ·
D2 · π · 1 − ν22 πE · p0 κ τ0
√
4 · 375 288.15 287 " τc2 #3.0
Mac2 = · · ·
1.62 · π · (1 − 0.3132 ) 0.98 · 101 325 1.4 1.05
Mac2 = 0.506085, 0.507858, 0.508379, . . . , 0.5086
978 9 Triebwerkseinlauf
1 A2 √ 1 1.8136 √
E = √ · − A e = √ · − 1.4265
π · tan θE 1 − ν22 π · tan 7◦ 1 − 0.3132
= 1.0274 m
D2 1.6
rG2 = = = 0.8 m
2 2
rN2 = ν2 · rG2 = 0.313 · 0.8 = 0.2505 m
Dmax 2.0878
=
D1 D1
2E D 1 2 E
ρN = + 0.1365 · Dmax
2 · 1− −
4 Dmax 2
1.02742 D1 2 1.0274
ρN = + 0.1365 · 2.08782 · 1 − −
4 2.0878 2
ρN = 0.068246, 0.046323, 0.052969, . . . , 0.0514 m
Die Abb. 9.20 zeigt links die grafische Darstellung der zuvor berechneten und aufgeliste-
ten Daten. Es ergibt sich ein rotationssymmetrischer Einlauf, dessen Außenkontur dem
der Gondeln der NACA-1-Serie entspricht und dessen Nasenradius durch einen Viertel-
kreis beschrieben wird. Nach dem engsten Querschnitt Ae ergibt sich eine Diffusorform,
deren Querschnitte an jeder x-Position die Kontinuitätsgleichung erfüllen. Der Total-
druckverlust innerhalb des Einlaufs wird in Form einer linear abfallenden Funktion
mitberücksichtigt. Der Zentralkörper (Spinner) wird als Kegel mit geraden Außen-
wänden angenähert. Eine ellipsenförmige Kontur des Zentralkörpers mit horizontaler
Tangente am Faneintritt würde den Verlauf der Innenkontur des Gondeleinlaufs strö-
mungsmechanisch eleganter ausfallen lassen, als es in Abb. 9.20 zu sehen ist, wo im
Gehäusebereich die Innenkontur noch relativ steil verläuft. Ein horizontaler Kurven-
verlauf ist hier hinsichtlich einer optimalen Fanzuströmung sicherlich erstrebenswerter.
980 9 Triebwerkseinlauf
1.1
0.9
0.7
0.4
0.2
0.0
0.2
0.4
0.7
0.9
1.1
0.1 0.4 0.7 0.9
Abb. 9.20 Kontur des in Beispiel 9.2 berechneten Triebwerkeinlaufs und visueller Vergleich der
Rechnung mit dem real ausgeführten Einlauf des Triebwerks IAE-V2500
Abbildung 9.21 zeigt die heute übliche Formgebung eines Triebwerkseinlaufs und der
zugehörigen Gondel für ein Verkehrsflugzeug, bei der sich die Einlaufgestaltung auf die
folgenden fünf Punkte konzentriert:
4940
635 1435
2058 812
αA/C
2121
Ma0
αG
Common
Inlet Fan Thrust Nozzle
673 Cowl Cowl Reverser Assembly
Ground L evel
Abb. 9.21 Konturgebung eines Einlaufs mit geneigter Gondelstirnfläche für ein Turbofantriebwerk
mit langer Gondel und einer Gemeinschaftsdüse für den kalten und heißen Triebwerkskreis
Der untere Gondelbereich ist dicker ausgeführt, um die am Triebwerk – unterhalb des
Verdichters – integrierten Hilfsgeräteantriebe unterbringen zu können. Diese Position
ist auch deshalb günstig, weil der maximal zulässige Anstellwinkel für die Gondel durch
Strömungsablösungen im unteren Innenbereich des Einlaufs bestimmt wird und dort
strömungsmechanisch nur durch dickere Einlauflippen beeinflusst werden kann. Die
Integration der Gondel in die Gesamtaerodynamik des Flugzeuges erzeugt weitere Rand-
bedingungen, wie z. B. die Neigung der Zuströmachse um den Winkel αA/C 6 , wodurch zum
einen die Neigung des Abgasstrahls und zum anderen die Einströmung in die Gondel bei
den kleineren Anstellwinkeln des Reiseflugs optimiert werden können. Die Neigung ist
dem Flugzeuganstellwinkel αA/C während des Reisefluges proportional. Der Anstellwinkel
ist keine konstante Größe, er ändert sich mit der Flugmachzahl und der Flugdauer. Letzte-
res, weil das Flugzeug durch den Brennstoffverbrauch leichter wird und das Gleichgewicht
zwischen Auftrieb und Flugzeuggewicht durch entsprechende Anstellwinkeländerungen
angepasst wird. Abbildung 9.22 zeigt aber, dass für übliche Flugmachzahlen Ma0 > 0.4
die Änderungen beim Anstellwinkel αA/C des Flugzeuges gering ausfallen im Vergleich zu
denen in der Start- und Landephase bei Ma0 < 0.3. Die Neigung der Gondelstirnfläche αG
kann nach Younghans (in Mattingly et al. 1987) für Verkehrsflugzeuge mit überwiegend
hohen Reiseflugmachzahlen (Ma0 ≈ 0.85) nach der folgenden Formel berechnet werden:
Soll die Gondel eher niedrigeren Flugmachzahlen um Ma0 ≈ 0.5 angepasst sein, so ist die
folgende Formel zu wählen:
6
Die englische Abkürzung A/C steht hier für Aircraft (Luftfahrzeug).
982 9 Triebwerkseinlauf
αA/C c0 = Fluggeschwindigkeit
c = 1.6 ⋅ c stall c0Take−Off = Abhebegeschwindigkeit (Take -Off )
Flugzeuganstellwinkel
2° c stall = Abreißgeschwindigkeit
10°
maxim
al
normal
0°
0.2 Ma 0 0.4 0.6 0.8 Ma0
Take−Off
Flugmachzahl
Abb. 9.22 Anstellwinkeländerung mit der Flugmachzahl für ein typisches Unterschallverkehrsflug-
zeug nach Younghans (in Mattingly et al. 1987)
Hinsichtlich einer dreidimensionalen Konturgestaltung ist sicherlich auch der Einlauf der
Boeing B737-300 und ihrer Nachfolgertypen zu erwähnen, bei der das ursprüngliche Trieb-
werk (JT8D Turbofan mit kleinem Bypassverhältnis) durch das u. a. im Durchmesser
größere CFM56 Triebwerk mit höherem Bypassverhältnis ersetzt wurde. Um dabei ei-
ne Verlängerung des Flugzeugfahrwerks zu vermeiden, wurde die Gondel näher an den
Flügel gebracht und außerdem im unteren Bereich abgeflacht (vgl. Abb. 9.23). Durch
extensiven Gebrauch moderner numerischer Methoden der Aerodynamik wurde so eine
9.1 Subsonischer Einlauf 983
8% Ma0 = 0.90
am Flugzeugwiderstand Einlaufwiderstand
6% und hinterer
Gondelwiderstand
Prozentualer Anteil
Ma0 = 0.85
4%
Ma0 = 0.80
Einlaufwiderstand
2% Ma0 = 0.85
0
0.7 0.8 D1/Dmax 0.9
Abb. 9.24 Beispielhafte Darstellung zum Widerstand einer Triebwerksgondel von Verkehrsflug-
zeugen nach Mattingly (1987)
senkrechter Verdichtungsstoß
längs des gesamten Umfangs
reibungs- und strahlinduzierte
überkritische Kanalströmung zwischen Widerstandseffekte mit
Tragflügel und Triebwerk und Wechsel- Strömungsablösungen am Tragflügel
wirkungen mit dem Fanstrahl
Boeing B747
(Innentriebwerk)
Airbus A300
McDonnell Douglas DC 10
General Electric
CF6-50 Turbofan
Abb. 9.26 Unterschiedliche Installationen ein und desselben Turbofantriebwerks an drei ver-
schiedenen Verkehrsflugzeugen. Bild mit freundlicher Genehmigung von General Electric Aircraft
Engines
on für ein Triebwerk zu ermitteln ist, was als so genannte Triebwerksintegration bezeichnet
wird. Abbildung 9.26 zeigt dazu, wie unterschiedlich z. B. die Position ein und desselben
Triebwerks (hier General Electric CF6 Turbofan) an drei verschiedenen Flugzeugtypen
ausfallen kann. Im Bild ist die Position des Triebwerks fixiert dargestellt, sodass die jeweils
zugehörigen Pylon- und Flügelprofilpositionen variierende Lagen erhalten.
Abbildung 9.25 zeigt auf der Außenkontur der Gondel einen senkrechten Verdich-
tungsstoß, der sich über den gesamten Umfang des Einlaufs erstreckt. Eine solche
Stoßkonfiguration ist typisch für Gondeln von Turbofantriebwerken, deren Einläufe einer
sog. überkritischen Auslegung (Super-Critical Design) unterliegen, was bedeutet, dass die
9.1 Subsonischer Einlauf 985
äußeren Einlaufkontur
pt 1.5
0.3 A0/A1 = 0.59
A0/A1 = 0.54 1.4
1.3
0.4 1.2
1.1
0.5
1.0
Stoß
0.9
0.6
challgebiet Unterschallgebiet
Übers
Dmax 0.8 p lokal gemessener sta-
0.7 tischer Druck auf der
äußeren Einlaufkontur
0.0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 p t Totaldruck in der Zu-
x/Dmax strömung
Abb. 9.27 Druck- bzw. Machzahlverteilung auf einer Einlaufkontur nach Langley (1979) für eine
Flugmachzahl von 0,85 bei unterschiedlichen Fangstromröhren-Flächenverhältnissen
• Zu Beginn bekommt die Kontur eine starke Krümmung, was eine starke Saugspitze
nahe bei der Einlaufnase hervorruft. Das heißt, beim Umströmen der Nase treten lokal
– infolge hoher Strömungsbeschleunigung – sehr geringe statische Drücke bzw. relativ
hohe örtliche Machzahlen auf, die weit in den Überschall reichen können.
• An die Saugspitze anschließend wird die Kontur so gestaltet, dass eine allmähliche,
möglichst verlustfreie Strömungsverzögerung (isentrope Kompression) entstehen kann,
die den abschließenden senkrechten Stoß, wenn er denn auftritt, so schwach wie möglich
ausfallen lässt.
• Der daran anschließende senkrechte Stoß, der die Strömung in den Unterschall bringt,
soll möglichst nahe beim maximalen Durchmesser Dmax liegen, sodass die dann hinter
dem Stoß auftretenden positiven Drücke (p> p0 ) so wenig wie möglich nachteilige
Einflüsse auf die vorwärts gerichtete Saugwirkung des vorderen Gondelteils haben
können.
Abbildung 9.27 zeigt die Machzahlverteilungen auf der Außenkontur eines solchermaßen
ausgelegten Einlaufs für drei unterschiedliche Fangstromröhrenflächenverhältnisse A0 /A1
(Flow Ratios), wenn die Flugmachzahl jeweils Ma0 = 0.85 beträgt, Langley (1979). Deutlich
sind die Saugspitzen mit lokalen Machzahlen von 1.45, 1.55 bzw. 1.65 am Einlaufeintritt zu
986 9 Triebwerkseinlauf
erkennen. Der Staupunkt der jeweiligen Strömung liegt innerhalb des Einlaufs (Abb. 9.16,
unten rechts), sodass es zu einer Umströmung der Einlauflippen von innen nach außen
kommt, was schließlich in den dargestellten Machzahlspitzen resultiert. Für die beiden
kleineren Flächenverhältnisse A0 /A1 = 0.54 und 0.59 stellt sich etwa bei x/Dmax ≈ 0.275
ein senkrechter Stoß ein, der die Strömung auf der Außenkontur nahezu sprungartig vom
Überschall in den Unterschall überführt. Vor den jeweiligen Stößen haben die lokalen
Machzahlen eine Größenordnung von etwa 1.25, was geringe Stoßverluste erwarten lässt.
Hinter den Stößen betragen die lokalen Machzahlen etwa 0.98 oder 0.95. Für das größte der
drei Flächenverhältnisse A0 /A1 = 0.64 erfolgt der Übergang vom Über- zum Unterschall
praktisch kontinuierlich. Der Unterschallbereich beginnt jetzt etwa bei x/Dmax ≈ 0.375.
Mit größer werdendem Flächenverhältnis A0 /A1 wandert der Staupunkt zusehend aus dem
inneren Bereich des Einlaufs heraus, was die Umströmung der Einlauflippe kontinuierlich
verringert.
Unter Beachtung gewisser Randbedingungen ist es durchaus auch möglich, die bisher
beschriebenen Einläufe der NACA-1-Serie im Rahmen einer überkritischen Auslegung
erfolgreich einzusetzen. Langley (1979) fand in diesem Zusammenhang heraus, dass
für ein Durchmesserverhältnis von Dmax /D1 = 1.175 das Längenverhältnis des Einlaufs
(E + ρN )/Dmax ≈ 0.45 betragen sollte, was im Übrigen gut mit den Kurvenverläufen in
Abb. 9.19 korrespondiert. Die kritische Machzahl Ma0krit der Zuströmung, ab der auf der
äußeren Einlaufkontur mit einem rapiden Verlustanstieg infolge von lokalen Überschallge-
bieten mit Stößen zu rechnen ist, wird von Stanhope (1968) für Gondeln der NACA-1-Serie
ohne Anstellwinkel wie folgt beschrieben:
1 Dmax D1 2
Ma0krit = 1 − · · 1− (9.73)
8 E + ρN Dmax
Für die oberhalb von Gl. (9.73) angegebenen Zahlenwerte nach Langley (1979) ergibt
sich hieraus eine kritische Zuströmmachzahl von Ma0krit ≈ 0.85 und für das weiter oben
durchgerechnete Beispiel 9.2 ein Wert von Ma0krit ≈ 0.82. Das Auftreten eines Anstellwin-
kels reduziert die kritische Machzahl nach Gl. (9.73) um einen Zahlenwert von 0.003 pro
Grad Anstellwinkel. Dieser Zusammenhang gilt bis hin zu Anstellwinkeln von 6◦ , Langley
(1979).
Wie schon erwähnt, so befindet sich der Staupunkt der Fangstromröhre im Bereich
höherer Flugmachzahlen (A0 /A1 deutlich kleiner als 1) innerhalb des Einlaufs, stromab
der Eintrittsfläche A1 , vgl. Abb. 9.16 unten rechts. Abbildung 9.28 zeigt, dass ab diesem
Punkt die Strömung bis hin zum engsten Querschnitt Ae , und sogar noch ein gewisses
Stück darüber hinaus, beschleunigt wird. Das Machzahlmaximum wird demzufolge ein
gewisses Stück hinter dem engsten Querschnitt erreicht. Ab dann kommt es zu einer
Verzögerung im Einlaufdiffusor, bis hin zur Faneintrittsmachzahl Mac2 . Der interne Kon-
turmachzahlverlauf wird dabei nur unwesentlich von der Flugmachzahl Ma0 beeinflusst.
Die mittlere und die untere durchgezogene Kurve in Abb. 9.28 sind praktisch identisch
mit den zugehörigen gestrichelten Kurven, die sich bei einer Flugmachzahl von Ma0 = 0.6
9.1 Subsonischer Einlauf 987
1.2
Ma
Verteilung der lokalen Machzahlen 1.0
auf der inneren Einlaufkontur Ma e A 0 / A1
Mae 0.9 0.845
0.8
0.7 0.779 (0.922 für Ma 0 = 0.6)
Mae 0.5 0.636 (0.753 für Ma 0 = 0.6)
0.6
Mae
0.4
Ma0 = 0.94
Ma0 = 0.60
0.2
Abb. 9.28 Gemessene Konturmachzahlverteilung längs der inneren Oberfläche eines Einlaufs, für
den Fall einer hohen Flugmachzahl. Adaptiert von Seddon und Goldsmith (1985)
0.2
0.0
0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 x/Dmax
Staustromlinien r
kontu
f-A ußen
Einlau
ung
tröm Staupunkt bei Ma0 = 0.1
en-S
Auß
engster Querschnitt
Beschleunigung um mit Mae = 0.4
die Einlauflippe herum Innen-
Strömu
ng Einlauf-Innenkontur
Abb. 9.30 Umströmung der Einlauflippe und Lage der Staupunkte bei kleinen Flugmachzahlen und
kleineren Triebwerksleistungsstufen; unten links Strömungssichtbarmachung einer Fangstromröhre
in einem Modellversuch vor einem laufenden, gegenläufigen Propfan
und 9.30. Dieses ist der typische Strömungszustand im Anflugfall (Descent), wenn kleine
Fluggeschwindigkeiten bei gleichzeitig kleinen Triebwerksleistungsstufen auftreten. Die
Machzahl im engsten Querschnitt liegt dann etwa bei Mae ≈ 0.4. Mit abnehmender Flug-
machzahl wandert der Staupunkt bei Mae ≈ const von der Vorderkante der Einlauflippe
auf die Außenkontur hinaus. Liegt der Staupunkt außerhalb des Einlaufs (Ma0 ≈ 0.1),
kommt es bei der Einströmung in den Einlauf zu einer starken Beschleunigung um die
Einlauflippe herum. Lokal werden dabei auf der vorderen Innenkontur Machzahlen von
bis zu Ma ≈ 1.25 erreicht. Zum engsten Querschnitt Ae hin verzögert eine solche Strömung
anschließend kontinuierlich auf die lokale Machzahl von ca. 0.4 im engsten Querschnitt.
Abbildung 9.31 zeigt die Staupunktlagen für typische Strömungszustände im Start- und
Langsamflugfall, wenn kleine bis mittlere Fluggeschwindigkeiten bei gleichzeitig großen
Triebwerksleistungsstufen auftreten. Die Machzahl im engsten Querschnitt liegt dann etwa
bei Mae ≈ 0.85. Mit zunehmender Flugmachzahl wandert der Staupunkt bei Mae ≈ const
längs der äußeren Gondelaußenkontur zur Vorderkante der Einlauflippe. Liegt der Stau-
punkt deutlich außerhalb des Einlaufs (Ma0 ≈ 0.3), kommt es bei der Einströmung in den
Einlauf zu einer starken Beschleunigung um die Einlauflippe herum. Lokal werden dabei
auf der vorderen Innenkontur Machzahlen von bis zu Ma ≈ 1.65 erreicht. Zum engsten
9.1 Subsonischer Einlauf 989
Ma0 = 0.3
Ma0 = 0.5
Ma0 = 0.4
1.8
1.6
Staupunkte
1.4
Konturmachzahl Ma
1.2
1.0
0.4 Ae
Abb. 9.31 Lage der Staupunkte bei kleinen bis mittleren Flugmachzahlen und größeren Triebwerks-
leistungsstufen zusammen mit reibungsfrei berechneten Konturmachzahlen auf der Gondelaußen-
kontur nach Seddon und Goldsmith (1985)
Querschnitt Ae hin verzögert eine solche Strömung anschließend längs der Innenkontur
auf eine lokale Machzahl von ca. 0.85 im engsten Querschnitt. Abbildung 9.30 und 9.31
zeigen, dass hohe Konturmachzahlspitzen auf der Gondelaußenkontur insbesondere dann
auftreten, wenn kleine Flugmachzahlen vorliegen.
Beim Starten, Rotieren, Steigen, Landen oder Abfangen eines Flugzeuges kommt es –
infolge des dabei zusätzlich auftretenden Anstellwinkels – ebenfalls zu einer starken Strö-
mungsbeschleunigung um die Einlauflippe herum, vgl. dazu auch Abb. 9.15. In diesen
Fällen ist der untere Teil der Einlauflippe davon besonders signifikant betroffen. Abbil-
dung 9.32 zeigt, dass sich dabei ebenfalls lokale Zonen mit Überschallgebieten einstellen,
die zu Ablöseblasen, zu ausgeprägten Strömungsablösungen und zu ins Triebwerk ab-
schwimmenden Wirbelzöpfen führen, Jakubowski und Luidens (1975), Hurd (1976). Die
Stärke des Verdichtungsstoßes und die damit verbundene Wechselwirkung mit der Grenz-
schicht bestimmen, ob sich eine laminare Ablöseblase ausbildet oder nicht. Wie und wo
ein Grenzschichtumschlag von laminar nach turbulent auftritt und ob es schließlich zu
einer vollständigen Strömungsablösung kommt ist eine sehr komplexe Funktion der Tur-
bulenz der Strömung, der Rauigkeit der umströmten Oberflächen und der Reynoldszahl
der Strömung.
990 9 Triebwerkseinlauf
inn
en
Bildung von
au Wirbelzöpfen
ße Gebiet mit
n
Strömungs-
ablösung
innen
Schall-
linie mögliche
laminare
Ablöseblase
Kompressions-
wellen engster Querschnitt Ae
Expansions- Eintrittsquerschnitt A1
wellen
auße
Staupunkt n
Abb. 9.32 Strömung um die untere Einlauflippe einer Gondel herum, bei einer Flugmachzahl von
Ma0 = 0,8 und einem Anstellwinkel von αA/C = 16◦ . Adaptiert von Seddon und Goldsmith (1985)
7
Instabiler Verdichterzustand, der sehr ausführlich in Kap. 10 behandelt werden wird. Tritt dieser
instabile Zustand über einen längeren Zeitraum auf, so ist praktisch immer eine totale Zerstörung des
Triebwerks zu erwarten, wenn das Triebwerk nicht vorher in den Leerlauf gefahren oder abgeschaltet
wird. Die beiden letztgenannten Optionen sind bei modernen Triebwerken, die über Rechner digital
gesteuert werden, in der vollautomatischen Regelung mit enthalten.
9.2 Supersonischer Einlauf 991
Quelle für Einlaufstörungen sein. Bei militärischen Triebwerken kann auch das Abschießen
von Munition und von Raketen solche Störungen hervorrufen.
• Vor dem Einlauf bilden sich sog. Verdichtungsstöße (Stoßwellen) aus, die eine
zusätzliche, nicht-viskose Verlustquelle darstellen.
• Der Fangstromröhrenquerschnitt verändert sich im Vergleich zum Unterschallflug.
Da ein zugehöriges Flugzeug sowohl im Unter- als auch im Überschall operieren wird,
muss der Triebwerkseinlauf für beide Flugfälle möglichst optimiert sein.
Abbildung 9.33 zeigt am Beispiel des ehemaligen Verkehrsflugzeuges Concorde einen
solchen typischen Überschalldiffusor, in dem die Strömung (Ma0 = 2) erst durch eine
Serie von Verdichtungsstößen in den Unterschall geführt und anschließend über einen
normalen Unterschalldiffusor auf die gewünschte Machzahl Mac2 = 0.4 . . . 0.5 am Ver-
dichtereintritt gebracht wird. Eine um 7◦ geneigte Einlaufkante mit einer anschließenden
gekrümmten, verstellbaren Rampe bewirken extern eine Verzögerung von der Flugmach-
zahl Ma0 = 2 auf eine Einlaufeintrittsmachzahl von ca. 1.4. Durch einen abschließenden
992 9 Triebwerkseinlauf
Tab. 9.2 Auswirkungen der Änderungen des Einlaufwirkungsgrades und des Flugzeugwiderstandes
auf die Nutzlast eines Flugzeuges
Aerodynamischer Verlust Verminderung der Nutzlast um . . . (%)
1 % beim Einlaufwirkungsgrad (subsonisch) . . . 1.0
1 % beim Einlaufwirkungsgrad (supersonisch) . . . 2.5
1 % beim Flugzeugwiderstand (subsonisch) . . . 1.0
1 % beim Flugzeugwiderstand (supersonisch) . . . 4.5
1 % beim Einlaufwirkungsgrad (Take-Off) . . . 5.0
schrägen Stoß im Bereich der um 12◦ geneigten unteren Einlauflippe wird die Strömung
in den Unterschall gebracht. Auf der vom Tragflügel stammenden Grenzschichtströ-
mung, die im oberen Einlaufteil die Hauptströmung seitlich verlässt, wird der Stoß als
Prandtl-Meyer-Expansion reflektiert und bildet dort ein lokales Überschallgebiet aus, das
schließlich mit einem senkrechten Verdichtungsstoß abschließt. Im Schubdüsenbereich
wird die Grenzschichtströmung der Hauptströmung wieder zugemischt.
Die Überschalldiffusion wird in zwei Typen unterteilt, die interne und die externe Kom-
pression, Abb. 4.3, wobei die erstere außerhalb (längs nur einer einzigen festen Berandung)
und die letztere innerhalb des Einlaufes (Kanalströmung mit allseitiger Berandung) statt-
findet. Praktisch wird bei den Überschalldiffusoren von Flugzeugen immer ein Mix aus
beiden gewählt, was dann als gemischte Kompression bezeichnet wird.
Wie bereits bei den subsonischen Triebwerkseinläufen erläutert, sind der Totaldruck-
verlust (Pressure Recovery) innerhalb des Triebwerkeinlaufs nach Gl. (9.38) πE = pt2 /pt0
bzw. der zugehörige Einlaufwirkungsgrad ηE nach Gl. (9.42) wichtige Parameter zur Beur-
teilung der Qualität eines Einlaufs. Die Bedeutung dieser Größen lässt sich zum Beispiel an
deren Einfluss auf die transportierbare Nutzlast (Payload) eines Flugzeuges ausdrücken.
Für die BAC Concorde verdeutlicht dies die Tab. 9.2.
Bevor nun weiter auf die Gestaltung von supersonischen Triebwerkseinläufen und deren
Bedeutung für die aerodynamische Gesamtkonfiguration eines Flugzeuges eingegangen
wird, sollen zuvor zum besseren Verständnis der Dinge einige grundlegende gasdyna-
mische Grundlagen behandelt werden. Als Einführung zum Thema interne und externe
Kompression sei auch auf das Kap. 4.1.2 dieses Buches verwiesen.
Einen supersonischen Einlauf mit interner Kompression kann man sich erst einmal wie
eine umgekehrte Lavaldüse vorstellen, in der im nun umgekehrt durchströmten divergen-
ten Teil der ursprünglichen Lavaldüse8 die Strömung durch eine Serie von schwachen
8
Ein Überschalldiffusor hat die Form einer „Düse“, so wie man sie von der klassischen
Unterschallströmungsmechanik her kennt.
9.2 Supersonischer Einlauf 993
A B
abgelöste Kopfwelle anliegende Kopfwelle
0 0
e e
C D
0 instabile Stoßlage 0 stabile Stoßlage
e e
Starten des
Diffusors 1.0 1.5
1.5 1.5 1.3
E F
Abb. 9.34 Zum Startproblem bei Überschallströmungen. Die Zahlenwerte sind lediglich als
Anhaltswerte gedacht (zum Verständnis der Größenordnungen)
Verdichtungswellen bis zur Schallgeschwindigkeit hin verzögert wird, linker Teil des Ein-
laufs in Abb. 4.3.
A Ab dann schließt sich ein herkömmlicher Unterschalldiffusor an. Dass
dieses aber in Praxis so nicht bzw. nur unvollständig abläuft, sollen die Ausführungen im
nachfolgenden Kapitel zeigen.
so genannte dimensionslose Stromdichte (vgl. Kap. 18.5, Abb. 18.50), die ein Maß für
den Massendurchsatz ist, ihr Maximum erreicht, d. h. im Kanal kann es zu keiner weiteren
Massenstromzunahme mehr kommen, solange sich Totaldruck und/oder Totaltemperatur
nicht verändern, siehe Beispiel 18.3.
Ein weiterer Anstieg der Zuströmgeschwindigkeit c0 bzw. der Zuströmmachzahl Ma0
(ṁ0 = ρ0 ·c0 ·A) führt zwangsläufig zu einer äußeren Umströmung des Überschalldiffusors
994 9 Triebwerkseinlauf
mit der überschüssigen Masse, da vor ihm die Massenstromdichte ja noch zunimmt,
solange nämlich noch Ma0 < 1 gilt, Abb. 18.50 und 9.32 . B
Geht Ma0 gerade in den Überschall, so wird die Umströmung nicht abrupt abbrechen,
sondern es bildet sich – mit einem gewissen Abstand zum Diffusor – ein senkrechter
Verdichtungsstoß aus (abgelöste Kopfwelle), der die Zuströmung in den Unterschall
zurückführt, Abb. 9.34 . C
Erst wenn Ma0 soweit gesteigert wurde, dass die Massenstromdichte in der Zuströmung
deutlich zurückgegangen ist, Abb. 18.50, wird die Umströmung allmählich aufhören und
alle Masse durch den Diffusor hindurchströmen. Das heißt, im gleichen Maße, wie die
Umströmung zurückgeht, nähert sich der Verdichtungsstoß dem Diffusoreintritt an, bis
der Stoß schließlich genau am Eintritt anliegt und es zu keinerlei Umströmung mehr
kommt, Abb. 9.34 . D
Wird Ma0 noch weiter gesteigert, und damit die Massenstromdichte im Eintritt gesenkt,
Abb. 18.50, so könnte nun im engsten Querschnitt Ae bei Mae = 1 mehr Masse durchströ-
men als bei A1 eintritt. Die geringere Massenstromdichte im engsten Querschnitt „saugt“
also – bildlich gesprochen – den Verdichtungsstoß vom Diffusoreintritt weg. Unter diesen
Umständen verlässt der Verdichtungsstoß also seine stabile Position am Diffusoreintritt
und wandert in Richtung zum engsten Querschnitt, was man als Starten des Diffusors
bezeichnet, Abb. 9.34 . E
2 κ −1
a∗ 1+ · Ma20
= 2 (9.75)
c0 κ +1
· Ma20
2
Aus der Kontinuitätsgleichung A0 ·ρ0 ·c0 = A∗ ·ρ ∗ ·c ∗ wird der folgende Ausdruck gebildet:
A0 A0 ρ ∗ · c∗ ρ ∗ · a∗ ρ ∗ ρte a∗
= ∗ = = = · · (9.76)
Ae A ρ0 · c 0 ρ0 · c 0 ρte ρ0 c0
9.2 Supersonischer Einlauf 995
Der Strömungskanal sei adiabat (Tt0 = Tte ) und die Zustandsänderung darin sei isentrop
(pt0 = pte ), solange im Kanal noch kein Verdichtungsstoß existiert, sodass nach der allge-
meinen Gasgleichung auch ρt0 = ρte gilt. Aus den Tab. 18.8 und 18.9 können die folgenden
beiden Gleichungen abgelesen werden, wenn dort zum einen Ma = Ma0 und zum anderen
Ma = Mae = Ma∗ = 1 gesetzt werden:
− κ−1
1
κ−1
1
ρt0 ρte κ −1 ρ∗ 2
= = 1+ · Ma0
2
= (9.77)
ρ0 ρ0 2 ρte κ +1
Werden nun die Gln. (9.75) und (9.77) in Gl. (9.76) eingesetzt, so folgt schließlich:
12 · κ+1
A0 1 2 κ −1 κ−1
∗
= · · 1+ · Ma0
2
(9.78)
A Ma0 κ +1 2
Es werden nun die kritischen Strömungszustände in den beiden Ebenen 0 und E be-
trachtet, für die – wenn die Strömung isentrop ist – nach der Kontinuitätsgleichung die
folgenden Beziehungen gelten muss:
A∗0 ρe∗ · ce∗ ρe∗ pe∗ Ri · T0∗ pe∗ pte (pe∗ /pte )
= ∗ ∗ = ∗ = · ∗ = ∗ = ·
A∗e ρ0 · c0 ρ0 Ri · Te∗ p0 p0 pt0 (p0∗ /pt0 )
√
mit c0∗ = a0 = ae = ce∗ und wegen a = κ · Ri · T folgt auch T0∗ = Te∗
∗
Bei Verwendung der Gl. (18.268) zeigt sich, dass pe∗ pte∗ = p0∗ pt0 gilt, sodass sich der
folgende Ausdruck ergibt:
A∗0 ρe∗ pte
∗
= ∗ = (9.79)
Ae ρ0 pt0
Befindet sich zwischen den Ebenen 0 und ein senkrechter Verdichtungsstoß, so beschreibt
pte /pt0 die durch ihn erzeugten Totaldruckverluste9 . Mittels dieses Ausdrucks (9.79), der
Gl. (9.78) und der Kontinuitätsgleichung kann nun die Machzahl Ma0 bestimmt wer-
den, bei der der Startvorgang des Überschalldiffusors gerade noch nicht begonnen hat,
Abb. 9.34. Genau vor dem Diffusor steht dabei ein senkrechter Verdichtungsstoß:
ρ0 · c0 ∗ ∗ ρe · ce
ρ0 · c0 · A0 = ρe · ce · Ae ⇒ · ρ 0 · c0 · A 0 = · ρe∗ · ce∗ · Ae
ρ0∗ · c0∗ ρe∗ · ce∗
Mit den Gln. (9.76), (9.79) und mit c0∗ = a0 = ae = ce∗ wird daraus:
A∗0 A∗
· ρ0∗ · A0 = e · ρe∗ · Ae = ρe∗ · Ae wegen Mae = 1 ist A∗e Ae = 1 (9.80)
A0 Ae
A0 ρ ∗ A0 pte A0
= e∗ · ∗ = · (9.81)
Ae ρ0 A0 pt0 A∗0
9
Über einen senkrechten Verdichtungsstoß ändert sich der Totaldruck pte > pt0 , während die
Totaltemperatur konstant bleibt, Tte = Tt0 .
996 9 Triebwerkseinlauf
12 · κ+1
A0 pte 1 2 κ −1 κ−1
= · · · 1+ · Ma20 (9.82)
Ae pt0 Ma0 κ +1 2
Der Totaldruckverlust πE über den senkrechten Stoß kann z. B. nach Zierep (1976) mit der
folgenden Formel bestimmt werden:
1
− κ−1
2 · κ 2 − κ−1
κ
pte 2 1
πE = = 1+ · Ma0 −1 · 1− · 1− (9.83)
pt0 κ +1 κ +1 Ma20
Für die gestartete Strömung wird nun von Abb. 9.34- F ausgegangen. Zwischen den
Ebenen 0 und E existiert also kein Stoß mehr, sodass für die ansonsten isentrope (rei-
bungsfreie) Strömung (mit Ma0 >1, Mae >1 und A∗e Ae = 1) pt0 = pte gilt. Aus den Gln.
(9.80) und (9.79) folgt damit:
A∗0 A∗ A∗e A∗ A0
· pt0 · A0 = e · pte · Ae ⇒ = 0 · (9.84)
A0 Ae Ae A0 Ae
Für A∗0 A0 wird Gl. (9.78) eingesetzt und für A0 /Ae Gl. (9.82), sodass folgt:
1
− κ−1
2 · κ 2 − κ−1
κ
A∗e 2 1
= 1+ · Ma0 −1 · 1− · 1− (9.85)
Ae κ +1 κ +1 Ma20
Aus Gl. (9.78) ergibt sich für den Querschnitt :
E
12 · κ+1
Ae 1 2 κ −1 κ−1
= · · 1 + · Ma 2
(9.86)
A∗e Mae κ +1 2 e
Nach dem Lösen der Gl. (9.85) kann aus Gl. (9.86) die Machzahl Mae iterativ berechnet
werden. Dazu wird auf der rechten Seite der nachfolgenden Gleichung Mae = Ma0 als
Startwert für die Iteration eingesetzt:
2· κ−1
2 κ + 1 Ma
Mae =
κ+1
e
· · −1 (9.87)
κ −1 2 πE
Am Ort von Mae wird ein senkrechter Stoß erzeugt, über den die Strömung in den Unter-
schall gebracht wird. Dieser Stoß in der gestarteten Strömung bewirkt einen Verlust, der
nach Gl. (9.83) berechnet werden kann und mit πEmax bezeichnet wird:
1
− κ−1
2 · κ 2 − κ−1
κ
2 1
πEmax = 1 + · Mae −1 · 1− · 1− (9.88)
κ +1 κ +1 Ma2e
Nach z. B. Anderson (1990) kann die Machzahl Ma1 hinter dem senkrechten Stoß mit
der folgenden Gleichung berechnet werden:
2 + (κ − 1) · Ma20
Ma1 = (9.89)
2 · κ · Ma20 − κ + 1
9.2 Supersonischer Einlauf 997
1.00 pe
Ae −1
p0
A0 cp = κ
0.75 τ0κ −1 − 1
πE πEmax κ −1
τ0 = 1 + ⋅ Ma 02
2
0.50
pe
−1
p0 gestartet
Ma 0 − Ma e
0.25 noch nicht
gestartet
cp
0.00
1.0 1.4 1.8 2.2 2.6 Ma0 3.0
Abb. 9.35 Verlauf der charakteristischen Größen eines gestarteten und eines noch nicht gestarteten
supersonischen Einlaufdiffusors konstanter Geometrie mit interner Kompression
Für Ma0 = 1 ergibt sich auch Ma1 = 1, was als infinitesimal schwacher Stoß oder auch
als Machsche Welle bezeichnet wird. Steigt Ma0 über eins an, so wird der senkrechte Stoß
immer stärker und Ma1 wird progressiv kleiner als eins. Für Ma0 → ∞ läuft Ma1 gegen den
Grenzwert [(κ − 1)/(2 · κ)]1/2 = 0.378 wenn κ = 1.4 ist. Für die statische Druckänderung
zwischen 0 und E (vor dem Stoß) folgt schließlich:
1+
· Ma 2
pe ⎢ 2 0⎥
=⎣ ⎦ (9.91)
p0 κ − 1
1+ · Ma2e
2
Die Ergebnisse der Gln. (9.82), (9.83), (9.88) und (9.91) sind in Abb. 9.35 für einen Flug-
machzahlbereich von Ma0 = 1 . . . 3 aufgetragen. Zusätzlich ist ein cp -Wert (Druckbeiwert)
dargestellt, dessen Definition im Bild mit angegeben ist.
Ausgehend von der Ae /A0 -Kurve können auf der Abszisse die jeweiligen Machzahlen
Ma0 abgelesen werden, bei denen die Überschallströmung jeweils startet. Ist die Über-
schallströmung in den Diffusor hineingelaufen (gestartet), so sind die Totaldruckverluste
πEmax höher als beim noch nicht gestarteten Diffusor, da der senkrechte Stoß innerhalb des
Diffusors ein stärkerer ist als der vor ihm stehende. Mit steigendem Ma0 nähert sich das
Flächenverhältnis Ae /A0 asymptotisch einem Wert von etwa 0,6, sodass die zulässige Quer-
schnittsverringerung auch bei sehr hohen Flugmachzahlen vergleichsweise gering ausfällt.
998 9 Triebwerkseinlauf
Als Folge davon ist auch die bestenfalls erreichbare statische Druckerhöhung begrenzt, die
bei sehr hohen Machzahlen Ma0 gegen einen Wert von etwa pe /p0 → 2 läuft. Da sich die
Druckerhöhung durch isentropen Aufstau pt0 − p0 mit steigendem Ma0 kontinuierlich
vergrößert, nimmt der nutzbare Anteil der statischen Druckerhöhung (Verzögerung), der
durch den Druckbeiwert cp ausgedrückt werden kann,
pe − p0 pe − p0 (pe /p0 ) − 1
cp = = = (9.92)
pt0 − p0
κ
q0 τ0κ−1 − 1
nach Durchschreiten eines Maximums von cp ≈ 0.11 (bei Ma0 ≈ 1.35) stetig ab. Etwa
ab hier fallen auch die Einlaufverluste πEmax (Pressure Recovery) stark ab. Viskose Ein-
flüsse und Probleme beim Anströmen solcher Überschalleinläufe unter Anstellwinkeln
haben dazu geführt, dass diese „reine“ Art von Einlauf praktisch keine Anwendung findet,
vor allem weil man aus der Gasdynamik weiß, dass es über eine Mehrzahl von schrä-
gen Verdichtungsstößen (schwache Stöße) möglich ist, die Einlaufverluste πE geringer zu
halten.
2 Ma20 · sin2 β − 1
tan θ = · (9.93)
tan β 2 + Ma20 · (κ + cos 2β)
Für jede Machzahl Ma0 gibt es einen maximalen Keilwinkel θmax , bis zu dem sich schräge
Verdichtungsstöße ausbilden können. Größere Keilwinkel führen zu gekrümmten, abge-
lösten Kopfwellen, Abb. 9.34.C Für Keilwinkel θ < θmax gibt es zwei Lösungen für den
Stoßwinkel βθ Der größere davon wird als „starke Lösung“ bezeichnet. Hinter ihm ist die
Strömung subsonisch. Der kleinere Wert wird als „schwache Lösung“ bezeichnet. Hinter
ihm ist die Strömung supersonisch. Im Regelfall wird sich für β immer die „schwache
Lösung“ einstellen. Für θ = 0◦ ist β = 90◦ (senkrechter Stoß, starke Lösung) oder β = μ
(Machsche Linie, schwache Lösung. Bei gegebenem Keilwinkel θ nimmt die Neigung des
Stoßes mit zunehmender Machzahl Ma0 zu, d. h., der Stoß wird stärker und liegt an.
9.2 Supersonischer Einlauf 999
Ma1 = 0.652
Ma =
1 0.487
Innenströmung Innenströmung
Die Machzahl Ma1 nach einem schrägen Stoß, deren Richtung der Lage der
Körperkontur hinter dem Stoß entspricht, berechnet sich wie folgt, Anderson (1990):
Ma2 · sin2 β + 2
1 0
κ −1
Ma1 = ·
(9.94)
sin (β − θ ) 2·κ
· Ma20 · sin2 β − 1
κ −1
Wie sich die Machzahl über einen Stoß in Abhängigkeit des Keilwinkels verändert, zeigt
Abb. 18.42 für den Bereich der „schwachen Lösungen“. Den Totaldruckverlust schräger
Verdichtungsstöße zeigt Abb. 18.43. Auch hier ist jeweils nur der Kurventeil dargestellt,
der der „schwachen Lösung“ entspricht. Die Berechnung erfolgt mit Gl. (9.83), wenn dort
anstelle der Machzahl Ma0 der Ausdruck (Ma0 · sinβ eingesetzt wird, der beim schrägen
Stoß der Normalkomponente zum Stoß entspricht:
1
− κ−1
− κ−1
κ
pt1 2κ 2 2 2 1
= πE = 1 + Ma0 sin β − 1 1− 1−
pt0 κ +1 κ +1 Ma20 sin2 β
(9.95)
Der Totaldruckverlust ist die Folge eines Entropieanstiegs im Stoß, z. B. Zierep (1976), der
nicht reibungsbedingt ist.
Es ist zu erkennen, dass der Gesamt-Einlaufverlust πEmax = πE1 · πE2 · · · ·πEn mit zu-
nehmender Anzahl von schrägen Verdichtungsstößen besser wird. Würde für Abb. 9.36
rechts der jeweilige Rampenwinkel auf θ = 8◦ vergrößert werden, so könnte πEmax ≈ 0.976
gesteigert werden. Eine weitere Anhebung von θ würde das Ergebnis wieder verschlech-
tern, ebenso wie eine Absenkung von θ unter den ursprünglichen Wert von 7◦ , sodass es
für den Rampenwinkel offensichtlich eine beste Lösung gibt. Würde aber beispielsweise
θ auf 1,5◦ abgesenkt und gleichzeitig die Anzahl der Stöße auf 15 angehoben werden, so
könnte ein Einlaufverlust von πEmax ≈ 0.991 erreicht werden, sodass sich der Einlauf mehr
und mehr einem nahezu isentropen Diffusor10 nähert, wobei aber der Umlenkwinkel der
Strömung zwischen Ma0 und Ma1 zunimmt, wie es auch schon ein Vergleich zwischen
den beiden Darstellungen in Abb. 9.36 zeigt. Bei der genannten Lösung mit den 15 Stößen
käme es zu einer Strömungsumlenkung von insgesamt 22.5◦ die im nachfolgenden Einlauf-
bereich in die Horizontale „zurückgedreht“ werden müsste, wozu die untere Einlauflippe
entsprechend zu neigen wäre. Die Folge dieser Neigung ist ein starker Lippenstoß außer-
halb des Einlaufs (Zunahme des lokalen Winkels θ ), der den externen Gondelwiderstand
ansteigen lässt. Folglich ist hier ein Kompromiss zu suchen, der das richtige Verhältnis
zwischen den internen Totaldruckverlusten und den externen Verlusten aufgrund der
Einlaufumströmung darstellt11 .
10
Ein isentroper Diffusor verzögert die Strömung durch eine sehr hohe Anzahl von sehr schwa-
chen schrägen Verdichtungsstößen und einem abschließenden sehr schwachen senkrechten Stoß
längs einer glatten, konkav umlenkenden Oberfläche. Dadurch wird die Strömung ohne Totaldruck-
verluste vom Überschall in den Unterschall überführt. Dieser Vorgang wird auch als umgekehrte
Prandtl-Meyer-Expansion bezeichnet.
11
Für Flugmachzahlen Ma0 > 2.5 ermöglichen Einläufe mit gemischter Kompression (extern und in-
tern) weiter verbesserte Einlaufverluste. Solche Einläufe sind aber komplexer, schwerer und vor allem
teurer als die mit rein externer Kompression. Ein Beispiel für ein Flugzeug mit einem solchen Einlauf
9.2 Supersonischer Einlauf 1001
ΔAGS Grenzschichtabsaugung m
GS
GS
m
0
m 2
m
A1 A10 A0 m 1
c0 Unterschalldiffusor
ρ0
Abb. 9.37 Überschalleinlauf mit externer Kompression bei so genanntem kritischen Betrieb
9.2.2.3 Massenstromcharakteristik
Jeder Überschalleinlauf mit externer Kompression hat wenigstens einen Punkt – aber
praktisch meist mehrere – wo ein Stoß auf eine feste Körperoberfläche trifft. Dieses führt –
wird nichts dagegen unternommen – immer zu einer Grenzschichtablösung und damit zu
einer Verschlechterung der Einlaufverluste. Ein probates Mittel dagegen ist das Absaugen
der Grenzschicht stromauf von der Stelle, wo der Stoß auf die Oberfläche trifft, Abb. 9.37.
Grenzschichtabsaugung wird auch im subsonischen Teil des Einlaufs verwendet, um so
die zum Triebwerk strömende Luft bzw. deren Grenzschichtentwicklung und damit die
Einlaufverluste zu steuern. Der Luftmassenstrom, der dabei durch Schlitze oder poröse
Wandungen abgesaugt wird, ist vergleichsweise gering und beträgt nur wenige Prozent der
insgesamt angesaugten Luftmasse. Die abgesaugte Grenzschichtmasse wird entweder an
die Umgebung abgegeben oder aber zur Kühlung des Nachbrenners oder der verstellbaren
Schubdüse verwendet, Abb. 9.33.
Es wird nun das Verhältnis aus dem tatsächlich vom Einlauf aufgenommenen Mas-
senstrom ṁ10 zu dem Massenstrom gebildet, der dem Triebwerk insgesamt zuströmt ṁ1 ,
Abb. 9.37:
ṁ10 ρ0 · c0 · A10 A10
= = (9.96)
ṁ1 ρ0 · c 0 · A 1 A1
Die Differenz zwischen beiden Massenströmen, ist die Luftmasse, die außen am Einlauf
vorbeiströmt (Spilled Air-Flow). Diese entspricht dem Ausdruck AÜL in Abb. 9.36. Des
Weiteren wird das Verhältnis aus dem tatsächlich zum Triebwerk strömenden Massen-
strom ṁ0 zu dem Massenstrom gebildet, der vom Triebwerk tatsächlich aufgenommen
wird ṁ10 :
ṁ0 ρ0 · c0 · A0 A0
= = (9.97)
ṁ10 ρ0 · c0 · A10 A10
war das militärische Aufklärungsflugzeug Lockheed SR-71 (Black Bird), das für Flugmachzahlen von
Ma0 >3 gedacht war (siehe Kap. 9.2.3).
1002 9 Triebwerkseinlauf
Verlust
von Luft im Einlauf Üb
erl en
au
f blas
Ab
0% 100 %
Die Differenz zwischen beiden Massenströmen entspricht dem Ausdruck AGS + ALA
in Abb. 9.37, und ist die Luftmasse, die zwar vom Einlauf aufgenommen, aber über den
Luftablass und/oder die Grenzschichtabsaugung wieder nach außen abgegeben wird. Ein
Abgeben von Luft aus dem Einlauf wird immer dann erforderlich, wenn das Triebwerk we-
gen seines eingestellten Betriebszustandes (Gashebelstellung) nicht so viel Luft abnimmt,
wie der Einlauf aufgrund seiner geometrischen Gegebenheiten (Abmessungen) anliefert.
Das Absaugen und/oder Abblasen von Luftmasse führt zu einem Impulsverlust im Einlauf,
was sich dort als Anteil am Einlaufverlust niederschlägt. Um diese Verluste zu reduzieren,
kann anstelle des Abblasens von Luft auch über eine variable Geometrie der Querschnitt
A1 verkleinert werden. Durch diese Maßnahme nimmt aber der seitliche Überlauf von
Luftmasse zu, wodurch dann andererseits wieder die Überlaufverluste (Spillage Drag)
vergrößert werden. Prinzipiell verdeutlicht Abb. 9.38 diese Verhältnisse, und zeigt, dass
zwischen dem Impulsverlust durch Abblasen und dem Überlaufverlust – bei Verwendung
variabler Geometrie – ein Kompromiss zu suchen ist. Steht der abschließende senkrechte
Stoß (Terminal Shock) genau auf der Einlauflippe, so befindet sich der Überschalleinlauf
im so genannten kritischen Betrieb. Der Anteil an seitlichem Überlauf (Spill) hat hier
sein Minimum und der Einlauf befindet sich in seinem Auslegungszustand (Inlet Mat-
ching), Abb. 9.37. Im theoretisch besten Fall berühren die schrägen Stöße jetzt gerade die
Einlauflippe und der Massenstromanteil durch Überlauf strebt gegen null (A1 = A10 mit
Grenzschicht- oder A1 = A0 ohne Grenzschichtberücksichtigung).
Außerhalb des Auslegungszustandes, im so genannten unterkritischen Betrieb, wenn
das Triebwerk weniger Masse abnimmt, wandert der senkrechte Stoß als abgelöste Kopf-
welle vor die Einlauflippe, Abb. 9.39. Der seitliche Überlauf nimmt dabei zu und erhöht den
externen Widerstand. Fordert das Triebwerk aber mehr Massenstrom an, als der Einlauf an
seinem Eintritt aufnehmen kann, so erhöht sich die Machzahl vor dem Unterschalldiffusor-
teil und der senkrechte Stoß wird – ähnlich wie beim Startproblem der Überschallströmung
beschrieben – in den Diffusor hineingesaugt und der Überschalleinlauf geht in seinen so
genannten überkritischen Betrieb über, Abb. 9.39. Der überkritische Betrieb hat stärke-
re Stöße mit höheren Einlaufverlusten zur Folge (Abb. 9.40), die die Triebwerksleistung
(Schub und Brennstoffverbrauch) negativ beeinflussen, sodass er vermieden werden sollte.
Ein weiteres Phänomen, das mit der Stabilität der Verdichtungsstöße zu tun hat, ist das
so genannte „Einlaufbrummen“ (Inlet Buzz). Hierbei handelt es sich um Druckschwankun-
9.2 Supersonischer Einlauf 1003
unterkritischer
A0 Betrieb
A1 senkrechter
Stoß Unterschall-
Diffusor
Überlaufströmung
abgelöste Kopfwelle
überkritischer
Betrieb
A0
A1 senkrechter
Stoß Unterschall-
Diffusor
Überlaufströmung
unterkritisch
Totaldruckverlust
kritisch
Stabilitäts- überkritisch
grenze (Buzz )
A1 A0
Flächenverhältnis A0/A1
1
gen großer Amplitude – aber mit kleiner Frequenz – deren Ursache Stoß-Grenzschicht-
und/oder Stoß-Stoß-Wechselwirkungen sind. Abbildung 9.41 zeigt, dass im tiefen
unterkritischen Betrieb der jetzt vergleichsweise starke senkrechte Stoß, der auf die Seiten-
wandgrenzschicht trifft, diese zum Ablösen bringt. Es entsteht dadurch hinter dem Stoß –
im Einlauf, längs der Seitenwand – ein größeres Gebiet abgelöster Strömung, das den ef-
fektiv durchströmten Querschnitt verkleinert, sodass hier die Strömung beschleunigt wird,
bis schließlich der Strömungskanal zu sperren beginnt (größte lokale Massenstromdichte).
Am Eintritt geht der Massenstrom wegen des verengten Strömungskanals zurück, wodurch
der Stoß weiter nach vorne wandert. Er kommt so in einen Bereich, wo die zuströmende
Grenzschicht noch dünner ist, sodass das Gebiet abgelöster Grenzschicht hinter dem Stoß
entsprechend kleiner wird. Der Einlauf sperrt dadurch nicht mehr und nimmt wieder mehr
1004 9 Triebwerkseinlauf
abgelöste
senkrechter Grenzschicht
Stoß
Unterschalldiffusor
Sperrzustand (Choking )
Überlaufströmung
Abb. 9.41 Strömungszustand vor einem Überschalleinlauf mit externer Kompression im unterkri-
tischen Betrieb, der zum „Einlaufbrummen“ (Buzz) führen kann
Masse auf, wodurch nun der Stoß auf den Einlauf zuwandern kann, und zwar solange, bis
der ursprüngliche Zustand wieder erreicht ist. Der Ablauf der Dinge wiederholt sich dann
in dieser Art periodisch und es entsteht das typische Brummgeräusch des Einlaufs.
Um „Einlaufbrummen“ und überkritischen Betrieb soweit wie nur möglich zu ver-
meiden, ist es wichtig, dass der Einlauf in allen vom Auslegungsfall abweichenden
Betriebszuständen (Off-Design) möglichst nahe beim kritischen Punkt betrieben wird.
Praktisch liegen in diesem Zustand die schrägen Stöße nicht an der Einlauflippe an, sodass
es sowohl hohe Überlaufverluste (mit supersonischen Geschwindigkeiten) als auch hohe
stoßbedingte Totaldruckverluste gibt. Je mehr es aber gelingt, an den Idealwert A0 /A1 = 1
heranzukommen, umso geringer werden die Überlaufverluste ausfallen.
Beispiel 9.3
Überschalleinlauf im unterkritischen und kritischen Betrieb. Die Abb. 9.42 zeigt einen
einfachen Überschalleinlauf mit einer einzigen θ = 8◦ Rampe, der für Ma0 = 2 ausgelegt
ist. Bei dieser Machzahl bilden sich ein schräger und ein abschließender senkrechter
Stoß (Terminal Shock) aus. Letzterer liegt an der unteren Einlauflippe an, Abb. 9.42
rechts. Bei kleineren Überschallflugmachzahlen steht vor dem Einlauf eine abgelöste
Kopfwelle (einzelner senkrechter Stoß), Abb. 9.42 links. Wird die Flugmachzahl erhöht,
so bilden sich ab einem gewissen Ma0 ein schräger Stoß und ein abschließender senk-
rechter Stoß aus. Letzterer steht als abgelöste Kopfwelle vor der unteren Einlauflippe,
Abb. 9.42 Mitte.
Für den Machzahlbereich 1.0 ≤ Ma0 ≤ 2.0 ist der stoßbedingte Totaldruckverlust als
Funktion von Ma0 zu berechnen und darzustellen. Es ist die Machzahl zu bestimmen, ab
der der einzelne senkrechte Stoß (abgelöste Kopfwelle) in das Stoßgebilde aus schrägem
und senkrechtem Stoß übergeht. Ab dieser Machzahl setzt sich der zu berechnende
Stoßverlust aus zwei Anteilen zusammen, dem des schrägen und dem des senkrechten
Stoßes.
Die Lösung für die Machzahl Ma0 , bei der der senkrechte in den schrägen Stoß übergeht,
kann aus Abb. 18.41 abgelesen werden. Beim Rampenwinkel θ = 8◦ wird der Schnitt-
9.2 Supersonischer Einlauf 1005
Abb. 9.42 Prinzipielle Darstellung zur Änderung der Stoßlage mit ansteigender Flugmachzahl vor
einem einfachen Überschalleinlauf mit A0 /A1 = 1 im Auslegungspunkt
punkt mit der eingezeichneten und teilweise fast horizontal verlaufenden gestrichelten
Kurve gesucht. Dort kann schätzungsweise β = 69◦ und Ma0 = 1.35 abgelesen werden.
Die gestrichelte Kurve stellt den Übergang von den starken Stößen zu den schwachen
dar. Eine genauere Lösung wird über Gl. (9.93) erhalten, wenn diese nachβumgestellt
wird:
1 tan β · tan θ
β = arcsin · 1+ · 2 + Ma0 · (κ + cos 2β)
2
(9.98)
Ma0 2
0.88
0.84
1.0 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8 Ma0 2 .0
A0 A1
tan β = tan βmax =
2 − 1 2
A0 1 tan θ
= 1− ·
A1 2 tan βmax (9.99)
Nach dem schrägen Stoß verläuft die Strömung parallel zur Rampe, woraus sich eine
weitere geometrische Beziehung ergibt:
A1 − A0
tan θ =
1
A0 A1 − 1 · tan θ 2 · tan βmax − 1 · tan θ 1 tan θ
= = =1− ·
A1 2 · tan βmax 2 · tan βmax 2 tan βmax (9.100)
Durch Kombination der Gln. (9.100) und (9.99) wird der Quotient /2 eliminiert:
A0 cot θ − cot βmax
= (9.101)
A1 cot θ − cot β
Fällt β mit βmax bei der Auslegungsflugmachzahl Ma0 zusammen, so wird A0 /A1 =1. Un-
terhalb der Auslegungsflugmachzahl ist A0 /A1 <1. Der rechte Teil von Abb. 9.44 zeigt die
Auswertung von Gl. (9.101). Der Winkel β wurde dabei für jedes Ma0 iterativ mittels Gl.
(9.98) ermittelt.
9.2 Supersonischer Einlauf 1007
1.00
θ Rampe A0
A1
0.96
A0 β β max
A1
0.92
Lippe
θ
0.88
1 Ma0
0.84
2 1.35 1.48 1.61 1.74 1.87 2.0
Abb. 9.44 Geometrie eines einfachen Überschalleinlaufs, zur Abschätzung der Größenordnung des
Flächenverhältnisses A0 /A1
0.505
A Grenzschicht-
(A10)spec
[m2] berücksichtigung
0.460
(A0)spec
4%
12 000 m
0.415
4%-Aufschlag
9 000 m
0.370
6 000 m
0.325 3 000 m
H0 = 0 m
0.280
0.0 0.5 1.0 1.5 Ma0 2.0
Abbildung 9.45 zeigt den Querschnittsbedarf im Einlaufbereich für ein Triebwerk, das
für den Überschallflug gedacht ist. Die dargestellten Daten wurden mittels eines Rechen-
programms zur Triebwerksleistungsanalyse ermittelt, Mattingly (1996). Im Beispielsfall
ergeben sich für eine Flughöhe von H0 = 12 000 m die größten Querschnitte (A0 )spec , die
für einen auszulegenden Einlauf durch das vorgegebene Triebwerk aufgeprägt werden und
damit die zu spezifizierenden Werte darstellen. Um sicherzustellen, dass der Einlauf im
Unterschallflug nicht sperrt, d. h. im engsten Querschnitt Schallgeschwindigkeit erreicht,
wird er um einen Aufschlag von 4 % vergrößert (A/A∗ ≈ 1.04 bei Ma0 = 0.8). Diesem
Querschnitt (A0 )spec sind schließlich noch die viskosen Grenzschichtanteile hinzuzufügen,
die im hinteren Einlaufbereich bei praktisch ausgeführten Einläufen gewöhnlich abgesaugt
werden, Abb. 9.37. Das Absaugen von Masse (Grenzschicht und/oder Abblaseluft) im Ein-
1008 9 Triebwerkseinlauf
[c · ṁ]EIN = ρ0 · c0 · (A1 − A0 ) · c0
[c · ṁ]AUS = ρ0 · c0 · (A1 − A0 ) · cex
Hierin ist cex die Geschwindigkeit, mit der die Grenzschicht seitlich ausgeblasen wird.
Ausgehend von Gl. (5.12) ergibt sich damit, wenn mit FW die Kraft (Widerstand) aufgrund
des Impulsverlustes ist:
A1 cex
FW = ρ0 · c0 · (A1 − A0 ) · (c0 − cex ) = ṁ0 · c0 · −1 · 1− (9.102)
A0 c0
Das hierin enthaltene Geschwindigkeitsverhältnis cex /c0 kann ähnlich wie Gl. (9.59)
ausgedrückt werden. Mit der Annahme, dass Maex ≈ 1 ist, ergibt sich dann:
cex 1 2 + (κ − 1) · Ma20
= · (9.103)
c0 Ma0 κ +1
Unter Verwendung
sowohl dieses Ausdrucks als auch des Quadrats der Flugmachzahl
Ma20 = c02 (κ · Ri · T0 ), der Kontinuitätsgleichung und der allgemeinen Gasgleichung
kann durch Umformen aus der Gl. (9.102) der folgende Ausdruck für den dimensionslosen
Widerstand aufgrund der Grenzschichtabsaugung angeben werden:
⎛ ⎞
FW A0 2 + (κ − 1) · Ma 2
= κ ·Ma0 · 1 − · ⎝Ma0 − 0⎠
(9.104)
A1 · p 0 A1 κ +1
Für die Zahlenwerte Ma0 = 2, κ = 1.4 und A0 /A1 = 0.83 lässt sich hieraus ein dimensionslo-
ser Widerstand von FW /(A1 · p0 ) ≈ 0.36 ermitteln. Für eine Eintrittsfläche von A1 = 0.45 m2
und einem Umgebungsdruck von p0 = 225 hPa ergibt sich eine Widerstandskraft von
FW ≈3650 N. Angesichts der hier vorliegenden hohen Flugmachzahl ist dies ein vergleichs-
weise kleiner Wert.
Die vorherigen Ausführungen haben gezeigt, dass der angesaugte Massenstrom, die Grenz-
schichten, die Abblaseluft und die Totaldruckverluste durch Verdichtungsstöße ganz
erheblichen Einfluss auf die Güte eines Überschalleinlaufes haben, die ihrerseits wiederum
die Leistungsfähigkeit des Triebwerks (Schub und Brennstoffverbrauch) ganz wesentlich
9.2 Supersonischer Einlauf 1009
Rumpf Cat
se
Zentralkörper in Mou
Dassault Mirage 2000 C Position Ma0 = 2.0
Einlauflippe
Rumpf
Abb. 9.46 Beispiele für teil-achsensymmetrische Einläufe variabler Geometrie von Kampfflug-
zeugen; oben: 1/2-achsensymmetrischer Einlauf der Dassault Mirage 2000 mit einem transla-
torisch bewegbaren Zentralkörper, der längs einer Kurvenbahn verschoben wird, unten: 1/4-
achsensymmetrischer Einlauf der General Dynamics F-111 Aardvark mit einem translatorisch
beweglichen und zusätzlich zusammenklappbaren Zentralkörper
beeinflusst. Von daher ist es vielfach gerechtfertigt, trotz hoher Kosten und eines er-
heblichen mechanischen und regelungstechnischen Aufwandes, den Triebwerkseinlauf
mit einer variablen Geometrie zu versehen, um so den Einlauf bei den verschiedensten
Flugbedingungen stets optimal konfigurieren zu können.
Die Abb. 9.46 zeigt zwei Einläufe mit variabler Geometrie für Kampfflugzeuge. Die obere
Darstellung zeigt die vergleichsweise einfache Konstruktion bei der französischen Mirage
2000 (Dassault), bei der lediglich ein spitzer Konus in Abhängigkeit der Flugmachzahl
translatorisch verschoben wird. Mit zunehmender Flugmachzahl wird der Zentralkörper
nach vorne gefahren und so Einfluss auf die Lage des Verdichtungsstoßes genommen,
sodass dieser möglichst in jedem Flugzustand auf die seitlich platzierte Einlauflippe
trifft. Deutlich aufwendiger ist der im unteren Bildteil dargestellte Einlauf der ameri-
kanisch F-111 Aardvark (General Dynamics). Hier gibt es ebenfalls einen translatorisch
bewegbaren Zentralkörper, der aber zusätzlich mit zwei beweglichen und sich überlappen-
den Verstellblättern ausgestattet ist, die zusätzlich eine Veränderung des Konuswinkels
erlauben.
Obwohl zwischenzeitlich weit mehr als 30 Jahre alt und bereits außer Dienst gestellt,
ist der Einlauf der Lockheed SR-71 „Blackbird“ (Prototypbezeichnung A-11, später YF-
12) das typische Beispiel für einen supersonischen Einlauf mit gemischter Kompression,
Abb. 9.47 und 9.48. Das Flugzeug war für Flugmachzahlen über Ma0 = 3 gedacht. Der
Einlaufkonus ist translatorisch verstellbar, wodurch die Größe des engsten Querschnitts –
1010 9 Triebwerkseinlauf
s en
blasnung
a f zum Triebwerk
uft öf
e r L sien Pratt & Whitney
ch ou J58 Turbojet
itli al
se er J
üb
rückwärtiger Luft-
ablass
translatorisch
verstellbarer Abstützung (Struts)
Konus für den Verstellkonus
seitlicher Luftablass
Stoß-„Falle“
Luftablass über
den Konus
trotz unterschiedlicher Flugmachzahlen – innerhalb des Einlaufs variiert und der externe
schräge Verdichtungsstoß auf der Eintrittslippe fixiert werden kann. Der von der Lippe in
den Einlauf einfallende Verdichtungsstoß (interne Kompression) wird auf dem geschlitz-
ten Teil des Verstellkonus – von dem die Grenzschicht abgesaugt wird – reflektiert, sodass
stoßinduzierte Grenzschichtablösungen vermieden werden. Ein kurzes Wegstück dahinter
befindet sich eine sog. „Stoßfalle“ (Shock Trap), die den abschließenden senkrechten Stoß
in seiner Lage durch Absaugen (Bleed) von Luft fixiert. Wenn der senkrechte Stoß vor die
„Falle“ wandert, so weicht der erhöhte Druck hinter dem Stoß seitlich durch die „Fallen-
öffnung“ aus und „saugt“ ihn damit quasi auf die „Falle“ zurück. Auf diese Art und Weise
fixiert sich die Stoßposition genau auf der Einlaufkante der „Falle“. Die Grenzschichtab-
saugung auf dem Konus und die Strömung durch die „Falle“ erfolgt durch die natürliche
Druckdifferenz zwischen der Innen- und der Außenströmung.
Darüber hinaus gibt es zwei gesteuerte, vom Flugzustand abhängige Luftablasssysteme
(Bypass Air). Eins befindet sich im vorderen Einlaufbereich und lässt Luft seitlich aus dem
9.2 Supersonischer Einlauf 1011
vordere
Position zum Triebwerk
bei
kleineren
Flugmach- Stoß-„Falle“
zahlen
seitlicher Luftablass
Abb. 9.48 Überschalleinlauf variabler Geometrie mit gemischter Kompression am Beispiel des
militärischen Aufklärungsflugzeuges Lockheed SR-71 (Black Bird)
Triebwerk heraus, das andere befindet sich kurz vor dem Eintritt in den Triebwerksver-
dichter und lässt Luft zum hinteren Triebwerksbereich, zur Schubdüse hin ab. Die Luft
aus den „Stoßfallen“ wird hier ebenfalls entlang geleitet. Beim Starten und bei niedri-
gen Fluggeschwindigkeiten befindet sich der Verstellkonus in seiner vordersten Position,
um so den Lufteintrittsquerschnitt so groß wie möglich ausfallen zu lassen. Der Druck
innerhalb des Einlaufs ist jetzt geringer als der außerhalb, sodass durch die seitlichen
Jalousien-Öffnungen zusätzliche Luft in den Einlauf strömen kann und so den erhöhten
Luftbedarf des Triebwerks bei seiner Startleistung sicherstellt. Beim Überschallflug, wenn
sich vor dem Konus ein schräger Stoß ausbildet, wird der Verstellkonus zurückgefahren,
sodass der Stoß die Einlauflippe erreichen und die seitliche supersonische Überlaufströ-
mung (Supersonic Spill), die für den externen Verlust verantwortlich ist, minimiert werden
kann. Bei gewissen Flugmachzahlen ist es aus Stabilitätsgründen wünschenswert, nicht auf
das selbstständige Starten der Überschallströmung zu warten, sondern diese gezielt ein-
zuleiten. Dazu werden die vorderen Luftablässe geöffnet, der Massenstrom erhöht und so
der senkrechte Stoß durch den engsten Querschnitt in seine gewünschte Position über der
„Stoßfalle“ gesaugt. Aus Gründen der Kühlung des Nachbrenners und der verstellbaren
Schubdüse wird bei gewissen Betriebszuständen Luft durch die hinteren Ablassöffnungen
abgeführt. Das Öffnen und Schließen ist mit dem Triebwerkssteuerungssystem gekoppelt.
Eine andere Art der variablen Geometrie zeigt Abb. 9.49. Hier gibt es eine feste erste
Rampe, gefolgt von einer zweiten, verstellbaren Rampe, deren Keilwinkel θ in Abhängigkeit
der Flugmachzahl verändert werden kann (Beim Kampfflugzeug McDonnell Douglas F-15
Eagle ist z. B. die erste Rampe auch noch zusätzlich translatorisch verstellbar). Bei kleinen
Flugmachzahlen wird der variable Rampenteil nach unten gefahren, sodass insgesamt
ein sehr schmaler Keil am Eintritt entsteht, wodurch es nicht so schnell zur Ausbildung
einer abgelösten Kopfwelle kommt. Mit steigender Flugmachzahl wird die Rampenposition
so angepasst, dass der supersonische Überlauf möglichst gering gehalten wird und der
abschließende senkrechte Stoß an der Einlauflippe anliegen bleibt.
1012 9 Triebwerkseinlauf
A0 A1 < 1
A0
Ma0 ≈ 1.25 A1
A0 A1 < 1
Ma0 ≈ 1.65 A0 A1
Hilfstüren
A0 A1 = 1
Ma0 ≈ 2.0 A0 A1
Abb. 9.49 Überschalleinlauf variabler Geometrie für externe Kompression am Beispiel des zivilen
Verkehrsflugzeuges BAC Concorde
Vor dem Triebwerk, im unteren Einlaufbereich befinden sich Hilfstüren, die beim
Starten (Take-Off ) nach innen klappen (Auxiliary Take-Off Doors) und es so erlauben,
dass zusätzliche Luft zum Triebwerk gelangt, da dessen Luftbedarf durch den eigentlichen
Einlauf nicht vollständig abgedeckt werden kann. Sollte es bei hohen Flugmachzahlen
erforderlich sein, die Triebwerksdrehzahl und damit den Luftbedarf des Triebwerks zu
reduzieren, so klappen die Hilfstüren nach außen auf (Dump Doors) und lassen einen Teil
der durch den Einlauf zuströmenden Luft wieder nach außen ab.
Die Auslegung eines Überschalleinlaufs muss dessen Betrieb im Unter- und Überschallflug
berücksichtigen. Im subsonischen Flugbereich müssen die Querschnittsflächen so gestaltet
sein, dass es nicht zum Sperren (Ma∗ = 1) des Einlaufs kommt und im Überschall muss in
allen Flugmachzahlbereichen gewährleistet sein, dass das Triebwerk in Abhängigkeit seiner
Triebwerksleistungsstufen (Gashebelstellung) den jeweils erforderlichen Luftmassenstrom
ansaugen kann. Durch diese Randbedingungen kann es zwangsläufig notwendig werden,
den Einlauf mit variabler Geometrie zu versehen. Weitere Anforderungen können durch
Vorschriften aufgeprägt werden, wie z. B. durch die MilSpec MIL-E-5008B (US Military
Specification), die die Größenordnung der Einlaufverluste (Pressure Recovery) spezifiziert
(Index:spec ). Im Machzahlbereich 1 < Ma0 < 5 muss hiernach gelten:
(πE )spec = 1 − 0.075 · (Ma0 − 1)1.35 für 1 < Ma0 < 5 (9.105)
Für den Einlauf nach Abb. 9.42 bzw. 9.43 werden diese Anforderungen bis hin zu einer
Flugmachzahl von Ma0 ≈ 1.65 erfüllt, darüber hinaus aber nicht mehr. Erst wenn eine
9.2 Supersonischer Einlauf 1013
βI θA θA = θ B
A10 β II
Ma0 θB
MaI
A1 πEIII
MaII
πEI πEII MaIII
AIII
πEges = πEI ⋅ πEII ⋅ πEIII
weitere 8◦ -Rampe hinzugefügt wird, würden auch bei Flugmachzahlen bis hin zu Ma0 = 2
die Anforderungen der MIL-E-5008B einhaltbar sein. Dieses verdeutlicht die Tab. 9.3, in
der die Daten zu dem in Abb. 9.50 skizzierten Einlauf aufgelistet sind. Der Rechnungs-
gang dazu ist den zu Abb. 9.42 und 9.43 zugehörigen Berechnungen ähnlich, aber deutlich
aufwendiger und nur noch mittels Programmierung zu handhaben. Alle dazu notwen-
digen Formeln sind vollständig in Kap. 9.2.2.1 angegeben worden. Für die in Abb. 9.50
eingezeichneten Querschnitte kann die folgende Relation abgelesen werden
Aus Gl. (18.291) ergibt sich mit pt0 = pt10 und der Annahme eines adiabaten Ein-
laufs (Tt0 = TtIII ) der folgende Zusammenhang,
wenn sich hinter dem abschließenden
senkrechten Verdichtungsstoß πEges = ptIII pt0 und MaIII ergeben
⎡
κ −1 ⎤ 2 · κ−1 1 κ+1
Tab. 9.3 Daten aus einer Berechnung für einen Überschalleinlauf mit externer Kompression und
doppelter Rampe θA = θB = 8◦ (Geometrie und Bezeichnungen nach Abb. 9.50)
Ma0 βI πEI MaI βII πEII MaII πEIII MaIII πEges A10 /AIII A10 /A1
◦ ◦
[ ] [ ]
1.00 90.00 1.0000 1.000 1.0000 1.000 1.0000 1.000 1.0000 1.000 0.683
1.05 90.00 0.9999 0.953 1.0000 0.953 1.0000 0.953 0.9999 1.000 0.683
1.10 90.00 0.9989 0.912 1.0000 0.912 1.0000 0.912 0.9989 1.000 0.683
1.15 90.00 0.9967 0.875 1.0000 0.875 1.0000 0.875 0.9967 1.000 0.683
1.20 90.00 0.9928 0.842 1.0000 0.842 1.0000 0.842 0.9928 1.000 0.683
1.25 90.00 0.9871 0.813 1.0000 0.813 1.0000 0.813 0.9871 1.000 0.683
1.30 90.00 0.9794 0.786 1.0000 0.786 1.0000 0.786 0.9794 1.000 0.683
1.31 90.00 0.9776 0.781 1.0000 0.781 1.0000 0.781 0.9776 1.000 0.683
1.32 90.00 0.9758 0.776 1.0000 0.776 1.0000 0.776 0.9758 1.000 0.683
1.33 90.00 0.9738 0.771 1.0000 0.771 1.0000 0.771 0.9738 1.000 0.683
1.34 90.00 0.9718 0.766 1.0000 0.766 1.0000 0.766 0.9718 1.000 0.683
1.35 66.88 0.9882 0.955 1.0000 0.955 1.0000 0.955 0.9882 1.074 0.734
1.36 64.27 0.9901 0.994 1.0000 0.994 1.0000 0.994 0.9901 1.083 0.740
1.37 62.69 0.9910 1.019 90.00 1.0000 0.991 1.0000 0.991 0.9910 1.089 0.744
1.38 61.42 0.9916 1.040 90.00 0.9999 0.972 1.0000 0.972 0.9915 1.094 0.748
1.39 60.33 0.9920 1.058 90.00 0.9998 0.956 1.0000 0.956 0.9918 1.099 0.751
1.40 59.36 0.9923 1.074 90.00 0.9995 0.941 1.0000 0.941 0.9919 1.103 0.753
1.45 55.51 0.9933 1.146 90.00 0.9969 0.886 1.0000 0.886 0.9902 1.120 0.765
1.50 52.57 0.9936 1.208 90.00 0.9920 0.845 1.0000 0.845 0.9857 1.134 0.775
1.55 50.13 0.9938 1.265 90.00 0.9849 0.812 1.0000 0.812 0.9788 1.148 0.784
1.60 48.03 0.9938 1.320 90.00 0.9758 0.784 1.0000 0.784 0.9697 1.160 0.793
1.61 47.64 0.9937 1.330 90.00 0.9738 0.779 1.0000 0.779 0.9677 1.162 0.794
1.62 47.26 0.9937 1.341 90.00 0.9717 0.774 1.0000 0.774 0.9656 1.165 0.796
1.63 46.89 0.9937 1.351 66.38 0.9886 0.962 1.0000 1.000 0.9824 1.253 0.856
1.64 46.53 0.9937 1.362 63.97 0.9903 0.999 1.0000 1.000 0.9841 1.263 0.863
1.65 46.18 0.9937 1.372 62.41 0.9912 1.024 1.0000 0.977 0.9849 1.272 0.869
1.70 44.53 0.9935 1.423 57.42 0.9929 1.110 0.9986 0.904 0.9851 1.307 0.893
1.75 43.03 0.9933 1.473 54.06 0.9935 1.176 0.9949 0.858 0.9818 1.337 0.913
1.80 41.67 0.9931 1.523 51.42 0.9937 1.234 0.9891 0.822 0.9761 1.364 0.932
1.85 40.42 0.9928 1.571 49.21 0.9938 1.288 0.9813 0.792 0.9682 1.390 0.950
1.90 39.27 0.9925 1.619 47.30 0.9937 1.340 0.9718 0.766 0.9585 1.415 0.967
1.95 38.20 0.9922 1.667 45.61 0.9936 1.389 0.9608 0.744 0.9473 1.439 0.984
2.00 37.21 0.9919 1.714 44.10 0.9935 1.437 0.9485 0.725 0.9346 1.464 1.000
9.2 Supersonischer Einlauf 1015
0.97 A10
1.25 AIII 0.8
0.96
0.95
1.10 A10 0.7
A1
0.94
Abb. 9.51 Stoßbedingte Einlaufverluste und Flächenverhältnisse für den Überschalleinlauf mit
externer Kompression nach Abb. 9.50 (Daten in Tab. 9.3)
Mithilfe der Zahlenwerte in Tab. 9.3 kann diese Gleichung ausgewertet werden. Die
Ergebnisse sind ebenfalls in der Tab. 9.3 enthalten. Am Ende der Tabelle soll bei
Ma0 = 2 der Auslegungsfall mit A10 /A1 = 1 vorliegen. Entsprechend der zuvor gemachten
Ausführungen gilt dann auch AIII /A1 = 1/(A10 /AIII ) = 1/1.464 = 0.683.
Mit diesem Zahlenwert wird schließlich in einem erneuten Rechnungsgang Gl. (9.106)
ausgewertet. Die Ergebnisse enthält Tab. 9.3 in der letzten Spalte.
Im linken Teil von Abb. 9.51 ist πEges und im rechten Teil A10 /AIII und A10 /A1 über der
Flugmachzahl Ma0 aufgetragen worden. Die sprungartigen Änderungen in den Kurven
resultieren aus dem jeweiligen Übergang vom senkrechten zum schrägen Verdichtungsstoß
vor jeder der beiden Rampen. Der Verlauf der Verluste ist in jedem Kurvenpunkt besser
als es die Forderungen der MIL-E-5008B nach Gl. (9.105) verlangen.
Aus einer Darstellung wie in Abb. 9.45 kann für ein Triebwerk der tatsächlich er-
forderliche Querschnitt (A10 )requ bestimmt werden, der sich aus den Leistungsdaten des
Triebwerks bei unterschiedlichen Flugmachzahlen und -höhen bzw. aus dem zugehöri-
gen Luftmassenstrom ergibt. Der Absolutwert für den Triebwerkseintrittsquerschnitt A1
berechnet sich dann aus der folgenden Beziehung:
A1
A1 = (A10 )requ · (9.109)
A10
Analog dazu kann der engste Querschnitt AIII festgelegt werden:
AIII
AIII = (A10 )requ ·
A10
1016 9 Triebwerkseinlauf
Literatur
10.1 Einleitung
Über den Verdichter werden das Druckverhältnis und der Massenstrom des Triebwerks
gesteuert und dadurch der thermische Wirkungsgrad bzw. der spez. Brennstoffverbrauch
wesentlich beeinflusst. Da die Brennstoffkosten einen erheblichen Anteil an den DOC’s
(Direct Operation Costs) eines Flugzeuges haben, wird bei der Triebwerksentwicklung
ein hoher Aufwand betrieben, die Druckverhältnisse und Wirkungsgrade von Verdich-
tern zu optimieren. Für militärische Triebwerke kommt hinzu, dass der vom Verdichter
angesaugte Luftmassenstrom im Vergleich zum Eintrittsquerschnitt und zum Triebwerks-
gewicht möglich groß sein sollte. Desweiteren ist ein hohes Augenmerk auf einen stabilen
Verdichterbetrieb zu legen, der die Wartungsintervalle und gar die gesamte Lebensdauer
eines Triebwerks signifikant beeinflussen kann. Ein Gesichtspunkt, der für militärische
Triebwerke, die einen weiten und zum Teil extremen Bereich von Betriebsbedingungen
abdecken müssen, besonders herausragend ist.
Moderne Verfahren der numerischen Aerodynamik (CFD) und ausgefeilte Finite-
Elemente-Methoden (FEM) der Festigkeit, die in Verbindung mit vielfältigen empirischen
Daten verwendet werden, erlauben heute sehr weit gehende und akkurate Berechnungen
der strömungsmechanischen und festigkeitstechnischen Gegebenheiten in Verdichtern.
Dies ist insoweit hervorzuheben, als noch bis in die 1970-er Jahre hinein eine Verdich-
terentwicklung vielfach durch schlichtes Ausprobieren (Trial and Error) geprägt war. Die
modernen Werkzeuge der Verdichterauslegung und die über Jahrzehnte gesammelten
experimentellen Daten sind aus sehr nahe liegenden Gründen ein gut behütetes Ge-
heimnis der Triebwerksindustrie und werden – wenn überhaupt – nur fragmentarisch
veröffentlicht.
Die wesentlichen Grundlagen der Verdichter sind in Kap. 8 unter dem Gesichtspunkt
der Turbomaschinen behandelt worden und stellen die Grundlage der nachfolgenden Aus-
führung dar. Verdichter sind Druck erhöhende Maschinen, die aus einer Vielzahl – in Serie
geschalteten – parallel zueinander angeordneten Diffusoren (Schaufelkanäle oder Schau-
felpassagen) bestehen, die alternierend als bewegte und stehende Gruppierungen (Lauf-
und Leiträder bzw. Rotoren und Statoren) angeordnet sind (Stufen). Die Strömung verläuft
„unnatürlicher Weise“1 gegen ansteigenden Druck und ist damit permanent der Gefahr
von Grenzschichtablösungen ausgesetzt. Tritt dies in einzelnen oder gar mehreren Stufen
ein, so fällt die Leistungsfähigkeit des Verdichters dramatisch ab und er neigt zum sog.
Pumpen, einem instabilen Betriebszustand, durch den der Verdichter und schließlich auch
das gesamte Triebwerk gefährdet wird. Die Beherrschung solchermaßen gestaffelter Diffu-
soren macht die eigentliche Schwierigkeit bei der Verdichterauslegung aus und hat in der
Vergangenheit zu einem erheblichen Forschungsaufwand bei diesem Bauteil geführt, der
weit über dem liegt, der für Turbinen als notwendig erschien. Ende der 1970-er Jahre war
von daher ein Stand erreicht, bei dem Axialverdichter bessere polytrope Wirkungsgrade
(Spitzenwerte) aufwiesen als Axialturbinen.
Der Verdichter war u. a. dafür verantwortlich, dass die Gasturbine erst vergleichsweise
spät – 1937 – als letzte Wärmekraftmaschine funktionsfähig wurde. Die Entwicklung
effizienter Turboverdichter hoher Umfangsgeschwindigkeit und damit niedrigem Gewicht
verlangte eine lange nicht verfügbare Kenntnis der Schaufelgitteraerodynamik und viel
Mut in der schwingungstechnischen Beherrschung vielstufiger Maschinen mit dünnen,
schwach gewölbten Schaufeln.
In Kap. 4.6 war gezeigt worden, dass praktisch nur der Axialverdichter hinsichtlich der
Entwicklung moderner Strahltriebwerke eine weiterführende Zukunft mit sehr viel höhe-
ren Leistungen bieten kann. Bis etwa 1965 war der Unterschallverdichter mit maximalen
Relativzuströmmachzahlen von etwa Mav1 ≈ 0.80 . . . 0.85 im Einsatz und erst die nächste
Generation von zivilen und militärischen Triebwerken, so etwa ab den Jahren 1968 bis
1972, setzte konsequent den transsonischen Verdichter mit maximalen Relativzuström-
machzahlen im Rotorblattspitzenbereich von etwa Mav1 > 1.2 ein, dessen Entwicklung
bereits 1953 begann und vorwiegend von der NACA, der Vorgängereinrichtung der NA-
SA, in den USA betrieben wurde. Ein transsonischer Verdichter ist dabei ein solcher,
bei dem im Außen- oder Gehäuseschnitt der Beschaufelung eine Überschallzuströmung
vorliegt und im Nabenschnitt eine Unterschallzuströmung. Bei Verdichterneuentwicklun-
gen mit Beschaufelungen mit kleinen Schaufelhöhenverhältnissen br /s (Low Aspect Ratio
Blades), d. h., mit Schaufelsehnenlängen (Chords) s, die im Vergleich zur radialen Schau-
felerstreckung br (Blade Height) groß sind (Wide Chord Blades), werden heutzutage im
Außenschnitt Zuströmmachzahlen von Mav1 > 1.5 erreicht.
Zwei- oder dreiwellige Verdichter moderner Flugtriebwerke nehmen einen sehr hohen
Anteil an den wesentlichen technischen Parametern eines Triebwerks ein. Moderne trans-
sonische Verdichter ermöglichen ein Verdichterdruckverhältnis von bis zu πV ≈ 45 und
damit – gekoppelt an hohe Turbineneintrittstemperaturen – die Steigerung des thermi-
1
Die natürliche Strömungsrichtung ist geprägt von einer Fluidbewegung aus Gebieten höheren
Druckes in Gebiete niedrigeren Druckes hinein.
10.1 Einleitung 1019
schen Wirkungsgrades in den Bereich von etwa ηth ≈ 0.5. Dies resultiert in einer Absenkung
des Verbrauchs pro Flugzeugpassagiersitzplatz um ca. 40 % gegenüber dem aus dem mi-
litärischen Bereich entstammenden ersten Flugzeugtriebwerk (de Havilland Ghost 50 Mk
1), das an der De Havilland Comet zum Einsatz kam.
Moderne Verdichter nehmen etwa 50 . . . 60 % der Baulänge, 40 . . . 50 % des Gewichtes
und 35 . . . 40 % der Herstellkosten eines Triebwerks ein, Steffens und Schäffler (2000).
Nach wie vor entfallen ca. 30 % der Wartungskosten auf die Verdichter. Der Verdichter
beherrscht auch heute noch, trotz aller Fortschritte in der Aerodynamik und Schwin-
gungsmechanik, die Entwicklung moderner Triebwerke, denn sowohl die Beschreibung
der Strömungsphysik als auch die analytische Beherrschung der in Resonanzen auftreten-
den Schwingbelastungen der dünnen Schaufeln ist derzeit noch nicht ausreichend möglich,
die Simulationsgüte verbessert sich aber stetig.
Der Anforderungskatalog an moderne Triebwerksverdichter ist lang und anspruchsvoll
und wird von den drei wesentlichen Kriterien Sicherheit, Leistung und Effizienz und
Kosten geprägt:
• Sicherheit
– Sicherheit gegen Vogelschlag
– Sicherheit gegen sich lösende Schaufeln
– Hohe Zuverlässigkeit
– Stabile Wellendynamik
– Aerodynamische Stabilität gegenüber Strömungsabriss, Pumpen und Flattern
• Leistung und Effizienz
– Hohe Stufendruckverhältnisse
– Kurze axiale Baulängen
– Geringes Gewicht
• Kosten
– Niedrige Herstellungskosten
– Robust im Betrieb
– Niedrige Wartungskosten
2
Eigendämpfung ist abhängig von der konstruktiven Gestaltung und dem verwendeten Material.
Je größer die Eigendämpfung ist, umso stärker wird die Amplitude der entsprechenden Eigen-
schwingungen reduziert und damit auch deren Spannungsschwingbreite, die ein Faktor für das
Risswachstum ist, was schließlich zu einer erhöhten Lebensdauer der Gesamtkonstruktion beiträgt.
1020 10 Verdichter
t
s Tangente an die
−Δβ d v2 Skelettlinie in der
+Δβ d Hinterkante
v2
Δγ
β2 γ2 γ 1 = Schaufeleintrittswinkel
Tangente an die β2 γ 2 = Schaufelaustrittswinkel
Skelettlinie in der ∆ γ = γ1 − γ 2 = Schaufelwölbungswinkel
Vorderkante
Skelettlinie s = Profilsehnenlänge
t = Gitterteilung
β S = Schaufelstaffelungswinkel
v1
+Δβ i gemessen gegen die Sehnenlänge s
−Δβ i v1 = Zuströmgeschwindigkeit
v2 = Abströmgeschwindigkeit
β1 β1 = Zuströmwinkel
β 2 = Abströmwinkel
β1
γ1 ∆ β = β1 − β2 = Umlenkung oder Deflektion
βS ±Δ βi = β1 − γ1 = Inzidenzwinkel
±Δ βd = β2 − γ2 = Deviationswinkel
Flugverkehr und der erreichte Standard wird am eindrucksvollsten durch die große An-
zahl zweimotoriger Flugzeuge demonstriert, die täglich sicher über die Ozeane fliegen.
Triebwerke sind mit einem Preis von ca. 1 500 . . . 2 000 € pro Kilogramm sehr teuer und
im oberen Bereich serienmäßig hergestellter Industrieprodukte angesiedelt. Sie sind dabei
robust, langlebig und ihre Herstellkosten sinken trotz der großen Komplexität stetig.
Abbildung 10.1 zeigt die grundlegende Geometrie einer Verdichterbeschaufelung, so
wie sie detailliert in Kap. 8 behandelt wurde. Zusätzlich sind zwei weitere Definitionen
mit hinzugekommen, der sog. Inzidenzwinkel3 und der Deviationswinkel4 . Die typischen
Eigenschaften zu den Verlusten ζ (vgl. Kap. 8.5.2.1) und den Abströmwinkeln β2 zeigt
Abb. 10.2. Beide Werte werden gewöhnlich experimentell bestimmt. Es ist zu erkennen,
dass eine Verdichterbeschaufelung, die ja vergleichsweise dünn ist, Inzidenzwinkel von
βi ≈ ± 7◦ . . . 8◦ vertragen kann, ohne dass es zu stärkeren Verlustanstiegen für die Be-
schaufelung kommt. Größere Inzidenzwinkel führen zu Fehlanströmungen an den dünnen
3
Aus dem Englischen Incidence: Einfallswinkel, Anstellwinkel.
4
Aus dem Lateinischen Deviare: abweichen, vom rechten Weg abweichen.
10.2 Verdichterwirkungsgrade 1021
20°
Δ βd ζ
16° 0.12
Verlustbeiwert
12°
Deviation
0.08
8°
0.04
4°
0° 0.0
−30°−20°−10° 0° 10° 20° 30° −30°−20° −10° 0° 10° 20° 30°
Inzidenz Δ βi Inzidenz Δ βi
Abb. 10.2 Prinzipdarstellung zu den Profilverlusten und den Abströmwinkeln an einem Verdich-
tergitter
10.2 Verdichterwirkungsgrade
Dieser Wirkungsgrad wird aus dem linken T-s-Diagramm in Abb. 10.3 abgeleitet. Per
Definition gilt:
spez. Verdichterarbeit (isentrop) bei gegebenem πV
ηVS :=
spez. Verdichterarbeit (polytrop) bei gegebenem πV
Tt3S
−1
wVS cp · (Tt3S − Tt2 ) T
η VS = = = t2 (10.1)
wV cp · (Tt3 − Tt2 ) Tt3
−1
Tt2
1022 10 Verdichter
Abbildung 10.3 zeigt, dass ein Axialverdichter im Allgemeinen immer eine mehrstufige
Maschine ist. Eine seiner Einzelstufen kann dabei wie ein separater „kleiner, einstufiger
Verdichter“ betrachtet werden (T-s-Diagramm Abb. 10.3 unten rechts), sodass bei dieser
Betrachtungsweise die Gl. (10.4) direkt auf eine Stufe übertragbar ist, wenn mit ηVs,j der
isentrope Stufenwirkungsgrad, mit πV,j das Stufendruckverhältnis und mit τV,j das Stuf-
entemperaturverhältnis bezeichnet wird. Der Index j ist die Nummer der jeweiligen Stufe,
j = 1, 2, 3, . . . , N eines N-stufigen Verdichters.
κ−1
πVκ,j − 1 pt,j Tt,j
ηVs,j = mit πV ,j = und τV ,j = (10.5)
τV ,j − 1 pt,j−1 Tt,j−1
Durch Umstellen dieser Beziehung wird ein Ausdruck für das so genannte Stufendruck-
verhältnis erhalten:
Brennkammer
Tt2 2 Anzahl der Stufen: jges = j = N = 14
3T
t3
11 13
j=1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 12 14
Diffusor
Strut
3s
Tt3s (pt)j=2
Tt2
j=4
Tt = Tt3
ηVs j=3
Tts = Tt3s
ηVsj (pt)j=1
j=2
j=1 pt2 = (pt)j=0
Tt2 pt2 2 Tt2
2
s s
Abb. 10.3 2-welliger Axialverdichter (Rolls-Royce Olympus) und die Zustandsänderungen des Ge-
samtverdichters (unten links) und einiger seiner Stufen (unten rechts), qualitativ dargestellt in einem
T-s-Diagramm
Ganz rechts in der Klammer steht nun das Quadrat der Machzahl der Umfangsge-
schwindigkeit im Schaufelmittenschnitt, ermittelt mit der statischen Temperatur am
Schaufeleintritt, Tj−1 . Das Temperaturverhältnis Tj−1 /Tt,j−1 (statische Temperatur durch
Totaltemperatur) am Stufeneintritt (Index: j − 1) kann mittels der Tab. 18.8 in Kap. 18.7
durch die absolute Machzahl Mac,j−1 der Stufenzuströmung (Index: j − 1) ersetzt werden:
⎛ ⎞ κ
κ−1
⎜ (κ − 1) · ηVs,j ⎟
πV ,j = ⎝1 + · ψh,j · Ma2uM,j−1 ⎠ (10.9)
κ −1
1+ · Ma2c,j−1
2
Die erreichbaren Stufendruckverhältnisse hängen also von zwei wesentlichen Parametern
ab, der Machzahl der Umfangsgeschwindigkeit MauM und der Stufen-Enthalpiekenngröße
ψh,j , die auch ein Maß für die Strömungsumlenkung β (Deflection) im Laufrad ist. Die
Abb. 10.4 zeigt zum einen die grafische Auswertung der Gl. (10.9) und zum anderen für
1024 10 Verdichter
3.0
128
Totaltemperaturerhöhung
Stufendruckverhältnis π V,j Ma c, j −1 = 0.40
ψh, j = 0.3 64
1.8
48
1.4 2000 32
5
198
5 16
196
1.0
200 260 320 380 440 500
Umfangsgeschwindigkeit im Mittenschnitt uM [m/s]
Abb. 10.4 Entwicklung der Stufendruckverhältnisse mit der Zeit, in Abhängigkeit der Größen, die
signifikanten Einfluss darauf haben. Kurven nach Gl. (10.9)
eine Auswahl von real ausgeführten Axialverdichtern die Entwicklung der Stufendruckver-
hältnisse in Abhängigkeit der Mittenschnitt-Umfangsgeschwindigkeit uM . Beide Größen
sind im Laufe der Entwicklung stark gestiegen, zuerst die Umfangsgeschwindigkeit und
insbesondere in letzter Zeit – ermöglicht durch die Entwicklung der Beschaufelungen mit
kleinem Schaufelhöhenverhältnis (Wide Chord Blades) – auch die Enthalpiekenngröße.
Die Bezeichnungen und Indizierungen, die in den Gln. (10.5) verwendet wurden, kön-
nen nun auf den isentropen Verdichterwirkungsgrad nach Gl. (10.4) übertragen werden,
wenn mit jges = j = N die Anzahl aller Stufen eines Verdichters bezeichnet wird:
κ−1
κ−1
pt3 κ pt,j=N κ
−1 −1
pt2 pt,j=0
ηVs = = (10.10)
Tt3 Tt,j=N
−1 −1
Tt2 Tt,j=0
Für den Temperaturquotienten im Nenner des ganz rechts stehenden Ausdrucks in Gl.
(10.10) wird der folgende Ausdruck entwickelt:
j=N 0
Tt,j=N Tt,j=1 Tt,j=2 Tt,j=3 Tt,j=N 9 Tt,j 1
= · · ··· = (10.12)
Tt,j=o Tt,j=0 Tt,j=1 Tt,j=2 Tt,j=N−1 j=1
Tt,j−1
10.2 Verdichterwirkungsgrade 1025
κ−1
πV κ − 1
ηVs = j=N 0 κ−1 1 (10.14)
9 1
1+ · πV ,j − 1 − 1
κ
j=1
ηVs,j
Zur Beurteilung der vorhergehenden Gleichung wird jetzt die mehr oder weniger will-
kürliche Annahme5 eingeführt, dass alle Stufen eines Verdichters sowohl dasselbe
Stufendruckverhältnis πV, j als auch denselben isentropen Stufenwirkungsgrad ηVs, j haben
sollen. Unter diesen Umständen ergibt sich für das gesamte Verdichterdruckverhältnis τV
der folgende einfache Ausdruck:
9N
pt,j 1 √
πV = = πVN,j ⇒ πV ,j = πVN = N πV (10.15)
j=1
p t,j−1
55 800 N 25
∏π
21 Tt,j=0 = 300 K
t
35
ns
13
co
500
=
K
9
32
25
=
400 Tt,j
5 Δ
15 300 1
1 3 5 7 9 11 13 15 1 3 5 7 9 11 13 15
Stufenanzahl j Stufenanzahl j
Abb. 10.5 Temperatur- und Druckanstieg durch einen 15-stufigen Axialverdichter, dessen Ein-
zelstufen jeweils dasselbe Druckverhältnis πV ,j und denselben isentropen Wirkungsgrad ηVs,j
haben
Der ganz rechts stehende Quotient in dieser Gleichung ist wegen der zuvor getroffenen
vereinfachenden Annahmen (ηVs, j , πV, j = const) für jede Stufe eine Konstante, und Tt,j−1
ist die jeweilige Stufeneintrittstemperatur. Abbildung 10.5 zeigt die Auswertung der Gl.
(10.19) für einen 15-stufigen Axialverdichter. Es ist zu erkennen, dass die Totaltempera-
turerhöhung Tt,i von Stufe zu Stufe zunimmt. In der ersten Stufe sind es 20 K und in
der letzten bereits 48 K. Das Druckverhältnis (durchgezogene Linie in Abb. 10.5 rechts)
nimmt gemäß Gl. (10.15) exponentiell zu, sodass nahezu 50 % des gesamten Verdichter-
druckverhältnisses in den letzten 30 . . . 35 % aller beteiligten Verdichterstufen produziert
wird.
Abbildung 10.6 zeigt beispielhaft das T-s-Diagramm eines vierstufigen Axialverdichters,
mit der zuvor demonstrierten Eigenschaft, dass Tt,j von Stufe zu Stufe ansteigt. Aus dem
Diagramm können folgende Relationen abgelesen werden:
TtVs
ηVs = (10.21)
TtV
Für eine Einzelstufe wird nun ein mittlerer isentroper Stufenwirkungsgrad gebildet:
: :
Tts ,j Tts ,j
η̄Vs,j = : = (10.22)
Tt,j TtV
10.2 Verdichterwirkungsgrade 1027
T
3 p t3
ΔT t,j=4 3S ΔT ts,j=4
ΔT ts,j=4
ΔT tV = Σ ΔT t,j
ΔT t,j=3 ΔT ts,j=3 Σ ΔT ts,j
ΔT ts,j=3
ΔT tVs
ΔT t,j=2 ΔT ts,j=2
ΔT ts,j=2
ΔT t,j=1 ΔT ts,j=1
p t2 ΔT ts,j=1
2
s
Ein Vergleich der Gln. (10.20) bis (10.22) führt zu der Aussage:
Der isentrope Wirkungsgrad eines mehrstufigen Verdichters ηVs ist schlechter als der mitt-
lere Wirkungsgrad ηVs, j seiner Einzelstufen. Würde ein mehrstufiger Verdichter betrachtet
werden, der die Eigenschaft hat, dass von Stufe zu Stufe der isentrope Stufenwirkungsgrad
und die spez. Stufenarbeit (∼ Tt,j ) gleich bleiben, so käme man hinsichtlich der Aussage
zu den Wirkungsgraden zu demselben Ergebnis wie in Gl. (10.23). Der zugehörige Druck-
anstieg durch den Verdichter ist rechts in Abb. 10.5 als gestrichelte Kurve mit eingezeichnet
worden.
Auf Grund von Reibung (Dissipation) kommt es in jeder Stufe zu einer zusätzlichen
Temperaturerhöhung und damit zu einer zusätzlichen Volumenausdehnung, die zum
eigentlichen Verdichtungsprozess konträr ist. In jeder nachfolgenden Stufe muss dies
durch ein Mehr an spezifischer Arbeit (Enthalpieänderung) wieder wettgemacht werden,
um dort dasselbe πV, j und ηVs, j wie in der Stufe zuvor zu erreichen. Bleibt dagegen von
Stufe zu Stufe die spez. Arbeit konstant, so wird dies einen Verlust an Druckerhöhung zur
Folge haben.
Der mit Abb. 10.6 beschriebene Vorgang wird umso signifikanter, je größer die Anzahl
der Stufen eines Axialverdichters ist, und es erhebt sich die Frage, ob und wie gut der
isentrope Wirkungsgrad die Vorgänge in einem vielstufigen Verdichter mit polytroper
1028 10 Verdichter
Zustandsänderung beschreibt. Auf der Suche nach einer besseren Beschreibung bietet
sich die Betrachtung infinitesimaler Zustandsänderungen längs der Polytropen an, mit an-
schließender Integration zwischen Verdichterein- und Verdichteraustritt zur Übertragung
auf den Gesamtverdichter:
spez. Arbeit (isentrop) bei infinitesimaler Druckerhöhung dπV
ηV :=
spez. Arbeit (polytrop) bei infinitesimaler Druckerhöhung dπV
dwVs dTts
ηV = = (10.24)
dwV dTt
Die infinitesimale isentrope Totaltemperaturerhöhung dT ts wird aus der Gleichung für
eine isentrope Zustandsänderung bestimmt, wenn diese nach dem Totaldruck pt abgeleitet
wird:
Tt dTt κ − 1 − κ1 Tt κ − 1 − κ1
κ−1 = const ⇒ = const · · pt = κ−1 · · pt (10.25)
ptκ dpt κ pt κ κ
3
3
dTt κ −1 dpt Tt3 κ −1 pt3
ηV = ⇒ ηV · ln = · ln (10.28)
Tt κ pt Tt2 κ pt2
2 2
κ−1
ln πVκ
ηV = (10.29)
ln (τV )
Mittels Eliminieren des Logarithmus ergibt sich hieraus sofort:
κ−1
1 κ−1
1 κ−1
1 η · κ η · κ
ln (τV ) = · ln πVκ
= ln πV V ⇒ τV = πV V (10.30)
ηV
Der Zusammenhang zwischen dem isentropen und dem polytropen Wirkungsgrad wird
durch Einsetzen der Gl. (10.30) in Gl. (10.4) hergestellt:
κ−1
πVκ − 1
ηVs = 1 (10.31)
· κ−1
−1
η κ
πV V
10.2 Verdichterwirkungsgrade 1029
ηV = 0.80
0.6500
1.0 9.5 18.0 26.5 πV 35.0
Die polytrope Zustandsänderung zwischen Ein- und Austritt lässt sich mit der folgenden
Gleichung beschreiben, wenn n der Polytropenexponent ist:
n−1
Tt3 pt3 n n−1
τV = = = πV n (10.32)
Tt2 pt2
Doppel-Kreisbogen-Profile
0.88 Subsonische-Profile
0.86
0.84
eine infinitesimale Stufe. Von daher werden sich bei einem vielstufigen Axialverdichter
mit zunehmender Stufenanzahl die beiden Wirkungsgrade immer mehr annähern. Es gilt
dann:
In einem vielstufigen Verdichter ist der polytrope Wirkungsgrad des gesamten Verdichters
in etwa gleich dem mittleren isentropen Wirkungsgrad seiner Stufen.
Beispiel 10.1
Wirkungsgrade eines Axialverdichters. Der Axialverdichter des Rolls-Royce Turbojett-
riebwerks Olympus 593 (BAC Concorde) hat N = 14 Stufen und ein Druckverhältnis
von πV = 15.5. Der isentrope Stufenwirkungsgrad wird zu ηVs,j = 0.895 geschätzt. Unter
der Annahme, dass für jede Stufe der isentrope Wirkungsgrad und das Druckverhältnis
gleich sind, sind für den Gesamtverdichter der isentrope und polytrope Wirkungsgrad
zu berechnen. Das Strömungsmedium ist Luft mit κ = 1.4, Ri = 287 Nm/kg/K.
1/N
πV ,j = πV = 15.51/14 = 1.216252
κ−1
πVκ − 1
ηVs = κ−1
N
1
1+ · πVκ,j − 1 −1
ηVs,j
15.50.285714 − 1
= 14 = 0.853572
1
1+ · (1.21625 0.285714
− 1) − 1
0.895
κ−.1 κ−.1
π κ −1 π κ −1 15.50.285714 − 1
ηVs = V ⇒ τV = 1 + V =1+ = 2.392078
τV − 1 ηVs 0.85357
κ−.1
ln πV κ
ln (15.50.285714 )
ηV = = = 0.89788 ≈ ηVs,j > ηVs
ln (τV ) ln (2.392078)
Es ist zu erkennen, dass der isentrope Verdichterwirkungsgrad ηVs deutlich kleiner ist
als der polytrope Verdichterwirkungsgrad ηV . Letzterer unterscheidet sich nur wenig
vom isentropen Stufenwirkungsgrad ηVs, j . Es ist nun der Polytropenexponent n der
Zustandsänderung durch den Gesamtverdichter zu berechnen:
n−1 1 κ −1 1 1.0
= · ⇒ n= = = 1.466727
n ηV κ κ −1 0.285714
1− 1.0 −
κ · ηV 0.89788
Es ist der Anteil der Totaltemperaturerhöhung zu berechnen, der durch Rei-
bung (Dissipation) dem Strömungsmedium mitgegeben wird. Der Totalzustand am
1032 10 Verdichter
Beide Größen sind im Laufe der Entwicklungsjahre stark gestiegen, zuerst die Umfangsge-
schwindigkeit und neuerdings – ermöglicht durch die Entwicklung der Wide-Chord-Blades
– auch die Stufenenthalpiekenngröße. Die Umfangsgeschwindigkeit wird durch die
Werkstoff-Festigkeiten limitiert, sodass man heute an den Blattspitzen, in der unmittel-
baren Nähe des Gehäuses (Index: G), hypothetisch maximale Umfangsgeschwindigkeiten
von etwa uGmax = 550 m/s (uG > uM ) erreichen könnte. Die Stufenenthalpiekenngröße
ψh, j in der Form der Basisdefinition nach Gl. (8.106) erreicht heutzutage Werte zwischen
0.4 . . . 0.5, Abb. 10.4. Obwohl die empirische Beobachtung lange zurück reicht
(bis ca. 1960), wurde von der Möglichkeit, durch breite Schaufeln kleiner Streckung hohe
Strömungsumlenkungen verwirklichen zu können, erst ab ca. 1985 konsequent Nutzen
gezogen, und dies zunächst auch nur bei militärischen Triebwerken. So ersetzen heute die
8 . . . 9 Verdichterstufen moderner Kampfflugzeugtriebwerke (EJ200, F119) die 12 . . . 15
Stufen früherer Triebwerksgenerationen.
Dieser breiten, aerodynamisch hoch überlegenen Schaufeln sind allerdings einige Gren-
zen der Mechanik gesetzt, die sich aus ihrem Gewicht und der daraus resultierenden
Belastung ergeben und damit Einfluss auf die Befestigung der Schaufeln in der Scheibe
sowie auf die Festigkeit der Scheibe selbst haben.
6
Das Schaufelhöhenverhältnis br /s ist die radiale Schaufelerstreckung (Schaufelhöhe) dividiert durch
die Schaufelsehnenlänge. Moderne Verdichter haben kleine br /s-Verhältnisse, d. h., ihre Sehnenlänge
s ist im Vergleich zur Schaufelhöhe br groß. Im Englischen werden diese Schaufeln als so genannte
Wide-Chord-Blades bezeichnet.
1034 10 Verdichter
vII
1. Turbinenlaufrad
β II uII = u2M
cII c3 = c2ax
A2 A3
r2G
r3G
rM rM
r2N r3N
ω
Abb. 10.9 Geometrischer Aufbau des axialen Strömungskanals eines Axialverdichters mit einer
Vielzahl von Normalstufen mir Repetierbedingung
Geometrische Grundlage dieses Kapitels ist die Skizze in Abb. 10.9. Es wird ein mehr-
stufiger Axialverdichter betrachtet, der aus Normalstufen (vgl. Kap. 8.2.4.1) besteht. Als
Eingangswerte sollen folgende Größen bekannt sein.
Die Größen Mac2 , pt2 , Tt2 sind von der Gestaltung des Triebwerkseinlaufs her bekannt, wo-
bei gewöhnlich 0.45 ≤ Mac2ax ≤ 0.65 gilt. Totaldruck und Totaltemperatur werden vom
Umgebungszustand (p0 , T0 ), von der Flugmachzahl Ma0 und von den Einlaufverlusten
πE aufgeprägt. Die Wahl der Umfangsgeschwindigkeit im größten Gehäuseaußenschnitt
10.3 Auslegungsgesichtspunkte für Axialverdichter 1035
ist festigkeitsbedingt, und hängt vom verwendeten Schaufelmaterial ab. Werte zwischen
200 m/s ≤ u2G ≤ 550 m/s sind hier möglich. Die Wahl des Nabenverhältnisses ν2 = r2N /r2G
bestimmt den Stirnflächenquerschnitt, die Schaufelhöhe und auch die Schaufelverwin-
dung des Verdichters. Kleine ν2 -Werte halten den Gehäusedurchmesser des Verdichters
zwar klein, haben aber auch lange, verwundene Schaufeln zur Folge. Der polytrope Wir-
kungsgrad ist eine Erfahrungsgröße und muss anhand bereits ausgelegter Verdichter durch
Inter- oder Extrapolation geschätzt werden. Der Massenstrom und das Verdichterdruck-
verhältnis sind Resultate von Kreisprozessstudien und übergeordneten Projektierungs-
und Vorauslegungsverfahren, welche unter anderem auch die Kenntnis des Schubes vor-
aussetzten, für den das Triebwerk ausgelegt werden soll. Weitere detaillierte Hilfen hierzu
sind bei Grieb (2004) zu finden.
Aus der Gl. (18.292) in Kap. 18.8 kann der Eintrittsquerschnitt des Verdichters mit den
vorgegebenen Daten berechnet werden:
√ 1 · κ+1
Tt2 1 Ri κ −1 2 κ−1
A2 = ṁ · · · · 1+ · Mac2
2
(10.38)
pt2 Mac2ax κ 2
Aus der Gl. (8.92) ergibt sich eine weitere Beziehung für die Eintrittsfläche:
2 1
A2 = π · r2G − r2N = π · r2G · 1 − ν2 = π · r2N ·
2 2 2 2
−1 (10.39)
ν22
aus der dann der Gehäuse- und Nabenradius am Verdichtereintritt bestimmt werden kann:
A2 A2
r2G = bzw. r2N = ν2 · r2G = 2 (10.40)
π · 1 − ν2
2
π · 1/ν2 − 1
Der Einfachheit wegen, soll dieser Mittenschnittradius per Definition durch den Verdichter
hindurch konstant bleiben.
Nun ist es leicht möglich, die Verdichterdrehzahl n in [min−1 ] aus den beiden
Gleichungen u2Gmax = r2G · ω und ω = π · n /30 in [s−1 ] zu berechnen:
30 u2Gmax
n= · [min−1 ] (10.42)
π r2G
Um die Geometrie am Verdichteraustritt festlegen zu können, ist es notwendig, die Axial-
komponente durch den Verdichter zu bestimmen. Wenn von Normal- und Repetierstufen
ausgegangen wird, dann gilt, so wie es in Abb. 10.9 eingezeichnet ist, c2 = c2ax = c3ax = c3 .
1036 10 Verdichter
pt2 Tt2
p2 =
bzw. T2 =
(10.43)
κ −1
κ
κ −1
1+ · Ma2c2
κ−1
1+ · Ma2c2
2 2
Wegen der drallfreien Zuströmung zum Verdichter kann anschließend mittels des Satz des
Pythagoras die größte relative Zuströmmachzahl zum ersten Verdichterlaufrad berechnet
werde, die sich generell im Gehäuseschnitt einstellt:
+ +
Mav2G = Ma2u2G + Ma2c2 = Ma2u2G + Ma2c2ax (10.45)
Wegen c2 = c2ax = c3 = c3ax wird es nun möglich, die Machzahl Mac3 zu berechnen:
T3 = Tt3 − c32 2 · cp ⇒ a3 = κ · Ri · T3 ⇒ Mac3 = c3 a3 (10.48)
Analog zu Gl. (10.38) wird jetzt der Austrittsquerschnitt des Verdichters berechnet:
√ 1 · κ+1
Tt3 1 Ri κ −1 2 κ−1
A3 = ṁ · · · · 1+ · Mac3
2
(10.49)
pt3 Mac3ax κ 2
Die gewählte Betrachtungsweise zu Abb. 10.5 hatte wegen πV, j = const dazu geführt,
dass die Totaltemperaturerhöhung pro Stufe von ca. 20 K bis auf etwa 48 K zwischen
Verdichtereintritt und -austritt zunahm. Der Vorteil dabei war, dass das Druckverhältnis
des Gesamtverdichters πV durch die einfache Beziehung (10.15) ermittelt werden konnte.
Vielfach ist es aber eher so, dass das Tt,j pro Stufe konstant – oder nahezu konstant
– gehalten wird (≈ gleichbleibende spezifische Stufenarbeit in jeder Stufe). Unter diesen
Umständen ergibt sich für den Druckverlauf die im rechten Teil von Abb. 10.5 gestrichelt
eingezeichnete Kurve ( Tt,j = 32 K = const), die dann aber nicht mehr der Beziehung
(10.15) gehorcht. In der Praxis sind Werte zwischen 15 K < Tt,j < 30 K für subsonische
Stufen üblich. Für transsonische Stufen können im Mittenschnitt Werte von 60 K und
mehr erreicht werden, Abb. 10.10. Über eine einfache, im Folgenden näher erläuterte
Berechnung von Tt,j – unter Einbeziehung des de Haller-Kriteriums nach Gl. (8.38) –
wird es möglich, die Anzahl der Stufen – mehr oder weniger grob – festzulegen.
Wegen der drallfreien Zuströmung zum ersten Laufrad können aus den Ge-
schwindigkeitsdreiecken in Abb. 10.9 die folgenden geometrischen Zusammenhänge im
Mittenschnitt – beim Euler-Radius rM – formuliert werden:
c2ax
cos (β2 − 90◦ ) =
v2
◦ cax cax
cos (βII − 90 ) = ⇒ βII = 90◦ + arccos
vII vII
u2M 1 1
tan (β2 − 90◦ ) = = = − cot β2 ⇒ (β2 − 90◦ ) = arctan
c2ax ϕ ϕ
7
Die Abb. 10.9 zeigt z. B., dass die Blattspitzen des ersten Turbinenlaufrades auf einem größeren
Radius umlaufen als die des ersten Verdichterlaufrades. Da das Luftvolumen nach der Brennkammer
durch die Wärmezufuhr zugenommen hat, muss diesem Umstand dadurch Rechnung getragen wer-
den, dass der mittlere Turbinenradius und damit die durchströmte Ringraumfläche in der Turbine
größer wird. Die Abb. 2.15 bis 2.20 zeigen anschaulich, wie sich bei verschiedenen Triebwerks-
konstruktionen die größten Blattspitzen von Verdichter und Turbine auf jeweils einer Welle (N1
oder N2) geometrisch zueinander verhalten. Das Maximum der zulässigen Umfangsgeschwindigkeit
wird an der Stelle des größten Rotor-Blattspitzen-Radius fixiert. Bei der N1-Welle heutiger ziviler
Turbofantriebwerke (ohne Getriebe) wird dieser Ort generell durch den Fanrotoraußendurchmesser
bestimmt.
1038 10 Verdichter
10
0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 ϕ 0.8
Wird hierin beispielsweise das Geschwindigkeitsverhältnis zu vII /v2 = (v2 /v1 )M = 0.78
gesetzt, um so einen gewissen Abstand zum Grenzwert 0.7 (de Haller-Kriterium) zu haben,
und werden die obigen drei geometrischen Beziehungen miteinander kombiniert, so ergibt
sich der folgende Ausdruck für den relativen Abströmwinkel aus dem Mittenschnitt des
Laufrades:
◦ v2 cax ◦ 1 ◦
βII = 90 + arccos · = 90 + arccos · cos (β2 − 90 )
vII v2 vII /v2
1 1
βII = 90◦ + arccos · cos arctan
0.78 ϕ
◦ 1 1
βII = 90 + arccos · cos arctan (10.51)
(v2 /v1 )M ϕ
Wobei mit ϕ = cax /uM die Durchflusskenngröße nach Gl. (8.104) eingeführt wurde.
Es wird des Weiteren die Gl. (8.116) verwendet und dort die spezifische reversible Stu-
fenarbeit (Strömungsarbeit) wj durch den 1. Hauptsatz der Thermodynamik gemäß Gl.
(6.56) ersetzt, wj = cp · Tt,j = u2 · ϕ · (cot βII − cot β2 ). Mit den obigen geometri-
schen Beziehungen und der Gl. (10.51) ergibt sich daraus schließlich ein Wert für die
Totaltemperaturerhöhung einer drallfrei angeströmten Stufe Tt,j :
2
uM
Tt,j = · ϕ · ( cot βII − cot β2 )
cp
2 0
1
uM ◦ 1 1 1
Tt,j = · ϕ · cot 90 + arccos · cos arctan + (10.52)
cp (v2 /v1 )M ϕ ϕ
Hierin ist (v2 /v1 )M das de Haller Kriterium im Mittenschnitt (am Euler-Radius), das
zwischen 0.75 . . . 0.8 gewählt werden sollte. Abbildung 10.10 zeigt die numerische Aus-
wertung von Gl. (10.52). Es ist zu sehen, dass bei konstanter Umfangsgeschwindigkeit
10.3 Auslegungsgesichtspunkte für Axialverdichter 1039
uM eine Erhöhung der spez. Stufenarbeit wj = cp Tt,j auch immer eine Erhöhung des
Axialgeschwindigkeitsniveaus cax = ϕ · uM zur Folge hat.
Die Gesamtanzahl der Stufen N berechnet sich nun durch einfache Division der
gesamten Totaltemperaturerhöhung durch die Stufen-Totaltemperaturerhöhung:
Tt3 − Tt2
N= = Natürliche Zahl, N = N = {1; 2; 3; 4; 5; . . . } (10.53)
Tt,j
Es wird auf diese Art und Weise des Rechnungsganges meist nicht gelingen, sofort eine
Stufenanzahl ohne Nachkommastellen zu ermitteln, sodass praktisch immer eine iterati-
ve Anpassung der Vorgabewerte in der Rechnung vorzunehmen ist, bis das gewünschte
Ergebnis schließlich erhalten wird. Im Nachfolgenden Beispiel sind die Vorgabewerte für
den Berechnungsweg bereits diesbezüglich so angepasst und gewählt worden, dass sich als
Stufenanzahl schlussendlich sofort eine Natürliche Zahl einstellt.
Beispiel 10.2
Axialverdichter-Vorauslegung (Teil I). Grundlage des Beispiels soll der 2-Wellen-
Verdichter des Triebwerks Rolls-Royce Olympus (Concorde) in Abb. 10.3 sein, der
sowohl einen 7-stufigen Niederdruck- als auch einen 7-stufigen Hochdruckverdich-
ter hat. Es sind die Basisgeometrien und die Drehzahlen dieses Axialverdichters zu
bestimmen. Bei einem Massenstrom von 186 kg/s hat der Verdichter ein Gesamt-
druckverhältnis von πV ≈ 15.5. Der Niederdruckverdichter erhöht dabei den Druck
um πNDV ≈ 2.5 und der Hochdruckverdichter um πHDV ≈ 6.2. Das Nabenverhältnis am
Niederdruckverdichtereintritt ist ν2 = 0.35 und die polytropen Wirkungsgrade sind
ηNDV = 0.915 und ηHDV = 0.870. Diese beiden polytropen Verdichterwirkungsgrade
ηV sollen von den Zahlenwerten her jeweils identisch mit den jeweiligen isentropen
Verdichterstufenwirkungsgraden sein ηVs, j = ηV in Nieder- und Hochdruckverdichter.
Die Grenzumfangsgeschwindigkeiten am Gehäuse seien jeweils u2GNDV = 412.5 m/s
und u2GHDV = 480.25 m/s. In den jeweiligen Mittenschnitten der Beschaufe-
lungen sollen das de Haller Kriterium im NDV mit (v2 /v1 )M,NDV = 0.889065 und
im HDV mit (v2 /v1 )M,HDV = 0.764721 vorgegeben werden. Von einer Triebwerks-
Einlaufauslegung her sind folgende Totalgrößen am Niederdruckverdichtereintritt
bekannt: pt2 = 1 023.82 hPa, Tt2 = 305 K, Mac2 = 0.528. Das Fluid ist Luft mit κ = 1.4
und mit Ri = 287 Nm/(kg · K). Eine eventuelle Zapfluftentnahme im Verdichter bleibt
unberücksichtigt.
Niederdruckverdichter (NDV):
Tt2 305.0
T2 =
=
= 288.89 K
κ −1 1.4 −1
1+ · Ma3c2 1+ · 0.5282
2 2
pt2 102 382
p2 =
κ =
3.5 = 84 674 Pa
κ −1 κ−1 1.4 −1
1+ · Ma3c2 1+ · 0.528 2
2 2
1040 10 Verdichter
p2 84 674.0
ρ2 = = = 1.02125 kg/m3
Ri · T 2 287 · 288.89
√
a2 = κ · Ri · T2 = 1.4 · 287 · 288.89 = 340.7 m/s
c2 = c2ax = Mac2 · a2 = Mac2ax · a2 = 0.528 · 340.7 = 179.89 m/s
√ 1 · κ+1
Tt2 1 Ri κ −1 2 κ−1
A2 = ṁ · · · · 1+ · Mac2
2
pt2 Mac2ax κ 2
ṁ 186
= = = 1.01245 m2
c2ax · ρ2 179.89 · 1.02125
A2 1.01245
r2G = = = 0.606022 m
π · 1 − ν22 π · (1 − 0.352 )
Hochdruckverdichter (HDV):
pt2.5 = πNDV · pt2 = 2.5 · 102 382 = 255 955.0 Pa
1
· κ−1
Tt2.5 = Tt2 · πNDV = 305.0 · 2.50.312256.... = 406.031 K
η
NDV κ
ṁ 186
A3 = = = 0.146062 m2
c3ax · ρ3 723.133 · 7.078938
A3 0.146062
r3G = rM + 2
= 0.4542 + = 0.478929 m
2·π 2·π
A3 0.146062
r3N = rM − 2
= 0.4542 − = 0.427644 m
2·π 2·π
r3N 0.427644
ν3 = = = 0.892917
rG 0.478929
2 0
1
uM ◦ 1 1 1
Tt,j = · ϕ · cot 90 + arccos cos arctan +
cp (v2 /v1 )M ϕ ϕ
309.0312 · 0.58211
Tt,jNDV =
1004.5
0
1
1 1 1
cot 90◦ + arccos cos arctan +
0.889065 0.58211 0.58211
Tt,jNDV = 14.433 K
405.572 · 0.44355
Tt,jHDV =
1004.5
0
1
◦ 1 1 1
cot 90 + arccos cos arctan +
0.764721 0.44355 0.44355
Tt,jHDV = 47.601 K
Tt2.5 − Tt2 406.0308 − 305.0
NNDV = = = 7 Stufen
Tt,jNDV 14.433
Tt3 − Tt2.5 739.24115 − 406.0308
NHDV = = = 7 Stufen
Tt,jHDV 47.601425
Die vorgegebenen Daten wurden exakt so gewählt, dass sich an dieser Stelle ganz genau
die Stufenanzahl N = 7 für Nieder- und Hochdruckverdichter ergibt. Dasselbe gilt für
den Radius r2G = 0.606 m und für die Drehzahlen von Nieder- und Hochdruckverdi-
chter, deren Zahlenwerte für das Olympus-Triebwerk allgemein bekannt sind.
cp · Tt,jNDV 1 004.5 · 14.433
ψh,jNDV = 2
= = 0.15181
uMNDV 309.0312
cp · Tt,jHDV 1 004.5 · 47.601425
ψh,jHDV = 2
= = 0.2907
uMHDV 405.56972
κ−1
κ
πNDV −1 2.50.285714... − 1
ηNDVs = = = 0.90344 < ηNDV = 0.915
(Tt2.5 /Tt2 ) − 1 (406.0308/305.0 ) − 1
κ−1
κ
πHDV −1 6.20.285714... − 1
ηHDVs = = = 0.833745 < ηHDV = 0.870
(Tt3 /Tt2.5 ) − 1 (739.24115/406.0308 ) − 1
10.3 Auslegungsgesichtspunkte für Axialverdichter 1043
Die Druckerhöhung πV, j , die jede Stufe erzeugt, wird mit Gl. (10.9) berechnet:
⎛ ⎞ κ ⎛ ⎞ κ
κ−1 κ−1
⎜ (κ − 1) ηVs,j · ψh,j · Ma2uM ⎟ ⎜ (κ − 1) ηV · ψh,j · Ma2uM ⎟
πV ,j = ⎝1 + ⎠ = ⎝1 + ⎠
κ −1 κ −1
1+ · Ma2c,j−1 1+ · Ma2c,j−1
2 2
(10.54)
Hierin wird berücksichtigt, dass nach Gl. (10.37) für vielstufige Verdichter der isentro-
pe Stufenwirkungsgrad etwa gleich dem polytropen Gesamtverdichterwirkungsgrad ist,
ηVs, j ≈ ηV .
Um nun so mit Gl. (10.54) die Druckverhältnisse πV, j aller Stufen j einzeln ausrechnen
zu können, ist es erforderlich, auch die absolute Eintrittsmachzahl Ma2c,j−1 in die jeweilig
Stufe zu berechnen, wobei die Eintrittsmachzahl in die erste Niederdruckverdichterstufe
mit Ma2c,j−1 = Ma2c2 bekannt ist. Für alle weiteren Stufen werden – wenn das πV, j der
jeweiligen Stufen berechnet wurde – der Totaldruck pt,j und die Totaltemperatur Tt,j nach
der Stufe bestimmt, da die erforderlichen Größen vor der Stufe, pt,j−1 und Tt,j−1 , dann
bekannt sind:
πV ,j − 1
Tt,j = Tt,j−1 · 1 + = Tt,j−1 + Tt,j (10.56)
ηVs,j
cj2
Tj = Tt,j − wegen cj = cj−1 (10.57)
2 · cp
Für die darauf folgende Stufe j + 1 ist diese Machzahl dann die Stufeneintrittsmachzahl
Mac, j − 1 , sodass nun mit der Gl. (10.54) das Druckverhältnis der nächsten Stufe j + 1
berechnet werden kann. Die nachfolgende Tabelle zeigt die Auflistung aller solchermaßen
berechneten Werte für die diversen Stufen:
1044 10 Verdichter
NDV (pt,j ,T t,j ,T j , Mac,j sind Größen hinter der jeweiligen Stufe)
;NDV
j=N ;+NHDV
j=NNDV
Stufe πNDV, j πNDV ,j πV ,j pt,j Tt,j Tj Mac, j
j j=1 j=1 [Pa] [K] [K]
1 1.159927 1.159927 1.159927 118.755.66 319.43 303.33 0.5153
2 1.152332 1.336622 1.336622 136.845.98 333.87 317.76 0.5034
3 1.145425 1.531000 1.531000 156.746.80 348.30 332.19 0.4924
4 1.139116 1.743986 1.743986 178.552.81 362.73 346.62 0.4820
5 1.133332 1.976515 1.976515 202.359.58 377.16 361.06 0.4723
6 1.128008 2.229526 2.229526 228.263.33 391.60 375.49 0.4631
7 1.123093 2.503966 2.503966 256.361.03 406.03 389.92 0.4545
HDV (pt,j ,T t,j ,T j , Mac,j sind Größen hinter der jeweiligen Stufe)
1 1.401631 1.401631 3.509635 358.754.34 453.30 437.19 0.4292
2 1.355153 1.899423 4.756091 486.166.94 500.56 484.45 0.4077
3 1.318269 2.503952 6.269808 640.898.88 547.82 531.72 0.3892
4 1.288296 3.225832 8.077372 825.667.75 595.09 578.98 0.3730
5 1.263465 4.075725 10.205476 1.043.202.25 642.35 626.25 0.3586
6 1.242559 5.064329 12.680905 1.296.240.25 689.62 673.51 0.3458
7 1.224719 6.202378 15.530541 1.587.529.62 736.88 720.78 0.3343
Hierin wurde berücksichtigt, dass nach Gl. (10.37) für vielstufige Verdichter der
isentrope Stufenwirkungsgrad etwa gleich dem polytropen Verdichterwirkungsgrad ist,
ηVs, j ≈ ηV . Für das vorhergehende Beispiel zeigt Abb. 10.11 die Auswertung dieser Glei-
chungen. Es wird deutlich, dass wegen Tt,j = const die Totaltemperatur linear ansteigt,
während das Stufendruckverhältnis πV, j von Stufe zu Stufe geringer wird. Auf Grund von
Dissipation kommt es in jeder Stufe zu einer zusätzlichen Temperaturerhöhung und damit
zu einer zusätzlichen Volumenausdehnung, die zum eigentlichen Verdichtungsprozess
konträr ist. In jeder nachfolgenden Stufe muss dies durch einen gewissen Anteil an zu-
sätzlicher spezifischer Arbeit (Enthalpieänderung) wieder wettgemacht werden, der dann
nicht mehr zur Druckerhöhung verwendet werden kann.
In der Praxis wird jede einzelne Stufe eine ganz individuelle spezifische Stufenarbeit
(wj = cp Tt,j ) erhalten, angepasst an die Strömungswinkel, das Verzögerungsverhältnis
nach de Haller und unter Berücksichtigung der Diffusionszahl. Oft wird gerade in den
ersten und letzten Stufen ein niedrigeres Tt,j gewählt als in den mittleren, sodass die
Stufenanzahl durchaus etwas höher ausfallen kann, als die nach Gl. (10.53) berechnete.
Ursächlich dafür ist, dass die ersten Stufen eines Triebwerksverdichters in zweifacher
Hinsicht besonderen Belastungen ausgesetzt sind
1.405 705 ∏π
j =1
V, j
Abb. 10.11 Temperatur- und Druckanstieg eines 2-welligen Nieder- und Hochdruckverdichters
(NDV und HDV), der jeweils 7 Stufen hat. Der Darstellung liegen die Daten des Beispiels 10.2 zu
Grunde
Durch Reduzierung des Tt,j wird die aerodynamische Belastung der ersten Stufen verrin-
gert und das πV, j , das nach Abb. 10.11 in den ersten Stufen vergleichsweise hoch ausfällt,
auf moderate Werte abgesenkt. Die beiden oben genannten Nachteile, die Einfluss auf
einen stabilen Verdichterbetrieb haben, werden so gemildert. Zum anderen möchte man
in der letzten Verdichterstufe wenig Drall vorliegen haben, da dies eine bessere, d. h., wei-
testgehend axiale Zuströmung zur Brennkammer gewährleistet. Über die Kombination aus
erstem Hauptsatz der Thermodynamik und Eulergleichung wj = cp · Tt,j = u · cu kann
gezeigt werden, dass das Tt,j direkten Einfluss auf die Dralländerung cu der Stufe hat,
mit der Folge, dass die letzten Stufen ein geringeres Tt,j bei der Auslegung bekommen.
Mit den bisherigen Festlegungen ist es nun leicht, die Strömungswinkel der einzelnen
Stufen im Mittenschnitt – beim Radius rE = rM – zu berechnen. Über das Radiale Gleichge-
wicht (vgl. Kap. 8.4.1.1, das dortige Beispiel 8.9 und Abb. 8.107) kann dann die Verteilung
der Strömungswinkel zwischen Nabe und Gehäuse ermittelt und daraus schließlich die
gesamte Schaufel- und Profilform abgeleitet werden. Bei der Berechnung der Strömungs-
winkel sollen zwei grundlegende Fälle unterschieden werden: drallfreie und drallbehaftete
Zuströmung zum Laufrad. Der erste Fall ist typisch für die erste Stufe und der zweite eher
für alle anderen Stufen eines Axialverdichters. Für die nächsten Betrachtungen wird –
wie bisher auch – weiter von Normalstufen mit cax = const im gesamten Verdichter aus-
gegangen. Abbildung 10.12 zeigt die Geschwindigkeitsdreiecke von zwei entsprechenden
Verdichterstufen, von denen die erste ohne und die zweite mit Drall angeströmt wird.
Ist Tt,j vorgegeben und sind zudem im Mittenschnitt die Umfangsgeschwindigkeit
uM und das Verzögerungsverhältnis (v2 /v1 )M nach de Haller Kriterium festgelegt wor-
1046 10 Verdichter
1. Stufe 2. Stufe
Rotor Stator Rotor Stator
(I) (II) (III)= (I) (II) (III)
vII
den, so liegen zum einen – entsprechend Gl. (10.52) – auch die Durchflusskenngröße
ϕ = cax /u und zum anderen – wegen ψh, j = cp · Tt,j /u2 – auch die Enthalpiekenngröße
fest. Als weiterer Parameter verbleibt also noch der Reaktionsgrad ρh . Aus Gl. (8.111) und
der Eulergleichung ergibt sich mit ψh = w/u2 = cu /u der folgende Ausdruck für den
Reaktionsgrad:
ψh c1u
ρh = 1 − − (10.59)
2 u
ψh
ρh + =1 (10.60)
2
ϕ
βI = 180◦ − arctan (ϕ) βII = 180◦ − arctan (10.61)
1 − ψh
10.3 Auslegungsgesichtspunkte für Axialverdichter 1047
ϕ
αI = 90◦ αII = arctan (10.62)
ψh
u·ϕ u·ϕ
vI = vII = (10.63)
sin βI sin βII
u·ϕ
cI = u · ϕ cII = (10.64)
sin αII
Die verwendeten Indizes beziehen sich auf die Darstellung in Abb. 10.12. Die Größen in
der Rotorzuströmung haben den Index „I“ und die in der Rotorabströmung den Index
„II“. Die Leitradzuströmung hat dann ebenfalls den Index „II“ und die Leitradabströmung
schließlich den Index „III“. Der Abströmwinkel αIII und die Geschwindigkeit cIII aus
dem Leitrad der ersten Stufe ergeben sich als αI und cI aus der Auslegungsrechnung der
nachfolgenden Stufe, vgl. Abb. 10.12. Zur Kontrolle wird für jede Stufe das de Haller
Kriterium in Lauf- und Leitrad geprüft, ebenso wie der Reaktionsgrad. Im Mittenschnitt
sollte bei Axialverdichtern der Reaktionsgrad etwa zwischen 0.8 und 0.9 liegen. Da der
Reaktionsgrad zur Nabe hin abfällt und zum Gehäuse hin ansteigt, kann so sichergestellt
werden, dass der Reaktionsgrad über die gesamte Schaufelhöhe in einem Bereich zwischen
0.5 und 1.0 bleibt. Triebwerksverdichter haben am Eintritt häufig kleine Nabenverhältnisse,
um den Stirnflächenquerschnitt klein zu halten, und demzufolge lange Schaufeln in den
ersten Stufen. Dieses erfordert im Mittenschnitt vergleichsweise hohe Reaktionsgrade, da
ρh zur Nabe hin abnimmt, und vermieden werden muss, dass an der Nabe ρh < 1 wird. In
Kap. 10.3.5 wird auf dieses alles noch tiefer eingegangen werden.
Hinsichtlich des de Haller Kriteriums ist zu beachten, dass im Mittenschnitt Werte
gewählt werden sollten, die deutlich größer als der Grenzwert 0.7 sind, da bei Laufrädern
das entscheidende Verhältnis vII /vI zum Gehäuse hin immer kritischer ausfällt und bei
Leiträdern das entscheidende Verhältnis cIII /cII zur Nabe hin immer kritischer wird.
vII sin βI
= ≈ 0.78 . . . 0.8
vI M sin βII
im jeweiligen Mittenschnitt (10.65)
cIII sin αII
= ≈ 0.78 . . . 0.8
cII M sin αIII
dass dann die relativen Machzahlen klein ausfallen und transsonische Stufen ausgeschlos-
sen werden. Hohe Reaktionsgrade verringern die aerodynamische Belastung der Leiträder,
was dafür sorgt, dass sich hier bevorzugt Staub, Schmutz und Salz ablagern können und so
der gesamte Verdichter und die nachfolgenden Bauteile weniger sensitiv gegenüber Ver-
schmutzung sind. In höher belasteten Leiträdern würden der Schmutz durch die hohen
Geschwindigkeiten weggetragen werden.
Mittels der Gln. (8.125) bis (8.128) lassen sich so alle Strömungswinkel und mittels der
Gln. (8.129) bis (8.132) auch alle Geschwindigkeiten im Absolut- und Relativsystem leicht
berechnen:
◦ ϕ ◦ ϕ
βI = 180 − arctan βII = 180 − arctan (10.66)
ρh + ψh /2 ρh − ψh /2
ϕ ϕ
αI = arctan αII = arctan (10.67)
1 − ρh − ψh /2 1 − ρh + ψh /2
u·ϕ u·ϕ
vI = vII = (10.68)
sin βI sin βII
u·ϕ u·ϕ
cI = cII = (10.69)
sin αI sin αII
Wichtig ist es jetzt, über Gl. (10.65) auf jeden Fall das de Haller Kriterium zu prüfen. Ist
dieses im Mittenschnitt nicht erfüllt, oder nahe beim Grenzwert 0.7, so sollte das Tt,j für
die jeweilige Stufe angehoben werden. Für die hier dargestellte vereinfachte Form einer
Axialverdichterauslegung sind (vII /vI )M = 0.78 . . . 0.8 praktikable Werte. Wird für eine
Verdichterstufe ρh = 1 − ψh /2 nach Gl. (10.59) gewählt, so ist sofort c1u = 0 und es ergibt
sich eine Stufe mit drallfreier Zuströmung.
Beispiel 10.3
Axialverdichter-Vorauslegung (Teil II). Ausgehend von den Daten des vorhergehen-
den Beispiels 10.2 sollen nun im Mittenschnitt des dort beschriebenen Axialverdichters
alle Strömungswinkel und Strömungsgeschwindigkeiten im Absolut- und Relativsy-
stem aller Stufen im Nieder- und Hochdruckverdichter berechnet werden. Außerdem
sind die durchströmten Querschnitte vor dem Laufrad AI , zwischen Lauf- und Leitrad
AII und hinter dem Leitrad AIII jeder einzelnen Stufe zu berechnen, ebenso wie
die zugehörigen Naben- und Gehäuseradien und die zugehörigen Nabenverhältnis-
se. Aus den Daten des Beispiels 10.3 kann der Reaktionsgrad der ersten NDV-Stufe zu
ρh = 1 − (ψh /2) = 1 − (0.15181/2) = 0.924095 berechnet werden. Der Reaktionsgrad
der 2. Stufe soll ρh = 0.81320372 und der der 3. Stufe und aller weiteren NDV-Stufen
ρh = 0.715619 sein. Die letzte, d. h. die 7 Stufe des NDV soll eine drallfreie Abströmung
haben. Die 2. bis 6. NDV-Stufe sind alle jeweils Repetierstufen. Der Hochdruckverdich-
ter wird drallfrei angeströmt und drallfrei abgeströmt. Alle HDV-Stufen sind Repetier-
stufen mit einem Reaktionsgrad von ρh = 1 − (ψh /2) = 1 − (0.290696/2) = 0.854652.
10.3 Auslegungsgesichtspunkte für Axialverdichter 1049
ϕ 0.58211
αII = arctan = arctan = 75.383◦
ψh 0.15181
βI = 180◦ − arctan (ϕ) = 180◦ − arctan (0.58211) = 149.796◦
ϕ 0.58211
βII = 180◦ − arctan = 180◦ − arctan = 145.538◦
1 − ψh 1 − 0.15181
uM · ϕ 309.031 · 0.58211
vI = = = 357.576 m/s
sin βI sin 149.796◦
uM · ϕ 309.031 · 0.58211
vII = = = 317.908 m/s
sin βII sin 145.538◦
uM · ϕ 309.031 · 0.58211
cI = = = 179.89 m/s
sin αI sin 90◦
uM · ϕ 263.25 · 0.58211
cII = = = 185.907 m/s
sin αII sin 75.383◦
vII 317.908
= = 0.889 de Haller Kriterium ist erfüllt
vI 357.576
√ 1 · κ+1
TtI 1 Ri κ −1 2 κ−1
AI = ṁ · · · · 1+ · MacI
2
ptI MacI κ 2
√ 3
305 1 287 0.4
AI = 186 · · · · 1+ · 0.5282 = 1.012451 m2
102 382 0.528 1.4 2
cII2 185.9067542
TII = (TtI + Tt,j=1 ) − = (305 + 14.432983) − = 302.22974 K
2 · cp 2 · 1 004.5
cII 185.906754
MacII = √ =√ = 0.5334842
κ · Ri · TII 1.4 · 287 · 302.22974
1 · κ+1
TtI + Tt,j=1 1 Ri κ −1 2 κ−1
AII = ṁ · · ◦
· · 1+ · MacII
2
ζ · ptI · πNDV ,j=1 MacII · cos (90 − αII ) κ 2
√
319.433 1 287 3
AII = 186 · · ◦
· · [1 + 0.2 · 0.53348422 ]
123 703.8 0.53348 · cos (90 − 75.383) 1.4
AII = 0.880017 m2
AI 1.012451
rI,N = rM −
2
= 0.4540112 − = 0.212108 m2
2·π 2·π
AI 1.012451
rI,G = rM +
2
= 0.4540112 + = 0.606022 m2
2·π 2·π
1050 10 Verdichter
rI,N 0.212108
νI = = = 0.3500
rI,G 0.606022
AII 0.880017
rII,N = rM − 2
= 0.4540112 − = 0.257035 m2
2·π 2·π
AII 0.880017
rII,G = rM + 2
= 0.4540112 + = 0.588375 m2
2·π 2·π
rII,N 0.257035
νII = = = 0.436856
rII,G 0.588375
Die Ergebnisse für die Ebene III werden am Ende der Berechnung der 2. Stufe ermittelt,
da die Eintrittsdaten der 2. Stufe identisch mit den Austrittsdaten der 1. Stufe sind.
Berechnung der 2. Stufe
ϕ 0.58211
αI = arctan = arctan = 79.214◦
1 − ρh − ψh /2 1 − 0.813203 − 0.15181/2
ϕ 0.58211
αII = arctan = arctan = 65.711◦
1 − ρh + ψh /2 1 − 0.813203 + 0.15181/2
◦ ϕ ◦ 0.58211
βI = 180 − arctan = 180 −arctan = 146.787◦
ρh +ψh /2 0.813203 + 0.15181/2
ϕ 0.58211
βII = 180◦ −arctan = 180◦ − arctan = 141.708◦
ρh − ψh /2 0.813203 − 0.15181/2
uM · ϕ 309.031 · 0.58211
vI = = = 328.412 m/s
sin βI sin 146.787◦
uM · ϕ 309.031 · 0.58211
vII = = = 290.302 m/s
sin βII sin 141.708◦
uM · ϕ 309.031 · 0.58211
cI = = = 183.125 m/s
sin αI sin 79.214◦
uM · ϕ 309.031 · 0.58211
cII = = = 197.36 m/s
sin αII sin 65.711◦
vII 290.302
= = 0.883955 de Haller Kriterium ist erfüllt
vI 328.412
√ 1 · κ+1
TtI 1 Ri κ −1 2 κ−1
AI = ṁ · · · · 1+ · MacI
2
ptI MacI κ 2
√ 3
319.433 1 287 0.4
AI = 186 · · · · 1+ · 0.5250582 = 0.912821 m2
118 755.656 0.525058 1.4 2
c2 197.362
TII = TtI + Tt,j=1 − II = (319.433 + 14.432983) − = 314.4777 K
2 · cp 2 · 1 004.5
10.3 Auslegungsgesichtspunkte für Axialverdichter 1051
cII 197.360245
MacII = √ =√ = 0.555213
κ · Ri · TII 1.4 · 287 · 314.4777
1 · κ+1
TtI + Tt,j=1 1 Ri κ −1 2 κ−1
AII = ṁ · · ◦
· · 1+ · MacII
2
ζ · ptI · πNDV ,j=1 MacII · cos (90 − αII ) κ 2
√
333.866 1 287 3
AII = 186 · · · · 1 + 0.2 · 0.5552132
142 547.9 0.555213 · cos (90◦ − 65.7107) 1.4
AII = 0.807151 m2
AI 0.912821
rI,N = 2
rM − = 0.4540112 − = 0.24667 m2
2·π 2·π
AI 0.912821
rI,G = 2
rM + = 0.4540112 + = 0.592795 m2
2·π 2·π
rI,N 0.24667
νI = = = 0.416114
rI,G 0.592795
AII 0.807151
rII,N = rM −2
= 0.4540112 − = 0.278683 m2
2·π 2·π
AII 0.807151
rII,G = rM +2
= 0.4540112 + = 0.578436 m2
2·π 2·π
rII,N 0.278683
νII = = = 0.481787
rII,G 0.578436
cIII = cI = 183.1249 m/s Das cIII der 1. Stufe ist gleich dem cI der 2. Stufe)
αIII = αI = 79.2144◦ Das αIII der 1. Stufe ist gleich dem αI der 2. Stufe)
cIII /cII = 183.1249/185.906754 = 0.927871
Verzögerungsverhältnis nach de Haller im Leitrad der 1. Stufe
Außerdem gilt für die 1. Stufe:
TtIII = TtI , TIII = TI , ptIII = ptI , MacIII = MacI , AIII = AI u.s.w.
Entsprechend des bisherigen Rechnungsganges können nun auch die weiteren Stufen
des Nieder- und Hochdruckverdichters berechnet werden. Die nachfolgende Tabelle ist
eine Zusammenfassung aller auf diese Art und Weise ermittelten Daten in den diversen
Stufen des NDV und HDV:
1052 10 Verdichter
NDV/Stufe 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
ρh 0.9241 0.8132 0.7156 0.7156 0.7156 0.8132 0.9241
cI [m/s] 179.8899 183.1249 191.0786 191.0786 191.0786 183.1249 179.8899
cII [m/s] 185.9068 197.3602 197.3602 197.3602 211.5583 197.3602 185.9068
cIII [m/s] 183.1249 191.0786 191.0786 191.0786 183.1249 179.8899 179.8899
cIII /cII 0.9279 0.9032 0.9032 0.9032 0.9279 0.9676 0.9676
vI [m/s] 357.5760 328.4123 303.6318 303.6318 303.6318 328.4123 357.5760
vII [m/s] 317.9082 290.3018 267.2869 267.2869 267.2869 290.3018 317.9082
vII /vI 0.8891 0.8840 0.8803 0.8803 0.8803 0.8840 0.8891
αI [◦ ] 90.0000 79.2144 70.2956 70.2956 70.2956 79.2144 90.0000
◦
αII [ ] 75.3832 65.7107 58.2453 58.2453 58.2453 65.7107 75.3832
αIII [◦ ] 79.2144 70.2956 70.2956 70.2956 79.2144 90.0000 90.0000
βI [◦ ] 149.7959 146.7868 143.6682 143.6682 143.6682 146.7868 149.7959
βII [◦ ] 145.5383 141.7083 137.6993 137.6993 137.6993 141.7083 145.5383
ptI [Pa] 102.382.0 118.755.7 136.846.0 156.746.8 178.552.8 202.359.6 228.263.3
ptII [Pa] 123.703.8 142.547.9 163.277.9 185.992.5 210.791.2 237.774.3 267.042.7
ptIII [Pa] 118.755.6 136.846.0 156.746.8 178.552.8 202.359.6 228.263.3 256.361.0
TtI [K] 305.0000 319.4330 333.8660 348.2990 362.7319 377.1649 391.5979
TtII [K] 319.4330 333.8660 348.2990 362.7319 377.1649 391.5979 406.0309
TtIII [K] 319.4330 333.8660 348.2990 362.7319 377.1649 391.5979 406.0309
TI [K] 288.8923 302.7407 315.6922 330.1252 344.5582 360.4727 375.4902
TII [K] 302.2297 314.4777 326.0208 340.4537 354.8867 372.2096 388.8276
TIII [K] 302.7407 315.6922 330.1252 344.5582 360.4727 375.4902 389.9232
MacI 0.5280 0.5251 0.5365 0.5246 0.5135 0.4812 0.4631
MacII 0.5335 0.555 0.5845 0.5720 0.5602 0.5103 0.4703
MacIII 0.5251 0.5365 0.5246 0.5135 0.4812 0.4631 0.4545
AI [m2 ] 1.0125 0.9128 0.5246 0.7539 0.6855 0.6194 0.5655
AII [m2 ] 0.8800 0.8072 0.7468 0.6781 0.6183 0.5549 0.5028
2
AIII [m ] 0.9128 0.8327 0.7539 0.6855 0.6194 0.5655 0.5200
rI,N [m] 0.2121 0.2467 0.2713 0.2935 0.3115 0.3280 0.3408
rI,G [m] 0.6060 0.5928 0.5819 0.5711 0.5615 0.5520 0.5442
rII,N [m] 0.2570 0.2787 0.2954 0.3134 0.3282 0.3432 0.3551
rII,G [m] 0.5884 0.5784 0.5701 0.5604 0.5518 0.5426 0.5349
rIII,N [m] 0.2467 0.2713 0.2935 0.3115 0.3280 0.3408 0.3512
rIII,G [m] 0.5928 0.5819 0.5711 0.5615 0.5520 0.5442 0.5375
νI 0.3500 0.4161 0.4662 0.5139 0.5548 0.5941 0.6262
νII 0.4369 0.4818 0.5182 0.5592 0.5948 0.6326 0.6639
νIII 0.4161 0.4662 0.5139 0.5548 0.5941 0.6262 0.6535
10.3 Auslegungsgesichtspunkte für Axialverdichter 1053
HDV/Stufe 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
ρh 0.8557 0.8557 0.8557 0.8557 0.8557 0.8557 0.8557
cI [m/s] 179.8899 179.8899 179.8899 179.8899 179.8899 179.8899 179.8899
cII [m/s] 214.6258 214.6258 214.6258 214.6258 214.6258 214.6258 214.6258
cIII [m/s] 179.8899 179.8899 179.8899 179.8899 179.8899 179.8899 179.8899
cIII /cII 0.8382 0.8382 0.8382 0.8382 0.8382 0.8382 0.8382
vI [m/s] 443.6746 443.6746 443.6746 443.6746 443.6746 443.6746 443.6746
vII [m/s] 339.9945 339.9945 339.9945 339.9945 339.9945 339.9945 339.9945
vII /vI 0.7663 0.7663 0.7663 0.7663 0.7663 0.7663 0.7663
αI [◦ ] 90.0000 90.0000 90.0000 90.0000 90.0000 90.0000 90.0000
◦
αII [ ] 56.9459 56.9459 56.9459 56.9459 56.9459 56.9459 56.9459
αIII [◦ ] 90.0000 90.0000 90.0000 90.0000 90.0000 90.0000 90.0000
βI [◦ ] 156.0804 156.0804 156.0804 156.0804 156.0804 156.0804 156.0804
βII [◦ ] 148.0556 148.0556 148.0556 148.0556 148.0556 148.0556 148.0556
ptI [Pa] 255.955.0 358.754.3 486.166.9 640.898.9 825.667.8 1.043.202.2 1.296.240.2
ptII [Pa] 373.702.4 506.423.9 667.603.0 860.070.6 1.086.669.0 1.350.250.2 1.653.676.8
ptIII [Pa] 358.754.3 486.166.9 640.898.9 825.667.8 1.043.202.2 1.296.240.2 1.587.529.6
TtI [K] 406.0308 453.2955 500.5602 547.8249 595.0896 642.3543 689.6190
TtII [K] 453.2955 500.5602 547.8249 595.0896 642.3543 689.6190 736.8837
TtIII [K] 453.2955 500.5602 547.8249 595.0896 642.3543 689.6190 736.8837
TI [K] 389.9231 437.1878 484.4525 531.7172 578.9819 626.2466 673.5113
TII [K] 430.3666 477.6312 524.8959 572.1606 619.4254 666.6901 713.9548
TIII [K] 437.1878 484.4525 531.7172 578.9819 626.2466 673.5113 720.7760
MacI 0.4545 0.4292 0.4077 0.3892 0.3730 0.3586 0.3458
MacII 0.5161 0.4899 0.4673 0.4476 0.4302 0.4147 0.4007
MacIII 0.4292 0.4077 0.3892 0.3730 0.3586 0.3458 0.3343
AI [m2 ] 0.5209 0.4104 0.3316 0.2733 0.2291 0.1947 0.1675
AII [m2 ] 0.4098 0.3298 0.2710 0.2265 0.1921 0.1649 0.1431
2
AIII [m ] 0.4104 0.3316 0.2733 0.2291 0.1947 0.1675 0.1456
rI, N [m] 0.3510 0.3752 0.3916 0.4033 0.4119 0.4185 0.4236
rI, G [m] 0.5376 0.5210 0.5088 0.4996 0.4925 0.4869 0.4825
rII, N [m] 0.3754 0.3920 0.4037 0.4124 0.4190 0.4241 0.4282
rII, G [m] 0.5209 0.5085 0.4993 0.4921 0.4865 0.4821 0.4784
rIII, N [m] 0.3752 0.3916 0.4033 0.4119 0.4185 0.4236 0.4277
rIII, G [m] 0.5210 0.5088 0.4996 0.4925 0.4869 0.4825 0.4788
νI 0.6530 0.7202 0.7696 0.8072 0.8363 0.8594 0.8781
νII 0.7206 0.7708 0.8087 0.8380 0.8612 0.8798 0.8950
νIII 0.7202 0.7696 0.8072 0.8363 0.8594 0.8781 0.8933
1054 10 Verdichter
In Kap. 8.4.1.1 wurde für eine Turbine die räumliche Schaufelgestaltung mittels des Radia-
len Gleichgewichts und des Potenzialwirbelgesetzes (Free Vortex) beschrieben und anhand
eines einfachen Beispiels (Beispiel 8.9) berechnet. In Axialverdichtern kommt das Poten-
zialwirbelgesetz (Free Vortex) u. U. in den mittleren und letzten Stufen zur Anwendung
(vgl. Kap. 8.4.1.2). In den vorderen Stufen wird eher das Festkörperwirbelgesetz (Solid
Body) verwendet, weil damit in den äußeren Schnitten der vorderen Laufräder das Auftre-
ten hoher Geschwindigkeiten besser zu beherrschen ist. Die allererste Stufe, die über der
gesamten Schaufelhöhe axial angeströmt wird, kann u. U. nach dem Gesetz konstanten
Dralls (Exponential) behandelt werden. Eine Auslegung nach konstantem Drall führt zu
einer deutlichen Änderung der Axialgeschwindigkeitskomponente cax sowohl in Radial-
als auch in Axialrichtung.
b b r
cIu = a · R − cIIu = a · R + mit R := (10.70)
R R rM
Des Weiteren wird die Gleichung des Einfachen Radialen Gleichgewichts (8.304) in der
folgenden Form benötigt:
cu2
0 = cax · dcax + cu · dcu + · dR (10.71)
R
Diese Gleichung wird nun vom dimensionslosen Mittenschnittradius R = r/rM = 1 bis zu
einem beliebigen dimensionslosen Radius R = r/rM integriert, und zwar zweimal, nämlich
einmal im Eintritt (I) und einmal im Austritt (II) des Laufrades. Für den Laufradaustritt
(II) ergibt sich dann:
R
R
R 2
cIIu
− cIIax dcIIax = cIIu dcIIu + dR (10.72)
R
1 1 1
b dcIIu b b
cIIu = a · R + ⇒ =a− 2 ⇒ dcIIu = a − 2 · dR
R dR R R
b2 2
cIIu 2·a·b b2
2
cIIu = a2 · R 2 + 2 · a · b + 2 ⇒ = a2 · R + + 3
R R R R
2
b b b
cIIu · dcIIu = a · R + · a − 2 · dR = a2 · R − 3 · dR
R R R
10.3 Auslegungsgesichtspunkte für Axialverdichter 1055
R
1 2 b2 2·a·b b2
− · cIIax − cIIax,M
2
= a2 · R − + a2 · R + + 3 · dR
2 R3 R R
1
1 2 a·b
− · cIIax − cIIax,M
2
=2· a ·R+
2
· dR (10.73)
2 R
1
Analog zur zuvor beschriebenen Vorgehensweise ergibt sich für den Laufradeintritt das
folgende Ergebnis:
2
cIax − cIax,M
2
= −2 · [a2 · R2 − 2 · a · b · ln (R) − a2 ] (10.75)
2·b
cIIu − cIu = cIIu + cIu = 2 · a · R (10.77)
R
2
cIIax − cIax
2
= −8 · a · b · ln (R) (10.78)
Das Einsetzen der Gln. (10.77) und (10.78) in die Gl. (10.76) führt auf die Beziehung:
a·R
ρh = 1 + · [2 · ln (R) − 1] (10.79)
u
Wegen u/r = uM /rM ergibt sich uM = u (rM /r) = u/R. Aus Gl. (10.79) wird damit:
a
ρh = 1 + · [2 · ln (R) − 1] (10.80)
uM
1056 10 Verdichter
a = uM · (1 − ρhM ) (10.82)
Der dimensionslose Radius R in diesem Ausdruck kann wie folgt ersetzt werden:
r r rM rM R rN2 + rG2 1 + ν2
= · =R· = · =R·
rG rM rG rG rG 2 2
r r 2
R= = · (10.84)
rM rG 1 + ν2
Hierin ist ν = rN /rG das Nabenverhältnis und r ein veränderlicher Radius, der zwischen
dem Nabenradius rN und dem Gehäuseradius rG variieren kann:
r 2
ρh = 1 + (1 − ρhM ) · 2 · ln · −1 (10.85)
rG 1 + ν2
Für verschiedene, im Mittenschnitt vorgegebene Werte ρhM = const kann mit dieser Glei-
chung die Variation des Reaktionsgrades ρh längs des Radius r berechnet werden. Ist ν
vorgegeben, so variiert r zwischen rN ≤ r ≤ rG . Abbildung 10.13 zeigt das Ergebnis der
Auswertung von Gl. (10.85) für typische Mittenschnitt-Reaktionsgrade von Verdichtern.
Es wird klar, dass bei kleinen Nabenverhältnissen r/rG = rN /rG der Reaktionsgrad im
Mittenschnitt ρhM größer ausfallen muss als bei großen Nabenverhältnissen, um so sicher-
zustellen, dass an der Nabe keine Werte ρh < 0 auftreten können. Sind ρhM und ν gegeben,
so kann das Radienverhältnis r/rG berechnet werden, bei dem gerade ρh = 0 an der Nabe
vorliegt:
ρh
r 1 + ν 2 − 12 · 1−ρMh
= ·e M (10.86)
rG ρh =0 2
Nabe
1.0
0.99
ρh
0.95
0.8 0.9
0.8
0.6
0.7
ρ hM = 0.5
0.6
0.4 ρ h = 0.5
rM=rE=0.74917
rN
M
ν= = 0.35
rG
0.2
0.0
r
0.35 0.48 0.61 0.74 0.87 1.00
rG
rN rG
2·a·b b2 2
cIIu a2 2·a·b b2
2
cIIu = a2 + + 2 ⇒ = + +
R R R R R2 R3
2
a·b b
cIIu · dcIIu = − 2 − 3 · dR
R R
R
1 2 a·b b2 a2 2·a·b b2
− · cIIax − cIIax,M
2
= − 2
− 3 + + + 3 · dR
2 R R R R2 R
1
1 2 a2 a·b
− · cIIax − cIIax,M
2
= + 2 · dR (10.90)
2 R R
1
Analog zur zuvor beschriebenen Vorgehensweise ergibt sich für den Laufradeintritt das
folgende Ergebnis:
a·b
cIax − cIax,M = −2 · a ln (R) − a · b +
2 2 2
(10.92)
R
2·b
cIIu − cIu = cIIu + cIu = 2 · a (10.94)
R
1
2
cIIax − cIax
2
=4·a·b· −1 (10.95)
R
10.3 Auslegungsgesichtspunkte für Axialverdichter 1059
Das Einsetzen der Gln. (10.94) und (10.95) in die Gl. (10.93) führt auf die Beziehung:
a
ρh = 1 + · [R − 2] (10.96)
u
Wegen u/r = uM /rM ergibt sich uM = u (rM /r) = u/R. Aus Gl. (10.96) wird damit:
a 2
ρh = 1 + · 1− (10.97)
uM R
Im Mittenschnitt, wo R = r/rM = 1 gilt, nimmt die Größe a den folgenden Wert an:
a = uM · (1 − ρhM ) (10.99)
Der dimensionslose Radius R in diesem Ausdruck kann wie folgt ersetzt werden:
r r rM rM R rN2 + rG2 1 + ν2
= · =R· = · =R·
rG rM rG rG rG 2 2
r r 2
R= = · (10.101)
rM rG 1 + ν2
Hierin ist ν = rN /rG das Nabenverhältnis und r ein veränderlicher Radius, der zwischen
dem Nabenradius rN und dem Gehäuseradius rG variieren kann:
+
rG
ρ h = 1 + 1 − ρ hM · 1 − · 2 · 1 + ν2 (10.102)
r
Für verschiedene, im Mittenschnitt vorgegebene ρhM = const kann mit dieser Gleichung
die Variation des Reaktionsgrades ρh längs des Radius r berechnet werden. Ist ν vorgege-
ben, so variiert r zwischen rN ≤ r ≤ rG . Abbildung 10.14 zeigt das Ergebnis der Auswertung
von Gl. (10.102) für typische Mittenschnitt-Reaktionsgrade von Verdichtern. Es wird klar,
dass bei kleinen Nabenverhältnissen r/rG = rN /rG der Reaktionsgrad im Mittenschnitt
ρhM größer ausfallen muss als bei großen Nabenverhältnissen, um so sicherzustellen, dass
an der Nabe keine Werte ρh < 0 auftreten können. Sind ρhM und ν gegeben, so kann das
Radienverhältnis r/rG berechnet werden, bei dem gerade ρh = 0 an der Nabe vorliegt:
r 1 − ρ hM
= . 2 · (1 + ν 2 ) (10.103)
rG ρhNabe =0 2 − ρ hM
1060 10 Verdichter
1.0
0.99
ρh
0.95
0.8 0.9
0.8
0.6
0.7 ρhM = 0.5
0.6
0.4
rM=rE=0.74917
ρhM = 0.5 ν=
rN
= 0.35
rG
0.2
0.0
r
0.35 0.48 0.61 0.74 0.87 1.00
rG
rN rG
r/rG < ν = rN /rG , so muss der Reaktionsgrad im Mittenschnitt ρhM angehoben werden. Die-
ses wäre z. B. in Abb. 10.14 für den Fall ρhM = 0.5 gegeben, wo zur Nabe hin ρh negative
Werte annimmt. Negative Reaktionsgrade bedeuten dann lokale Rückströmungsgebie-
te im betreffenden Schaufelbereich. Ein Anheben des Reaktionsgrades im Mittenschnitt
auf ρhM > 0.7 beseitigt diese unerwünschte Eigenschaft. Ein Vergleich der Abb. 10.13
und 10.14 zeigt, dass beim Konstantdrallgesetz im Mittenschnitt generell höhere Reak-
tionsgrade zu wählen sind als beim Festkörperwirbelgesetz, um so schließlich negative
Reaktionsgrade im Nabenschnittbereich auszuschließen.
Beispiel 10.4
Axialverdichter-Vorauslegung (Teil III). Ausgehend von den Eingabedaten und den
berechneten Ergebnissen der beiden vorhergehenden Beispiele 10.2 und 10.3 sollen
nun für jede Stufe die radialen Verteilungen der Strömungsgeschwindigkeiten und
Strömungswinkel berechnet werden. Dazu sollen die ersten drei Stufen des Nieder-
druckverdichters nach dem Konstantdrallgesetz behandelt werden, wobei aber die
allererste Niederdruckverdichterstufe über der gesamten Schaufelhöhe drallfrei zu-
geströmt wird. Alle weiteren Stufen des Niederdruckverdichters und auch die des
Hochdruckverdichters sollen dann nach dem Festkörperwirbelgesetz behandelt werden.
Wie auch schon im vorhergehenden Beispiel erläutert, so ergeben sich die abso-
luten Austrittsgrößen am Ende einer Stufe (hinter dem Leitrad) aus den absoluten
10.3 Auslegungsgesichtspunkte für Axialverdichter 1061
cIax cIIax
αI = arctan αII = arctan
cIu cIIu
u − c Iu u − cIIu
βI = 90◦ + arctan βII = 90◦ + arctan
cIax cIIax
cI = cIu
2
+ cIax
2
cII = cIIu
2
+ cIIax
2
+ +
vI = (u − cIu )2 + cIax
2
vII = (u − cIIu )2 + cIIax
2
ρh = 1 + [2 · ln (RX ) − 1] · [1 − ρhM ]
j r R = r/r M ρh cu cax c v α β
[m] [m/s] [m/s] [m/s] [m/s] [◦ ] [◦ ]
1 0.2121 0.4672 0.3871 0.00 179.89 179.89 230.66 90.00 128.75
2 0.2479 0.5461 0.5026 0.00 179.89 179.89 246.65 90.00 133.17
3 0.2837 0.6249 0.5890 0.00 179.89 179.89 263.93 90.00 137.03
4 0.3195 0.7038 0.6560 0.00 179.89 179.89 282.25 90.00 140.41
5 0.3553 0.7827 0.7095 0.00 179.89 179.89 301.44 90.00 143.36
6 0.3912 0.8616 0.7532 0.00 179.89 179.89 321.32 90.00 145.96
7 0.4270 0.9404 0.7895 0.00 179.89 179.89 341.79 90.00 148.24
8 0.4540 1.0000 0.8132 0.00 179.89 179.89 357.58 90.00 149.80
9 0.4986 1.0982 0.8466 0.00 179.89 179.89 384.10 90.00 152.07
10 0.5344 1.1771 0.8694 0.00 179.89 179.89 405.80 90.00 153.69
11 0.5702 1.2559 0.8893 0.00 179.89 179.89 427.79 90.00 155.13
12 0.6060 1.3348 0.9069 0.00 179.89 179.89 450.02 90.00 156.44
j r R = r/r M ρh cu cax c v α β
[m] [m/s] [m/s] [m/s] [m/s] [◦ ] [◦ ]
1 0.2467 0.5433 0.2375 14.55 184.80 185.37 240.14 85.50 129.69
2 0.2781 0.6126 0.3560 19.44 184.16 185.18 250.55 83.98 132.69
3 0.3096 0.6819 0.4503 23.33 183.44 184.91 262.24 82.75 135.61
4 0.3411 0.7512 0.5273 26.50 182.67 184.59 275.07 81.75 138.39
5 0.3725 0.8205 0.5912 29.14 181.90 184.22 288.89 80.90 140.98
6 0.4040 0.8898 0.6452 31.37 181.12 183.81 303.57 80.18 143.37
7 0.4355 0.9592 0.6914 33.27 180.34 183.38 319.01 79.55 145.58
8 0.4540 1.0000 0.7156 34.27 179.89 183.12 328.41 79.21 146.79
9 0.4984 1.0978 0.7663 36.36 178.83 182.49 351.74 78.51 149.44
10 0.5299 1.1671 0.7970 37.63 178.10 182.03 368.88 78.07 151.13
11 0.5613 1.2364 0.8244 38.75 177.38 181.57 386.44 77.68 152.68
12 0.5928 1.3057 0.8488 39.76 176.68 181.10 404.38 77.32 154.09
1064 10 Verdichter
j r R = r/r M ρh cu cax c v α β
[m] [m/s] [m/s] [m/s] [m/s] [◦ ] [◦ ]
1 0.2713 0.5975 0.3325 48.63 193.75 199.76 236.73 75.91 125.07
2 0.2995 0.6597 0.4223 52.33 191.46 198.49 244.19 74.71 128.36
3 0.3278 0.7219 0.4966 55.39 189.22 197.16 252.85 73.68 131.55
4 0.3560 0.7841 0.5590 57.97 187.03 195.81 262.69 72.78 134.59
5 0.3843 0.8463 0.6124 60.17 184.90 194.44 273.39 71.98 137.44
6 0.4125 0.9086 0.6584 62.06 182.83 193.08 285.06 71.25 140.11
7 0.4540 1.0000 0.7156 64.43 179.89 191.08 303.63 70.30 143.67
8 0.4690 1.0330 0.7338 65.17 178.86 190.37 310.69 69.98 144.85
9 0.4972 1.0952 0.7650 66.46 176.96 189.03 324.48 69.41 146.95
10 0.5255 1.1574 0.7930 67.62 175.11 187.71 338.81 68.89 148.88
11 0.5537 1.2196 0.8180 68.65 173.31 186.41 353.62 68.39 150.65
12 0.5819 1.2818 0.8407 69.58 171.56 185.13 368.85 67.92 152.28
Abbildung 10.15 zeigt skizzenhaft, wie die zugehörige Beschaufelung der 3. Stufe in
Lauf- und Leitrad aussehen könnte, wenn die jeweilige Schaufelprofilform an dieser
Stelle bekannt wäre. Die Neigung (Staffelungswinkel) der Schaufeln resultiert aus den
jeweils berechneten Strömungswinkeln. Beim Laufrad sind es die Winkel βI und βII und
beim Leitrad sind es die Winkel αII und αIII . An der Nabe sind die Axialgeschwindigkei-
ten am größten und am Gehäuse am kleinsten. Nur im Mittenschnitt (am Eulerradius
R = r/rM = 1) sind die Axialgeschwindigkeiten in den Bezugsebenen (I), (II) und (III)
uI,G vII,N
vI,N
uII,N
uI,N c III,N
c II,G
c II,N c III,G
c I,G c I,N
Abb. 10.15 Skizze zur radialen Änderung der Strömungsgeschwindigkeiten und Strömungswinkel
zwischen Nabe Index „N“ und Gehäuse Index „G“ nach dem Konstantdrallgesetz (Exponential),
entsprechend der 3. Stufe des in Beispiel 10.4 berechneten Axialverdichters
10.3 Auslegungsgesichtspunkte für Axialverdichter 1067
gleich groß. Im Laufrad ist die größte auftretende Geschwindigkeit die Relativgeschwin-
digkeit vIG im Gehäuseschnitt. Im Leitrad ist es die Absolutgeschwindigkeit cIIN im
Nabenschnitt. Im Gehäuseschnitt des Laufrades ist das Verzögerungsverhältnis vII /vI
kleiner als im Nabenschnitt, d. h., im Gehäuseschnitt wird die Relativgeschwindigkeit
stärker abgebaut als im Nabenschnitt. Im Nabenschnitt des Leitrades ist das Verzöge-
rungsverhältnis cIII /cII kleiner als im Gehäuseschnitt, d. h., hier wird im Nabenschnitt
die Absolutgeschwindigkeit stärker abgebaut als im Gehäuseschnitt.
In den frühen Zeiten Axialverdichter-Entwicklung war es durchaus üblich, sich auf ein be-
stimmtes Verdichterprofil festzulegen, und dieses Profil dann für jede Stufe des Verdichters
einzusetzen. Da unterschiedliche Profile ganz individuelle aerodynamische Eigenschaften
haben und da außerdem jeder einzelnen Stufe in einem mehrstufigen Verdichter eine ganz
individuelle Aufgabe zukommt, führte dies sehr schnell und konsequent zu Weiterent-
wicklungen, bei denen jede Stufe ein ganz individuell zugeschnittenes Profil in der Art
bekam, dass dieses Profil die Aufgaben der jeweiligen Stufe in Abhängigkeit ihrer Position
im Verdichter am besten umsetzen konnte. Daraus ergab sich dann eine weitere tech-
nologische Herausforderung, nämlich das wechselseitige Anpassen der einzelnen Stufen
untereinander (Matching), so dass alle Stufen im Auslegungspunkt des Verdichters bei
ihrem jeweils besten Wirkungsgrad arbeiten. Es zeigte sich aber bald, dass bereits kleinste
Auslegungsfehler bei einer einzelnen Stufe sich derart aufschaukeln konnten, dass ein sol-
cher Verdichter unter Umständen nicht stabil über seinen gesamten Drehzahlbereich zu
betreiben war. Es gab aber auch andere Fälle, bei denen sich solche Kleinstfehler gegenseitig
auslöschten und ein stabiler Verdichterbetrieb schnell gewährleistet werden konnte. Von
daher war noch bis in die 1970-er Jahre hinein die Verdichterentwicklung durch schlichtes
Ausprobieren (Trial and Error) geprägt.
Passend zu den im vorhergehenden Kapitel berechneten Strömungswinkeln, die maß-
geblich für die Leistungsumsetzung einer Stufe sind, können nun die Profilauswahl und
deren geometrische Anordnung erfolgen. Dieses unterliegt zwei Hauptanforderungen:
Bezüglich des ersten Punktes zeigt Abb. 10.16, was dies bedeutet. Da die Strömung die Pro-
file nicht genau in Richtung der Hinterkante verlässt, ist von vornherein – auf der Basis von
empirischen Erfahrungswerten – eine Minderumlenkung (Deviation) mit zu berücksichti-
1068 10 Verdichter
Minderumlenkung vIIG
oder Deviation
vIIM
Gehäuseschnitt vIIN
(Tip Section )
NACA 65-10(04)
β IIN
Mittenschnitt
(Mean Section )
Nabenschnitt Tangenten an den Profil-Skelettlinien
(Hub Section ) in den jeweiligen Profilhinterkanten.
NACA 65-10(08) Dies sind die Abströmrichtungen ohne
Minderumlenkung (Deviation). Sie
vIN werden auch manchmal “Metallwinkel”
βIN genannt.
Abb. 10.16 Beispiel für eine Profilauswahl und Profilanordnung zwischen Nabe und Gehäuse ei-
nes Verdichterlaufrades, sodass die erforderlichen Strömungsumlenkungen β = |βII − βI | in den
verschiedenen Radialschnitten eingehalten werden
0.25
Ma1 = 0.8
ζ 0.6
0.15 Ma1 = 0.8
kleineren Zuströmmachzahlen fällt auf, dass die DCA- und CDA-Profile bei positiven
Inzidenzwinkeln einen vorzeitigeren Verlustanstieg zeigen als bei negativen.
Im Auslegungszustand eines Verdichters sollten die einzelnen Schaufeln also so an-
geordnet sein, dass der jeweilige Inzidenzwinkel, der aus dem Strömungs- und dem
Schaufelkonstruktionswinkel resultiert (Abb. 10.1), beim Verlustminimum liegt. Wobei
der Auslegungszustand zu der Verdichterdrehzahl (Umfangsgeschwindigkeit) gehört, bei
welcher der Verdichter den größten Teil seiner Laufzeit betrieben wird. Abweichungen
vom Auslegungszustand (Teillastbereich), die sich durch Drehzahländerungen ergeben,
führen zu geänderten Inzidenzwinkeln, die schließlich in Bereiche mit stark erhöhten
Verlusten führen können. Bei hohen Verdichterdrehzahlen, d. h., bei hohen Zuström-
machzahlen zum Verdichtergitter, führen bereits geringe Inzidenzwinkeländerungen zu
rapiden Verlustanstiegen (Abb. 10.17) und damit zu erheblichen Wirkungsgradeinbußen.
Im schlechtesten Fall kann hierdurch das Verdichterpumpen, das im nächsten Kapitel
behandelt werden wird, eingeleitet werden.
legung ist es deswegen sehr wichtig, dass ein solcher Strömungsabriss in den vorderen
Stufen zu so niedrigen Drehzahlen hin, wie nur möglich, verschoben wird, sodass solche
Drehzahlen nach Möglichkeit stets unterhalb des eigentlichen Arbeitsbereichs des Ver-
dichters liegen und nur beim Hoch- und Herunterfahren des Verdichters durchlaufen
werden. Der eigentliche Verdichterarbeitsbereich ist dann weitestgehend frei von der er-
wähnten unschönen und vor allem den Verdichterbetrieb behindernden Eindellung der
Pumpgrenze. Eine der wesentlichen Anforderungen an die erste(n) Verdichterstufe(n)
ist es deswegen, dass der Inzidenzwinkel, bei dem es zum Strömungsabriss im niedrigen
Drehzahlbereich kommt, um ein ausreichendes Maß größer ist als derjenige, der ansonsten
bei maximalen kritischen Zuströmmachzahlen und bei maximalen Auftrieb/Widerstand-
Verhältnissen (z. B.: Abb. 3.16) üblicherweise einzuhalten ist. Durch die Verwendung von
verstellbaren Leitschaufeln kann dies zusätzlich optimiert werden, ebenso wie durch die
Verwendung von Schaufelprofilen, bei denen die maximale Profilwölbungin Richtung
zur Profilhinterkante verschoben ist, z. B. Abb. 4.19 und 8.32. Um zusätzlich auch noch ei-
ne bessere Leistungsfähigkeit des Profils bei hohen Drehzahlen, um den Auslegungspunkt
herum, zu erzielen, ist es ebenfalls wünschenswert, die maximale Profildickein Richtung
zum hinteren Profilbereich hin zu verlagern. Begrenzt wird diese Verlagerung nur durch
die Notwendigkeit, einen ausreichend großen Inzidenzwinkelbereich über den gesamten
Drehzahlbereich (Arbeitsbereich) der Stufe zu garantieren.
1.2 1.2
t
1.0
hnit 1.0
itt
sc hn
er sc
u er
0.8 rQ 0.8 u
te rQ
gs gs
te
en en
0.6 0.6
0.4 0.4
0.2 0.2
Abb. 10.18 Vergleich zweier Profile, die denselben Staffelungswinkel βS und dasselbe Teilungsver-
hältnis t/s haben, aber unterschiedlich stark gewölbt sind. Es ist zu erkennen, dass die Schaufelpassage
zwischen den beiden schwach gewölbten Profilen (rechts) den größeren engsten Querschnitt hat und
damit einen größeren Massenstrom hindurchströmen zulässt
Research Center der NASA wurden auf dieser Basis zum ersten Mal erfolgreich „Double
Circular Arc“- Profile (DCA) für Axialverdichter zum Einsatz gebracht, Crouse et al. (1969)
und Crouse (1974), die für hohe subsonische relative Zuströmmachzahlen bis etwa MaV =
0.8 gedacht waren. In der weiteren Folge der Axialverdichterentwicklung kam es dann
zu Beschaufelungen aus einer Kombination von „Multi-Circular-Arc“-Profilen (MCA)
und DCA-Profilen, Ginder (1991), Becker und Bohn (1983). Erstere Profile kamen im
Außenschnitt zum Einsatz, bis hin zu relativen Zuströmmachzahlen von etwa MaV = 1.1.
Bei kleineren Inzidenzwinkeln wird die Leistungsfähigkeit der Profile mit weiter vor-
ne liegender maximaler Wölbungsrücklage immer besser, da dann die Gebiete lokaler
Übergeschwindigkeiten auf der Saugseite mehr und mehr verschwinden. Erst bei sehr
klein werdenden (negativen) Inzidenzwinkeln bilden sich auf der vorderen Schaufeldruck-
seite (Schaufelbauch, konkaver Teil der Profilkontur) dann wieder Gebiete mit lokalen
Übergeschwindigkeiten aus.
Aus den vorhergehenden Ausführungen kann man somit nun aber auch ableiten, dass
einer Verlagerung der maximalen Wölbungsrücklage nach hinten, das Einsetzen des Strö-
mungsabrisses mehr und mehr sanfter ablaufen lassen wird. Ein Strömungsabriss bei
10.3 Auslegungsgesichtspunkte für Axialverdichter 1073
Angle). Das solchermaßen gedrehte Profil erzeugt dann durch seine Vorder- und Hin-
terkanten die axiale Gitterbreite baxP . Insbesondere die Abb. 8.29 und das Detail C in
Abb. 10.19 zeigen, dass dann das Profil an Vorder- und Hinterkante über den Anfangs-
und Endpunkt des ursprünglichen x-y-Koordinatensystems hinausragt. Die axiale Gitter-
breite, bezogen auf die Vorder- und Hinterkanten des Profils, berechnet sich dann aus der
nachfolgenden Beziehung:
1074 10 Verdichter
Profil-Sehnenlänge s
0.1 A Skelettlinie
NACA 65-(10) 08
y x
s s
0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1.0
−0.1
baxP x s
0.7 y′
baxP y′
0.5 1.2 baxP
x + Δxax ,V + Δxax ,H
0.3 B
s 1.0
y s ΔyV
x′
baxP 0.8
0.0 t
β S = Staffelungswinkel 1.0
baxP
0.6
D
x s
y s 0.4
C 0.2
x′ x′
ΔyV baxP baxP
Δ xax , V βS 0.0
0.1 0.3 0.5 0.7 0.9
Abb. 10.19 Prinzipielle Beschreibung, wie aus einem in einem x-y-Koordinatensystem gegebenen
Profil ein Gitterverband entsteht
Der Abstand xaxV , der sich an der Vorderkante nach dem Drehen des Profils ergibt, ist als
Detail C in Abb. 10.19 zu erkennen. Analog dazu ergibt sich auch an der Profilhinterkante
ein Abstand xaxH , der in Abb. 10.19 wegen der spitzen Profilhinterkante zwar nicht zu
erkennen ist, der aber gut anhand der Abb. 8.29 nachvollzogen werden kann. Weiter unten
im Text wird beschrieben werden, wie die Teilung t (Pitch) der Beschaufelung berechnet
wird. Mittels dieses Maßes t (Pitch) entsteht dann das Detail D in Abb. 10.19, was als so
genanntes Ebenes Gitter (Straight Cascade) bezeichnet wird. Die Teilung ist dabei auf den
jeweiligen Profilpunkt bezogen, der gerade die Gittereintritts- oder -austrittsfront tangiert.
Gegenüber diesem Punkt ist der ursprüngliche Nullpunkt des x-y-Koordinatensystems
um den Betrag yV an der Vorderkante bzw. um yH an der Hinterkante verschoben.
Wegen der dünnen Hinterkante ist der letztere Wert ist nicht in Abb. 10.19 eingetragen.
Es versteht sich, dass an Vorder- und Hinterkante des Profils die Teilung t (Pitch) jeweils
dieselbe ist.
10.3 Auslegungsgesichtspunkte für Axialverdichter 1075
Zentrifugalkraft
aerodynamische
Kraft Auffädelpunkt
λ
Flächenschwerpunkt
Profil-
Elemente
rN
Abb. 10.20 Prinzipdarstellung zum Auffädeln (Stacking) der einzelnen Profilelemente zum
Erzeugen einer Verdichterschaufel
und die Lebensdauer der Beschaufelung. Wie auch immer, betrachtet man ein einzelnes
Profilelement, so verläuft die Auffädellinie im Wesentlichen durch den Flächenschwer-
punkt des Profils. Eine sehr ausführliche Beschreibung eines solchen Auffädelvorgangs
zusammen mit dem Quellcode eines zugehörigen Computerprogrammes ist bei Crouse
(1974) zu finden. Das dort beschriebene Programm ist so strukturiert, dass es mit ae-
rodynamischen Auslegungsprogrammen gekoppelt werden kann. Als Ausgabe liefert das
Programm die Koordinaten, die zu einer mechanischen Schaufelfertigung erforderlich sind
und außerdem auch Daten, die zu einer nachträglichen aeroelastischen Analyse nutzbar
sind.
10.3.6.8 Teilungsverhältnis
Der Begriff Teilungsverhältnis t/s (engl.: Solidity = s/t = 1/(t/s)) ist in Kap. 8.2.3.3 im
Zusammenhang mit der Diffusionszahl (Lieblein-Faktor ) für Verdichtergitter eingeführt
und in Kap. 8.2.6 in einer einfachen Parameterstudie rechnerisch behandelt worden. In
Abb. 8.62 wurde dabei das Teilungsverhältnis t/s in Abhängigkeit der Enthalpiekenngröße
ψh aufgetragen. Das Kap. 8.2.6 hatte gezeigt, dass das Teilungsverhältnis t/s im Zusammen-
hang mit der Gitterbelastung, d. h., mit seiner Umlenkung βI, II bzw. αII, III und seinen
Verlusten ζ , zu sehen ist. Deswegen wird zur Bestimmung von t/s auch die Diffusionszahl
D bzw. D nach Gl. (8.60) bzw. (8.61) herangezogen:
t 2 · v1 · [D − 1 + (v2 /v1 )]
= Laufrad-Teilungsverhältnis (10.105)
s |v1u − v2u |
t 2 · c2 · [D − 1 + (c3 /c2 )]
= Leitrad-Teilungsverhältnis (10.106)
s |c2u − c3u |
Das Kap. 8.2.6 hatte gezeigt, dass mit steigender Stufenbelastung ψh das Teilungsverhältnis
t/s abnimmt, d. h., die Schaufeln bekommen im Gitterverband bei festliegender Sehnenlän-
ge s einen immer geringer werdenden Abstand (Teilung t) zueinander, was viele Schaufeln
auf dem Umfang bedeutet, es sei denn man vergrößert die Sehnenlänge s. Letzteres führt zu
so genannten Wide-Chord Blades, bei denen bei gegebener Teilung t/s nur wenig Schaufeln
iS auf dem Umfang vorhanden sind. Ist z. B. aus der Gl. (10.105) ein Teilungsverhältnis
von (t/s) = 1 = const fest vorgegeben, und berechnet man die zugehörige Teilung aus
t = DM · π /iS , wobei DM π = const der Umfang des Laufrades beim Euler-Radius ist
und iS die Rotor-Schaufelanzahl, so kann man schreiben:
t DM ·π const
= 1 = = = const
s iS · s iS · s
Nimmt die Schaufelanzahl iS ab, so muss in diesem Fall der Wert für die Schaufel-
Sehnenlänge (Chord) s entsprechend ansteigen, Wide-Chord. Abbildung 4.10 verdeut-
licht, wie sich das bei einem Fan auswirken kann.
Der Tendenz, dass kleine Teilungsverhältnisse t/s bei steigender Stufenbelastung ψh
entstehen, kann dadurch entgegengewirkt werden, dass bei höheren Stufenbelastungen
10.3 Auslegungsgesichtspunkte für Axialverdichter 1077
0.06
· t · sin3 β 2
2 · s · sin β 1
2
Messwerte nach
0.05 Lieblein und
Johnsen (1961)
ch
0.04
Verlustparameter ζ =
rei
itz im
be
en
sp r
0.03
att de
Laufräder im
Bl ufrä
0.02 Nabenbereich
La
und Leiträder
0.01
0.00
0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0
Diffusionszahl D
Abb. 10.21 Verlustparameter (Reibungsverlust) aufgetragen über der Diffusionszahl D für subso-
nische Verdichterbeschaufelungen mit NACA 65 Profilen nach Lieblein und Johnsen. In Anlehnung
an eine ähnliche Darstellung bei bei Cohen et al. (1996)
βI − β II 50°
bzw. t/s
α III − α II 40° =
0.5
Gitterumlenkung t/s
=
30° 1.0
t/s
=1
20° .5
10°
0°
80° 90° 100° 110° 120° 130° 140° 150° 160°
Strömungswinkel am Gitteraustritt β II bzw. α III
Abb. 10.22 Empirischer Zusammenhang zwischen der Gitterumlenkung βI,II bzw. αII,III und
dem Abströmwinkel βII bzw. αIII eines Verdichtergitters in Abhängigkeit seines Teilungsverhältnis-
ses t/s. (Adaptiert von Cohen et al. 1996)
tenschnitt berechnet worden, so kann anhand des Bildes ein guter Anhaltswert für das
Teilungsverhältnis (evtl. durch Interpolation) abgelesen werden.
10.3.6.9 Schaufelhöhenverhältnis
Das so genannte Schaufelhöhenverhältnis br /s (Aspect Ratio) ist das Verhältnis von radialer
Schaufelerstreckung br zu Schaufelsehnenlänge s. Wie die Wahl des Schaufelhöhenverhält-
nisses die Geometrie einer Verdichterbeschaufelung beeinflusst, zeigt Abb. 4.10 am Beispiel
einer Fanbeschaufelung.
Diese Aussagen können anhand der Gl. (10.108) relativ leicht nachvollzogen werden.
Rotorbeschaufelungen mit großen Schaufelhöhenverhältnissen sind trotz der großen
Schaufelzahlen – aber wegen ihrer kurzen Profilsehnenlängen – leichter als Rotorbeschau-
felungen mit kleinen Schaufelhöhenverhältnissen. Dieses war der Grund, warum sie in der
Vergangenheit – wo nur geringe Druckerhöhungen pro Stufe möglich waren – bevorzugt
eingesetzt wurden. Auf diese Weise war es nämlich möglich, die Belastung in den Ver-
dichterscheiben, die die Beschaufelungen tragen, in Grenzen zu halten. Hinzu kommt, dass
Beschaufelungen mit hohen Schaufelhöhenverhältnissen zum Schwingen und Entwinden
neigen und deswegen durch so genannte Mid-Span-Shrouds (Abb. 4.9) stabilisiert werden
müssen.
Verbesserte Auslegungsmethoden (speziell numerische Verfahren) und Materialien ha-
ben dazu geführt, dass sich zunehmend in Fan- und Verdichterbeschaufelungen die kleinen
10.3 Auslegungsgesichtspunkte für Axialverdichter 1079
br Festig-
s keits-
Referenz- grenze
punkt
ψh Nref
−1
Stufenanzahl-
reduzierung
br/s
Enthalpiekenngröße
−2
2.0
−3
ISK
1.0
−4
BL
konven- 0.5
tionelle
Schaufel-
befestigung
1.0
Schaufelhöhenverhältnis b r/s Umfangsgeschwindigkeit
Abb. 10.23 Einfluss der Enthalpiekenngröße ψh auf das Schaufelhöhenverhältnis br /s. (Adaptiert
von Steffens und Schäffler 2000)
Bauform, auch BLISK genannt, vgl. hierzu auch Kap. 4.2.3.3. Zusammen mit modernen
hoch belastbaren und damit sehr sicheren Werkstoffen aus Titanlegierungen (vorderer
„kalter“ Verdichterbereich) und Nickelbasislegierungen oder Titanaluminiden (hinterer
„heißer“ Verdichterbereich) wird es so möglich, axial kurz bauende, bauteilreduzierte
und damit leichte Axialverdichter zu bauen, die Stufendruckverhältnisse von fast πV, j ≈ 2
erlauben.
Die Beschaufelung mit kleinem Schaufelhöhenverhältnis hat in den letzten Jahren
zu einer neuen Dimension von zulässigen aerodynamischen Gitterbelastungen geführt
und erlaubt damit wesentlich höhere Stufendruckverhältnisse bei guter aerodynamischer
Stabilität. Dies hängt offensichtlich mit dem Druckanstiegsgradienten im Bereich des
Schaufel-Seitenwandübergangs zusammen, dessen Details bis heute noch nicht vollständig
verstanden sind. Es ist aber davon auszugehen, dass moderne 3D-Navier-Stokes Rechen-
verfahren in den nächsten Jahren ihren Beitrag dazu leisten werden, dieses Defizit zu
beseitigen. Niedrige Schaufelhöhenverhältnisse resultieren in weniger Stufen, breiteren
und robusteren Schaufeln, die weniger erosionsempfindlich sind und relativ genauer her-
gestellt werden können. Sie liefern eine hohe aerodynamische Stabilität – auch gegen
sektorartige Druck- und Temperaturstörungen – und sind bis zu hohen Umfangsgeschwin-
digkeiten flatterfrei. Als Nachteil erweist sich nur das hohe Gewicht der Beschaufelung,
das proportional der Sehnenlänge zunimmt, die Schaufel-Scheibe-Verbindung und die
Scheibe stark belastet und u. U. in einem deutlichen Anstieg der Gesamtmasse resultieren
kann.
Als Folge der gestiegenen aerodynamischen Belastung und der höheren Strömungs-
machzahlen ergibt sich mit Reduzierung der Stufenzahl ein deutlicher Abfall des
Wirkungsgrades, so wie es die grau unterlegte Fläche in Abb. 10.8 sehr anschaulich
zeigt. Mit zunehmendem Schaufelhöhenverhältnis nimmt, bei gleicher Stufenzahl, der
Wirkungsgrad ebenfalls ab, da dadurch die Umfangsgeschwindigkeit und damit auch
das Machzahlniveau zusätzlich ansteigen. Demnach muss also die Verringerung der
Schaufelzahlen durch Reduzierung der Verdichterstufen und das damit verbundene Ein-
sparpotenzial an Herstellungskosten nicht nur mit einer Erhöhung der mechanischen
Belastung sondern auch mit einer Verschlechterung des Verdichterwirkungsgrades er-
kauft werden. Dies ist von besonderer Bedeutung, da über die gesamte Lebensdauer eines
Triebwerks neben den reinen Herstellungskosten auch die Betriebs- und Wartungskosten
zu betrachten sind.
Die hohe aerodynamische Belastung der breiten, schnelllaufenden Schaufeln zieht
tiefe Nachlaufdellen nach sich. Auf Grund meist nur geringer Axialspalte zwischen
den einzelnen Stufen wird sowohl der Abstand zum nächsten Leitgitter als auch der
Ausgleich der einzelnen Nachlaufdellen vergleichsweise gering, sodass die aerodynami-
sche Schwingungserregung relativ hoch ist, vgl. hierzu auch die Abb. 8.28, 15.24 und
15.26. Bei Schaufeln niedriger Streckung tritt eine Reihe von Schwingungsformen in den
Vordergrund, die bei schlanken Schaufeln bisher nur eine geringe Bedeutung hatten.
Unglücklicherweise sind die Möglichkeiten, gefährlichen Resonanzen durch eine entspre-
chende Gittergestaltung entgegenzuwirken, bei kleinen Schaufelhöhenverhältnissen sehr
10.3 Auslegungsgesichtspunkte für Axialverdichter 1081
eingeschränkt und die aerodynamische Koppelung und Erregung der Schwingungen über
mehrere Stufen hinweg erhöht.
Besonders hohe mechanische Erregungen müssen die Leitschaufeln militärischer Trieb-
werke aushalten, die wegen der strikten Gewichtsforderungen und aus wellendynamischen
Gründen mit kleinen axialen Gitterabständen gebaut werden. So hat z. B. die erste Stufe
des Niederdruckverdichters des Triebwerks EJ200 einen Axialspalt zwischen Lauf- und
Leitrad, der weniger als 20 % der axialen Projektion der Schaufelsehnenlänge des Rotors
beträgt und somit sehr starken aerodynamisch-periodischen Beanspruchungen ausgesetzt
ist. Die Erregungsenergie, die in den Nachlaufdellen solcher Hochleistungsstufen mit ca.
70 K Totaltemperaturerhöhung steckt, hat die Größenordnung von etwa 1 MW und muss
von der mechanischen Struktur der nachfolgenden Gitter dauerfest ertragen werden, was
eine sorgfältig ausgeklügelte Gestaltung bedingt, Steffens und Schäffler (2000). Die Biege-
und Torsionsbelastungen moderner Beschaufelungen sind hoch und dies kommt bei inte-
gralen Schaufel-Scheibe-Rotoren (BLISK), die sich ausschließlich auf die aerodynamische
Dämpfung zur Limitation der Resonanzamplituden verlassen müssen – besonders deutlich
zur Geltung.
Es sollte auch beachtet werden, dass der Blattspitzenspalt zwischen Schaufel und Ge-
häuse im Vergleich zur Schaufelhöhe br nicht zu groß wird, damit der Einfluss der
Sekundärströmungsverluste (Kap. 8.5.2.3) nicht zu dominant wird. Nach Cohen et al.
(1996) kann der Verlustbeiwert für die Sekundärströmungseffekte (Index: SStr) durch
den folgenden empirisch gefundenen Ausdruck in Abhängigkeit des Teilungs- und des
Schaufelhöhenverhältnisses beschrieben werden:
t/s
cWSStr = 0.02 · = 0.002 . . . 0.006 (10.107)
br /s
10.3.6.10 Schaufelanzahl
Sind das Teilungsverhältnis t/s und das Schaufelhöhenverhältnis br /s bekannt, so kann
daraus die Schaufelanzahl iS berechnet werden, wobei vorausgesetzt wird, dass br = rG − rN
und rM gegeben sind (siehe: vorhergehende Beispiele). Wird der Umfang im Mittenschnitt
(am Eulerradius) 2 · π · rM durch die dortige Teilung tM dividiert, so ist dies gleich der
Schaufelanzahl:
2 · π · rM 2 · π · rM br /s 2 · π · rM br /s
iS = = · = · (10.108)
tM tM br /s (rG − rN ) tM /s
Gewöhnlich wird für die Schaufelanzahl eines Rotors eine gerade Zahl gewählt. Ursache
dafür sind ausschließlich Praktikabilitätsgründe, die von manchen Flugzeugbetreibern
(Airlines) gewünscht werden. Im Falle eines Schadens an einer Schaufel werden dann
nur diese und die ihr gegenüberliegende Schaufel ausgetauscht, ohne dass danach der
gesamte Rotor (mit erheblichem Aufwand) erneut zu wuchten ist. Einige Fluggesellschaften
1082 10 Verdichter
verfügen aus diesem Grund über einen gewissen Lagerbestand an paarweisen Schaufeln,
die jeweils ganz genau dasselbe Gewicht und dasselbe Moment8 (Schwerpunktslage) haben.
Aus lärm- und schwingungstechnischen Gründen sollte das folgende Leitrad kein
Vielfaches der Schaufelanzahl des Laufrades aufweisen, umso das Anfachen von Reso-
nanzfrequenzen zu minimieren. Die Schaufelanzahl des Leitrades wird aus diesem Grunde
häufig als Primzahl gewählt. Hinzu kommt, dass das Verhältnis von Leitradschaufelanzahl
i S zu Laufradschaufelanzahl iS , iS /iS = iSStator /iSRotor , maßgeblichen Einfluss auf den Tur-
bomaschinenlärm eines Verdichters haben kann. In Kap. 15.3.2.2 wird bei Gl. (15.13) über
diesen Umstand noch einmal ausführlicher zu reden sein.
Beispiel 10.5
Axialverdichterauslegung (Teil IV). Ausgehend von den Mittenschnittdaten des vor-
hergehenden Beispiels 10.4 sollen nun für das Lauf- und Leitrad der 1. Stufe des
Niederdruckverdichters und für das Lauf- und Leitrad der 1. Stufe des Hochdruckver-
dichters die jeweiligen Schaufelanzahlen iS , das Teilungsverhältnis t/s, die Teilung t und
die Profilsehnenlänge s berechnet werden. Bei der Berechnung soll von einer Diffusions-
zahl im NDV von D = D = 0.20 und HDV von D = 0.35 und D = 0.40 ausgegangen
werden. Im NDV-Laufrad soll das Schaufelhöhenverhältnis mit (br /s) ≈ 4 und im
NDV-Leitrad mit (br /s) ≈ 3.5 vorgeschätzt werden. Im HDV-Laufrad soll das Schau-
felhöhenverhältnis mit (br /s) ≈ 2 und im NDV-Leitrad mit (br /s) ≈ 2 vorgeschätzt
werden.
NDV, 1.Stufe, Laufrad (Rotor)
t vII vI
=2· D −1+ ·
s vI vu
t 357.5760
= 2 · (0.20 − 1 + 0.8891) · = 1.403655
s 45.3958
2 · π · rM (br /s) 2 · π · 0.454011 4
iS = · = · = 20.6376 ≈ 20 Schaufeln
rG − r N (t/s) 0.3939 1.403655
Mit der gerundeten Schaufelanzahl iS ist nun ein neues Schaufelhöhenverhältnis
(br /s) für das Laufrad zu bestimmen
br i · (t/s) · (rG − rN ) 20 · 1.403655 · 0.3939
= S = = 3.876414
s 2 · π · rM 2 · π · 0.454011
8
Mit so genannten Momentenwaagen (Moment Weighing Scales) werden heutzutage Schaufeln vor
dem Einsetzen in eine Schaufelscheibe gewogen und mittels einer integrierten Software optimal
auf dem Rotorumfang verteilen. Dabei ermitteln Momentenwaagen präzise sowohl die Massen der
Schaufeln als auch deren exakte Schwerpunktslage (Moment). Diese Methode zur Unwuchtreduktion
durch Verwiegen von Gewicht und Moment eignet sich sowohl für alle neu beschaufelten Rotoren
als auch für Rotoren nach einer Läuferreparatur.
10.3 Auslegungsgesichtspunkte für Axialverdichter 1083
2 · π · rM 2 · π · 0.454011
t = = = 0.142632 m
iS 20
t 0.142632 ∧
s = = = 0.101615 m = 101.615 mm
(t/s) 1.403655
NDV, 1. Stufe, Leitrad (Stator)
t cIII cII
= 2 · D − 1 + ·
s cII cu
t 185.9068
= 2 · (0.20 − 1 + 0.9279) · = 1.158224
s 41.0585
2 · π · rM (br /s) 2 · π · 0.454011 3.5
iS = · = · = 26.011729
rG − r N (t/s) 0.3314 1.158224
iS ≈ 29 Schaufeln (= nächstliegende, höhere Primzahl)
Mit der gerundeten Schaufelanzahl iS ist nun ein neues Schaufelhöhenverhältnis (br /s)
für das Leitrad zu bestimmen
br i · (t/s) · (rG − rN ) 29 · 1.158224 · 0.3314
= S = = 3.902086
s 2 · π · rM 2 · π · 0.454011
2 · π · rM 2 · π · 0.454011
t = = = 0.098367 m
iS 29
t 0.098367 ∧
s = = = 0.084929 m = 84.929 mm
(t/s) 1.158224
Da nun der Absolutwert für die jeweilige Profilsehnenlänge bekannt ist, ist es gemäß
Abb. 10.19 auch möglich, die axiale Gitterbreite von Lauf- und Leitrad als Zahlenwert
anzugeben. Dazu wäre aber die Kenntnis der tatsächlich verwendeten Profilgeometrie
erforderlich, die hier aber unbekannt bleibt, sodass die axiale Gitterausdehnung hier
nicht als Zahlenwert angegeben wird.
t vII vI
=2· D −1+ ·
s vI vu
t 443.6746
= 2 · (0.35 − 1 + 0.7663) · = 1.051788
s 98.1174
2 · π · rM (br /s) 2 · π · 0.454011 2
iS = · = · = 29.069421 ≈ 30 Schaufeln
rG − r N (t/s) 0.1866 1.051788
Mit der gerundeten Schaufelanzahl iS ist nun ein neues Schaufelhöhenverhältnis
(br /s) für das Laufrad zu bestimmen
1084 10 Verdichter
br iS · (t/s) · (rG − rN ) 30 · 1.051788 · 0.1866
= = = 2.064025
s 2 · π · rM 2 · π · 0.454011
2 · π · rM 2 · π · 0.454011
t = = = 0.095088 m
iS 30
t 0.095088 ∧
s = = = 0.090406 m = 90.406 mm
(t/s) 1.051788
HDV, 1. Stufe, Leitrad (Stator)
t cIII cII
=2· D −1+ ·
s cII cu
t 178.8899
= 2 · (0.40 − 1 + 0.8382) · = 0.868583
s 98.1175
2 · π · rM (br /s) 2 · π · 0.454011 2.0
iS = · = · = 45.144196
rG − rN (t/s) 0.1455 0.868583
iS ≈ 47 Schaufeln (= nächstliegende, höhere Primzahl)
Mit der gerundeten Schaufelanzahl iS ist nun ein neues Schaufelhöhenverhältnis (br /s)
für das Leitrad zu bestimmen
br i · (t/s) · (rG − rN ) 47 · 0.868583 · 0.1455
= S = = 2.082217
s 2 · π · rM 2 · π · 0.454011
2 · π · rM 2 · π · 0.454011
t = = = 0.060694 m
iS 47
t 0.060694 ∧
s = = = 0.069877 m = 69.877 mm
(t/s) 0.868583
er
ht
oß ec
St nkr
Kopf-
se
welle
Bereich abgelö-
ster Strömung
Staupunktstromlinie
Expansionswelle
(Prandtl-Meyer-Fächer)
Staupunktstromlinie
Abb. 10.24 Viskos berechnetes Strömungsfeld einer supersonisch (MaI = 1,1) angeströmten
Verdichterbeschaufelung; links Linien konstanter Machzahl (sog. Iso-Machlinien), rechts Machzahl-
verteilung längs der Konturen von Saugseite (grün) und Druckseite (blau). Die farbigen Linien längs
der Profilkontur kennzeichnen die Strömungsverdrängung infolge der Grenzschichtentwicklung.
Der Wert Mis ist die lokale, reibungsfrei (isentrop) berechnete Machzahl längs der Profilkontur
9
Die Bezeichnung transsonisch wird in der Aerodynamik im Allgemeinen für Strömungen benutzt,
bei denen – in Strömungsrichtung gesehen – sub- und supersonische Strömungsbereiche existieren.
Bei den Turbomaschinen hat es sich aber eingebürgert, unter einem transsonischen Verdichter einen
solchen zu verstehen, dessen Zuströmung in Radialrichtung zwischen sub- und supersonisch variiert.
1086 10 Verdichter
A B C
Ma
= 1.2
5 M
a
=
1.5
3
Zwischen der Kopfwelle und der Schaufelvorderkante – unmittelbar vor der Schaufel –
ist die Strömung im Unterschall, was auf die Stauwirkung des Profils zurückzuführen ist.
Längs der Saugseite beginnt die Strömung aber infolge der Prandtl-Meyer-Expansion dann
wieder zu beschleunigen und erreicht dabei Werte von mehr als 1.3, sodass also innerhalb
der Schaufelpassage – vor dem senkrechten Stoß – Machzahlen vorliegen, die höher als
die ursprüngliche Zuströmmachzahl von 1.1 sind. Unmittelbar an der Profilvorderkante
kommt es infolge der Vorderkantenumströmung zu einer lokalen Saugspitze, die die Kon-
turmachzahl kurzfristig auf fast 1.5 ansteigen lässt. Der spätere senkrechte Stoß (starker
Stoß) in der Schaufelpassage bringt die Strömung in den Unterschall auf eine Machzahl
von etwa 0.9, wo sich dann die übliche Diffusion (Verzögerung) innerhalb der Schaufel-
passage fortsetzt. Unmittelbar in der Nähe der Profilsaugseite dickt sich die Grenzschicht
aufgrund des Verdichtungsstoßes auf und löst ab, was aufgrund der konvexen Kontur des
Ablösegebietes lokal noch einmal zu einer schwachen Strömungsbeschleunigung führt, so-
dass die Konturmachzahl auf der Saugseite hier nur Werte sehr knapp unterhalb von eins
erreicht. Am Gitteraustritt liegen schließlich Machzahlen von etwa 0.55 vor. Zwischen der
abgelösten Kopfwelle und dem abschließenden senkrechten Stoß in der Schaufelpassage
gibt es also ein Beschleunigungsgebiet, in dem örtlich Machzahlen auftreten, die größer
sind, als die Gitterzuströmmachzahl. Hinter dem senkrechten Verdichtungsstoß ist deut-
lich das Ablösen der Grenzschicht von der Profilsaugseite zu erkennen. Im vorliegenden
Fall ist das abgelöste Strömungsgebiet am Profilende fast genauso dick, wie die Schaufel
am Ort ihrer größten Dicke.
Je länger die konvex gekrümmte Lauflänge auf der Saugseite zwischen Kopfwelle und
senkrechtem Stoß ist (Zunahme der sog. Überschallumlenkung), umso mehr wird die
örtliche Machzahl dort ansteigen. Abbildung 10.25 zeigt, dass eine Vergrößerung der
10.3 Auslegungsgesichtspunkte für Axialverdichter 1087
Ma ≈ 0.9
Kopfwelle
senkrechter Stoß Saugseite
Druckseite
Überschallumlenkung auf der Profilsaugseite typischer Weise dann auftritt, wenn das Tei-
lungsverhältnis vergrößert wird. Die Überschallumlenkung (Änderung der Tangente an
die Saugseite) muss etwa 7.5◦ betragen, um die in Abb. 10.25 ganz rechts dargestellte Be-
schleunigung von Ma = 1.35 auf Ma = 1.53 zu bewirken. Würde in einem solchen Fall die
Zuströmmachzahl merklich über 1.3 hinaus gesteigert werden, so käme es zum Starten der
Überschallströmung und der senkrechte Stoß würde in den Schaufelkanal hineinlaufen,
vgl. Abb. 9.34. Bei den beiden Strömungsfällen mit größerer Teilung (Abb. 10.25 rechts)
ist außerdem gut zu erkennen, dass mit steigender Zuströmmachzahl die abgelöste Kopf-
welle sich der Profilvorderkante zunehmend annähert. Der Abstand zwischen Profil und
Kopfwelle wird durch die Zuströmmachzahl und die Profilvorderkantenform bestimmt.
Das Strömungsfeld ist an dieser Stelle alles andere als trivial.
Gerade in den Außenschnitten von Fanbeschaufelungen, wo die Teilung sehr groß
ist, und wo die relativen Zuströmmachzahlen zwischen 1.4 und 1.6 liegen können, wer-
den – um die zuvor beschriebene Problematik zu umgehen – die Schaufeln im vorderen
Bereich so gestaltet, dass für die Strömung ein Überschalldiffusor (sich verengender Strö-
mungskanal) entsteht. Dieses wird durch Verengung des durchströmten Querschnitts im
Schaufelkanal und/oder durch eine leicht konkave Gestaltung des vorderen Saugseitenbe-
reichs erreicht. Den letzteren Fall zeigt Abb. 10.26. Auf der konkaven Saugseitenkontur
entsteht eine Vielzahl von schrägen Verdichtungsstößen, welche die Strömung sukzessive
verzögern. Der abschließende senkrechte Stoß fällt dann vergleichsweise schwach aus.
1088 10 Verdichter
MISES 2.56
Abb. 10.28 Beispiele für viskos berechnete Strömungsfelder von Verdichtergittern, die jeweils beide
mit derselben subsonischen Machzahl, MaI = 0.8026, angeströmt werden; links CDA-Verdichter-
Gitter-Profile rechts sogenannte superkritische Verdichter-Gitter-Profile. Der Wert Mis ist die lokale,
reibungsfrei (isentrop) berechnete Machzahl längs der Profilkontur
übertragen werden, vor allem deswegen, weil bei den letztgenannten Profilen die Ver-
besserungen primär in der Verbreiterung des Inzidenzbereiches (Anstellwinkelbereich)
zu sehen ist, Abb. 10.17. Im Detail bedeutet dies eine Minimierung bei den Verlusten
und höhere Zuströmmachzahlen, wodurch es zu einem verschobenen Verlustanstieg in
Inzidenzwinkelrichtung kommt.
So genannte superkritische Profile, Abb. 10.28 rechts, für nicht zu allzu hohe Zu-
strömmachzahlen, weisen i. Allg. bei ihren Skelettlinien eine vom reinen Kreisbogen
abweichende Wölbungsrücklage auf, die hinter 50 % der Profilsehnenlänge liegt. Die ört-
liche Beschleunigung des Strömung auf der vorderen Saugseite wird für gewöhnlich mit
einem senkrechten Stoß im Bereich der engsten Stelle der Schaufelpassage abgeschlossen.
Dahinter ist das Strömungsfeld subsonisch.
CDA Profile müssen wegen ihrer Dicke und des damit verbundenen Verdrängungsein-
flusses die Profilpassagen stärker geöffnet bzw. – im Sinne des visuell/optischen Beispiels
einer Jalousie – mehr aufgedreht werden, um so die erforderliche Strömungsumlenkung
erreichen zu können. Dieses vermittelt insgesamt die Darstellung der Beschaufelung im
linken Teil von Abb. 10.28. CDA-Profile weisen i. Allg. deutliche Verbesserungen im
Wirkungsgrad und im Druckaufbau auf. Ihr Wirkungsprinzip basiert auf einer kontrol-
lierten Geschwindigkeitsverteilung auf der Saugseite, die große Übergeschwindigkeiten
und durch Stoß-Grenzschicht-Wechselwirkungen minimieren soll.
1090 10 Verdichter
Abb. 10.29 Viskos berechnetes Strömungsfeld für ein NACA-65-Gitter mit subsonischer Zuström-
machzahl. Der Wert Mis ist die lokale, reibungsfrei (isentrop) berechnete Profilkonturmachzahl
„DER Klassiker“ bei den Verdichterprofilen sind die NACA 65 Profile. Eine viskose
Beispielrechnung für ein damit aufgebautes Gitter mit subsonischer Zuströmmachzahl
zeigt die Abb. 10.29. In den 1950er Jahren kam man bei der NACA (National Advisory
Committee for Aeronautics) auf Grund zahlreicher Untersuchungen zu der Erkenntnis,
dass sich eine möglichst lang laminar gehaltene Grenzschicht positiv auf die Aerodyna-
mik (cA - und cW -Wert) von Profilen auswirkt. Diese Forderung nach einer laminaren
Grenzschicht führt zu einer mehr- oder weniger konstante Differenzdruckverteilung längs
der Profilsehne. Hinsichtlich der Triebwerksverdichter wurde über dieses Profil zwar ein
breites Grundlagenwissen zur Verdichteraerodynamik bereitgestellt, aber zum praktischen
Einsatz kommt dieses Profil bei neu entwickelten Verdichtern definitiv nicht mehr.
Die Skelettlinie (Skeleton Line or Camber Line) eines Profils hatte in den Anfängen
häufig die Form eines Parabelbogens, der sich, wenn die maximale Wölbung zur halben
Sehnenlänge hin wanderte, in etwa in einen Kreisbogen (Circular Arc) wandelt. Im Lewis
Research Center der NASA wurden auf dieser Basis zum ersten Mal erfolgreich „Double
Circular Arc“- Profile (DCA) für Axialverdichter zum Einsatz gebracht, Crouse et al.
(1969) und Crouse (1974), die für hohe subsonische relative Zuströmmachzahlen bis etwa
MaV, I = 0.8 gedacht waren. In der weiteren Folge der Axialverdichterentwicklung kam
es dann zu Beschaufelungen aus einer Kombination von „Multi-Circular-Arc“-Profilen
(MCA) und DCA-Profilen, Ginder (1991), Becker und Bohn (1983). Erstere Profile ka-
men im Außenschnitt zum Einsatz, bis hin zu relativen Zuströmmachzahlen von etwa
MaV, I = 1.1.
10.3 Auslegungsgesichtspunkte für Axialverdichter 1091
Mitte der 1970er Jahre kamen erstmals leistungsfähige Computersysteme und zuge-
hörige numerische Rechenverfahren auf einem solchen Niveau zum Einsatz, dass sie
kompressible Strömungsfelder mit lokalen Überschallgebieten lösen konnten. Hier wa-
ren es insbesondere die inversen Verfahren, die die Blicke der Interessierten auf sich
zogen, da sie aus einer vorgegebenen Profildruckverteilung die dazugehörige Profilkon-
tur berechnen konnten. So wurde dadurch erstmals der Wissensstand erreicht, dass man
die Möglichkeiten hatte, stoßfreie superkritische Verdichtergitter zu entwickeln, Hobson
(1974).
10.3.6.14 Gestaltung
Zur Entwicklung und Fertigung moderner Hochleistungsverdichter, so wie sie heut-
zutage im Triebwerksbau der Standard sind, gehört eine Vielzahl von Befähigungen.
Neben Aerodynamik, Schwingungsmechanik, Festigkeit und Wellendynamik sind lang-
jährige Erfahrungen und Fähigkeiten in der allgemeinen Fertigungstechnik, im Bereich
der Anlaufsysteme zwischen Schaufel und Gehäuse und in der Werkstofftechnik ebenso
unerlässlich, wie ein zugehöriges hoch entwickeltes Versuchspotenzial. Moderne Trieb-
werksverdichter beanspruchen die zurzeit zur Verfügung stehenden und so genannten
sicheren Werkstoffe – Titan und Nickelbasislegierungen – bis an die äußersten Gren-
zen ihrer Belastungsmöglichkeiten. Hochmoderne zukunftsweisende Materialien, wie
Titan-Aluminide, stehen als kommender Verdichterwerkstoff für hintere Stufen vor der
serienmäßigen Einführung, wo sie die schwereren Nickelbasislegierungen ablösen könn-
ten. Die gestalterische Freiheit zwischen den Anforderungen der Aerodynamik und der
Mechanik ist sehr klein, und die Suche nach einer Lösung ist zunehmend das Ergebnis von
bis zu 60 Iterationsschritten geworden, Steffens und Schäffler (2000).
10.3.6.15 Anlaufbeläge
Die diversen höchstbelasteten Werkstoffe innerhalb eines Verdichters werden üblicher-
weise vor zusätzlichen thermischen Überlastungen geschützt. Ein seit langer Zeit typisches
Problemgebiet im Verdichterbau sind die zum Schutz der Rotorschaufeln in das Gehäuse
eingebrachten Anlaufbeläge. Im hinteren Teil des Verdichters zeigen diese häufig deut-
liche Erosionserscheinungen aufgrund der dort herrschenden hohen Temperaturen, was
schließlich in einem Leistungsverlust des Verdichters resultiert. Mittlerweile werden die
Beläge, die früher aus Nickel-Grafit Materialien bestanden, aus harten, metallgefüllten
silikatartigen Belägen, z. B. Bentonit10 , hergestellt. Die Firma MTU Aero Engines hat bei-
spielsweise im Rahmen der Entwicklung des militärischen Triebwerks EJ200 ein solches
Anlaufsystem weiter optimiert, das eine Kombination aus einem harten, erosionsfesten
Bentonit-Anlaufbelag und aus gepanzerten Schaufelspitzen für Titanschaufeln ist. Die
Panzerung besteht aus 0.15 mm großen Schneidepartikeln aus kubisch kristallinem Bor-
nitrid (CBN)11 , die mithilfe eines Roboters auf den Blattspitzen verteilt und schließlich
durch Induktionslöten befestigt werden.
Durch die Anbringung axial, tangential oder radial geneigter Nuten, die eventuell auch
tangential in Richtung des Staffelungswinkels der Laufradschaufeln geneigt sein können,
10
Bentonit (nach der Benton-Formation, Fort Benton, Montana, USA) ist eine Mischung aus
verschiedenen Tonmineralien, das zu 60 . . . 80 % – als wichtigsten Bestandteil –Montmorillonit
(Schichtsilikat) enthält, was ursächlich dafür ist, in hohem Maße Wasser aufzunehmen und als Folge
davon aufzuquellen. Weitere Begleitmineralien sind Quarz, Glimmer, Feldspat, Pyrit und Calcit.
Bentonit entsteht durch Verwitterung von Vulkanasche.
11
CBN (kubisch kristallines Bornitrid) wurde 1969 von der Firma General Electric unter dem einge-
tragenen Warenzeichen „BORAZON“ auf dem Markt gebracht. Dieses, als zweithärtestes Material
der Welt geltende Produkt, wurde 1957 von Robert Henry Wentorf, Jr. für und bei General Electric
entwickelt. Seinerzeit überstieg der Preis von CBN den Goldpreis.
10.3 Auslegungsgesichtspunkte für Axialverdichter 1093
aber auch durch wabenähnliche Strukturen über den Laufradschaufeln, Abb. 10.30, kann
u. U. das Druckverhältnis der Stufe an der Pumpgrenze erhöht bzw. der Stabilitätsbereich
der Stufe erweitert werden. Durch solche Strukturen im Gehäuse wird die Umströmung
der Laufradschaufeln am Schaufelende beruhigt und damit die aerodynamische Bela-
stung in diesem Schaufelbereich gemindert. Leider ist dies mit einem gewissen Verlust
im Wirkungsgrad verbunden. Dem steht aber insbesondere gegenüber, dass sich durch
die Gehäusenuten eine deutliche Verbesserung der Stufen-Abreißgrenze einstellt. Das
Anstreifen der Laufschaufeln kann aber andererseits auch zu einer Materialerhitzung der
Schaufeln führen. Dieses Risiko kann auch durch Verdünnung der Profile am Schaufelende
von der Druck- oder Saugseite her weiter vermindert werden, Abb. 10.31 und 10.67.
Da die Verdichterschaufeln meist aus Titan gefertigt sind, insbesondere im vorderen
Verdichterbereich, kann es u. U. durch das Anschleifen der Schaufeln zu einem Titanfeuer
1094 10 Verdichter
Abb. 10.32 5-stufiger Hochdruckverdichter des Triebwerks EJ200. Die Beschaufelung ist dreidi-
mensional ausgelegt und erzeugt ein Druckverhältnis von πHDV = 6. Bis zur dritten Stufe ist der
Verdichter in Blisk-Technologie ausgeführt. Bild mit freundlicher Genehmigung der MTU Aero
Engines
im Verdichter kommen. Die Einsatztemperatur von Titan ist im Verdichterbau auf etwa
550 ◦ C begrenzt, da es ab dieser Temperatur zu einer verstärkten Oxidation und Korrosion
kommen kann. Durch örtliche Überhitzung kann sich dann Titanfeuer bilden und aus-
breiten, was durch eine Verbrennung des Werkstoffs unter Abspaltung von glühenden –
teilweise schmelzflüssigen – Titanpartikeln geschieht. Ein Titanfeuer benötigt ausreichend
Strömungsgeschwindigkeit und Druck der umgebenden Luft, um den für die Verbren-
nung benötigten Sauerstoff zuzuführen. Diese Bedingungen sind nur in einem laufenden
Triebwerk gegeben. Eine Zündung durch ein Kraftstofffeuer oder Ölfeuer im Stand kann
ausgeschlossen werden. Bei Flugunfällen ist deswegen auch ein Titanfeuer als Folge eines
heftigen Aufschlagens praktisch immer auszuschließen. Liegen dennoch Anzeichen für
ein Titanfeuer vor, so ist immer davon auszugehen, dass dieses im Flug - bei laufendem
Triebwerk - entstanden ist. Ursächlich sind hier meist Reibung an Labyrinthdichtungen,
nicht einwandfrei rundlaufende Rotoren und/oder ein Pumpen des verdichters.
10.3.6.16 Fertigungsverfahren
Die technologische Entwicklung der letzten Dekade hat sehr deutlich gezeigt, dass die
beiden aktuellen Haupttrends, nämlich höhere Umfangsgeschwindigkeiten und kleinere
Schaufelhöhenverhältnisse mit dem Ziel, die Stufenzahl und damit die Kosten zu reduzie-
ren, die integrale Schaufel-Scheibe-Bauweise (BLISK) als Conditio sine qua non festschreibt,
Abb. 10.32. Was zunächst nur als Besonderheit militärischer Triebwerke, z. B. aus Ge-
wichtsgründen, angesehen wurde, erweist sich zunehmend auch als Alternative für den
10.3 Auslegungsgesichtspunkte für Axialverdichter 1095
T i-
Ti Al
Abb. 10.33 Vergleich der wesentlichen Eigenschaften von klassischen Triebwerkswerkstoffen und
von möglicherweise zukünftigen Werkstoffen
zivilen Triebwerksbau. Wenn nämlich zukünftige Entwicklungen die heute übliche hohe
Komplexität der Strahltriebwerke mit bis zu 26 Turbomaschinenstufen (Verdichter und
Turbine zusammen) stark vereinfachen sollen, dann wird der Weg zum schnelllaufen-
den Verdichter mit niedrigem Schaufelhöhenverhältnis eingeschlagen und damit auch die
Blisk-Bauweise eingeführt werden müssen. Weitergehende Informationen zum Thema
BLISK findet man in den Kap. 4.2.3.3 und 4.8.1.
10.3.6.17 Werkstoffe
Derzeit beherrschen metallische Werkstoffe auf Titan- und Nickelbasis den Verdichterbau.
Für beide Werkstoffe besteht hinsichtlich der Herstellungs- und Verarbeitungstechnolo-
gien ein hohes Maß an Erfahrung. Abbildung 10.33 zeigt, dass beide Werkstoffe eine
hohe Bruchdehnung aufweisen, d. h., sie verhalten sich tolerant bei Überbelastungen.
Die im Entwicklungsprozess von Axialverdichtern immer weiter gestiegenen Umfangsge-
schwindigkeiten haben aber zwischenzeitlich die Möglichkeiten dieser „konventionellen“
Werkstoffe weitestgehend ausgereizt und bereits zur genannten integralen Schaufel-
Scheibe-Bauweise (BLISK) geführt, umso eine Art „Ausweg“ zu einer weiteren Steigerung
der Umfangsgeschwindigkeiten zu eröffnen.
Neuere Werkstoffe, wie die Titan-Aluminiden (TiAl) und die Metall-Matrix Verbund-
werkstoffe (MMC), besitzen zwar vom Prinzip her ein hohes Potenzial, aber beiden
Werkstoffen fehlt die große Bruchdehnung der konventionellen Materialien, Abb. 10.33.
Sie erreichen – ebenso wie die faserverstärkten Kunststoffe – nur Bruchdehnungen
um etwa 1 % herum, sodass Überbelastungen schneller zum Bruch führen als bisher.
Von daher sind noch erhebliche Entwicklungsschritte zu leisten, um schließlich hoch
1096 10 Verdichter
Abb. 10.34 Leichtbauweise und neue Werkstoffe für zukünftige Verdichter; links Hybrid-
beschaufelung. Dunkel eingefärbte hintere Schaufelteile bestehen aus CFK, die vorderen aus
Titan-Matrix-Verbundwerkstoff (TMC), rechts Modell einer aus TMC gefertigten Fanschaufel vor
der abschließenden Oberflächenbearbeitung. Bilder mit freundlicher Genehmigung des DLR
belastete Verdichterbauteile aus diesen Werkstoffen so zu gestalten, dass sie eine für luft-
fahrttaugliche Triebwerke unerlässliche Bedingung erfüllen, nämlich ein berechenbares
Schadensverhalten zu haben.
Zurzeit stellt man sich als eine erste praktische Anwendung für Titan-Aluminid (Ti-
Al) im Triebwerksbau das Gehäuse im hinteren Bereich von Hochdruckverdichtern vor.
Angedacht ist eventuell auch das letzte Laufrad des Hochdruckverdichters oder dessen
Austrittsleitrad. Metall-Matrix Verbundwerkstoffe (MMC), die aus hochfesten Silizium-
karbidfasern (Verbindung aus Quarzsand und Kohlenstoff) als lasttragenden Elementen
bestehen, die in einer Titan-Matrix eingelagert sind (Titanium Matrix Composites, TMC),
Abb. 10.34 rechts, bieten sich für leichtere Rotorkonstruktionen in der so genannten in-
tegralen Schaufel-Ring-Bauweise (BLING) an, vgl. hierzu auch Kap. 4.8.1. Theoretisch
lässt sich die ohnehin schon hohe Festigkeit des Titans je nach Faseranteil noch einmal
um den Faktor zwei erhöhen. Eine solche Bauweise ermöglicht Gewichtseinsparungen
von 20 . . . 30 %. Darüber hinaus werden auch ganz neue Möglichkeiten der Schaufel-
Scheiben-Anbindung eröffnet, ebenso wie ein weitergehender Gestaltungsfreiraum für die
Wellendynamik rotierender Bauteile.
Durch die Verwendung von sehr leichten Kohlefaser-Verbundwerkstoffen (Carbon
Fiber Composites, CFK) wäre im Prinzip eine noch deutlichere Gewichtsreduzierung mög-
lich. Versuche haben aber gezeigt, dass dieser Werkstoff noch Nachteile hat, die nicht leicht
zu überwinden sein werden. Dazu zählen zum einen die große Erosionsempfindlichkeit
10.3 Auslegungsgesichtspunkte für Axialverdichter 1097
und zum anderen das Bruchverhalten, speziell bei Vogelschlag. Auf Grund dieser Gege-
benheiten schlagen die Konstrukteure eine Werkstoffkombination von Metall und CFK in
Hybridbauweise vor, Abb. 10.34 links. Bei einer solchen Hybridlösung würde der in Strö-
mungsrichtung oben hinten liegende Teil des Schaufelblattes in CFK ausgeführt werden
und der vordere Blattbereich aus Titan-Matrix Verbundwerkstoff (TMC) oder auch aus
unverstärktem Titan. Dieses würde sowohl der Erosion und dem Vogelschlag Rechnung
tragen, da deren Wirkung im Wesentlichen im vorderen Blattbereich liegen, als auch zu
einer Reduzierung der Schaufelmasse von ca. 20 % beitragen. Da diese Gewichtseinsparung
im äußeren Schaufelbereich mit der höchsten Fliehkraftbelastung erfolgt, hat dies einen
überproportional großen Effekt auf die mechanische Entlastung im Schaufelfußbereich
bzw. auf die Scheibenrandlasten.
Rein keramischen Werkstoffen wird wegen ihres nahezu dehnungslosen Bruchver-
haltens und auf Grund der in der Luftfahrt geforderten Sicherheitsaspekte im Bereich
der Luftfahrzeugantriebe praktisch kaum eine wesentliche Anwendung eingeräumt. Von
der heutigen Warte aus gesehen, wird sich ihr Einsatz auf Titanfeuerschutzschichten im
Gehäuse beschränken.
und instabilen Verdichterzustände behandeln, wird dann mit diesem Wissen nochmals
auf die aeromechanische Verdichtergestaltung eingegangen werden.
Bei der Entwicklung und insbesondere der aerodynamischen Auslegung eines moder-
nen Triebwerksverdichters reicht es also nicht mehr aus, einzelne Schaufeln und/oder
Stufen separat zu behandeln, vielmehr ist es bereits in der Entwurfsphase erforderlich, das
komplette dreidimensionale Strömungsfeld im Verdichter zu betrachten und zu optimie-
ren. Zum Beispiel liegt bereits im ersten Laufrad eines Verdichters ein sehr komplexes
Strömungsfeld vor, mit hohen subsonischen Geschwindigkeiten im Nabenbereich und
Strömungsverzögerungen von supersonisch nach subsonisch im gehäusenahen Schaufel-
bereich. Eine solche Strömung ist durch ein komplexes System räumlich gekrümmter
Verdichtungsstöße gekennzeichnet, die mit den Schaufelgrenzschichten in erheblicher
Wechselwirkung stehen. Hinzu kommen komplizierte Spaltströmungen zwischen den
Laufradblattspitzen und dem Verdichtergehäuse. Im Bereich der Aerodynamik liegt heut-
zutage die Vorhersagegenauigkeit beim Wirkungsgrad bei ± 1.5 %, beim Durchsatz bei
± 3 % und beim Abstand zur sog. Abreißgrenze (siehe hierzu das nächste Kap. 10.4)
bei − 5 % bis + 10 %. Die relativ große Ungenauigkeit in der Abreißgrenzenbestimmung
liegt in der immer noch unzureichenden physikalischen Beschreibung der äußerst kom-
plizierten Strömung, die selbst mit den neuen 3D-Navier-Stokes-Lösungsverfahren nicht
ausreichend genau erfasst werden kann. Es wird noch sehr großer Anstrengung bedürfen,
um hier zu wirklich wesentlichen Verbesserungen zu kommen.
10.3 Auslegungsgesichtspunkte für Axialverdichter 1099
Ein weinig anders stellt sich das Problem bei der Schaufelschwingungsmechanik dar.
Die Berechnung der Eigenfrequenzen für ein geometrisches Sollprofil gelingt heute auf
± 1.5 % genau12 . Ungenauigkeiten ergeben sich schließlich nur als Folge von Geometrie-
abweichungen von der Sollschaufel und durch Streuungen in den Einspannbedingungen
der jeweiligen Schaufel. Diese praktisch unbegrenzte Geometrievielfalt innerhalb der Fer-
tigungstoleranzen ergibt für die Biege- und Torsionsschwingungsformen ein akzeptables
Toleranzfeld von ca. ± 2.5 %. Für die gefährlichen, weil nahezu ungedämpften Querbiege-
oder Plattenschwingungsmoden jedoch ein viel breiteres Streuband von ca. ± 7 %. Letz-
teres bedeutet eine massive Einschränkung der Gestaltungsfreiheit und erschwert die
Abstimmung stark. So weit der experimentelle Nachweis überhaupt möglich ist, gelingt
die Vorhersage der Flatterstabilität auf ca. ± 3 %.
Ähnlich wie bei der Schaufelschwingungsmechanik wird das Verhalten der Wellendy-
namik im Gesamtsystem durch Toleranzen und Streuungen in den Passungen zwischen
den Bauteilen und daraus resultierenden Steifigkeitsänderungen beeinflusst. Die Vor-
herbestimmung kritischer Drehzahlen kann heutzutage mit ± 5 % und die Berechnung
dynamischer Lasten mit sehr guten ± 10 % angegeben werden. Grundsätzlich anders ori-
entiert sich die Berechnung der statischen und niederfrequenten Wechselfestigkeit von
Scheiben. Da es sich hier um Bauteile handelt, die unter gar keinen Umständen im Be-
trieb zu Bruch gehen dürfen, muss ein umfassendes System von Berechnungsverfahren,
Werkstoff- und Bauteilqualitätsprüfmethoden sowie fortschreitender Lebensdauerfreiga-
be über kontinuierlich fortgesetzte Schleuderprogramme installiert sein, das schließlich
eine sichere Mindestlebensdauer zwischen den Inspektionsintervallen garantiert.
12
Alle hier angegebenen Zahlenwerte beruhen auf Angaben der MTU Aero Engines in München.
1100 10 Verdichter
PW 6000
Airbus A318
HDV12
Abb. 10.36 Hochdruckverdichter HDV12 der MTU Aero Engines in München für das Triebwerk
PW6122 A(F = 98,3 kN), den Antrieb des „Mini-Airbus“ A318, oder PW6124A (F = 105,9 kN)
In Deutschland bezieht die MTU Aero Engines ihre Verdichtertechnologie aus den
militärischen Programmen RB199 und EJ200, dem E3E Luftfahrtforschungsprogramm
und auch aus eigenfinanzierten Entwicklungen. Der aus diesen Programmen hergeleitete
Hochdruckverdichter HDV12, Abb. 4.84, für ein ziviles Kerntriebwerk ist zu rund 30 %
eigenfinanziert. Dieser neue zivile sechsstufige transsonische Hochdruckverdichter wur-
de 2002 mit dem Innovationspreis der deutschen Wirtschaft ausgezeichnet und hat als
Kompressor für das PW6000 die ersten Dauereinsätze hinter sich. Das PW6000 mit dem
MTU-Verdichter kommt am so genannten „Mini-Airbus“ A318 zum Einsatz, Abb. 10.36.
10.4 Verdichterkennfeld
Soll ein Triebwerk durch Betätigung des Schubhebels (Thrust Lever) beschleunigt werden,
so wird dabei über die Kraftstoffpumpe mehr Brennstoff zugeführt und in der Brennkam-
mer verbrannt, wodurch die Turbineneintrittstemperatur steigt, der Heißgasstrom durch
die Turbine zunimmt und so die Triebwerksdrehzahl ansteigt. Dies führt zu einem ver-
mehrten Ansaugen von Luft und so schließlich – nach deren thermischer Beschleunigung
im Triebwerk – zu einer Schubsteigerung. Im Gleichgewichtszustand ist dabei die ein- und
ausströmende Luftmasse identisch. Bei kurzzeitigen Änderungen, so genannten transien-
ten Vorgängen, wie sie z. B. beim Beschleunigen oder Verzögern des Triebwerks auftreten,
ist dieses nicht mehr der Fall, da es hierbei zu einer „Störung“ des Leistungsgleichgewichts
10.4 Verdichterkennfeld 1101
Boosterstufen
Abblaseventil hinter dem Niederdruckverdichter
des NDV
Hochdruckverdichter
Abb. 10.37 Schnittdarstellung des zweiwelligen Turbofantriebwerks CF6-80A von General Electric
zwischen Turbine und Verdichter kommt, sodass für eine gewisse Zeit die durch den Ver-
dichter zuströmende Luftmasse unterschiedlich von der aus der Turbine abströmenden
sein kann. Hierdurch kommt es häufig zu instabilen Betriebszuständen im Verdichter.
Bei mehrwelligen Triebwerken z. B. (Abb. 10.37) ergibt sich ein aus Nieder- und Hoch-
druckteil bestehendes, mechanisch entkoppeltes – aber aerodynamisch streng gekoppeltes
– System von zwei Verdichtern, die aufeinander abgestimmt werden müssen. Daraus ergibt
sich die Forderung, dass der Hochdruckverdichter, der mit einer anderen Drehzahl läuft
als der Niederdruckverdichter, die vom Niederdruckteil (Booster-Stufen) angelieferte Luft
aufnehmen und verarbeiten kann. Dies ist bei niedrigen Drehzahlen i. Allg. nicht möglich,
sodass der Hochdruckverdichter dann wie eine Drossel13 für den Niederdruckverdichter
wirkt, d. h., seinen Durchfluss begrenzt. Auch bei den transienten14 Vorgängen kommt so
zu solchen Problemen. Bei Brennstoffzufuhr zum Triebwerk reagiert z. B. der Hochdruck-
verdichter wegen seines geringeren Massenträgheitsmoments viel dynamischer darauf als
der „trägere“ Niederdruckverdichter. Beim Beschleunigen des Triebwerks wird der Nie-
derdruckverdichter durch den stark ansaugenden Hochdruckverdichter entlastet, während
er beim Verzögern einen zu hohen Massenstrom für den Hochdruckverdichter anliefert
13
Drossel, Drosselklappe: Vorrichtung in Strömungskanälen (Rohrleitungen) zum Absperren, Ver-
ringern oder Hemmen von Durchflüssen (in Anlehnung an „erdrosseln“). Vom althochdeutschen
Wort „Drozza“ für „Kehle“ abgeleitet, was im Englischen „Throat“ heißt und dort im technischen
Bereich als Wort für einen „einengenden Querschnitt“ verwendet wird.
14
Beschleunigungs- oder Verzögerungsvorgänge, also Vorgänge, die nicht über einen längeren
Zeitraum stabil existieren.
1102 10 Verdichter
Bellmouth-Einlauf
Verdichter Verstellkonus
(Drossel)
Motor
d e
Abb. 10.38 Prinzipskizze zum Aufbau einer Verdichterversuchseinrichtung zur experimentellen
Ermittlung eines Verdichterkennfeldes
und so angedrosselt wird. Eine andere Variante des Verdichterdrosselns, die ebenfalls zu
instabilen Betriebszuständen führen kann, stellt sich z. B. ein, sobald durch die Schubdüse
der Massenabfluss begrenzt wird.
Die Beherrschung solcher und ähnlicher Vorgänge sind für den Verdichter und das
gesamte Triebwerk von vitalem Interesse. Nur durch regelungstechnische Eingriffe ge-
lingt es, dem Eintreten instationärer Betriebszustände vorzubeugen. Durch eine Regelung
werden beispielsweise Abblaseventile (Abb. 10.37) angesteuert, über die überschüssige
Luft in den Bypass-Kanal des Sekundärkreises abgelassen und so der Verdichter entlastet
werden kann. Für solche Maßnahmen ist aber die Kenntnis des Betriebsverhaltens des Ver-
dichters in seinem gesamten Drehzahlbereich erforderlich. Zu diesem Zweck werden in
Prüfstandsversuchen sog. Kennfelder aufgenommen, die das Verdichterbetriebsverhalten
dokumentieren. Prinzipiell ist in einem solchen Kennfeld das Verdichterdruckverhältnis
über dem Verdichtermassenstrom aufgetragen. Parameter sind dabei die Drehzahl und
der isentrope Verdichterwirkungsgrad.
Mit dem in Abb. 10.38 rein prinzipiell dargestellten Aufbau kann ein Verdichter kon-
trolliert gedrosselt werden. Dazu wird der Verdichter über einen Motor mit konstant
gehaltener Drehzahl (n = const) betrieben und gleichzeitig der Verstellkonus in den Strö-
mungskanal hineingefahren. Dadurch wird der Massenstrom, der durch den Verdichter
strömt – infolge des Drosselvorganges – abnehmen, und sich hinter dem Verdichter –
da die verdichtete Luft nicht so schnell abfließen kann – ein erhöhter Druck aufbauen.
Der linke Teil von Abb. 10.39 zeigt diesen Vorgang in einem Diagramm, in dem das Ver-
dichterdruckverhältnis über dem Verdichtermassenstrom aufgetragen ist. Die sich dabei
ergebenden experimentellen Kurven werden als Drossel- oder Drehzahlkurven bezeichnet,
da sie durch einen Drosselvorgang bei konstanter Drehzahl (n = const) ermittelt werden.
Beim Drosseln mit konstanter Drehzahl geht der Massenstrom zurück und die Dichte
steigt mit dem Druckverhältnis (Verdichtung) an. Bei konstant bleibendem Strömungs-
10.4 Verdichterkennfeld 1103
πV Zusammenbruch der
geordneten Verdichterströmung
Verdichterdruckverhältnis
Strömungs-
drosseln ablösung
bei zu steiler
Anströmung
Linie
n = const
u = r ω = const bzw.
Drossel- oder n = const
Drehzahllinie
v
·
m
Verdichtermassenstrom
m· = ρ · cax · A c ax
Verringerung des
Axialgeschwindigkeitsniveaus
bei konstanter Drehzahl
ze
ren
pg
um
P
n10
n5
n4
n3
n2 n 10
n5 <
n1 n1 < .
m
Hinsichtlich der bisherigen Darstellung des Kennfeldes ist nun eine wichtige Ergänzung zu
machen. Der Massenstrom und die Drehzahl werden dort nicht in der bisher dargestellten
Form verwendet, sondern als so genannte „reduzierte Kennfeldgrößen“. Sie gehorchen da-
bei dem Machschen Ähnlichkeitsgesetz der Strömungsmechanik, nach dem Strömungen
dann mechanisch ähnlich sind, wenn sie geometrisch ähnliche Stromlinienbilder aufwei-
sen. Von daher heißen Verdichterkennfelder auch manchmal „Ähnlichkeitskennfelder“.
Ein Verdichterkennfeld ermöglicht damit eine Betrachtung von ähnlichen Betriebszustän-
den eines Verdichters. Die Reynoldssche Ähnlichkeit wird hierbei häufig in einer ersten
Näherung außer Acht gelassen, obwohl sie eine wichtige Einflussgröße ist. Über die Einbe-
ziehung der Reynoldszahl in die Verdichter- und Kennfeldbetrachtungen ist z. B. einiges
bei Grieb (2004) und Grieb (2009) zu finden.
Zwei Betriebspunkte eines Verdichters sind dann ähnlich und miteinander vergleich-
bar, wenn alle Machzahlen innerhalb eines Verdichters jeweils identisch sind. Ist also an
einem Betriebstag mit einem gewissen Umgebungszustand p0 , T0 (Ansaugzustand) ein
bestimmter Betriebspunkt eines Verdichters eingestellt worden, und soll Tage später –
bei einem anderen, wetterbedingten Umgebungs- bzw. Ansaugzustand p0 , T0 – dersel-
be Betriebspunkt noch einmal eingestellt werden, so ist das nur dann korrekt möglich,
wenn an beiden Tagen in den Strömungen des Verdichters auch dieselben Machzahlen
vorliegen15 (Machsche Ähnlichkeit). Da es aber nur wenig praktikabel ist, zum Einstellen
der Betriebspunkte jeweils die Strömungsmachzahlen zu bestimmen, werden vielmehr die
Drehzahlen und Massenströme nach der Machschen Ähnlichkeit umgerechnet, als redu-
zierte Drehzahl und als reduzierter Massenstrom bezeichnet, und dann z. B. die jeweils so
ermittelten reduzierten Drehzahlen eingestellt. Dieselbe Argumentation gilt auch dann,
15
Machzahlen werden von der Umgebungstemperatur T0 und Massenströme von den Umgebungs-
bedingungen p0 und T0 (Druck und Temperatur) beeinflusst.
10.4 Verdichterkennfeld 1105
Ein unmittelbarer Vergleich der beiden Gln. (10.112) und (10.114) zeigt, dass sich eigent-
lich nur die statischen Größen in Totalgrößen gewandelt haben. Die Ausdrücke links und
rechts des Gleichungszeichens in der Gl. (10.114) werden per Definition als reduzierter
Massenstrom bezeichnet:
√
Tt √
ṁred := ṁ · mit der Dimension [m · s · K] (10.115)
pt
Der Massenstrom ṁ auf der rechten Gleichungsseite wird als natürlicher Massenstrom
bezeichnet. Die Totalgrößen zur Bestimmung des reduzierten Massenstroms sind diejeni-
gen am Verdichtereintritt, z. B. pt2 und Tt2 . Für einen Hochdruckverdichter sind es analog
dazu die totalen Austrittsgrößen des vorgeschalteten Niederdruckverdichters, die dann die
Eintrittsgrößen in den Hochdruckverdichter sind.
Mit der Gl. (18.242) werden die statischen Temperaturen jeweils in Totaltemperaturen
und Machzahlen gewandelt:
1/2 1/2
nI κ −1 nII κ −1
· 1+ · MauI
2
= · 1+ · MauII
2
(10.122)
TtI 2 TtII 2
Die Ausdrücke links und rechts des Gleichungszeichens werden per Definition als redu-
zierte Drehzahl bezeichnet. Wie schon beim reduzierten Massenstrom, so kann auch hier
– zur Vermeidung der unhandlichen Dimension – eine Normierung mit Tref = 288,15 K
erfolgen:
Tref 288.15
nred = n · =n· [min−1 ] (10.124)
Tt Tt
Die Drehzahl n auf der rechten Gleichungsseite wird als natürliche Drehzahl bezeichnet.
Die Totaltemperatur zur Bestimmung der reduzierten Drehzahl ist diejenigen am Verdich-
tereintritt, z. B. Tt2 . Für einen Hochdruckverdichter ist es analog dazu die Totaltemperatur
am Austritt des vorgeschalteten Niederdruckverdichters.
Da die Referenzgrößen pref und Tref beim reduzierten Massenstrom und bei der redu-
zierten Drehzahl – vom Prinzip her – völlig beliebig gewählt werden können, ist es sinnvoll,
die jeweils verwendeten Zahlenwert mit im Kennfelddiagramm zu vermerken.
10.4.3.1 Axialverdichter
Abbildung 10.41 zeigt ein für einen Axialverdichter typisches Kennfeld. Es ist das Verdich-
terdruckverhältnis πV über dem reduzierten Massenstrom ṁred aufgetragen. Parameter
sind die reduzierte Drehzahl nred und der isentrope Verdichterwirkungsgrad ηVs . Nach
links wird der Kennfeldbereich, in dem der Verdichter betrieben werden sollte, durch die
bereits erwähnte Pumpgrenze eingeschränkt und nach rechts durch die sog. Schluckgren-
ze. Letztere beschreibt den maximal möglichen Massendurchsatz bzw. das sog. Sperren
des Verdichters. Erreicht ein Verdichter bei konstanter Drehzahl die Schluckgrenze, so
zeigt sich das im Kennfeld durch einen senkrechten Verlauf der Drehzahllinien (der Mas-
senstrom verändert sich nicht mehr). Zwischen der Pump- und Schluckgrenze liegt die
1108 10 Verdichter
Muschelkurven oder
πV Linien konstanten isentropen
Wirkungsgrades ηVs = const
Pumpgrenzen-
abstand
(ηVs)max
AP
ze
en
p gr
m AP = Auslegungspunkt
Pu re ie
nä lin BP = Betriebspunkt
t io ebs
a i
Pumpgrenzen- st etr
abstand B
Schluckgrenze
BP
ηred = const
red
m
Abb. 10.41 Musterkennfeld eines Axialverdichters zur Erklärung des Kennfeldaufbaus und der
Kennfeldbezeichnungen
sog. stationäre Betriebslinie des Verdichters. Das ist die Linie, auf der alle stationären
Betriebspunkte BP liegen. Wird die Verdichterdrehzahl sehr langsam erhöht, so wird
die Drehzahlerhöhung entlang der stationären Betriebslinie erfolgen. Die Lage der Be-
triebslinie wird so gewählt, dass in jedem Betriebspunkt ein ausreichender Abstand zur
Pumpgrenze gewährleistet ist, woraus sich die Definition des Pumpgrenzenabstandes eines
Axialverdichters πPGAV , auch manchmal Pumpgrenzenreserve genannt, ergibt:
πVPG − πVBP
πPGAV := · 100 in [%] (10.125)
πVBP − 1
Hierin ist πVPG das Verdichterdruckverhältnis auf der Pumpgrenze (senkrecht über
einem Betriebspunkt BP) und πVBP das zugehörige Druckverhältnis in dem zu betrach-
tenden Betriebspunkt. Obwohl die besten Druckverhältnisse und Wirkungsgrade immer
nahe bei der Pumpgrenze liegen, werden sie aus Sicherheitsgründen nicht als stationäre
Betriebspunkte gewählt. Nur bei transienten Vorgängen lässt es die Regelung (streng kon-
trolliert) zu, dass der Verdichter im Bereich abseits der stationären Betriebslinie betrieben
wird, wobei aber die Pump- und Schluckgrenze nicht überschritten werden.
Ein besonderer Betriebspunkt ist der Auslegungspunkt AP. Dieses ist der Punkt, in dem
der Verdichter im wesentlichen Teil seiner Betriebszeiten arbeitet. Für diesen Punkt wird
der Verdichter geometrisch, aero-thermodynamisch und mechanisch optimiert.
In manchen Kennfeldern wird der reduzierte Massenstrom und die reduzierte Drehzahl
mit den Daten dieses Auslegungspunktes normiert, d. h., Drehzahl und Massenstrom
haben hier einen Wert von 100 %, Abb. 10.42.
10.4.3.2 Radialverdichter
Abbildung 10.42 zeigt ein Radialverdichterkennfeld, das auf den ersten Blick dem ei-
nes Axialverdichters ähnlich zu sein scheint. Im Detail sind aber durchaus signifikante
Unterschiede zu erkennen. Gegenüber dem Axialverdichter:
10.4 Verdichterkennfeld 1109
πV Pumpgrenze
110%
105%
Auslegungspunkt
Auslegungs- nred = 100%
π V,AP
druckverhältnis AP stationäre
95% Betriebslinie
(ηVs)max
90%
Betriebs-
punkt ηVs = 80%
80%
70%
BP ηVs = 78%
ηVs = 76%
red
m
100%
Der Pumpgrenzenabstand (Distance From Surge, DFS) des Radialverdichters wird dabei
häufig wie folgt definiert:
ṁredPG · πVBP − 1
πPGRV := 1 − (10.126)
ṁredBP · πVPG − 1
Hier weist der Index BP auf den Betriebspunkt hin und der Index PG auf die Pumpgrenze,
wobei nun – anders als beim Axialverdichter – die jeweiligen Größen mit den Indizes BP
und PG auf ein und derselben Drehzahlkurve liegen.
Beispiel 10.6
Axialverdichterkennfeld. Zu diesem Beispiel gehört das Verdichterkennfeld auf der
nächsten Seite. Der zugehörige Verdichter wird auf einem Prüfstand (Bodenstandfall)
bei seiner Auslegungsdrehzahl nAP = 8 383 min−1 betrieben. In der Versuchshalle
beträgt der Ansaugzustand p0 = 970 hPa, T0 = 301 K. Am Verdichteraustritt wird ein
Totaldruck von pt3 = 5 230 hPa gemessen.
1110
p C
t2
π V = pt3
B
6
AP
5
A
0.88
n ze
ηVs
gre
mp 0.87
4 Pu
0.86
ie 0.8854
bslin 0.
trie 0.82
Be
0.84
0.78
Verdichterdruckverhältnis
3
D 7800 8600 9400
7400 8200 9000
7000 288
n Tt2
2 6600 l in [1/min]
rehzah
6200 reduzier te D
5800
5400
5000
1
20 30 40 50 60 T t2 101 300 70
m p t2
reduzierter Massenstrom in [kg/s] 288
10 Verdichter
10.4 Verdichterkennfeld 1111
Es ist der Betriebspunkt BP, der hier identisch mit dem Auslegungspunkt AP ist,
zu ermitteln und in das Verdichterkennfeld einzutragen. Der Totaldruckverlust
im Verdichtereinlauf beträgt πE = 0.98. Darüber hinaus ist der vom Verdichter
aufgenommene natürliche Luftmassenstrom ṁ zu ermitteln.
Tt0 = T0 = 301 K
pt2
Einlaufverluste: πE = 0.98 =
pt1
pt2 = πE · pt1 = 0.98 · 0.97 · 105 = 0.9506 · 105 Pa
Der Schnittpunkt von πV und nred ergibt im Kennfeld die Position des Betriebspunktes,
der hier dem Auslegungspunkt AP entspricht. Wenn die stationäre Betriebslinie vorge-
geben ist, würde auch die Bestimmung einer einzigen Zusatzgröße, wie z. B. nred oder
πV , genügen, um den Betriebspunkt einzeichnen zu können. Beim Auslegungspunkt
AP kann nun auf der Abszisse der reduzierte Massenstrom abgelesen werden.
Wie in Abb. 4.5 dargestellt, soll nun der Verdichtereinlauf mit einem Schutzsieb ver-
sehen werden. Wie verlagert sich der Auslegungspunkt AP im Verdichterkennfeld,
wenn sich durch den Vorbau des Siebes die Einlaufverluste um drei Prozentpunkte auf
πE = 0.95 erhöhen? Der Ansaugzustand p0 , T0 und die natürliche Drehzahl n = nAP blei-
ben unverändert. Zudem ist zu ermitteln, welchen Einfluss das Sieb auf den natürlichen
Massenstrom hat.
Gegenüber dem vorherigen pt3 hat sich der jetzige Wert um 3 % verringert, was
den erhöhten Einlaufverlusten entspricht. Die reduzierte Drehzahl nred und das Ver-
dichterdruckverhältnis πV = pt3 /pt2 bleiben konstant, woraus folgt, dass sich der
Auslegungspunkt AP im Kennfeld nicht verändert. Demzufolge verändert sich auch
der reduzierte Massenstrom nicht.
Tt2 101 300
wegen pt2 = const und wegen ṁred = ṁ · ·
288 pt2
wird sich aber der natürliche Massenstrom ändern
pt2 288 0.9215 · 105 288
ṁ = ṁred · · = 67.5 · · = 60.1 kg/s
101 300 Tt2 101 300 301
Gegenüber dem vorherigen natürlichen Massenstrom hat sich der jetzige Wert um ca.
3 % verringert, was den erhöhten Einlaufverlusten entspricht. Es ist nun zu ermitteln,
wo auf der stationären Betriebslinie die folgenden vier Flugfälle liegen, wenn in allen
Fällen die natürliche Verdichterdrehzahl n = nAP = const bleibt.
A Bodenschnellflug H0 = 0 km T0 = 288 K Ma0 = 0.9
B Unterschallreiseflug H0 = 11 km T0 = 217 K Ma0 = 0.9
C Langsamflug in großer Höhe H0 = 11 km T0 = 217 K Ma0 = 0.6
C Überschallreiseflug H0 = 15 km T0 = 217 K Ma0 = 2.5
κ −1 288
Benötigte Formeln Tt2 = T0 · 1 + · Ma02 nred = n ·
2 Tt2
288
A Tt2 = 288 · 1 + 0.2 · 0.9
2
= 334.7 K nred = 8 383 · = 7 777 min−1
334.7
288
B Tt2 = 217 · 1 + 0.2 · 0.92 = 251.6 K nred = 8 383 · = 8 969 min−1
251.6
288
C Tt2 = 217 · 1 + 0.2 · 0.62 = 232.1 K nred = 8 383 · = 9 338 min−1
232.1
288
D Tt2 = 217 · 1 + 0.2 · 2.52 = 487.1 K nred = 8 383 · = 6 446 min−1
487.1
Die Ergebnisse A bis
D sind in dem zur Aufgabe gehörenden Kennfeld (zu Beginn die-
ser Aufgabe) eingetragen worden. Insbesondere der Flugzustand C wäre für den Ver-
dichter kritisch, da hier das Einsetzen von Verdichterpumpen zu erwarten ist, wie wir in
den weiteren textlichen Ausführungen des nachfolgenden Kapitels noch sehen werden.
Die Unterschiede bei den vom Verdichter angesaugten natürlichen Massenströmen,
ṁ0 = ρ0 · c0 · A0 = [p0 /(Ri · T0 )] · c0 · A0 , die hier im Beispiel von Ma0 und T0 be-
einflusst werden, wirken sich wegen n = const unterschiedlich auf das Arbeitsverhalten
des Verdichters aus. Im Fall C ist der natürliche Massenstrom klein. Da sich in allen
10.5 Instabile Verdichterzustände 1113
hier vorliegenden Fällen der reduzierte und der natürliche Massenstrom reziprok zu-
einander verhalten, steigt ersterer im Fall C an. Die geringe Totaltemperatur Tt0 = Tt2 ,
die das Resultat der kleinen Flugmachzahl Ma0 ist, lässt außerdem die reduzierte Dreh-
zahl nred ansteigen und treibt so den Verdichter in die kritische oberer rechte Ecke des
Kennfeldes. Der Überschallflug, Fall , D entlastet den Verdichter, da ein größerer Teil
der Verdichtung bereits vor dem Verdichter durch den aerodynamischen Aufstau auf
einen höheren Druck pt0 = pt2 erfolgt. Der Verdichter selbst muss dann nur noch wenig
zur endgültigen Verdichtung auf den Verdichtungsenddruck pt3 = πV · pt2 beitragen.
Wie groß muss in H0 = 11 km Höhe die Flugmachzahl Ma0 sein, damit der Verdichter
in seinem Auslegungspunkt AP bei n = nAP betrieben wird?
288 288
nred = n · = 8 383 · = 8 200 min−1
Tt2 Tt2
8 383 2
⇒ Tt2 = 288 · = 301 K T0 = 217 K
8 200
2 Tt2 301
Ma0 = · −1 = 5· − 1 = 1.4
κ −1 T0 217
Wenn also das Triebwerk mit der Machzahl Ma0 = 1.4 in 11 km Höhe betrieben wird,
dann entspricht dieser Betriebspunkt BP nach der Machschen Ähnlichkeit auch dem
Auslegungspunkt AP.
Abbildung 10.43 zeigt beispielhaft die Entwicklung des Schubes eines Einwellentriebwerks
mit dessen Drehzahl, wobei Schub und Drehzahl mit dem jeweiligen Maximalwert di-
mensionslos gemacht wurden. Aus der Darstellung geht hervor, dass Schubänderungen
um mehr als 70 Prozentpunkte durch eine Variation von nur rund 17 Prozentpunkten im
hinteren Ende der Drehzahlskala erreicht werden. Dieses Verhalten ist mit den Darstellun-
gen in Abb. 10.2 zu erklären, woraus hervorgeht, dass eine Verdichterbeschaufelung nur
in einem sehr engen Inzidenzbereich wirkungsvoll arbeitet. Die Drehzahl, die Profilform,
die Gittergeometrie, die Schaufel- und Stufenanzahl und auch die Geometrie des axialen
Strömungskanals werden für den Auslegungspunkt, der gewöhnlich dem Reiseflugfall ent-
spricht, optimiert. Abweichungen davon, d. h., veränderte Inzidenzwinkel, verschlechtern
die Verdichterleistung zunehmend, und bei großen positiven Inzidenzen, die bei kleinen
Drehzahlen auftreten, sogar sehr drastisch, Abb. 10.17.
1114 10 Verdichter
50%
AP
n
0%
50% 60% 70% 80% 90% 100% nTO
idle cruise
take-off
c c
c ax c ax
Laufrad einer Laufrad einer
(c ax)AP vorderen Stufe (c ax)AP hinteren Stufe
Abb. 10.44 Veränderungen der Geschwindigkeitsdreiecke am Laufradeintritt der ersten und der
letzten Stufen eines Axialverdichters, für Drehzahlen n nAP
Hoch- und Runterfahren des Verdichters, wenn Bereiche n nAP durchfahren werden
müssen, wird der Verdichter seine Schluckgrenze zuerst in den letzten Stufen erreichen,
die dann zu Sperren (Choking) beginnen, ṁ = ρ ·cax ·A, wobei die Größe des Massenstrom
ṁ von der erreichten Dichte ρ und der Axialgeschwindigkeit cax mit bestimmt wird. Wie
viel Masse davon schließlich effektiv noch durch die Schaufelpassagen strömen kann, hängt
von deren Schaufelabstand (Teilung), der Schaufelwölbung und dem Zuströmwinkel ab,
Abb. 10.18. Ablösezonen auf den Schaufeln können den durchströmbaren Querschnitt zu-
sätzlich verengen, Abb. 10.27. In Anlehnung an Abb. 10.15 sei noch einmal daran erinnert,
dass im Laufrad der letzten Stufe die höchste Relativgeschwindigkeit zuerst im Außen-
schnitt erreicht werden wird. Im nachfolgenden Leitrad ist die höchste Geschwindigkeit
die Absolutgeschwindigkeit im Nabenschnitt.
Des Weiteren zeigt Abb. 10.44, dass für n nAP das Abreißen Strömung – wegen zu
steiler Anströmung, d. h., wegen zu großer positiver Inzidenz – in den ersten Stufen begin-
nen wird, die dann u. U. nicht mehr zur Druckerhöhung beitragen können. Da aber das
Axialgeschwindigkeitsniveau cax in Strömungsrichtung zunimmt, arbeiten nachfolgende
Stufen wieder weitestgehend „gesund“, d. h., in einem akzeptablen Inzidenzbereich. Folgen
also einer abgerissenen Stufe weitere nicht abgerissene Stufen, so wird der Verdichter in
seiner Gesamtheit dennoch stabil arbeiten können. Die hinteren Stufen werden durch den
kleiner werdenden Inzidenzwinkel entlastet und tragen damit immer weniger zu Druck-
erhöhung bei und können unter Umständen sogar druckseitig abreißen (müssen sie aber
nicht). Bei geringen Drehzahlen wird die Druckerhöhung eines Axialverdichters also im
Wesentlichen nur in seinen mittleren Stufen erfolgen. Die Verdichterdruckverhältnisse
sind entsprechend klein.
Zwischen den so veränderten Strömungsbedingungen im Ein- und Austrittsbereich
des Verdichters, die zum einen zu positiven und zum anderen zu negativen Inzidenzen
1116 10 Verdichter
ψh η Vs
1
ψh = 1− C ϕ .
saugseitiger ideal mit α I, β II = const
Strömungs-
abriss ψhreal
0.5
(ηVs)max
ηVs
druckseitiger Strömungsabriss
Sperren
0 ϕ
0 1
führen, wird irgendwo – etwa in der Mitte des Verdichters – eine Stufe existieren, deren
Inzidenzwinkel bei fast allen Drehzahlen nahezu unverändert bleibt. Diese Stufe wird als
so genannte Pivotstufe (Pivot Stage) bezeichnet. Vor der Pivotstufe nimmt die Stufenbela-
stung in Richtung Verdichtereintritt zu, bis dort die ersten Stufen abreißen, und hinter der
Pivotstufe nimmt die Stufenbelastung in Richtung Verdichteraustritt ab, sodass die letzten
Stufen aerodynamisch nahezu unbelastet mitdrehen (Windmilling), dabei aber durchaus
zum Sperren neigen können, da die Ablösegebiete in den Schaufelpassagen diese effek-
tiv verkleinern und dadurch das Sperren begünstigen. Die Stufenbelastung kann durch
die Enthalpiekenngröße ψh = cp · Tt /u2 und das Axialgeschwindigkeitsniveau durch
die Durchflusskenngröße ϕ = cax /u beschrieben werden. Durch Kombination der Gln.
(8.120) und (8.122) ergibt sich dafür der folgende Zusammenhang:
1
ψh = ϕ · (cot α2 − cot α1 ) mit cot α2 = + cot β2 ergibt
ϕ
1
ψh = ϕ · + cot β2 − cot α1 = 1 − ϕ · ( cot αI − cot βII ) (10.127)
ϕ
Der Klammerausdruck ist für alle üblichen Strömungswinkel immer positiv, sodass Gl.
(10.127) eine Gerade der Form ψh = 1 − C · ϕ beschreibt. Wird hierin in erster Näherung
C := cot αI − cot βII = const gesetzt, so gibt sich eine Gerade mit negativer Steigung, die
für ϕ = 0 bei ψh = 1 beginnt (vgl. hierzu auch die Diskussion zu Abb. 8.65 zum Thema
ψ-ϕ-Charakteristik). Das Ergebnis zeigt Abb. 10.45, mit der allgemeinen Tendenz, dass
die Stufenbelastung mit steigendem ϕ (bzw. steigendem cax oder steigendem Durchfluss)
abnimmt, vgl. hierzu auch Abb. 8.65. Im Realfall werden αI und βII natürlich nicht kon-
stant sein, sondern mit den jeweiligen Betriebsbedingungen variieren, sodass der reale
Kurvenverlauf unterhalb der Idealkurve liegt. Auf Grund der in Abb. 10.44 skizzierten
Strömungsabrisse kommt es bei kleinen und großen Durchflüssen – im Grenzbereich – zu
einem Zusammenbruch der Stufenbelastung ψh und vorher bereits zu rapiden Einbrüchen
beim Wirkungsgrad, Abb. 10.45 unten.
10.5 Instabile Verdichterzustände 1117
v
u
u v
c
c
(c ax )AP c ax
c ax Laufrad einer Laufrad einer
vorderen Stufe (c ax )AP hinteren Stufe
Abb. 10.46 Veränderungen der Geschwindigkeitsdreiecke am Laufradeintritt der ersten und der
letzten Stufen eines Axialverdichters, für Drehzahlen n > nAP
Nach Abb. 10.45 scheint es klug zu sein, im Auslegungspunkt des Verdichters die
Größen ψh und ϕ für jede Stufe so zu wählen, dass der isentrope Wirkungsgrad jeweils
seinen Maximalwert (ηVs )max erreicht. Wobei der maximale Wirkungsgrad immer nahe
beim Abreißpunkt infolge positiver Inzidenz liegt. Abbildung 10.44 hatte aber gezeigt,
dass diese Verhältnisse – wird der Verdichter außerhalb des Auslegungspunktes betrieben
– in den einzelnen Stufen nicht mehr gegeben sind. Damit die einzelnen Stufen nun
nicht zu sehr in den positiven oder negativen Strömungsabriss getrieben werden und der
Verdichter zu heftigen Instabilitäten neigt, ist es sinnvoll, für die gefährdeten Stufen nach
Kompromissen zu suchen, die sowohl im Auslegungspunkt als auch außerhalb davon
zu befriedigenden Lösungen führen. Ein Vorgang, der im Englischen als Stage Stacking
bezeichnet wird. Tiefer gehende Informationen und weitergehende Literaturhinweise zu
diesem Thema sind z. B. bei Wilson und Korakianitis (1998) zu finden.
(gestrichelt) gegenüber dem Auslegungsfall (grau). Es ist gut zu erkennen, dass die höch-
ste auftretende (gestrichelte) Geschwindigkeit die Relativgeschwindigkeit v in den ersten
Stufen ist, und zwar diejenige, die sich bei der höheren Drehzahl ergibt. Hier liegt auch
das höchste cax vor. Der Verdichter wird also jetzt seine Schluckgrenze zuerst in den ersten
Stufen erreichen, die dann zu Sperren (Choking) beginnen, ṁ = ρ ·cax ·A, wobei die Größe
des Massenstrom ṁ von der Axialgeschwindigkeit cax mit bestimmt wird. Wie viel Masse
davon schließlich effektiv noch durch die Schaufelpassagen strömen kann, hängt von de-
ren Schaufelabstand (Teilung), der Schaufelwölbung und dem relativen Zuströmwinkel ab,
Abb. 10.18. Ablösezonen auf den Schaufeln können den durchströmbaren Querschnitt zu-
sätzlich verengen, Abb. 10.27. In Anlehnung an Abb. 10.15 sei noch einmal daran erinnert,
dass im Laufrad der ersten Stufe die höchste Relativgeschwindigkeit zuerst im Außen-
schnitt erreicht werden wird. Im nachfolgenden Leitrad ist die höchste Geschwindigkeit
die Absolutgeschwindigkeit im Nabenschnitt.
Des Weiteren zeigt Abb. 10.46, dass für n > nAP das Abreißen der Strömung – wegen zu
steiler Anströmung, d. h., wegen zu großer positiver Inzidenz – in den letzten Stufen begin-
nen wird, die dann u. U. nicht mehr zur Druckerhöhung beitragen können. In Richtung
auf den Verdichtereintritt zu, werden die einzelnen Stufen zunehmend aerodynamisch
entlastet und drehen schließlich nur noch „wirkungslos“ (Windmilling) mit. Reißen die
letzten Stufen eines Verdichters bei hohen Drehzahlen ab, so können die vorderen, ae-
rodynamisch entlasteten Stufen den erforderlichen Druckaufbau (in diesem Fall großes
πV ) nicht mehr aufrechterhalten und es kommt zum Strömungszusammenbruch für den
gesamten Verdichter, d. h., der Gesamtverdichter kommt ins Pumpen, wobei sich der bis
dahin im Verdichteraustritt aufgebaute Druck plötzlich, mit Überschallgeschwindigkeit
und Überschallknall, ähnlich, wie bei einem platzenden LKW-Reifen, nach vorne entlädt
(Rückströmung). Im übernächsten Kapitel wird darauf vertiefend eingegangen werden.
Im vorhergehenden Text ist immer wieder auf das Abreißen der Strömung an den Schau-
feln eingegangen worden, ein Vorgang, der nicht an allen Schaufeln eines betroffenen
Gitters gleichzeitig einsetzt, sondern gerade zu Beginn des Abreißvorganges auf einzelne
Schaufelbereiche – in Umfangsrichtung gesehen – lokal begrenzt ist. Dieses verdichter-
typische Phänomen wird als „Rotierende Ablösung“ (Rotating Stall) bezeichnet und ist
insbesondere bei niedrigeren Drehzahlen zu beobachten.
Bevor die gesamte Verdichterströmung zusammenbricht, kommt es zum Strömungsa-
briss in einzelnen Schaufelkanälen, wodurch sich die Druckerhöhung in diesem Schaufel-
kanal vermindert und der effektiv durchströmte Querschnitt verkleinert wird, Abb. 10.47.
Vor dem abgelösten Schaufelkanal staut sich das Strömungsmaterial auf und wird zur Sei-
te hin – in Umfangsrichtung und entgegen der Rotor-Drehung – abgedrängt. Als Folge
davon wird die Nachbarschaufel unter einem zu steilen Strömungswinkel angeströmt und
es kommt auch hier zu einem Strömungsabriss. Die zuvor abgelösten Strömungskanäle
10.5 Instabile Verdichterzustände 1119
Typische Strukturen
Rotor Stator
„Rotierender Ablösung“
in Umfangsrichtung
c II
c III
uRS
u
Ablösezellen
vI (Stall Cells)
Drehrichtung
„erholen“ sich infolge des verminderten Massendurchflusses und werden wieder „unge-
stört“ angeströmt. Es entstehen so Ablösegebiete (Ablösezellen, Stall Cells) mit Breiten, die
mehrere Teilungen betragen können, die – von einem mitrotierenden Beobachter aus gese-
hen – mit der Relativgeschwindigkeit uRS entgegen der Drehrichtung im Gitter umlaufen.
Die Umlaufgeschwindigkeit uRS erreicht dabei Werte, die 50 . . . 70 % der Umfangsge-
schwindigkeit u entsprechen. Nach der Galilei-Transformation für Geschwindigkeiten
(8.18) läuft die „Rotierende Ablösung“ in einem Rotor – vom gehäusefesten System aus
betrachtet – mit 30 . . . 50 % der Umfangsgeschwindigkeit u in Drehrichtung des Rotors
um.
Wo das Phänomen der „Rotierenden Ablösung“ in Umfangsrichtung einsetzt, hängt
von den allgegenwärtigen Ungleichförmigkeiten in der Verdichterzuströmung und/oder
von geringfügigen geometrischen Unterschieden an den Profilen oder in der Teilung ab.
Zahlreiche experimentelle Untersuchungen haben gezeigt, dass sich auf dem Umfang
– beim Androsseln des Verdichters – erst eine und später – bei weiterem Drosseln –
mehrere rotierende Ablösezellen ausbilden (Part Span Stall), die in Laufrädern bevor-
zugt in den Außenschnitten auftreten und in Leiträdern bevorzugt in den Nabenschnitten
(Abb. 10.47 rechts), und so auf einen begrenzten radialen Schaufelbereich beschränkt sind.
Mit stärkerer Drosselung nimmt die „Rotierende Ablösung“ dann die gesamte radiale
Schaufelerstreckung ein und breitet sich als eine einzige umlaufende Zelle über etwa ein
Viertel bis ein Drittel des Gitterumfanges aus, Abb. 10.47. Ein weitergehendes Drosseln
führt zum Strömungsabriss auf allen Schaufeln und damit direkt über die Pumpgrenze
hinweg. Ein Verdichter fährt, wenn er zu stark gedrosselt wird, aus dem stabilen Be-
triebszustand über den labilen Zustand „Rotierender Ablösung“ in den instabilen Zustand
des Pumpens hinein. Unter normalen Umständen wird ein Verdichter in diesem Bereich
1120 10 Verdichter
10.5.3 Verdichterpumpen
Das Verdichterpumpen ist ein Vorgang, der die gesamte Maschine betrifft, und nicht
mit dem zuvor beschriebenen Abreißen der Stufen verwechselt werden darf. Die Pump-
grenze markiert bei gegebener Druckerhöhung den kleinstmöglichen Durchfluss, bei dem
ein Verdichter gerade noch stabil betrieben werden kann. In einem solchen Zustand kann
10.5 Instabile Verdichterzustände 1121
πV Pumpgrenze des
Gesamtverdichters
Verdichterdruckverhältnis
Abreißlinie fe
10 der 1. Stufe S tu
0. 84% isentroper
der 5. Stufe r1 Wirkungsgrad
de 85%
ie
8 der 10. Stufe lin
eiß 84%
A br 82%
π VAP 80%
AP
6 Pumpgrenze 110%
des Gesamt-
verdichters
105% n/n A
P
4 hl
100% hza
re
95% eD
85% l a tiv
2 75% re
55% 65%
1
20% 40% 60% 80% 100% 120%
relativer Massenstrom m /m
AP
Abb. 10.48 Kennfeld eines 10-stufigen Axialverdichters mit einer so genannten „sanften“ Pump-
grenze. Zusätzlich sind die Abreißgrenzen der ersten, der mittleren und der letzten Stufe mit
eingezeichnet
mehr nachkommen und der bisher hinter dem Verdichter aufgebaute Druck entlädt sich
schlagartig nach vorne in Richtung niedrigen Drucks. Nach dieser Entleerung saugt der
Verdichter – der mehr oder weniger in seinem bisherigen Betriebszustand weiterläuft –
wieder Luft an und verdichtet sie, und zwar solange, bis er seinen instabilen Zustand,
jenseits die Pumpgrenze, wieder erreicht hat, wo es dann erneut zu einem plötzlichen
Druckabbau kommt. Dieses stoßartige Hin und Her von Druckaufbau und Druckabbau
wird als „Verdichterpumpen“ bezeichnet. Das Pumpen tritt mit niedrigen Frequenzen zwi-
schen 5 und 30 Hz auf und ist von heftigen Knallgeräuschen begleitet, die entstehen, wenn
sich die Luft mit Schallgeschwindigkeit – im Zeitraum von Millisekunden – in Richtung
zum Verdichtereintritt hin entspannt. Die Druckwellen, die dabei durch den Verdichter
laufen, sind so hoch energetisch, dass sie die Verdichterschaufeln in kürzesten Zeiträu-
men vollkommen zerstören können. Von daher versteht es sich von selbst, dass gerade bei
Flugzeugtriebwerken (aus Sicherheitsgründen) höchster Wert darauf zu legen ist, dass das
Pumpen unter normalen Betriebsbedingungen nicht einsetzen kann. Im übernächsten Ka-
pitel wird erläutert werden, welche aufwendigen Maßnahmen dazu erforderlich sind. Bei
extremen Betriebsbedingungen, wie z. B. dem Ansaugen größerer Fremdkörper (Foreign
Object Damage, FOD) – speziell bei Vogelschlag, kann es dennoch zum kurzzeitigen Pum-
pen kommen. Bei der Zertifizierung eines Triebwerks ist aber nachzuweisen, dass sich der
Verdichter danach selbstständig und schnell wieder „erholt“ (Recovering).
Nicht nur der Verdichter ist durch das Pumpen gefährdet, sondern auch die nachfol-
genden Bauteile, wie Brennkammer und Turbine, und damit schließlich auch das gesamte
Triebwerk. Beim Rückströmvorgang gelangt nicht mehr ausreichend Luft in die Brenn-
kammer, sodass diese entweder nicht mehr ausreichend gekühlt und dadurch zerstört wird
oder aber die Flamme wegen Sauerstoffmangels erlischt (Flame Out). Durch die Pump-
stöße kann die Flamme aber auch kurzzeitig aus der Brennkammer heraus – bis in die
Turbine hinein – getragen werden und diese so schließlich thermisch zerstören.
Wir fassen zusammen: In einem einstufigen Verdichter ist der Strömungsabriss gleich-
bedeutend mit dem Erreichen der Pumpgrenze, während bei mehrstufigen Verdichtern
das strömungsmechanische Abreißen einer Stufe nicht zwangsläufig mit dem Verdichter-
pumpen einhergeht. Diese Aussage gilt im Übrigen für Radialverdichter ganz genau so.
Für mehrstufige Verdichter gelten die nachfolgenden grundsätzlichen Zusammenhänge
zwischen dem Abreißen einer Stufe und dem Verdichterpumpen:
Abreißen der
letzten Stufen
Linien konstanter
Drehzahl
e
nz
re
g
p
m
u
Abreißen der P
ersten Stufen
ufen
r letz ten St
en de
Sperr
reduzierter Massenstrom
5 4
e
nz
re
g
3
p
m
P
u linie
e bs
1 B etr i
re
ionä
stat 2
n
n Stufe
d e r letzte
en
Sperr
reduzierter Massenstrom
Abb. 10.50 Bereiche und Arten des Flatterns von Verdichterschaufeln nach Fottner (1989)
Verdichtern mit verstellbaren Leitschaufeln (siehe Kap. 10.5.5.1) und diversen Abbla-
semöglichkeiten (siehe Kap. 10.5.5.2) ist dieser Pumpgrenzenknick aber im Laufe der
Entwicklung mehr und mehr behoben worden.
10.5.4 Schaufelflattern
Gerade die dünnen Verdichterschaufeln neigen auf Grund der Interaktion zwischen Lauf-
und Leitrad (periodische Änderungen im Zuströmwinkel, vgl. Abb. 8.28) zum Schwin-
gen, da ihre strukturellen Dämpfungseigenschaften relativ gering sind. Die dadurch
angefachten Schaufelbewegungen verursachen ihrerseits, als Rückwirkung auf die Strö-
mung, Luftkräfte, die – je nach Phasenlage zur Schaufelbewegung – als aerodynamische
Dämpfung oder als aerodynamische Anfachung wirken können. Üblicherweise wirken die
Luftkräfte in diesem gekoppelten System dämpfend auf die Schaufelschwingungen. Wird
aber infolge aerodynamischer Anfachung mehr Energie an eine Schaufel übertragen als
diese aufgrund ihrer strukturbedingten Eigenschaften absorbieren kann (Energiedissipati-
on durch strukturelle Dämpfung), so kommt es zum so genannten Flattern der Schaufeln.
Da die strukturelle Dämpfung der dünnen Verdichterschaufeln i. Allg. gering ist, kann ein
Auslegungskriterium zum Vermeiden von Flattern schließlich nur auf das Erzielen von
aerodynamischer Dämpfung in der Strömung hinauslaufen.
Wo und wann in einem Verdichter bevorzugt Flattern auftreten kann, zeigt Abb. 10.50.
Bei Annäherung an die Pumpgrenze kommt es – wie weiter oben ausführlich erläutert –
zum Strömungsabriss mit aerodynamischer Anfachung, der die Flatterneigung der Schau-
feln fördert. Dies kann sowohl bei sub- und transsonischen Geschwindigkeiten (Zone
1 in Abb. 10.50) als auch bei supersonischen Geschwindigkeiten (Zone ) 5 auftreten.
Im letzteren Fall kommen Anregungen durch Verdichtungsstöße und Stoß-Grenzschicht-
Wechselwirkungen mit hinzu. Bei hohen Drehzahlen kommt es in den hinteren Stufen zu
großen positiven Inzidenzen (Abb. 10.46) in Verbindung mit hohen Geschwindigkeiten,
die in Ihrer Kombination zum Schaufelflattern anregen können (Zone 4). Noch größere
Strömungsgeschwindigkeiten mit kleinen Inzidenzen existieren bei hohen Drehzahlen in
den vorderen Stufen (Zone ).3 Die hinteren Stufen sind vom so genannten Choke Flutter
betroffen (Zone 2 nahe der Schluckgrenze: Choke Line), das in den hinteren Stufen auf
Ist ein Verdichter – aus welchen Gründen auch immer – ins Pumpen geraten, so ist dieser
Zustand so schnell wie möglich zu unterbinden, um Beschädigungen an Verdichter und
Triebwerk zu vermeiden. Kurzfristige Instabilitäten, wie sie z. B. durch Vogelschlag her-
vorgerufen werden können, gleicht ein Triebwerk gewöhnlich unmittelbar selbstständig
wieder aus, nachdem das Fremdobjekt das Triebwerk bzw. den Verdichter verlassen hat.
In anderen Fällen wird die Triebwerksregelung (Bauerfeind 1999) die Brennstoffzufuhr so
steuern, dass das Triebwerk entlastet wird und zwischen Betriebspunkt und Pumpgrenze
ein ausreichend großer Abstand entsteht. In militärischen Triebwerken mit verstellbaren
Schubdüsen kann das Öffnen der Schubdüse (entdrosseln des Triebwerks, vgl. Kap. 13.2)
Abhilfe schaffen oder bei Wellenleistungstriebwerken das Absenken der gerade entnom-
menen Leistung. Ein Triebwerk im instabilen Zustand bedeutet immer einen Verlust an
Schub und kann so die Manövrierfähigkeit des gesamten Flugzeuges einschränken oder
10.5 Instabile Verdichterzustände 1125
diese sogar gefährden. Bei zivilen Serientriebwerken kann davon ausgegangen werden,
dass solche Zustände in allen Flugsituationen des Normalbetriebes nicht auftreten16 .
Bei amerikanischen Hochleistungskampfflugzeugen ist es vorgekommen, dass die
Triebwerke in einen Betriebspunkt mit anhaltender „Rotierender Ablösung“ gebracht
wurden, aus dem sie selbstständig nicht mehr herauskamen, sodass sie abgestellt und
neu gestartet werden mussten. Die Gefährlichkeit dieser Situation liegt darin, dass die
Triebwerksregelung anhand ihrer Messdaten zu dem Ergebnis kommt, dass das Verdich-
terdruckverhältnis und die Drehzahl zu gering sind, mit der Folge, dass Brennstoff zum
Beschleunigen des Triebwerks zugeführt wird. Da der Verdichter aber aerodynamisch
nicht mehr reagiert und im Zustand der „Rotierenden Ablösung“ verharrt, kommt es
zu einer Überhitzung der Turbine und so schließlich zu einer Schädigung des gesamten
Triebwerks.
Im Überschallflug blockiert ein pumpender Verdichter den gesamten Durchfluss
durch eine Triebwerksinstallation, sodass sich vor dem Triebwerk oder in seinem Ein-
lauf Verdichtungsstöße ausbilden, die in Abhängigkeit ihrer Stärke schließlich sogar die
Flugzeugstruktur gefährden können.
Bereits bei der Entwicklung eines Verdichters kann durch detailkonstruktive Maßnah-
men in gewissem Umfang Einfluss auf dessen Stabilität genommen werden. Ein wichtiger
Punkt ist hierbei die im Vorhinein geringere aerodynamische Belastung von besonders
gefährdeten Stufen, was im vorhergehenden Text als Stage Stacking bezeichnet wurde. Die
Radialspalte zwischen den Schaufeln und dem Gehäuse spielen ebenfalls eine wichtige Rol-
le, da größere Spalte erheblichen Einfluss auf den Wirkungsgrad, den Massenstrom und
die Pumpgrenze eines Verdichters haben. Nach Hagen (1982) sollte der Radialspalt 1 % der
Schaufelhöhe br (in Radialrichtung) nicht überschreiten. Jedes weitere Prozent an Radial-
spaltzunahme lässt sowohl den Massenstrom als auch den Wirkungsgrad um jeweils 2 %
abfallen und das Druckverhältnis sogar um 5 . . . 8 %. Jedes Prozent an Radialspaltzunahme
verringert darüber hinaus auch noch den Pumpgrenzenabstand um ca. 7 %. Eine Zeit lang
ist versucht worden, die Spaltströmung durch Einbringen von schrägen Schlitzen im Ge-
häusebereich – über den rotierenden Schaufeln – zu beeinflussen. Die Schlitze behindern
(bremsen) die Strömung durch die Spalte. Auch das Verhältnis von mittlerer radialer Stu-
fenhöhe zu axialer Stufenbreite b̄r /ax , was man als axialen Schlankheitsgrad bezeichnet,
hat Einfluss auf die Verdichterstabilität. Da aber die Einflussnahme auf diese Größen eben-
falls Auswirkungen auf den Turbomaschinenlärm und die Baulänge eines Verdichters hat,
sind hier zumeist Kompromisse erforderlich. Wie bereits erläutert, haben sich im Entwick-
lungszeitraum der letzten 30 Jahre die aerodynamischen Stufenbelastungen ψh erheblich
16
Bei der Flugerprobung der Flugzeuge BAC 1-11 und Hawker-Siddeley „Trident“ (beide mit T-
Leitwerk und hinten am Rumpf angebrachten Triebwerken) kam es zum Triebwerkspumpen mit
anschließendem Erlöschen der Triebwerke, nachdem bei großen Flugzeuganstellwinkeln die Strö-
mungsablösungen der Tragflügel in die Triebwerke eingesaugt wurden. Die daraus resultierende
Manövrierunfähigkeit – im Zusammenspiel mit weiteren unglücklichen Umständen – die das Flug-
zeug in eine sog. Deep Stall Situation getrieben haben, führte schließlich zu tragischen Verlusten an
Mensch und Material, Pallett (1996).
1126 10 Verdichter
10.5.5.1 Leitschaufelverstellung
Der Grundgedanke zu dieser Maßnahme, die im niedrigeren Drehzahlbereich angewandt
wird, lässt sich anhand der Gl. (10.127) erläutern:
Die Stufenbelastung ψh wird also verkleinert, wenn die negative Steigung C vergrößert
wird. Dieses ist durch eine Verringerung von αI und/oder durch eine Vergrößerung von
βII zu erreichen, Abb. 10.51. Aus naheliegenden mechanischen Gründen ist in einem
Triebwerk aber nur die Veränderung des Abströmwinkels αI aus dem Leitrad eine wirklich
realisierbare Lösung. Dazu wird in Abhängigkeit der Drehzahl die Leitradbeschaufelung
verstellt, d. h., ihr Staffelungswinkel verändert. Abbildung 10.52 zeigt diesen Vorgang und
die daraus resultierende Auswirkung auf das Zuströmdreieck des nachfolgenden Laufrades
in prinzipieller Darstellung, das dadurch aerodynamisch entlastet wird. Existiert vor einem
Verdichter kein zusätzliches Vorleitrad, so ist der Mechanismus der Schaufelverstellung für
das erste Laufrad ohne Auswirkung, wenn von Rückwirkungen der nachfolgenden Gitter
abgesehen wird. Bei einer Verdichterentwicklung ist das erste Laufrad von daher im Aus-
legungspunkt entweder aerodynamisch schwach belastet auszulegen oder aber mit einem
verstellbaren Vor- oder Eintrittsleitrad (VIGV, Variable Inlet Guide Vane) zu versehen.
Die Leitradschaufelverstellung beschränkt sich bei heutigen 2-Wellen-Triebwerken auf
die vorderen Hochdruckverdichterstufen, von denen im Allgemeinen die ersten 5 . . . 8 ver-
stellbar sind. Bei 3-Wellen-Triebwerken betrifft dies oft nur die ersten zwei bis drei Stufen
10.5 Instabile Verdichterzustände 1127
ψh Verringerung der
Schaufelbelastung β II Vergrößerung
1
ψh = 1− C ⋅ ϕ Rotor
ideal mit αI, βII = const
αI kleiner
und/oder
β II größer Stator
0 ϕ
0 1 αI Verkleinerung
Dreh-
winkel
50° bis 10°
normal
verstellt
v
öffnen (open )
u
schließen (closed )
c
Stator Rotor
Abb. 10.52 Leitradschaufelverstellung (variable Verdichtergeometrie) und die Auswirkung auf das
Zuströmdreieck zum nachfolgenden Laufrad
Verstellhebel.
Lever.
Verstellbare Eintrittsleit-
schaufeln.Variable Inlet
Guide Vanes (VIGV).
Gemeinsamer
Verstellring.
Unison Ring .
verstellbare Leitschaufeln.
Variable Stator Vanes.
schaufelverstellung zeigen die Abb. 10.53 und auch die Abb. 16.77. Über einen Hebelarm,
der als Ringsegment ausgeführt ist, werden längs des Umfangs alle Schaufeln eines Gitters
gleichzeitig verstellt. Im ersten Leitrad kann der Verstellwinkel zwischen 40 . . . 50◦ liegen.
Er geht dann von Stufe zu Stufe zurück und erreicht in der letzten verstellbaren Stufe
Werte von etwa 10◦ . Durch einen vergleichsweise einfachen Stellhebel, der die Ringseg-
menthebelarme bewegt, werden die unterschiedlichen Winkel in den einzelnen Stufen
umgesetzt, Abb. 10.5417 . Der Stellhebel wird im Wesentlichen durch die Kraftstoffrege-
lung (Fuel Control Unit, FCU), d. h., durch die vom Piloten vorgegebene Gashebelstellung,
und einen Totaltemperatursensor (Tt2 -Sensor, Abb. 3.6 und 3.7) am Faneintrittsgehäu-
se angesteuert. Über den Tt2 -Sensor wird eine Massenstromkorrektur der Verstellung
vorgenommen. Kleine Tt2 -Werte lassen nach der allgemeinen Gasgleichung auf größere
(Total)-Dichten ρt = pt /(Ri · Tt ) und damit auf größere Massenströme schließen, sodass
die Statoren öffnen, während große Tt2 -Werte kleine Massenströme signalisieren und die
Statoren schließen, Abb. 10.52. Auch wenn keine Änderungssignale über den Gashebel
an die Kraftstoffsteuerung kommen, so verstellt die Regelung die Statoren dennoch, wenn
sich der angesaugte Massenstrom auf Grund geänderter Umgebungsbedingungen (T0 , p0 )
verändert haben sollte. Signalisiert der Tt2 -Sensor eine Massenstromzunahme wenn die
Statoren bereits voll geöffnet sind, so senkt die Kraftstoffregelung die Verdichterdrehzahl
entsprechend ab. Abbildung 10.55 zeigt die typische Verstellcharakteristik der Leitschau-
17
In den letzten Jahren sind im alltäglichen Triebwerksbetrieb einige Fälle bekannt geworden, in
denen die Mechanik der Stellhebel für die Leitschaufelverstellung versagt hat, mit der Folge, dass die
Triebwerke während des Beschleunigens unbeabsichtigt in einen instabilen Betriebsbereich gefahren
wurden, mit den weiter oben ausführlich beschriebenen fatalen Folgen für das gesamte Triebwerk.
10.5 Instabile Verdichterzustände 1129
Stellhebel
Aktuator Drehpunkt
Aktuator Stellhebel
zu den ringförmigen
Hebelarmen
Positionsrückmeldung
Ansteuerung Tt 2−Sensor
Positionsrückmeldung
durch die an die Kraftstoffregelung Kraftstoffregelung
Kraftstoffregelung
Abb. 10.54 Ansteuerung der Leitradschaufelverstellung für die erste bis siebte Stufe des Hoch-
druckverdichters eines Turbofantriebwerks. (Foto: ©Autor)
Leitschaufelposition
Standard-Tag
Bodenstandfall kalter Tag
open
sche Ähnlichkeit vorausgesetzt, die durch eine Leitschaufelverstellung verletzt wird, mit der
Folge, dass sich mit der Leitschaufelposition auch das gesamte Kennfeld verändert. Da sich
durch Schaufelverstellung die Abreißlinien der davon betroffenen Stufen im Kennfeld nach
links (zu kleineren Massenströmen hin) verschieben, kommt es auch zu einer analogen
Verlagerung der Pumpgrenze des Gesamtverdichters. Für weitergehende Informationen
sei an dieser Stelle auch hier nochmals auf das später noch folgende „System“-Kap. 16.8
verwiesen.
Fangehäuse
Abblase-
Abblaseluft
ventil
at
offen
ppar
Strut
Leita
Fan
Fan Luft zum
Hochdruck-
verdichter
Ab
ge blas
sc ev
hlo en
s s til
en
Anordnung am
Hochdruck-
verdichter
Abb. 10.57 Anordnung von Abblaseventilen (mit nur zwei Schaltzuständen) im Hochdruckver-
dichtergehäuse eines modernen zweiwelligen Turbofantriebwerks
Beim Herunterfahren des Verdichters öffnen die Ventile durch Federkraft dann wieder
selbstständig. Mehr zu diesem Thema beschreibt ebenfalls das „System“-Kap. 16.8.4.
Bei kleineren Triebwerken, wie z. B. dem Textron-Lycoming T53 Turboshaft, befinden
sich über dem Verdichter keine Ventile, sondern nur Öffnungen, die mit einem einfachen
– ansteuerbaren – Deckband verschlossen bzw. geöffnet werden können.
Für ein Triebwerk der PW4000 Serie (Airbus A300/A310) gibt Tab. 10.1 die Cha-
rakteristika des Öffnens und Schließens der vorderen und hinteren Abblasesysteme in
Abhängigkeit des Flugzustandes (Missionspunkt des Flugzeuges) wieder. Beide Systeme
werden über eine FADEC-Regelung (Full Authority Digital Engine Control) angesteuert,
die beim vorderen Abblasesystem eine kontinuierliche hydraulische Verstellung durch
einen Drehmomentenmotor (Torque Motor) ermöglicht und beim hinteren Abblasesy-
stem in Abhängigkeit der N2-Drehzahl eine AUF- und ZU-Position für die federbelasteten
Ventile kommandiert.
10.5.5.3 Mehrwelligkeit
Für Drehzahl unterhalb des Auslegungspunktes kam es in den ersten Stufen zu einer
Zunahme des Inzidenzwinkels und in den letzten Stufen zu einer Abnahme, Abb. 10.45.
Dieser Effekt würde sich nicht so dramatisch auswirken, wenn der Inzidenzwinkel bei
Drehzahländerungen näherungsweise konstant bleiben könnte. Eine solche Lösung ist
aber nur dann vorstellbar, wenn der Verdichter in zwei unterschiedlich schnell drehende
Bauteile aufgeteilt wird, so wie es bei heutigen modernen 2-welligen Turbofantriebwerken
der Fall ist. Der Verdichter besteht dann aus einem langsamer drehenden Niederdruckteil
und einem schneller drehenden Hochdruckteil. Die Drehzahlunterschiede werden rein
10.6 Fortschrittliche Verfahren der Axialverdichtergestaltung 1133
aerodynamisch über die Gestaltung der Hoch- und die Niederdruckturbine erzielt. Im
Kap. 12 über die Turbinen wird auf diesen Punkt noch einmal eingegangen werden.
Abbildung 10.58 zeigt diese Zusammenhänge für das Laufrad einer vorderen und das
einer hinteren Stufe. Die Geschwindigkeitsdreiecke mit den durchgezogenen Linien sollen
dabei im Auslegungspunkt vorne und hinten im Verdichter identisch sein. Bei einer Lei-
stungsrücknahme des Verdichters (herunterfahren) müssen die vorderen Stufen nun eine
niedrigere und die hinteren eine höhere Drehzahl erhalten, um den Inzidenzwinkel an den
Schaufeln aufrechtzuerhalten. Die Geschwindigkeitsdreiecke mit den gestrichelten Linien
verdeutlichen diese Verhältnisse.
u
v
v
c u
c
c ax
(c ax)AP (c ax)AP
c ax
Abb. 10.58 Prinzipskizze zum Einfluss der Mehrwelligkeit (unterschiedliche Drehzahlen) auf die
Zuströmdreiecke der vorderen Stufen des Niederdruckverdichters und der hinteren Stufen des
Hochdruckverdichters
2 · π · rM br /s 2 · π · rM br /s
iS = · = · =
(rG − rN ) tM /s rG · (1 − ν) tM /s
2 · π · rM 1 + ν 2 br /s
iS = · mit rM = rE
(1 − ν) · rE 2 tM /s
1 + ν2 br /s 1 + ν 2 br /s
iS = 2 · π · · =π · 2· · (10.130)
2 · (1 − ν) tM /s
2
(1 − ν)2 tM /s
In der Form (10.130) gilt die Gleichung für eine Normalstufe, die in Kap. 8.2.4.1 und in
Abb. 8.46 definiert wurde. In Gl. (10.130) ist ν = rN /rG das Nabenverhältnis, tM /s die
Schaufelgitterteilung im Mittenschnitt und br /s das Schaufelhöhen- oder Streckungsver-
hältnis. Für die Nabenverhältnisse ν2 und ν3 am Ein- und Austritt von Verdichtern (mit den
10.6 Fortschrittliche Verfahren der Axialverdichtergestaltung 1135
100
Schaufelanzahl iS 100
Schaufelanzahl iS
ν = 0.625 tM/s = 1.0
80 80
b r/s = 0.5
1.0
1.5
60 tM/s = 0.5 60 2.0
3.0
4.0
40 tM/s = 1.0 40
tM/s = 1.5
20 20
0 0
0.0 0.8 1.6 2.4 3.2 4.0 0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0
Schaufelhöhenverhältnis b r/s Nabenverhältns ν
Abbildung 10.59 zeigt die Auswertung der Gl. (10.130). Man erkennt den starken Einfluss
d-es Streckungs- und des Nabenverhältnisses auf die Schaufelzahl. Mit kleiner werden-
dem Schaufelhöhenverhältnis br /s, größer werdendem Teilungsverhältnis tM /s und kleiner
werdendem Nabenverhältnis ν nimmt auch die Schaufelanzahlen iS ab. Bei modernen Ver-
dichtern hat sich das Schaufelhöhenverhältnis auf einen Wert um eins eingependelt, da
für Werte kleiner als eins die Baulängen der Verdichter überproportional zunehmen und
damit dann die Abstimmung der Rotordynamik verstärkt schwieriger wird. Ein moder-
ner Hochdruckverdichter mit einem Druckverhältnis von πHDV ≈ 11 hat heute im ersten
1136 10 Verdichter
Laufrad etwa 24 Schaufeln und im letzten Laufrad etwa 64. Ein erhebliches Reduzierungs-
potenzial für die Gesamtschaufelanzahl (alle Stufen zusammen) eines Verdichters besteht
in der Wahl einer möglichst geringen Stufenzahl. Walther et al. (2001) haben gezeigt, dass
ein moderner fünfstufiger Verdichter etwa 40 % weniger Schaufeln benötigt als ein acht-
stufiger. Allerdings geht bei einer solchen Betrachtung die Schaufelanzahl nicht linear mit
den Herstellkosten einher, da ein fünfstufiger Verdichter aerodynamisch und mechanisch
deutlich höher belastet ist, haben dessen Schaufelkonturen kompliziertere dreidimensio-
nale Geometrien, sodass deren Stückkosten im Vergleich zu einfacher gestalteten Schaufeln
höher ausfallen.
Eine stufenreduzierte Verdichterauslegung hebt heutzutage die Drehzahl um etwa
30 % an. Die steigenden Drehzahlen führen neben wachsenden mechanischen Bela-
stungen für die Verdichterscheiben und der Schaufelanbindungen zu supersonischen
Relativmachzahlen in der Zuströmung und damit zu sehr komplizierten transsonischen
Strömungsverhältnissen innerhalb des gesamten Schaufelgitters zwischen Nabe und Ge-
häuse und zwischen dessen Ein- und Austritt. Dabei nehmen auf Grund der sich
ausbildenden Verdichtungsstöße und deren Wechselwirkungen mit den Grenzschichten
die Strömungsverluste mit steigender Machzahl erheblich zu und mindern entsprechend
den Verdichterwirkungsgrad. Mit der Reduzierung der Stufenzahl geht also stets ein Ab-
fall des Wirkungsgrades einher. Von daher kann man sagen, dass eine Verringerung der
Schaufelanzahl durch Reduzierung der Verdichterstufen und das damit verbundene Ein-
sparpotenzial an Herstellungskosten mit einer Erhöhung der mechanischen Belastung und
mit einer Verschlechterung des Wirkungsgrades erkauft werden muss. Dieser Umstand
ist primär weniger für den Triebwerkshersteller als für den späteren Triebwerksbetreiber,
nämlich die Fluggesellschaften, von Interesse, da ja über die gesamte Lebensdauer eines
Triebwerks gesehen, nicht nur die Herstellungskosten betrachtet werden dürfen, sondern
auch die späteren Betriebs- und Wartungskosten.
Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt ist das Gewicht. Durch die Reduzierung der Stu-
fenzahlen lässt sich im Allgemeinen zwar ein Gewichtsvorteil erzielen, der aber infolge
steigender mechanischer Belastungen – insbesondere in den Verdichterscheiben – rasch
abnimmt und sich unter Umständen sogar umkehren kann. Von daher ist es außeror-
dentlich wichtig, die wesentlichen Auslegungsparameter eines Verdichters sorgfältig zu
optimieren. Zur Einhaltung sowohl aller aerodynamischen und mechanischen Anforde-
rungen als auch zur Sicherstellung optimaler Herstellungs-, Betriebs- und Wartungskosten
ist es heutzutage unabdingbar, die diversen Möglichkeiten der Strömungsphysik, der Me-
chanik und der Dynamik so auszuschöpfen, dass dabei die Grenzen der aerodynamischen
Belastung und der Festigkeit der verwendeten Werkstoffe nicht überschritten werden.
Dieses alles ist aber nur möglich, wenn dazu leistungsfähiger Auslegungs- und Analy-
severfahren zur Verfügung stehen, die umso vollständiger genutzt werden können, je
zuverlässiger sie sind, was bedeutet, dass sie sich in der Praxis erwiesenermaßen so be-
währt haben müssen, dass der Unterschied zwischen theoretischer Vorhersage und späterer
Umsetzung möglichst gering ist.
10.6 Fortschrittliche Verfahren der Axialverdichtergestaltung 1137
1. Stufe 2. 3. 4. 5. 6. Stufe
Vorleit-
rad
HDV
rN2.5 rN3
NDV ν 2.5 = ν3 =
rG2.5 rG2.5 rN3 rG 3
rN2.5 rG3
selbst mit den neusten 3D-Navier-Stokes-Lösern immer noch nicht genau genug erfasst
werden kann.
Aufgrund der immer besser werdenden Übereinstimmungen zwischen numerischer
Vorhersage und Prüfstandsmessungen, wird damit begonnen, komplette Neuauslegungen
mithilfe der 3D-Navier-Stokes-Löser durchzuführen. Dabei ist eine befriedigende Lösung
i. Allg. dann gegeben, wenn im Auslegungspunkt alle Stufen einen möglichst hohen Wir-
kungsgrad und einen ausreichenden Pumpgrenzenabstand aufweisen, wobei aber häufig
die erste Stufe – zu Gunsten eines besonders großen Drosselbereichs und damit für ei-
ne sehr gute Teillaststabilität – etwas außerhalb des Wirkungsgradoptimums betrieben
wird, Walther et al. (2001). Zum Erreichen der gewünschten Ziele ist ein optimal gestalte-
tes Verdichtergitter, Abb. 10.61, mit sorgfältig konturierten Schaufelprofilen erforderlich,
die auch den der Hauptströmung überlagerten Sekundärströmungseffekten Rechnung tra-
gen. Mithilfe der 3D-Navier-Stokes-Löser lassen sich im Vorhinein aerodynamisch sowohl
besonders stark belastete Schaufelbereiche als auch verlustbehaftete Ablösezonen identi-
fizieren. Die Abb. 10.62 gibt einen Überblick über die Komplexität des Strömungsbildes
innerhalb der Schaufelpassage eines Axialverdichters.
Eine dreidimensionale Gestaltung der Schaufelgeometrie bietet zusätzliche aerodynami-
sche Freiheitsgrade zur Reduzierung lokaler Belastungen und damit von Verlustursachen,
sodass die Neigung der Strömung zu Ablösungen besser eingeschränkt werden kann und
so schließlich der Gesamtwirkungsgrad und der Stabilitätsbereich des Verdichters spür-
bar verbessert werden können. Im Rahmen dieser Möglichkeiten unterscheidet man bei
10.6 Fortschrittliche Verfahren der Axialverdichtergestaltung 1139
Sa
Druc sei ug-
kseit te
e
Sekundärwirbel
ω NABE
Ecken-
ablösung
Geschwindigkeitsprofile Geschwindigkeitsprofile der Grenzschichten
der Grenzschichten auf der an der Nabenwandung
Schaufeloberfläche
Scherschichten an Nabe,
Gehäuse und Schaufeln
GEHÄUSE
Wechselwirkungszone
am Gehäuse
Druc
Leckageströmung
ksei t
Bereich reibungs-
freier Kernströmung Sekundärströmung
e
Abb. 10.62 Auffassung über das dreidimensionale Strömungsfeld innerhalb der Schaufelpassage
einer Axialverdichterbeschaufelung nach Lakshminarayana (1996)
der Beschaufelung folgende Begriffe, deren geometrische Grundlagen der rechte Teil von
Abb. 10.63 zeigt:
• Pfeilung (Sweep). Eine Schaufel besitzt Pfeilung, wenn eine Bezugslinie, wie die Vorder-
kante oder die Hinterkante, nicht senkrecht zur axialen Anströmrichtung steht. Ist die
Bezugslinie entgegen der axialen Anströmrichtung geneigt, spricht man von Vorwärts-
pfeilung (Forward Sweep) und andernfalls von Rückwärtspfeilung (Aft Sweep). Ist das
Vorzeichen des Pfeilungswinkels über der Schaufelhöhe konstant, so spricht man von
geradliniger Pfeilung (Straight Sweep), ändert es sich, so spricht man von gemischter
Pfeilung (Compound Sweep)
1140 10 Verdichter
Axialrichtung
Umfangsrichtung
ie
nlin
hne
Se
inie
hnenl
Se
Senkrechte auf
der Sehnenlinie
Leitschaufel mit Leitschaufel ohne Lean: Verlagern der
gemischter V-Stellung V-Stellung
(Compound Lean or B ow ) Profilschnitte in Umfangsrichtung
Abb. 10.63 Leitschaufeln mit und ohne V-Stellung. Definition von Pfeilung (Sweep) und V-Stellung
(Lean) nach Denton (2002); Lean Verlagern der Profilschnitte senkrecht zur lokalen Sehnenlänge,
Sweep Verlagern der Profilschnitte in Axialrichtung, längs der Richtung aller Sehnenlängen, links
Grafik in Anlehnung an Walther et al. (2001), rechts Blick jeweils genau senkrecht von oben auf jede
einzelne der beiden Schaufeln. Vergleiche dazu z. B. auch Kablitz (2003)
• V-Stellung (Lean). Eine Schaufel besitzt V-Stellung, wenn eine Bezugslinie, wie die
Vorderkante oder die Hinterkante, nicht orthogonal zu den Seitenwänden Nabe und
Gehäuse steht. Für den Begriff Lean ist in der Literatur auch der Begriff Dihedral zu
finden. Ähnlich wie bei Sweep existieren auch Straight Lean und Compound Kean. Für
Compound Lean wird auch der Begriff Bow verwendet, vgl. hierzu Abb. 10.63 links.
Gehäuse
Vorderkante
Hinterkante
Nabe
normales Profil mit Profil mit
Basisprofil Vorwärtspfeilung Rückwärtspfeilung
1.8
Konturmachzahl
1.5
Basis- vorwärts rückwärts
1.2 profil gepfeilt gepfeilt
0.9
Profil-
0.6 Mittenschnitt
0.3
0.0
0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0
dimensionslose
Sehnenlänge x/s
Abb. 10.65 Wirkung von unterschiedlich gepfeilten Rotorschaufeln auf die Profilmachzahlvertei-
lung im Mittenschnitt. (Adaptiert von Walther et al. 2001)
zeigen, dass im Fall der Vorwärtspfeilung die Stoßfront – im Vergleich zur ungepfeil-
ten Vorderkante und relativ zur Profillänge – weiter in Richtung nach stromab wandert,
während sie bei Rückwärtspfeilung weiter stromauf zu liegen kommt. Die Machzahlver-
teilungen im Mittelschnitt in Abb. 10.65 zeigen darüber hinaus für die vorwärtsgepfeilte
Vorderkante ein geringeres Machzahlniveau vor dem Stoß. Beide Phänomene zusammen
führen zu einer verlustärmeren Verzögerung und damit zu einem besseren Wirkungs-
1142 10 Verdichter
grad. Dieses bedeutet gleichzeitig aber auch, dass der Rotor einen größeren Abstand
zur Abreißgrenze bekommt, sodass er stärker angedrosselt werden kann. Damit führt
Vorwärtspfeilung zu einem breiteren Stabilitätsbereich des Verdichterrotors.
Um den aerodynamischen Auslegungsprozess von Verdichterschaufeln bzw. Verdich-
terprofilen zu beschleunigen und um effizientere Beschaufelungen zu entwickeln, werden
inzwischen automatisierende Optimierungsprogramme entwickelt, Voß et al. (2006) und
(2008), Dorfner et al. (2007) und Siller et al. (2009). Da die aerodynamische Auslegung
von Verdichtern immer einen Kompromiss zwischen den unterschiedlichsten Anforde-
rungen darstellt (z. B. Wirkungsgrad, Totaldruckverhältnis, Massenstrom, Umlenkung,
Pumpgrenzabstand, usw.), die zusätzlich für alle relevanten Betriebspunkte im Arbeitsbe-
reich des Verdichters berücksichtigt werden müssen, arbeiten solche Programme unter
dem Gesichtspunkt einer simultanen Optimierung mehrerer der oben der genannten
Zielfunktionen, was als Multi-Objective-Optimizing bezeichnet wird. Der Kern solcher
Optimierungsalgorithmen beruht dabei auf einer Evolutionsstrategie, die dem Beispiel
der Natur angelehnt ist, und so mittels einer iterativen Anwendung von Selektion und
Vererbung eine Verbesserung bestimmter Zielfunktionen bzw. Anforderungen erlaubt.
Die Bewertung der einzelnen individuellen Einflüsse erfolgt dabei über den so genannten
Pareto-Rang18 , der ein Maß für die Güte der bereits bewerteten Parametersätze unter Be-
rücksichtigung aller Zielfunktionen darstellt. Neben solchen klassischen Merkmalen der
Evolutionsstrategie ist eine Vielzahl von weiteren Verifikationen in einem solchen Pro-
gramm implementiert, die alle das Ziel verfolgen, den gesamten Optimierungsprozess zu
beschleunigen. So ist z. B. der Kern des Optimierungsprogramms mittels MPI (Message
Passing Interface)19 parallelisiert, um auf Großrechnern eingesetzt werden zu können. Des
Weiteren verläuft die Prozessteuerung asynchron um eine optimale Ausnutzung aller an
der Optimierung beteiligten Prozessoren zu garantieren. Neben solchen hardwarenahen
Beschleunigungsmethoden beruht die Hauptbeschleunigung der Evolutionsstrategie soft-
wareseitig auf der Nutzung von effizienten Metamodellen (oder Antwortflächen). Hierbei
werden alle bereits bewerteten Geometrien aus einer Datenbasis, bestehend aus Designpa-
rametern und Zielfunktionswerten, eingelesen, und mittels neuronaler Netze und/oder
18
Das Konzept der so genannten Pareto-Optimalität ist nach dem italienischen Gelehrten Vil-
fredo Pareto benannt, der zu Ende des 19-ten Jahrhunderts Optimierungsaufgaben mit sich
widersprechenden Zielen im Bereich der Wirtschaftswissenschaften untersuchte.
19
Hierbei handelt es sich um einen Standard, der den Nachrichtenaustausch bei parallelen Berech-
nungen auf verteilten Computersystemen beschreibt. Er legt dabei eine Sammlung von Operationen
und ihre Semantik, also eine Programmierschnittstelle fest, aber kein konkretes Protokoll und keine
Implementierung. Eine MPI-Applikation besteht in der Regel aus mehreren miteinander kom-
munizierenden Prozessen, die alle zu Beginn der Programmausführung parallel gestartet werden.
Alle diese Prozesse arbeiten dann gemeinsam an einem Problem und nutzen zum Datenaustausch
Nachrichten, welche explizit von einem zum anderen Prozess geschickt werden. Ein Vorteil dieses
Prinzips ist es, dass der Nachrichtenaustausch auch über Rechnergrenzen hinweg funktioniert. Par-
allele MPI-Programme sind somit sowohl auf PC-Clustern, als auch auf extra dafür vorgesehenen,
d. h. dedizierten Parallelrechnern ausführbar.
10.6 Fortschrittliche Verfahren der Axialverdichtergestaltung 1143
Abb. 10.66 Beispiel einer 3D-optimierten Fanschaufel. Bilder mit freundlicher Genehmigung des
Instituts für Antriebstechnik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Wie in diesem Kapitel bereits mehrfach angerissen, geht die Tendenz in der Verdichter-
entwicklung zu schnelllaufenden, transsonischen Stufen mit Umfangsgeschwindigkeiten
an den Blattspitzen von bis zu 500 m/s. Solche Stufen haben im Vergleich zu früheren
Auslegungen eine reduzierte Anzahl an breiteren und schwereren Schaufeln mit einem
20
Unter Kriging versteht man ein Verfahren, mit dem man Werte an Orten, für die eigentlich
keine Werte vorliegen, durch umliegende Messwerte interpolieren oder auch annähern kann. Das
Verfahren wurde von dem südafrikanischen Geostatistiker Daniel Krige 1951 entwickelt und später
nach ihm benannt.
1144 10 Verdichter
21
Dies entspricht bei typischen innereuropäischen Flugmissionen von 500 nautischen Meilen oder 90
min Flugzeit und bei einer Auslastung von sechs und mehr Flügen pro Tag einer Einsatzzeit von über
4 Jahren. Darüber hinaus drängen die Zuverlässigkeitsanforderungen für moderne Ziviltriebwerke
in Richtung auf durchschnittlich weniger als einer Triebwerksabschaltung im Flug (Engine In-Flight
Shutdown) pro 10 Mio. Flugstunden.
Literatur 1145
Literatur
AGARD (1989) Blading design for axial turbomachines. NATO Advisory Group for Aerospace
Research and Development. AGARD Lecture Series 167 (LS-167)
Bauerfeind K (1999) Steuerung und Regelung der Turboflugtriebwerke. Birkhäuser-Verlag, Basel
Becker B, Bohn D (1983) Entwicklung transsonischer Eingangsstufen für Verdichter stationärer
Gasturbinen, Motortechnische Zeitschrift (MTZ). Technisch-Wissenschaftliche Zeitschrift für
das Gesamtgebiet der Verbrennungskraftmaschinen, Kolbenmotoren und Gasturbinen 44:19–24
1146 10 Verdichter
11.1 Einleitung
In einer Brennkammer wird dem vom Verdichter kommenden Luftstrom Wärme zu-
geführt, die aus der chemischen Energie des Brennstoffs – die durch den so genannten
Heizwert Hi beziffert wird – durch Verbrennung mit dem Luftsauerstoff gewonnen
wird. Da die Gastemperatur bei heutigen Strahltriebwerken nach der Verbrennung des
Flugbrennstoffs (Kerosin) mit der Luft signifikant über der vom Werkstoff ertragbaren
Turbineneintrittstemperatur liegt, wird in der Brennkammer mit so genanntem Luftüber-
schuss verbrannt. Das hinter der Brennkammer und anschließenden Turbine strömende
Heißgas enthält somit vor seinem Eintritt in die primäre Schubdüse noch ausreichend
Sauerstoff, um z. B. bei Nachbrennertriebwerken zum Zwecke der Schubsteigerung in
dem zwischen Turbine und primärer Schubdüse angeordneten Nachbrenner eine weitere
Wärmezufuhr durch Verbrennung zu realisieren.
Im Laufe der Strahltriebwerksentwicklung haben sich verschiedene Brennkammerbau-
arten herausgebildet. Man unterscheidet hier zwischen:
Bei dem heute typischerweise ins Strahltriebwerken benutzten Brennkammertyp, der Ring-
brennkammer, ist zwischen Verdichter und Turbine koaxial zur Triebwerkslängsachse ein
Gehäuse mit ringförmigem Querschnitt angeordnet, in dem sich ein Flammrohr mit eben-
falls ringförmigem Querschnitt befindet, Abb. 4.28. Die Umkehrbrennkammer, die heute
typischerweise in Wellenleistungstriebwerken zu finden ist, ist vom Grundprinzip her
79 79
C12 H24 + 18 O2 + N2 → 12CO2 + 12H2 O + 18 N2 (11.1)
21 21
1
Bei Kleinsttriebwerken findet man auch eine Bauart, die als Topfbrennkammer bezeichnet wird,
weil innerhalb eines Ringgehäuses topfförmige Flammrohrköpfe angeordnet sind. Der Vollständig-
keit halber sei außerdem erwähnt, dass man bei großen stationären Gasturbinen auch den Begriff
der Silo-Brennkammer findet. Man versteht darunter eine große, separat neben der Gasturbine auf-
gestellte Rohrbrennkammer mit unterschiedlich konfigurierten Brennern, die meist ähnlich einer
Umkehrbrennkammer ausgebildet ist.
11.1 Einleitung 1149
Mit den Molmassen MC = 12.011 g/mol, MH = 1.0079 g/mol, MO = 15.9994 g/mol und
MN = 14.0067 g/mol kann daraus das mit Gl. (18.184) definierte Brennstoff-Luft-
Verhältnis βstöch für stöchiometrische Verbrennung berechnet werden:
Zur vollständigen Verbrennung erfordert also 1 g Brennstoff die Anwesenheit von 3.42 g an
Sauerstoff bzw. von 14.7 ≈ 1/0.068067 g an Luft2 . Ist β in der Brennzone größer als βstöch ,
so liegt ein Überschuss an Brennstoff vor und man spricht von einem fetten Gemisch
(Rich Mixture). Im anderen Fall, wenn β in der Brennzone kleiner als der stöchiometrische
Wert ist, spricht man von einem mageren Gemisch (Lean Mixture). Beim fetten Gemisch
liegt ein Überangebot an Brennstoff vor, der von daher nicht vollständig verbrannt werden
kann. Es verbleiben Reste in der Form von Kohlenmonoxid CO und von unverbrannten
Kohlenwasserstoffen UCHs, die als Schadstoffe den Brennraum verlassen.
Vielfach ist es üblich, anstelle von βstöch zur Beschreibung der Vollständigkeit ei-
nes Verbrennungsvorganges das so genanntes Äquivalenzverhältnis φ = βPZ /βstöch zu
verwenden, speziell dann, wenn die Verbrennungscharakteristiken unterschiedlicher
Brennstoffe miteinander verglichen werden sollen. βPZ ist das Brennstoff-Luft-Verhältnis
in der Primärzone der Brennkammer. Ist φ = 1 so liegt ein stöchiometrisches Gemisch vor.
Bei φ < 1 ist das Gemisch mager und bei φ > 1 ist das Gemisch fett.
Nicht jedes Brennstoff-Luft-Gemisch ist brennfähig. Es existieren Grenzen, sowohl zu
mageren wie auch zu fetten Gemischen hin, die als untere und obere Entflammbarkeits-
grenze (Lean and Rich Limit) bezeichnet werden und hinsichtlich des Äquivalenzverhält-
nisses durch 0.5 < φ < 3.5 beschrieben werden können. Die angegebenen Grenzen sind
nicht scharf, sondern hängen von der Gemischtemperatur und dem Gemischdruck ab. Die
untere Entflammbarkeitsgrenze wird durch die in Flugzeugtriebwerken üblichen Drücke
praktisch nicht beeinflusst. Lediglich die obere Entflammbarkeitsgrenze wird in Abhän-
gigkeit des verwendeten Brennstoffes etwas erweitert, Lefebvre (1998). Die Abhängigkeit
der Gemischtemperatur zeigt Abb. 11.1. Mit steigender Gemischtemperatur dehnt sich
der Bereich des Äquivalenzverhältnisses φ, innerhalb dessen eine Entflammbarkeit mög-
lich ist, leicht aus. Bei niedrigeren Temperaturen bis etwa 60 ◦ C existiert das Gemisch
als entflammbarer Nebel (Luft mit Brennstoff in Tröpfchenform) und darüber hinaus als
entflammbarer Dampf (Luft mit Brennstoff in Gasform). Die Temperatur an der unteren
Entflammbarkeitsgrenze im Sättigungspunkt (Übergang zwischen Nebel- und Dampfge-
biet) wird als Flammpunkt bezeichnet. Der Flammpunkt (Flash Point) eines Brennstoffes
ist die niedrigste Temperatur, bei der sich über dem flüssigen Brennstoff ein zündfähiges
Dampf-Luft-Gemisch bilden kann. Die Zündtemperatur (Zündpunkt, Selbstentzündungs-
temperatur), SIT: Spontaneous Ignition Temperature, ist die Temperatur, ab der sich der
2
Luft wird hier nur als einfaches Gemisch aus den dominanten Bestandteilen Sauerstoff uns Stickstoff
angesehen. Die weiteren Edelgasanteile von Neon, Argon und auch die Basisanteile an Kohlendioxid
werden vernachlässigt.
1150 11 Brennkammer
Äquivalenzverhältnis φ
10 Sättigungslinie
6
4 zu fettes Gemisch
entflamm- selbstzündendes
2 barer entflammbarer Gemisch
Nebel Dampf
1
0.6
0.4 zu mageres
Gemisch
0.2 Flammpunkt Selbstentzündungstemperatur
(Flash Point) (SIT, Spontaneous lgnition
Temperature)
0.1
0 50 100 150 200 250
Gemischtemperatur in [°C ]
Brennstoff in Gegenwart von Luft ausschließlich aufgrund seiner Erhitzung – also ohne
Zündquelle wie z. B. einen Zündfunken – selbst entzündet.
Bei Triebwerken wird im Rahmen der Verwendung von brennbaren Antriebsfluiden in der
Regel von Brennstoff gesprochen. Der Flugzeugbau selbst spricht aber eher von Kraftstoff,
so heißen die Tanks und deren Zubehör im Flugzeug Kraftstoffsystem und nicht Brenn-
stoffsystem. Ursächlich dafür ist, dass begrifflich keine klare Abgrenzung der Begriffe
existiert. In der deutschen Sprache existieren praktisch drei Begriffe parallel:
• Kraftstoff (engl.: Motor Fuel). Normalerweise das brennbare Fluid, das in einer
Verbrennungskraftmaschine zum Einsatz kommt und deswegen insbesondere im
Kraftfahrzeugbereich der gängige Begriff ist.
• Treibstoff (engl.: Propellant). Normalerweise das brennbare Fluid, das zum Antrieb
von beliebigen Fortbewegungsmitteln Verwendung findet und deswegen den Begriff
Kraftstoff mit einschließt. Im Deutschen wird der Begriff Treibstoff insbesondere für
Schiffsantriebe und für Raketenantriebe verwendet.
• Brennstoff (engl.: Fuel). Oberbegriff für alle chemischen Stoffe, deren gespeicherte
chemische Energie sich durch Verbrennung in weiter nutzbare Wärmeenergie wandeln
lässt. Sie existieren in den Aggregatzuständen fest, flüssig und gasförmig.
11.2 Eigenschaften von Flugzeugbrennstoffen 1151
11.2.1 Dampfdruck
In einer ruhenden, nicht siedenden Flüssigkeit stoßen immer eine gewisse Anzahl von
Molekülen – mit unterschiedlicher Geschwindigkeit – von innen gegen die Oberfläche
der Flüssigkeit. Diejenigen mit der größten Geschwindigkeit sind in der Lage, die Anzie-
hungskräfte ihrer Nachbarmoleküle zu überwinden und die Flüssigkeit zu verlassen, was
als verdampfen bzw. als verdunsten bezeichnet wird. Mit zunehmender Dichte des Damp-
fes über dem Flüssigkeitsspiegel kehren aber auch immer mehr Moleküle wieder in die
Flüssigkeit zurück. Hierbei wird ein Gleichgewichtszustand erreicht, wenn die Anzahl der
austretenden Moleküle gleich der Anzahl der zurückkehrenden ist. Der thermische Austritt
der Moleküle aus der Flüssigkeit in den darüber liegenden Gasraum erzeugt einen Druck,
der Dampfdruck heißt. Im zuvor genannten Gleichgewichtszustand zwischen Flüssigkeit
und Dampf wird dieser Druck als Sättigungsdampfdruck bezeichnet. Dieser Druck hängt
von der Art der Flüssigkeit und von der Temperatur ab. Mit zunehmender Temperatur
nimmt der Dampfdruck relativ schnell zu. Ist der Sättigungsdampfdruck gleich dem in der
Flüssigkeit herrschenden statischen Druck, der sich aus dem Luftdruck und dem hydro-
statischen Druck der Flüssigkeitssäule3 zusammensetzt, so findet der Übergang von flüssig
nach dampfförmig nicht nur an der Oberfläche statt, sondern überall in der Flüssigkeit.
Man sagt, die Flüssigkeit siedet. Die Siedetemperatur hängt vom Druck ab. Eine Flüssig-
keit siedet also, wenn der äußere Druck gleich dem Sättigungsdampfdruck der Flüssigkeit
bei der zugehörigen Temperatur ist. Mit sinkendem Luftdruck fällt der Siedepunkt einer
Flüssigkeit ab.
Für ein Flugzeug, das z. B. sehr schnell von H0 = 0 km auf H0 = 6 km steigt, geht der Sie-
debeginn seines Brennstoffes von ca. 60 ◦ C auf etwa 38 ◦ C zurück, wobei die Abnahme der
Umgebungstemperatur keine Rolle spielt, da sich beim schnellen Steigen die Temperatur
der relativ großen Kraftstoffmasse in den Tanks kaum ändert. Für ein Flugzeug ist es also
wichtig, dass der Dampfdruck des verwendeten Brennstoffs gering ist, damit es bei nied-
rigen Umgebungsdrücken nicht zum Sieden des Brennstoffes in den Kraftstoffleitungen
kommen kann. Die Folge wäre ein Unterbrechen der Kraftstoffzufuhr zum Triebwerk, was
man als Dampfsperre (Vapor Lock) bezeichnet. Andererseits darf der Dampfdruck aber
3
In allen praktischen Fällen ist der hydrostatische Druckanteil vernachlässigbar.
1152 11 Brennkammer
20 KFZ-Benzin
Flugbenzin zu mager
zu fett
Atmosphärische Höhe in [km]
15
Jet A
Jet B Jet A-1 JP 5
10 Te
mp
er
atu
MO
rS
tan
GA
da
AV
5
S
rd m
atm
GA
temax. T
os pe rop
S
ph rat en
är ur -
e
0
−60 −40 −20 0 +20 +40 +60
Umgebungstemperatur in [°C ]
auch nicht zu gering sein, da es gerade die Kohlenwasserstoffanteile mit hohem Dampf-
druck sind (niedrig siedende CH-Verbindungen), die das Anlassen bzw. Zünden eines
Triebwerks erst ermöglichen.
11.2.2 Flammpunkt
Der Flammpunkt, der mit Abb. 11.1 definiert wurde, ist wegen der Brandgefahr, eben-
so wie der Dampfdruck wegen des Vapor Lock, ein wichtiges Sicherheitskriterium für
Triebwerke und Flugzeuge. Abbildung 11.2 zeigt die Flammpunkte verschiedener, in der
Luftfahrt gebräuchlicher Brennstoffstoffe in Abhängigkeit der Gemischtemperatur und
der Flughöhe. Die Neigung der Kurven nach links ergibt sich aus der atmosphärischen
Druckänderung mit der Höhe. Das in der Zivilluftfahrt übliche Kerosin Jet A-1 hat nach
Abb. 11.2 einen Flammpunkt von 38 ◦ C (per Definition an der mageren Grenze), sodass
sich z. B. bei 20 ◦ C kein entflammbares Gemisch bilden kann, da es zu mager wäre. Hin-
sichtlich der Brandgefahr ist Jet A-1 damit ein – in gewissem Umfang – sicherer Brennstoff.
Unter diesem Gesichtspunkt ist das in der militärischen Fliegerei verwendete Kerosin JP 54
als eine Art von „Sicherheitsbrennstoff“ anzusehen. Es wird deswegen auch vorwiegend
auf Flugzeugträgern verwendet.
4
JP = engl.: Jet Propellant.
11.2 Eigenschaften von Flugzeugbrennstoffen 1153
Die Tab. 11.1 stellt die wichtigsten Brennstoffe der Luftfahrt zusammen und vergleicht
sie mit Kfz-Benzin und Dieselkraftstoff. Entsprechend der genannten Sicherheitsaspekte
stehen links in der Tabelle die weniger sicheren und rechts die sichereren Brennstoffe
• Jet B: Für Flüge in Regionen mit extrem niedrigen Temperaturen, wie zum Beispiel
Alaska, Kanada und Sibirien, existieren noch die Sorten Jet B für den zivilen und
JP-4 für den militärischen Einsatz, die aus 65 % Benzin- und 35 % Kerosinfraktionen
bestehen (mit entsprechenden Additiven) und einen Gefrierpunkt von − 60 ◦ C haben.
Die Triebwerke müssen jedoch für die Verwendung dieses Brennstoffs geeignet sein.
Der Flammpunkt5 von Jet B liegt bei − 20 ◦ C, sodass hier praktisch immer Bedingungen
vorliegen können, die zum Entflammen führen könnten. Aus Sicherheitsgründen wird
deswegen Jet B in der zivilen Luftfahrt nur in Ausnahmefällen verwendet und erfordert
einen entsprechenden Vermerk im Bordbuch des Flugzeuges.
Bei Flugzeugen kann es unter normalen Umständen und auch bei sehr langen Flügen in
großen Höhen nicht zu einem Versulzen (Paraffinieren) des Brennstoffs in den Tanks
kommen, obwohl der Gefrierpunkt des Brennstoffs mit − 47 ◦ C etwa 20 K oberhalb
der atmosphärischen Umgebungstemperatur (T0 ≈ 205 K) liegt. Grund dafür ist, dass
der Brennstoff in den Tanks auch zum Kühlen von Flugzeug- und Triebwerkskompo-
nenten verwendet wird, wie z. B. Flugzeug-Hydrauliksystem, Triebwerks-Ölsystem und
Flugzeug-Stromgenerator IDG (Integrated Drive Generator). Ein gewisser Anteil des da-
durch erwärmten Brennstoffs fließt schließlich immer wieder zurück in die Tanks des
Flugzeuges und sorgt so dafür, dass der meiste Brennstoff (Kraftstoff) in den Tanks nicht
paraffinieren kann.
Für eine einwandfreie Verbrennung ist eine gute Gemischbildung eine wesentliche Vor-
aussetzung. Die Gemischbildung ist umso besser, je größer die so genannte Flüchtigkeit
(Übergang in den Gaszustand) eines Brennstoffes ist. Dieser Vorgang soll möglichst nicht
bei einer Temperatur oder in einem engen Temperaturbereich erfolgen, sondern inner-
halb eines weiten Bereiches, den so genannten Siedegrenzen. Bei Flugbenzinen wird das
Ende des Siedebereichs niedrig gehalten, damit es bei geringeren Umgebungstempera-
turen (in größeren Flughöhen) nicht zu einer unvollständigen Vergasung kommt. Bei
Triebwerksbrennstoffen liegt das Siedeende höher, da auch die hochsiedenden Anteile in
einer Triebwerksbrennkammer vollständig verbrannt werden. Abbildung 11.3 zeigt die
Siedekurven verschiedener in der Luftfahrt verwendeter Brennstoffe.
Mit absinkender Temperatur nimmt die Neigung zur Kristallbildung in Flüssigkeiten
zu, so auch in flüssigen Brennstoffen. Mit der Annäherung an den Gefrierpunkt (vgl.
Tab. 11.1) würden zunehmend aus dem Brennstoff Kristalle ausgeschieden werden und
sich an den Wandungen der Brennstoffleitungen absetzen, deren Querschnitte mehr und
5
Der Flammpunkt (Flash Point) eines Brennstoffes ist die niedrigste Temperatur, bei der sich über
dem flüssigen Brennstoff ein zündfähiges Dampf-Luft-Gemisch bilden kann.
11.2 Eigenschaften von Flugzeugbrennstoffen 1155
Gemischtemperatur [°C ]
Casamassa und Bent (1965) JP 5
250 Jet B
Mogas
200
150 Avgas
100
50
0
0 20 40 60 80 100
gasförmige Anteile [%]
Ein weiterer unerwünschter Bestandteil im Brennstoff ist Wasser, das durch die all-
gegenwärtige Luftfeuchtigkeit beim Betanken oder bereits zuvor beim Bunkern in den
Brennstoff gelangt. Bei einer Abkühlung des Brennstoffes (z. B. in größeren Flughöhen)
kondensiert das Wasser dann aus.
Die verschiedenen Arten von Brennkammern, ihre Hauptkomponenten und die Luftver-
teilung in Brennkammern wurden grundlegend in Kap. 4.3 behandelt. Die Basiseigen-
schaften, die eine solche Brennkammer erfüllen muss, sind im Folgenden aufgelistet.
Brennstoff Brennstoff
Flammhalter
Gehäuse
Luft
Luft
C
A
Brennstoff Brennstoff Flammrohr
Mischluft
Diffusor
Luft Luft
B D
Abb. 11.4 Ursprung, Bedeutung und physikalischer Sinn der Komponenten einer Brennkammer.
(Adaptiert von Lefebvre 1998)
11.3.1.1 Allgemeines
Die einfachste Form, die man sich für eine Brennkammer denken könnte, zeigt Abb. 11.4a.
Es ist ein zwischen Verdichter und Turbine angeordneter zylindrischer Brennraum, in den
die Luft mit der Verdichteraustrittsgeschwindigkeit c3 eintritt. Das Beispiel 10.2 in Kap.
10.3.3 hatte gezeigt, dass diese Geschwindigkeit durchaus Werte von 200 m/s (Ma ≈ 0.37)
erreichen kann. Wie noch gezeigt werden wird, bedeuten Eintrittsgeschwindigkeiten in
dieser Größenordnung sehr hohe so genannte thermische Totaldruckverluste von mehr
als 15 % in der Brennkammer. Das Geschwindigkeitsniveau begrenzt zudem die mögliche
Temperaturerhöhung in der Brennkammer, da es ansonsten am Brennkammeraustritt zum
Sperren, dem so genannten thermischen Verstopfen (Thermal Choking) kommt. Wegen
dieser nachteiligen Eigenschaft sollte die Machzahl am Brennkammereintritt auf Werte
von 0.2 und darunter abgesenkt werden. Dieses wird mit einem vorgeschalteten Diffusor
erreicht, Abb. 11.4b.
Im Bereich der Flammenentstehung, dort wo der Brennstoff zugeführt wird, muss
sichergestellt werden, dass die Strömung die Flamme nicht mit sich weg und so schließ-
lich aus der Brennkammer herausträgt. Das „Festhalten“ der Flamme wird durch eine
Zone sehr niedriger Geschwindigkeit im Hauptströmungsfeld erreicht, die Bereiche mit
Rückströmung einschließt. Im einfachsten Fall ist dies eine frontal angeströmte ebene
Platte, in deren Nachlauf eine verwirbelte Strömung entsteht, Abb. 11.4c. Im Nachlauf die-
ses so genannten Flammenhalters erfolgt die Flammenbildung. Die Rückströmung durch
die Verwirbelung an den Ablösekanten der Platte trägt immer wieder „Frischluft“ in den
Flammenbereich hinein (Abb. 11.5).
1158 11 Brennkammer
Primärzone Mischungszone
Zündkerze
Brennstoffdüse Kühlluft
Turbine
Brennstoff ft
Mis
ärlu
Prim
chl
Zwischenluft
uftuft
Primär- ft
chl
luft nlu
he
isc
Mis
Zw
Pri
Vedichterr
mä
rlu Kühlluft
Rezirkulations- ft
Zwischen-
gebiet luftzone
Abb. 11.5 Prinzipielle Darstellung zum Aufbau und zur Luftverteilung in einer Brennkammer
3 Strömungsbereiche
mit Diffusion
Luft vom
Verdichter
Zulaufmund
(Snout)
Druckausgleichs- Dom (Dome)
schlitze
Abb. 11.6 Typischer geometrischer Aufbau eines sog. 3-Wege-Diffusrors (Faired Diffuser)
11.3.1.2 Spezielles
Die Verbrennung flüssigen Brennstoffs mit Luft erfordert, dass der Brennstoff zunächst
verdampft und mit Luft auf molekularer Ebene vermischt wird, ehe die chemische Reaktion
(Verbrennung) einsetzen kann. Eine rasche Verdampfung hängt von den Verdampfungs-
eigenschaften des Brennstoffs ab und setzt eine genügend feine Zerstäubung voraus.
Eine gute und schnelle Vermischung von Brennstoff und Luft wird einerseits durch ei-
ne möglichst gleichmäßige Brennstoffverteilung bereits bei der Einspritzung gefördert,
andererseits ist dafür eine entsprechende Strömungsführung mit Erzeugung von genü-
gend Turbulenz erforderlich. Aus diesem Grund ist ein gewisser Druckverlust bei der
Einströmung der Luft ins Flammrohr durchaus erwünscht und auch notwendig.
Die Reaktionsgeschwindigkeit der Verbrennung ist immer dann am größten, wenn
Brennstoff und Luft im stöchiometrischen Verhältnis gemischt sind. Genau dann ist
auch der Wärmeumsatz pro Volumeneinheit am größten. Bei der Kohlenwasserstoff/Luft-
Verbrennung führt dies auf Verbrennungstemperaturen, die erheblich über der zulässigen
Turbineneintrittstemperatur liegen. Je nach Verdichteraustrittstemperatur liegen die Tem-
peraturen bei etwa 2 200 . . . 2 600 K. Deshalb wird der Brennstoff auch nur mit einem
1160 11 Brennkammer
Teil der zur Brennkammer strömenden Luft – bei nahezu stöchiometrischer Mischung –
im vorderen Teil des Flammrohrs, der so genannten Primärzone, verbrannt. Der weitaus
größere Teil der vom Verdichter kommenden Luft wird erst weiter stromab – in der
so genannten Mischzone – so zugeführt, dass sich das gewünschte Temperaturprofil am
Turbineneintritt einstellt, Abb. 11.6.
Die charakteristische Geschwindigkeit der Flammenausbreitung, die so genannte lami-
nare Flammengeschwindigkeit, liegt für Kohlenwasserstoff-Luft-Gemische bei 0.4 m/s. Im
turbulenten Fall beträgt sie, je nach Turbulenzgrad und Reynolds-Zahl, ca. 2 . . . 6 m/s
oder mehr. Die mittleren Strömungsgeschwindigkeiten in der Brennkammer liegen
aber nun durchweg über diesen genannten Werten, sodass zur Aufrechterhaltung einer
kontinuierlichen Verbrennung zusätzliche Maßnahmen zur Stabilisierung der Flamme
notwendig werden. Insbesondere wird hierzu in der Primärzone, d. h. im vorderen Teil
des Flammrohrs, ein Rezirkulationsgebiet mit kleinen Strömungsgeschwindigkeiten und
mit lokal erhöhte Aufenthaltszeiten erzeugt, in der der eingespritzte Brennstoff nach ein-
maliger Zündung vollständig verbrennen kann, Abb. 11.6. Dieses Rezirkulationsgebiet
wirkt dann infolge des Massenaustauschs mit der umgebenden Strömung als Quelle für
eine fortlaufende Zündung und Verbrennung des sich kontinuierlich frisch bildenden
Neugemischs. Das Rezirkulationsgebiet wird auf unterschiedliche Art und Weise erzeugt,
z. B. durch am Kopf des Flammrohrs – dem so genannten Dom – eintretende, drallbehaf-
tete Luftströmungen, oder durch Luftstrahlen, die von der Seite ins Flammrohr eintreten
und sich in der Mitte treffen, oder durch das Umströmen von Hindernissen – so genannten
Flammenhaltern – oder auch durch eine heftige Vergrößerung des Strömungsquerschnitts.
An die Primärzone mit dem Rezirkulationsgebiet schließt sich häufig eine kurze Nachre-
aktionszone an, in der weitere Luft – so genannte Zwischenluft – zugeführt wird, um
so einen vollständigeren Ausbrand zu erreichen, Abb. 11.6. Eine weitere relativ große
Luftmenge, die am Flammrohr außen vorbei strömt, tritt dann weiter stromab in Form
von Strahlen in die Heißgasströmung im Flammrohr ein, wobei infolge Vermischung
die Heißgastemperatur auf die gewünschte zulässige Turbineneintrittstemperatur abge-
senkt wird, Abb. 11.6. Dabei muss gleichzeitig auch das am Turbineneintritt geforderte
Temperaturprofil in radialer und Umfangsrichtung erzeugt werden.
Ein nicht unerheblicher Teil der gesamten vom Verdichter zur Brennkammer gelangen-
den Luft tritt darüber hinaus längs des Flammrohrs durch tangential angeordnete Schlitze
in Form von Kühlfilmen ins Flammrohrinnere ein. Diesem Luftanteil kommt die sehr
wichtige Aufgabe zu, die Flammrohrwände zu kühlen und die Wandtemperatur so weit
abzusenken, dass die geforderte Lebensdauer und die Anzahl der Lastzyklen garantiert
sind, Abb. 11.6.
Die vorausgegangenen Ausführungen machen klar, dass ein optimales Brennkam-
merverhalten, insbesondere eine optimale Verbrennung, eine sorgfältige Abstimmung
sowohl der Luftzufuhr zum Flammrohr als auch der örtlichen Strömungsgeschwindigkei-
ten erfordert. So muss z. B. die Strömungsgeschwindigkeit im Ringraum zwischen dem
Brennkammergehäuse und dem Flammrohr stets so hoch sein, dass das Flammrohr von
außen genügend gekühlt wird, andererseits soll sie aber auch so klein sein, dass eine mög-
11.3 Basiseigenschaften von Brennkammern 1161
lichst großer Anteil der kinetischen Energie der vom Verdichteraustritt kommenden Luft in
Druck umgesetzt wird. Desweitern muss die Luft im Ringraum um das Flammrohr herum
so verteilt werden, dass die jeweils erforderlichen Luftmengen so gleichmäßig wie nur mög-
lich von allen Seiten ins Flammrohr einströmen können. Dieses wird durch eine sorgfältige
Abstimmung der Ausströmung aus dem der Brennkammer vorgeschaltetem Diffusor
und der Anströmung des Flammrohrkopfs (Doms) erreicht. Hier ist Aufmerksamkeit
erforderlich, da eine meist komplizierte Geometrie in diesem Bereich – mit plötzlichen
Querschnittsänderungen und Einbauten, z. B. zur Brennstoffzufuhr – die Luftverteilung
im Ringraum und damit auch die Luftzufuhr zum Flammrohr i. Allg. ungünstig beeinflusst
und/oder Strömungsablösungen und instationäre Effekte hervorruft, was sich schließlich
fast immer nachteilig auf die Temperaturverteilung am Turbineneintritt auswirkt, also auf
die Strömungsverteilung am Brennkammerende.
Eine optimierte Aufteilung der Luftzufuhr ins Innere des Flammrohrs und zu den Be-
reichen der Flammrohrkühlung hin, einschließlich der Dimensionierung und Lage der
entsprechenden Öffnungen im Flammrohr, ist nach wie vor eine der Hauptaufgaben bei
der Entwicklung von neuen Brennkammern. Dies alles verlangt außerdem auch noch, dass
die jeweils geltenden Schadstoffgrenzwerte nicht überschritten werden. Angesichts der sich
in regelmäßigen Intervallen verschärfenden Vorschriften zum Schadstoffausstoß sollten
neu entwickelte Brennkammern ohnehin die zu ihrem Entwicklungszeitpunkt eingefor-
derten Schadstoffgrenzwerte eher deutlich unterschreiten. Dieses erfordert eine besonders
sorgfältige Auslegung der Primärzone und mehr und mehr auch die Anwendung neuer
Primärzonenkonzepte. Auch wenn heute die Brennkammerentwicklung schon stark von
numerischen Berechnungsverfahren profitiert, ist doch immer noch ein hoher experi-
menteller Entwicklungsaufwand notwendig, insbesondere bei Ringbrennkammern großer
Triebwerke, die heute bei zunehmenden Brennkammerdrücken um etwa 30 . . . 45 bar
arbeiten.
11.3.1.3 Diffusoren
Aufgabe des Diffusors ist es, die Eintrittsgeschwindigkeit in die Brennkammer gering
zu halten, was die Brennkammerdruckverluste signifikant senkt, und dem nachfol-
genden Flammrohr eine gleichmäßige und stabile Strömung anzuliefern. Bei den
Brennkammerdiffusoren werden zwei wesentliche Typen unterschieden
Beide Typen wurden und werden in Brennkammern verwendet, wobei zunehmend der
Kurzdiffusor bevorzugt Verwendung findet. Für die nachfolgende Beschreibung der bei-
den Diffusoren wird hinsichtlich der Geometrie davon ausgegangen, dass es sich bei der
zugehörigen Brennkammer um eine moderne Ringbrennkammer nach Abb. 4.26 rechts
handelt. Die zentrale Strömung in den Brennraum hinein und die Brennstoffzufuhr werden
erst einmal außer Acht gelassen.
1162 11 Brennkammer
3-Wege-Diffusor Abbildung 11.6 zeigt den typischen Aufbau dieses Diffusortyps, der –
aerodynamisch optimiert – ohne gravierende Strömungsablösungen und Verluste die Ge-
schwindigkeit zur Brennkammer senken soll. In einem ersten Diffusorbereich am Eintritt
wird die Geschwindigkeit der vom Verdichter kommenden Luft um ca. 35 % reduziert.
Am Ende dieses Diffusorbereichs wird die Luft in zwei Ströme aufgespalten, von denen
der zentrale Strom, der etwa 15 . . . 20 % des Gesamtluftmassenstroms ausmacht, in den
Zulaufmund (Snout) zum Flammrohr einströmt. Der konische Zulaufmund, an den sich
der so genannte Dom des Flammrohrs anschließt, ist ein zweiter Diffusor. Um den Zu-
laufmund herum vergrößert sich der durchströmte Ringquerschnitt in Axialrichtung und
bildet damit einen dritten Diffusorbereich aus (3-Wege-Diffusor). Nachdem die Strömung
den konischen Bereich am Brennkammereintritt verlassen hat und axial gerichtet weiter-
strömt, schließt sich ein dritter Diffusorbereich an, der dadurch entsteht, dass ein Teil der
Strömung seitlich in das (perforierte) Flammrohr einströmt.
Somit können dem vorderen Brennkammerbereich also insgesamt vier Regionen mit
Diffusorströmung zugeordnet werden. Die Effektivität dieser Diffusoren wird stark von
den Fertigungstoleranzen bei der Herstellung beeinflusst, da die einzelnen Diffusorbereiche
vergleichsweise klein sind und dadurch hinsichtlich ihrer Querschnitte auf Abweichungen
bei der Fertigung sehr sensibel reagieren. Wird dadurch die optimale Diffusion nicht mehr
erreicht, so werden entweder die Geschwindigkeiten zum Brennraum oder aber die Dif-
fusorverluste zu groß. Unterschiedliche thermische Ausdehnungen durch Leistungs- bzw.
Temperaturänderungen im Triebwerksbetrieb haben eine ähnliche Auswirkung. Eben-
falls von entscheidendem Einfluss auf die Effektivität ist das Geschwindigkeitsprofil, das
aus dem Verdichter der Brennkammer zuströmt. Gerade bei hohen Verdichterleistungen
und damit verbundenen Austrittsgeschwindigkeiten kommt es hier zu starken Ungleich-
mäßigkeiten, die sich durch die Diffusoren fortpflanzen und schließlich zu ausgeprägten
Asymmetrien in der Strömung im und um das Flammrohr herum führen. Durch eine
entsprechend unsymmetrische geometrische Gestaltung (unterschiedliche Flächen und
Bohrungsdurchmesser) kann dies zum Teil – aber nicht vollständig – ausgeglichen wer-
den. Neben den bisher genannten Nachteilen kommt hinzu, dass ein Faired Diffuser eine
relativ große axiale Baulänge aufweist.
Prall-Diffusor Die Abb. 11.7 zeigt den typischen Aufbau dieses Diffusortyps, der, im
Vergleich zu dem zuvor beschriebenen Diffusor, einen etwa 50 % höheren viskosen Total-
druckverlust hat. In einem Vordiffusor (Pre-Diffuser) am Eintritt wird die Geschwindigkeit
der vom Verdichter kommenden Luft um ca. 60 % reduziert. Danach – und entgegen der
sonst bei Diffusoren üblichen Verfahrensweise – wird am Austritt des Vordiffusors eine
sehr plötzliche Querschnittserweiterung herbeigeführt und die Luft danach in den in-
neren und äußeren Ringraum um das Flammrohr (Ringbrennkammer) herum geführt.
Die plötzliche Querschnittserweiterung erzeugt zwar hohe Strömungsverluste, die mehr
als 50 % über denen des Faired Diffusers liegen, hat aber für Flugzeugtriebwerke den
Vorteil der kürzeren Baulänge und der damit verbundenen Gewichtsreduzierung. Noch
gravierender ist aber, dass die daraus resultierend Strömung signifikant unsensibel auf Fer-
11.3 Basiseigenschaften von Brennkammern 1163
innerer Ringraum
11.3.1.4 Primärzone
In den Abb. 11.5 und 11.8 ist die Primärzone markiert. Es handelt sich dabei um den Brenn-
kammerbereich, der an den Dom des Flammrohrs anschließt und in dem sich die Flamme
ausbildet. Die Hauptaufgabe der Primärzone ist, die Flamme zu halten und zu stabilisieren
und dabei eine möglichst vollständige Verbrennung des hier gebildeten Brennstoff-
Luftgemisches zu ermöglichen. Dazu ist eine gewisse Verweilzeit in der Primärzone
erforderlich, ebenso wie eine ausreichende Turbulenz- und Temperaturentwicklung.
Abbildung 11.8 zeigt in prinzipieller Darstellung die Basisstruktur der Strömung in
einer Primärzone. Auch wenn moderne Brennkammern einen anderen und aufwendigeren
geometrischen Aufbau haben, so liegt ihnen in der Primärzone dennoch die in Abb. 11.8
dargestellte grundlegende Strömungsstruktur zu Grunde. Die Primärluft, die 10–18 % der
vom Verdichter kommenden Luft ausmacht, strömt durch den Drallgeber dem Brennraum
zu. Der Drall, den die Strömung dabei im Bereich des Doms erfährt, erzeugt durch die
Rotation (analog zu einem Potenzialwirbel) ein Unterdruckgebiet in seiner Mitte, also
im Bereich der Kraftstoffdüse. Dieses Unterdruckgebiet saugt den restlichen, weiter außen
1164 11 Brennkammer
Rezirkulationsgebiet
Brennstoffdüse
m
Do
Drallströmung
Drallgeber
Drallrose
Primärzone
Abb. 11.8 Prinzipielle Darstellung zur Strömung in der Primärzone einer Brennkammer
strömenden Teil der Luft an. Durch die Flamme, die sich durch die Verbrennung in diesem
Bereich ausbildet, wird die angesaugte Luft so stark erhitzt, dass sie den eingespritzten
Brennstoff ohne Benutzung einer Zündkerze entflammen kann.
11.3.1.5 Drallgeber
Die in Abb. 11.8 skizzierte Drallströmung in der Primärzone wird durch so genannte Drall-
geber, die manchmal auch als Drallrose (Swirler) bezeichnet werden, erzeugt. Abbildung
11.9 zeigt, dass hierbei zwischen axialer und radialer (zentripetaler) Durchströmung un-
terschieden wird. Manchmal werden auch zwei – konzentrisch zueinander angeordnete
– Drallgeber installiert, die zwei ineinander rotierende Wirbel erzeugen, Abb. 11.23. Bei
manchen Brennkammern drehen diese Wirbel gleichsinnig, bei manchen aber auch ge-
gensinnig. Der Unterdruck, der sich in einem Wirbel ausbildet, da in seinem Zentrum die
Geschwindigkeit größer ist als in seinen äußeren Regionen, saugt Luft an und bildet so
ein Rezirkulationsgebiet vor der Brennstoffdüse. Der rechte Teil von Abb. 11.9 zeigt die
prinzipielle geometrische Form dieses Gebietes.
11.3.1.6 Mischluftzone
Die Mischluftzone (Dilution Zone) schließt bei modernen Brennkammern direkt an die
Primärzone an. Bei älteren Brennkammern befand sich zwischen den beiden genannten
Zonen noch eine sog. Zwischenluftzone (Intermediate Zone), in der ein kleinerer Anteil
an Luft zugemischt wurde (Abb. 11.5), umso ein „sanftes“ Herunterkühlen des aus der
Primärzone kommenden Heißgases einzuleiten. Mit der Luft in der „ein wenig kühle-
ren“ Zwischenluftzone konnte die Verbrennung von Rußanteilen, Kohlenmonoxiden CO
und unverbrannten Kohlenwasserstoffen UCH vervollständigt werden. Da im Lauf der
Triebwerksentwicklung aber zunehmend Luft zur Kühlung der Brennkammern benötigt
wurde, ging der Luftanteil, den man für eine effektive Zwischenluftzone gebraucht hätte,
sukzessive zurück, sodass sie in dem hier beschriebenen Sinne heute nicht mehr existiert.
11.3 Basiseigenschaften von Brennkammern 1165
Axialdrallgeber axiales
Geschwindigkeitsprofil
Rezirkulationsgebiet
Radialdrallgeber
Abb. 11.9 Hauptformen von Drallgebern und das Strömungsgebiet mit Rezirkulation, das sie in
der Primärzone hervorrufen
Zündung
Brennstoffdüse
Mischluftzone
Vaporizer Tt4-Verteilung
Primärzone
Verdichter
1. Turbinenleitrad
Vordiffusor
Dump Diffusor
Abb. 11.10 Moderne Triebwerksbrennkammer mit Dump Diffuser und Vaporizer Brennstoffdüse
(vgl. hierzu auch Abb. 11.17)
Für die Verbrennung und die Wandkühlung einer Brennkammer werden etwa 60 . . .
80 % der vom Verdichter kommenden Luft benötigt. Aufgabe der Mischluftzone ist es
nun, die verbleibende Luft (20–40 %) so dem zentralen Heißgasstrom zuzumischen, dass
am Brennkammeraustritt (bzw. am Turbineneintritt) ein gewünschtes Temperaturprofil
entsteht, Abb. 11.10 und 11.11. Die radiale Gestaltung dieses Totaltemperaturprofils beruht
auf den folgenden Hauptgesichtspunkten:
• Zur Schaufelspitze hin steigt die Temperatur so an, dass jeder Schaufelschnitt, ange-
passt zur abnehmenden Fliehkraftspannung, in etwa die gleiche Lebensdauererwartung
aufweist.
• Um den Wärmefluss in Gehäuse und Nabe in Grenzen zu halten, soll die Temperatur
in diesen Bereichen geringer sein als zur der Mitte hin.
1166 11 Brennkammer
Gehäuse
radiale Schaufelerstreckung
Tt 4max − Tt 4
Tt 4max
Tt 4max − Tt 4
gewünschtes Totaltemperaturprofil
tatsächliches Totaltemperaturprofil
Nabe
Tt 4 Totaltemperatur
Tt4max − T t4
PTF := = 0.20 . . . 0.40 = Peak Temperature or Pattern Factor (11.3)
T t4 − T t3
T t4max − T t4
PF := = 0.08 . . . 0.10 = Profile Factor (11.4)
T t4 − T t3
Bei Grieb (2004) wird der Pattern Factor PTF auch als OTDF bezeichnet (Overall Tem-
perature Distribution Factor) und der Profile Factor PF als RTDF (Radial Temperature
Distribution Factor). Die formelmäßigen Definitionen sind aber bei Lefebvre (1998) und
bei Grieb (2004) jeweils identisch. PTF (OTDF) ist der auf die gesamte Strömungsfläche am
Eintritt des ersten Turbinenleitrades bezogenen Ungleichförmigkeitsgrad der Totaltempe-
raturverteilung. PF (RTDF) dagegen erfasst nur die radialen Ungleichförmigkeiten der
11.3 Basiseigenschaften von Brennkammern 1167
Das Einbringen der Mischluft in den zentralen Heißgasstrom erfolgt über eine oder meh-
rere Reihen von Öffnungen (Dilution Holes) im Flammrohr, deren Größe und Form
experimentell hinsichtlich der gewünschten Mischung optimiert werden.
Für die Beurteilung der Leistung eines gesamten Triebwerks ist die gemittelte Turbinen-
eintrittstemperatur T t4 die maßgebliche Größe. Für die thermische Widerstandsfähigkeit
des fest an der Brennkammer installierten ersten Turbinenleitrades ist dagegen eher die
heißeste Stelle Tt4max im Brennkammeraustritt entscheidend. Demnach hat der Pattern Fac-
tor PTF, in dem diese Temperatur auftritt, die größte Relevanz für die Gestaltung des am
stärksten thermisch beanspruchten Bauteils hinter der Brennkammer, nämlich für das erste
Turbinenleitrad. Der Profile Factor PF, der die radialen Temperaturungleichförmigkeiten
erfasst, ist dagegen signifikant entscheiden für die nachfolgende Laufradbeschaufelung, die
fliehkraftbedingt einer radialen Spannungsverteilung unterliegt.
1168 11 Brennkammer
Für den Pattern Factor PTF sind zwei Parameter maßgeblich: die Länge L des
Flammrohres (Liner Length) und der ptL Totaldruckverlust längs des Flammrohres. Die
Flammrohrlänge ist dabei maßgeblich für die Zeit und die Strecke, längs der sich Brennstoff
und Luft vermischen können. Der Totaldruckverlust ist ein Maß für die Vermischung der
Verbrennungsprodukte mit der Mischluft. Für moderne Ringbrennkammer gibt Lefebvre
(1998) die folgende empirische Beziehung für den Pattern Factor PTF an, die in guter
Übereinstimmung mit Messungen ist:
20·DL ·qref
Tt4max − T t4 −
L · ptL
PTF := =1−e (11.7)
T t4 − T t3
Hierin ist DL der innere Flammrohrdurchmesser und qref per Definition ein dynamischer
Referenzdruck am Brennkammereintritt:
ρ3 2
qref = ·c (11.8)
2 ref
Hierin ist ρ3 die Dichte am Brennkammereintritt und cref die mittlere Geschwindigkeit
im größten Brennkammergehäusequerschnitt bei Abwesenheit des Flammrohres. Der
Exponent in Gl. (11.7) hat Zahlenwerte, die etwa zwischen −0.5 . . . −0.25 liegen.
Mit steigender Brennkammeraustrittstemperatur werden die Bedingungen für eine stö-
chiometrische Verbrennung in der Brennkammeraustrittsebene zuerst irgendwo lokal an
der heißesten Stelle T t4max (r) erreicht. Die mittlere Brennkammeraustrittstemperatur T t4
liegt dabei noch tiefer. Je mehr man sich den stöchiometrischen Bedingungen und da-
mit Tt4max nähert, umso stärker fällt die NOx -Produktion aus (vgl. hierzu Kap. 11.4.2).
Dementsprechend wird man bei zivilen Triebwerken bezüglich einer Annäherung an die
stöchiometrischen Bedingungen vorsichtig sein. Bei militärischen Triebwerken besteht
aber eher die Tendenz, eine solche umweltbedingte Rücksichtnahme zu übergehen, um
über möglichst hohe Turbineneintrittstemperaturen ein Mehr an Leistung zu gewinnen.
11.3.2 Wandkühlung
Eine typische thermische Schutzschicht setzt sich aus zwei bis drei in etwa 0.1 mm . . .
0.2 mm dicken Einzelschichten zusammen, die durch so genannte Plasmaspritzverfahren
(Adam 1998) aufgebracht werden. Die Grundierungsschicht ist ein Überzug auf metalli-
scher Basis (Nickel/Chrom/Aluminium/Yttrium) während die Deckschicht (ein bis zwei
Schichten) keramischer Basis ist (Yttrium stabilisiertes Zirkonium). Die Gesamtdicke ei-
nes solchen thermischen Überzugs erreicht 0.4 . . . 0.5 mm und bedeutet für das darunter
liegende Metall eine Temperaturentlastung zwischen 40 . . . 70 K.
Die Entwicklungstendenz bei Flugzeugtriebwerken zu immer höheren Verdichter-
druckverhältnissen und Turbineneintrittstemperaturen (Abb. 11.12) hat den Kühlungs-
bedarf bei Brennkammern zunehmend gesteigert, sodass heute bis zu 40 % der vom
Verdichter kommenden Luft nur für die Kühlung aufgewandt werden muss. Das Verdich-
terdruckverhältnis πV hat insoweit Einfluss auf die Brennkammerkühlung, dass mit dem
Druckverhältnis πV 7 auch die Brennkammereintrittstemperatur (= Verdichteraustritt-
stemperatur Tt3 ) ansteigt. Hieraus ergeben sich folgende Probleme:
• die Flammentemperatur steigt mit πV an und damit auch die Wärmebelastung der
Brennkammermaterialien
• die Effektivität der Kühlung geht wegen der „heißer werdenden Kühlluft“ zurück.
Eine weitere Steigerung der zur Kühlung verwendeten Luftmenge über die oben genannten
40 % hinaus ist derzeit technisch kaum denkbar, da dies zu einem inakzeptablen Mengen-
verlust an Luft bei der Verbrennung in der Primärzone und/oder bei der nachfolgenden
Mischung in der Mischluftzone führen würde, was schließlich in einer ungünstigen radia-
len Temperaturverteilung resultiert, die die Turbine übermäßig belastet und ihre Standzeit
unangemessen einschränkt. Von daher kommt der Effektivität der Kühlung – mit der
zur Verfügung stehenden Luft – ein großes Augenmerk zu. Günstig wäre es, wenn der
Kühlungswirkungsgrad so gesteigert werden könnte, dass die dazu effektiv notwendige
Kühlluftmenge reduzierbar wäre.
7
Ein höherer Druck ist hinsichtlich der Kühlung ansonsten vorteilhaft, da der Flächenbedarf zur
Kühlung mit dem Druck generell abnimmt, Lefebvre (1998).
1170 11 Brennkammer
Verdichterdruckverhältnis
Turbineneintrittstemperatur
Entwicklung der
Verdichterdruckverhältnisse 1800 ohne mit 50
und Turbinen- Turbinen-
Turbineneintrittstemperaturen kühlung kühlung
von Flugzeugtriebwerken 1600 40
1400 30
1200 20
1000 10
11.3.2.2 Wandkühlungstechniken
Die wesentliche Kühlungsmethode in Brennkammern kann unter dem Oberbegriff der
„Filmkühlung“ zusammengefasst werden. Dabei wird Kühlluft von außerhalb des Flamm-
rohrs durch eine Vielzahl von Tangentialöffnungen wandparallel (axial) auf die innere
Oberfläche des Flammrohrs geleitet. Dieser Film aus Kühlluft legt sich als Schutzschicht
zwischen das Flammrohrmaterial und die zentrale Heißgasströmung. Der Kühlfilm heizt
sich nach einer gewissen Lauflänge auf und wird außerdem durch turbulente Vermi-
schung mit der Innenströmung zunehmend zerstört, sodass in regelmäßigen Intervallen
neue Kühlluftöffnungen anzuordnen sind. Typische axiale Abstände liegen zwischen
40 und 80 mm. Da zum Brennkammeraustritt hin die Axialgeschwindigkeit im Flamm-
rohr zunimmt, wird die turbulente Vermischung zunehmend unterdrückt und der Abstand
zwischen den Kühlluftöffnungen kann größer werden.
Ein nicht zu übersehender Vorteil der Filmkühlung liegt auch in den großen Standzei-
ten, die – trotz hoher Druck- und Temperaturspannungen – durchaus über viele tausend
Betriebsstunden reichen können. Darüber hinaus verleiht die konstruktive Anordnung
der Kühlöffnungen dem Flammrohr eine hohe Festigkeit, sodass hohe Steifigkeiten bei
optimaler mechanischer Robustheit erreicht werden.
Nachteilig sind die ungleichmäßige Temperaturverteilung in der Flammrohrwandung
und die daraus resultierenden Temperaturspannungen. In der Nähe der Kühlöffnungen
ist die Temperatur am geringsten und nimmt mit zunehmendem Abstand – in Richtung
auf die nächste Reihe von Kühlungsöffnungen – zu.
Wiggle-Strips Dieser amerikanische Fachbegriff für eine der älteren konstruktiven Lö-
sungen zur Filmkühlung, der im Englischen auch Corrugated Strips heißt, kann mit
„geschlängeltes Band“ übersetzt werden. Triebwerke, in denen diese Methode eingesetzt
wurde, waren z. B. das Spey, Olympus und Pegasus von Rolls-Royce. Abbildung 11.13 zeigt
11.3 Basiseigenschaften von Brennkammern 1171
Wigglestrips Flamm- A
rohr Kühlluft
Heißgas A
g
lun
küh
Film
Schnitt A-A
Abb. 11.13 Filmkühlung des Flammrohrs mittels sog. Wiggle-Strips oder Corrugated Strips. (Bild
mit freundlicher Genehmigung der Rolls Royce plc)
den prinzipiellen Aufbau, bei dem die Kühlluft aufgrund ihrer kinetischen Energie in den
Flammrohrinnenteil eingeleitet wird. Die Kühlluftmenge und damit die Effektivität der
Kühlung hängen somit von der Geschwindigkeit außerhalb des Flammrohrs ab. Deswe-
gen wird diese Art der Kühlung auch manchmal durch einfache, normal zur umströmten
Oberfläche eingebrachte Bohrungen unterstützt, wobei die Kühlluft infolge des statischen
Druckunterschiedes zwischen Innen- und Außenströmung in das Flammrohr eintritt. Die-
se Art der Kühlung wird als Splash-Cooling bezeichnet. Der konstruktive Aufbau für die
WiggleStrips gibt dem Flammrohr eine sehr gute Festigkeit. In der Praxis hat es sich aber
gezeigt, dass bereits sehr kleine Abweichungen in den Materialdicken – bei ansonsten
identischen Flammrohren – zu vergleichsweise großen Variationen in der Kühlluftmenge
führen, sodass bei der Fertigung ein großer Augenmerk auf die Qualität der Ausführung zu
legen ist. Hinzu kommt, dass die Kühlung örtlich unbefriedigend ist, da sich seitlich hinter
den Kühlluftöffnungen häufig lang gestreckte Streifen zu heißen Materials (Hot Streaks)
ausbilden.
Stacked Rings Abbildung 11.14 zeigt diese Art der Wandkühlung, die z. B. bei den Pratt &
Whitney Triebwerken der PW2000- und PW4000-Serie Verwendung findet oder aber beim
JT9D. Auch bei dieser Kühlungsmethode erfolgt die Steuerung der eintretenden Kühlluft-
menge – genau wie bei den Wiggle-Strips – über die kinetische Energie der Außenströmung.
Die Kühlluftöffnungen werden gebohrt oder gestanzt und sind damit dimensionsgenauer
als die der Wiggle-Strips, was schließlich zu einer verbesserten und vor allem gleich-
mäßigeren Kühlung führt. Die strukturelle Steifigkeit ist zwar nicht so gut wie bei den
1172 11 Brennkammer
Lippe
Abb. 11.14 Filmkühlung des Flammrohrs mittels so genannter Stacked Rings. (Bild mit freundlicher
Genehmigung von United Technologies Pratt & Whitney)
Wiggle-Strips, was aber wegen der besseren Effektivität der Kühlung in Kauf genommen
wird. Hinter den Bohrungen entsteht durch ein überlappendes Blech ein Ringraum, in
dem die Turbulenzen der Einzelstrahlen gedämpft werden und wo sie sich zu einem in
Umfangsrichtung weitestgehend einheitlichen Kühlfilm vermischen können. Durch die
konstruktive Wahl der Höhe des Ringraums kann die Geschwindigkeit des Kühlfilms
gezielt gesteuert werden.
Machined Rings Eine Schwäche der Stacked Rings ist die qualitative Ausführung der hart
gelöteten Verbindungsstellen, mittels der die einzelnen Ringe untereinander verbunden
werden. Hier kann es – wenn sich beim Löten unerwünschte Hohlräume gebildet haben
sollten – zu Wärmestauungen kommen und damit zu örtlich begrenzten heißen Zonen,
so genannten Hot Spots. Dieses Problem ergibt sich nicht, wenn das Flammrohr entweder
aus einem einzigen Stück maschinell gefertigt (Machined) oder aber aus mehreren, separat
maschinell gefertigten Einzelringen zusammengeschweißt wird, Abb. 11.15. Die generelle
Funktionsweise ist identisch mit dem, was zuvor bei den Stacked Rings beschrieben wurde.
Die so maschinell gefertigten Flammrohre sind in sich sehr stabil, sehr genau zu fertigen
und sehr akkurat zu bohren, was in einer verbesserten Steuerung des Kühlfilmes resultiert.
Speziell für große Flammrohre ist die erhöhte Festigkeit ein signifikantes Argument. Ma-
chined Rings sind typisch für die weit verbreiteten Rolls Royce Triebwerksfamilie der RB
211 Serie und dem Nachfolgertriebwerksmuster RR-Trent.
Sowohl bei Stacked als auch bei Machined Rings entsteht ein großer Temperaturgradient
zwischen der Lippe (vgl. Abb. 11.14 und 11.15) und den Kühlluftbohrungen, weil auf der
unteren Fläche der Lippe praktisch keine Filmkühlung mehr existiert, da der Kühlluftfilm
der vorangegangenen Reihe von Kühlluftbohrungen durch turbulente Vermischung mit
11.3 Basiseigenschaften von Brennkammern 1173
Luftzufuhr über
statischen Druck
Lippe
Luftzufuhr über
Totaldruck
Abb. 11.15 Filmkühlung des Flammrohrs mittels so genannter Machined Rings. (Bild mit
freundlicher Genehmigung der Rolls Royce plc)
Abb. 11.16 Sonderformen bei Stacked und Machined Rings zur Optimierung der Kühllufteinbrin-
gung mittels so genannter Rolled- und Double-Pass Rings
der zentralen Heißgasströmung aufgezehrt ist. Der Bereich dagegen, wo die Kühlluft durch
die Bohrungen eingebracht wird, ist sehr gut gekühlt, sodass zwischen dieser Stelle und der
Lippe eine große Temperaturspannung mit daraus resultierender Rissbildung entstehen
kann. Abbildung 11.16 zeigt zwei Lösungen, mit denen versucht wurde dieses Problem
durch eine aufwendigere Luftführung, die den gefährdeten Bereich gleichmäßiger kühlt,
zu entschärfen.
Z-Rings Bei den vorherigen Lösungen zur Wandkühlung war erklärt worden, dass die
Lippen dazu benötigt werden, einen einheitlichen Kühlfilm auszubilden. Es war aber
auch gezeigt worden, dass dies zu Problemen hinsichtlich von Wärmespannungen füh-
ren kann. Von daher liegt es nahe, nach einer Lösung zu suchen, bei der auf die Lippen
verzichtet werden kann. Abbildung 11.17 zeigt eine solche Lösung, die von Rolls-Royce
1174 11 Brennkammer
rizer
Vapo
Abb. 11.17 Filmkühlung des Flammrohrs mittels so genannter Z-Rings (vgl. hierzu auch Abb. 11.9).
(Bild mit freundlicher Genehmigung der Rolls Royce plc)
Transpirationskühlung Diese Art der Kühlung wurde ebenfalls von Rolls-Royce ent-
wickelt, kam im Triebwerk RR Spey (z. B. BAC 1-11) zum Einsatz, und firmiert auch
unter dem Namen „Transply“. Hierbei besteht die Flammrohroberfläche aus mehreren,
durch Hartlöten miteinander verbundenen Schichten (Laminat), in denen sich unter- und
miteinander verbundene Strömungskanäle befinden, Abb. 11.18. Durch Bohrungen in der
Oberfläche tritt die Kühlluft von außen in das Laminat ein und durchströmt es mehr oder
weniger in Mäanderform, wodurch das Flammrohr gekühlt wird. Danach tritt die Kühlluft
im Inneren des Flammrohrs normal zu Oberfläche aus und bildet dort, da sie durch die
zentrale Heißgasströmung in Axialrichtung umgelenkt wird, einen Kühlluftfilm aus. Hier
liegen also zwei Formen der Kühlung vor, die Konvektionskühlung8 im Inneren und die
Filmkühlung auf der Oberfläche. Die Kombination aus diesen beiden Methoden wird als
Transpirationskühlung bezeichnet. Im Detail gibt es zahlreiche weitere Verbesserungen
der zuvor genannten Kühlmethoden, die hier aber aus Platzgründen nicht alle erläutert
werden können. Bei diesen Methoden wird vielfach versucht, den Weg der Kühlluft durch
das zu kühlende Material, das doppelwandig ausgeführt wird, zu verlängern und so durch
8
Vom lateinischen Wort „convectio“ abgeleitet, das „zusammenbringen“ bedeutet. Wärmetransport
durch ein Gas, das an einer festen Oberfläche entlangströmt.
11.4 Brennstoffdüsen und Zündung 1175
Laminat der
kalten Seite
Mittellaminat
Laminat der
heißen Seite
Abb. 11.18 Prinzipskizze zur so genannte Transpirationskühlung von Rolls Royce (Transply). (Bild
mit freundlicher Genehmigung der Rolls Royce plc)
Voraussetzung für eine möglichst vollständige Verbrennung ist die vorherige Feinstzer-
stäubung des Brennstoffs in kleinste Tropfen. Bei den Flugzeugtriebwerken werden hierzu
zwei wesentliche Methoden unterschieden:
Die Anlieferung des Brennstoffes in die Brennkammer, mit Drücken von bis zu 140 bar,
bei maximalen Volumenströmen von ca. 8 000 dm3 /h, wird mit einer Kombination aus
Nieder- und Hochdruckpumpen erreicht. Förderpumpen transportieren von den Flug-
zeugtanks Brennstoff zum Triebwerk und bauen dabei einen Basisdruck auf, der Schutz
vor Vapor Lock (vgl. Kap. 11.2.1) und Kavitation bieten soll. Am Triebwerk selbst befin-
den sich dann die Nieder- und die Hochdruckbrennstoffpumpe, die vom Triebwerk selbst
– über den Hilfsgeräteträger (vgl. hierzu auch die Abb. 16.6 und 16.34) – angetrieben
werden. Die Hochdruckpumpen sind bei Flugzeugtriebwerken generell Kolben- (Plunger-
Type Pump) oder Zahnradpumpen, (Gear-Type Pump), die Antriebsleistungen von bis zu
9
Vom lateinischen Wort „effusio“ abgeleitet, das „ausgießen“ oder „herausquellen“ bedeutet.
1176 11 Brennkammer
50 kW benötigen. Der Brennstoff kühlt über einen Wärmetauscher das Öl des Triebwerks
und wird so vor dem Eintritt in die Brennkammer selbst vorgewärmt. Eine weitergehende
Darstellung dieser Zusammenhänge gibt das „System“-Kap. 16.4.2.
11.4.1 Druckzerstäubung
Die Zerstäubung von Brennstoffen mit niedriger Viskosität (wie z. B. Kerosin) wird prinzi-
piell dadurch realisiert, dass der Brennstoff unter hohem Druck durch eine kleine Öffnung
(Orifice) gepresst wird. Abbildung 11.19 zeigt die generelle Entwicklung eines aus einer
Brennstoffdüse austretenden Brennstoffstrahls mit steigendem Brennstoffdruck. Ausge-
hend von einem dünnen Strahl bildet sich zunehmend ein Kegel aus. Die eigentliche
Zerstäubung beginnt, wenn der Brennstoffdruck etwa 1.5 bar über dem Druck in der
Brennkammer liegt und wird mit weiter steigendem Druck zunehmend besser.
Würde die Brennstoffdüse lediglich aus einer einfachen Bohrung bestehen, so ergäbe
sich zwar eine gewisse Kegelform des zerstäubten Brennstoffs, die aber für die meisten
praktischen Anwendungen zu schmal wäre. Breitere Kegel werden erreicht, wenn der
Brennstoff mit Drall aus der Düse austritt. Die Zentrifugalwirkung lässt einen größeren Ke-
gel entstehen. Abbildung 11.20 zeigt den generellen Aufbau einer solchen Brennstoffdüse,
in welcher der Drall dadurch entsteht, dass der Brennstoff über seitliche Tangentialboh-
rungen in die einzige Austrittsöffnung (Simplexdüse) eingebracht wird und aus der er
kegelförmig rotierend, mit einem Kern aus Luft in der Mitte, als Film feinstzerstäubten
Brennstoffs austritt. Die druckzerstäubende Simplexdüse ist typisch für die sehr frühen
Strahltriebwerke und heute praktisch nicht mehr in Gebrauch, obwohl sie bei großen Vo-
lumenströmen und großen Brennstoffdrücken eine gute Zerstäubung gewährleistete. Bei
kleinen Drücken und Volumenströmen gingen diese positiven Eigenschaften aber deutlich
zurück, und führten bei kleineren Triebwerksdrehzahlen und bei Flügen in größeren Hö-
hen zu unbefriedigenden Resultaten. Der Grund dafür ist, dass sich aus der Bernoulli- und
der Kontinuitätsgleichung ergibt, dass die Differenz, um die der Brennstoffdruck ober-
halb des Druckes in der Brennkammer liegen muss, dem Quadrat des Volumenstroms
11.4 Brennstoffdüsen und Zündung 1177
Steuerventil Tangentialbohrungen
A zur Drallerzeugung
Brenn-
stoff
Schnitt-AA
einzelne
A Austrittsöffnung
Schutzsieb
Abb. 11.20 Aufbau einer sog. Simplex-Brennstoffdüse mit Druckzerstäubung (Simplex Pressure
Atomizer)
proportional ist, pt ∼ V̇ 2 . Weiter oben wurde erwähnt, dass pt wenigstens 1.5 bar
betragen sollte, um eine gute Zerstäubung zu gewährleisten. Wenn diesem Wert der mi-
nimale Brennstoffvolumenstrom zugeordnet wird, so wird der maximale Volumenstrom
typischerweise etwa 20-mal so hoch sein. Daraus würde sich folglich eine Totaldruckdiffe-
renz von pt = 600 bar ergeben. Derzeit gibt es keine flugzeugtaugliche Kraftstoffpumpe
hoher Zuverlässigkeit, die solche Werte realisieren könnte. Dieser wesentliche Nachteil
der Simplexdüse hat zur Entwicklung der so genannten Duplexdüse – mit zwei Austritts-
öffnungen – geführt, mit welcher der Brennstoffvolumenstrom um das 20-fache variiert
werden kann, ohne dass der Brennstoffdruck 70 bar überschreiten muss.
Abbildung 11.21 zeigt den generellen Aufbau einer Duplexdüse, die über zwei sepa-
rate, konzentrisch angeordnete Austrittsöffnungen verfügt, die als primäre (Pilot) und
sekundäre (Main) Brennstoffaustrittsöffnungen bezeichnet werden. Die primäre Öffnung
ist zentral und die sekundäre so darum herum angeordnet, dass beide Brennstoffstrahlen
sich wechselseitig nicht beeinflussen können. Auch bei der Duplexdüse treten die Brenn-
stoffstrahlen mit Drall aus, umso jeweils einen breiten Zerstäubungskegel zu erhalten. Bei
kleinen Volumenströmen tritt der Brennstoff nur aus der primären Düse aus, deren Zer-
stäubungseffektivität hoch ist, da ihre kleine Austrittsöffnung bei vergleichsweise hohem
Druck betrieben wird. Mit steigendem Volumenstrom und Brennstoffdruck wird über
ein Schaltventil die größere sekundäre Düse mit hinzugeschaltet. Unvermeidlicher Weise
ist im Anfang der Brennstoffdruck für die sekundäre Düse noch nicht optimal und ihre
Zerstäubungseffektivität von daher auch nur mäßig. Erst mit einer weiteren Zunahme
des Volumenstroms verbessert sich dieser Zustand. Um die negative Wirkung des Vo-
lumenstrombereichs mit schlechter Zerstäubung zu mildern, wird vielfach der primäre
Brennstoffstrahl mit einem größeren Öffnungswinkel ausgestattet als der sekundäre. Da-
durch „durchschneiden“ sich der primäre und der sekundäre Strahl ein Stück hinter dem
Austritt aus der Duplexdüse und die Energie des primären Strahls kann die vergleichsweise
schlechte Zerstäubung des sekundären Strahls teilweise verbessern.
1178 11 Brennkammer
Brennstoffzufuhr
sekundär primär
Kühllufteintritt Sekundärkegel
Primärkegel
sekundär zweifache
primär Austrittsöffnung
Abb. 11.21 Aufbau einer so genannten Duplex-Brennstoffdüse mit Druckzerstäubung der Firma
Parker Hannifin, Gas Turbine Fuel Systems (Duplex Pressure Atomizer)
11.4.2 Luftstrahlzerstäubung
Im vorherigen Kapitel wurde beschrieben, dass der Hauptnachteil einer Simplexdüse der
ist, dass ihre Austrittsöffnung für maximalen Volumenstrom bei höchsten Brennstoff-
drücken optimiert wird. Bei kleinen Volumenströmen ergibt sich dann eine unzureichende
Zerstäubungseffektivität. Dieser Nachteil kann dadurch ausgeglichen werden, indem zu-
sätzlich Luft mit hoher Geschwindigkeit in den Brennstoffstrahl geblasen wird, sodass es
auch bei kleinen Volumenströmen zu einer guten Zerstäubung aufgrund der zusätzlich
zugeführten kinetischen Energie kommt. Hier bestehen generell zwei Möglichkeiten
• Es wird Luft mit kleinem Massenstrom bei hoher Geschwindigkeit verwendet, was als
luftstrahlunterstützende Zerstäubung (Air-Assist Atomizing) bezeichnet wird.
• Es wird Luft mit großem Massenstrom bei geringerer Geschwindigkeit (ca. 120 m/s)
verwendet, was als Luftstrahlzerstäubung (Air-Blast Atomizing) bezeichnet wird.
Die Wahl, welche der beiden Möglichkeiten gewählt werden sollte, hängt von der Menge
an Druckluft ab, die ohne sonstige Leistungs- und Wirkungsgradeinbußen zur Verfügung
gestellt werden kann, und davon, wie groß die Lufteintrittsgeschwindigkeit in die Brenn-
kammer sein darf, da weiter oben erläutert wurde, dass hohe Eintrittsgeschwindigkeiten
schließlich zu hohen Totaldruckverlusten in der Brennkammer führen.
In Flugzeugtriebwerken findet heutzutage die Luftstrahlzerstäubung breite Anwendung,
da sie gegenüber der reinen Druckzerstäubung bei vergleichsweise geringen Brennstoff-
11.4 Brennstoffdüsen und Zündung 1179
Luft
Luft
Brennstoff
Luft
Luft
Luft
Drallgeber
(Swirler)
Brennstoff (sekundär)
Brennstoff (primär)
Brennstoff (sekundär)
Drallgeber
(Swirler) Luft
drücken eine ausgezeichnete und sehr feine Zerstäubung gewährleistet, und zudem ein sehr
gutes Brennstoff-Luft-Gemisch für den nachfolgenden Verbrennungsprozess aufbereitet.
Der linke Teil von Abb. 11.22 zeigt die einfachste Form (Simplex Air-Blast Atomizer)
einer solchen Brennstoffdüse mit Luftstrahlzerstäubung. Der Brennstoff tritt zentral – mit
Drall versehen – aus und ist von einem ebenfalls drallbehafteten Luftstrahl eingehüllt,
Abb. 11.22 rechts oben. Der Luftstrahl strömt kontinuierlich und ist nicht in die Brenn-
stoffregelung integriert. Eine Optimierung der Gemischbildung bei kleinen und hohen
Triebwerksleistungen kann durch eine Aufteilung des Brennstoffstroms in einen primären
und sekundären Teil erreicht werden, so wie es bei der Duplexdüse im vorherigen Kapitel
beschreiben wurde. Der rechte Teil von Abb. 11.22 zeigt das entsprechende Pendant für
die Luftstrahlzerstäubung.
Noch weiter optimierte und in Flugzeugtriebwerken häufig verwendete Formen von
Brennstoffdüsen zeigen Abb. 11.23 und 11.24. Hier wird in der Düse zuerst ein dünner
drallbehafteter Brennstofffilm (Pre-Film) erzeugt und dieser anschließend in einem eben-
falls mit Drall versehenen Luftstrom zerstäubt. Der linke Teil von Abb. 11.23 unten zeigt
eine solche Lösung der Firma Parker Hannifin, Gas Turbine Fuel Systems, mit zwei se-
paraten, konzentrischen angeordneten und jeweils drallbehafteten Luftstrahlen (vgl. auch
Abb. 4.29 rechts). Die beiden Luftstrahlen können dabei gleich- oder gegensinnig drehen,
je nach den gewünschten Erfordernissen, die damit erzielt werden sollen.
1180 11 Brennkammer
Brennstoff
Ummantelung Drallgeber
Luft äußerer Luft
Drallgeber
Luft Haupt
Brennstoff
Pre-Filmer Pilot
Brennstoff
innerer
Drallgeber
Drallgeber für
Brennstoff Luft
Abb. 11.23 Fortschrittliche Typen von Luftstrahlzerstäubern; oben intern gestufter Engine-3-E
Düse, links unten Pre-Filming Air-Blast Atomizer, rechts unten Piloted Air-Blast Atomizer
• Gleichsinnig drehende Luftwirbel. Es wird ein starker Wirbel mit einem ausgeprägten
Unterdruckgebiet im Zentrum erzeugt, was die Rezirkulation in der Primärzone der
Brennkammer fördert.
• Gegensinnig drehende Luftwirbel. Es werden Wirbel mit Scherschichten erzeugt, die
besonders der Zerstäubung und der Gemischbildung förderlich sind.
Der letztgenannte Fall dämpft die Unterdruckbildung in der Wirbelzone und damit die
für die Flammenstabilität (permanente Selbstzündung) gewünschte Rezirkulation. Dieser
Nachteil wird dadurch ausgeglichen, dass einer der gegensinnig drehenden Wirbel deutlich
stärker ist als der andere. Der stärkere ist dabei gewöhnlich der äußere Wirbel.
Ein wesentlicher Nachteil des bisher beschriebenen Pre-Filming Air-Blast Atomizers
ist es, dass er bei mageren Gemischen aufgrund der hohen Luftgeschwindigkeiten das
11.4 Brennstoffdüsen und Zündung 1181
Abb. 11.24 links Schnittdarstellung durch einen modernen Luftstrahlzerstäuber (Airspray Nozzle);
rechts vergrößerte Darstellung eines Brennstoffdüsenkopfes (Airspray Nozzle Head). Beide Ein-
zelbilder sind nicht Bestandteile eines gemeinsamen Bauteils. (Mit freundlicher Genehmigung der
Rolls-Royce plc)
vorzeitige Erlöschen der Brennkammer fördert und dass beim Triebwerksstart die Brenn-
stoffzerstäubung wegen des noch geringen Luftmassenstroms schlecht ist. Durch die rechts
in Abb. 11.23 und in Abb. 11.24 dargestellten Brennstoffdüsen kann dieser Nachteil ge-
mildert werden. Bei kleinen Volumenströmen (Triebwerksstart und Leerlauf) strömt der
gesamte Brennstoff ausschließlich durch die zentrisch angeordnete Pilotdüse. Hierbei han-
delt es sich um eine Simplexdüse mit Druckzerstäubung. Bei höheren Triebwerksleistungen
wird zur Pilotdüse die als Pre-Filming Air-Blast Atomizer gestaltete äußere Hauptdüse mit
hinzugeschaltet.
11.4.3 Verdampfer
Eine ganz andere Methode der Einbringung von Brennstoff in die Brennkammer zeigt
Abb. 11.25. Hierbei handelt es sich um einen sog. Verdampfer (Vaporizer), bei dem der
Brennstoff – zusammen mit Luft – in zwei Röhren eingebracht wird, die sich im Bereich
der Flamme der Brennkammer befinden. Das Brennstoff-Luftverhältnis in den beiden
Röhren liegt etwa in einem Bereich von 0.3 < βPZ < 0.5. In den Röhren wird das Gemisch
durch die äußere Flamme erhitzt und schließlich verdampft. In diesem Zustand gelangt
es in die Primärzone der Brennkammer, wo die weitere, für eine möglichst vollständige
Verbrennung erforderliche Luft zugemischt wird. Die Vorteile von Verdampfern liegen
in ihren geringen Kosten und bei dem vergleichsweise niedrigen erforderlichen Brenn-
1182 11 Brennkammer
Brennstoff
Luft
Luft
Va
po
riz
er
stoffdrücken. Nachteilig ist, dass beim Triebwerksstart der Verdampfer eine Zeit lang zu
kühl ist, um eine gute Verdampfung gewährleisten zu können, sodass in der Anfangsphase
eine Permanentzündung (Torch Igniter) erforderlich wird, damit die Brennkammer nicht
wieder erlischt. Beim starken Beschleunigen des Triebwerks tritt ein weiterer Nachteil auf,
wenn nämlich die große zugeführte Brennstoffmenge die Wandungen des Verdampfers
übermäßig kühlt. Hierdurch werden die Verdampfung und damit schließlich der Wir-
kungsgrad der Verbrennung beeinträchtigt. Bei hohen Triebwerksleistungen tritt dieser
Effekt ebenfalls zu Tage, sodass praktisch nur ein kleiner Teil des zugeführten Brennstoffs
tatsächlich verdampft wird. In Wirklichkeit wird also ein Verdampfer nur bei kleineren
Triebwerksleistungsstufen seinem Namen auch wirklich vollkommen gerecht.
Verdampfer sind bei real ausgeführten Triebwerken eigentlich nur bei der Firma Rolls-
Royce zu finden, die diese im Hubtriebwerk Pegasus (Hawker Siddeley Harrier), im zivilen
Turbojet Olympus (Aérospatiale-BAC Concorde 101/102) und im militärischen Turbofan
RB199 (Panavia 200 Tornado) eingebaut hat.
11.4.4 Zündung
Zum Starten eines Triebwerks dient ein pneumatischer Starter, der über den Hilfs-
geräteträger (vgl. Abb. 4.23) erst den Hochdruckverdichter und dann die restlichen
Turbomaschinen zum Rotieren bringt, sodass Luft vom Triebwerk angesaugt wird. So-
bald auf diese Art und Weise Luft durch die Brennkammer strömt, werden über die
Brennstoffregelung die Kraftstoffpumpen aktiviert, die dann Brennstoff in die Brennkam-
mer transportieren. Wenn das dadurch gebildete Brennstoff-Luft-Gemisch zündfähig, also
nicht zu mager und nicht zu fett ist, wird es über eine oder zwei Zündkerzen (Igniter Plug)
11.4 Brennstoffdüsen und Zündung 1183
gezündet. Der Starter und die Fremdzündung werden deaktiviert, sobald das Triebwerk
eine gewisse Grenzdrehzahl erreicht hat (Self-Sustaining Speed), ab der es selbstständig
weiter beschleunigen kann, vgl. dazu auch die textlichen Ausführungen zu den Abb. 16.5
bis 16.9.
Die Zündung kommt auch zur Anwendung, wenn das Triebwerk nach einem Erlö-
schen oder Abstellen während des Fluges wieder neu gestartet werden muss. Bei widrigen
Wetterlagen, wie sehr starkem Regen, Schneefall oder Hagel, wenn das Triebwerk neben
der Luft auch sehr viel Wasser ansaugt, muss die Zündung auch zum Permanentbetrieb
geeignet sein, damit es nicht zum eventuellen Erlöschen der Flamme kommen kann. Auch
beim Starten und Landen und beim Benutzen der Triebwerksenteisung ist die Zündker-
ze gewöhnlich im Permanentbetrieb. Das Zuschalten der permanenten Zündung erfolgt
in der Regel automatisch mit dem Ausfahren der Vorflügel oder mit der Betätigung der
Enteisung. Sie kann aber auch manuell erfolgen.
Bei Flugzeugtriebwerken kommen Zündkerzen zum Einsatz, die einen elektrischen
Zündfunken erzeugen. Je nach Größe des Triebwerks werden Zündkerzen mit einer Zün-
denergie EZ zwischen 2 J ≤ EZ ≤ 12 J (Joule) verwendet. Eine solche Zündenergie wird als
Funke innerhalb von t ≈ 10 μs abgegeben, was z. B. bei EZ = 4 J einer Zündleistung von
PZ = EZ /t = 4 · 106 /10 = 0.4 MW entspricht. Wird von einem Zündstrom von IZ = 200 A
ausgegangen, so ergibt sich eine Spannung von UZ = PZ /IZ = 400 000/200 = 2 000 V an
der Zündkerze, die zum Zünden des Gemisches vorliegen muss. In Extremfällen kommen
Zündkerzen mit Energien von bis zu 20 J und Zündströmen von bis zu 2 000 A zum Ein-
satz. Zusammengefasst wird klar, dass der Energiebedarf zur Zündung in jedem Fall ganz
erheblich ist. Je nach Zündkerze werden 50 . . . 250 Zündfunken pro Minute abgegeben.
Abbildung 11.26 zeigt eine in Flugzeugtriebwerken häufig verwendete Zündkerze, die
aus einer inneren Iridium-Elektrode mit Wolframspitze und einer äußeren, geerdeten
Stahlelektrode besteht. Die beiden Elektroden sind durch einen keramischen Isolator
voneinander getrennt und enden an der Zündkerzenspitze in einer Schicht aus Halb-
leitermaterial. Diese hat die Aufgabe, die Ionisation der Funkenstrecke zu unterstützen
und so den Bedarf an benötigter elektrischer Energie zu minimieren.
Die Positionierung der Zündkerze erfolgt im Allgemeinen im zylindrischen Teil
des Flammrohrs, ganz in der Nähe der äußeren Oberfläche des Brennstoffsprühkegels,
Abb. 11.26 unten links, sodass die Zündkerze selbst nicht allzu stark mit Brennstoff
benetzt wird. Die Zündkerze ragt dabei gerade durch die Kühlluftschicht, die über das
innere Flammrohr strömt, hindurch. Eine geringe Kühlluftmenge soll dabei die Spitze der
Zündkerze umströmen und diese so vor Überhitzung schützen, was beim längeren Über-
schreiten von etwa 900 K eintritt. Je weiter eine Zündkerze in das Flammrohr hinein ragt,
umso mehr ist ihre Lebensdauer eingeschränkt. Andererseits verbessert sich dadurch aber
ihre Leistungsfähigkeit hinsichtlich der Zündung des Brennstoff-Luftgemisches.
Wie bereits erwähnt, lässt ein Anlasser die Verdichter und Turbinen beim Triebwerks-
start drehen, wodurch Luft angesaugt und so ein Luftstrom durch das Triebwerk aufgebaut
wird. Wenn die Zündung des Brennstoff-Luftgemischs beginnt, existiert in der Primärzone
eine Geschwindigkeit von etwa 25 m/s. Abbildung 11.27 zeigt die Grenzen in Abhängigkeit
1184 11 Brennkammer
Stahlkörper
Iridium Elektrode
keramischer Isolat or
Abdichtung aus Glas
Kontaktfläche
Abb. 11.26 Aufbau einer für Strahltriebwerke typischen Zündkerze (2.000 V/200 A)
Brennkammereintrittsdruck
Brennstoff/Luft-Verhältnis βPZ
zu fettes Gemisch
0.2
Stabilitätsgrenze
Bereich, in dem
Zündung möglich ist
0.1
0.068
zu mageres Gemisch
0.0
0.0 0.25 0.50 0.75 1.00
Luftmassenstrom in [kg/s]
Abb. 11.27 Typischer Verlauf der Grenzen innerhalb derer eine Zündung überhaupt möglich ist.
Hinweis: Längs der Ordinate ist das Brennstoff/Luft-Verhältnis in der Primärzone der Brennkammer
βPZ aufgetragen und nicht das Brennstoff/Luft-Verhältnis β < βPZ des Triebwerks
ganges den Wärmeverlust überschreitet, der in die Umgebung des Zündbereiches durch
Strahlung und durch turbulente Vermischung dissipiert. Die genannte Wärmeproduktion
hängt dagegen vom lokalen Brennstoff- Luftverhältnis ab, das möglichst stöchiometrisch
sein sollte, und von der Ausdehnung und der Temperatur der Kernzone, die ihrerseits von
der Energie und der Dauer des Zündfunkens gesteuert wird. Der Wärmeverlust aus der
„Kernflamme“ wird sowohl von den lokalen Geschwindigkeits- und Turbulenzzuständen
als auch vom Brennstoffüberschuss in der Zündzone diktiert. Diese Phase des Zündungs-
prozesses wird auch stark vom verwendeten Typ der Zündkerze (Flush Fire or Sunken
Fire) beeinflusst, von deren Platzierung im Flammrohr und davon, wie weit die Zündkerze
durch die Flammrohrwandung hindurchragt. Treten während des Zündvorganges Störun-
gen in dieser Phase auf, so können praktisch immer durch eine höhere Zündfunkenenergie
beseitigt werden.
Die Platzierung der Zündkerze ist auch wichtig für die zweite Phase des Zündungspro-
zesses, da diese dafür verantwortlich zeichnet, ob die „Kernflamme“ mehr oder weniger
rückwärts in die Primärzone des Flammrohres wandert oder ob sie mit der Strömung
davongetragen wird. Die vollständige Ausbreitung der „Kernflamme“ in die Primärzone
hinein hängt von all den Faktoren ab, die auch schließlich für die weitere Stabilität der
Verbrennung maßgeblich sind, d. h., von allen Änderungen, die den Druck, die Tempera-
tur, die Geschwindigkeit und das Brennstoff-Luft-Verhältnis in der Primärzone betreffen.
Auch die Brennstofftemperatur selbst spielt hier eine Rolle, da mit steigender Temperatur
die Verdampfungsfähigkeit verbessert wird, was seine Ursachen sowohl in der höheren
Flüchtigkeit als auch in der feineren Zerstäubung aufgrund der reduzierten Viskosität des
Brennstoffes hat.
11.5 Schadstoffemissionen
Mit Gl. (11.1) oder den Gleichungen Gl. (18.327) . . . (18.329) ist die stöchiometrische
Verbrennung eines Kerosins theoretisch beschrieben worden, bei der im Abgas Kohlendi-
oxid (CO2 ), Wasserdampf (H2 O) und Stickstoff (N2 ) entsteht. Praktisch kommen weitere
Anteile hinzu, wie Kohlenmonoxid (CO), unverbrannte Kohlenwasserstoffe (UCH), Stick-
oxide (NOX ) und Rauch, die alle zusammen als Schadstoffe bezeichnet werden. Kerosine
enthalten – wie alle realen Kohlenwasserstoffe – immer geringe Anteile an Schwefel, die sich
im Abgas als Schwefeldioxid (SO2 = Anhydrid der Schwefeligen Säure H2 SO3 ) bemerkbar
machen. Zur Vermeidung von so genannter Heißgaskorrosion an den Turbinenmateria-
lien (Sulfidation, vgl. hierzu Kap. 12.4.2.4) wird von den in der Luftfahrt verwendeten
Kerosinen verlangt, dass ihr Schwefelanteil unterhalb von 0.1 % liegt. Demzufolge ist SO2
bei Flugzeugtriebwerken ein vernachlässigbar kleiner Schadstoffanteil.
Der Kohlendioxidausstoß (CO2 ), der ein generelles und unvermeidbares Reaktions-
produkt aller bei Verbrennungsvorgängen verwendeten fossilen Brennstoffe ist, wird
gerade wegen dieser Umstände nicht immer als explizit zu reduzierende Schadstoffemis-
1186 11 Brennkammer
Da Kerosin frei von Blei- und Halogenverbindungen ist, werden weder Schwermetalle
noch Dioxine emittiert. Nach derzeitigem Stand der Forschung haben die Emissionen von
Flugzeugtriebwerken weder relevante Auswirkungen auf das globale Klima noch auf die
Luftqualität im Flughafennahbereich. In der Regel überdecken in der Flughafenumgebung
die Emissionen des bodengebundenen Straßenverkehrs die Flugverkehrsemissionen.
Nichtsdestotrotz ist kaum ein anderes Triebwerksbauteil so unmittelbar mit der Bezif-
ferung des Schadstoffausstoßes gekoppelt, wie die Brennkammer. In den zurückliegenden
55 Jahren konnte der Brennstoffverbrauch und damit auch der CO2 Ausstoß um gut 70 %
reduziert werden. Bis 2020 wird mit einer Verbesserung um weitere 20 %, bis 2050 sogar
mit einer Reduktion um 80 % gerechnet (gegenüber dem Jahr 1990). Der Airbus A380 ist
das erste Langstreckenflugzeug, das pro Passagier und pro 100 km weniger als drei Liter
Brennstoff verbraucht.
11.5 Schadstoffemissionen 1187
In den 1960er und 1970er Jahren konzentrierte sich die Technologieentwicklung vor
allem auf die Reduzierung des spezifischen Brennstoffverbrauches. Durch Erhöhung der
Temperatur und des Drucks in der Brennkammer wurde eine massive Absenkung der
unverbrannten Kohlenwasserstoffe (UCH) und des Kohlenmonoxids (CO) bei den Ab-
gasemissionen erreicht. Synchron dazu entstanden aber vermehrt Stickoxide (NOX ), von
denen vermutet wird, dass sie den Treibhauseffekt verstärken. Aus diesen Umständen
resultiert die Anforderung, die niederen Kohlenwasserstoff- und Kohlenmonoxidwerte
und natürlich auch den geringeren Treibstoffverbrauch beizubehalten, gleichzeitig aber
den nun stark angestiegenen Stickoxidausstoß wieder zu reduzieren. Anfang der 1990er
Jahre entwickelte die Firma CFM eine neue Brennkammertechnologie (Double Annular
Combustor), die eine Reduktion des Stickoxidausstoßes um bis zu 40 % – im Vergleich
zu damals herkömmlichen Triebwerken – ermöglichte. Diese neuartige Technologie be-
steht aus einer zweigeteilten Ringbrennkammer mit je 20 digital angesteuerten Haupt-
und Steuerkraftstoffdüsen. Über diese Düsen wird – je nach Flugphase – der entsprechen-
de Brennkammerteil mit Treibstoff versorgt. Diese gezielte Ansteuerungsmöglichkeit der
einzelnen Kraftstoffdüsen führt praktisch über den gesamten Bereich der missionstypi-
schen Triebwerksleistungsstufen (Power Settings) zu einem gleich bleibenden optimalen
Temperaturprofil am Turbineneintritt.
Forschung und Wirtschaft arbeiten in zahlreichen Projekten gemeinsam daran, nicht
nur die Umweltverträglichkeit der Luftfahrtantriebe zu verbessern, sondern auch die der
gesamten Luftfahrt. Neue Abflugrouten und neue Triebwerke sorgen für weniger Lärm,
der Einsatz neuer Technologien verringert den Treibstoffverbrauch und damit auch den
Schadstoffausstoß.
11.5.1.1 ACARE
Die Technologieplattform ACARE (Advisory Council for Aeronautics Research in Euro-
pa) hatte initiativ eine strategische Forschungsagenda bis zum Jahr 2020 erarbeitet auf
der weitergehende visionäre Zielsetzungen bis (derzeit) zum Jahr 2050 aufbauen. Bis zu
diesen Zeitpunkten sollen die Flugzeuge 50 % sparsamer, 50 % leiser und 80 % saube-
rer werden. Dieses sind überaus ehrgeizige Ziele, insbesondere wenn man bedenkt, dass
moderne Flugantriebe inzwischen einen eindrucksvollen technischen Standard erreicht
haben. Sie gehören zu den effizientesten Wärmekraftmaschinen überhaupt, deren innerer
Wirkungsgrad (thermischer Wirkungsgrad) deutlich über 50 % liegt. Die Wirkungsgrade
der einzelnen Komponenten – Fan, Verdichter, Brennkammer und Turbine – erreichen
durchgehend Werte von deutlich über 90 Prozent. Diesen Technologiestand noch weiter
zu verbessern ist keine leichte Aufgabe und ist vor allem Kostenintensiv.
In dieser ACARE Forschungsagenda werden von den beteiligten 25 europäischen Mit-
gliedsstaaten, der Europäischen Union, Forschungseinrichtungen, Industrie, Airlines,
Flughäfen und Luftfahrtverbänden außerordentlich ambitionierte aber aus heutiger Sicht
absolut notwendig erscheinende technologische Entwicklungen für die Luftverkehrswirt-
schaft aufgezeigt. Daraus wird die Hauptaufgabe, das Ausarbeiten einer Strategie für die
europäische Luftfahrt (SRA, Strategic Research Agenda) abgeleitet. Die wichtigsten um-
1188 11 Brennkammer
weltrelevanten Ziele – soweit sie die Flugantriebe unmittelbar betreffen – beziehen sich
auf die Reduzierung der Lärm- und der CO2 -Emissionen und die Reduktion des Stick-
oxidausstoßes (NOX ). Die globalen Ziele für 2020 sind die Realisierung der Bedürfnisse
der Gesellschaft und die europäische Marktführerschaft im weltweiten Luftfahrtsektor. Im
Detail bedeuten die Ziele von ACARE für 2020:
Als Bezugspunkt für Triebwerke gelten die Daten des Triebwerks IAE V2500 aus dem Jahr
2000. Aufbauend auf dieser Basis, wären die Beiträge der Luftfahrtantrieb zu den ACARE
Zielen die folgenden:
10
Hierbei handelt es sich um so genannte Integrated Technology-Demonstrators (ITD): 1 SWFA
SMART Fixed Wing Aircraft, Passagierflieger, 2 GRA Green Regional Aircraft, Regionaljets, 3
GRC Green Rotorcraft, Hubschrauber, 4 SAGE Sustainable and Green Engines, Triebwerke, 5
SGO Systems for Green Operations, Systeme im Flugzeug und am Boden, 6 ECO Eco-Design,
Design und Produktion.
11
Die maßgebliche Führung der 6 Demonstratorprogramme liegt bei 12 Firmen bzw. Institutionen,
von denen immer zwei für eines der Programme verantwortliche zeichnen: EADS, Airbus, Euroco-
pter, Frauenhofer, AleniaAermacchi, AgustaWestland, Safran, Thales, Saab, Dassault, Liebherr und
Rolls-Royce.
12
Die nachfolgenden Ausführungen zum Technologiestand SAGE 4 basieren auf den Angaben in
der Literaturquelle MTU (2013).
13
Der Begriff „generative Fertigung“ ist eine übergreifende Bezeichnung für Verfahren zur schnellen
und kostengünstigen Fertigung von Modellen, Mustern, Prototypen, Werkzeugen und Endproduk-
ten aller Art. Häufig auch als Rapid Prototyping bezeichnet. Ausgehend von einem CAD-Datensatz
für ein 3D-Geometriemodell wird der jeweilige Formkörper schichtweise, werkzeuglos aufgebaut.
Dadurch ist die Herstellung komplizierter Bauteilgeometrien mit Freiformflächen, Hinterschnitten
oder Hohlstrukturen möglich.
1190 11 Brennkammer
Einsparungen bei Material und Gewicht kommt. Die generative Herstellung ist praktisch
nur noch ein einziger Arbeitsschritt, sodass sich hier auch eine erhebliche Einsparung bei
der Zeit auftut, da sich die Anzahl der beteiligten Zulieferer reduziert und damit auch die
daraus resultierenden Transportzeiten.
Eine andere Technologie, die ein weiteres Optimieren des bisherigen Getriebefans kom-
plettieren könnte, wird in der Niederdruckturbine zu finden sein. Um im Heißgasstrom nur
wenig zum Schwingen angeregt zu werden, weisen die dortigen Beschaufelungen eine hohe
Steifigkeit auf, was zu Lasten des Gewichts geht. Eine neuartige Schaufelkonstruktion mit
integrierter Schwingungsdämpfung mäßigt kritischen Frequenzen, sodass die Schaufeln
leichter und schlanker werden, was zudem auch noch aerodynamische Vorteile mit sich
bringt, und sich so schlussendlich wieder positiv auf die Effizienz des Gesamttriebwerks
auswirkt.
Um den Wirkungsgrad der nächsten GTF-Generation noch weiter zu optimieren, wird
zusätzlich auch das interne Luftsystem der Niederdruckturbine verbessert. Durch metho-
discheres Kanalisieren der Kühlluft zu genau den Orten hin, wo sie schließlich auch nur
benötigt wird, kommt es zu einer merklichen Kühlluftmengenreduzierung. Da Kühlluft
vom Verdichter des Triebwerks bereitgestellt wird, bedeutet weniger Kühlluft auch einen
geringeren Arbeitsanteil, den der Verdichter für deren Bereitstellung aufwenden muss.
Das verbessert den Triebwerkswirkungsgrad und resultiert schließlich in einem Mehr an
Schub.
Hinsichtlich des Triebwerklärms werden erstmals vom schwedisch-britischen SAGE
4 Partner, GKN-Aerospace14 , akustische (perforierte) Dämpfungselemente im Turbinen-
austrittsgehäuse zum Einsatz kommen. Solche Filter für bestimmte Frequenzen arbeiten
heute schon im Sekundärkanal von Turbofantriebwerken, unmittelbar vor und hinter dem
Fan. Ein Einsatz im Heißgasstrom erfordert eine hitzefeste Auslegung.
Wie auch immer, die Wirkungsgradniveaus heutiger Triebwerke sind bereits in jeder
Beziehung sehr hoch, sodass die Clean Sky Projekte zum Teil eine Optimierung im Zehn-
telprozentbereich bedeuten. Aber jeder einzelne Zehntelprozentpunkt spart zum einen
Brennstoff und zum anderen damit dann auch den damit verbundenen CO2 -Austoß. Die
Herausforderungen bei Clean Sky sind aber nicht nur technischer Natur, sondern bestehen
auch in der möglichst reibungslosen Organisation des Mammutprojektes.
14
ALPS (Advanced Low Pressure System) – Engine Demonstrator for the European Clean Sky
Sustainable and Green Engine (SAGE) project. ALPS ist auch signifikanter Bestandteil des SAGE 3
Projekts von Rolls-Royce „Large 3-Shaft Turbofan“.
11.5 Schadstoffemissionen 1191
Ölsand Ein großer Hoffnungsträger unter den unkonventionellen Ölen sind die Ölsande,
deren größte Lagerstätten sich derzeit in Kanada und in Venezuela befinden. Ölsande ent-
halten kein Öl, sondern Bitumen, den man auch als Erdpech bezeichnet. Dieses Erdpech
kann zu synthetischem Rohöl weiterverarbeitet werden. Allerdings ist diese Ölgewinnung
äußerst energieaufwendig. Die Produktion selbst erfordert bereits die Hälfte der gewon-
nenen Energie, wogegen beim konventionellen Öl dessen Produktion nur knapp 10 % der
gewonnenen Energie beträgt. Demzufolge sind auch die Auswirkungen auf die Umwelt
problematisch: Für jedes Barrel (≈ 159 L) synthetischen Öls aus Ölsand fallen bei der Pro-
duktion zum einen mehr als 80 kg an Treibhausgasen an und zum anderen rund 640 L
Abwasser. Zudem sollte man auch bedenken, dass selbst eine massive Ausweitung der
Ölsandförderung in Kanada weniger als 3 % der heutigen Ölförderung decken würde.
Flüssiges Erdgas und Biogas Flüssiges Erdgas (LNG, Liquefied Natural Gas) und Biogas
haben im hier vorgestellten Zusammenhang kaum eine Chance. LNG besitzt – bezogen auf
sein Gewicht – nicht einmal den halben Energiegehalt (Heizwert) von Wasserstoff (Was-
serstoff Hi ≈ 11.6 · 107 J/kg, flüssiges Erdgas Hi ≈ 5.6 · 107 J/kg, Kerosin Hi ≈ 4.3 · 107 J/kg).
Andererseits ist der Energiegehalt aber höher als der von herkömmlichem Kerosin. Das
IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) kommt allerdings zu dem Ergebnis,
dass Methan (LNG oder Biogas) insgesamt gesehen energetisch schlechter abschneidet als
Kerosin. Daraufhin hat der vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) und
der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) gegründete zwischenstaatliche Ausschuss
diese Option verworfen.
1192 11 Brennkammer
Wasserstoff Auch Wasserstoff ist für den Luftverkehr ein potenzieller Energieträger. In
der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat es mehrere Versuche gegeben, Wasserstoff als
Treibstoff in Strahltriebwerken einzusetzen. Besonders populär war dabei die dreistrahlige
Tupolev TU154 Ende der 1980er Jahre, die mit flüssigem Wasserstoff und flüssigem Erdgas
betankt wurde15 . Größter Vorteil von Wasserstoff ist der auf das Gewicht bezogene hohe
Energiegehalt (Heizwert Hi ≈ 11.6 · 107 J/kg). Bei gleichem Energiegehalt ist Wasserstoff
2.8-mal leichter als Kerosin – allerdings auch 4.1-mal voluminöser. Auf Grund des großen
Volumens und der zudem nötigen Kühlung des Wasserstoffes auf − 253 ◦ C stellt die Treib-
stoffspeicherung eine große Herausforderung dar, da die gesamte Flugzeugarchitektur
entsprechend zu ändern wäre.
Sollte Wasserstoff als Kraftstoff zum Einsatz kommen, müsste zudem eine komplett
neue Versorgungsinfrastruktur aufgebaut werden. Vorratslager an den Flughäfen sind
zurzeit optimal auf den Einsatz des erdölbasierten Kerosins eingestellt. Sollte ein al-
ternativer Kraftstoff wie Wasserstoff einen Systemwechsel erfordern, müssten in einer
Übergangsphase an jedem Flughafen weltweit parallele Versorgungsinfrastrukturen für
den gewohnten und den neuen Treibstoff bereitgestellt werden. Die lange Lebensdauer
von Flugzeugen würde zu entsprechend langen Übergangsphasen führen.
15
Weiterentwicklungen der Tu-154 waren die mit Flüssigwasserstoff bzw. mit Erdgas betriebenen
Prototypen Tu-155 und Tu-156. Die Tu-155 basiert auf einer Serien-Tu-154B, bei der das rechte
Triebwerk mit Wasserstoff oder Erdgas beaufschlagt werden konnte. Ihren ersten Flug mit Flüssig-
wasserstoff absolvierte die Tu-155 am 15. April 1988, ihren ersten Flug mit Erdgas am 18. Januar
1989. Somit ist diese Tu-155 das erste erdgasgetriebene Flugzeug der Welt. Die Weiterentwicklung
Tu-156 kann alternativ mit Kerosin oder Erdgas betrieben werden, womit sie flexibler wird und mit
normalem Kerosin betrieben werden kann, sollte am jeweiligen Flughafen kein Erdgas zur Verfügung
stehen.
16
Zulässiger Triebwerksschub in Abhängigkeit des Umgebungsdrucks und der Flughöhe, vgl. hierzu
die Ausführungen in Kap. 5.6.
11.5 Schadstoffemissionen 1193
3 000 ft
Climb Approach
Idle
Taxi-Out
Idle
Taxi-In Take-Off
Abb. 11.28 Der Standard-LTO-Zyklus zusammen mit den beteiligen Betriebsarten des Flugzeuges,
den Schubvorgaben und den Zeitdauern
und zurück) mit 7 % des Startschubs über 26 min. Start mit 100 % Schub (Standard-Tag)
über 0.7 min (42 s). Steigflug mit 85 % des Startschubs über 2.2 min (132 s). Der LTO-
Zyklus geht damit nur auf Schadstoffemissionen im Nahbereich von Flughäfen und der
sie umgebenden Städte und Landschaften ein, obwohl über 80 % des Schadstoffausstoßes
von Flugzeugtriebwerken oberhalb von 3.000 ft stattfindet. Für Triebwerke supersonischer
Flugzeuge existieren andere Regularien, deren Grenzwerte früher einmal unter dem Ge-
sichtspunkt festgesetzt wurden, dass sicherzustellen war, dass das Rolls-Royce Triebwerk
Olympus (Concorde) die geforderten Werte erfüllen kann. Die Außerbetriebnahme der
Concorde hat diesen Passus zwar zwischenzeitlich überholt, dürfte aber wieder dann von
Interesse sein, wenn wieder einmal ernsthaft über SST-Flugzeuge (Supersonic Transport)
nachgedacht werden sollte – wovon aber eher nicht auszugehen ist.
Die Tab. 11.2 zeigt die nach ICAO zulässigen Grenzwerte für gasförmige Schadstoffe. In
dieser Tabelle ist π00 das Triebwerksdruckverhältnis17 (Engine Pressure Ratio, EPR) beim
Start (Take-Off) und F00 der zugehörige Startschub. Die Schadstoffgrenzwerte werden
dabei für einen LTO-Zyklus als emittierte Massenanteile in Gramm angegeben, bezogen
auf den jeweiligen Schub der zugehörigen Leistungsstufe (Rated Thrust) auf Meereshöhe
17
Im praktischen Triebwerksbetrieb ist das Triebwerksdruckverhältnis EPR ein Maß für den Schub
des Triebwerks und wird dem Piloten im Cockpit angezeigt. Dazu werden am Turbinenaustritt und
am Verdichtereintritt jeweils die Totaldrücke gemessen und diese beiden Werte dann ins Verhältnis
gesetzt: EPR = π00 = pt5 /pt2 .
1194 11 Brennkammer
Tab. 11.2 Zulässige gasförmige Schadstoffemissionen für sub- und supersonische Turbojetund
Turbofantriebwerke mit Startschüben über 26.7 kN nach ICAO, Annex 16
Schadstoffemission Turbojet/Turbofan subsonisch Turbojet/Turbofan
supersonisch
Dp Dp
Unverbrannte Kohlenwasserstoffe = 19.6 = 140 · 0.92π00
F00 F00
UCH in [g/kN]
Dp Dp −1.03
Kohlenmonoxid CO in [g/kN] = 118.0 = 4.550 · π00
F00 F00
Dp Dp
Stickstoffoxide NOX in [g/kN] = 32 + 1.6 · π00 = 36 + 2.42 · π00
F00 F00
Dp Zulässigerweise emittierte gasförmige Massenanteile in [g], F 00 = Startschub auf Meereshö-
he in [kN], π00 = Triebwerksdruckverhältnis. F 00 und π00 gehören immer zu ein und derselben
Triebwerksleistungsstufe (Rated Thrust and Rated Engine Pressure Ratio)
(Sea Level). Die Zahlenwerte für die Schadstoffemissionen Dp /F00 in Tab. 11.2 können mit
der folgenden Formel berechnet werden
Dp g Schadstoff
= EI · BS · t in (11.9)
F00 kN Schub
In Gl. (11.9) sind BS der spez. Brennstoffverbrauch in [(kg/s)/kN] und t die Zeit in [s]
für den jeweiligen Betriebszustand. Die Größe EI ist der so genannter Emissionsindex
(Emission Index) in [g/kg], der angibt, wie viel Gramm an Schadstoff pro Kilogramm
verbranntem Brennstoff bei einem Verbrennungsvorgang emittiert werden. Emissionsin-
dizes werden bei Bodenstandläufen mit so genannten Methoden der Gasspektroskopie im
Abgasstrahl experimentell ermittelt. Hinsichtlich der NOX -Werte haben moderne subso-
nische Triebwerke im Reiseflug Emissionsindizes zwischen 8 . . . 12 g/kN. Für zukünftig zu
entwickelnde Überschallflugzeuge strebt die NASA sogar Werte von 5 g/kN an. Lefebvre
(1998) weist darauf hin, dass aber mit der derzeitigen Brennkammertechnologie bei su-
personischen Triebwerken EI-Werte von bestenfalls 45 g/kg zu erreichen sein dürften. Für
Kohlenmonoxid CO schlägt die ICAO EI-Werte von 34 g/kg vor. Messungen am Trieb-
werk CFM56-5C2 (Airbus A340), die Heland und Schaefer (1998) durchgeführt haben,
ergaben im Leerlauf EI-Werte von 24(± 4) g/kg, die praktisch nur noch die Hälfte dessen
sind, was im selben Betriebszustand am älteren CFM56-3 Turbofan mit 51.8(± 4.6) g/kg
gemessen wurde.
Gleichung (11.9) zeigt, dass Triebwerkshersteller prinzipiell zwei Möglichkeiten ha-
ben, um die Schadstoffemissionen zu senken und so die ICAO-Regularien einzuhalten.
Entweder wird der Emissionsindex EI gesenkt, was speziell die Brennkammer und den
Verbrennungsvorgang betrifft, oder aber es wird der spezifische Brennstoffverbrauch BS
verringert, was sich dann auf den gesamten Triebwerkskreisprozess bezieht.
11.5 Schadstoffemissionen 1195
Bei allen modernen Triebwerken wurden die CO- und UCH-Anteile in der Vergangen-
heit bereits so stark verringert, dass man sich bei der Schadstoffreduzierung heute praktisch
nur noch auf NOX -Ausstoß konzentriert. Tabelle 11.3 zeigt die emittierten Schadstoffe
für den Flug eines modernen zweimotorigen Transportflugzeuges über eine Strecke von
926 km (500 NM) nach Bahr (1992). Bei dieser Darstellung ist der ICAO Lande- und
Startzyklus (2. Spalte) um eine Reiseflugphase (3. Spalte) ergänzt worden. Es ist deut-
lich die Dominanz der NOX -Emissionen zu erkennen, deren Anteil beim LTO-Zyklus
56.5 % und in der Reiseflugphase 90.6 % beträgt. Bei noch längeren Reisflugphasen würde
der NOX -Anteil am Gesamtschadstoffausstoß ständig zunehmen, was die untergeordne-
te Bedeutung der CO- und UCH-Anteile noch einmal unterstreicht. Seit geraumer Zeit
richtet sich deswegen auch der Schwerpunkt der Entwicklungs- und Forschungsarbeiten
auf die Reduzierung der NOX -Emissionen, da zu befürchten ist, dass gerade dieser er-
hebliche NOX -Ausstoß in großen Höhen zu langfristigen Klimaschäden führen kann. Die
Auswirkungen des NOX sind dabei indirekt. In der Reiseflughöhe des Unterschallflug-
verkehrs greift NOX derart in die Atmosphärenchemie ein, dass Sauerstoff zu Ozon O3
auf oxydiert und zugleich Methan CH4 abgebaut wird. Die beiden letztgenannten Gase
sind starke Treibhausgase, wobei der Ozonaufbau in Richtung Erderwärmung drängt und
der Methanabbau in Richtung Erdabkühlung, was insgesamt gesehen die Problematik des
NOX -Ausstoßes u. U. relativieren könnte. Derzeit sind die Expertenmeinungen aber so
ausgerichtet, dass in der Summe die erwärmende Klimaauswirkung des Ozonaufbaus eher
signifikant zu sein scheint. Die beiden genannten Klimaauswirkungen fallen auf der Süd-
halbkugel vergleichsweise geringer aus als in den mittleren Breiten der Nordhalbkugel, da
sie sich auf die Regionen des wesentlichen Flugverkehrs beschränken.
Neben den bisher erwähnten Schadstoffen können sich im Abgas eines Triebwerks
auch Rauchanteile befinden, die durch die so genannte Rauchzahl (Smoke Number, SN)
beschrieben werden. Nach ICAO ist die Rauchzahl SN durch die nachfolgende Beziehung
definiert und kann über den Schub F00 der jeweiligen Triebwerksleistungsstufe (Rated
Thrust) wie folgt berechnet werden
RS −0.274
SN := 100 · 1 − = 83.6 · F00 (11.10)
RW
1196 11 Brennkammer
(Smoke Number)
60
Grenzkurve zur Rauchemission
Rauchzahl SN
50
SN = 83.6 ⋅ F −000.274
40
30
Grenzkurve
20
10
0 50 100 150 200 250 300 350 400 450
Startschub F00 in [kN]
80
Darstellung der
Emissionsindizes von
60 20
Rauchzahl SN
Triebwerksschadstoffen in
Abhängigkeit der
CO
Triebwerksleistungsstufe
40
Rauch
10
UCH
20 NOX
0 0
0 20 40 60 80 100
Schub bezogen auf den Startschub in [%]
Zur Ermittlung der Rauchzahl wird ein bestimmter Massenstrom an Abgas über einen
definierten Zeitraum durch ein Filterpapier geleitet und dabei die Änderung der optischen
Reflexion des Papiers infolge der Rußablagerungen aus dem Abgas gemessen. Hierbei ist
RS der gemessene Reflexionswert des verrußten und RW der Reflexionswert des sauberen
Papiers. Die numerische Auswertung des rechten Teils von Gl. (11.10) zeigt Abb. 11.29.
Durch Einhaltung der hierdurch beschriebenen Grenzwerte soll gewährleistet werden, dass
im Triebwerksabgas kein Rauch optisch wahrnehmbar ist. Ob Rauch im Abgas sichtbar
wird oder nicht, hängt zum einen von der Rauchzahl SN ab, aber andererseits auch von
der Größe der Fläche, über die sich das Abgas ausbreitet. Von daher können Triebwerke
geringeren Schubes – mit kleinen Düsenflächen – durchaus größere Rauchzahlen haben
als Triebwerke mit großem Schub, da diese im Vergleich die viel größeren Düsenaustritts-
flächen besitzen. Abbildung 11.30 zeigt zusammenfassend, dass gerade bei den höheren
Triebwerksleistungsstufen die größten Schadstoffmengen an NOX und Rauch ausgestoßen
werden, während die CO- und UCH-Anteile hier praktisch minimiert sind.
11.5 Schadstoffemissionen 1197
Vollast
Temperatur in der Primärzone
(Take-Off)
2 000 K
Leerlauf
(Idle)
Bereich der
Triebwerks-
regelung
1 500 K
magere
Erlöschgrenze
1 000 K
0.0 0.5 1.0 1.5 2.0
Äquivalenzverhältnis ϕ in der Primärzone
Die Aussage aus Abb. 11.30 über die Schadstoffentwicklung ist auch in Abb. 11.31 zu
erkennen. Im Bereich der stöchiometrischen Verbrennung (φ = 1) ist die NOX -
Bildung am größten. Bei der mageren Erlöschgrenze liegen die größten CO- und
UCH-Konzentrationen vor. Rauchbildung wird umso signifikanter, je größer der Brenn-
stoffüberschuss (φ ≈ 1.5) im Gemisch ist. Bei konventionellen Brennkammern wird die
übliche Breite des Äquivalenzverhältnisses zwischen etwa 0.3 und 1.2 gewählt, um einen
möglichst weiten, technisch einfach zu beherrschenden Regelbereich für das Triebwerk
zu haben. Abbildung 11.31 macht klar, dass eine gezielte Steuerung der Schadstoffemis-
sionen durch Beeinflussung der Temperatur in der Primärzone und damit des dortigen
Äquivalenzverhältnisses erfolgen muss. Ergänzend dazu sind Verbesserungen durch
gezielte Einflussnahmen auf die Brennstoffzerstäubung, die Kühlung des Flammrohrs,
die Verweilzeit des Verbrennungsvorganges in der Primärzone und die Homogenität der
dortigen Verbrennung in Radial- und Umfangsrichtung zu erwarten.
Die Anwesenheit von CO- und UCH-Konzentrationen im Abgas sind immer das Resul-
tat einer unvollständigen Verbrennung. Folglich kann ein Abbau dieser Schadstoffanteile
immer nur auf eine Verbesserung des Wirkungsgrades der Verbrennung abzielen, was
praktisch eine verbesserte Gemischaufbereitung, Gemischbildung und erhöhte Verweil-
zeiten in der Primärzone bedeutet. Die Einbringung von zu viel Kühlluft in die Primärzone
führt zu unvollständiger Verbrennung in der Nähe der Flammrohrwände und erhöht damit
auch die CO- und UCH-Konzentrationen im Abgas. Abhilfe kann hier durch neue Werk-
stoffe, anders konstruierte Flammrohre und veränderte Kühlungstechniken, wie Effusions-
und/oder Transpirationskühlung erwartet werden.
1198 11 Brennkammer
Im vorangegangen Kapitel wurde bereits herausgestellt, dass die Absenkung der Tempe-
ratur in der Primärzone mit Abstand den größten Einfluss auf die Schadstoffreduzierung
hat. Abbildung 11.31 zeigt, dass diese Temperatur in konventionellen Brennkammern
zwischen 1 500 K im Leerlauf und 2 400 K bei Volllast liegen kann. Ergänzend dazu zeigt
Abb. 11.32, dass unterhalb von etwa 1 670 K zu viel CO und oberhalb von etwa 1 910
K zu viel NOX produziert wird. Zwischen diesen beiden Grenztemperaturen existiert ein
schmales Band, innerhalb dessen von geringer Schadstoffproduktion gesprochen werden
kann. Die CO-Werte werden innerhalb dieses Bandes mit maximal 25 ppm18 und die
NOX -Werte mit maximal 15 ppm beziffert. Für praktische Brennkammerentwicklungen
von schadstoffarmen Triebwerken bedeutet das schließlich, dass über den gesamten Lei-
stungsbereich zwischen Leerlauf und Volllast dieses schmale Temperaturband einzuhalten
ist, was erhebliche Anforderungen an die Triebwerksregelung stellt.
18
ppm = Teilchen pro Million (Parts Per Million) = Milliliter pro Kubikmeter [ml/m3 ]
1200 11 Brennkammer
Kohlenmonoxid CO in [ppm]
60 15
CO
40 10
20 5
0 0
1 500 1 700 1 900 2 100
Temperatur in der Primärzone in [K]
fixer
Drehpunkt
variable Sekundärluft
19
Brennkammern mit variabler Geometrie haben in großen Industriegasturbinen durchaus bereits
praktische Anwendung gefunden, Aoyama und Mandai (1984).
11.5 Schadstoffemissionen 1201
1 500 K
Bereich der
magere Triebwerksregelung
Erlöschgrenze
1 000 K
0.0 0.5 1.0 1.5 2.0
Äquivalenzverhältnis ϕ in der Primärzone
der eigentlichen Brennkammer vor, wodurch die bereits weiter oben erwähnten lokalen
Hot Spots mit ihrer übermäßigen NOX -Produktion vermieden werden sollen.
11.5.4.2 Brennstoffstufung
Im Gegensatz zur Luftstufung hat die Brennstoffstufung in Flugzeugtriebwerken bereits
eine praktische Umsetzung erfahren. Mit der in Abb. 4.31 dargestellten und von General
Electric entwickelten Brennkammer, die im Triebwerk CFM56-5B (Airbus A320 und A321)
installiert ist, wurden die CO- und UCH-Schadstoffe um 35 % und die NOX -Werte um
45 % reduziert.
Bei der Luftstufung wurde mit veränderter Triebwerksleistung – zur Einhaltung der
engen Temperaturgrenzen aus Abb. 11.32 – Luft von einer Brennkammerzone zur
anderen geschaltet. Im Gegensatz dazu wird bei der Brennstoffstufung keine Verände-
rung bei den Luftströmen vorgenommen, sondern nun die Brennstoffzufuhr von einer
Brennkammerzone zur anderen geschaltet.
Die Brennkammer in Abb. 4.31 hat eine vergleichsweise schwach belastete Vorstufe,
die in niedrigeren Triebwerksleistungsstufen (Bodenstart, Höhenstart, Leerlauf) aus-
schließlich die erforderlichen Temperaturerhöhungen erzeugt. Sie arbeitet bei einem
Äquivalenzverhältnis von φ ≈ 0.8 und senkt so – bei guten Wirkungsgraden – die an-
sonsten bei niedrigen Drehzahlen hohen CO- und UCH-Schadstoffanteile. Bei höheren
Triebwerksleistungen wird die Hauptstufe (Main Stage) mit zugeschaltet und die Vorstufe
agiert nur noch als eine zusätzliche Wärmequelle (Pilot Stage) zur besseren Zündung und
Stabilisierung der Hauptstufe. Bei Volllast wird in beiden Stufen ein Äquivalenzverhält-
nis von φ ≈ 0.6 erreicht, wodurch die NOX - und Raucherzeugung minimiert wird. Im
Vergleich zur Vorstufe fällt die thermisch hoch belastete Hauptstufe geometrisch deutlich
1202 11 Brennkammer
Hauptbrennstoff
Pilotbrennstoff
Kühlstromrückfluss
zur Pilotdüse
Pilotbrenn-
stoffdüse
Geometrie der GE90 Brenn-
kammer nach Turner et. al. (2004)
Hauptbrennstoffdüse
Abb. 11.35 Brennstoffdüsen für radial gestufte Brennkammern (hier GE90) der Firma Parker
Hannifin, Gas Turbine Fuel Systems, mit Kühlung der Hauptdüse
kleiner aus und hat so auch kleinere Verweilzeiten für den Verbrennungsvorgang, was die
NOX -Produktion ebenfalls senkt.
Auf Grund der Anordnung der Vor- und Hauptstufe in der in Abb. 4.31 dargestellten
Brennkammer, spricht man hier auch von einer Brennkammer mir radialer Stufung. Der
Vorteil dieser Anordnung liegt darin, dass sich die axiale Erstreckung einer solchen Bau-
form kaum von der einer herkömmlichen Brennkammer unterscheidet. Außerdem kann
die Brennstoffzufuhr über einen einzigen Anschluss an der Brennkammer erfolgen, in den
die beiden Brennstoffdüsen integriert sind. Dabei wird gewöhnlich die Brennstoffdüse der
Hauptstufe permanent durch den Brennstoffstrom der Vorstufe gekühlt, Abb. 11.35.
Nachteilig ist, dass die vergrößerte Oberfläche des Flammrohrs einer radial gestuften
Brennkammer auch einen erhöhten Betrag an Kühlluft verlangt, was sich nachteilig auf
den Pattern Factor nach Gl. (11.3) auswirkt. Durch die mehr innen liegende Hauptstufe
können die Spitzenwerttemperaturen am Turbineneintritt unerwünschter Weise zur Nabe
hin verlagert werden (vgl. Kap. 11.3.1.5) und so die Turbinenbeschaufelung nachteilig ther-
misch belasten. Ein weiterer Nachteil ist, dass bei mittleren Triebwerksleistungen sowohl
die Pilot- als auch die Hauptstufe außerhalb ihres optimalen Arbeitsbereichs betrieben
werden.
Abbildung 11.36 zeigt eine andere Art der Brennstoffstufung, nämlich die axial oder in
Serie gestufte Brennkammer, die von Pratt & Whitney (Koff 1992, 1993) für das Trieb-
werk V2500-A5 (Airbus A320A) entwickelt wurde. Dabei liegt die Hauptdüse stromab
der Pilotdüse, wobei die letztere jetzt die nabennähere Position hat, wodurch der zuvor
beschriebene Nachteil der radial gestuften Brennkammer hinsichtlich der radialen Ver-
teilung der Temperaturbelastung der Turbine entfällt. Die Funktionsweise der Pilot- und
11.5 Schadstoffemissionen 1203
Zündung Hauptbrennstoffleitung
Pilotbrennstoffleitung
Hauptstufe Turbinenleitrad
(Main Stage)
r)
Line
r(
Vorstufe oh
(Pilot Stage) m mr
Fla
Vordiffusor
Abb. 11.36 Axial gestufte Brennkammer von Pratt & Whitney, Koff (1992, 1993). Die Hauptdüse
ist in Umfangsrichtung versetzt gezeichnet, sodass beide Düsen in einer Ebene zu sehen sind
Hauptstufe ist direkt vergleichbar mit der einer radial gestuften Brennkammer. Da aber
nun die Pilotstufe vor der Hauptstufe liegt, ist die Zündung der Hauptstufe durch die Pi-
lotstufe schneller, sicherer und effektiver. Darüber hinaus gewährleistet der Wärmestrom,
der von der Pilot- in die Hauptstufe getragen wird, hohe Wirkungsgrade selbst bei gerin-
gen Äquivalenzverhältnissen. Nachteilig an einer solchen Brennkammer ist ihre größere
Baulänge gegenüber herkömmlichen Brennkammern, sodass sie nur in Ausnahmefällen
in bestehenden Triebwerken nachgerüstet werden kann. Wie auch bei der radial gestuften
Brennkammer, so ist auch bei der axial gestuften die zu kühlende Flammrohroberfläche
vergrößert. Für die Brennstoffzufuhr sind zwei separate Zuleitungen erforderlich, sodass
die Hauptdüse nicht durch den Brennstoffstrom der Pilotdüse gekühlt werden kann.
Koff (1992) hebt besonders hervor, dass die radial innen liegende Anordnung der
Pilotstufe einen signifikanten Vorteil beim Triebwerksbetrieb in schweren Regenfällen
bietet. Durch Fliehkraftwirkung transportiert der vorgeschaltete Verdichter das Wasser
radial nach außen, sodass die Pilotstufe damit nicht belastet wird und so schließlich die
Aufrechterhaltung (Zündung) der stabilen Verbrennung in der Hauptzone gewährleisten
kann.
Das grundlegende Konzept der Fett-Mager-Stufung verdeutlicht Abb. 11.37 Der Regelbe-
reich des Triebwerks wird dabei in eine Zone geringer Schadstoffemissionen verlagert, die
bei fetten Gemischen mit Äquivalenzverhältnissen φ zwischen 1.2 . . . 1.6 angesiedelt ist.
Hier ist die NOX -Produktion wegen der geringeren Primärzonentemperaturen und wegen
des Sauerstoffmangels vergleichsweise klein. Alles dieses findet in einer ersten (gesonder-
ten) Brennkammerstufe statt, die als Fettstufe bezeichnet wird. Anschließend muss weitere
1204 11 Brennkammer
In idealisierter Betrachtungsweise war im Kap. 7.1.2 aus einer Energiebilanz für die
Brennkammer das Brennstoff-Luft-Verhältnis β berechnet worden. Diese Vorgehens-
weise soll nun verfeinert und den realen Gegebenheiten angepasst werden. Hierzu ist
es notwendig ein wenig konkreter auf den spezifischen Heizwert Hi nach Gl. (6.18) einzu-
gehen. Abbildung 11.40 zeigt hierzu das Schema eines so genannten Bombenkalorimeters,
mit dem der Heizwert bestimmt wird. Dabei wird Brennstoff bestimmter Masse, z. B.
mB = 1 kg, und Luft, beide mit derselben einheitlichen Referenztemperatur des so genann-
∧
ten chemischen Normzustandes, Tref = 298.15 K ≈ 298 K= 25 ◦ C, einem Reaktions- oder
11.6 Charakteristische Kenngrößen 1205
2 000 K
Bereich der
Magerstufe
Bereich der
Triebwerksregelung
1 500 K
magere
Erlöschgrenze
1 000 K
0.0 0.5 1.0 1.5 2.0
Äquivalenzverhältnis ϕ in der Primärzone
Abb. 11.37 Prinzipielle Darstellung zur Fett-Mager-Stufung (Rich-Burn, Quick-Quench, Lean Burn,
RQL-Combustion). (Adaptiert von Simon 1990)
1 000
Weg hoher
NOX-Bildung in [ppm/ms]
NOX-Raten
100
10 Mager-
verbrennung Weg kleiner
NOX-Raten fette
Verbrennung
1
0.0 0.5 1.0 1.5
Äquivalenzverhältnis ϕ in der Primärzone
Abb. 11.38 Prinzipielle Darstellung zur Fett-Mager-Stufung (Rich-Burn, Quick-Quench, Lean Burn,
RQL-Combustion). (Adaptiert von Lefebvre 1998)
Verbrennungsraum zugeführt und nach der Verbrennung auch wieder auf diese Refe-
renztemperatur Tref abgekühlt. Über ein Wasserbad wird die dabei abgegebene Wärme
∧
QB = Qab < 0 bzw. die dem Wasser zugeführte Wärme Qzu = |Qab | in Joule [J= Nm] ge-
messen20 , Qzu = QB = m · cp · (T − Tref ). Dieses Wasser definierter Anfangstemperatur
20
Die zu verbrennende Komponente befindet sich im Innern der mit Sauerstoff gefüllten Kalorime-
terbombe. Diese befindet sich in einem mit Wasser definierter Anfangstemperatur gefüllten, nach
1206 11 Brennkammer
Brennstoff
Abkühlung
Fettstufe Magerstufe
Luft ϕ ≈ 1.2 − 1.6 ϕ ≈ 0.4 − 0.7
Abb. 11.39 Schematischer Aufbau einer Brennkammer mit Fett-Mager-Stufung (Rich-Burn, Quick-
Quench, Lean Burn, RQL-Combustion)
Tref ist nach außen isolierten und mit Rührer und Thermometer versehenen. Zwischen
der Kalorimeterbombe und dem umgebenden Wassermantel kann ein rascher Wärmeaus-
tausch erfolgen. Die Reaktion wird elektrisch mit einem gewickelten Zünddraht gezündet.
Die bei der Reaktion insgesamt umgesetzte und mit dem Wassermantel ausgetauschte
Reaktionswärme führt im Kalorimetergefäß zu einer Temperaturänderung, die bestimmt
wird. Wärme kann nur auftreten, solange T und Tref voneinander verschieden sind. Sind
alle Temperaturen wieder im Ausgangszustand Tref , fließt auch keine Wärme mehr.
Hieraus ergibt sich die Definition für den spezifischen Heizwert Hi : = QB /mB . [Nm/kg]
Die chemische Energie, die über eine Brennkammer zugeführt wird, hat also einen Zahlen-
wert, der auf Tref = 298.15 K bezogen ist. Bei einer Energiebilanz für eine Brennkammer
ist dieser Eigenschaft dadurch Rechnung zu tragen, dass alle in die Brennkammer ein-
und austretenden Energien ebenfalls auf den Referenzwert der Brennstoffenergie bezogen
werden. Der Energiegehalt der Zu- und Abströmung der Brennkammer wird durch die
jeweiligen Totalenthalpien ht3 bzw. ht4 beschrieben. Abbildung 11.41 gibt diese Verhältnis-
se wieder, wobei die jeweiligen ht - bzw. cp · Tt -Werte näherungsweise die arithmetischen
Mittel aus den Energien bei Tref und Tt3 bzw. Tt4 sind21 . In der Energiebilanz ist auch der
Brennkammerwirkungsgrad ηBK , der auch als Ausbrenngrad bezeichnet wird, enthalten.
Er berücksichtigt, wie viel der im Brennstoff enthaltenen chemischen Energie tatsächlich
in der Brennkammer umgesetzt wird. Mit dem Brennkammerwirkungsgrad werden alle
außen isolierten und mit Rührer und Thermometer versehenen Kalorimetergefäß. Zwischen Ka-
lorimeterbombe und umgebendem Wassermantel kann ein rascher Wärmeaustausch erfolgen. Die
Reaktion wird elektrisch mit einem gewickelten Zünddraht gezündet. Die bei der Reaktion insgesamt
umgesetzte und mit dem Wassermantel ausgetauschte Reaktionswärme führt im Kalorimetergefäß
zu einer Temperaturänderung, die bestimmt wird.
21
ht = cp · Tt sind dabei jeweils auf den absoluten Nullpunkt bezogene Energien (Enthalpien).
Die Mittelwertbildung erfolgt hier in guter Näherung als arithmetisches Mittel. Zur exakteren
Vorgehensweise bei der Mittelwertbildung sei hier auf den Abschn. 18.2.4 in Kap. 18.2 verwiesen.
11.6 Charakteristische Kenngrößen 1207
Luft
mL (Tref = 298.15 K)
KALORIMETER
mB + mL (Tref = 298.15 K)
Reaktionsraum auf die Eingangstemperatur
(Verbrennungsraum)
abgekühltes Abgas
mB (Tref = 298.15 K)
Brennstoff
Qab
abgegebene Wärmemenge Qab ⇒ Hi :=
mB so genanntes
Bombenkalorimeter
Rührer Thermometer
elektrische
Zünddrähte
Wasser
Außenisolierung
Abb. 11.40 Schematische Darstellung zur Bestimmung des spezifischen Heizwertes Hi in einem
so genannten Bombenkalorimeter (unteres Bild links: Harbor1, unteres Bild rechts: Lanzi. From
wikimedia commons, the free media repository)
Verdichterluft Heißgas
mL ⋅ ht 3
Tt 3
mL ⋅ cp3 ⋅ (Tt 3 − 298.15) in [Nm/s] [W]
298.15
μ strömt. Für μ = 0 geht der Turbofan in den Turbojet über und es ist ṁ0 = ṁI . Nach
Abb. 11.41 Anordnung der Vor- undlautet die Energiebilanz (zuströmende Energien in
Watt = ausströmende Energien in Watt) für die Brennkammer eines Turbofan:
$Tt4
$
(ṁI − ṁZ + ṁB ) c p4 $ (Tt4 − 298.15) =
298.15
$Tt3
= ṁB ηBK Hi + (ṁI − ṁZ ) cp3 $298.15 (Tt3 − 298.15)
Der linke und rechte Gleichungsteil wird nun durch den Luftmassenstrom des Zen-
traltriebwerks dividiert und zudem die Größen α und β nach den Gln. (6.5) und (6.6)
eingeführt:
$Tt4 $Tt3
$
(1 − α + β) c p4 $ (Tt4 − 298.15) = βηBK Hi + (1 − α) cp3 $298.15 (Tt3 − 298.15)
298.15
Der Querstrich über den c p -Werten bedeutet, dass es sich um einen temperaturgemittelten
Wert handelt, der aus den cp -Werten bei den jeweils angegebenen Temperaturen gebildet
wird (vgl. Abschn. 18.2.4 in Kap. 18.2). Der Apostroph an den cp -Werten weist darauf
hin, dass es sich hierbei um den Stoffwert eines heißen Abgases handelt, das aus Luft- und
Brennstoffanteilen besteht.
Mit Gl. (11.2) wird das für eine vollständige Verbrennung erforderliche Brennstoff-Luft-
Verhältnis βstöch = 0.068067 ≈ 1/14.7 in der Primärzone beschrieben. Durch das β nach
Gl. (11.12) dagegen wird das tatsächliche Brennstoff-Luft-Verhältnis der gesamten Brenn-
kammer beschrieben. Da durch eine Flugzeugbrennkammer – wie in den vorhergehenden
Kapiteln ausführlich beschrieben – immer viel mehr Luft strömt, als zur Verbrennung
notwendig ist (β < βPZ , βstöch ), existiert immer ein gewisser Luftüberschuss, der durch die
so genannte Luftüberschusszahl λ beschrieben wird:
βst öch ṁB /ṁL,st öch ṁL
λ= = = (11.13)
β ṁB /ṁL ṁL,st öch
11.6 Charakteristische Kenngrößen 1209
Eine charakteristische Abmessung bei Ringbrennkammern ist der Abstand zwischen den
Flammrohrwänden, die hier als Flammrohrhöhe bL , Abb. 11.42, bezeichnet werden soll.
Diese Flammrohrhöhe bL, zusammen mit der Flammrohrlänge L , bestimmen die Geome-
trie der Brennkammer. Von diesen beiden Größen hängen im Wesentlichen die Güte der
Verbrennung, die Flammenstabilität und die Temperaturverteilung am Flammrohraustritt
ab. Die Flammrohrhöhe wird in der Nähe des Flammrohrkopfes (Dom) – am Ort des größ-
ten Flammrohrquerschnitts – gemessen, Abb. 11.42. Die Flammrohrhöhe bestimmt ganz
wesentlich das Volumen der Primärzone, spielt aber auch eine Rolle für die Stabilität der
Verbrennung. Die Flammrohrlänge L wird zwischen der Ebene des Brennstoffaustritts
an der Brennstoffdüse (Injektor) und der Ebene des Eintritts in die erste Leitschaufelrei-
he der Hochdruckturbine (HDT) gemessen, Abb. 11.42. Das Verhältnis L /bL der beiden
genannten Größen ist ein zentrales Maß für einen Vergleich zwischen unterschiedlichen
Brennkammern. Aus Erfahrung weiß man, dass das Verhältnis L /bL weitestgehend un-
abhängig von der Triebwerksgröße ist, obwohl es von Triebwerk zu Triebwerk variiert,
insbesondere geprägt durch die jeweilige Auslegungsphilosophie eines Triebwerksherstel-
lers. Bei heutigen Flugtriebwerken liegen die Zahlenwerte für L /bL etwa zwischen 2 . . .
2.2 . . . 2.8.
Die so genannte Injektorteilung zinj (Abb. 11.42 oben links) wird auf dem Teilkreis der
Brennstoffdüsen im Flammrohrkopf (Dom) gemessen. Die Wahl dieses Maßes beeinflusst
die Güte der Temperaturverteilung am Brennkammeraustritt in Umfangsrichtung ganz
wesentlich. Wenn man nichts anderes hat, so kann als ein erster grober Anhaltswert
für die Injektorteilung zinj die Flammrohrhöhe bL angesetzt werden. Eine große Zahl
von Brennstoffdüsen (Injektoren) führt zwar zu einer besseren Temperaturverteilung am
Brennkammeraustritt, bedeutet aber auch angesichts der Komplexität der heute benutzten
Injektoren ein hohes Gewicht und auch hohe Kosten.
Unter der so genannten Referenzgeschwindigkeit cref wird per Definition und unter
Verwendung der Kontinuitätsgleichung die folgende Größe verstanden:
ṁL ṁL
cref := ≈ (11.14)
ρt3 · Aref ρ3 · Aref
1210 11 Brennkammer
zinj
äußeres Gehäuse
bL äußeres Flammrohr
inneres Flammrohr
inneres Gehäuse
äußeres
Gehäuse
Brenn-
stoffdüse
Injektor Flamm-
rohr
Injektor- bL
positionen
inneres
Gehäuse
L
Hierin ist ρ3 die Dichte am Verdichteraustritt, Aref eine Bezugsfläche und ṁL die gesamte
vom Verdichter kommende Luft. Diese eher willkürliche wirkende Größe ist bei gegebener
Flammrohrlänge L aber ein praktisches Maß für die mittlere Verweilzeit der Luft in der
Brennkammer und damit eine wichtige Größe für den Vergleich verschiedener Brenn-
kammern untereinander. Die Zahlenwerte für cref hängen davon ab, wie die Bezugsfläche
Aref gewählt wird. Hierbei geht man aber nicht einheitlich vor, sodass zwei Definitionen in
Verwendung sind. Zum einen wird der größte Querschnitt des Brennkammergehäuses A3
nach dem vorgeschaltetem Diffusor gewählt und zum andern der größte Querschnitt des
Flammrohrs ALmax beim Maß bL in Abb. 11.42. Die Dichte ρt3 in der Gl. (11.14) für die Re-
ferenzgeschwindigkeit cref ist die so genannte Totaldichte, die aus den Totalgrößen pt3 und
Tt3 gebildet wird, ρt3 = pt3 /(Ri · Tt3 ). Da sich aber wegen der vergleichsweise niedrigen
Strömungsgeschwindigkeiten vor der Brennkammer – in der Ebene 3 BK – die Totalgrö-
ßen nur geringfügig von den statischen Größen unterscheiden, kann man näherungsweise
ρt3 ≈ ρ3 setzen. Zahlenwerte für die Referenzgeschwindigkeit liegen bei cref ≈ 10 m/s
. . . 30 m/s, wenn Aref , auf das Brennkammergehäuse A3 bezogen wird. Die auf den
Flammrohrquerschnitt AL bezogenen Referenzgeschwindigkeiten liegen bei cref ≈ 15 m/s
. . . 35 m/s. Soll der Triebwerksquerschnitt klein gehalten werden, so ist es zwangsläufig
erforderlich, die Referenzgeschwindigkeiten cref im oberen Zahlenwertbereich anzusetzen,
auch wenn dies für die Verbrennung selbst eher nachteilig ist.
Auf der Basis der zuvor definierten Größen wird nun der so genannte Referenzstaudruck
festgelegt:
ρt3 ρ3
qref = ≈ (11.15)
2 · cref
2
2 · cref
2
11.6 Charakteristische Kenngrößen 1211
Diese Größe wird für die Darstellung des Brennkammerverlustes verwendet und ist da-
mit ein maßgebender Faktor für die Strömungsverluste im Flammrohr. Für die Dichte
ρ3 in Gl. (11.15) gilt dasselbe, was auch schon bei Gl. (11.14) gesagt wurde. Über die
beiden zuvor beschriebenen Größen hinaus sind noch weitere Strömungsgrößen für
das Brennkammerverhalten wichtig. Dies sind die Ringraumgeschwindigkeit und die
Primärzonengeschwindigkeit.
Als Ringraumgeschwindigkeit bezeichnet man die Strömungsgeschwindigkeit, die sich
in den Ringkanälen zwischen dem Brennkammergehäuse und dem Flammrohr einstellt.
Abbildung 11.42 Anordnung der Vor- undmacht deutlich, dass die Ringraumkanäle innen
und außen unterschiedlich groß ausfallen und deswegen die Ringraumgeschwindigkeiten
– je nach der Massenstromaufteilung – im äußeren und inneren Ringraum unterschiedlich
groß sein können. Die Ringraumgeschwindigkeit nimmt in Richtung zum Brennkamme-
rende hin bis auf null ab, weil nach und nach die gesamte Luft dem Flammrohr zugeführt
wird. Genau aus diesem Grunde wird sie auch am Anfang des Ringkanals definiert, in einer
Ebene, die so etwa auf der Höhe des Flammrohrdoms liegt. Die Ringraumgeschwindigkeit
sollte nicht zu groß sein, damit sich ein möglichst hoher statischer Druck im Ringraum
einstellt, der schließlich einen guten Luftzutritt zum Flammrohr gewährleistet. Allerdings
muss die Geschwindigkeit auch hoch genug sein, um eine ausreichende Wärmeabfuhr
aus dem Flammrohr zu gestatten, da die damit zusammenhängende Konvektionskühlung
die wesentliche Kühlfunktion für den Wärmeabtransport aus der Flammrohrwand ist. Im
Auslegungspunkt ergeben sich Zahlenwerte für die Ringraumgeschwindigkeit von etwa
20 m/s . . . 40 m/s, was, wegen der hohen Temperaturen, Machzahl von nur etwa 0.03 . . .
0.06 entspricht.
Bei der Primärzonengeschwindigkeit, die eine rein rechnerische Größe ist, handelt es
sich um die mittlere Strömungsgeschwindigkeit in der Primärzone, die wie folgt definiert
ist:
ṁPZ ṁPZ
cPZ = ≈ (11.16)
ρt3 · AL ρ3 · A L
Hierin ist ṁPZ der gesamte Luftmassenstrom, der in die Primärzone strömt. Die anderen
in der Gleichung enthaltenen Größen wurden bereits weiter oben definiert. Von der Ge-
schwindigkeit cPZ wird die Flammenstabilität, das Zündverhalten und der Ausbrenngrad
ηBK beeinflusst, wobei sich hohe Werte für cPZ im Allgemeinen ungünstig auswirken.
Insbesondere auch für die Schadstoffproduktion ist cPZ wichtig, wobei interessanter Weise
ihr Einfluss auf die CO- und UCH-Emissionen einerseits und auf die NOX -Produktion
andererseits unterschiedlich ausfällt. Im Auslegungspunkt ergeben sich Zahlenwerte von
etwa cPZ ≈ 7 m/s . . . 12 m/s.
11.6.4 Brennkammerdruckverluste
In den Kap. 6 und 7 war für die Brennkammer idealisierend angenommen worden, dass
der Verbrennungsvorgang eine Gleichdruckverbrennung (pt3 = pt4 ) ist. In Flugzeugtrieb-
werken kann diese Annahme aber in Wirklichkeit nicht eingehalten werden. Es treten –
1212 11 Brennkammer
T pt4
Tt4 4
- viskose Verluste
qzu - thermische Verluste
pt4<pt3
3
Tt3
pt3
Zustandsänderungen
pt0=pt1
1 pt2 p0
Tt0=Tt1=Tt2
2
T0 s3 Δs34 = s4 − s3 s4
0
s
Abb. 11.43 Zustandsänderung in einer Brennkammer mit vorgeschaltetem Einlauf und Verdichter
(Turbojet oder Zentralbereich eines Turbofan)
Die Abb. 11.43, welches die Zustandsänderungen für die Zuströmung 0 → ,1 den
Einlauf
1 → 2 und den Verdichter 2 → 3 mit beinhaltet, zeigt die anschließende Zu-
ρ3 B K 3BK 4 ρ4
c3B K , Ma c3 L c4 , Ma c4
BK
+x
A3BK = const Flammrohr
c3BK (Liner)
c4 A4 = A3BK = A
− FR
Kreisringfläche
A = A3BK = A4
Abb. 11.44 Schematisiertes Flammrohr einer Brennkammer als reibungsfreie, zylindrische Heiz-
strecke
Da für die heißen Verluste an der reibungsfreien Brennkammer keine weiteren Kräfte
wirken sollen, ergib sich aus dem Impulssatz der Strömungsmechanik nach Gl. (5.30)
außerdem für A = A4 = A3BK :
ṁ
Fx := 0 = · (c4 − c3BK) + (p4 − p3BK) (11.19)
A
Mit Gl. (11.18) wird daraus:
Mit der allgemeinen Gasgleichung ρ/p = 1/(Ri · T) und der quadratischen Machzahl
Ma2 = c2 /(κ · Ri · T) ergibt sich daraus durch Umformung:
p4 1 + κ · Ma2c3BK
= (11.21)
p3BK 1 + κ · Ma2c4
Wie auch schon in Gl. (11.12) werden nun Stoffgrößen, die zum Heißgas hinter der
Brennkammer gehören, mit einem Apostroph versehen. Die Wärmezufuhr führt zu
einer Volumenzunahme des Strömungsmediums um das Vier- bis Fünffache und da-
durch zu einem Geschwindigkeitsanstieg zwischen Ein- und Austritt aber nicht zu einem
Totaldruckanstieg, da eine offene, freie Rohrstrecke, an deren Ende der Druck durch Ex-
pansion in der Turbine sinkt, nicht „aufgepumpt“ werden kann, d. h.: c4 > c3BK bzw.
Mac4 > Mac3BK . Als Folge davon nimmt der statische Druck ab: p4 < p3BK .
11.6 Charakteristische Kenngrößen 1215
pt4
πBKth := mit . . . (11.23)
pt3BK BKth
κ
κ −1 κ−1
pt3BK = p3BK · 1+ · Ma2c3BK
2
κ
κ − 1 κ −1
pt4 = p4 · 1 + · Ma2c4
2
κ
κ − 1 κ −1
1+ · Ma2c4
1 + κ · Ma2c3BK 2
πBKth = · κ mit . . . (11.24)
1 + κ · Ma2c4 κ −1 κ−1
1+ · Ma2c3BK
2
κ −1
Tt3BK = T3BK · 1 + · Ma2c3BK
2
κ −1
Tt4 = T4 · 1 + · Mac4
2
2
und zusammen mit Gl. (11.22) ergibt sich das folgende Totaltemperaturverhältnis:
2 κ − 1
Tt4 κ Mac4 1 + κ · Ma2c3BK 1+ · Ma2c4
= · · · 2 (11.25)
Tt3BK κ Mac3BK 1 + κ · Ma2c4 κ −1
1+ · Ma2c3BK
2
Nach einer Verdichterauslegung sind die Größen Mac3BK und Tt3BK am Eintritt einer
Brennkammer gewöhnlich bekannt. Die Turbineneintrittstemperatur Tt4 ist eine bei
der Triebwerksauslegung vorgegebene Größe. Demzufolge kann aus Gl. (11.25) itera-
tiv die Brennkammeraustrittsmachzahl Mac4 mit der nachfolgenden Beziehung berechnet
werden:
κ −1
1+ · Ma2c3BK
1 + κ · Ma2c4 κ T t4 2
Mac4 = Mac3BK · · · · (11.26)
1 + κ · Ma2c3BK κ Tt3BK κ − 1
1+ · Ma2c4
2
1216 11 Brennkammer
Für κ < κ, was für eine beheizte Strecke mit Luft zutrifft, kann mit der einfachen Vorgabe
Mac4 = Mac3BK die Iteration begonnen werden. Solange Mac4 nicht in den Überschall
geht, was – wie wir noch sehen werden – physikalische nicht möglich ist, konvergiert
die Iteration bereits nach einer moderaten Anzahl von Schritten. Aus Gl. (11.24) kön-
nen dann anschließend die thermischen Totaldruckverluste berechnet werden. Die sich
daraus ergebenden Zusammenhänge zeigt zusammenfassend die Abb. 11.45. In der hier
betrachteten vereinfachten Brennkammer (zylindrische Heizstrecke) kann die Machzahl
maximal auf Mac4 = 1 beschleunigen. Ab dann kommt es zum Sperren bzw. zum ther-
mischen Verstopfen der Brennkammer. Bei unveränderter Massenstromdichte kann
einem strömenden Medium immer nur so viel Wärme zugeführt werden, bis es beim
Entropiemaximum die Schallgeschwindigkeit erreicht. Dasselbe gilt im Übrigen auch für
Überschallströmungen, die – im Grenzfall – bei Wärmezufuhr bis auf die Schallgeschwin-
digkeit herunter verzögert werden (vgl. dazu den nachfolgenden Abschnitt zum Thema
Rayleighkurve). Wie herum auch immer, eine weitere Aufheizung bringt die Strömung
durch einen Verdichtungsstoß – bei abnehmendem Massenstrom – in den Unterschall.
Liegt also die Wärmezufuhr in Form des Quotienten Tt4 /Tt3BK für eine Brennkammer fest,
und wird mit dieser Wärme die thermische Stopfgrenze Mac4 = 1 erreicht, so muss bei
einer weiteren Wärmezufuhr die Brennkammereintrittsmachzahl Mac3BK gesenkt werden.
Ein Vorgang, der unter Umständen selbstregulierend und ohne äußere Eingriffe abläuft.
In Abb. 11.45 Anordnung der Vor- undist der typische Temperaturbereich von Flugzeug-
brennkammern gesondert markiert worden. Für Brennkammereintrittsmachzahlen bis
ca. Mac3BK = 0.25 sind hinsichtlich des Verstopfens keine Probleme zu erwarten. Größere
Werte für Mac3BK und Tt4 /Tt3Bk bedeuten aber immer auch erhöhte Totaldruckverluste,
die im genannten Temperaturbereich durchaus bis zu 15 % erreichen können. Um die
Verluste also gering zu halten, muss Mac3BK klein ausfallen. Hierzu ist der weiter oben
beschriebene Diffusor vor der Brennkammer ein hilfreiches und notwendiges Bauteil.
Die thermischen Totaldruckverluste sind zwar für den Kreisprozess eine Verminde-
rung des Totaldruckes, während aber die Wärmezufuhr – im physikalischen Sinne – keine
wirklichen Verluste bedeutet, da keine Energie$ unwiderruflich
$ dissipiert wird. Durch
$ $
eine entsprechende Abkühlung (Wärmeabfuhr qab = qzu ) könnten nämlich die To-
taldruckänderungen wieder hergestellt werden. Für den Kreisprozess selbst ist die heiße
Totaldruckabnahme aber als ein Verlust zu werten, auch wenn der Vorgang vom Prinzip
her reversibel, d. h. umkehrbar wäre.
Die Rayleighkurve Aus den vorhergehenden Gleichungen lassen sich mittels einer
systematischen Auswertung folgende generelle Eigenschaften aufzeigen:
Wird einer subsonischen Zuströmung ab 3 BK Ma c3BK < 1 Wärme zugeführt, so stellen
0.35
0.5
0.4
0.6
0.3 Mac3BK = 0.25 Mac3BK = 0.2
1.00
Mac4 κ = 1.40 πBK,th
κ′ = 1.33
0.80 0.83
0.85
0.60 0.87
0.89
.15 0.91
0.40 Ma c3 = 0
0.93
0.95
Mac3 = 0.10
0.20 0.97
πBK,th = 0.99
0.00
1 2 3 4 5 Tt 4 Tt 3B K 6
• die statische Temperatur steigt an T4 > T3BK , wenn Mac3BK < κ −1/2 (≈ 0.85) ist bzw.
die statische Temperatur fällt ab T4 < T3BK , wenn Mac3BK > κ −1/2 ist,
• die Totaltemperatur steigt an Tt4 > Tt3BK ,
• der Totaldruck nimmt ab pt4 < pt3BK ,
• die Geschwindigkeit steigt an c4 > c3BK .
Wird einer supersonischen Zuströmung ab 3
BK Ma c3BK > 1 Wärme zugeführt, so stellen
sich folgende Relationen bei den diversen Strömungsgrößen ein:
Alle die zuvor beschriebenen Effekte kehren sich um, wenn einer Strömung Wärme
entzogen, sie also gekühlt wird. Das h-s-Diagramm in Abb. 11.46 verdeutlicht diese Zu-
sammenhänge für einfache Strömungsprozesse mit Wärmezu- oder -abfuhr. Die dabei
entstehende Kurve im h-s-Diagramm heißt Rayleighkurve22 .
22
Lord Rayleigh (John William Strutt), ∗ 12.11.1842 †30.6.1919, war ein englischer Physiker. Er
erhielt 1904 den Nobelpreis für Physik.
1218 11 Brennkammer
h = cp ⋅ T 4t
Tt4
ht = cp ⋅ Tt pt3 BK
pt4
p3′
( )
BK
Tt4
qzu = ht4 − ht3 = cp ⋅ Tt4 − Tt3 p4
Tt3
c42
BK BK
BK
1
1 Ma c3BK >
Ma c3BK < 2 κ
κ
3t
ch er r
rei ch n h
BK
Tt3 u
BK
Be onisunge e
f
zu n)
T4 bs m c32BK rm ize 4
su strö Wä (he r
Zu fuh Mac4 = 1 Isobaren
2 e ab n)
rm hl e
T3 <
1 Wä (kü
Schallgeschwindigkeit
BK
3BK
Ma
K
c3 B
n)
hle
(kü
n) hr
ize ufu
hr
Richtung abneh-
bfu
(he ez
menden Druckes
ea
rm
rm
Wä
Wä
1
p3′ ichcher
>
BK
Bere o nis gen
BK
s
′
r
c3
T3′ n
supsetrömu
Ma
BK
3′BK Zu s
Abb. 11.46 Die Rayleighkurve in einem h-s-Diagramm zur Beschreibung des Verhaltens von
Strömungen mit Wärmezu- oder -abfuhr von außen (Wärmetransport)
bis hin zum Erreichen des Maximalwertes bei Mac4 = 1. Jeder Punkt auf der Kurve ge-
hört dabei zu einem unterschiedlichen Wert an zugeführter Wärme qzu . Im markierten
Punkt 4 ist das Maximum des möglichen Entropietransports (Entropieanstieg infolge
Wärmezufuhr/Wärmetransports von außen nach innen) qzu = Tds erreicht, die Strö-
mungsgeschwindigkeit erreicht hier ihren Höchstwert, nämlich die Schallgeschwindigkeit,
und der Strömungskanal sperrt. Ein weiteres Zuführen von noch mehr Wärme qzu ist nicht
möglich, ohne dass sich der Strömungszustand im Ausgangspunkt 3 BK drastisch verän-
dert, d. h., sich dem Zustand in 4 rückwärtswirkend anpasst. Würde man sich z. B. auf
dem oberen Ast der Rayleighkurve bewegen und man hätte dabei dann den Sperrzustand
erreicht, so würde jede weitere Wärmezufuhr bewirken, dass Druckwellen (Störungen)
zum Eintrittszustand 3 BK zurücklaufen und auf diesen so einwirken, dass sich die dort
vorliegende Machzahl Mac3BK „von selbst“, d. h. natürlich, verringert, also auf der Ray-
leighkurve unterhalb des im Bild eingezeichneten Punktes 3 BK zum Liegen kommt. Die
Isobaren für pt3BK und p3BK näheren sich immer mehr an und c3BK wird immer geringer.
Hätte man andererseits auf dem unteren Ast der Rayleighkurve den dort liegenden
Punkt 3
BK durch Expansion in einer konvergent-divergenten Düse erzeugt, Ma c3BK > 1,
11.6 Charakteristische Kenngrößen 1219
und man würde dann mehr Wärme zuführen als eigentlich zum Erreichen des Sperr-
zustandes in Punkt 4 erforderlich wäre, dann wird sich in der Düse ein senkrechter
stand auf den oberen Ast der Rayleighkurve wechseln. Die Rayleighkurve zeigt, dass man
sich die Beschleunigung einer Unterschallströmung in den Überschall auch theoretisch so
vorstellen könnte, dass man die Strömung erst durch Beheizen bis zum Sperrzustand hin
beschleunigt und dann durch Abkühlen weiter in den supersonischen Bereich hinein treibt.
Die Verzögerung einer Überschallströmung in den Unterschall könnte man sich analog
dazu auch so vorstellen, dass man die Strömung erst durch Beheizen bis zum Sperrzustand
hin verzögert und dann durch Abkühlen noch weiter in den subsonischen Bereich hinein
treibt. Wie auch immer, ganz egal, ob eine Strömung ihren Ausgangspunkt nun im Unter-
oder im Überschallbereich hat, eine Wärmezufuhr bewirkt in beiden Fällen immer einen
reversiblen Totaldruckverlust pt4 < pt3BK .
FR ṁ
− = · (c4 − c3BK ) + (p4 − p3BK) (11.27)
A A
Mit der Kontinuitätsgleichung (11.18) ergibt sich daraus:
FR
− = ρ4 · c42 − ρ3BK · c32BK + (p4 − p3BK) (11.28)
A
Wenn mit τW eine Wandschubspannung infolge viskoser Vorgänge bezeichnet wird und
der durchströmte Brennkammerringraum einen größten Durchmesser Da und einen
1220 11 Brennkammer
kleinsten Durchmesser Di hat, so ergibt sich für die Reibungskraft zwischen den Ebenen
3 BK und :
4
4
−FR = − π · (Da + Di ) · τW · dx (11.29)
3 BK
gilt, ergibt sich aus Gl. (11.29) der nachfolgende Ausdruck, wenn zwischen den Stationen
3 BK und 4 die Flammrohrlänge L liegt:
L
FR 4
− =− · τW · dx = ρ4 · c42 − ρ3 · c32BK + (p4 − p3BK) (11.30)
A (Da − Di )
0
Um insbesondere die Lösung des Integrals zu vereinfachen, ist es sinnvoll, die Differenzen
in der zuvor stehenden Gleichung in differenzieller Form auszudrücken:
4 · τW · dx 4 · τW · dx 4 · τW · dx
− =− =− = d(ρ · c2 ) + dp (11.31)
(Da − Di ) Da · (1 − Di /Da ) Da · (1 − νBK )
Hierin ist νBK das Nabenverhältnis der Ringbrennkammer. Aus der Kontinuitätsgleichung
ist zu sehen, dass ρ · c = const gilt und damit auch:
(11.39)
Geht man von einer Start-Machzahl Mac3BK = 0.2 aus, so ergibt sich für den linken
Gleichungsteil das folgende dimensionslose Zahlenwertergebnis, bei einer Strömungsbe-
schleunigung auf Mac4 = 1.0, also bis hin zum Entropiemaximum:
4 · L · C f
= 14.53327 (11.40)
Da · (1 − νBK )
Mac4 =1
Für eine Ringbrennkammer mit Da = 1.2 m und νBK = 0.75 ergibt sich daraus eine kri-
tische Brennkammerlänge Lkrit = LMac4 =1.0 , wenn C f = 0.1 angenommen wird, was bei
normalen Rohrdurchströmungen schon ein sehr, sehr hoher Wert wäre, von:
Da · (1 − νBK ) 1.2 · (1 − 0.75)
Lkrit = 14.53327 · = 14.53327 · = 10.9 m (11.41)
4 · Cf 4 · 0.1
Selbst bei einem exorbitanten Wert von C f = 1.0 ergäbe sich daraus immer noch eine
kritische Rohrlänge (axiale Brennkammerbaulänge) von Lkrit = 1.09 m, sodass in Trieb-
werksbrennkammern mit einem Sperren infolge viskoser Verluste eher nicht zu rechnen
sein dürfte.
1222 11 Brennkammer
Bei einer sehr hohen Start-Machzahl von Mac3BK = 0.7, ergibt sich für den linken
Teil von Gl. (11.39) das folgende dimensionslose Zahlenwertergebnis, bei einer Strömungs-
beschleunigung auf Mac4 = 1.0, also bis hin zum Entropiemaximum:
4 · L · C f
= 0.2081383 (11.42)
Da · (1 − νBK )
Mac4 =1
Bei großen Startmachzahlen ist die kritische Länge, bei der das Entropiemaximum erreicht
wird, ziemlich klein, wogegen die Länge bei sehr kleinen Startmachzahlen dann doch sehr,
sehr groß wird. Mit entscheidend für die Rechnung ist aber auch, wie gut der dimensions-
lose Reibungskoeffizient C f längs der gesamten Brennkammer angegeben werden kann.
Längs einer ebenen Wand wäre z. B. C f = 0.005 ein üblicher Wert, der aber in Trieb-
werksbrennkammern deutlich höher liegen dürfte, wenn man davon ausgeht, dass z. B. bei
Lefebvre (1998), Seite 104, Tab. 4.1, für Ringbrennkammern kalte Totaldruckverluste von
(pt3 − pt4 )/pt3 = (pt3 − pt4 )/pt3 = 1 − pt4 /pt3 = 1 − πBKR = 0.06
pt3,4 pt3 − pt4 pt4
= =1− = 1 − πBKR = 0.06
pt3 pt3 pt3
πBKR = 1 − 0.06 = 0.94 (11.44)
angeben werden. Lefebvre (1998) weist explizit23 darauf hin, dass diese Verluste ausschließ-
lich kalte Verluste sind, die durch Messungen an kalt durchströmten Brennkammern mit
akzeptabler Genauigkeit ermittelt wurden und ihre Ursache in Reibung und Turbulenz
haben.
Aus der Gl. (11.38) kann für unterschiedliche Mac3BK -Werte iterativ die Brennkam-
meraustrittsmachzahl Mac4 berechnet werden. Dazu müssen die Brennkammergeome-
triedaten L , Da und νBK bekannt sein, ebenso wie auch ein Wert für den mittleren
Reibungskoeffizient C f . Mit der einfachen Vorgabe Mac4 = 0.1 · Mac3BK > 0 ist es dann
über die nachfolgende Gleichung möglich, die eine umgestellte Form der Gl. (11.38) ist,
den Iterationsvorgang zu starten. Die Iteration konvergiert bereits nach einer moderaten
23
„The values of overall pressure loss listed in Tab. 4.1 represent the cold loss only, i.e., the losses arising
from turbulence and friction that can be measured with reasonable accuracy from cold-flow tests.
Under burning conditions these losses are augmented by the fundamental loss due to combustion.“
11.6 Charakteristische Kenngrößen 1223
0.20 0.2
0.1
0.00
0. 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 Cƒ 1.0
κ +1 ⎜ · Ma 2
⎜ 1 2 c3BK ⎟ ⎟
⎜ 2 + ln ⎝ ⎠− ⎟
⎜ Mac3BK 2 κ − 1 ⎟
⎜ 1+ · Mac3BK
2
⎟
⎜ 2 ⎟
Mac4 = ⎜
⎜ ⎛ κ −1 ⎞
⎟
⎟
⎜ ⎟
⎜ · Ma 2 ⎟
⎜ κ +1 ⎜ 2 c4 ⎟ 4κ L C f ⎟
⎝ − ln ⎝ ⎠ − ⎠
2 κ − 1 Da (1 − νBK )
1+ · Ma2c4
2
So wird es möglich, für verschiedene vorgegebene Werte für Mac3BK = const die Machzahl
Mac4 über einen variierenden Reibungskoeffizient C f aufzutragen, so wie es in Abb. 11.47
getan wurde.
Diese Machzahl Mac4 ist vom Zahlenwert her nicht identisch mit dem Wert, den man
aus der Gl. (11.26) erhält, da ja beide Rechengänge auf unterschiedlichen physikalischen
Modellen aufbauen.
Durch Verwendung der Gl. (11.45) für die kalten Brennkammerdruckverluste πBKR ist
es darüber hinaus möglich, für verschiedene vorgegebene Werte für πBKR = const die
Machzahl Mac4 iterativ aus der Gl. (11.45) zu berechnen und mit diesem Ergebnis, wenn
die Brennkammergeometriedaten L , Da und νBK bekannt sind, anschließend aus der Gl.
(11.38) einen Zahlenwert für den Reibungskoeffizient C f zu bestimmen. Trägt man dann
das so ermittelte Mac4 über dem passend dazu berechneten C f -Wert auf, so ergeben sich
1224 11 Brennkammer
die farbigen Kurvenverläufe in Abb. 11.47. Zu jedem dieser Kurvenverläufe gehört dann
ein fester Wert für πBKR = const. Die Wahl des verwendeten Wertebereiches für πBKR
fußt auf dem bei Lefebvre (1998) angegeben Zahlenwert πBKR = 1 − 0.06 = 0.94 für
Ringbrennkammern. Man vergleiche in diesem Zusammenhang sowohl die Gl. (11.44)
als auch die textlichen Ausführungen dazu. Die sich daraus ergebenden Zusammenhänge
in Abb. 11.47 sind vom prinzipiellen Grundaufbau her sehr ähnlich strukturiert wie es in
Abb. 11.45 für die thermischen Totaldruckverluste der Fall ist.
− 1 · κ+1
pt4 Mac3BK 2 + (κ − 1) · Ma2c3BK 2 κ−1
πBKR = = · (11.45)
pt3BK R Mac4 2 + (κ − 1) · Ma2c4
In einer Brennkammer kann die Machzahl infolge der Entropieproduktion durch die vis-
kose Effekte maximal auf Mac4 = 1 beschleunigen. Ursächlich für das Einleiten dieser
Strömungsbeschleunigung innerhalb des sich nicht verändernden (adiabaten) Ringquer-
schnitts ist ein Entropieanstieg (Entropieproduktion durch Dissipation), also ein ähnliches
physikalisches Grundprinzip, das auch bei einer Wärmezufuhr von außen in einer
diathermen (diabaten), dissipationsfreien Brennkammer als Entropietransport auftritt.
Die Gl. (11.45) kommt für den beschriebenen Rechnungsgang wie folgt zustande. Da
die Totaltemperatur unverändert bleibt, Tt = Tt4 = Tt3BK = const, ergibt sich mit Hilfe
der Gl. (18.242):
T4 Tt /T3BK 2 + (κ − 1) · Ma3c3BK
= = (11.46)
T3BK Tt /T4 2 + (κ − 1) · Ma3c4
Aus der Kontinuitätsgleichung ist zu sehen, dass sich die Massenstromdichte nicht ändert,
ρ · c = const bzw. c3BK · ρ3BK = c4 · ρ4 . Zusammen mit der die Laplace’schen Form der
Schallgeschwindigkeit nach Gl. (18.365), a2 = κ · p/ρ, ergibt sich dann aus diesen beiden
Zusammenhängen der nachfolgende Ausdruck:
p3BK · c3BK p4 · c4 p3BK p4
κ· =κ· ⇒ · Mac3BK = · Mac4
a32BK a42 a3BK a4
√
p4 Mac3BK a4 Mac3BK κ · R i · T4 Mac3BK T4
= · = · = · (11.47)
p3BK Mac4 a3BK Mac4 κ · Ri · T3BK Mac4 T3BK
Das Einsetzen der Gl. (11.46) in die obige Beziehung ergibt dann:
p4 Mac3BK T4 Mac3BK 2 + (κ − 1) · Ma3c3BK
= · = · (11.48)
p3BK Mac4 T3BK Mac4 2 + (κ − 1) · Ma3c4
Werden die statischen Drücke in der obigen Gleichung mittels der Beziehung (18.244) in
Totaldrücke umgeformt, so ergibt sich:
κ
pt4 pt4 /p4 · p4 2 + (κ − 1) · Ma2c4 κ−1 p4
= πBKR = = · (11.49)
pt3BK pt3BK /p3BK · p3BK 2 + (κ − 1) · Ma2c3BK p3BK
11.6 Charakteristische Kenngrößen 1225
Für p4 /p3BK auf der rechten Gleichungsseite wird Gl. (11.48) eingesetzt:
κ
pt4 2 + (κ − 1) Ma2c4 κ−1
Mac3BK 2 + (κ − 1) Ma3c3BK
= πBKR = (11.50)
pt3BK 2 + (κ − 1) Ma2c3BK Mac4 2 + (κ − 1) Ma3c4
R
Das Zusammenfassen des Ausdrucks in der eckigen Klammer mit dem Wurzelaus-
druck führt dann sofort auf die Gl. (11.45) für den Totaldruckabbau in einem stationär
durchströmten adiabaten (Tt = Tt4 = Tt3BK = const) Strömungskanal, konstanter Mas-
senstromdichte, ρ · c = const bzw. c3BK · ρ3BK = c4 · ρ4 , in dem sich die Machzahl infolge
Dissipation ändert, Mac4 > Mac3BK .
Reibung produziert, so stellen sich folgende Relationen bei den diversen Strömungsgrößen
ein:
Wird in einer supersonischen Zuströmung ab 3
BK bei Ma c3BK > 1 Entropie infolge
Reibung produziert, so stellen sich folgende Relationen bei den diversen Strömungsgrößen
ein:
T4 Mac4 = 1
4
c32′ Richtung abfallenden Druckes
2 Schallgeschwindigkeit
1
′
>
Ma
c3
T3′
3′
Abb. 11.48 Die Fannokurve in einem h-s-Diagramm zur Beschreibung des Verhaltens von
kompressiblen Strömungen mit Entropieproduktion infolge Dissipation
Das h-s-Diagramm in Abb. 11.48 Anordnung der Vor- undverdeutlicht die zuvor auf-
gelisteten Zusammenhänge für einen einfachen kompressiblen Strömungsprozess mit
Reibung. Die dabei entstehende Kurve heißt Fannokurve24 .
Ist dabei z. B. der subsonische Strömungszustand im Punkt 3 BK gegeben, so ist
der darauf folgende Kurvenverlauf in viskosen Strömungen der Ort aller möglichen
Strömungszustände 4 bis hin zum Erreichen des Maximalwertes bei Mac4 = 1.
Reibung erreicht, die Strömungsgeschwindigkeit hat hier ihren Höchstwert, nämlich die
Schallgeschwindigkeit, und der Strömungskanal sperrt.
Die Fannokurve teilt sich in einen subsonischen Ast (oben) und einen supersonischen
Ast (unten) auf. Bei ansonsten gleich bleibenden Randbedingungen gehört jeder Abstand
zwischen den Punkten 3 BK bzw. 3
BK und dem Punkt 4 auf den beiden Kurvenästen zu
der Austrittszustand mehr und mehr auf 4 zubewegt. Ab einer ganz bestimmten kritischen
Länge erreichen die Austrittsgrößen dann im Punkt 4 Mac4 = 1 und der Strömungskanal
sperrt. Würde man dennoch die Länge L weiter vergrößern, so hätte dies radikale Ver-
24
Gino Girolamo Fanno, *18.11.1882 †23.3.1962, war ein italienischer Ingenieur.
11.6 Charakteristische Kenngrößen 1227
änderungen auf den Strömungszustand im Punkt 3 zur Folge, der sich entsprechend der
strömung vor, so würden sich mit zunehmender Strömungskanallänge L die Größen der
Ausströmung längs der Fannokurve – von links kommend – auf den Punkt 4 zubewegen.
Wenn sie ihn erreicht, würde der Strömungskanal sperren. Jede weitere Verlängerung des
Strömungskanals L würde jetzt bewirken, dass der Punkt 4 ab nun fixiert bleibt und der
Punkt 3 stattdessen auf der Fannokurve weiter nach links, d. h., von seiner ursprünglichen
Position wegrückt.
Im Fall einer supersonischen Einströmung am Punkt 3 – z. B. erzeugt durch Expansion
der Entropieproduktion ds/dx in der Strömung längs des Weges x abhängt, also davon, wie
viel Dissipation (Reibung) produziert wird. Diese Umstand wird von den Fluideigenschaf-
ten (Zähigkeit), den Oberflächenrauigkeiten, der Strömungskanalhöhe, der Turbulenz
und/oder von Kanaleibauten mit bestimmt. Je besser es also gelingt, die viskosen Effekte
zu beschreiben bzw. den Reibungskoeffizienten anzugeben, umso besser wird es möglich
sein, einen Zusammenhang zwischen den Zustandsänderungen der Strömung und der
Strömungskanallänge zu formulieren.
1228 11 Brennkammer
11.6.4.3 Was man aus Rayleigh- und Fannokurve, über die Brennkammer
hinaus, physikalisch sonst noch lernen kann
Aus den vorhergehenden beiden Kapiteln lassen sich die nachfolgend tabellierten Ei-
genschaften und Unterschiede zur Rayleighkurve und zur Fannokurve extrahieren und
zusammenfassen.
Zeichnet man nun für ein und dieselbe Massenstromdichte, ρ · c = const, sowohl die Ray-
leighkurve als auch die Fannokurve gemeinsam in ein h-s-Diagramm ein, so ergibt sich
die in Abb. 11.49 wiedergegebene Darstellung. An den beiden eingezeichneten Punkten,
1 und 2 , an denen sich die beiden Kurven schneiden, liegen – entsprechend der obigen
tabellarischen Aufstellung – für beide Kurven dieselben Werte für die Massenstromdichte,
für die Energie (Totalenthalpie) und für den Impuls vor. Diese Gleichzeitigkeit kann aber
physikalisch/theoretisch nur dann gegeben sein, wenn eine Durchströmung bei konstan-
tem Querschnitt, ohne Reibung und ohne Wärmezufuhr vorliegt, also eine so genannte
isentrope Strömung (isentrop = reibungsfrei und adiabat = ohne Dissipation und Wär-
meübertragung), die es als natürliche Strömung aber so nicht gibt. Das heißt dann aber
andererseits auch, dass in einer realen, natürlichen Strömung die beiden in Abb. 11.49
eingezeichneten Schnittpunkte, 1 und
2 , von Rayleigh- und Fanno-Kurve, die zu einem
fiktiven isentropen Strömungszustand gehören, durchaus gleichberechtigt auftreten kön-
nen, wobei der untere Punkt 1 im Überschall liegt und der obere Punkt
2 im Unterschall.
Der untere Punkt liegt dabei an einem Ort geringerer Entropie als der obere, s1 < s2 .
11.6 Charakteristische Kenngrößen 1229
h = cp ⋅ T ich her
B ereniscgen
ht = cp ⋅ Tt o
bs un
su tröm
S pt1 pt2
Tt1 = Tt2 = const 1t
2t
c12 ρ2
c22
2 p2
2
T4 4Rayleigh
Isobaren
T2 2c = a
2
4
2
4
2 2
T4 4Fanno
ß
p4
tungssto
Richtung
steigenden
Druckes und
Verdich
stegender
ρ1 Dichte
p1
T1
1
ichcher
Rayleighkurve Bere is
r n gen
s o
Fannokurve supterömun
T3′ S
3′
s1 s2 s4 max s
Abb. 11.49 Fanno- und Rayleighkurve gemeinsam aufgetragen in einem h-s-Diagramm, zur Er-
klärung einer plötzlichen Geschwindigkeitsverzögerung (Verdichtungsstoß) längs einer Fannokurve
von einem Überschallgebiet 3 aus in ein Unterschallgebiet
2 hinein
Da nach dem Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik die Entropie nicht abnehmen darf,
kann ein Strömungszustandswechsel nur vom unteren Punkt 1 zum oberen Punkt 2
stattfinden, also in Richtung steigender Entropie. Der umgekehrte Weg ist unmöglich.
Ein solcher Wechsel der Zustandspunkte findet immer sprungartig statt, was man dann
als Verdichtungsstoß bezeichnet. Ein Verdichtungsstoß ist dabei immer mit einem Entro-
pieanstieg (Verlust) verbunden, selbst dann, wenn die Strömungen unmittelbar vor und
unmittelbar hinter dem Stoß isentrop sind. Eine solche plötzliche Veränderung des Strö-
mungszustandes kann also auch immer nur aus dem Überschall heraus in Richtung zum
Unterschall hin stattfinden, aber niemals umgekehrt, da letzteres ja gegen den 2. Hauptsatz
der Thermodynamik verstoßen würde. In Strömungen mit Dissipation entsteht ein Ver-
dichtungsstoß immer nur bei den physikalischen Gegebenheiten, die zu den in Abb. 11.49
eingezeichneten Schnittpunkten 1 und
2 gehören. Dabei erfolgt der Verlauf einer bei 3
beginnenden Überschallströmung mit Reibung (Dissipation) erst einmal längs des unteren
Astes der Fannokurve in Richtung zunehmender Entropie bis hin zum Punkt 1 . Ist dabei
1230 11 Brennkammer
der Fannokurve, p2 > p4 , so wird der Strömungszustand von 1 nach 2 sprungartig auf
den oberen Ast der Fannokurve wechseln, wobei sich bei gleicher Massenstromdichte,
gleichem Impuls und gleicher Totalenthalpie (Totaltemperatur, Tt1 = Tt2 ) die Strö-
mungsgeschwindigkeit sprungartig verringert, c2 < c1 . Der Totaldruck nimmt dabei bei
steigender Entropie (s2 > s1 ) ab, pt2 < pt1 , was man als stoßinduzierten Totaldruckver-
lust bezeichnet, während der statische Druck und die statische Temperatur beide ansteigen,
p2 > p1 und T2 > T1 . Gleiches gilt dann auch für die Dichte der Strömung, ρ2 > ρ1 .
Letzteres zeigt, dass trotz Totaldruckabbaus eine Strömung über einen Verdichtungsstoß
komprimiert wird.
Wurde eine Kanalströmung vom Überschallzustandspunkt 3 längs der Fannokurve
bis zum Punkt 1 verzögert und dann durch einen Verdichtungsstoß vom unteren Ast der
Fannokurve sprungartig auf den oberen Kurvenast zum Zustandspunkt 2 verschoben, so
schließt sich diesem Vorgang keine weitere Verzögerung längst des oberen Astes nach links
an, da dies wiederum gegen den 2. Hauptsatz verstoßen würde.
Beispiel 11.1
Am Eintritt einer Ringbrennkammer sind folgende Daten bekannt: Mac3 = 0.23,
pt3 = 106 N/m2 , Tt3 = 575 K, βstöch = 0.068381, κ = 1.4, κ = 1.33, Ri = 287 Nm/(kg · K).
Die Eintrittstemperatur in die Turbine beträgt Tt4 = 1 300 K. Der Ausbrenngrad be-
trägt ηBK = 0.99. Das Zapfluft/Luft-Verhältnis soll α = 0 und der spezifische Heizwert
Hi = 4.31 · 107 Nm/kg sein. Es sind die Machzahl am Brennkammeraustritt Mac4 und
der Totaldruckverluste πBK der gesamten Brennkammer zu bestimmen, wenn die kalten
Verluste πBKR = 0.94 betragen. Unter Verwendung der Daten für Luft und Verbren-
nungsgase in Tab. 18.6 des Kap. 18.2 sind außerdem das Brennstoff-Luft-Verhältnis β
und die Luftüberschusszahl λ zu berechnen.
Im ersten Schritt wird nun wird Gl. (11.26) iterativ gelöst. Als Anfangswert für die
Iteration wird Mac4 = Mac3 = 0.23 gesetzt.
κ −1
1+ · Ma2c3
1 + κ · Ma2c4 κ
· T t4 2
Mac4 = Mac3 · = 0.3539, 0.3835, 0.3923, .....
1 + κ · Ma2c3 κ Tt3 κ − 1
1+ · Mac42
2
0.4 − 1
1 + 1.33 · 0.23 1.4 1 300 1 +
2
2
· 0.232
Mac4 = 0.23 · · = 0.3539
1 + 1.4 · 0.232 1.33 575 0.33 − 1
1+ · 0.232
2
0.4 − 1
1+ · 0.232
1 + 1.33 · 0.35392 1.4 1 300 2
Mac4 = 0.23 · ·
1 + 1.4 · 0.232 1.33 575 0.33 − 1
1+ · 0.35392
2
= 0.3835, 0.3923, ....usw.
11.6 Charakteristische Kenngrößen 1231
πBKth = 0.9493
$Tt4 $Tt3
$
1−α c p4 $ · (Tt4 − 298.15) − c p3 $298 · (Tt3 − 298.15)
β= · 298
$Tt4
ηBK $
Hi − c p4 $ · (Tt4 − 298.15)
298
1 1 122.20 · (1 300 − 298) − 1 024.61 · (575 − 298.15)
β= · = 0.020229
0.99 4.31 · 107 − 1 122.20 · (1 300 − 298.15)
βst öch 0.068381
λ= = = 3.3804
β 0.020229
Die zuvor ermittelten Werte für cp4 müssen nun korrigiert werden, da dort von λ = 4
ausgegangen wurde und das tatsächliche λ offensichtlich kleiner ist. Die Interpolation
erfolgt linear, unter Verwendung der Skizze auf der nächsten Seite
cp (λ = 2)
cp (λ = x )
cp (λ = 4)
λ =4 λ =2 1
0.25 1 0.50 λ
λx
β = 0.020348
λ = 3.3606
Literatur
12.1 Einleitung
Vieles von dem, was in Kap. 10 zu Verdichtern gesagt wurde, kann in analoger Wei-
se durchaus auch auf Turbinen übertragen werden, wobei es aber zwei signifikante
Unterschiede gibt:
• Das Fluid in Turbinen ist sehr heiß, womit erhebliche Materialprobleme verbunden
sind, die in modernen Flugzeugturbinen zur so genannten Turbinenschaufelkühlung –
durch am Verdichter abgezapfte Luft – geführt haben.
• Beim Durchströmen einer Turbine nehmen sowohl der statische als auch der Totaldruck
ab, wodurch die Strömungsgrenzschichten klein bleiben, sodass die aerodynamische
Schaufelauslegung hinsichtlich viskoser Einflüsse unproblematischer wird.
Abb. 12.1 Sichtbarmachung (Schlierenfotografie) einer transsonischen Strömung durch das Na-
benschnittgitter einer Hochdruckturbine. Die Zuströmung ist subsonisch und die Abströmung
supersonisch, mit einem ausgeprägten System von Verdichtungsstößen und Expansionsfächern an
den Hinterkanten, die zu Stoß-Grenzschicht-Wechselwirkungen auf den Saugseiten führen. Bild mit
freundlicher Genehmigung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, DLR, Göttingen
Hinterkanten der gesamten Beschaufelung, Abb. 12.1. Weitere Vor- und Nachteile, die
zwischen ein- und zweistufigen Hochdruckturbinen bestehen, werden bei Ahmad und
Mirzamoghadam (1999) diskutiert.
Um die Fandrehzahl (N1-Drehzahl der Niederdruckwelle) gering zu halten, ist eine
Vielzahl von Turbinenstufen im Niederdruckteil erforderlich, die einen nicht unerheb-
lichen Beitrag am Gesamtgewicht eines Triebwerks haben. Entwicklungsziel bei den
Turbinen ist es derzeit, bei steigendem Turbinenwirkungsgrad die Anzahl der Stufen und
damit auch der Schaufeln zu reduzieren. Der wesentliche Ansatz dazu besteht zurzeit darin,
die Drehzahl der Niederdruckturbine signifikant anzuheben. Nach Buckl (1998) könnte
mit einer schnelllaufenden Niederdruckturbine die Stufenanzahl der Niederdruckturbine
auf drei begrenzt werden. Die Fandrehzahl wird dabei durch ein kompaktes Planetenge-
triebe reduziert (Getriebefan), sodass zusätzlich auch hohe Bypassverhältnisse realisierbar
sind. Die Reduzierung der Stufen- und Schaufelanzahl unter Beibehaltung des bislang er-
reichten hohen Wirkungsgradniveaus hat natürlich auch positive Auswirkungen auf die
Herstellungs- und Wartungskosten. Wesentlich kleinere Schaufelzahlen erfordern jedoch
auch eine deutlich höhere aerodynamische Schaufelbelastung und beinhalten damit das
Risiko einer Überbelastung der Profile. Eine Verringerung der Schaufelanzahl um 20 %
könnte aber die Turbinenkosten um bis zu 10 % senken.
Die Berechnung von komplexen gekühlten dreidimensionalen Geometrien, wie sie bei-
spielsweise bei Leitschaufel-Clustern auftreten können, erforderte in noch gar nicht so
12.1 Einleitung 1237
weit entfernter Vergangenheit einen Zeitaufwand von mehreren Wochen. Inzwischen ist
es gelungen, diesen Aufwand auf wenige Tage zu reduzieren, sodass es nunmehr zeit-
lich möglich geworden ist, auch mehrere Geometriealternativen voll dreidimensional und
instationär durchzurechnen. Trotz dieses rechnerischen Mehraufwandes konnten die Ent-
wicklungszeiten verkürzt werden, sodass man heute für eine Turbinenentwicklung von
einem Zeitaufwand von 30 Monaten ausgehen kann, eine Periode, die sich zukünftig noch
weiter verringern dürfte.
Eine weitere Zielsetzung der Triebwerksindustrie ist es, eine weitere Temperaturerhö-
hung bei gleichzeitiger Verlängerung der Turbinenlebensdauer zu erreichen. Bei aktuellen
Niederdruckturbinen, wie z. B. im Triebwerk PW4000 für die Boeing B777 oder im
PW6000 für den „Mini-Airbus“ A318, sind die Eintrittstemperaturen inzwischen so hoch
geworden, dass die Eintrittsstufe(n) gekühlt werden müssen, was noch vor geraumer Zeit
ausschließlich auf die Hochdruckturbine beschränkt war. Unter dem Gesichtspunkt ei-
ner weiteren Steigerung der Eintrittstemperaturen und/oder der Lebensdauer, und das bei
möglichst niedrigen Kühlluftmassenströmen, liegt ein wesentliches Augenmerk auf neuen
Werkstoffen, wie z. B. Einkristallen der dritten Generation, die ein deutlich gesteiger-
tes Temperaturpotenzial aufweisen, und auf Oxidationsschutzsystemen auf der Basis von
Platin-Aluminiden, PtAl. Für Niederdruckturbinen stehen leichtere Werkstoffe vor der se-
rienmäßigen Einführung, insbesondere in Form von Gamma-Titanaluminid-Werkstoffen
(γ-TiAl). Diese neue Werkstoffklasse besitzt eine mit Nickelbasislegierungen, so wie sie
bisher zum Einsatz kommen, vergleichbare Warmfestigkeit, aber das bei nur halber Dichte.
Nachteilig ist die Anfälligkeit für Oberflächenoxidation, die die maximale Arbeitstempe-
ratur auf etwa 1 025 K einschränkt, sodass im Triebwerk nur die Niederdruckturbine für
diesen Werkstoff derzeit in Frage kommt.
12.1.2 Clocking-Effekt
Eine Wirkungsgradsteigerung von Turbinen erwartet man sich auch durch eine instatio-
näre Optimierung der transsonischen Turbinenströmung, was man auch als „Clocking“
bezeichnet. Dabei kommt es in Umfangs- und Axialrichtung zu einer gezielten pha-
senoptimierten Abstimmung der Schaufelanzahlen mehrerer hintereinander liegender
Gitterreihen, unter dem Gesichtspunkt der mit den Nachläufen der Leit- und Laufräder
wechselwirkenden Verdichtungsstöße, was schließlich in einer Wirkungsgradverbes-
serung resultiert, Hummel (2001). Schaufelnachläufe tragen generell zur Turbulenz-
struktur, zur Lärmerzeugung und zur Ausbildung instationärer Schaufelkräfte bei. Die
Wechselwirkung benachbarter Schaufelreihen in Stator-Rotor- und Stator-Rotor-Stator-
Kombinationen, so wie es Abb. 12.2 zeigt, beeinflusst über die Nachläufe das Verlust- und
Ablöseverhalten der jeweils nachfolgenden Schaufeln. Diese allerdings sehr komplexen Zu-
sammenhänge werden bereits beim Entwurfsvorgang einer Turbinenstufe berücksichtigt
und tragen zu einer Verbesserung des Betriebsverhaltens und zu einer Steigerung deren
Wirkungsgrades bei. Werden bereits beim Entwurf einer Stufe der Stator A vor dem Lauf-
1238 12 Turbine
f
lau
Vorlaufrad
ch
Na
Na Rotor
ch
Clocking
la
Position
u
f
Abb. 12.2 Prinzipskizze zur Erläuterung des so genannten Clocking-Effekts. Siehe auch Abb. 12.9
rad (Rotor) und der Stator B nach dem Laufrad (Abb. 12.2) in Umfangsrichtung relativ
zueinander verdreht, so treffen die Nachläufe des Vorleitrades , A die durch das Lauf-
rad hindurch stromabwärts getragen werden, je nach Relativposition an unterschiedlichen
Stellen des Nachleitrades B auf. Durch eine gezielte Veränderung der Zuströmbedingun-
gen kann nun so das viskose Strömungsverhalten (Verlust) am Stator hinter dem Laufrad
beeinflusst werden und damit schließlich dann auch der Wirkungsgrad der gesamten
Turbinenstufe. Dieses Phänomen wird als Clocking-Effekt bezeichnet. Die Wirkungsgrad-
änderung einer Stufe kann, je nach Clocking-Position, bis zu ± 0.5 % betragen, wobei das
Maximum dann erreicht wird, wenn die Nachlaufdelle genau auf die Schaufelvorderkante
des Nachlaufrades B trifft, d. h. in der Clocking-Position
A in Abb. 12.2.
Grundlage einer weiteren Effizienzsteigerung von Triebwerken ist ein hoher Vortriebs-
wirkungsgrad, der aber nur über ein hohes Bypassverhältnis erreicht werden kann.
Während bei heutigen Triebwerken der so genannten 3. Generation Bypassverhält-
nisse von μ ≈ 7 . . . 8 der Standard sind, gehen zukünftige Triebwerkskonzepte von
μ-Werten von weit über zehn aus. Das Kap. 7 hatte gezeigt, dass große Bypassverhältnisse
μ aus Sicht des thermodynamischen Triebwerkskreisprozesses nur mit vergleichswei-
se geringen Fandruckverhältnissen πFan zu erreichen sind. Dementsprechend sinkt das
Druckniveau hinter dem Fan ab, wodurch das Triebwerk schon auf kleinste Störun-
gen sehr empfindlich reagiert. Dieser aero-thermodynamischen Einschränkung kann nur
12.1 Einleitung 1239
schnelllaufende
Getriebe Niederdruckturbine (NDT)
NDV treibt unmittelbar den
Niederdruckverdichter (NDV)
Lager und über ein Getriebe den Fan an
Fan
HDV HDT
leitrad
Fan-
N1-Welle
N2-Welle
Abb. 12.3 Der Getriebefan-Demonstrator (GTF) der ersten Generation mit einer schnelllaufenden
Niederdruckturbine. (Bild mit freundlicher Genehmigung der MTU Aero Engines)
Abb. 12.4 Niederdruckturbinenteil mit dreidimensional geformte Schaufeln. (Bild mit freundlicher
Genehmigung der MTU Aero Engines)
Aufbauend auf diesen Basisinformationen wird in den folgenden Kapiteln die Turbi-
nengestaltung weiter ausgeführt und ergänzt werden. Es schließen sich Ausführungen zum
Turbinenkennfeld, zu den Materialien und zur Kühlung an.
12.2 Turbinenwirkungsgrade
Dieser Wirkungsgrad wird aus dem linken T-s-Diagramm in Abb. 12.6 abgeleitet. Per
Definition gilt:
spezifische Turbinenarbeit (polytrop) bei gegebenem πT
ηTs :=
spezifische Turbinenarbeit (isenrop ) bei gegebenem πT
Tt5
cp · (Tt5 − Tt4 ) − 1 mit c = const
wT Tt4 p
ηTs = = = (12.1)
cp · Tt5s − Tt4 T
− 1 von 4 nach
wT s t5s 5
Tt4
Mit Einführung der Isentropenbeziehung:
κ −1 κ −1
Tt5s pt5 κ
= = πT κ Turbinendruckverhältnis (12.2)
Tt4 pt4
Tt5
τT := Turbinentemperaturverhältnis (12.3)
Tt4
ergibt sich schließlich:
τT − 1 1 − τT
ηTs = κ −1
= κ −1
(12.4)
κ
πT −1 1 − πT κ
Die Abb. 12.5 und 12.6 weisen darauf hin, dass eine Axialturbine in Triebwerken prak-
tisch immer eine mehrstufige Maschine ist. Lediglich bei einer Hochdruckturbine kann es
gelegentlich vorkommen, dass die Turbine einstufig ist. Die Einzelstufe einer mehrstufi-
gen Turbine kann dabei wie eine separate „kleine, einstufige Turbine“ angesehen werden
(Abb. 12.6 unten rechts), sodass Gl. (12.4) direkt auf eine Stufe übertragbar ist, wenn mit
ηTs,j der isentrope Stufenwirkungsgrad, mit πT,j das Stufendruckverhältnis und mit τT,j das
Stufentemperaturverhältnis bezeichnet wird:
1 − τT, j pt, j Tt, j
ηTs,j = κ −1
mit πT, j = und τT, j = (12.5)
pt, j−1 Tt, j−1
1 − πT,κj
Diese Bezeichnungen und Indizierungen können auf den isentropen Turbinenwirkungs-
grad nach Gl. (12.4) übertragen werden, wenn mit jges = Σj = N die Anzahl aller Stufen
einer Turbine bezeichnet wird:
Tt5 Tt, j=N
1− 1−
Tt4 Tt, j=0
ηTs =
κ −1 =
κ −1 (12.6)
pt5 κ pt, j=N κ
1− 1−
pt4 pt, j=0
12.2 Turbinenwirkungsgrade 1243
5-stufige
2-stufige Niederdruckturbine
Hochdruck-
turbine
Abb. 12.5 Expansionsteil des Triebwerks GP 7200 (Airbus A380). (Bilder mit freundlicher
Genehmigung der MTU Aero Engines und der Airbus Operations GmbH)
Für den Temperaturquotienten im Zähler des ganz rechts stehenden Ausdrucks in Gl.
(12.6) wird der folgende Ausdruck gebildet:
j=N 0
Tt, j=N Tt, j=1 Tt, j=2 Tt, j=3 Tt, j=N 9 Tt, j 1
= · · ··· = (12.8)
Tt, j=0 Tt, j=0 Tt, j=1 Tt, j=2 Tt, j=N−1 j=1
Tt, j−1
0 κ −1
1
;
j=N
1− 1 − ηTs, j · 1 − πT,κj
j=1
ηTs = κ −1
(12.10)
κ
1 − πT
1244 12 Turbine
p t4 4 D. O 5 p t5
T t4 Niederdruckturbine NDT T t5
Brennkammer
Hochdruck-
Strut
turbine HDT
p t4 p t4 = (pt )j=0
T 4 T
4
T t4 T t4
(pt )j=1
j=1
ΔT ts= T t5s − T t4
ΔT t = T t5 − T t4
ηT (pt )j=2
s, j
j=2
ηTS j=3 (pt )j=3
5 j=4 5
T t5 T t5
Tt 5S p t5 = (pt)j=N
p t5 5S s s
Abb. 12.6 Zweiwellige Triebwerksturbine, bestehend aus Niederdruck- und Hochdruckteil, und die
Zustandsänderung der Gesamtturbine und ihrer Stufen im T-s-Diagramm. Der besseren Übersicht
wegen ist die Gesamtstufenanzahl im T-s-Diagramm auf 4 Stufen reduziert worden
Zur Beurteilung der vorhergehenden Gleichung wird jetzt die mehr oder weniger
willkürliche Annahme eingeführt, dass jede Stufe einer Turbine dasselbe Stufentempe-
raturverhältnis τT, j und denselben isentropen Stufenwirkungsgrad hat ηTs, j haben soll.
Unter diesen Umständen ergibt sich für das Turbinendruckverhältnis der folgende einfache
Ausdruck:
9N
Tt, j 1 √
τT = = τT,
N
j ⇒ τT, j = τTN = N τT (12.11)
j=1
Tt, j−1
Damit gilt dann auch nach Gl. (12.5) pt, j /pt, j−1 = const und somit:
N N· κ κ−1
pt, j 1
πT = = 1− · 1 − τT, j für ηTs, j , τT, j = const (12.12)
pt, j−1 ηTs, j
Mit Gl. (12.11) wird daraus:
N N· κ
pt, j 1 1 κ −1
πT = = 1− · 1 − τTN
für ηTs, j , τT, j = const (12.13)
pt, j−1 ηTs, j
12.2 Turbinenwirkungsgrade 1245
Nun wird diese Beziehung zusammen mit Gl. (12.11) in die Gl. (12.4) eingesetzt:
1 − τT 1 − τT, N·
j
ηTs = " 1 #N
= " #N (12.14)
1 − 1 − ηTs, j · 1 − τT
1 N 1 − 1 − ηTs, j · 1 − τT, j
1
Für τT, j , ηTs, j = const durch eine mehrstufige Axialturbine stellt die obige Gleichung den
Zusammenhang zwischen dem isentropen Turbinen- und dem isentropen Turbinenstu-
fenwirkungsgrad dar. Aus Gl. (12.5) ergibt sich durch Umstellen ein Ausdruck für den
Totaldruckabbau je Stufe:
⎧ ⎫
⎨ 1
κ
κ −1
⎬
Δpt, j = pt, j − pt, j−1 = pt, j−1 · 1 − · (1 − τT, j ) −1 (12.15)
⎩ ηTs, j ⎭
Der Ausdruck in den geschweiften Klammern ist wegen der getroffenen Annahmen für
jede Stufe eine Konstante und pt, j−1 ist der jeweilige Stufeneintrittsdruck, der von Stufe
zu Stufe abnimmt. Daraus ist zu erkennen, dass der Totaldruckabbau pt, j von Stufe zu
Stufe abnimmt. Aus der Differenz Tt, j = Tt, j − Tt, j−1 und dem Verhältnis τt, j = Tt, j /Tt, j−1
ergibt sich für τT, j , ηTs, j = const:
Da die Stufeneintrittstemperatur Tt, j−1 von Stufe zu Stufe kleiner wird, nimmt also auch
das Stufentemperaturgefälle Tt, j von Stufe zu Stufe ab.
Abbildung 12.7 zeigt beispielhaft das T-s-Diagramm einer 4-stufigen Turbine, mit der
zuvor erläuterten Eigenschaft, dass Tt, j von Stufe zu Stufe abnimmt. Aus dem Diagramm
können folgende Relationen abgelesen werden:
Tt, j = TtT und Tts, j > TtTs (12.17)
Für eine Einzelstufe kann ein mittlerer isentroper Stufenwirkungsgrad gebildet werden:
:
Tt,j TtT
η̄Ts, j = : = (12.19)
Tts, j Tts, j
Ein Vergleich der Gln. (12.16) bis (12.18) führt zu der Aussage:
Der isentrope Wirkungsgrad einer mehrstufigen Turbine ηTs ist besser als der mittlere
isentrope Wirkungsgrad η̄Ts, j ihrer Einzelstufen.
1246 12 Turbine
T p t4
4
ΔTts, j=1
ΔTt,j=1 ΔTts, j=1
ΔTtT = ∑ Δ Tt , j
ΔTts, j=2
∑ ΔT ts , j
ΔTt,j=2 ΔTtT
s ΔTts, j=2
Auf Grund von Reibung (Dissipation) kommt es in jeder Stufe zu einer zusätzlichen
Temperaturerhöhung und damit zu einer zusätzlichen Volumenausdehnung, die sich dem
Entspannungsvorgang in der Turbine (Volumenzunahme) überlagert. In jeder nachfol-
genden Stufe muss von daher immer weniger spezifisch Arbeit (Enthalpieänderung) aus
dem Strömungsmedium entzogen werden, um dort dasselbe πT, j und ηTs, j wie in der Stufe
zuvor zu erreichen. Bleibt dagegen von Stufe zu Stufe die spezifische Arbeit konstant, so
wird dies eine Reduzierung im Stufendruckabbau zur Folge haben. Wie das Temperatur-
und Druckgefälle in einer mehrstufigen Turbine beispielsweise aussehen könnte, zeigt die
Abb. 12.8.
Der mit Abb. 12.7 beschriebene Vorgang wird umso signifikanter, je größer die Anzahl der
Stufen einer Axialturbine ist und es erhebt sich die Frage, ob und wie gut der isentrope Wir-
kungsgrad die Vorgänge in einer vielstufigen Turbine mit polytroper Zustandsänderung
beschreibt. Auf der Suche nach einer besseren Beschreibung bietet sich die Betrachtung in-
finitesimaler Zustandsänderungen längs der Polytropen an, mit anschließender Integration
zwischen Turbinenein- und Turbinenaustritt, zur Übertragung auf die Gesamtturbine
spez. Arbeit (polytrop) bei infinitesimaler Druckerabnahme dπT
ηT :=
spez. Arbeit (isentrop) bei infinitesimaler Druckerabnahme dπT
dwT dTt
ηT = = (12.21)
dwTs dTts
12.2 Turbinenwirkungsgrade 1247
0.6
1 400
−80 ηTs ,j = 0.900
0.5
1 300
−90 0.4
1 200
0.3
−100
1 100
0.2
−110
1 000 0.1
Abb. 12.8 Temperatur- und Druckabbau durch eine 7-stufige Axialturbine, deren Einzelstufen
jeweils denselben Totaltemperaturabbau und denselben isentropen Stufenwirkungsgrad haben
Die infinitesimale isentrope Totaltemperaturabnahme dTts wird aus der Gleichung für
eine isentrope Zustandsänderung bestimmt, wenn diese nach dem Totaldruck pt abgeleitet
wird:
Tt dTt κ − 1 − κ1 Tt κ − 1 − 1
κ
κ −1
= const ⇒ = const · · p t = · · pt (12.22)
κ dpt κ κ −1
κ
pt pt κ
Da wegen der isentropen Zustandsänderung dTt = dTTs gelten muss, wird durch Umstel-
len hieraus der folgende Ausdruck erhalten:
κ − 1 Tt
dTts = · · dpt (12.23)
κ pt
Für den polytropen Wirkungsgrad nach Gl. (12.20) ergibt sich damit:
dTt dTt /Tt dTts dTt κ − 1 dpt
ηT = = ⇒ ηT · = = ηT · · (12.24)
dTts dTts /Tt Tt Tt κ pt
Die Lösung für den polytropen Wirkungsgrad wird durch Integration zwischen
Turbineneintritt
4 und Turbinenaustritt
5 gefunden:
5
5
dTt κ − 1 dpt Tt5 κ − 1 pt5
= ηT · ⇒ ln = ηT · · ln (12.25)
Tt κ pt Tt4 κ pt4
4
4
κ −1
ln τT ηT · κ κ−1
ηT = κ −1
⇒ ηT · ln πT κ = ln τT ⇒ ln πT = ln τT (12.26)
ln πT κ
1248 12 Turbine
Der Zusammenhang zwischen dem isentropen und dem polytropen Wirkungsgrad wird
durch Einsetzen der Gl. (12.26) in Gl. (12.4) hergestellt:
ηT · κ κ−1
πT −1
ηTs = κ −1
(12.28)
κ
πT −1
Die polytrope Zustandsänderung zwischen Ein- und Austritt lässt sich mit der folgenden
Gleichung beschreiben, wenn n der Polytropenexponent des Heißgases ist:
n −1 n −1
Tt5 pt5 n
τT = = = πT n (12.29)
Tt4 pt4
entspricht
30 m/s
Turbulenzgrad
Tu = 10 %
Wie im einleitenden Kap. 12.1 ausführlich dargelegt, werden moderne Hoch- und
Niederdruckturbinen entweder teilweise oder vollkommen transsonisch durchströmt.
Einen Schnitt durch eine typische Turbinen-Hochdruck-Stufen-Beschaufelung, wie sie
im Nabenschnitt von hochbelasteten Flugzeugtriebwerksturbinen vorkommen kann, zeigt
Abb. 12.9. Die Reduzierung der Anzahl von Turbinenstufen, mit dem Ziel, das Gewicht,
die Komplexität und die Kühlungsanforderungen in einem Flugzeugtriebwerk zu minimie-
ren, führt zu aerodynamisch hochbelasteten, d. h., transsonisch durchströmten Turbinen,
deren Zuströmmachzahlen im Unterschallbereich und deren Abströmmachzahlen im
Überschallbereich liegen. In der Abströmung werden dabei Machzahlen typischerweise
von bis zu etwa 1.3 erreicht. Abbildung 12.1 zeigt die Sichtbarmachung eines solchen
typischen transsonischen Strömungsfeldes.
In Abb. 12.2 war gezeigt worden, dass Verdichterbeschaufelungen Inzidenzwinkel von
ungefähr βi ≈ ± 7◦ . . . 8◦ aufweisen können, ohne dass es zu einem signifikanten Verlust-
1250 12 Turbine
anstieg kommt. Abbildung 8.58 zeigte, dass dieser Winkelbereich bei Turbinen deutlich
höher ausfällt und dabei durchaus Werte von βi ≈ ± 15◦ oder mehr erreicht werden
können. Ursächlich hierfür sind die dickere Vorderkante und die stärkere Profilwölbung
bei Turbinenbeschaufelungen, die sie – im Vergleich zu Verdichterbeschaufelungen – un-
empfindlicher gegen Strömungsablösungen macht. Die anschließende Beschleunigung im
düsenförmigen Schaufelkanal gleicht Bereiche mit Strömungsablösung, die durch große
Inzidenz im vorderen Schaufelbereich entstehen können, schnell wieder aus. Selbst wenn
die gesamte dreidimensionale Schaufel zwischen Nabe und Gehäuse betrachtet wird, sehen
die Verlustverteilungen nicht viel anders aus, als die in Abb. 8.58 dargestellten. Das heißt
aber auch, dass die Schaufeln hinsichtlich der Verwindung in Radialrichtung und infolge
von Anströmungen mit Inzidenz – bei Drehzahlen außerhalb des Auslegungspunktes –
nicht so empfindlich reagieren, wie dies Verdichterschaufeln tun.
In den Kap. 8.2.5.1 und 8.2.5.2 war der Unterschied zwischen Aktions- und Reak-
tionsbeschaufelungen sehr ausführlich erläutert worden. Heutige Beschaufelungen von
Laufrädern weisen am Schaufelfuß näherungsweise die Profilierung einer Aktionsturbine
mit Reaktionsgraden nahe bei null auf, ρh ≈ 0, und im Gehäusebereich die Profilierung
einer Reaktionsturbine mit Reaktionsgraden nahe bei ρh ≈ 0.5, z. B. Abb. 4.37.
Der Abströmwinkel β2 aus einer Turbinenbeschaufelung kann in einer einfachen, eindi-
mensionalen Näherung (Stromfadentheorie) durch die so genannte Sinusregel abgeschätzt
werden, z. B. Traupel (1988):
e
β2 = 180◦ − arcsin (12.33)
t
Hierin ist t die Teilung und e der engste Querschnitt zwischen zwei benachbarten Schau-
feln, Abb. 8.58. Die Gleichung setzt voraus, dass im engsten Querschnitt die Machzahl
gleich eins ist. Von daher wird sie häufig dann verwendet, wenn die Abströmmachzahl
Mav2 aus dem Gitter um eins herumliegt, was für Turbinen im Auslegungspunkt durchaus
typisch ist. Abbildung 12.10 zeigt, dass der Winkel mit steigender Machzahl abnimmt,
d. h., dass sich die Strömung zunehmend axial ausrichtet, vgl. hierzu auch Abb. 8.39.
Für Mav2 > 1 kann zur Abschätzung des Abströmwinkels – in mehr oder weniger guter
Übereinstimmung mit experimentellen Untersuchungen – nach Lehthaus und Lawaczeck
(1978) die folgende Gleichung verwendet werden:
⎡
12 · κ +1⎤
2 κ − 1 κ −1
⎢ + · Mav2
2 ⎥
⎢e
κ +1 κ +1 ⎥
◦ ⎢
β2 = 180 − arcsin ⎢ · ⎥ (12.34)
⎥
⎣t Mav2 ⎦
Für Mav2 = 1 geht die Beziehung (12.34) in die Sinusregel nach Gl. (12.33) über. Die Über-
einstimmung mit experimentellen Ergebnissen ist umso besser, je geringer die Umlenkung
des Gitters ist. Mit steigender Abströmmachzahl wird das Abströmfeld am Turbinen-
austritt immer supersonischer (Abb. 8.126a und 8.127) und die Verluste steigen aufgrund
12.3 Auslegungsgesichtspunkte für Axialturbinen 1251
145°
140°
0. 0.5 1.0 1.5 2.0
Mav2
der die abgelöste Grenzschicht wieder anlegen lässt. Es entsteht auf der Saugseite infolge
Stoß-Grenzschicht-Wechselwirkung eine Ablöseblase . C Am Anfang und Ende der Bla-
1252 12 Turbine
subsonisch
transsonisch C
b ax
1.0 ab Ablöseblase
c
d
ite
Konturmachzahl Mas
sub-
se sonisch
ug
Sa
Messung
e
eit
ks
A
uc
Dr
transsonisch
Rechnung
E F
0
0% axiale 100%
Schaufelbreite b ax D
B
C
D
A Ablöseblase
Abb. 12.11 Machzahlverteilung auf der Druck- und Saugseite eines Turbinenprofils in einem
nabennahen Schnitt im subsonischen und im transsonischen Fall nach Dietrichs et al. (1987). Mes-
sungen nach Bräunling et al. (1988) und Kost und Bräunling (1988). Rechnungen nach Happel
(1985)
generieren. Am Ende des Profils wird die Hinterkante druckseitig umströmt, sodass sich
hier Expansionsfächer E ausbilden. Im Totwasser kommt es zu einer Einschnürung des
Abbildung 12.11 zeigt auch, dass zwischen Messung und reibungsfreier Rechnung dort
eine gute Übereinstimmung besteht, wo die Grenzschichteinflüsse nicht signifikant sind.
Wesentliche Differenzen bestehen nur im vorderen Bereich der Druckseite und im Be-
reich der Ablöseblasen. Moderne Navier-Stokes-Löser (z. B. Weinberg et al. 1985) und so
genannte zonale Verfahren, d. h., gekoppelte Rechenverfahren aus Euler-Codes für das
reibungsfreie Strömungsfeld und Grenzschichtverfahren für die viskosen Wandschichten
(z. B. Warfield und Lakshminarayana 1987), führen zu noch besseren Übereinstim-
mungen zwischen Experiment und Theorie. Entsprechende Verfahren der numerischen
Strömungsmechanik gehören heute zur Standardprozedur bei der Auslegung von aerody-
namisch hochbelasteten, d. h., transsonischen Turbinen. Auch die Berechnung der in den
Kap. 8.5.2.2 bis 8.5.2.4 beschriebenen Spalt-, Seitenwand- und Sekundärströmungsverluste
sind in gewissem Umfang erfolgreich, Zimmermann (1990).
12.3 Auslegungsgesichtspunkte für Axialturbinen 1253
Wie es auch schon bei den Verdichtern beschrieben wurde, so wird auch bei der Aus-
legung von Turbinenschaufeln zwischen direkten und inversen Methoden unterschieden.
Bei den direkten Methoden wird die Druck-, Geschwindigkeits- oder Machzahlverteilung
um ein Profil herum berechnet, dessen Geometrie vorgegeben ist. Das Ergebnis ist z. B.
eine Machzahlverteilung, so wie sie in Abb. 12.11 dargestellt ist. Bei der inversen oder
indirekten Methode wird die Profilgeometrie aus einer vorgegebenen Geschwindigkeits-
verteilung ermittelt. Die Wahl der idealen Geschwindigkeitsverteilung erfolgt dabei unter
den Gesichtspunkten des Vermeidens von Grenzschichtablösungen, insbesondere im na-
bennahen Bereich, wo der Reaktionsgrad klein und die aerodynamische Belastung groß
ist (Abb. 8.107), und des Umgehens von unerwünschten Verdichtungsstößen. Gerade
bei Turbinenbeschaufelungen, die mit hohen Fliehkräften in sehr heißen Gasen betrieben
werden, müssen diese aerodynamischen Gesichtspunkte immer im Zusammenhang mit
den Festigkeitseigenschaften der Schaufel gesehen werden, die u. U. auch hohl ausgeführt
werden muss, um sie zu kühlen. Auch die Dicke der Hinterkante stellt hier eine Randbe-
dingung dar. Ideal wären dünne Hinterkanten, die aber aus Gründen der Festigkeit und
speziell der Schaufelkühlung nicht zu realisieren sind. Zum Thema des aerodynamischen
Einflusses der Hinterkantendicke und des Ausblasens von Kühlluft sei insbesondere auf
Kost und Holmes (1985) verwiesen. Praktisch wird die Festigkeit einer Schaufel immer
den endgültigen Ausschlag für ihre tatsächliche Form geben.
Über das Teilungsverhältnis und den Staffelungswinkel bei Turbinenbeschaufelungen
war bereits in Kap. 8.2.7.1 sehr ausführlich berichtet worden.
vorn
vorn
Abb. 12.12 Komponenten der Niederdruckturbine des Triebwerks GP 7200 für den Airbus A380.
(Bilder mit freundlicher Genehmigung von der MTU Aero Engines in München)
Ausgehend von den beiden Gln. (7.94) und (7.95) wird anhand der zugehörigen Abb.
7.25 für einen zweiwelligen Turbofan, mit dem Bypassverhältnis μ, folgender Zusam-
menhang zur Arbeitsaufteilung zwischen Hoch- und Niederdruckturbine eingeführt. Die
Turbinenarbeit wird dabei negativ angesetzt:
cp · Tt2 ηNDV · κ
1 κ−1
η · κ
wHDT = htHDT = · πNDV − πV V (12.37)
ηmechN2
cp · Tt2 1
ηNDV · κ
κ−1 1
ηFan · κ
κ−1
wNDT = ΔhtNDT = · 1 − πNDV + μ · 1 − πFan (12.38)
ηmechN1
Für das Verdichterdruckverhältnis in Gl. (12.37) gilt natürlich auch πV = πNDV · πHDV ,
sodass sich die Gleichung auch in der folgenden Form schreiben lässt:
1
· κ−1
cp · Tt2 · πNDV
ηNDV κ 1
ηHDV · κ
κ−1
wHDT = · 1 − πHDV (12.39)
ηmechN2
Sind die gemittelte Umfangsgeschwindigkeit ūM und die mittlere Enthalpiekenngröße ψ̄h
für die jeweilige Turbine beim gemittelten Mittenschnittradius r̄M bekannte, so kann durch
Verwendung der Gl. (8.106) die jeweilige Anzahl der Stufen N berechnet werden:
Δht,T
N= $ $ (12.40)
2
ūM · $ψ̄h $
Wie bereits erwähnt, wird die Niederdruckturbine bei einem Turbofan ohne Getriebe
deutlich langsamer drehen als die Hochdruckturbine, nN1 < nN2 . Ähnlich verhält es sich
dann auch mit den mittleren Umfangsgeschwindigkeiten, ūMNDT < ūMHDT , auch wenn
der gemittelte Mittenschnittradius r̄M der Niederdruckturbine i. Allg. größer ist als der
1256 12 Turbine
der Hochdruckturbine, r̄MNDT > r̄MHDT . Kleine Werte für die Umfangsgeschwindigkeit
und/oder für den Betrag der Enthalpiekenngröße führen zu einer größeren Anzahl an
Stufen. Zweistufige Hochdruckturbinen haben im Mittenschnitt etwa Umfangsgeschwin-
digkeiten zwischen 400 . . . 450 m/s und einstufige haben solche von 450 . . . 550 m/s. Bei
Niederdruckturbinen liegen die mittleren Umfangsgeschwindigkeiten so etwa in einem
Bereich zwischen 150 . . . 250 m/s. Geht man einmal davon aus, dass die mittleren Enthal-
piekenngrößen ψ̄h in Hoch- und Niederdruckturbine in etwa gleich groß sind, so erhält
man aus Gl. (12.40):
In Gasturbinen kommen Schaufelanzahlen zwischen 30, 100 und mehr Schaufeln vor.
Aus Gründen des Auswuchtens stattet man Rotoren gewöhnlich mit einer geraden Anzahl
von Schaufeln aus. Im Falle eines Schadens an einer Schaufel werden dann nur diese und
die ihr gegenüberliegende Schaufel ausgetauscht, ohne dass danach der gesamte Rotor
(mit erheblichem Aufwand) erneut zu wuchten ist. Einige Fluggesellschaften verfügen aus
diesem Grund über einen gewissen Lagerbestand an paarweisen Schaufeln, die jeweils ganz
genau dasselbe Gewicht und dasselbe Moment1 (Schwerpunktslage) haben.
Bei Triebwerken ist es oft erwünscht, die axiale Baulänge kurz zu halten. Zu diesem
Zweck werden die Sehnenlänge s und die Teilung t bei konstantem Teilungsverhältnis t/s
verkleinert. Bei festliegender Schaufelhöhe br nimmt dadurch das Schaufelhöhenverhältnis
br /s zu, wodurch schließlich die Schaufelanzahl iS nach Gl. (12.41) ansteigt.
Aus lärm- und schwingungstechnischen Gründen sollte das folgende Leitrad kein
Vielfaches der Schaufelanzahl des Laufrades aufweisen, umso das Anfachen von Reso-
nanzfrequenzen zu minimieren. Die Schaufelanzahl des Leitrades wird aus diesem Grunde
häufig als Primzahl gewählt. Hinzu kommt, dass das Verhältnis von Leitradschaufelan-
zahl iS zu Laufradschaufelanzahl iS , iS /iS = iSStator /iSRotor , maßgeblichen Einfluss auf
1
Mit so genannten Momentenwaagen (Moment Weighing Scales) werden heutzutage Schaufeln vor
dem Einsetzen in eine Schaufelscheibe gewogen und mittels einer integrierten Software optimal
auf dem Rotorumfang verteilen. Dabei ermitteln Momentenwaagen präzise sowohl die Massen der
Schaufeln als auch deren exakte Schwerpunktslage (Moment). Diese Methode zur Unwuchtreduktion
durch Verwiegen von Gewicht und Moment eignet sich sowohl für alle neu beschaufelten Rotoren
als auch für Rotoren nach einer Läuferreparatur.
1258 12 Turbine
den Turbomaschinenlärm einer Turbine haben kann. Das zunehmende Hervortreten des
Turbomaschinenlärms aufgrund der Reduzierung des Strahllärms durch verringerte Trieb-
werksaustrittsgeschwindigkeiten lässt den Lärmaspekt immer mehr zum bestimmenden
Faktor der Schaufelanzahlen auf Leit- und Laufrad werden, insbesondere für die Tur-
12.3 Auslegungsgesichtspunkte für Axialturbinen 1259
bine als letztes Triebwerksbauteil vor dem Weg des Heißgases durch die Schubdüse ins
Freie. Der Turbinenlärm, der durch die Schubdüse das Triebwerk verlässt, wird durch die
Mischungsvorgänge des Strahls mit der Atmosphäre beeinflusst, und unterliegt dadurch
Brechungsphänomenen, sodass der Lärm entsprechend der Darstellung in Abb. 15.13 nur
in einem Bereich von ca. 110◦ . . . 130◦ zur Triebwerksachse (mathematisch positiv gezählt)
effektiv abgestrahlt wird.
12.3.4 Turbinenaustrittsgrößen
Der Totaldruck und die Totaltemperatur am Turbinenaustritt können aus dem Leistungs-
gleichgewicht zwischen Verdichter und Turbine bestimmt werden. Für einen zweiwelligen
Turbofan wird analog zu Gl. (7.93) das Leistungsgleichgewicht, unter Einbeziehung eines
mechanischen Wirkungsgrades ηmech , wie folgt formuliert:
Die Leistung, die der Gesamtverdichter PV und der Fan PFan zusammen für ihren Antrieb
benötigen, wird von der Turbine PT angeliefert. Über den mechanischen Wirkungsgrad
ηmech werden alle erdenklichen Verluste, die bei der Leistungsübertragung auftreten kön-
nen, erfasst, wie z. B. Reibungs- und Ventilationsverluste in Lagern. Für die weitere
Umformung der Gl. (12.42) werden nun auch die Zapfluft- und Brennstoffmassen-
ströme mitberücksichtigt. Zur Vereinfachung der Gleichungen wird für den Verdichter
angenommen, dass die gesamte Zapfluft erst hinter dem Verdichteraustritt entnommen
wird:
ṁI · cp · (Tt3 − Tt2 ) + ṁII · cp · (Tt13 − Tt2 ) =
= −(ṁI + ṁB − ṁZ ) · ηmech · c p · (Tt5 − Tt4 ) (12.43)
Die Einführung des Bypass-Verhältnisses μ nach Gl. (6.14), des Zapfluft-Luft-
Verhältnisses α und des Brennstoff-Luft-Verhältnisses β nach den Gln. (6.6) und (6.5)
führt auf den folgenden Ausdruck:
c p
(Tt3 − Tt2 ) + μ · (Tt13 − Tt2 ) = (1 + β − α) · ηmech · · (Tt4 − Tt5 ) (12.44)
cp
Durch Ausklammern einzelner Temperaturen ergibt sich daraus:
Für das Totaltemperaturverhältnis des Verdichters Tt3 /Tt2 wird nun Gl. (10.32) bzw.
(10.33) eingesetzt. Dieselben Beziehungen werden analog auf das Totaltemperaturverhält-
nis des Fan Tt13 /Tt2 übertragen. Für das Totaltemperaturverhältnis der Turbine Tt5 /Tt4
wird nun Gl. (12.29) bzw. (12.30) eingesetzt:
1
· κ−1 1
· κ−1 c p
+ μ · πFan − (1 + μ) = (1 + β − α) · ηmech ·
η κ η κ
πV V Fan
cp
τλ ηT · κ −1
· · 1 − πT κ (12.47)
τ0
Durch Umstellen ergibt sich hieraus ein Ausdruck für das Turbinendruckverhältnis:
⎡ 1 κ−1 1 ⎤ η1 · κ κ−1
ηV · κ ηFan · κ
κ−1
T
cp τ0 πV + μ · πFan − (1 + μ)⎦
πT = ⎣1 − · · <1 (12.48)
c p τλ (1 + β − α) · ηmech
Die Größen ηV und ηT sind die polytropen Wirkungsgrade von Verdichter und Turbine.
Der Übergang auf ein Turbojettriebwerk wird erreicht, indem in der obigen Beziehung
μ = 0 gesetzt wird. Zweistufige, real ausgeführte Hochdruckturbinen haben Stufendruck-
verhältnisse von etwa 1/πT,j ≈ 2 . . . 2.3, während einstufige Druckverhältnisse von etwa
1/πT,j ≈ 2.5 . . . 4.2 aufweisen.
Ist aus den vorangegangenen Kapiteln der Turbineneintrittsdruck pt4 bekannt, so ergibt
sich der Turbinenaustrittsdruck zu:
Aus den Gln. (12.29) und (12.30) kann dann die Turbinenaustrittstemperatur berechnet
werden, wenn die Turbineneintrittstemperatur Tt4 bekannt ist:
ηT · κ κ−1
Tt5 = Tt4 · πT (12.50)
Zur Berechnung der Machzahl Mac5 wird von Gl. (11.22) ausgegangen, aus der die statische
Temperatur T4 am Turbineneintritt bestimmt werden kann:
2
Mac4 1 + κ · Ma2c3BK
T4 = T3BK · · (12.51)
Mac3BK 1 + κ · Ma2c4
Die Berechnung von Mac3BK und T3BK erfolgt nach Gl. (10.48). Aus der Brennkammerbe-
rechnung (Beispiel 11.1, Kap. 11.6.4) kann Mac4 als bekannt vorausgesetzt werden. Wie
auch schon beim Verdichter, so soll auch bei der Turbine davon ausgegangen werden, dass
alle Stufen Repetierstufen sind, sodass c4 = c5 gilt:
c5 = c4 = Mac4 · κ · Ri · T4 (12.52)
12.3 Auslegungsgesichtspunkte für Axialturbinen 1261
Analog zu Gl. (10.49) können nun die Ringraumquerschnitte am Ein- und Austritt der
Turbine berechnet werden:
√ 12 · κ +1
Tt4 1 Ri κ − 1 κ −1
A4 = (ṁI + ṁB − ṁZ ) · · ·
· 1+ · Mac4
2
(12.55)
pt4 Mac4 κ 2
√ 12 · κ +1
Tt5 1 Ri κ − 1 κ −1
A5 = (ṁI + ṁB − ṁZ ) · · ·
· 1+ · Mac5
2
(12.56)
pt5 Mac5 κ 2
Beispiel 12.1
Von einem Turbofantriebwerk sind im Startfall folgende Daten bekannt. Aus Grün-
den der Vereinfachung wird davon ausgegangen, dass die gesamte Zapfluft im
Verdichteraustritt entnommen wird.
Unter der Annahme, dass die Gesamtturbine eine drallfreie Zu- und Abströmung mit
c4 = c5 (Repetierstufen) hat, sind in den Ebenen
4 und
5 die Drücke, Temperaturen
1262 12 Turbine
⎡ 1 κ−1 1 ⎤ η1 · κ κ−1
ηV · κ ηFan · κ
κ−1
T
cp τ0 πV + μ · πFan − (1 + μ)⎦
πT = ⎣1 − · ·
c p τλ (1 + β − α) · ηmech
4.4781145
1.0125 29.50.3442341 + 5.4 · 1.650.3139717 − 6.4
πT = 1 − 0.868421 · ·
5.78125 0.97 · 0.99
= 0.04691335
pt5 = πT · pt4 = 0.04691335 · 28.46 · 105 = 1.335154 · 105 N/m2
ηT · κ κ−1
Tt5 = Tt4 · πT = 1 665 · 0.046913350.2233083 = 840.82 K
12.3 Auslegungsgesichtspunkte für Axialturbinen 1263
Für die erste und letzte Stufe gilt die Repetierbedingung ⇒ c5 = c4 = 228.9 m/s
c52 228.92
T5 = Tt5 −
= 840.82 − = 818.17 K
2 · cp 2 · 1 156.7
c5 228.9
Mac5 = √ =√ = 0.4096
κ· Ri · T5 1.33 · 287 · 818.17
√
Tt5 1 Ri " κ −1
# 1 · κ +1
2 2 κ −1
A5 = (ṁI + ṁB − ṁZ ) · · · · 1 + 2 · Mac5
pt5 Mac5 κ
√
840.82 1 287
A5 = (75.5 + 1.065) · · · · [1 + 0.165·0.16777]3.53030303
1.335154 · 10 0.4096
5
1.33
A5 = 0.6567055 m2
Der geometrische Aufbau von Hoch- und Niederdruckturbine soll ähnlich der Turbine
in Abb. 12.6 sein. Im jeweiligen Mittenschnitt gilt rMHDT = 0.285 m und rMNDT = 0.375 m.
Von der jeweiligen Verdichtervorauslegung sollen die nach folgenden Drehzahlen be-
kannt sein: nHDT = 14 240 min−1 , nNDT = 5 093 min−1 . Mit diesen Angaben sind sowohl
die Stufenanzahlen von Hoch- und Niederdruckturbine festzulegen als auch deren
jeweilige Enthalpiekenngrößen im Mittenschnitt.
Hochdruckturbine (HDT)
2 · π · nHDT π · 14 240
ωHDT = = = 1 491.21 s−1
60 30
uMHDT = rMHDT · ωHDT = 0.285 · 1 491.21 = 425 m/s
1 κ−1
cp · Tt2 ηNDV · κ
1 κ−1
ηV · κ
wHDT = htHDT = · πNDV − πV
ηmech
1 κ −1 1 0.4
· = · = 0.310559
ηNDV κ 0.92 1.4
1 004.5 · 291.6 0.310559
wHDT = htHDT = · 2.5 − πV0.3442341 = −555 294.9516 W/(kg/s)
0.99
Die Hochdruckturbine soll NHDT = 2 Stufen erhalten
htHDT −555 294.9516
ψ̄hHDT = = = −1.53715
2
uM HDT
· N HDT 4252 · 2
ψ̄hHDT = über alle Stufen gemittelte Enthalpiekenngröße: Mittenschnitt
Hochdruckturbine
Niederdruckturbine(NDT)
2 · π · nNDT π · 5 093
ωNDT = = = 533.34 s−1
60 30
1264 12 Turbine
Für die erste Stufe der Hochdruckturbine, die drallfrei (α0 = 90◦ ) mit c4 = 305.2 m/s an-
geströmt wird gilt ϕ = c4 /uM = 305.2/425 = 0.718. Der Reaktionsgrad im Mittenschnitt
der ersten Stufe wird zu ρh = 0.25 gewählt. Die Enthalpiekenngröße der ersten Stu-
fe wird zu ψhj=1 = − 1.813 festgelegt und die der zweiten Stufe zu ψhj=2 =− 1.2613,
sodass sich $ der $ zuvor
$ berechnete
$ Mittelwert der Hochdruckturbine ergibt
ψ̄hHDT = −($ψhj=1 $ + $ψhj=2 $)/2 = −(1.813 + 1.2613)/2 = −1.53715. Es sind die
Strömungswinkel der ersten Stufe zu berechnen.
ϕ 0.718
K β1 = = = −1.0383225
ψh 0.25 − 0.9065
ρh +
2
ϕ 0.718
K β2 = = = +0.620839
ψh 0.25 + 0.9065
ρh −
2
ϕ 0.718
K α1 = = = +0.433444
ψh 1 − 0.25 + 0.9065
1 − ρh −
2
ϕ 0.718
Kα2 = = = −4.58786
ψh 1 − 0.25 − 0.9065
1 − ρh +
2
β1 = −arctan Kβ1 = −arctan (−1.0383225) = 46.080
β2 = 180◦ − arctan Kβ2 = 1800 − arctan (0.620839) = 148.170
α1 = arctan Kα1 = arctan (0.433444) = 23.40
α2 = 180◦ + arctan Kα2 = 1800 + arctan (−4.58786) = 102.30
Die aus diesen Winkeln resultierende Beschaufelung ist der in Abb. 4.45 rechts darge-
stellten sehr ähnlich, wie sich durch Nachmessen der Winkel leicht verifizieren lässt.
12.3 Auslegungsgesichtspunkte für Axialturbinen 1265
Aus Abb. 8.73 sind nun die Staffelungswinkel für Lauf- und Leitrad zu entnehmen.
Für Kraftbeiwerte nach Zweifel von CU = 1.1 für das Laufrad und C U = 0.8 für das
Leitrad können nun mittels Gln. (8.188) und (8.189) die Teilungsverhältnisse t/s von
Lauf- und Leitrad berechnet werden.
Laufrad
t CU sin βS 1.1
= · =
s 2 sin2 β2 · (cot β1 − cot β2 ) 2
◦
sin 108
· = 0.7306
sin 148.17 · (cot 46.08◦ − cot 148.17◦ )
2
Leitrad
t CU sin αS 0.8
= · =
s 2 sin2 α1 · (cot α0 − cot α1 ) 2
◦
sin 41
· = 0.72
sin 156.6 · (cot 90◦ − cot 156.6◦ )
2
Abb. 12.14 Dreidimensionale Ansicht einer 4-stufigen, gegenläufig drehenden Turbine (Counter
Rotating Turbine) mit Vorleitrad (IGV, Inlet Guide Vane) nach Paniagua et al. (2008)
w c2u − c1u 3 18 21
ψh = = =− − = − ≈ −2.5 (12.57)
uL2 uL 8 8 8
12.3 Auslegungsgesichtspunkte für Axialturbinen 1267
v2 c1 v1 c1 v2
v2 v1 c2
c2
uR uL
uL
c2 v2
c1 v1 c1 uL
c3
c0 uR uR c2
v1 c 1 uL v1
v1
uL
c1
Eintritts- Austritts-
leitrad (IGV) c2 leitrad (OGV)
c2
Beschleunigungs- Rotor 1 Rotor 2 Rotor 3 Rotor 4 Verzögerungs-
gitter gitter
Drehrichtungen
V2 uR
R v2 uR L R L R rechts herum
L links herum
12.4 Turbinenkennfeld
Bei der Darstellung des Verdichterkennfeldes in Kap. 10.4.2 sind bereits zwei wesentli-
che Kennfeldgrößen, der reduzierte Massenstrom und die reduzierte Drehzahl, abgeleitet
worden, die hier für die Turbine identisch übernommen werden können:
pref Tt 101 325 Tt
ṁred = ṁ · · = ṁ · · (12.61)
pt Tref pt 288.15
Tref 288.15
nred = n · =n· (12.62)
Tt Tt
Zur Darstellung des Turbinenkennfeldes wird eine weitere Größe benötigt, die reduzierte
spezifische Arbeit wred . Um diese Größe bestimmen zu können brauchen wir zusätzlich
zum reduzierten Massenstrom nach Gl. (12.61) auch noch die reduzierte Geschwindigkeit
cred und die reduzierte aerodynamische Kraft Fred . Dazu können wir auf dem Kap. 10.4.2
12.4 Turbinenkennfeld 1269
bei den Axialverdichtern aufbauen. Zwei Betriebspunkte einer Turbine sind nur dann
ähnlich und miteinander vergleichbar, wenn bei unterschiedlichen Eintrittsbedingungen
alle definierbaren Machzahlen innerhalb der Turbine jeweils für beide Betriebspunkte auch
identisch sind.
Um eine solche Kraft mit einer Machzahl in Verbindung zu bringen, wird auf einen
dimensionslosen Kraftbeiwert cF zurückgegriffen, so wie er z. B. als cA -Wert oder cW -Wert
aus der Aerodynamik in Form eines Auftriebs- oder Widerstandsbeiwertes bekannt ist,
vgl. hier z. B. Gl. (3.22).
F 2·F 2·F
cF = ρ 2 ⇒ c = A·ρ·c ⇒ Ma · κ · Ri · T = (12.69)
A· ·c F A · ρ · cF
2
Unter der Voraussetzung geometrischer Ähnlichkeit, d. h. A = AI = AII , so wie es auch
schon unterhalb der Gl. (10.111) für einen Verdichter beschrieben wurde, ergibt sich dann
aus den Gln. (12.68) und (12.69):
2·F
Ma =
A · ρ · c F · κ · Ri · T
FI FII
= (12.70)
ρI · c F I · T I ρII · cFII · TII
Mit der Gl. (18.244) werden die statischen Drücke nun jeweils in Totaldrücke und
Machzahlen gewandelt:
κ−1
κ
κ−1
κ
FI κ −1 FII κ −1
· 1+ · Ma2FI = · 1+ · Ma2FII (12.72)
p tI · c F I 2 pII · cFII 2
Da bei zwei unterschiedlichen Betriebsbedingungen (I) und (II) und bei gleichzeitig auch
noch gleichen Machzahlen MaFI = MaFII zudem auch alle dimensionslosen aerodynami-
schen Kraftbeiwerte cF gleich sind, cFI = cFII , ergibt sich aus Gl. (12.72) zusammen mit der
12.4 Turbinenkennfeld 1271
Gl. (12.68):
FI FII N ∧ pref pref
= = [m2 ] ⇒ FI · = FII ·
p tI p tI I Pa pt I ptII
pref 101 325
Fred := F · =F· [N] (12.73)
pt pt
Die Ausdrücke links und rechts des ersten Gleichungszeichens (oben links) werden per De-
finition als reduzierte aerodynamische Kraft F ref bezeichnet. Wie schon beim reduzierten
Massenstrom in Gl. (12.61), so wurde auch hier – zur Vermeidung der unhandlichen Di-
mension – eine Normierung mit pref = 101 325 Pa vorgenommen. Die Kraft F auf der
rechten Gleichungsseite (unten) wird als natürliche aerodynamische Kraft bezeichnet.
Der Totaldruck zur Bestimmung der reduzierten aerodynamischen Kraft ist derjenige
am jeweiligen Turbineneintritt, d. h. bei der Hochdruckturbinen (HDT) pt4 und bei der
Niederdruckturbine (NDT) pt4,5 .
1
v
u ≈
≈
Umfangs- Umfangs-
v1
v2
geschwindigkeit geschwindigkeit
c2
v2 ≈
c2
u
α1
−c 2u u
c2≈
c1≈
α1
v 1≈
c1
c2
+c 1u
c1
+c 1u
c1
+c 2u
u
w T = u ⋅ (c 2u − c 1u ) = −u ⋅ (c 2u + c1u ) w T = u ⋅ (c 2u − c 1u )
u→0 c 2u − c 1u → 0
wT → 0 wT → 0
Abb. 12.16 Prinzipielle Darstellung zur Änderung der Geschwindigkeitsdreiecke eines Turbinen-
laufrades von sehr kleinen zu sehr großen Umfangsgeschwindigkeiten bzw. Drehzahlen hin, wenn
die Größen c1 und α1 des vorgeschalteten Leitrades als konstant vorgegeben sind
werden kann. Die Totaltemperatur zur Bestimmung der reduzierten Arbeit ist diejenige
am jeweiligen Turbineneintritt, d. h. bei der Hochdruckturbinen (HDT) Tt4 und bei der
Niederdruckturbine (NDT) Tt4,5 .
Tre f
w T ,red = w T ⋅ ∼ ψh
Tt 4
Tt 4 p ref
mre d = m ⋅ ⋅ ∼ ϕ
Tre f p t 4
Tre f
nre d = n ⋅
Tt 4
Abb. 12.17 Prinzipieller Aufbau eines Turbinenkennfeldes, in dem der Betrag der reduzierten
spezifische Arbeit über der reduzierten Drehzahl aufgetragen ist. Parameter in der Darstellung ist
der reduzierte Massenstrom
Ausdruck c2u − c1u in der Eulerschen Hauptgleichung sehr große negative Werte anneh-
men, aber die abgegebene spezifische Arbeit − wT strebt wegen u → 0 ebenfalls gegen
null, − wT → 0. Nach Gl. (8.15) ist das Turbinen-Rotor-Drehmoment MR proportional
zu c2u − c1u und unabhängig von der Winkelgeschwindigkeit ω des Rotors, sodass das
Rotor-Drehmoment MR offensichtlich bei kleinen Drehzahlen n bzw. bei kleinen Um-
fangsgeschwindigkeiten u seine Maximalwerte aufweist. Eine Turbine zeichnet also große
Anfahr- oder Losreißmomente aus. Bei sehr großen Drehzahlen dagegen werden c2u und
c1u nahezu gleich groß, sodass die Differenz c2u − c1u , genau wie die spezifische Arbeit
− wT , gegen null strebt. Zwischen diesen beiden Nullpunkten für die spezifische Arbeit
ergeben sich spezifische Turbinenarbeitsbeträge |− wT |, die von null verschieden sind.
Von daher wird der Betrag der spezifischen Turbinenarbeit, wenn sie über der Umfangs-
geschwindigkeit bzw. der Drehzahl aufgetragen wird, den prinzipiellen Kurvenverlauf der
Abb. 12.17 aufweisen. Für den Betrag der spezifischen Turbinenarbeit gilt nach Gl. (8.115)
oder (8.116) aber auch:
Mit steigender Durchflusskenngröße ϕ, die dem Massenstrom durch die Turbine propor-
tional ist, wird |− wT | = |wT | also höhere Werte annehmen, was Abb. 12.17 ebenfalls ver-
deutlicht. Wie in Ähnlichkeitskennfeldern üblich, sind die natürlichen Größen der spezifi-
schen Arbeit wT , der Drehzahl n und des Massenstroms ṁ in Abb. 12.17 durch die jeweils
zugehörigen reduzierten Größen ersetzt worden. Mit zunehmendem Druckgefälle über
ein Turbinengitter wird dessen Abströmmachzahl zunehmen und schließlich in den Über-
schallbereich gelangen. Im letzteren Fall wird im engsten Querschnitt der Beschaufelung
die Schallgeschwindigkeit erreicht und das Gitter beginnt zu sperren, was bedeutet, dass
1274 12 Turbine
Ma 41
m re d
Ma 4
1
<
Ma 41 < 1 1.0
Ma e
re d Ma 41 = Ma∞ < 1
*
m kritische Machzahl
<
e max
der Zuströmung
Ma 4
(Sperrmachzahl)
engster Querschnitt
2
p t4
Mae = Ma* = 1.0
T t4
Mae = 1.0
0
pe = p *
41 0 Mae Ma 42
Ma 42 > 1
Abb. 12.18 Leitradbeschaufelung einer Turbine, in deren engsten Querschnitt die kritisch
Strömungszustand erreicht ist
dessen maximaler reduzierter Massendurchsatz ṁredmax erreicht ist. Abbildung 12.18 ver-
deutlicht diese Verhältnisse grafisch (vgl. hierzu auch Kap. 18.9.6). In Beispiel 18.3 des Kap.
18.8 wurde darüber hinaus gezeigt, dass für einen kritisch durchströmten (Mae = 1.0) eng-
sten Querschnitt Ae für den natürlichen Massenstrom der folgende Zusammenhang gilt:
κ
2 κ −1
pt4 ·
κ +1
ṁ = κ · Ae · für Mae = 1im ersten (adiabaten)
2 · κ · Ri
· Tt4 Leit- oder Laufrad (reversibel) (12.78)
κ + 1
Also selbst wenn im engsten Querschnitt einer Turbinenbeschaufelung Mae = 1.0 vorliegt,
kann der natürliche Massenstrom ṁ weiter erhöht werden, wenn nämlich vor dem engsten
Querschnitt Ae der Totaldruck pt4 erhöht und/oder die Totaltemperatur Tt4 abgesenkt
wird. Erst wenn aus Gl. (12.78) der reduzierte Massenstrom:
κ
2 κ −1
√
Tt4
κ +1
ṁred := ṁ = κ Ae = const · Ae = ṁredmax für Mae = 1 (12.79)
pt4 2 · κ · Ri
κ + 1
gebildet wird, ergibt sich ein konstanter Massenstrom, nämlich der reduzierte! Damit
ergibt sich im Turbinenkennfeld eine Grenzkurve des reduzierten Massenstroms, welche
die sog. Durchsatzgrenze einer Turbine markiert, Abb. 12.19.
12.4 Turbinenkennfeld 1275
m red
ured
Die Durchsatzgrenze wird gewöhnlich zuerst im Leitrad erreicht. Bei weiterer Ände-
rung des Turbinendruckgefälles (bei nun konstantem Massenstrom) kommt es hinter dem
Leitrad zu einer so genannten freien Nachexpansion der Überschallabströmung, wobei
die Abströmung weiter zur Axialrichtung hin umgelenkt wird (Abb. 8.38), die absolu-
te Abströmgeschwindigkeit c1 zunimmt und der relative Zuströmwinkel zum Laufrad β1
größer wird. Abbildung 12.20 zeigt, dass dadurch die Drallkomponente c1u der Laufrad-
zuströmung ansteigt und damit nach der Eulerschen Hauptgleichung |wT | = u · |c2u − c1u |
auch der Betrag der spezifischen Turbinenarbeit. Wird danach auch im Laufrad das kri-
tische Druckverhältnis überschritten, so findet auch in der Laufradabströmung eine freie
Nachexpansion statt, die den Abströmwinkel β2 verkleinert (vgl. hierzu auch den Ab-
strömwinkelverlauf in Abb. 12.10) und damit den Betrag der negativen Drallkomponente
|− c2u | vergrößert. Nach der Eulerschen Hauptgleichung |wT | = u · |− c2u − c1u | nimmt
damit der Betrag der spezifischen Turbinenarbeit noch weiter zu. Bei einem maximalen
reduzierten Massendurchsatz durch eine Turbine ist also dennoch eine weitere Steigerung
der Leistung |PT | = ṁ · |wT | infolge der Nachexpansionen hinter Leit- und Laufrad mög-
lich, weil damit und dadurch eine Vergrößerung des Betrages der spezifischen Arbeit |wT |
einhergeht. Wegen:
v1 Überschall v2 A
2 >
v1 Unterschall A
c 1u,Unterschall v2 e
u1
c1 Mav2 > 1
c 1u,Überschall Δβ2
u1
Ae c1
v2
α1 Δα 1 β2
v2
Δβ2
max
Überschall u2
−v 2u
v2
c1
u2
c2
−c 2u
Ae c 2ax
c2
Unterschall
Abb. 12.20 Veränderung bei den Zu- und Abströmdreiecken, wenn die Abströmungsgeschwin-
digkeiten aus Leit- und Laufrad in den Überschall wechseln
Dur
m red
ured
und derselbe reduzierte Massenstrom, da ja mit dem Erreichen der Durchsatzgrenze das
Turbinengitter sperrt.
Wie auch schon beim Verdichterkennfeld, so werden auch in das Turbinenkenn-
feld zusätzlich die Linien konstanten isentropen Wirkungsgrades mit eingezeichnet.
Ein vollständiges Kennfeld, das die Darstellungen in den Abb. 12.17, 12.19 und 12.21
zusammenfasst, zeigt Abb. 12.22. Eine andere, häufig benutzte Darstellung eines Turbi-
nenkennfeldes, die einem Verdichterkennfeldaufbau sehr ähnlich ist, zeigt Abb. 12.23, in
dem die reduzierte spezifische Turbinenarbeit über dem Produkt aus reduziertem Massen-
strom und reduzierter Drehzahl aufgetragen ist. Hauptparameter in dieser Darstellung ist
12.4 Turbinenkennfeld 1277
1.6
w Tre d
w Tre d
AP
ze m
ren = 1.0
sg
tu n g m AP
is
Le
e
1.2 renz
h s atzg err t
c p
Dur itrad s
Le m
= 0.995
98 m AP
AP 0.
1.0 = 0.99
8
η Ts
0.8
5
0.8
0.98
90
0.
75
=
0.
80
=
η Ts
0.
0.8 0.96
s
ηT
0
0.9
9
8
0.8
0.8
0.93
0.90
0.4 0.85
0.80
nre d
0.6 0.8 1.0 1.2 1.4
nre d AP
die dimensionslose reduzierte Drehzahl nred /nredAP . Würde die Auftragung lediglich über
dem reduzierten Massenstrom erfolgen, so würden die Linien dieser dimensionslosen re-
duzierten Drehzahlen, dort wo sie beginnen senkrecht zu verlaufen, sehr eng zusammen
oder gar aufeinander fallen. Um hier eine Spreizung der Kurven zu erreichen, erfolgt längs
der Abszisse die zusätzliche Multiplikation mit der reduzierten Drehzahl.
1278 12 Turbine
1.33
w Tred 1.0
w Tred
0.9 ηTs 1.1 1.2
AP 0.8 0.855 1.3
1.14 0.85 0.34
1.00 0.7 0.84
AP 0.83 0.82
0.95
nred 0.3
= 0.6 0.80 0.77
nred AP
0.76 ηTs=0.8
A=0.25
0.5
0.72
0.57
0.4 A=0.19
0.67
0.38 0.57
0.3 A=0.15
ηTs=0.47
0.19 0.2 0.37
κ −1
A=0.1
A = 1− (pt 5 pt 4 ) κ
A=0.05
0
0 0.25 0.50 0.75 1.00 m red ⋅ nred 1.25
(mred ⋅ nred )AP
Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass in einer Turbine das Sperren sowohl im eng-
sten Querschnitt des Leitrades als auch im engsten Querschnitt des Laufrades auftreten
kann, was von der Schaufelgeometrie und dem jeweiligen Betriebspunkt der Turbine ab-
hängt. Leit- und Laufrad können unter Umständen auch beide gemeinsam im Sperrzustand
sein. Wenn das Leitrad mit steigender spezifischer Turbinenarbeit sperrt (senkrechter Ver-
lauf der Drehzahlkurven über dem reduzierten Massenstrom), dann zeigt sich typischer
Weise die in Abb. 12.23 dargestellte Charakteristik, dass nämlich der reduzierte Massen-
strom nahezu unabhängig von der reduzierten Drehzahl ist (Wie zuvor erwähnt, sind
in Abb. 12.23 die Drehzahlkurven „künstlich“ gespreizt worden). Der reduzierte Massen-
strom, der im Sperrzustand erreicht wird, wird manchmal auch als „Kapazität“ der Turbine
bezeichnet und steht in direktem Zusammenhang zum wirksamen, engsten Strömungs-
querschnitt der Turbine. Würde dagegen das Laufrad sperren, so ändert sich der reduzierte
Massenstrom mit der reduzierten Drehzahl sehr wohl, da jede Drehzahländerung sowohl
den Totaldruck als auch die Totaltemperatur verändert. Hierdurch ändert sich mit der
Drehzahl dann schließlich die dimensionslose Stromdichte
nach Gl. (18.261) und damit
auch der Massenstrom durch die Turbine. Eine Änderung des Schluckvermögens einer
Axialturbine könnte im Betrieb über eine Verstellung des Turbinenleitapparates und/oder
durch eine Veränderung des engsten Turbinenquerschnittes erreicht werden. Von die-
ser Möglichkeit wurde bisher aber aufgrund der hohen Temperaturen, insbesondere in
der Hochdruckturbine, kein Gebrauch gemacht. Bei Niederdruckturbinen wurden gab
12.4 Turbinenkennfeld 1279
0.5 0.5
Für die in den Kennfeldern aus Abb. 12.22 und 12.23 mit eingetragenen isentropen Tur-
binenwirkungsgrade ηTs ist bei den Turbinen eine weitere Darstellungsart üblich, das so
genannte Smith-Diagramm. Hierbei handelt es sich ursprünglich um eine Zusammenstel-
lung zahlreicher experimenteller Daten von Smith (1965), die er in einem ψh -ϕ-Diagramm
aufgetragen und durch Linien konstanten isentropen Turbinenwirkungsgrades ergänzt
hat. Später ist dieselbe Art der Auswertung und Auftragung auch von Kacker und Oka-
puu (1982)3 benutzt und dann von zahlreichen Autoren (zuletzt von Lakshminarayana
1996) immer wieder zitiert worden. Abbildung 12.25 zeigt das ursprüngliche Diagramm
nach Smith (1965). Im Vergleich zu der Darstellung von Kacker und Okapuu (1982)
sind praktisch keine Unterschiede in den Ergebnissen zu finden. Die Resultate von
Smith (1965) beinhalten Daten von Turbinenstufen unterschiedlichen Reaktionsgrades
und unterschiedlichen Dralls in der Abströmung, wobei aber Stufen mit Reaktionsgraden
zwischen 20 und 30 % und drallfreier Zuströmung die Daten insgesamt dominieren.
Die Enthalpiekenngröße ψh beeinflusst das Druckgefälle pt5 /pt4 einer Turbinenstufe
und damit deren Wirkungsgrad, sodass der Wirkungsgrad mit steigender Stufenbela-
stung |ψh | schlechter wird. Höhere Massenströme bzw. höhere Durchflusskenngrößen ϕ
resultieren auch in einem stärkeren Druckgefälle pt5 /pt4 und damit in schlechteren Wir-
kungsgraden. Von daher verwundert es nicht, dass sich aus Abb. 12.25 erkennen lässt, dass
beste isentrope Turbinenwirkungsgrade nur bei relativ kleinen Enthalpie- und Durch-
flusskenngrößen zu erzielen sind. Bei der Entwicklung von Flugzeugtriebwerken liegt ein
wesentlicher Gesichtspunkt bei der Erzielung geringer Triebwerksgewichte, sodass große
Stufenbelastungen ψh , die zu weniger Stufen führen, trotz nicht optimaler Wirkungsgrade,
dennoch praktisch ausgeführt werden.
3
Systematische Auswertung von über 100 Datensätzen von 33 praktisch ausgeführten Turbinen.
12.5 Turbinenmaterialien 1281
−2.0
0.90
−1.5 0.91
0.92
−1.0 0.93
ηTs = 0.94
−0.5
cm
0.0 ϕ=
0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 1.2 u
12.5 Turbinenmaterialien
12.5.1 Turbineneintrittstemperatur
Der Turbineneintrittstemperatur Tt4 kommt ein wichtiger Gesichtspunkt zu, da ein An-
stieg von Tt4 das Turbinendruckgefälle bei unverändertem Verdichterdruckverhältnis
deutlich ansteigen lässt und damit auch die Leistungsabgabe der Turbine, vgl. hierzu auch
Abb. 7.4. Speziell bei Turbofantriebwerken wird dadurch die Leistungsabgabe der Nieder-
druckturbine angehoben, wodurch größere Bypassverhältnisse möglich werden (vgl. Kap.
7.5.1), die schließlich den spezifischen Brennstoffverbrauch eines Triebwerks senken.
Höchste absolute Turbineneintrittstemperaturen von ca. Tt4 ≈ 1 800 K werden prak-
tisch nur beim Start erreicht. Tabelle 12.1 zeigt für den Start, Steig- und Reiseflug eines
modernen Turbofantriebwerks die heute ansonsten üblichen Turbineneintrittstempera-
turen. Die Ausführungen in Kap. 7 haben gezeigt, dass für die Leistungsbetrachtung
eines Triebwerks aber nicht die absolute Größe von Tt4 maßgeblich ist, sondern das di-
mensionslose Verhältnis τλ = Tt4 /T0 . Die Tab. 12.1 zeigt nun, dass die Abnahme der
Umgebungstemperatur T0 mit der Flughöhe dieselbe Auswirkung auf die Leistungsbe-
trachtung eines Triebwerks hat wie eine Zunahme der Turbineneintrittstemperatur Tt4
am Boden. Praktisch schwankt das Temperaturverhältnis τ für alle Flugbedingungen nur
in einem relativ schmalen Band zwischen 6 < τ < 7. Gemäß Tab. 12.1 ist also das Trieb-
werk am Ende des Steigfluges leistungsmäßig den höchsten Belastungen ausgesetzt. Die
τ-Werte zwischen Start und Reiseflugbeginn unterscheiden sich nur um ca. 10 %, während
1282 12 Turbine
die Tt4 -Werte um mehr als 17 % voneinander abweichen, was einer Temperaturdifferenz
von immerhin 250 K entspricht.
Höhere Triebwerksleistungen bzw. höhere τλ -Werte verlangen zum einen moderne
Turbinenmaterialien, deren Schmelzpunkte heutzutage bei ca. 1 400 K liegen, und zum
anderen zusätzlich dazu effektive Verfahren zur Kühlung der Turbine mit vom Verdich-
ter abgezapfter Kühlluft. Abbildung 12.26 zeigt die Entwicklung der Turbinenmaterialien
im Laufe der Jahre. Parallel dazu ist für einige ausgewählte Triebwerke der Firma Rolls-
Royce die Entwicklung der Turbineneintrittstemperaturen aufgetragen worden, die im
Mittel – innerhalb des Zeitraums zwischen 1940 und 2000 – um ca. 12 K pro Jahr ange-
stiegen sind. Ein deutlicher Temperatursprung ist mit der Einführung der serienmäßigen
Schaufelkühlung ab etwa 19604 zu erkennen. Eine Fortsetzung dieser Tendenz gilt aber
als unsicher. Weitere Fortschritte sind nur dann zu erwarten, wenn grundsätzliche me-
tallurgische Neuerungen eingeführt werden können. Für Turbinenschaufeln kommen im
Wesentlichen Materialien auf der Basis von Nickellegierungen zum Einsatz5 . Die Vorteile
von Nickellegierungen sind:
4
Bereits für die frühen deutschen Strahltriebwerke BMW 002 (TL) und Daimler-Benz 007 (ZTL)
war eine Turbinenkühlung Anfang der 40-er Jahre erprobt und vorgesehen worden.
5
In Niederdruckturbinen sind auch Schaufeln aus Gamma-Titan-Aluminid (γ-TiAl) in der Ent-
wicklung. Solchermaßen fein gegossene NDT Laufschaufeln wurden z. B. von General Electric für
die Triebwerke GE90, GENX (Boeing 787) entwickelt und bereits 1996 im CF6-80C erprobt. Der
Vorteil liegt hier insbesondere in einer Reduktion der Bauteilgewichte von bis zu 40 %.
12.5 Turbinenmaterialien 1283
2300
ohne mit praktisch
Kühlung Kühlung mögliche Grenze
2100
Turbineneintrittstemperatur T t4 [K]
RB Keramik-
RB RB 21 materialien
1900 Tt4 21 211 1-52
1-5 -5 4
24 35- -G/H Trent
Material- -B E4
1700 4
schmelzbereich
1500 RB211-524-02
Conway Spey RB211-22C
1300 einkristalline
Gussegierungen
1100 gerichtet erstarrte
Dart Avon Knet- konventionelle Gusslegierungen
Derwent
Whittle W1 legierungen Gusslegierungen
1940 1950 1960 1970 1980 1990 Jahr 2010
6
Kriechen ist eine sich kontinuierlich entwickelnde, bleibende Dehnung von Materialien, die bei
hohen Temperaturen großen Belastungen ausgesetzt werden, und die schließlich zum Bruch des
Materials führt.
1284 12 Turbine
erstarrte
Gußlegie-
Betriebszeit
tEAB
EAB: Equi-Axed Blades
tDSB DSB: Directionally Solidified Blades
tSCB SCB: Single Crystal Blades
Abb. 12.27 Prinzipieller Vergleich der zulässigen Betriebszeiten von unterschiedlichen Turbinen-
materialien hinsichtlich des Kriechens (nach Unterlagen der MTU Aero Engines, München)
Zu diesen Werten gehört im Allgemeinen auch noch immer ein gewisser Zuschlag zur
Berücksichtigung sowohl der zyklisch-thermischen Belastungen des Triebwerks als auch
der Schwingungsbelastungen. Bei Turbinenscheiben gelten wegen der Gefährlichkeit
von Scheibenbrüchen wesentlich höhere Sicherheitsstandards. Typische Werte sind hier
0.1 . . . 0.13 % bleibende Dehnung. Die Lebensdauer von Turbinenbeschaufelungen wird
aber nicht nur durch Kriechen begrenzt, sondern zusätzlich auch noch durch Heißgas-
oxidation (Sulfidation) und thermische Ermüdung (vgl. hierzu die Ausführungen in Kap.
4.4.3.1). Turbinen moderner Strahltriebwerke erreichen heute Laufzeiten von mehr als
20.000 h.
Einen interessanten und ganz anderen Aspekt stellt die Abhängigkeit der Wartungs-
kosten eines Triebwerks von der Turbineneintrittstemperatur dar. Abbildung 12.28
verdeutlicht dies am Beispiel eines modernen Turbofantriebwerks. Bei einer Turbinen-
12.5 Turbinenmaterialien 1285
1.2 Wartungskosten
• DOC + 2%
1.1
1 400 1 500 Turbineneintritts-
1.0
1 600 1 700 temperatur T t4 in [K]
0.9 Referenzpunkt
0.8
20 25 30 35 Verdichter-
0.7
Verringerung an druckverhältnis πV
• Wartungskosten −23%
• DOC − 2%
Abb. 12.28 Abhängigkeit der Wartungskosten eines Triebwerks von der Turbineneintrittstempe-
ratur und dem Verdichterdruckverhältnis nach Beer (1989)
eintrittstemperatur von 1 600 K und einer Flugzykluslänge von 1.2 h pro Flug müssten
nach Beer (1989) für ein solches Triebwerk in ausgereiftem Zustand Wartungsmaterialko-
sten (Ersatzteilkosten) in Höhe von ca. US $ 70 pro Flugstunde veranschlagt werden. Bei
einem Flugzyklus von 3 h wären es allerdings nur noch US $ 38 pro Stunde. Wird die Turbi-
neneintrittstemperatur nun um 100 K erhöht, so steigen die Materialkosten und die damit
verbundenen triebwerksbedingten Wartungskosten um ca. 28 % an. Für ein zweimotori-
ges Flugzeug bedeutet dies eine Erhöhung der direkten Betriebskosten (DOC) von 2 %. Bei
einer Temperaturabsenkung von 100 K ist es in etwa umgekehrt. Dabei ist insbesondere zu
berücksichtigen, dass die Heißteile im betrachteten Beispiel für 81 % der Wartungskosten
verantwortlich sind. Der Verdichter und die Fangruppe zusammen dagegen aber nur mit
19 %.
7
Dieses Kapitel ist ein geringfügig gekürzter/bearbeiteter und damit diesem Buch angepasster Teil
aus dem Vorlesungsskript über Werkstoffkunde von Prof. Dr. L. Schwarz von der HAW Hamburg,
Department Fahrzeugtechnik und Flugzeugbau, den er freundlicher Weise bereits zum Abdrucken
in der 1. Auflage dieses Buches zur Verfügung gestellt hatte, wofür ich ihm sehr danke. In der 3.
Auflage des Buches war diese Fußnote leider „verlorengegangen“.
1286 12 Turbine
im Hinblick auf ihre hohen statischen und dynamischen Festigkeitswerte optimal für den
Temperaturbereich bis 1 000 K. Dabei wird besonderer Wert auf eine ausreichende Kurz-
zeitermüdungsfestigkeit (LCF Low Cycle Fatigue) gelegt, die ein entscheidendes Kriterium
für die Auslegung von Scheiben ist. Am meisten verwendet wird IN 718 (INCONEL Alloy
718), eine Legierung, aus der zahlreiche Teile der hinteren Hochdruckverdichterstufen
und der Turbine hergestellt werden. Hierbei handelt es sich um eine ausscheidungshärt-
bare Nickel-Chrom-Legierung mit wesentlichen Gehalten an Eisen, Niob und Molybdän,
in Verbindung mit geringeren Aluminium- und Titananteilen. IN 718 verbindet eine gute
Korrosionsbeständigkeit und eine hohe Festigkeit mit einer sehr guten Schweißbarkeit,
einschließlich einer Beständigkeit gegen Schweißrissigkeit.
Hochwarmfestere Scheibenlegierungen, wie z. B. WASPALOY oder UDIMET erfor-
dern reineres und homogeneres Vormaterial mit weniger Seigerungen (Entmischungen
einer Schmelze bei der Metallherstellung), was durch Optimierung der Schmelz- und
Schmiedeverfahren möglich wird. Hierbei ist WASPALOY eine ausscheidungsgehärtete
Nickelbasislegierung mit exzellenter Wärme- und Korrosionsresistenz, vor allem gegen
Oxidation. UDIMET ist eine Kobalt-Basislegierung mit guter Verformbarkeit, ausgezeich-
neter Festigkeit bei Temperaturen bis 1 089 K und guter Oxidationsfestigkeit bis 1.366 K.
Der hohe Chromgehalt zusammen mit kleinen Mengen von Lanthanum (La) bewirkt eine
äußerst zähe Schutzschicht. Die Legierung ist beständig gegen Aufschwefelung und hat
eine gute Verschleißfestigkeit.
Eine weitere Steigerung der Temperaturen und/oder Lebensdauern erfordert pulver-
metallurgische Scheibenlegierungen, die in den USA von Pratt & Whitney und General
Electric und in Europa von Rolls-Royce entwickelt wurden, und heute bereits für die
Serienproduktion genutzt werden.
Alle heute in der Turbine eingesetzten Lauf- und Leitschaufeln sind gegossen und
nicht geschmiedet. Bauteile mit komplizierter Geometrie, wie z. B. Leitkränze für Tur-
binen, werden integral gegossen und weisen ein polykristallines Gefüge auf. Optimale
Werkstoffeigenschaften werden dagegen durch gerichtete oder einkristalline Erstarrung
nach dem Bridgman-Verfahren erreicht, das in Kap. 12.5.2.4 beschrieben werden wir
d. Bei Einkristallschaufeln für die Hochdruckturbine liegt der Schwerpunkt derzeit auf
der Verbesserung der Maßhaltigkeit und des Kühlwirkungsgrades durch eine komplexere
Kühlkonfiguration im Inneren der Schaufeln. Im Laufe der letzten Jahrzehnte wur-
den Legierungen für spezielle Einsatztemperaturen entwickelt. IN 713 wird seit langem
verwendet, hauptsächlich für die Lauf- und Leitschaufeln der hinteren Niederdruck Tur-
binenstufen. IN 100 kann bei höheren Temperaturen eingesetzt werden (+ 30 ◦ C im
Vergleich zu IN 713) und zeichnet sich durch eine geringe Dichte aus. Die Tab. 12.2 zeigt ei-
ne Zusammenstellung heutiger Nickellegierungen, die für Turbinenschaufeln Verwendung
finden.
Bedeutsam für diese Werkstoffe werden zukünftig analytische Verfahren sein, die Vor-
hersagen über die Entstehung und Auswirkung von Werkstofffehlern auf die Werkstoffzu-
verlässigkeit möglich machen, insbesondere hinsichtlich der Entmischungen der Schmelze
1288 12 Turbine
Spannung in [N/mm2]
1500
Einsatzes von
Grenze der
Superlegierungen in
1200 Festigkeit
Turbinenscheiben und
Sc h
Turbinenschaufeln von
Flugzeugtriebwerken
eib
900
en
600
Grenze der
Sch
Wirtschaftlich-
auf
300 keit
eln
0
0 475 675 875 1 075 1 275 1 475
Temperatur in [K]
8
Nach Angaben der Leistritz Turbinentechnik GmbH, Remscheid.
1290 12 Turbine
• Mischkristallverfestigung,
• Verfestigung durch Teilchen,
• Behinderung des Korngrenzengleitens,
• Abbindung unerwünschter Begleitelemente.
Verfestigung durch Teilchen Die Elemente Aluminium (Al) und Titan (Ti) bil-
den γ -Ausscheidungen, die den Hauptteil an Warmfestigkeit durch den Mechanismus
9
Eine Halogenierung ist in der Chemie die Überführung eines Elementes oder einer Verbindung in
ein Halogenid, eine salzartig aufgebaute Verbindung mit einem Halogen, die unter Anderem auch
zur Oberflächenbeschichtung anorganischer und organischer Verbindungen genutzt werden kann.
10
Die Zähigkeitseigenschaften reiner Metalle hängen von der Anzahl der Gleitsysteme (Anzahl der
Gleitebenen x Anzahl der Gleitrichtungen) ihres Kristallgitters ab, wobei insbesondere kubische Git-
ter (z. B. γ -Fe, α-Fe) im Unterschied zu hexagonalen Gittern (z. B. Ti, Zn) wesentlich mehr primäre
Gleitsysteme und somit bessere Zähigkeitseigenschaften besitzen. Homogene Gefügezustände mit
Einlagerungs- oder Substitutionsmischkristalle weisen ebenfalls bessere Zähigkeitseigenschaften auf
als heterogene Gefügezustände.
12.5 Turbinenmaterialien 1291
γ -Phase:
Schmelze Ni-Cr-Al/Ti-Mischkristall mit
kubisch-flächenzentrierter Struktur
γ ′-Phase:
intermetallische Verbindung Ni3 (Al/Ti)
γ−Misch-
mit geordneter kubisch-flächen-
Temperatur
kristall
zentrierter Struktur
γ + γ′
γ′
Aluminium/Titan-Gehalt
Gußlegierungen
100% Knetlegierungen
Nickel-Chrom-Mischkristall
„Schneiden der Teilchen“ liefern. Abbildung 12.30 zeigt schematisch das Zustands-
schaubild eines Zweistoffsystems mit den Komponenten Nickel-Chrom-Mischkristall
(Ni-Cr-MK) und Aluminium/Titan (Al/Ti). Der Al/Ti-Gehalt der Nickel-Basislegierungen
ist so eingestellt, dass es bei der Abkühlung zur Ausscheidung der γ -Phase aus der γ-Phase
kommt. Da beide Phasen kubischflächenzentrierte Struktur mit nur geringer Abweichung
in der Gitterabmessung haben, werden die ausgeschiedenen γ -Teilchen kohärent in der
γ-Matrix eingelagert. Kohärente Teilchen mit innerer Ordnung bilden wegen ihres hohen
Schneidwiderstandes ein besonders wirkungsvolles Hindernis für wandernde Versetzun-
gen. Eine Besonderheit der γ -Teilchen besteht darin, dass mit zunehmender Temperatur
(bis ca. 1.075 K) der Schneidwiderstand der Teilchen zunimmt. Der Festigkeitsabfall der
Matrix wird dadurch zumindest ausgeglichen. Durch eine Wärmebehandlung können die
γ -Einlagerungen in besonders fein verteilter Form erzeugt werden:
• Knetlegierungen bis 45 %
• Gusslegierungen bis 60 %
1292 12 Turbine
MC + γ → M23 C6 + γ + γ
• unzulässige Anschmelzungen
• unzulässige Auflösung der γ -Phase
• starke Verzunderung/Korrosion.
0
0 475 675 875 1075 1275
Temperatur in[ K]
1000
σ B, 1000 NIMONIC 90
ϑ
500
⎡N/mm2 ⎤
⎣⎢ ⎦⎥
250
INCONEL MA6000
100
50
NIMONIC 105
25
NIMONIC 75
1
775 875 975 1 075 1 175 1 275 1 375
Temperatur in [K]
• Konventionelle Erstarrung. Das Gefüge besteht aus einer Vielzahl von rundlichen,
etwa gleich großen Kristalliten.
• Gerichtete Erstarrung. Das Gefüge besteht aus länglichen – relativ großen – sich in
Schaufellängsrichtung erstreckenden Kristalliten. Durch die verringerte Korngrenzflä-
che ist die Kriechfestigkeit erhöht. Die Korrosionsbeständigkeit und die Standfestigkeit
sind weiter verbessert.
• Erstarrung als Einkristall. Die Schaufel besteht aus einem einzigen Kristallit, ohne in-
nere Korngrenzflächen. Kriechfestigkeit, Korrosionsbeständigkeit und Standfestigkeit
sind noch weiter verbessert.
Erfolg versprechend sind Nickellegierungen mit (γ -γ )-Gefüge als Erstphase und Tantal-
Kohlenstoff (TaC)- oder Nickel-Niob (Ni3 Nb) als faserverstärkende Zweitphase.
11
In natürlicher Lage.
12
Percy Williams Bridgman (*1882 †1961) war ein U.S. amerikanischer Physiker. Bridgman er-
hielt 1946 den Physik-Nobelpreis für seine Arbeiten auf dem Gebiet der Hochdruck-Physik. Er ist
Miterfinder der Bridgman-Stockbarger-Methode zur Herstellung von Einkristallen (Kristallzucht).
1296 12 Turbine
Qzu
Heizzonen
flüssig
Baffles
Kristallselektor wandernde
Kühlplatte Erstarrungsfront
fest
Qab ca
Abb. 12.33 Zum Thema einkristalline Werkstoffe; oben Bridgman-Prozess zur Herstellung gerich-
tet erstarrter und einkristalliner Turbinenschaufeln, unten Turbinenschaufel und Gefüge aus einer
einkristallinen Nickellegierung. Bild mit freundlicher Genehmigung der MTU Aero Engines
dem Ofenraum und dem kalten unteren Teil der Apparatur erreicht. Die Formschale
steht auf einer wassergekühlten Kupferplatte, die mit genau einzuhaltender Geschwin-
digkeit ca (Abzugsgeschwindigkeit) abgesenkt wird. Auf diese Weise wird in Höhe des
Baffles eine annähernd eindimensionale Wärmeabfuhr durch Wärmeleitung nach unten
und ein nahezu ebene Erstarrungsfront zwischen der Flüssigtemperatur (Liquidus) und
der Festtemperatur (Solidus) erzeugt.
Das stängelkristalline Korngefüge wird nach dem Prinzip der Wachstumsauslese her-
gestellt. Dabei erstarrt zunächst eine dünne Schicht auf der Kupferplatte mit vielen
kugelförmigen (globular) und willkürlich orientierten Körnern. Die bevorzugte Ankei-
mung in [100]-Richtungen13 führen zu einem schnelleren Wachstum der zufällig in dieser
Richtung parallel zum Temperaturgradienten liegenden Dendriten14 und somit zu Stängel-
13
Hierbei handelt es sich um so genannte Miller’sche-Indizes, Abb. 12.34. Sie dienen in der
Kristallografie zur eindeutigen Bezeichnung von Ebenen und Richtungen in Kristallsystemen.
Die hier benutzte Schreibweise wurde im Jahr 1839 von William Hallowes Miller (∗ 1801 †1880)
vorgeschlagen.
14
Als Dendriten bezeichnet man in der Kristallografie strauchartige Kristallstrukturen. Dendriten
entstehen bei der Kristallisation einer übersättigten Gasphase oder Schmelze, wenn die Kristallstruk-
tur bevorzugte Wachstumsrichtungen aufweist. Ein Beispiel dafür ist die Schneeflocke. Nachdem
sich ein Kristallisationskeim gebildet hat, wachsen Strukturen entlang der sechs [100]-Richtungen
12.5 Turbinenmaterialien 1297
kristallen mit [001]-Ausrichtung im oberen Bereich des Starterblocks auf der Kupferplatte.
Dieses Wachstum setzt sich bei gesteuerter Abzugsgeschwindigkeit ca über die gesamte
Bauteillänge fort, und man erhält das kolumnare15 Korngefüge in Abb. 12.33.
In gerichtet und einkristallin erstarrten Turbinenschaufeln können grundsätzlich die
gleichen Materialfehler auftreten wie bei Bauteilen aus konventioneller Erstarrung, z. B.
Einschlüsse aus der Formschale und der Schlacke, Schrumpfungen (sog. Mikroporosität)
auf Grund unzureichender Speisung bei der Erstarrung, Risse und Maßabweichungen.
Zusätzlich können jedoch auch Kornstrukturfehler auftreten. Typische Fehler dieser Art
sind: äquiaxiale Fremdkörner und Freckles (Sommersprossen). Sie entstehen während der
Erstarrung durch Ankeimung an der Formschale, durch abgebrochene Dendritenarme14 ,
durch rekristallisierte Körner, die bei der Wärmebehandlung entstehen und durch so ge-
nannte Großwinkelkorngrenzen durch ungenügende Kornauslese oder durch Ankeimung
oberhalb vom Starter. Als Großwinkelkorngrenze wird der Grenzbereich bezeichnet, in
dem zufällig orientierte Kristallbereiche gegeneinanderstoßen und deren Orientierungs-
unterschied einen Winkel von 10◦ übersteigt. Eine solche Korngrenze kennzeichnet nicht
mehr nur eine Störung in einem Korn, sondern die Korngrenze zum Nachbarkristall.
Durch eine gerichtete Erstarrung werden Korngrenzen vermieden, die senkrecht zur
Wirkrichtung der Zentrifugalkraft verlaufen, da diese das Kriechverhalten nachteilig be-
der hexagonalen Gitterstruktur von Eis, also entlang der Basalebenen in einem Winkel von 60◦
zueinander. Die Wachstumsgeschwindigkeit entlang der Richtung [001] senkrecht zu den Basalebe-
nen ist gering. Sonst würde man keine flachen Schneeflocken beobachten, sondern lang gestreckte
Schneenadeln.
15
Das Charakteristikum eines kolumnaren Korngefüges ist die Ausbildung von Säulen gestapelter
scheibenförmiger Flüssigkristalle, so genannter Mesogene. Durch die parallele Aneinanderreihung
der Säulen wird senkrecht zu den Säulenlängsachsen eine zweidimensionale Packung bewirkt.
1298 12 Turbine
16
Die Solidustemperatur kennzeichnet die Temperatur einer Legierung, bei der und unterhalb der
die Substanz vollständig in fester Phase vorliegt.
12.5 Turbinenmaterialien 1299
12.5.2.5 Titan-Aluminid-Legierungen17
Eine der wichtigsten Forderungen der Triebwerksindustrie ist heutzutage die Gewicht-
seinsparung. Dazu sollen neue stabile und leichte Werkstoffe, wie Titan-Aluminide,
beitragen. Diese Legierungen sind nicht nur leicht, sondern weisen noch eine Reihe ande-
rer Eigenschaften auf, die sie für den Einsatz in Gasturbinen besonders interessant machen
– ein außergewöhnlich hoher Elastizitätsmodul, eine hohe Festigkeit und eine gute Bestän-
digkeit gegenüber Oxidation und Korrosion. Zudem sind sie bei Temperaturen von bis zu
1 025 K kriechfest. Diese seltene Kombination technologisch wichtiger Eigenschaften prä-
destinieren sie für einen Einsatz als Leichtbauwerkstoff in thermischen Turbomaschinen,
insbesondere dort, wo sich rotierende Bauteile wie Laufräder (Rotoren) in Hochtempera-
turzonen befinden, d. h., am Ende des Hochdruckverdichters und in den Turbinen. Wie
fast alle intermetallischen Verbindungen, so sind auch Titan-Aluminide sehr spröde. Da
es Ende der 1980er Jahre gelungen war, die Sprödigkeit von Nickel-Aluminiden technolo-
gisch zu überwinden, begann man die diesbezüglichen Forschungen auch auf das Gebiet
der Titan-Aluminide auszuweiten, die gegenüber Nickel-Aluminiden und auch gegenüber
herkömmlichen Hochtemperaturwerkstoffen eine viel geringere Dichte und damit ein ge-
ringeres Bauteilgewicht aufweisen. Leichtere Turbinenrotorschaufeln erzeugen geringere
Fliehkraftbelastungen, sodass die sie tragenden Scheiben auch leichter und kleiner gebaut
werden können.
Die ersten Forschungsarbeiten zeigten schnell, dass die Metallurgie der Titan-Aluminid-
Legierungen durch recht komplexe Beziehungen zwischen Zusammensetzung, Konstitu-
tion, Struktur, Mikrostruktur und insbesondere durch die Eigenschaft gekennzeichnet
ist, dass sich die Charakteristika der Titan-Aluminide in vielfältiger Weise für bestimm-
te Anwendungen optimieren lassen. Grundsätzlich müssen aufgrund der Sprödigkeit der
Titan-Aluminid-Legierungen bei der Legierungszusammensetzung und der Einstellung
der Mikrostruktur sehr enge Grenzen eingehalten werden, was aber zu Beginn unter dem
Gesichtspunkt akzeptabler Kosten nicht möglich war. Ursächlich dafür war, dass die me-
chanischen Eigenschaften der Legierungen sehr sensibel auf die Zusammensetzung und
die Prozessparameter reagierten. Die mit existierenden Schmelzöfen erreichbaren Tole-
ranz beim Aluminiumgehalt industrieller Primärgussblöcke liegt bei ± 0.7 Atomprozent18
(At. %), wobei aber schon Schwankungen von 0.5 Atomprozent zu völlig unterschiedli-
chen Gussgefügen in der schließlich gewünschten Legierung führten. Auch Variationen
der Prozesstemperaturen um nur 10 K können signifikante Gefügeänderungen und eine
daraus resultierende Versprödung zur Folge haben. Die Entwicklungsarbeiten mussten
sich deswegen in der Folgezeit auf „tolerantere“ Legierungen konzentrieren, auf eine bes-
17
Hierbei handelt es sich um genehmigte Auszüge aus dem Originaltext „Titanaluminid-
Legierungen auf dem Weg in die Anwendung“ von Dr. Michael Oehring. Ein Text, der im Rahmen
des Helmholtz-Programms „Funktionale Werkstoffsysteme“ am GKSS-Helmholtz-Zentrum für
Materialforschung in Geesthacht bei Hamburg entstanden ist.
18
Angabe für Legierungszusammensetzungen. Ist der Stoffmengenanteil einer Komponente an
einem Stoffgemisch, d. h. die relative Anzahl der Teilchen (Atome/Moleküle/Ionen) dieser
Komponente an der Gesamtteilchenzahl des Stoffgemisches.
1300 12 Turbine
12.5.2.6 Hochtemperaturkorrosion
Unter Hochtemperaturkorrosion wird ein beschleunigter Korrosionsangriff auf metalli-
sche Werkstoffe bei Temperaturen über 825 K verstanden. Die chemischen Reaktionen
laufen meist in oxidierender Atmosphäre ab. Gefährdet sind alle mit heißem Rauchgas be-
aufschlagten Metallflächen. Bei Strahltriebwerken sind dies insbesondere die aus Nickel-
oder Kobalt-Basislegierungen gefertigten Schaufeln des Turbinenteils, auf die sich auch die
weiteren Ausführungen beziehen. Unter dem Begriff Hochtemperaturkorrosion werden
die beiden Korrosionsformen Zundern und Heißgaskorrosion zusammengefasst.
Zundern Auf der Oberfläche metallischer Werkstoffe bilden sich als Reaktionsprodukte
mit dem Sauerstoff aus der Umgebung Metalloxide. Hat die sich bildende Oxidschicht
Poren oder Risse, können die Gasmoleküle bis zur Metalloberfläche gelangen, d. h., der
Oxidationsprozess schreitet ungebremst voran. Da außerdem mit steigender Temperatur
die Oxidationsgeschwindigkeit zunimmt, können sich bei hohen Temperaturen nicht mehr
tolerierbare Werkstoffverluste einstellen. Dieses erhebliche Oxidschichtwachstum wird als
Zundern bezeichnet.
Ist die sich bildende Oxidschicht jedoch dicht – d. h., riss- und porenfrei –, so kann
der Sauerstofftransport zur Metalloberfläche nur noch durch Diffusion erfolgen. Mit
zunehmender Oxidschichtdicke wird daher – auch bei hoher Temperatur – die Oxida-
tionsgeschwindigkeit immer weiter abnehmen. Wird sie bei Betriebstemperatur auf ein
vertretbar geringes Maß reduziert, liegt Zunderbeständigkeit vor.
Die Nickel- und Kobalt-Basislegierungen enthalten die Legierungselemente Chrom (Cr)
und/oder Aluminium (Al). Beide Legierungselemente bilden dichte Oxidschichten (Cr2 O3
bzw. Al2 O3 ), die den weiteren Oxidationsprozess auch bei hoher Temperatur drastisch
verlangsamen. Bei Temperaturen über 1 255 K kommt es allerdings zu einer weiteren
Oxidation des Cr2 O3 zu CrO3 , das im Heißgasstrom verdampft. Da die Schutzwirkung
der Cr2 O3 -Schicht damit aufgehoben ist, läuft der Oxidationsprozess beschleunigt weiter.
Oxidschichten aus Al2 O3 zeigen die zweite Oxidationsstufe des Cr2 O3 , nicht. Sie behalten
ihre Schutzwirkung bis zur heute üblichen Betriebstemperatur der Turbinenbeschaufelung.
Neuere Superlegierungen weisen reduzierte Chrom- und erhöhte Aluminiumgehal-
te auf. Dadurch werden einerseits höhere Festigkeiten erreicht, andererseits wird die
Zunderbeständigkeit im Hochtemperaturbereich verbessert.
19
Die Heißgaskorrosion wird hier nur vereinfacht dargestellt. Die Kenntnisse über die tatsächlich
ablaufenden, sehr komplexen Vorgänge sind zurzeit noch lückenhaft.
1302 12 Turbine
Coating
Laufrad 1.Stufe Hochdruckturbine
Leitrad
1.Stufe
Hoch-
druck-
turbine
sein. Die schädigenden Substanzen werden entweder durch das Triebwerk angesaugt (Be-
tonstaub, Sand, Abgase) oder sie gelangen über den Brennstoff (z. B. Schwefel) in den
Heißgasstrom.
Der Korrosionsprozess besteht darin, dass sich zunächst niedrig schmelzende eutek-
tische Systeme auf der Schaufeloberfläche bilden (z. B. Na2 SO4 –NaCl). Diese lösen als
schmelzflüssige Beläge die schützende Oxidschicht auf. Die nunmehr am Grundwerkstoff
angreifende Oxidation verläuft zum Teil sehr schnell. Es entsteht eine poröse Oxidschicht
in Art einer Schlacke. Parallel zur Oxidbildung reagiert das Legierungselement Chrom
(Cr) mit dem Schwefel (S) des angreifenden Sulfats zu Chromsulfid (CrS). Die Heiß-
gaskorrosion wird daher häufig auch als Sulfidation bezeichnet. Die Heißgaskorrosion
führt zum völligen und zum Teil schnell voranschreitenden Zerfressen des Werkstof-
fes. Kobalt-Basislegierungen sind wegen ihres erhöhten Chromgehalts beständiger gegen
Heißgaskorrosion als Nickel-Basislegierungen
gegen Heißgas-
gegen Zundern
Beständigkeit
Beständigkeit
korrosion
NiCrAlY CoCrAlY NiCrAlY CoCrAlY
Diffusions-
Zähigkeit
stabilität
NiCrAlY CoCrAlY NiCrAlY CoCrAlY
scheidung auf der Bauteiloberfläche häufig unter Wirkung physikalischer Effekte (z. B.
elektrische Spannung oder Ionisierung des Dampfes). Die aufgedampfte Schicht benö-
tigt für eine gute Bindung zum Grundwerkstoff nur eine schmale Diffusionszone. Als
Beschichtungsmaterial werden heute Legierungen vom Typ MCrA1Y verwendet. Hierin
steht M für Metall (Fe, Ni, Co) und Y für Yttrium. Besonders bewährt haben sich folgende
Legierungen:
• NiCrAlY
• CoCrA1Y
• NiCoCrA1Y
Es werden Schichtstärken bis 0.15 mm erreicht. Der Schichtaufbau ist mehrphasig. Die
metallreiche Matrix ist relativ duktil. Feindispers eingelagert ist eine aluminiumreiche
M-Aluminid-Phase, die Aluminium und Chrom zum Aufbau der dichten Oxidschicht
liefert. Der Yttriumzusatz von wenigen zehntel Prozent verbessert die Haftung der Oxid-
schicht. Eine weitere Verbesserung des Korrosionsverhaltens kann durch eine zusätzliche,
galvanisch abgeschiedene dünne Edelmetallschicht (z. B. Platin, Pt ca. 0.006 mm) er-
reicht werden. Abbildung 12.36 gibt einen Überblick über wesentliche Eigenschaften von
Overlay-Coatings in Abhängigkeit von ihrer Zusammensetzung.
12.6 Turbinenkühlung 1305
12.6 Turbinenkühlung
Die Turbinenkühlung erfolgt über das sog. interne Luftsystem eines Triebwerks, das
sind alles die Luftströme, die nicht direkt an der Schuberzeugung beteiligt sind. Neben
der Turbinenkühlung gehört hierzu die Luftversorgung des Flugzeuges, die Abdichtung
der Triebwerkslager durch Sperrluft, der Axialschubausgleich für die Lager, die aktive
Spaltkontrolle im Turbinenbereich, die Triebwerksenteisung und die Verhinderung des
Eindringens von Heißgas in Hohlräume der Turbinenscheiben. Je nach Triebwerk wer-
den bis zu 20 % der durch das Kerntriebwerk strömenden Luft für diese Zwecke aus dem
Verdichter abgezweigt. Der Verdichter erzeugt den notwendigen Druck zum Transport
der Kühlluft zur Turbine. Die Luft wird genau dort abgezweigt, wo der gerade notwendige
Druck für die jeweilige Aufgabe des internen Luftsystems im Verdichter erreicht ist, damit
– hinsichtlich der Optimierung der Leistungsverluste des Gesamttriebwerks – keine über-
schüssige Turbinenarbeit aufgewandt werden muss. Die Kühlluft wird nach Erledigung der
Kühlungsaufgabe mit dem höchstmöglichen Druck an der diesem Druck entsprechenden
Stelle des Triebwerks wieder dem Hauptstrom zugemischt, Abb. 12.43. Man geht davon
aus, dass Kühlluft, die in einem Leit- oder Laufradgitter zugemischt wurde, in dem axi-
al unmittelbar darauf folgenden Laufradgitter zur Bestimmung der Stufenleistung bereits
wieder mit herangezogen werden kann. Andere Teile der Kühlluft, die nicht dem Haupt-
strom wieder zugemischt werden, werden dem Sekundärstrom beigemischt oder über das
Belüftungssystem (Vent System, C-Ducts) des Triebwerks nach außen in die Umgebung
abgegeben. Wärmeleitung macht es erforderlich, nicht nur die Schaufeln, sondern auch
die Scheiben der Turbinen zu kühlen, Abb. 12.44.
Die Kühlluft für die Turbinen wird vom Verdichter geliefert. Die Entwicklungsten-
denz zu höheren Verdichterdruckverhältnissen hin lässt die Temperatur der zur Kühlung
verwendeten Luft damit auch immer höher werden, wodurch ihr Kühlpotenzial entspre-
chend geringer wird. Die einflussnehmenden Temperaturen können zu einem einzigen
Bewertungsparameter, der Kühleffektivität ηKE , zusammengefasst werden:
Tt4 − TWzul
ηKE = (12.81)
Tt4 − Tt3
Hierin ist Tt4 die Brennkammeraustrittstemperatur des Heißgases, die hier einmal mit
einem Höchstwert von Tt4 = 1 850 K geschätzt werden soll. Tt3 ist die Verdichteraustritt-
stemperatur, die mit Tt3 = 850 K angesetzt wird. Mit TWzui wird die höchste zulässige
Wandtemperatur der Beschaufelung beschreiben, der ein Zahlenwert von 1 250 K zuge-
ordnet werden soll. Mit diesen Werten ergibt sich eine Kühleffektivität von ηEK = 0.6.
Eine effektive Kühlung ist so zu optimieren, dass dieser Mindestwert von 60 % deut-
lich überschritten wird. Hierzu ist es erforderlich, die drei Haupteinflussparameter zu
betrachten
• die Wärmezufuhr vom Heißgas in die Schaufel, die durch die Wärmeübergangszahl
αHG geprägt ist
1306 12 Turbine
• die Wärmeabfuhr auf der Kühlluftseite, die durch die Kühllufttemperatur TKL,V , den
Kühlluftmassenstrom ṁKL und die Wärmeübergangszahl αKL geprägt ist
• die Wärmeleitung in der Schaufel, die durch die zulässige Materialtemperatur TWzui und
durch die zeitliche und örtliche Temperaturverteilung in der Schaufel geprägt ist
Die Abb. 12.37 und 12.38 illustrieren die zuvor genannten Kühlungstechniken. Die Kon-
vektionskühlung ist dabei sowohl die älteste als auch die einfachste Methode. Die Kühlluft
durchströmt die Schaufel von der Nabe zum Gehäuse hin, wird dabei innerhalb der Schau-
fel mehrfach zwischen Nabe und Gehäuse umgelenkt (Multi-Pass Circuit), und verlässt
schließlich die Schaufel wieder aus der Hinterkante oder aus der Blattspitze, Abb. 12.39.
Innerhalb der Schaufel wird so die Wärme vom Schaufelmaterial an die Kühlluft über-
tragen und von dieser nach außen abgeführt. Bei der Prallkühlung wird von innen, über
eine Vielzahl von kleinen Öffnungen, gezielt Kühlluft auf die innere Schaufeloberfläche
geblasen und so lokal die Schaufeltemperatur gesenkt. Eine andere Methode die Schaufel
selbst kühl zu halten ist ein Oberflächenüberzug (Coating) aus schlecht Wärme leitendem
Keramikmaterial, das eine Art thermische Barriere (Thermal Barrier Coating) darstellt.
Die bisher beschriebenen drei Verfahren der internen Kühlung sind nicht so effektiv
wie die Verfahren der externen Kühlung und deswegen auf Heißgastemperaturen bis 1 600
12.6 Turbinenkühlung 1307
Coating
luftgekühlte
Schaufelwandung
lokale Filmkühlung vollständige Filmkühlung Effusionskühlung
(Local Film Cooling) (Full-Coverage Film Cooling) (Transpiration C ooling)
Konvektions- Konvektions-
kühlung kühlung
Filmkühlung Filmkühlung
A C
Filmkühlung Filmkühlung
Prall-
kühlung interne, von innen
nach außen gerichtete
Radialströmung
Effusionskühlung D
B
Effusionskühlung
Konvektions- Mantelschicht aus
Prallkühlung
kühlung porösem Material
Laufradbeschaufelung Leitradbeschaufelung
Kühlluftaustritt
Kühllufteintritt
Filmkühlung
Kühlluftaustritt
Kühllufteintritt
Kühllufteintritt
Abb. 12.39 Position der Ein- und Austrittsöffnungen für Kühlluft bei Turbinenbeschaufelungen
rungen zu überziehen, was dann als vollständige Filmkühlung bezeichnet wird, Abb. 12.39
rechts. Von Schaufelreihe zu Schaufelreihe wird in der Turbine Strömungsenergie abge-
baut, wodurch die Heißgastemperatur abnimmt, sodass bereits in der zweiten Stufe eine
Hochdruckturbine vielfach nur noch eine lokale Filmkühlung mit wenigen Reihen an
Kühlluftbohrungen erforderlich ist, Abb. 12.39 Mitte. Die Kombination aus Konvektions-
und Filmkühlung wird für Heißgasströmungen mit Temperaturen zwischen 1 550 K . . .
1 800 K eingesetzt. Für Temperaturen oberhalb von 1 800 K ist die so genannte Effusi-
onskühlung gedacht, die bisher aber noch nicht aus der Konzeptphase herausgekommen
ist. Bei dieser Kühlungstechnik soll die Kühlluft über die gesamte Schaufeloberfläche aus
porösem oder gewebtem Material, das als Mantelschicht um die Schaufel herumplatziert
ist, sozusagen „herausquellen“. Da es keinen Werkstoff natürlicher Porosität gibt, der für
Turbinen geeignet wäre, müsste diese Porosität erst erzeugt oder gefertigt werden. Im Zu-
sammenhang mit der Effusionskühlung und allen Vorteilen, die sie zu bieten scheint, sollte
aber auch bedacht werden, dass dem praktischen Einsatz eine unbefriedigende Betriebs-
sicherheit entgegensteht, da es leicht zu Verstopfungen des porösen Materials kommen
kann.
Die Abb. 4.38 zeigt rechts eine keramisch beschichtete Turbinenschaufel, mittels der
der notwendige Kühlluftmassenstrom deutlich verringert werden kann. Solche Schutz-
schichten geringer Wärmeleitfähigkeit müssen mechanisch über eine Haftschicht mit der
Schaufel verbunden werden.
Die Abb. 12.40 zeigt den Schnitt durch eine aufwendig gekühlte Turbinenleitschaufel
direkt hinter der Brennkammer. Die Schaufel wird naben- und gehäuseseitig mit Kühlluft
versorgt. Infolge der mit Löchern versehenen seitlichen Prallbleche wird die Kühlluft in
eine Vielzahl von Kühlluftströmen hoher Geschwindigkeit aufgespalten, wodurch sich das
12.6 Turbinenkühlung 1309
Kühlluft- Prallblech
zufuhr
Rippen Hinterkantenausblasung
Inserts
Prallbohrungen
Filmausblasungen
Pin-Fins
Kühlluftzufuhr
Abb. 12.40 Darstellung zum Basiskühlkonzept der ersten Leitschaufel – direkt hinter der
Brennkammer – des Triebwerks GE CF6
Bei Laufradschaufeln sind aufgrund der großen Fliehkräfte konstruktive Lösungen auf
der Basis von Inserts, so wie sie bei Leitschaufeln Verwendung finden, nicht wirklich
realisierbar. Deswegen wird der konvektive Wärmeübergang hier durch Turbulenzverstär-
20
Die eigentliche Schaufel ist nach dem Gießen mehr oder weniger hohl. Die Einsätze (Inserts)
werden nachträglich eingebracht und an den naben- und gehäuseseitigen Schaufelseitenwänden
angeschweißt.
1310 12 Turbine
Leitrad Laufrad
2.31% 2.09%
1225 K
1280 K 1200 K 1200 K
0.73%
1200 K 1200 K
1420 K 1200 K
1255 K
0.65% 0.4% 0.26%
1420 K 1450 K an der Blattspitze
1225 K
1225 K
0.81% 1280 K
1255 K 1450 K 1365 K
1450 K 1450 K
gesamte
Kühlluftzufuhr über Kühlluftzufuhr über Kühlluftzufuhr zur
1.91%
Nabe 1.845% Nabe 2.75% Stufe 9.61%
Gehäuse 4.565%
Abb. 12.42 Temperatur- und Kühlluftmengen Verteilung der ersten Stufe einer modernen
Hochdruckturbine nach Thulin (1982)
Im Bereich der drei Hohlräume wird das Leitrad intern infolge Konvektions- und Prall-
kühlung gekühlt und extern durch Filmkühlung. Im hinteren Schaufelbereich wird eine
Kombination aus Konvektions- und Prallkühlung zur ausschließlichen internen Kühlung
verwendet. Von der Temperaturbelastung her ist der Nasenbereich des Leitrades beson-
ders kritisch, sodass hier besonders intensiv gekühlt wird und es so zu den niedrigsten
lokalen Materialtemperaturen kommt. Die Flächen an den Schaufelenden an Nabe und
Gehäuse werden durch eine Kombination aus Konvektions- und Prallkühlung – zusam-
men mit einer thermischen Schutzschicht (Coating) – gekühlt. Der Idealfall einer Kühlung
wäre es, wenn über die gesamte Schaufel eine einheitliche Temperaturverteilung erreicht
werden könnte, was schließlich die thermischen Verspannungen der Schaufeln und das
thermische Ermüden der Schaufelwerkstoffe minimieren würde.
Das Laufrad der ersten Turbinenstufe nach Abb. 12.42 sieht nur im Nasenbereich der
Schaufel eine Filmkühlung vor. Die restliche Kühlung erfolgt über Konvektion. Die Kühl-
luft tritt im Nabenbereich mit einem Druck von 1.66 · 105 Pa und einer Temperatur von
556 K in die Schaufel ein und verlässt sie an der Blattspitze und über die gesamte radiale
Erstreckung der Hinterkante. Die höchsten Schaufeltemperaturen treten im Bereich der
Vorderkante auf. Im Vergleich zu den Temperaturen am Leitradeintritt sind die Tem-
peraturen aber etwa 100 K niedriger. Im Bereich der Schaufelhinterkanten beträgt der
Temperaturunterschied 250 K.
Längs der Saug- und Druckseite der Laufradbeschaufelung sind keine Kühlluftbohrun-
gen angeordnet. Die Rotorbeschaufelung kommt mit 43 % der Kühlluftmenge aus, die
noch für das Leitrad gebraucht wurde, nämlich mit 2.75 %.
1312 12 Turbine
Hinterkante
1 300 K
Vorderkante
Start
lokale Schaufeltemperatur
Mittelteil
1 100 K
Leerlauf
900 K
Vorderkante
Hinterkante
Steg
700 K Mittelteil
Steg
500 K
300 K
10 100 1 000 8 000
Zeit in Sekunden für einen Auslegungszyklus
Über-Bord-NDV-Luft unterströmte
Deckscheiben
Vordrall-
düsen
durchströmte
Deckscheibe
HDV-Kühlluft
Sperrluft
HDV-Kühllufteinbringung
in den Heißgasstrom
NDV-
Kühl- Lager-
luft kammer
Abb. 12.44 Prinzipdarstellung der Scheiben- und Schaufelkühlung einer einstufigen Hoch-
druckturbine (mit Schaufelkühlung) mit anschließender zweistufiger Niederdruckturbine (ohne
Schaufelkühlung). (Basisbild mit freundlicher Genehmigung der Rolls-Royce plc)
c2
Ttabs = T + im stehenden Absolutsystem (Leitradaustritt) (12.82)
2 · cp
Hierin sind T die statische Temperatur und c die Absolutgeschwindigkeit vor dem Lauf-
rad. Im Relativsystem, das für das rotierende Laufrad maßgeblich ist, gilt ein analoger
Ausdruck zu Gl. (12.82), in dem aber nun anstelle der Absolutgeschwindigkeit c die Rela-
tivgeschwindigkeit v auftritt. Die statische Temperatur T ist in Absolut- und Relativsystem
generell identisch:
v2
Ttrel = T + im rotierenden Relativsystem (Laufradeintritt) (12.83)
2 · cp
Dass am Laufradeintritt bei Turbinen generell v < c gilt, kann z. B. aus den Geschwindig-
keitsdreiecken in den Abb. 8.26, 8.51 oder 8.55 entnommen werden. Aus den Gln. (12.82)
1314 12 Turbine
und (12.83) ergibt sich zusammen mit der Geometrie des Zuströmdreiecks aus Abb. 8.26:
c2 − v2 c2 − v1u 2
c2 − (c1u − u)2 u · (2 · c1u − u)
Ttabs − Ttrel = = 1u = 1u = (12.85)
2 · cp 2 · cp 2 · cp 2 · cp
Aus Gl. (8.111) ergibt sich für eine Normalstufe mit drallfreier Abströmung, d. h., mit
c2u = 0, der Ausdruck: c1u = 2 · u · (1 − ρhM ). Hierin ist ρhM der Stufenreaktionsgrad im
Schaufelmittenschnitt. Wird der vorhergehende Ausdruck nun in Gl. (12.85) eingesetzt,
so ergibt sich:
Aus der Kombination der Gln. (8.106) und (8.17) ergibt sich für eine Normalstufe mit
drallfreier Abströmung, d. h., mit c2u = 0, der Ausdruck: u · c1u = −ψhM · u2 . Hierin ist
ψhM die Stufenenthalpiekenngröße im Schaufelmittenschnitt. Wird der vorhergehende
Ausdruck nun in Gl. (12.85) eingesetzt, so ergibt sich:
ρhM = 0.25
200 ψhM = −1.5
ρhM = 0.5
100 ψhM = −1.0
0
0 100 200 300 400 500 uM [m/s]
Abb. 12.45 Einfluss des Reaktionsgrades und/oder der Enthalpiekenngröße im Mittenschnitt auf
die Absenkung der Heißgastemperatur beim Übergang vom Absolut- ins Relativsystem
Die Abb. 18.31 in Kap. 18.5 zeigt das idealisierte Temperaturprofil einer umströmten
Oberfläche. Direkt an der Wand erreicht die Wandtemperatur den Wert der Totaltempe-
ratur der Außenströmung, TWa ≈ Tt 21 . Dieses entspricht aber nicht der Erfahrung. Selbst
ohne direkten Wärmeaustausch q mit der umströmten Wand ist die Wandtemperatur TWa
einer umströmten Oberfläche immer geringer als die Totaltemperatur Tt . Der Unterschied
wird praktisch durch den sog. Recovery-Faktor r F erfasst. Aus Gl. (12.82) oder (12.83)
wird damit:
2
vlokal
TWa = Tlokal + rF · mit rF < 1 (12.89)
2 · cp
Hierin sind Tlokal die lokale statische Strömungstemperatur und vlokal die lokale Geschwin-
digkeit längs der umströmten Schaufeloberfläche. Für den Recovery-Faktor können nach
Schlichting (1982) oder Eckert und Drake (1972) in Abhängigkeit einer laminaren oder
turbulenten Grenzschicht die folgenden Ansätze getroffen werden:
√
rF = Pr für laminare Strömungen (12.90)
21
Nahe einer umströmten Wand kommt es aufgrund des Verlustes an kinetischer Energie durch
Reibung (an der Wand selbst gilt die Haftbedingung v =ν0) zu erheblichen Erwärmungen der Strö-
mungsgrenzschicht, speziell dann, wenn die Geschwindigkeiten der Außenströmung sehr hoch
sind, so wie es in Turbinen der Fall ist. Die Erwärmung beschränkt sich praktisch auf den Bereich
der vergleichsweise dünnen Strömungsgrenzschicht. Es bildet sich dadurch neben der genannten
Strömungsgrenzschicht eine so genannte Temperaturgrenzschicht aus. Zwischen diesen beiden
Grenzschichten kommt es zu ausgeprägten Wechselwirkungen, Schlichting (1982).
1316 12 Turbine
√
rF =
3
Pr für turbulente Strömungen (12.91)
κ −1
TWa = Tlokal · 1 + rF · · Ma2lokal adiabate Wandtemperatur (12.93)
2
TWa ist die lokale adiabate Wandtemperatur, Tlokal die lokale statische Temperatur der Strö-
mung und Malokal die jeweilige lokale Machzahl längs der umströmten Schaufeloberfläche.
Der Recovery-Faktor rF berücksichtigt, dass der eigentliche Vorgang der Temperaturzu-
nahme längs der Oberfläche eines umströmten adiabaten Körpers infolge von Reibung
(Dissipation) nicht wirklich vollständig adiabat erfolgt. Es kommt real zu einem Wärme-
austausch zwischen Körper uns Strömung. Das Ergebnis der Gl. (12.93), TWa , ist damit
dann das, was man theoretisch erwarten sollte, wenn es keinen Wärmeaustausch über die
Wand gäbe (adiabate Wand).
Bei einer Schaufel mit interner Kühlung wird die Temperatur innerhalb der Wandung
von außen nach innen abnehmen. Dabei wird Wärme vom extern strömenden Heißgas
infolge Wärmeleitung und Konvektion zur Wandung der Beschaufelung transportiert.
Innerhalb der Schaufelwandung kommt es anschließend zu einer Wärmeübertragung in-
folge von Wärmeleitung, die zu einem Temperaturgradienten zwischen außen und innen
führt. Die Wärme der Beschaufelung wird dann schließlich an die interne Kühlluft über-
tragen, diese dadurch aufgeheizt und mit der abfließenden Kühlluft schließlich von der
Schaufel wegtransportiert. Die vollständige physikalische Beschreibung und Berechnung
des Wärmeübergangs in Turbinenbeschaufelungen ist extrem komplex und in vielen Be-
reichen noch nicht vollständig verstanden. Eine auch nur näherungsweise Darstellung der
Verhältnisse würde den Umfang dieses Kapitels und auch den Inhalt dieses Buches bei
weitem überschreiten. Der dennoch an diesen Dingen interessierte Leser sei deswegen auf
die Darstellungen bei Lakshminarayana (1996) verwiesen. Um aber dennoch ein gewisses
Gefühl für die grundlegenden physikalischen Dinge vermitteln zu können, wird hier eine
12.6 Turbinenkühlung 1317
sehr einfache und auch nur begrenzt gültige Berechnung dargestellt. Es wird dazu eine
Schaufel mit Filmkühlung betrachtet. Den Wärmestrom, den dieser Kühlfilm aufnehmen
kann, berechnet sich zu:
Hierin sind ṁKL der Kühlluftmassenstrom und cpKL die spezifische Wärmekapazität der
Kühlluft. TKLout ist die Kühllufttemperatur nach dem Ausblasen aus der Schaufel und
TKLin die Kühllufttemperatur am unteren Eintritt in die Schaufel, so wie sie am Verdichter
abgezapft wurde. Der Wärmestrom, der vom Heißgas in die Schaufel fließt, berechnet sich
zu:
Diese Beziehung wird nun mit dem durch die Beschaufelung strömenden Heißgasmassen-
strom:
erweitert, wenn AHG die vom Gas durchströmte Querschnittsfläche, senkrecht zur
Heißgasgeschwindigkeit cHG , ist und ρHG die Dichte des Heißgases:
ṁKL α AS TWa − TW
= · · (12.98)
ṁHG ρHG · cHG cpKL · AHG TKLout − TKLin
In diesem Ausdruck ist Rex die lokale Reynoldszahl, die mit der örtlichen Lauflänge x
gebildet wird. cpHG ist die spezifische Wärmekapazität des Heißgases. Alle anderen Größen
in dieser Gleichung sind bereits weiter oben definiert worden. Des Weiteren wird nun der
adiabate Kühlungswirkungsgrad ηK eingeführt:
TtHG − TWa
ηK := (12.100)
TtHG − TKLout
1318 12 Turbine
0.6 Mb = 0.2 5
ηK Mb = 0.5
St ⋅ 103 Gl. 12.88
0.4
0.3 3
0.2 perforierter perforierter
2
0.1 Teil Teil
0 1
1 3 5 7 9 11 1 3 5 7 9 11
Re x ⋅ 10−5 Re x ⋅ 10−5
Abb. 12.46 Wirkungsgrad der reinen Filmkühlung und Stantonzahl für zwei Ausblaseparameter
Mb gemäß Gl. (12.103) in Abhängigkeit der lauflängenabhängigen Reynoldszahl Rex, für eine ebene
Platte mit 11 Reihen von Ausblasöffnungen – normal zur Schaufeloberfläche – im vorderen Plattenteil
(perforierter Teil). Lochabstand s/Lochdurchmesser d = s/d = 5. (Adaptiert von Eckert (1984))
Ohne Kühlung wird TtHG = TWa und damit der Wirkungsgrad ηK = 0. Direkt am Kühl-
luftaustritt aus der Schaufel wird TWa = TKLout und damit ηK = 1. Durch Umformen und
Erweitern mit TW ergibt sich aus Gl. (12.100):
Das Einsetzen dieser Gleichung und der Gl. (12.99) in die Gl. (12.98) ergibt schließlich
den folgenden Ausdruck für den auf den Heißgasmassenstrom bezogenen Kühlluftmas-
senstrom:
ṁKL St cp AS
= · HG · · [(TtHG − TW ) − ηK · (TtHG − TKLout )] (12.102)
ṁHG TKLout − TKLin cpKL AHG
Beispiel 12.2
Für St = 0.0025 und ηK = 0.25 ist nach Gl. (12.102) die erforderliche Kühlluftmenge,
bezogen auf den Heißgasmassenstrom, mit den nachfolgend angegebenen Daten zu
berechnen.
cpHG AS
· ≈ 10 als Erfahrungswert
cpKL AHG
Heigastemperatur TtHG = 1 600 K
Wandtemperatur der Schaufel TW = 1 200 K
12.6 Turbinenkühlung 1319
Anhand der Daten von tatsächlich ausgeführten Triebwerken würde sich nach Grieb (2004)
mit den im Beispiel verwendeten Temperaturen für eine einstufige Hochdruckturbine ein
relativer Kühlluftdurchsatz von ca. 12 % für Leit- und Laufrad zusammen ergeben. Für ein
Laufrad alleine würde sich auf der Basis derselben Daten ein relativer Kühlluftdurchsatz
von ca. 7 % ergeben, sodass dann auf das Leitrad alleine ca. 5 % entfallen würden, was
in gewisser Weise dem vorangegangenen Beispiel nahe kommt. Der zuvor genannte 7 %
Wert beinhaltet die Kühlluftmengen für die Schaufeln, die Scheibe, die Laufflächen und
für den Gehäuseteil über den Laufradschaufeln. Mit den Daten von Grieb (2004) kann der
gesamte prozentuale Kühlluftbedarf einer Hochdruckturbine (ein- und/oder zweistufig)
mittels der folgenden Gleichung vorgeschätzt werden:
ṁKL Tt + TKLin
≈ HG − 60 ± 1.5 % Ergebnis in % (12.104)
ṁHG HDTges 32
ṁKL Tt + TKLin
≈ HG − 27 ± 1% Ergebnis in % (12.105)
ṁHG HDTLaufrad 70
Die Abb. 12.47 zeigt die Auftragung des Kühlungswirkungsgrades ηK nach Fullagar (1974)
über einem – im Bild formelmäßig angegebenen – dimensionslosen Wärmetransportpara-
meter ϑm . Aus der Kombination der Gln. (12.96), (12.101) und (12.102) kann leicht gezeigt
werden, dass dieser Ausdruck dem Verhältnis aus Kühlluft- und Heißgasmassenstrom
proportional ist:
Damit kann Abb. 12.47 so interpretiert werden, dass dort der Kühlungswirkungsgrad über
dem Kühlluftmassenstrom, bezogen auf den Heißgasmassenstrom, aufgetragen ist. Bis et-
wa ϑm ≈ 1 zeigt sich mit steigender Kühlluftmasse eine stark zunehmende Verbesserung
in den Kühlungswirkungsgraden, die sich dann aber zunehmend abschwächt. Wie schon
Abb. 12.46 zeigt, geht die reine Filmkühlung kaum über Wirkungsgrade von 40 % hin-
aus. In der Kombination mit der Konvektionskühlung ergeben sich dann aber Bestwerte
um 70 % herum. Hierin liegt der Grund, warum diese Kombinationskühlung bevorzugt
Verwendung findet. Bis hin zu ϑm ≈ 1 sind die reine Konvektionskühlung und die reine
Filmkühlung hinsichtlich des Wirkungsgrades in etwa gleichwertig. Bei gleichem Wir-
kungsgrad (z. B. ηK = 0.4 = const) haben die Effusionskühlung und die Kombination aus
1320 12 Turbine
1.0
ηK
Effusionskühlung
0.8
Konvektions- und Film-
kühlung
0.6
Konvektionskühlung
0.4 Filmkühlung
0.2
0 m KL ⋅ cp
2.5 ϑm = α ⋅ A
KL
Abb. 12.47 Einfluss des Kühlluftmassenstroms auf den adiabaten Kühlungswirkungsgrad. (Adap-
tiert von Fullagar (1974))
Im Wesentlichen wird die Festigkeit von Turbinenschaufeln und -scheiben durch drei
Spannungszustände eingeschränkt:
0 .5
σZ 1.0
ρs ⋅ uG2 0.8
0 .4
0.6
0.4
0 .3
ASG
= 0.2 der für Turbinen typische
ASN Bereich an Nabenverhältnissen
0 .2
0 .1
0 .0 rG
ν=
0 .0 0 .2 0 .4 0 .6 0 .8 1 .0 rN
σZ uG2 A SG
= · 1+ · (1 − ν 2 ) (12.107)
ρS 4 A SN
war gezeigt worden, dass bei gegebenem Nabenverhältnis ν = rN /rG die zentrifugale Zug-
spannung σZ im Wesentlichen von der Dichte ρS des Schaufelmaterials und von der Um-
fangsgeschwindigkeit uG am Gehäuse beeinflusst wird. Über den Quotienten ASG /ASN
(= Schaufelquerschnitt AS am Gehäuse/Schaufelquerschnitt AS an der Nabe) können
Schaufelquerschnittsänderungen zwischen Nabe und Gehäuse berücksichtigt werden. Für
Laufradschaufeln gilt praktisch immer ASG /ASN ≤ 1. Bei prismatischen Schaufeln mit
ASG = ASN geht die Gl. (12.107) in die einfache Form (8.33) über. Eine Berücksich-
tigung des Schaufelquerschnittsverhältnisses ASG /ASN mindert also die auftretenden
Zugspannungen infolge der Zentrifugalbelastung. Da die Laufschaufeln von Turbinen
einer maximalen Zentripetalbeschleunigung in der Größenordnung von (105 . . . 106 ) · g
– bei zudem auch noch sehr hohen Temperaturen – ausgesetzt sind, beschränken ins-
besondere die zentrifugalen Zugspannungen die Leistungsmöglichkeiten einer Turbine
signifikant. Die Abb. 12.48 zeigt die Auswertung der Gl. (12.107). Der bereits erwähn-
te Einfluss des Schaufelquerschnittsverhältnisses wird dabei offensichtlich. Für die bei
Turbinen üblichen Nabenverhältnisse variiert die dimensionslose zentrifugale Zugspan-
nung zwischen Werten von etwa 0.4 . . . 0.1. Mit zunehmendem Nabenverhältnis geht der
Einfluss des Schaufelquerschnittsverhältnisses mehr und mehr zurück, was verständlich
1322 12 Turbine
uG 700 ASG
[m/s] 0.9 = 0.5
ASN
600
σ Z (TS ) = nach Gl. (12.109)
500 ρS = 8 000 kg/m3
0.8
400 0.7
0.6
300 ν = 0.5
200
100
0
1 100 1 200 TS [K] 1 300
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Schubdüse
13
Aufgabe der Schubdüse ist es, die Geschwindigkeit und damit den Austrittsimpulsstrom
des Heißgases vor dem Austritt aus dem Triebwerk hinsichtlich des gewünschten Schubes
zu steigern. Für große Schübe müssen deswegen die kinetische Energie des Abgasstrahles
und damit schließlich die Düsenaustrittsgeschwindigkeit vergleichsweise hoch ausfal-
len. Dieses wird durch Wandlung von Druckenergie in kinetische Energie erreicht, ein
Vorgang, der geläufiger Weise als Expansion bezeichnet wird. Dabei steuert das sog.
Düsendruckverhältnis (Druckänderung über die Düse) den Expansionsvorgang. Für ein
gegebenes Triebwerk wird zwischen Triebwerkseintritts- und Triebwerksaustrittsebene der
maximal mögliche Schub genau dann erreicht, wenn der statische Düsenaustrittsdruck p9
gleich dem Umgebungsdruck p0 ist. Man vergleiche hierzu die ergänzenden Ausführungen
in Kap. 5.2.3 über Strömungen durch konvergente Düsen.
Wichtig zum Verstehen von Schubdüsen, ihrer Wirkungsweise und ihrer Aufgaben ist
auch das Kap. 5.2.5, im dem ausführlich erläutert wird, dass eine Schubdüse, wenn man
die internen Triebwerkskräfte betrachtet, generell negativen Schub liefert, also Schub,
der entgegen der eigentlichen Hauptschubrichtung eines Triebwerks wirkt. Daraus wird
deutlich, dass der Sinn und Zweck einer Schubdüse ganz offensichtlich nicht die Erzeu-
gung von Schub sein kann, auch wenn deren Name dies impliziert. Primäre Aufgabe der
Schubdüse ist es vielmehr, das Druckniveau innerhalb des Triebwerks durch Begrenzung
des Massendurchsatzes aufrechtzuerhalten1 . Die Schubdüse ist von daher primär als ein
Regelorgan zu begreifen.
1
Vereinfachend kann man sich dazu als Analogie einen Autoreifen vorstellen, der zwei Löcher hat.
Will man durch das eine Loch den Reifen aufpumpen, so gelingt das nur, wenn das zweite Loch
so klein ist, dass nicht alle hineingepumpte Luft auch sofort wieder entweichen kann. Wären Ein-
und Austrittsloch gleich groß, so könnte man im Reifen keinen erhöhten Druck aufrechterhalten.
Ähnlich ist es auch beim Stahltriebwerk.
Reversermechanik
Sekundärdüse
Aus dem Triebwerk
herausragender
Austrittskonus oder
Zentralkörper
Primärdüse
Sekundärdüse
Schubumkehrer (Reverser)
Blocker Door ausgefahren
Schubumkehrer Umlenkgitter
Abb. 13.1 Beispiel für ein Turbofantriebwerk mit konvergenten Schubdüsen im Primär- und
Sekundärteil; oben mit eingefahrenem Reverser, unten mit ausgefahrenem Reverser
Die konvergenten Düsen fester Geometrie sind typisch für die subsonische Zivilfliegerei,
während die konvergent-divergenten Düsen variabler Geometrie typisch für militärische,
supersonisch fliegende Kampfflugzeuge mit Nachbrennertriebwerken sind. Auch die Con-
corde als supersonisch fliegendes Zivilflugzeug hatte verstellbare Schubdüsen. Neben den
Düsen mit Kreis- und Kreisringquerschnitten gibt es auch einzelne Sonderbauformen, bei
denen die Düsen rechteckig (Abb. 4.65), elliptisch, gezackt (Abb. 4.60 und 4.60a) oder
auch sternförmig (Abb. 15.17) sein können. Theoretisch können alle Formen vorkommen.
Eine Schubdüse muss nicht funktionsbedingterweise einen runden Querschnitt haben.
Die Kreisringform2 , die man heute sehr häufig bei zivilen Turbofantriebwerken antrifft,
führt zu kurzen Schubdüsen, die leicht sind und die ein geringer innerer und äußerer Rei-
bungswiderstand auszeichnet, Abb. 13.1, 1.24 oder Abb. 2.17. Ein reiner Kreisringstrahl
wäre hinter dem Triebwerk extrem instabil und würde von daher bereits in nur geringer
Entfernung hinter dem Triebwerk sehr schnell in eine geschlossene Kreisform übergehen.
Zwischen Kreisringquerschnitt und Kreisquerschnitt des Strahls würde sich ein verlu-
sterzeugendes Totwasser ausbilden. Um dies auszuschließen, wird der Totwasserbereich
2
Als Kreisring bezeichnet man die Fläche zwischen zwei konzentrischen Kreisen, d. h. zwischen
zwei Kreisen mit gemeinsamem Mittelpunkt.
13.1 Eigenschaften und Aufgaben 1327
durch einen Austrittskonus ersetzt, so wie es Abb. 13.1 für den Gasgenerator des dort dar-
gestellten Turbofantriebwerks zeigt. Dieser lässt den Kreisringstrahl möglichst verlustarm
in einen Kreisquerschnitt übergehen. Dasselbe gilt dann auch für den Kreisringstrahl des
Sekundärkreises, bei dem zum Teil der Primärstahl ähnlich wie ein Austrittskonus wirkt,
Abb. 2.17. Es gibt aber auch Schubdüsen, bei denen der Konus nicht aus dem Triebwerk
nach hinten herausragt, sondern nur dazu dient, den Kreisringquerschnitt des Turbinen-
austritts in einen Kreisquerschnitt der Schubdüse zu überführen, Abb. 4.54, 4.57 oder 4.41.
Der Austrittskonus muss so entworfen werden, dass er in einem weiten Betriebsbereich des
Triebwerks nicht zu signifikanten Strömungsablösungen neigt. Der halbe Neigungswinkel
des Konus liegt etwa zwischen 20 . . . 30◦ . Ist der Winkel zu groß, löst die Strömung ab und
ist der Winkel zu klein, werden Konus und Düse unnötig lang und schwer. Die Schubdü-
senlänge richtet sich aber nicht nur nach der Innenkontur sondern auch nach der Kontur
der äußeren Triebwerksverkleidung. Beim Entwurf einer Schubdüse liegen für gewöhnlich
die äußeren Triebwerksdurchmesser bereits fest und damit auch die Durchmesser am Dü-
seneintrittsbereich. Je kürzer die Düse ausfällt, umso größer wird dann auch der hintere
Neigungswinkel der Düsenaußenverkleidung werden. Zu große Neigungswinkel führen
auch hier zu Strömungsablösungen bei der Düsenaußenumströmung. Am gekrümmten
Übergang vom zylindrischen Triebwerksgehäuse in den Bereich der Düsenaußenkontur
liegt dort ein Unterdruck gegenüber dem Druck am Düsenaustritt vor. Bei verlustfreier
Strömung heben sich die Kräfte aus Unter- und Überdruck gerade auf, so wie es in Kap.
9.1.2.1 näher erklärt wurde3 . Bei Strömungsablösung am gekrümmten Übergang vom
zylindrischen Triebwerksgehäuse in den Bereich der Düsenaußenkontur tritt der Über-
druck am Düsenende nicht auf, sodass eine Sogkraft verbleibt, die den verfügbaren Schub
letztendlich verkleinert. Der hintere Neigungswinkel der äußeren Düsenkontur liegt im
Allgemeinen zwischen 15 . . . 25◦ .
Bei den frühen Turbojettriebwerken waren die Aerodynamik und die Konturgebung
der Schubdüse vergleichsweise einfach und konnte weitestgehend ohne Kenntnis der äu-
ßeren Düsenumströmung durchgeführt werden. Bei Turbofantriebwerken mit separaten
Düsen, so wie es z. B. Abb. 13.1 zeigt, stellt sich dies komplizierter dar, da hier die Dü-
senströmungen erheblich vom geometrischen Aufbau der Triebwerksgondel abhängt und
eine vermehrte Wechselwirkung mit der Außenströmung existiert. In diesem Zusammen-
hang ist auch ein wichtiges Augenmerk auf die innen liegende Kontur vor und hinter dem
Austritt der Sekundärdüse gelegt werden, also den Teil, der das Kerntriebwerk ummantelt.
Schubdüsen ziviler Triebwerke sind auch unter dem Gesichtspunkt der Strahllärmminde-
rung zu sehen, ein Aspekt, der ausführlicher im nachfolgenden Kap. 14 behandelt werden
wird. Turbofantriebwerke mit kurzem und langem Fanmantel, d. h., mit separaten Schub-
düsen und mit integraler Schubdüse, zeigt Abb. 4.57. Schubdüsen mit Mischer zeigen die
Abb. 4.58 und 4.59, und die Abb. 4.60 und 4.60a zeigen schließlich so genannte gezackte
Düse, Zickzack-Düse oder Chevron Nozzle.
3
D’Alembertsche Paradoxon: Der Druckwiderstand eines umströmten Körpers in reibungsfreier
Strömung wird zu null.
1328 13 Schubdüse
Aktuator
Nachbrenner
Düse in
konvergent-divergenter Form
Aktuator
Düse in rein konvergenter Form
Abb. 13.2 Beispiel für ein Nachbrennertriebwerk (EJ200) mit verstellbarer konvergent-divergenter
Schubdüse
Sekundärstrom
Aktuatoren
Abb. 13.3 Verstellbare Schubdüse (Irisdüse); oben General Dynamics F16 Fighting Falcon; unten
links rein konvergente Düsenstellung, unten rechts konvergent-divergente Düsenstellung
• wenn das Triebwerk in jeder Flughöhe und bei jeder Fluggeschwindigkeit die dazu
maximal zulässige Brennkammertemperatur und zugleich die höchste Drehzahl und
damit dann an den Grenzen seiner Leistungsfähigkeit den entsprechend höchsten Schub
entwickeln kann. Eine typische Anforderung militärischer Hochleistungsflugzeuge
(Kampfflugzeuge),
• damit das Triebwerk in jeder Flughöhe und bei jeder Fluggeschwindigkeit im gün-
stigsten Betriebsbereich des Verdichters und damit bei optimalem Verbrauch arbeiten
kann,
• damit Triebwerke mit der Möglichkeit der Nachverbrennung sowohl mit als auch ohne
diese Möglichkeit betrieben können.
Daraus ergeben sich – etwas kürzer gefasst – die drei wesentlichen Betriebs- oder
Regelaufgaben für verstellbare Schubdüsen:
Beim Verstellen der Schubdüse wird sowohl deren engster Querschnitt (Throat) A8
(Abb. 4.62) als auch deren Düsenaustrittsfläche A9 verändert. Die Größe des eng-
sten Querschnittes wird dabei durch die Randbedingungen des thermodynamischen
Triebwerkskreisprozesses mit und ohne Nachbrennerbetrieb bestimmt. Die Größe der
Düsenaustrittsfläche hängt von dem so genannten Düsendruckverhältnis, welches das
Verhältnis von Düsentotaldruck pt9 zu statischem Druck p9 am Düsenaustritt darstellt.
Im reibungsfreien Fall ist pt9 = pt5 = Totaldruck am Turbinenaustritt und der statische
Druck ist bei optimal eingestellter Schubdüse gleich dem Umgebungsdruck p9 = p0 . Das
Düsendruckverhältnis hängt damit sowohl vom Kreisprozess als auch vom Umgebungszu-
stand, d. h., von den Flugbedingungen, ab. Im Überschallflug mit Nachbrennerbetrieb ist
es auf Grund der thermischen Belastungen, der erforderlichen Kühlung und der Leckagen
zwischen den Verstellelementen aber praktisch nicht mehr möglich, eine wirklich optimale
Düsenaustrittsfläche zu realisieren.
Die Steigerung an konstruktiver Komplexität für verstellbare Schubdüsen zeigen die
Abb. 4.64 bis 4.66 an Beispielen von Düsen zur Schubvektorsteuerung. Die Düsen selbst
können zum Teil um 20◦ in jede Richtung – mit einer Verstellgeschwindigkeit von 0.6◦ pro
1330 13 Schubdüse
Abb. 13.4 Mechanik der Schubvektordüse für das Triebwerk EJ200 (Vectored Thrust Nozzle). Bilder
mit freundlicher Genehmigung der MTU Aero Engines
• Rechteckdüsen mit Schubablenkung nach oben und unten und mit Schubumkehr, Abb.
4.64 und 4.65
• Runddüsen mit Schubvektorisierung in allen Richtungen, mit und ohne Schubumkehr,
Abb. 4.66 und 13.4.
A Strömungswege
durch den Strahl
p8>p0
Mach-Scheibe
Stoß-Triple-Punkt
Verdünnungswellen p0
(Expansionsfächer) Verdichtungsstöße
p8>p0
A8 p < p0
B p > p0
8
Ma8=Ma*=1 9
A9
Ma9 Verdünnungswellen
9 (Expansionsfächer) p0 Verdichtungsstöße
8
p8>p9
p9 < p0
9
Strahlgrenze
8
p9 < p0
A9 Mach-Scheibe Stoß-Triple-Punkt
Abb. 13.5 Mögliche Formen der Düsenstrahlen von Schubdüsen mit fester Kontur bei Betriebs-
zuständen außerhalb des Auslegungspunktes; oben A und B unterexpandierende konvergente
Schubdüse mit und ohne Mach-Scheibe, unten
C und
D überexpandierende konvergent/divergente
Schubdüse ohne und mit Machscheibe
Umgebungsdruck p0 . Praktisch lässt sich dies aber eher selten bis gar nicht erreichen.
Liegt der Druck p8 oberhalb des Umgebungsdruckes p0 (konvergente Düse, Abb. 13.5 A
und )B und ist im engsten Düsenquerschnitt die Schallgeschwindigkeit erreicht, so ist
die Schubdüsenaustrittsfläche A8 zu klein, um eine vollständige Expansion des Heißgases
zuzulassen. Es kommt dann in der freien Abströmung hinter der Düse zu einer quasi
selbstständigen Erweiterung des Abgasstrahls, der sich die erforderliche Querschnittsflä-
1332 13 Schubdüse
che praktisch „selbst bereitstellt“. Dieser Vorgang wird als Unterexpansion bezeichnet,
da der Heißgasstrahl nicht soweit in der Düse expandiert, wie er eigentlich könnte, d. h.,
die Expansion der Strömung bleibt in der Düse unter dem ihr innewohnenden Expansi-
onspotenzial. Wegen des höheren Druckes im Strahl, gegenüber dem Umgebungsdruck
p0 , wird der Strahl nach außen, von der Axialrichtung weggedrückt. Dadurch entsteht
am Düsenrand eine konvexe Eckenströmung mit Überschallgeschwindigkeit (vgl. Abb.
3.19 rechts), die zu Prandtl-Meyer-Expansionsfächern führt. Vom Düsenrand aus laufen
deswegen sich kreuzende Verdünnungswellen (Expansionsfächer, vgl. auch Kap. 18.6) ins
Strömungsfeld, die am Strahlrand, wo der jeweils lokale Druck p im Strahl gleich dem
Umgebungsdruck ist, p = p0 , als schräge Verdichtungsstöße reflektiert werden und ihrer-
seits wieder – weiter stromab – Verdünnungswellen produzieren. Diese periodische Folge
von Expansions- und Kompressionsvorgängen, mit den zugehörigen Druckschwankun-
gen im Strahl, ist ursächlich für die Formgebung der äußeren Kontur (Strahlgrenze) des
Düsenstrahls, in dessen Kern lokal statische Drücke p auftreten, die kleiner oder größer
als der Umgebungsdruck p0 sind. Im Bereich der Orte, wo die Strömung im eingezogenen
Strahl (Strahl-Taille) die Richtung wechselt, nimmt sie lokal einen horizontalen Verlauf
an, längs dessen sich ein senkrechter Verdichtungsstoß ausbilden kann. Diesen Stoß kann
man als so genannte Mach-Scheibe im Strahl sehr gut identifizieren. Die Abb. 13.6 ver-
deutlicht dies dadurch, dass der eingeschaltete Nachbrenner den Düsenstrahl hinter dem
Triebwerk sehr schön anleuchtet und so die verschiedenen Dichteänderungen im Strahl
sichtbar werden lässt. Hinzu kommt, dass über den senkrechten Stoß der Mach-Scheibe
die statische Temperatur im Strahl sprungartig ansteigt und dadurch noch im Strahl ver-
bliebene Brennstoffreste entzündet, die dann so die Mach-Scheibe als glühendes Objekt
im Strahl erscheinen lassen. Durch Vermischung mit der Umgebungsluft werden die pe-
13.1 Eigenschaften und Aufgaben 1333
4
Von der Warte einer Unterschallströmung aus betrachtet, hat ein Überschalldiffusor die Form
einer subsonischen Düse, genauso wie eine Überschalldüse die Form eines subsonischen Diffusors
hat.
5
Hier sei auf die Beschreibung der Strömung durch eine Lavaldüse verwiesen, die in der gesamten
einschlägigen strömungsmechanischen Literatur ausführlich zu finden ist.
1334 13 Schubdüse
der sich insbesondere bei zweistrahligen Flugzeugen noch deutlich verkomplizieren kann.
Durch eine Irisdüse, so wie sie in Abb. 13.3 dargestellt ist, gelingt es, für einen wei-
ten Bereich von statischen Drücken p9 bzw. von Düsenaustrittsmachzahlen Ma9 , eine
jeweils optimale Düsenanpassung ohne wesentliche Unter- und Überexpansionen zu
gewährleisten und damit den Widerstand der Außenströmung zu minimieren.
Anhand der bisherigen Darstellungen und der Ausführungen in den diversen voran-
gehenden Kapiteln können zusammenfassend die folgenden Aufgaben für Schubdüsen
aufgelistet werden.
In den Abb. 3.27 und 5.12, in den Beispielen 5.2 und 5.3 und in Kap. 5.2.5 war ausführlich
gezeigt worden, dass eine Schubdüse – betrachtet man die inneren Kräfte – „negativen
Schub“ liefert. Daraus zeigte sich, dass die primäre Aufgabe einer Schubdüse nicht –
wie ihr Name impliziert – die Lieferung von Schub ist, sondern dass es vielmehr ihre
Aufgabe ist, das Druckniveau im Triebwerk durch eine Begrenzung des Massendurchsatzes
aufrechtzuerhalten. Sie ist damit eine Art von Regelorgan für das Triebwerk.
Die Schubdüsenaustrittsfläche A8 einer rein konvergenten Schubdüse bzw. die Fläche
A8 des engsten Querschnitts in einer konvergent-divergenten Schubdüse haben ganz er-
heblichen Einfluss auf das Leistungsverhalten eines Triebwerks bzw. seines Gasgenerators.
Im Folgenden werden diese Zusammenhänge formelmäßig erfasst und grafisch dargestellt
werden, um so die doch sehr weitgehende Bedeutung der Schubdüse für ein Triebwerk
herauszuarbeiten, die deutlich über eine simple Begrifflichkeit, wie „erzeugen eines schnel-
len Strahls“, hinausgeht. Der Vereinfachung wegen – und um das vorliegende Kapitel vom
Umfang her in Grenzen zu halten – wird die Betrachtung auf einen simplifizierten, ein-
13.2 Rückwirkung der Schubdüse auf die Triebwerksleistung 1335
Für den vom Verdichter angesaugten Massenstrom wird nun nach dem Machschen Ähn-
lichkeitsgesetz der reduzierte Massenstrom analog zu Gl. (10.117) eingeführt, der auf die
Totalgrößen am Verdichtereintritt 2 bezogen ist:
− 1 · κ +1
A4 pref Tt2 pt4 κ κ − 1 2 κ −1
ṁIred = · · ·√ · Mac4 · · 1+ · Ma2c4 (13.3)
1 + β pt2 Tref Tt4 Ri 2
Wie nachfolgend gezeigt, kann der Totaldruck pt4 am Turbineneintritt durch die Einlauf-
verluste πE , das Verdichterdruckverhältnis πV , den Brennkammerdruckverlust πBK , den
Umgebungsdruck p0 und die Flugmachzahl Mac0 beschrieben werden:
κ κ
pt2 pt3 pt4 κ − 1 κ −1
κ −1
pt4 = · · · p0 · 1 + · Mac0
2
= πE · πV · πBK · p0 · τ0 (13.4)
pt0 pt2 pt3 2
Hierin ist der Totaldruck pt0 durch die entsprechende Beziehung aus Tab. 18.8 ersetzt
worden. Die Größe τ0 entspricht der Gl. (6.1). Die Kombination der Gl. (13.4) und (13.3)
ergibt dann:
− 1 κ +1
κ p
ref T t2 A 4 Ma c4 κ κ − 1 2 κ −1
ṁIred = p0 πE πV πBK τ0κ−1 √ 1+ Ma2c4 (13.5)
pt2 Tref 1 + β Tt4 Ri 2
Für den Normalfall in Flugzeugtriebwerken, dass nämlich das erste Turbinenleitrad sperrt
(Mac4 = const, Abb. 12.18), kann zur Vereinfachung der Darstellung der Hauptteil der
Größen in Gl. (13.5) zu einer Konstanten K1 zusammengefasst werden, sodass sich Gl.
(13.5) wie folgt vereinfachen lässt:
Tt2 ṁIred Tt4
ṁIred = K1 · πV · ⇒ πV = · (13.6)
Tt4 K1 Tt2
1336 13 Schubdüse
Tt 4
ze
Tt 2
n
re
pg
m
Pu
thermische
Drosselung
überkritische
Turbine
unterkritische
nred = const
Turbine
1
0 I
m red
0
Abb. 13.7 Zur Bedeutung der Tt4/Tt2-Geraden im Verdichterkennfeld
Dieser Massenstrom strömt ebenfalls durch den engsten Querschnitt A8 einer konvergent-
divergenten Schubdüse. Im Falle einer rein konvergenten Düse wäre hier A9 zu wählen.
Solange die Düse noch nicht sperrt, gilt nach Gl. (18.290):
− 1 · κ +1
pt8 κ κ − 1 2 κ −1
ṁ8 = A8 · √ · Mac8 · · 1+ · Mac8
2
(13.8)
Tt8 Ri 2
Diese letzten beiden Gleichungen können nun gleichgesetzt werden. Mit der Annahme,
dass mit guter Näherung pt8 = pt5 und Tt8 = Tt5 gilt, ergibt sich dann:
√
− 1 · κ +1
τT A8 2 κ − 1 2 κ −1
= · Mac8 · · 1+ · Ma2c8 (13.9)
πT A4 e κ +1 2
Hierin sind τT = Tt5 /Tt4 das Turbinentemperaturverhältnis und πT = pt5 /pt4 das Tur-
binendruckverhältnis. Mittels des isentropen Turbinenwirkungsgrades ηTs nach Gl. (12.4)
kann das Turbinendruckverhältnis ersetzt werden:
k
− 1 · κ +1
√ 1 − τT κ −1 A8 2 κ − 1 2 κ −1
τT = 1 − · Mac8 · · 1+ · Ma2c8
ηTs A4 e κ +1 2
(13.10)
Für den Fall, dass in der Schubdüse im engsten Querschnitt gerade die Schallge-
schwindigkeit Mac8 = 1 erreicht wird, vereinfacht sich Gl. (13.10) dann schließlich wie
folgt:
κ
A8 √ 1 − τT − κ −1
= τT · 1 − (13.11)
A4e ηTs
Für konstanten isentropen Turbinenwirkungsgrad ηTs und konstanten, kritisch durch-
strömten engsten Turbinenleitradquerschnitt A4e hängt die ebenfalls kritisch durchströmte
Düsenquerschnittsfläche A8 ausschließlich vom Turbinentemperaturverhältnis τT oder
vom Turbinendruckverhältnis πT ab. Eine numerische Auswertung von Gl. (13.11) lässt
erkennen, dass mit kleiner werdenden Turbinentemperaturverhältnissen τT , also mit zu-
nehmender Leistungsabgabe der Turbine, die Düsenfläche A8 größer werden muss. Dieses
Ergebnis ist einsichtig, da eine zunehmende Leistungsabgabe – wegen der dadurch eben-
falls zunehmenden Expansion – das Strömungsvolumen ansteigen lässt und damit auch
den zu durchströmenden Querschnitt hinter der Turbine.
In Kap. 7 war z. B. mittels Gl. (7.22) gezeigt worden, dass das Turbinentemperaturver-
hältnis auch über das Verdichterdruckverhältnis ausgedrückt werden kann. Dazu wird das
so genannte Leistungsgleichgewicht zwischen Verdichter und Turbine verwendet, so wie
es in Kap. 12.3.4 für ein Turbofantriebwerk angesetzt wurde. Für α = 0 ergibt sich damit
aus Gl. (12.45):
c p Tt4
τV = 1 + (1 + β) · ηmech · · · (1 − τT ) − μ · (τFan − 1) (13.12)
cp Tt2
1338 13 Schubdüse
Das Einsetzen des isentropen Verdichterwirkungsgrades ηVs nach Gl. (10.4) ergibt dann
schließlich:
0 1 κ
c p Tt4 κ−1
πV = 1 + (1 + β) · ηmech · ηVs · · · (1 − τT ) − μ · ηVs · (τFan − 1) (13.13)
cp Tt2
Für einen gegebenen engsten Düsenquerschnitt A8 = const ist nach Gl. (13.11) auch
das Turbinentemperaturverhältnis τT eine Konstante. Bis auf das Temperaturverhältnis
Tt4 /Tt2 können für diesen Fall in Gl. (13.13) somit alle anderen Größen ebenfalls als
konstant angesehen werden. Wir setzen:
c p
K2 = (1 + β) · ηmech · ηVs · · (1 − τT )
cp
K3 = 1 − μ · ηVs · (τFan − 1)
κ
Tt4 κ−1
πV = K3 + K2 · (13.14)
Tt2
κ−1
Tt4
= K−1
2 · π V
κ
− K 3 (13.15)
Tt2
Das Einsetzen dieses Ausdrucks in Gl. (13.6) ergibt:
κ−1
−1/2
ṁIred = K1 · K2 · πV · πV κ − K3 für A8 =const bzw. τT =const (13.16)
Für einen festen Schubdüsenquerschnitt A8 beschreibt diese Gleichung also die Verän-
derung des Verdichtermassenstroms mit dem Verdichterdruckverhältnis πV und kann
ergänzend in das Verdichterkennfeld nach Abb. 13.7 eingetragen werden. Damit kann diese
Kurve aber auch als Betriebslinie (vgl. Kap. 10.4.3) des Verdichters angesehen werden. Das
prinzipielle Ergebnis zeigt Abb. 13.8. Zwischen zwei zusätzlich gekennzeichneten Punkten
ist für konstantes Tt4 /Tt2 die Änderung des Betriebszustandes des Verdichters markiert,
wenn die engste Querschnittsfläche A8 vergrößert wird. In diesem Fall – bei Tt4 /Tt2 = const
– steigen sowohl das Verdichterdruckverhältnis als auch der reduzierte Massenstrom an.
Dieser Vorgang lässt sich anhand der bisher abgeleiteten Gleichungen leicht verifizieren.
Gleichung (13.11) zeigt, dass mit größerem A8 das Turbinentemperaturgefälle τT klei-
ner und damit die Konstante K2 in Gl. (13.13) größer wird, wodurch schließlich auch
das Verdichterdruckverhältnis πV nach Gl. (13.14) größer wird. Gleichung (13.16) macht
klar, dass mit größerem K2 auch der reduzierte Massenstrom ansteigen muss. Eine Ver-
größerung des engsten Schubdüsenquerschnitts verschiebt also die Betriebslinie von der
Pumpgrenze weg. Abbildung 13.9 verdeutlicht, unter welchen Umständen dieser Vor-
gang der Schubdüsenflächenveränderung für einen Triebwerksbetrieb von besonderem
Interesse sein kann.
Bei geringen Triebwerksleistungsstufen (kleiner Massenstrom, geringes Verdichter-
druckverhältnis) nähert sich die Betriebslinie eines mehrstufigen Axialverdichters stark
13.2 Rückwirkung der Schubdüse auf die Triebwerksleistung 1339
e
nz
Tt 4
re
pg
m
Tt 2
Pu
A8
unterkritische überkritische
nred = const
Turbine Turbine
1
0 I
m red
0
Abb. 13.8 Einfluss des engsten Schubdüsenquerschnitts A8 auf die Betriebslinie eines Verdichters
Abb. 13.9 Verdichterkennfeld mit einer Verschiebung der Betriebslinie durch Vergrößerung des
engsten Schubdüsenquerschnitts
der Pumpgrenze des Verdichters an. Eine zügige Beschleunigung des Triebwerks ist in
diesem Bereich deswegen nur sehr begrenzt möglich, da sonst der Verdichter ins Pumpen
geraten würde. Um dies zu verhindern, kann die Betriebslinie durch eine Vergrößerung
von A8 von der Pumpgrenze wegbewegt werden, Abb. 13.9. Die A8 -Vergrößerung re-
duziert den so genannten Gegendruck (Back-Pressure) eines Triebwerks und erhöht –
1340 13 Schubdüse
wie bei Abb. 13.7 gezeigt wurde – sowohl den reduzierten Massenstrom als auch das
Verdichterdruckverhältnis.
Ein weiterer Vorteil einer A8 -Veränderung liegt darin, dass dadurch das Starten
des Triebwerks vereinfacht wird. Eine weit geöffnete Schubdüse erlaubt der Turbine
ein größtmögliches Temperaturgefälle (größtmögliches Expansionsverhältnis), wodurch
ein Maximum an Turbinenleistung bei vergleichsweise geringen Turbineneintrittstem-
peraturen erzielt werden kann. In diesem Triebwerkszustand sind noch relativ geringe
Drehzahlen für den Triebwerksbetrieb erforderlich, sodass der Starter des Triebwerks hin-
sichtlich seiner Leistung und damit auch seiner Dimensionen entsprechend klein ausfallen
kann.
Hierbei ist p∗ der kritische statische Druck in der Düsenaustrittsfläche bei dem –
bei gegebenem pt7 – gerade die Schallgeschwindigkeit erreicht wird, c8 = a8 bzw.
Ma8 = 1. Das kritische Druckverhältnis pt7 /p∗ (vgl. Kap. 18.8, Abschn. 18.9.5) hängt
für reibungsfreie Strömungen entsprechend Gl. (18.261) nur vom Isentropenexponenten
κ ab, pt7 /p∗ = [(κ + 1)/2]κ/(κ−1) . Es wird später gezeigt werden, dass bei rei-
bungsbehafteten Strömungen noch der so genannte Schubdüsenwirkungsgrad ηD mit
hinzukommt.
5 7 8 9
Strut
Turbine
letztes Laufrad
Übergangsstück Düse
Totaldruckverlust p57 = πÜ p78 = πD
h pt 8 = pt 9
pt5 pt7
ht5=ht7=ht8=ht9 5 7 9t
8t Totalzustand im
Düsenaustritt
c92 c82 a82
= polytrop and
im
2 c82s 2 2 isentrop er Zust p8>p0
sc h t
c92s 2 stati naustrit
üs e
8 D ck
2 h8 gsdru
g ebun
h8s isen-- U m p9=p0
8s trop
h9
h9s 9
9s
s
durch Umformen:
Tt7 − T8 1/Tt7 1 − T8 /Tt7
ηD = · = (13.21)
Tt7 − T8s 1/Tt7 1 − T8s /Tt7
Mit der Isentropenbeziehung T8S /Tt7 = (p8 /pt7 )(κ −1)/κ , mit Tt7 = Tt5 und zusammen
mit der Gl. (13.18) pt7 = pt5 · πÜ wird daraus:
1 − (T8 /Tt5 )
ηD = (13.22)
κ −1
1 p8 κ
1− ·
㚠pt5
1342 13 Schubdüse
c82s T8
= c p · (Tt7 − T8s ) = c p · Tt5 · 1 − s mitTt 9 = Tt 7 = Tt 5 (13.24)
2 Tt7
Mit der Isentropenbeziehung T8S /Tt7 = (p8 /pt7 )(κ −1)/κ , mit Gl. (13.19) c82s = c82 /ηD
und mit Gl. (13.18) pt7 = pt5 · πÜ wird daraus:
⎡ ⎤
κ −1
1 p κ √
c8 = 2 · c p · ηD · Tt5 · ⎣1 − ⎦
8
· ηD = χD (13.25)
㚠pt5
⎡ ⎤
κ −1
1 p κ
c8 = χD · 2 · c p · Tt5 · ⎣1 − ⎦
8
· (13.26)
㚠pt5
Mit Kenntnis der Turbinenaustrittsgrößen, Tt5 , pt5 , sowie der Verluste im Übergangs-
stück und in der Düse, πÜ , ηD , kann die Schubdüsenaustrittsgeschwindigkeit c8 berechnet
werden. Mit steigender Turbinenleistung (Tt5 und pt5 werden kleiner) wird auch die
Austrittsgeschwindigkeit aus der Düse c8 kleiner.
Mit den Gln. (13.23) für T8 und (13.26) für c8 kann nun aus der Kontinuitätsgleichung
– in Kombination mit der allgemeinen Gasgleichung – ein Ausdruck zur Berechnung der
Schubdüsenaustrittsfläche A8 angegeben werden:
ṁ8 ṁHG · Ri · T8
A8 = =
ρ8 · c 8 p8 · c 8
⎡ ⎤
κ −1
1 p κ
1 − ηD · ⎣1 − ⎦
8
·
㚠pt5
ṁHG · Ri · Tt5
A8 = · ⎡ ⎤ (13.27)
p8
κ −1
1 κ
χD · 2 · c p · Tt5 · ⎣1 − · p8 ⎦
㚠pt5
Über den inzwischen wohl bekannten Massenstromparameter nach Gl. (18.292) ist die
Schubdüsenaustrittsfläche alternativ auch aus der folgenden Beziehung zu berechnen
(Abb. 13.12):
√ 1 · κ +1
Tt5 1 Ri κ − 1 2 κ −1
A8 = ṁHG · · ·
· 1+ · Ma2c8 (13.28)
πÜ · πD · pt5 Mac8 κ 2
13.3 Konvergente Schubdüsen 1343
0.020
A κ ′ = 1.33
A8s = 8
mHG
πÜ = ηD = χ D2 = 0.98
⎡m2 /(kg/s)⎤ p8 = 1013 hPa Tt5 = 1100 K
⎣⎢ ⎦⎥
Tt5 = 900 K
spez. Schubdüsenfläche
Tt5 = 700 K
0.010
kritisches
Druckverhältnis
0.005
Bereich unterkritisch
durchströmter Düsen
p*/pt5 = 0.5404
0.000
0.45 0.55 0.65 0.75 0.85 0.95
Düsendruckverhältnis p8/pt5
5 7 8 9
Strut
polytrope ( gasdyna-
Turbine misch verlustbehaf-
letztes Laufrad tete) Nachexpansion
hinter der Düsenaus-
trittsfläche A8
Übergangsstück Düse
Totaldruckverlust p57 = πÜ p78 = πD
h pt 8 = pt 9
pt5 pt7
ht5=ht7=ht8=ht9 5 7 9t
8t Totalzustand im
Düsenaustritt d
c82 a82 (c *)
2 stan
c92
= = c h e r) Zu =A*
polytrop itis e A8
2 c82s 2 2 2 isentrop r (kr fäch
ta t i sche austritts p =p*
c92s 2 s sen 8
h8=h* n Dü
8 i poly- ck
2 gsdru
h8s = hs* g ebun
8s trop U m p9=p0
h9
9
h9s 9s
s
Hierin wurde Tt8 = Tt7 = Tt5 und pt8 = pt5 · πÜ · πD berücksichtigt. Die Düsen-
austrittsmachzahl Mac8 = c8 /(κ · Ri · T8 )1/2 in dieser Beziehung kann aus den Gln. (13.26)
und (13.23) berechnet werden. Abbildung 13.11 zeigt die Auswertung der Gl. (13.27) in
Abhängigkeit des Düsendruckverhältnisses p8 /pt5 . Mit kleiner werdendem Düsendruck-
verhältnis p8 /pt5 wird die so genannte spezifische Schubdüsenaustrittsfläche A8s , das ist
die auf den Heißgasmassenstrom bezogene Schubdüsenaustrittsfläche, kleiner. Je größer
also die Düsenaustrittsmachzahl wird, umso kleiner fällt die Düsenaustrittsfläche aus.
Höhere Turbinenaustrittstemperaturen lassen die Schubdüsenfläche – wegen der damit
verbundenen Volumenzunahme des Heißgases – ansteigen, ebenso wie kleiner werdende
Turbinenaustrittsdrücke. Wogegen höhere Turbinenaustrittsdrücke die Schubdüsenfläche
– wegen der damit verbundenen Volumenabnahme des Heißgases – kleiner werden lassen.
κ − 1 κ − 1 ∗ 2
Tt8 = T8 · 1 + · Ma2c8 = T ∗ · 1 + · Ma
2 2
2
Tt8 = T ∗ · = Tt7 = Tt5 = Tt9 für Ma∗ = 1 = Mac8 (13.29)
κ + 1
Analog zu Gl. (13.19) ergibt sich der Schubdüsenwirkungsgrad zu:
Tt5 − T8 Tt5 − T ∗ Tt5 − T ∗
ηD = = ⇒ Ts∗ = Tt5 − (13.30)
Tt5 − T8s Tt5 − Ts∗ ηD
Zusammen mit der Isentropenbeziehung:
κ
p∗ Ts∗ κ −1
= (13.31)
pt7 Tt5
ergibt sich aus Gl. (13.30):
κ
p∗ 1 − T ∗ /Tt5 κ −1
= 1− (13.32)
pt7 ηD
Die Kombination dieses Ausdrucks mit den Gln. (13.18) und (13.29) führt schließlich auf
den folgenden Ausdruck:
κ
p∗ 1 κ − 1 κ −1
= πÜ · 1 − · (13.33)
pt5 ηD κ + 1
13.3 Konvergente Schubdüsen 1345
In Praxis sind trotz sehr sorgfältiger Flächenberechnungen von Schubdüsen diverse Kor-
rekturen meist unvermeidlich, so weisen sogar Serientriebwerke eine gewisse Streuung
bei den Schubdüseneigenschaften auf, Hagen (1982). Oft sind in konvergenten Trieb-
werksdüsen kleine Bleche zu finden, die ungünstige Strömungseigenschaften nachträglich
korrigieren sollen. Diese Bleche werden als Trimmer bezeichnet.
Bei nicht zu kleinen überkritischen Druckverhältnissen p/pt ist der mit einer rein kon-
vergenten Schubdüse erzielbare Triebwerksschub geringfügig größer als der, der sich mit
einer angepassten konvergent-divergenten Schubdüse erzielen lässt. Aus diesem Grund
werden in Praxis – bis hin zu Düsendruckverhältnissen von etwa p/pt ≈ 0.25 – immer noch
rein konvergente Schubdüsen verwendet. Konvergent-divergente Schubdüsen finden erst
für Düsendruckverhältnisse kleiner als etwa p/pt ≈ 0.17 Anwendung. Ab hier etwa erreicht
der zusätzliche mechanische Aufwand, der mit einer konvergent-divergenten Düse zu be-
treiben ist, vertretbare Grenzen, die insgesamt für das Triebwerk – hinsichtlich Leistung,
Aufwand und Gewicht – einen signifikanten Vorteil erwarten lassen. Praktisch ist dies bei
Nachbrennertriebwerken immer der Fall.
Beispiel 13.1
Heißgasströmung aus einer konvergenten Düse. Der Eintritt in eine konvergente Düse
hat einen Durchmesser von D7 = 0.5 m. Durch Messung sind hier folgende Strömungs-
größen bekannt: pt7 = 2.0 · 105 Pa, p7 = 1.45 · 105 Pa, Tt7 = 800 K. Die Düse soll adiabat
sein und verlustfrei (isentrop) durchströmt werden. Hinter der Düse liegt ein Umge-
bungsdruck von p9 = p0 = 1 013 hPa vor. Als Stoffgrößen des Heißgases sind κ = 1.33
und Ri = 287 N m/(kg · K) zu verwenden. Es sind die Machzahl am Düseneintritt und
der Massenstrom durch die Düse zu berechnen.
⎡ ⎤
κ −1
0.248120301
2
2 p κ 2.0
·⎣ − 1⎦ =
t7
Ma7 = · − 1 = 0.70951
κ −1 p7 0.33 1.45
D72 · π 0.52 · π
A7 = = = 0.1963495 m2
4 4
1346 13 Schubdüse
− 1 · κ +1
pt7 κ κ − 1 2 κ −1
ṁ7 = A7 · Ma7 · √ · · 1+ · Ma7
2
Tt7 Ri 2
−3.5303
2 · 10 5
1.33 0.33
ṁ7 = 0.1963495 · 0.70951 · √ · · 1+ · 0.709512
= 50.6 kg/s
800 287 2
ṁ8 = ṁ7 = ρ ∗ · c ∗ · A∗
adiabat ⇒ Tt8 = Tt7 = Tt9
isentrop ⇒ pt8 = pt7 = pt9
√
1 κ +1
∗ Tt7 Ri κ + 1 2 · κ −1
A8 = A = ṁ7 · · ·
pt7 κ 2
√
800 287
A8 = 50.6 · · · 1.1653.5303 = 0.18022m2
2 · 10 5
1.33
4 · A8 4 · 0.18022
D8 = = = 0.479m
π π
Es ist die Düsenaustrittsgeschwindigkeit c8 zu berechnen und die Geschwindigkeit
c9 , wenn die Strömung hinter der Düsenaustrittsfläche auf den Umgebungsdruck
p9 = p0 isentrop frei nachexpandiert. Zudem ist die überhaupt maximal mögliche
Geschwindigkeit c9max zu bestimmen.
Tt8 800
T8 = = = 686.7 K
κ − 1 1 + 0.165 · 12
1+ · Ma8
2
2
√ √
a8 = κ · R · T8 = 1.33 · 287 · 686.7 = 512 m/s = c8
κ −1
κ −1
0.24812....
p9 κ p0 κ 101 325
T9 = Tt9 · = Tt7 · = 800 · = 675.8 K
pt9 pt7 2 · 105
c92 κ · Ri Nm
Tt9 = T9 +
⇒ c9 = 2 · c p (Tt9 − T9 ) mit c p = = 1156.7
2·cp κ −1 kg · K
√
c9 = 2 · 1156.7 · (800 − 675.8) = 536.12 m/s > c8
c9 c9 536.12
Ma9 = =√ =√ = 1.0556 > Ma8 = 1.0
a9 κ · Ri · T9 1.33 · 287 · 675.8
Die Geschwindigkeit c9max ergibt sich genau dann, wenn der Düsenstrahl in einen Raum
mit dem statischen Innendruck p0 → 0 (Gegendruck) geblasen werden würde. In Kap.
Literatur 1347
18.8 wurde gezeigt, dass eine solche Berechnung mit der so genannten Formel von Saint-
Venant und Wantzel (1839) erfolgen kann. Es wird deswegen zur weiteren Berechnung
auf Gl. (18.265) zurückgegriffen.
2
2
c9max =
· κ · Ri · Tt9 = · 1.33 · 287 · 800 = 1 360.41 m/s = 2.657 · c8
κ −1 0.33
Welche Größen in der Düsenzuströmung sind wie zu beeinflussen, um den Massen-
strom durch die kritisch durchströmte konvergente Düse anheben zu können?
Literatur
In diesem Kapitel werden nun alle Zustandsänderungen innerhalb der diversen Trieb-
werksbaugruppen (Module) als verlustbehaftet angesehen und der Verbrennungsvorgang
soll zudem unvollständig sein, was durch die Einführung des Verbrennungswirkungsgra-
des ηBK < 1 entsprechend Gl. (6.25) Berücksichtigung findet:
qzu
ηBK := (14.1)
qB
Hierin ist qzu die tatsächlich in der Brennkammer zugeführte spezifische Wärmeener-
gie und qB die im Brennstoff effektiv enthaltene spezifische Wärmeenergie (chemische
Energie). Das bedeutet, wenn ηBK < 1 ist, wird auch nicht alle im Brennstoff enthaltene che-
mische Energie, infolge Verbrennung in der Brennkammer, dem Triebwerk zugeführt, was
hier als unvollständige Verbrennung bezeichnet wird. Der Brennkammerwirkungsgrad
ηBK wird deswegen auch als Ausbrenngrad oder als Ausbrand bezeichnet.
Die Vorgehensweise zur Stoffvermittlung soll in diesem Kap. 14 wie folgt strukturieret
sein:
• Zu Komplettierung dieser Art der Berechnung wird dann im letzten Schritt für einen
Turbojet und einen Turbofan die Syntheserechnung in der Art verfeinert, dass nun
auch noch die Temperaturabhängigkeit der spezifischen Wärmekapazitäten und des
Isentropenexponenten mit in Rechnung einbezogen wird
Des Weiteren sollen folgende Voraussetzungen von Fall zu Fall gelten, die aber nicht immer
alle gleichzeitig zur Anwendung kommen sollen, insbesondere dann nicht, wenn sich im
Kap. 14.2 dem Thema aus rein thermodynamischer Sicht genähert wird:
• Abgesehen von der Brennkammer sind alle Bauteile und Baugruppen des Triebwerks
adiabat (perfekt wärmeisoliert).
• Rein durchströmte adiabate Baugruppen ohne Arbeitsumsetzung, wie z. B. Einlauf,
Diffusoren und Düsen, unterliegen viskosen Verlusten, die sich in einem Total-
druckverlust manifestieren. Die dabei entstehende Temperaturerhöhung infolge der
Wandreibung soll so gering sein, dass sie keine messbare Änderung der Temperatur in
der Hauptströmung mit ihrem großen Massenstrom bewirken kann. Das heißt, die Zu-
standsänderungen in diesen Baugruppen sind isotherm ( ptAUS < ptEIN bei TtEIN = TtAUS )
und werden ausschließlich durch Druckverluste π = ptAUS /ptEIN beschrieben.
• Adiabate Baugruppen mit signifikanten Änderungen im Totaldruck und der Totaltem-
peratur (z. B.: Fan, Verdichter und Turbine) benötigen zur Beschreibung der Verluste
einen Wirkungsgrad η, der die Veränderungen sowohl von Druck als auch von Tem-
peratur erfassen kann. Das heißt, die Zustandsänderungen in diesen Baugruppen sind
polytrop.
• Die Verzögerung der Fluggeschwindigkeit c0 im adiabaten Triebwerkseinlauf von 0
mittels eines Diffusors und unter Berücksichtigung der Reibung isotherm verzögert.
• Die Wärmezufuhr in der diathermen (nicht-adiabaten/diabaten) Brennkammer von 3
nach 4 erfolgt mit Totaldruckverlusten, deren Ursache sowohl die Wärmezufuhr selbst
als auch die Reibung ist, was dazu führt, dass es in der Brennkammer keine wirkliche
Gleichdruckverbrennung gibt.
• Die Expansion in der Turbine von 4 nach 5 erfolgt polytrop mit Änderungen beim
(Totaldruckverlust).
• Die Schubdüse ist stets konvergent und sperrt im engsten Querschnitt 8 (Düsen-
austrittsfläche), sodass dort stets Ma8 = 1 gilt mit p8 > p9 gelten soll. Hinter der
Schubdüsenaustrittsfläche A8 kommt es zu einer freien Nachexpansion auf den Umge-
bungsdruck p9 = p0 . Die Nachexpansion soll stets isentrop erfolgen als adiabater Strahl
ohne Dissipation.
• Die gedachte Schließung des Kreisprozesses durch Wärmeabfuhr an die Umgebung von
9 nach 0 erfolgt bei konstantem Druck p9 = p0 .
• Der Isentropenexponent κ ist nicht mehr durch das gesamte Triebwerk hindurch kon-
stant. Bis zum Brennkammereintritt ist κ der Isentropenexponent der ins Triebwerk
einströmenden Luft. Dabei ist κ temperaturabhängig. Ab dem Brennkammeraustritt
gilt dann ein κ , das dem heißen Abgas zugeordnet ist (κ < κ). Dabei ist κ so-
wohl von der Temperatur als auch von der Zusammensetzung des Abgases (Luft
und Brennstoff) abhängig. Analog wird mit der spezifischen Wärmekapazität cp bzw.
cp ( cp > cp ) und mit der spezifischen Gaskonstanten Ri bzw. Ri (Ri > Ri )verfahren.
Kapitel 18.14 beschreibt unter anderem, wie cp , κ und Ri hinsichtlich der Temperatur
und der Abgaszusammensetzung numerisch behandelt werden können.
Die in diesem Kapitel im Folgenden angestellten Betrachtungen verlangen, dass ein we-
nig von den Voraussetzungen abgewichen wird, die einleitend zu diesem Gesamtkapitel
über die realen Triebwerksberechnungen gemacht wurden, um so eine rein thermodyna-
mische Betrachtung überhaupt möglich werden zu lassen. Es wird hier nun stattdessen
angenommen, dass . . . :
• die Wärmezufuhr in der Brennkammer von 3 nach 4 bei konstantem statischen Druck
erfolgt: p3 = p4 ,
• die gedachte Schließung des Kreisprozesses auf der Basis einer vollständigen Expansion
auf den Umgebungsdruck abläuft: p9 = p0 ,
• die Massenströme für Brennstoff und Zapfluft stets viel kleiner sind, als der vom
Triebwerk angesaugte Luftmassenstrom: β − α 1bzw. ṁB − ṁZ ṁLuft ,
• Turbine und Verdichter im unmittelbaren Leistungsgleichgewicht zueinanderstehen
$ $
(ohne mechanischen Wirkungsgrad): PV = |PT | und wVtech = $wTtech $.
1352 14 Berechnung realer Triebwerke
Wendet man den 1. Hauptsatz für offene, stationär durchströmte Systeme entsprechend
der Gl. (18.7) auf einen Turbojet in seiner Gesamtheit an, so folgt:
c92 c2
irr
wtech + qzu = ht0,9 = h9 − h0 + − 0 (14.2)
2 2
irr
Mit wtech = 0, wenn sich die technischen Arbeiten von Verdichter und Turbine
gegenseitig
aufheben
(wV = |wT | = Leistungsgleichgewicht mit ηmech = 1), und mit
|wN | = c92 − c02 /2 gemäß der Gl. (6.76) wird daraus zusammen mit Gl. (14.1):
c92 c2
qzu = h9 − h0 + − 0 = h9 − h0 + |wN | = ηBK · qB (14.3)
2 2
Diese Gleichung zeigt, dass sich hinsichtlich des Gesamttriebwerks, im Vergleich zum
idealen, verlustfreien Prozess,
1 $ $
qB = h9ideal − h0 + · c92ideal − c02 = h9ideal − h0 + $wNideal $ ,
2
ausschließlich h9 = cp · T9 und c9 verändern, also Austrittsgeschwindigkeit und die
Enthalpie des Abgasstrahls (Abgastemperatur).
Die Abb. 14.1 zeigt den realen Kreisprozess eines Turbojettriebwerks, so wie er hier im
Folgenden behandelt werden soll. Die Nummerierung der diversen Triebwerksstationen
von 0 bis 9 bezieht sich nun – im Gegensatz zu den Darstellungen des Kap. 7 – aus-
qzu qzuideal
Hierin weist der Index „ideal“ auf den idealen Kreisprozess hin. Analog wie beim idealen
Kreisprozess, so gilt auch beim realen Kreisprozess:
$ $ c2 − c02
|wN | = qzu − $qab $ = 9 (14.4)
2
Das heißt, die spezifische Nutzarbeit des Kreisprozesses ist die Subtraktion der beiden
Flächen:
[Fläche (b −
3 −
4 − c − b)] − [Fläche (a −
0 −
9 is − d − a)] (14.5)
14.2 Rein thermodynamische Betrachtung realer Turbojetkreisprozesse 1353
T qzu
qab
4t Tt4
Tt4
pt4 p4
4 T4
T4
5t Tt5=Tt8=Tt9
pt3 pt5 9t=8t
p3 pt9
Tt3 3t c8 T5 2
5 2c
p5 8 p T
T3 3 p8 8
c02 9 T9
p9 c92
2cp 2cp9
2
pt0 0t t pt2 Tt0 = Tt2 p0
T2 p2
2
T0 0
a b c d s
Δs0,3 Δs4,9
Abb. 14.1 Kreisprozess eines realen Turbojettriebwerks im T-s-Diagramm. Der Verlauf des
Kreisprozesses ist bezüglich der statischen Zustandsgrößen p und T dargestellt. Die Nummerierung
der diversen Triebwerksstationen 0 ... 9 bezieht sich nun – im Gegensatz zu den Darstellungen
in Kap. 7 – ausschließlich auf statische Zustandsgrößen. Totalzustände sind deswegen durch den
zusätzlichen Index „t“ gekennzeichnet
Damit ist beim realen Kreisprozess die spezifische Nutzarbeit nicht mehr die vom
Kreisprozess umfahrene Fläche.
Mit Gl. (6.74) wurde für den idealen Kreisprozess gezeigt, dass die vom Kreisprozess
eingeschlossene$ Fläche$ auch als Differenz der spezifischen Expansions- und Kompres-
sionsarbeiten, $wexp $ − wkomp , dargestellt werden kann. Dieses gilt nun auch für einen
realen$ Kreisprozess,
$ wenn anstelle der in Gl. (6.74) verwendeten isentropen Arbeiten$ wVrev$
und wT nun die polytropen Expansions- und Kompressionsarbeiten wVirr und $wTirr $
$ rev $
angesetzt
$ werden.$ Die damit beschriebene spezifische Arbeit wird spezifische Bruttonutz-
arbeit $wNBrutto $ genannt. Sie entspricht der vom realen Kreisprozess umfahrenen Fläche. In
Abb. 14.1 ist dies die Fläche: 0 2 3 4 5 8 9 ,
0 wenn davon ausgegangen wird, dass
Analog zu Gl. (18.17) kann der erste Hauptsatz der Thermodynamik für ein offenes,
stationär durchströmtes System wie folgt in differenzieller Form geschrieben werden:
dq + dwtech
irr
= dh
dq + dw rev + deDiss = dh
dq + vdp + deDiss = dh (14.6)
1354 14 Berechnung realer Triebwerke
Die Bedeutung der einzelnen Größen in der vorhergehenden Gleichung ist ausführlich
in Kap. 18.1 im Abschn. 18.1.2 zu finden. Mit wtech = w + eDiss wird die (irreversibel)
technische Arbeit beschrieben, die sich aus der (reversiblen) Strömungsarbeit w = vdp
und der Dissipation eDiss (Verluste) zusammensetzt. Für die statische Enthalpie h gilt in
der Grundform die Definitionsgleichung (18.3). Die Gl. (18.9) stellt die differenzielle Form
dieser Gleichung dar:
dh = du + p · dv + v · dp (14.7)
dq + deDiss = cv dT + p dv (14.9)
Aus der thermischen Zustandsgleichung (18.94) ergibt sich die nachfolgende differenzielle
Form:
p · v = Ri · T
p dv + v dp = Ri dT
p dv = Ri dT − v dp (14.10)
dq + deDiss = cv dT + Ri dT − v dp (14.11)
Ri = cp − cv
Ri dT = cp dT − cv dT
cv dT = cp dT − Ri dT (14.12)
dq + deDiss = cp dT − v dp (14.13)
A
Eine polytrope Zustandsänderung wird durch die Gl. (18.27) p · v n = const beschrieben. In
differenzielle Form ergibt sich daraus nach der Produktregel:
v n dp + p · n · v n−1 dv = 0 (14.15)
Dividiert man Gl. (14.15) durch v n−1 = v n /v und setzt p = const/v n ein, so folgt:
dv
v dp + n · const =0 (14.16)
vn
Die Integration längs der Polytropen zwischen
E und
A ergibt dann:
A
A
dv
0 = (v dp)poly + n · const
vn
E E
A
A
dv
(v dp)poly = −const · n
vn
E
A
A $vA
n $ n vA vE
(v dp)poly = −const · · v 1−n $$ = const · · n − n (14.17)
1−n vE n−1 vA vE
E
A
n
(v dp)poly = · (pA · vA − pE · vE ) (14.18)
n−1
E
A
poly n
wEA = (v dp)poly = · Ri · (TA − TE ) (14.19)
n−1
E
poly
Hierin ist wEA die polytrope Arbeit zwischen zwei Zustandspunkten E und .A Bei
Kompressionsvorgängen ist diese Arbeit positiv und bei Expansionsvorgängen negativ:
A
poly poly
Kompression: wEA = v dp = +wkomp
E
A
poly
Expansion: wEA = v dp = −wexp
poly
E
1356 14 Berechnung realer Triebwerke
A
κ · Ri n
qEA + eDissEA = · (TA − TE ) ∓ · Ri · (TA − TE )
κ −1 n−1
κ n
qEA + eDissEA = ∓ · Ri · (TA − TE )
κ −1 n−1
poly
qEA + eDissEA = cp · (TA − TE ) ∓ wEA (14.21)
Aus der Gl. (6.62) erhält man, wenn die Dissipation eDissEA mit berücksichtigt wird, also
wenn wtech = wtech
irr
= wtech
rev
+ eDiss EA Berücksichtigung findet:
cA2 − cE2
qEA ± wtech
irr
EA
= cp · (TA − TE ) + = htA − htE (14.22)
2
Subtrahiert man nun von der Gl. (14.22) die Gl. (14.20), so erhält man:
A
poly cA2 − cE2 c 2 − cE2
±wtech
irr
EA
− eDissEA = ±wEA + = ± (v dp)poly + A (14.23)
2 2
E
irr
In der vorhergehenden Gleichung ist wtech EA
die technische Arbeit, die eine beteiligte
Turbomaschine (Verdichter oder Turbine) verrichtet. Für den Kompressionsvorgang zwi-
schen den Ebenen
0 und ,
3 also für den aerodynamischen Aufstau und die anschließende
3
c 2 − c02
+ wtech
irr
2,3
= wVirr = (v dp)poly + eDiss komp + 3
2
0
Expansion in der Schubdüse, ergibt sich dann aus Gl. (14.23), ebenfalls in unterschiedlichen
Schreibweisen:
c92 − c42 poly c2 − c42
− wtech
irr
4.5
− eDiss 4,9 = − w4,9 = 9 − wexp poly
2 2
9
c92 − c42 c92 − c42
− wtech
irr
4.5
− eDiss exp = − wexp =
poly
− (v dp)poly
2 2
4
9
c 2 − c42
− wtech
irr
4,5
= −wT = − (v dp)poly + eDiss exp + 9
irr
2
4
c92 − c42
− wtech
irr
4,5
= −wTirr = −wexp
poly
+ eDiss exp + (14.25)
2
$ $
Wie einleitend beschrieben, wird nun die spezifische Bruttonutzarbeit $wNBrutto $ gebildet,
die beim realen Kreisprozess nicht der vom Prozess eingeschlossenen Fläche entspricht
$ $ $ $
$wN $ = $ poly $ poly
Brutto w = $wexp $ − wkomp =
2
$ $ $ $
$ = $w irr $ + eDiss + c9 − c4 − w irr − eDiss c32 − c02
2
$wN −
Brutto T exp V komp
2 2
$ $
$ = c9 − c0 + eDiss + eDiss c − c3
2 2 2 2
$wN − 4 (14.26)
Brutto exp komp
2 2
In diesem$ Ausdruck
$ wurde das Leistungsgleichgewicht zwischen Verdichter und Turbine,
wVirr = $wTirr $, berücksichtigt. Es wird nun noch eine weitere Vereinfachung eingeführt,
nämlich, dass die Geschwindigkeiten c4 und c3 nur unwesentlich verschieden vonein-
ander sind. Es gilt für die zugeführte spezifische Wärme qzu = c p · (Tt4 − Tt3 ). Mit
Tt4 = T4 + c42 /(2 · c p ) und mit Tt3 = T3 + c32 /(2 · cp ) wird daraus, wenn c3 = c4 und wenn
cp ≈ cp ist: qzu ∼= cp · (Tt4 − Tt3 ). Aus der Gl. (14.26) ergibt sich dann, wenn gleichzeitig
die Gl. (14.4) Berücksichtigung findet:
$ $
$ = c9 − c0 + eDiss + eDiss
2 2
$wN = |wN | + eDissexp + eDisskomp
Brutto exp komp
2
$ $ $ $
$wN $ = qzu − $qab $ + eDiss + eDiss = |wN | + eDissexp + eDisskomp
Brutto exp komp
$ $ $ $ $$ poly $$
|wN | = $wNBrutto $ − eDissexp − eDisskomp mit $wNBrutto $ = $wexp
poly
$ − wkomp
$ $
$ poly $ poly
|wN | = $wexp $ − eDissexp − wkomp + eDisskomp
⎛$ $ ⎞ ⎛ ⎞
$
9 $
3
$ $ $
⎜$ ⎟ ⎜ ⎟
|wN | = ⎝$ v dp poly $ − eDissexp ⎠ − ⎝ v dp poly + eDisskomp ⎠ (14.27)
$ $
$4 $ 0
1358 14 Berechnung realer Triebwerke
h Kompression h Expansion
pt3
3t pt4
cpTt3 c′pTt4
c32 4t
3ts p3 c42
cpTt 3s 2cp p4
4 2cp′
3 cpT3
c′pT4
3s
5t c′pTt5 = c′pTt9
Δhkomp Δhexp pt5 9t
ΔhexpS
ΔhkompS pt9
0t 2t c′pT5
cpTt0 = cpTt2 p5 5
pt0 pt2 c′pT9
cpT2 9
2 p0 9s cp′ Tt 9s
cpT0 p9
0
s s
Das links in Abb. 14.2 dargestellte h-s-Diagramm zeigt, wie dabei die Enthalpieänderungen
der Gl. (14.28) für eine Kompression definiert sind. Aus dem Diagramm liest man nun
unmittelbar den nachfolgenden Zusammenhang ab:
Tt3S
hkompS = cp · (Tt3S − T0 ) = cp · T0 · −1 (14.29)
T0
Das Temperaturverhältnis in der Klammer ganz rechts kann nun mittels der Isentropen-
beziehung wie folgt durch ein Druckverhältnis ersetzt werden, wenn der Druck, der zur
Temperatur Tt3s gehört, pt3 ist, Abb. 14.2:
κ−1
pt3 κ
hkompS = cp · T0 · −1 (14.30)
p0
14.2 Rein thermodynamische Betrachtung realer Turbojetkreisprozesse 1359
Das rechts in Abb. 14.2 dargestellte h-s-Diagramm zeigt, wie dabei die Enthalpieänderun-
gen der Gl. (14.31) für eine Expansion definiert sind. Aus dem Diagramm liest man nun
unmittelbar den nachfolgenden Zusammenhang ab:
$ $
$ hexp $ = cp · (Tt4 − T9 ) = cp · Tt4 · 1 − T9S (14.32)
S S
Tt4
Zur Unterscheidung zwischen Heißgas und Luft werden beim Heißgas nun alle Stoff-
größen, wie κ , cp und Ri , mit einem Apostroph versehen. Das Temperaturverhältnis in
der Klammer ganz rechts kann nun mittels der Isentropenbeziehung wie folgt durch ein
Druckverhältnis ersetzt werden, wenn der Druck, der zur Temperatur T9s gehört, p9 ist,
Abb. 14.2:
⎡ ⎤
κ −1
$ $ p κ
$ hexp $ = cp · Tt4 · ⎣1 − 9 ⎦ (14.33)
S
pt4
Aus Gl. (14.27) erhält man zusammen mit den Gln. (14.28) und (14.31) den folgen-
den Ausdruck für den Betrag der spezifischen Nutzarbeit des realen Kreisprozesses eines
Turbojettriebwerks:
$ $ hkompS
|wN | = $ hexpS $ · ηexp − (14.34)
ηkomp
Zusammen mit den Gln. (14.30) und (14.33) wird dann daraus, wenn zudem p9 = p0 und
pt3 = pt4 gesetzt wird:
⎡ ⎤
κ−1
κ −1
p κ 1 p κ
|wN | = ηexp · c p · Tt4 · ⎣1 − ⎦−
0 t3
· cp · T0 · −1 (14.35)
pt3 ηkomp p0
Führt man nun per Definition einen Faktor „z“ der folgenden Form ein, der die
Unterschiede zwischen Luft und Heißgas berücksichtigt:
κ −1
p0
cp 1 −
κ
pt3
z := · κ−1 , (14.36)
cp p0 κ
1 − pt3
1360 14 Berechnung realer Triebwerke
1.120 β Tt 4
z 0.017 1800
0.017 1600
1.096
0.034 1800
1.084 0.017 1400
1.072 0.034 1600
0.017 1200
1.060
0.034 1400
1.048 0.034 1200
1.036
1.024
1.012
1.000
1 6 11 16 21 26 31 36 41 pt3/p0 51
Abb. 14.3 Faktor z = z(pt3 /p0 , Tt4 , β) nach Gl. (14.36), aufgetragen über dem Druckverhältnis
pt3 /p0 . Die Kurven basieren auf den Zahlenwerten der Tab. 18.1 und 18.2
Basierend auf den Daten der Tab. 18.1 und 18.2 wurde der Faktor „z“ entsprechend
der Gl. (14.36) in Abb. 14.3 über dem Druckverhältnis pt3 /p0 in Abhängigkeit der
Temperatur Tt4 und der Brennstoff/Luft-Verhältnis β aufgetragen. Aus Gründen der
Vereinfachung wird im weiteren Rechnungsgang „z“ mathematisch als ein konstanter
Mittelwert angesetzt, für dessen Zahlenwerte in etwa gilt:
Das Temperaturverhältnis Tt4 /T0 wurde entsprechend der Gl. (7.15) als die dimensionslose
Turbineneintrittstemperatur τλ in Gl. (14.37) ausgedrückt. Außerdem kann nun noch das
14.2 Rein thermodynamische Betrachtung realer Turbojetkreisprozesse 1361
Der Einlaufdruckverlust auf Grund von Reibung πER kann z. B. mit der nachfolgenden Glei-
chung in Abhängigkeit der Unterschallflugmachzahl Ma0 abgeschätzt werden1 : Mattingly
2006:
πER = 0.9779924154 + 0.1732643545 · Ma0 −
− 0.4352385998 · Ma20 +0.2255847454 · Ma30 (14.40)
Im Überschallflugfall muss πER sonst wie bekannt sein, da der Wert nicht unbedingt mit der
Gl. (14.40) berechnet werden kann, da sie im engeren Sinne ja nur für den Unterschallflug
gilt. Im hier vorliegenden Text wird im Überschallflugfall πER = 0.9416 gesetzt, was
Ma0 = 1 in Gl. (14.40) entspricht.
1
Die Gleichung ist die Umwandlung einer Kurve, die bei Mattingly (2006) zu finden ist, in ein
Polynom 3. Grades.
1362 14 Berechnung realer Triebwerke
w N 500 w Nmax
⎡ kW ⎤
id
⎢ ⎥
⎢ kg/s ⎥ w Nmax
⎣ ⎦
400
300
Ma 0 = 0.85 H0 = 11km Tt 4 = 1350 K
β = 0.02 Tt 4 / T0 = 6.231 π E = 0.98
200
z = 1.0939 κ = 1.4025 κ ′ = 1.3013
ηkomp 0.89 η exp 0.89
100 Ri = 287.057 J/(kg ⋅ K)
Ri′ = 287.189 J/(kg ⋅ K)
πVopt = 12.0 15.1 = πVopt
id
0
1 6 11 16 21 26 31 36 41 πV 51
Abb. 14.4 Vergleich der spezifischen Nutzarbeit |wN | des realen und des idealen Triebwerks-
kreisprozesses eines Turbojettriebwerks in Abhängigkeit des Verdichterdruckverhältnisses πV
Fehlerquadrate – auf der Basis des Kap. 18.14 – durch Polynome vierten Grades, deren
Genauigkeit (relative Streuung) geringer als 1 ‰ist, wie folgt angenähert:
Reine Luft
κ = 1.4342304304 −
− 9.1359789550 · 10−5 · T − 3.8565916334 · 10−8 · T 2 +
+ 4.2679985173 · 10−11 · T 3 − 8.7888475940 · 10−15 · T 4 (14.43)
κ = 1.4311753800 −
− 1.1632215996 · 10−4 · T − 1.3813101424 · 10−8 · T 2 +
+ 3.1883058230 · 10−11 · T 3 − 7.0798850259 · 10−15 · T 4 (14.44)
κ = 1.4280563408 −
− 1.3828160074 · 10−4 · T + 8.3111024641 · 10−9 · T 2 +
+ 2.2188645633 · 10−11 · T 3 − 5.5444256045 · 10−15 · T 4 (14.45)
Für andere β-Werte, als die zuvor angegebenen, wird zwischen den Werten der Gln.
(14.44) und (14.45) linear interpoliert. Analog wurde mit den spezifischen Gaskonstanten
Ri für β = 0.017 und β = 0.034 in Tab. 18.1 verfahren. Die jeweiligen cp - und c p -Werte
wurden ebenfalls unter Verwendung der Tab. 18.2 mittels der Gaußschen Methode der
kleinsten Fehlerquadrate durch Polynome wie folgt angenähert. Die Ordnung des jeweils
verwendeten Polynoms richtet sich nach der erforderlichen Genauigkeit der zu erzielenden
Approximation.
Reine Luft
cp = 956.64646620 +
+ 8.0291254764 · 10−2 · T + 2.1783357653 · 10−4 · T 2 −
− 1.4416824609 · 10−7 · T 3 + 2.5965208351 · 10−11 · T 4 (14.46)
c p = 961.12558259 +
+ 1.2396141878 · 10−1 · T + 1.9698854538 · 10−4 · T 2 −
− 1.3777101350 · 10−7 · T 3 + 2.5027750389 · 10−11 · T 4 (14.47)
1364 14 Berechnung realer Triebwerke
c p = 965.45741663 +
+ 1.6619561995 · 10−1 · T + 1.7682894079 · 10−4 · T 2 −
− 1.3158413479 · 10−7 · T 3 + 2.4121117929 · 10−11 · T 4 (14.48)
Wird in die Gl. (14.36) das Ergebnis der Gl. (14.38) eingesetzt, so ergibt sich:
κ
− κ κ− 1 κ
− κ κ−1
1 − πV · πE · τ0κ − 1
cp
κ · Ri κ − 1 1 − π V · π E · τ 0
κ−1
z := · 1 = · ·
cp κ −κ− κ · Ri κ − 1 κ − κ−1
κ κ
1 − πV · πE · τ0κ −1
1 − πV · πE · τ0κ−1
(14.49)
In allen Berechnungen dieses Kapitels wird „z“ in Abhängigkeit der jeweiligen Werte
für πV , Ma0 und Tt4 berechnet. Hierbei hängen κ und Ri von Tt4 und von einem jeweils
vorzugebenden β-Wert ab. Der Wert für τ0 hängt entsprechend der Gl. (6.1) ausschließlich
von der Flugmachzahl Ma0 ab, ähnlich wie der Wert für πE , der unter Verwendung der
Gl. (14.41) ausschließlich in Abhängigkeit von Ma0 bestimmt wird. Die Werte für κ und
Ri sind die Standardwerte, die üblicherweise für Luft verwendet werden: κ = 1.4 und
Ri = 287.0488 Nm/(kg·K):
Die Abb. 14.4 zeigt, dass es, genauso wie es schon beim idealen Kreisprozess in Kap. 7 der
Fall war, sowohl ein Maximum der spezifischen Nutzarbeit als auch ein daraus resultie-
rendes Optimum des Verdichterdruckverhältnisses gibt. Aus Gl. (14.39) ist nun leicht zu
sehen, dass sowohl für τ0 · τE · τV = 1 als auch für τ0 · τE · τV = z · τλ · ηkomp · ηexp jeweils
der Betrag der spezifischen Nutzarbeit |wN | null wird. Irgendwo zwischen diesen beiden
Nullstellen liegt demzufolge ein Maximalwert für |wN |. Diesen kann man durch Ablei-
tung und anschließendes Zu-null-Setzen der Gl. (14.39) finden. Zur Vereinfachung dieses
Rechnungsganges werden nun per Definition die folgenden drei Abkürzungen eingeführt:
cp · T0
K1 := K2 := z · τλ · ηkomp · ηexp Y := τ0 · τE · τV
ηkomp
wN 700 H0 = 11km
⎡ kW ⎤ Ma 0 = 1.50
⎢ ⎥
⎢ kg/s ⎥ 560 τλ = 8 β = 0.02
⎣ ⎦
πE = 0.97
τ λ= 7 ηkomp = 0.85
420
ηexp = 0.88
τλ = 6 z = z(π V , τ λ , β )
280 κ = 1.4025
τλ = 5 κ ′ = κ ′(τ λ )
140 Ri′ = Ri′(β )
τλ = 4
τλ = 3
0
1 17 33 49 65 πV 81
Abb. 14.5 Spezifische Nutzarbeit |wN | des realen Kreisprozesses eines mit der Flugmachzahl
Ma0 = 1.5 fliegenden Turbojettriebwerks, aufgetragen über dem Verdichterdruckverhältnis πV
K2
K1 = K1 · ⇒ Y2opt = K2
Y2opt
√
Yopt = z · τλ · ηkomp · ηexp = τ0 · τE · τVopt
√ κ
z · τλ · ηkomp · ηexp κ−1
πVopt = (14.51)
τ0 · τE
Für ηkomp = ηexp = 1 und mit πE = 1 und z = 1 geht die Gl. (14.51) in die Gl. (7.60) des
idealen Turbojettriebwerks über. Die maximale spezifische Nutzarbeit ergibt sich dann,
wenn der obige Ausdruck mit Yopt = Y in Gl. (14.50) eingesetzt wird:
$ $
$wN $ = K1 · (Yopt − 1) · K2 − 1
max
Yopt
$ $
$wN $ = cp · T0 · (√z · τλ · ηkomp · ηexp − 1) · √z · τλ · ηkomp · ηexp − 1
max
ηkomp z · τλ · ηkomp · ηexp
$ $
$wN $ = cp · T0 · √z · τλ · ηkomp · ηexp − 1 2 (14.52)
max
ηkomp
In Abb. 14.5 ist die spezifische Nutzarbeit |wN | gemäß der Gl. (14.39) für verschiedene
τλ -Werte und für die Flugmachzahl Ma0 = 1.5 in einer Flughöhe von H0 = 11 km über
dem Verdichterdruckverhältnis πV aufgetragen. Zu jedem τλ gehört jeweils ein indivi-
duelles πVopt , das sich mit steigendem τλ zu größeren Verdichterdruckverhältnissen hin
verschiebt. Diese Ergebnisse des realen Turbojettriebwerks in Abb. 14.5 können mit denen
in Abb. 7.15, für ideale Turbojettriebwerke, verglichen werden.
1366 14 Berechnung realer Triebwerke
25.0
H0 = 11km
π Vopt τλ = 8
β = 0.02
20.2
π E = 1− 0.075 (Ma 0 − 1)
1.35
τλ = 7 für Ma 0 > 1
15.4 π E = 0.999 für Ma 0 ≤ 1
τλ = 6 ηkomp = 0.85
10.6 ηexp = 0.88
τλ = 5 z = z(π Vopt , τ λ , β )
κ = 1.4025
5.8 τλ = 4
κ ′ = κ ′(τ λ )
τλ = 3 Ri′ = Ri′(β )
1.0
0.0 0.6 1.2 1.8 2.4 Ma0 3.0
Die Abb. 14.6 zeigt die Auswertung der Gl. (14.51), in dem das optimale Verdichter-
druckverhältnis über der Flugmachzahl aufgetragen wurde. Für alle τλ -Werte strebt das
optimale Verdichterdruckverhältnis mit steigender Flugmachzahl gegen den Wert eins,
was dem Fall des Ramjets entspricht. Der Grenzfall des Turbojettriebwerks mit maximaler
spezifischer Nutzarbeit ist damit also das Staustrahltriebwerk.
FS = c9 · (1 + β − α) − c0 (14.53)
Setzt man hierin voraus, dass β − α 1 gelten soll, also dass die Differenz aus Brennstoff-
und der Zapfluftmassenstrom viel, viel kleiner als der angesaugte Luftmassenstrom ist, so
ergibt sich zusammen mit Gl. (14.4):
+
c92 − c02
|wN | = ⇒ c9 = 2 · |wN | + c02
2
+
FS = 2 · |wN | + c02 − c0 (14.54)
Das Einsetzen der Gl. (14.39) ergibt dann die Beziehung für den spezifischen Schub des
Turbojettriebwerks:
14.2 Rein thermodynamische Betrachtung realer Turbojetkreisprozesse 1367
τ0 · τE · τV − 1 z · ηkomp · ηexp · τλ
FS = 2 · c p · T0 · · − 1 + c02 − c0 (14.55)
ηkomp τ0 · τ E · τ V
Das Einsetzen der Gl. (14.52) in die Gl. (14.54) ergibt die Beziehung für den maximalen
spezifischen Schub des Turbojettriebwerks:
c p · T0 √
FSmax = 2 · · ( z · τλ · ηkomp · ηexp − 1)2 + c02 − c0 (14.56)
ηkomp
Für τ0 τE τV = 1 berechnet sich der spezifische Schub nach Gl. (14.55) zu null. Und
an der Stelle optimalen Druckverhältnisses πVopt gilt entsprechend der Gl. (14.51)
√
(τ0 · τE · τV )opt = z · τλ · ηkomp · ηexp , sodass für (τ0 · τE · τV )2opt = z · τλ · ηkomp · ηexp
nach Gl. (14.55) auch wieder ergibt, dass der spezifische Schub FS null ist, da ja an dieser
Stelle dann τ0 · τE · τV = (τ0 · τE · τV )2opt = z · τλ · ηkomp · ηexp gilt und damit die eckige
Klammer in Gl. (14.55) zu null wird.
Die Abb. 14.7 zeigt die numerische Auswertung der Gl. (14.55) für einen Turbojet
mit unterschiedlichen Verdichterdruckverhältnissen. Der Sonderfall mit πV = 1 ergibt die
entsprechende Kurve für das Staustrahltriebwerk (Ramjet). Bei konstantem Verdichter-
druckverhältnis πV = const nimmt der spezifische Schub FS = c9 – c0 mit der Flugmachzahl
Ma0 bzw. mit c0 ab. Ursächlich hierfür ist, dass mit steigender Fluggeschwindigkeit c0 zwar
auch die Triebwerksaustrittsgeschwindigkeit c9 ansteigt, aber offensichtlich nicht so stark
wie c0 . Der Gradient c9 / c0 liefert stets Werte kleiner als eins. Abb. 14.7 zeigt auch,
dass hinsichtlich des spez. Schubes der Ramjet bei Flugmachzahlen unterhalb von 2 dem
Turbojet unterlegen ist. Etwa ab dann aber hat der Ramjet zunehmend Schubvorteile auf-
zuweisen. Im Bodenstandfall produziert der Ramjet – im Gegensatz zum Turbojet – keinen
Schub, da in diesem Fall sein Kreisprozess$ keine
$ Druckerhöhung aufweist, sodass auch kei-
ne spezifische Nutzarbeit |wN | = qzu − $qab $ erzeugt wird, die zur Schubproduktion aber
unabdingbare Voraussetzung ist. Abb. 14.7 zeigt des Weiteren, dass der spezifische Schub
des Ramjet ein Maximum hat, das in etwa bei der Flugmachzahl Ma0 liegt, bei der es auch
beim idealen Ramjet entsprechend Abb. 7.7 zu finden ist. Beim realen Ramjet fällt der
spezifische Schaub etwas geringer aus, als es beim idealen Ramjet der Fall war. Vergleicht
man die FS -Kurven in Abb. 14.7 mit denen des idealen Turbojettriebwerks in Abb. 7.8,
so ist festzustellen, dass die Unterschiede zwischen idealem und realem Triebwerk nicht
sonderlich gravierend sind. Insbesondere bei kleinen Verdichterdruckverhältnissen fallen
die Unterschiede nur gering aus.
Die Auswertung von Gl. (14.56) zeigt Abb. 14.8. Wie schon in Abb. 14.7 für den
allgemeinen spezifischen Schub zu erkennen war, so fällt auch der maximale spezifische
Schub FSmax mit zunehmender Flugmachzahl Ma0 ab, wobei aber nun – im Gegensatz
zu Abb. 14.7 – das optimale Verdichterdruckverhältnis kontinuierlich kleiner wird. Im
rechten Teil von Abb. 14.8 begrenzen die Werte πVopt = 1 jeweils den Verlauf für FSmax .
1368 14 Berechnung realer Triebwerke
1000 H0 = 11km
π E = 1− 0.075 (Ma 0 − 1)
1.35
FS Tu
r β = 0.02
bo
⎡ N ⎤ jet für Ma 0 < 1 τ λ = 6.5
⎢ ⎥
⎢ kg/s ⎥ π E = 0.999 für Ma 0 ≤ 1 ηkomp = 0.85
⎣ ⎦ πV
=5
ηexp = 0.88
600
z = z(π V , τ λ , β )
πV =
2 κ = 1.4025
400 κ ′ = 1.2991
1.0
= J
Ri′ = 287.189
tπ
V
je πV = 2 kg ⋅ K
200 10
m
20 πV = 5
Ra
40
30
2.03
0
0.0 0.8 1.6 2.4 3.2 Ma0 4.0
π E = 1− 0.075 (Ma 0 − 1)
1.35
1000 π Vopt = 17.30
für Ma 0 > 1 H0 = 11km
FSmax π Vopt = 13.03 π Vopt = 13.92 β = 0.02
π E = 0.999 für Ma 0 ≤ 1
⎡ N ⎤ τλ =
ηkomp = 0.85
⎢ ⎥ 10.82
8
Verbindungslinie
⎢ kg/s ⎥ π Vopt = 9.37 ηexp = 0.88
⎣ ⎦ τλ =
π Vopt = 3.64 aller [Ma 0 ]
π =1.0
Vopt
600
8.10 7 z = z(π Vopt , τ λ , β )
2.83
π Vopt = 6.31 τλ =
5
τλ = κ = 1.4025
5.75 6
2.12 κ ′ = κ ′(τ λ )
τλ =
400 π Vopt = 4.21 4 J
π Vopt = 1.0
3.78 1.50 Ri′ = 287.189
τλ = π Vopt = 1.0 kg ⋅ K
3
200 2.22
π V = 20 τ λ = 6.5
allgemeiner spez. Schub FS π Vopt = 1.0 π V = 30 τ λ = 6.5
entsprechend Abb. 14.7
0
0.0 0.6 1.2 1.8 2.4 Ma0 3.0
Abb. 14.8 Maximaler spezifischer Schub FSmax des idealen Turbojettriebwerks, aufgetragen über der
Flugmachzahl Ma0 , mit der dimensionslosen Turbineneintrittstemperatur τλ als Parameter
ṁB qzu
BS := = (14.57)
F FS · Hi · ηBK
Für den spezifischen Schub FS wird Gl. (14.55) verwendet. Für die, dem Prozess zugeführte
spezifische Wärme qzu kann auf der Basis der Gl. (6.61) der Ausdruck:
aufgeschrieben werden. Für die darin vorkommende spezifische Wärmekapazität soll hier
anlog zu Gl. (18.147) und zu den Ausführungen im Kap. 18.2.4 der folgende Ausdruck zur
Anwendung kommen:
cp + c p
c̄pBK = (14.59)
2
Aus Gl. (14.58) wird dann:
Tt3 Tt3 T0
qzu = c̄pB K · Tt4 · 1 − = c̄pB K · Tt4 · 1 − ·
Tt4 T0 Tt4
Tt4 Tt3 T0 Tt3
qzu = c̄pB K · T0 · · 1− · = c̄pB K · T0 · τλ − (14.60)
T0 T0 Tt4 T0
Für den Kompressionswirkungsgrad ηkomp nach Gl. (14.28) kann zusammen mit Abb. 14.2
der folgende Ausdruck gebildet werden:
T
hkompS cp · (Tt3S − T0 )
t3S
T0
−1
ηkomp = = =
hkomp cp · (Tt3 − T0 ) Tt3
−1
T0
κ−1
Tt3 1 pt3 κ
=1+ · −1 (14.61)
T0 ηkomp p0
170 250
Ramjet
BS Ma0 = 3.0 BS πV = 1
⎡ kg/h ⎤ ⎡ kg/h ⎤
⎢ ⎥ ⎢ ⎥
⎢⎣ kN ⎥⎦ Ma0 = 2.5 ⎣⎢ kN ⎦⎥ πV = 2
130 170 3
Ma0 = 2.0 5
110 130 10 H0 = 11km
Ma0
20 β = 0.02
30 τ λ = 6.5
90 1.5 90
1.0 40 ηkomp = 0.85
0.5
ηexp = 0.88
70 0.0 50
1 11 21 31 41 51 0 1 2 3 4 5
πV Ma0
Wird dieser Ausdruck und die Gl. (14.55) in Gl. (14.57) eingesetzt, so ergibt sich schließlich
der nachfolgende Ausdruck für den spezifischen Brennstoffverbrauch:
c̄pBK · T0 1
BS = · τλ − 1 − · [τ0 · τE · τV − 1] ·
Hi · ηBK ηkomp
−1
τ0 · τE · τV − 1 z · ηkomp · ηexp · τλ
· 2 · c p · T0 · · − 1 + c02 − c0 (14.64)
ηkomp τ0 · τE · τV
Die Abb. 14.9 zeigt die Auswertung der Gl. (14.64), indem BS zum einen über dem Verdich-
terdruckverhältnis πV und zum anderen über der Flugmachzahl Ma0 aufgetragen wurde.
Die Abb. 7.10 zeigt analog dazu die entsprechenden Auswertungen für den idealen Tur-
bojet. Wie zu erwarten war, ist der spezifische Brennstoffverbrauch des realen Triebwerks
generell höher als der des idealen. Beim realen Turbojet weisen die Kurven außerdem für
den spezifischen Brennstoffverbrauch in Abhängigkeit des Verdichterdruckverhältnisses
nun ein Minimum auf, dass für kleine Flugmachzahlen bei sehr hohen Verdichterdruck-
verhältnissen – außerhalb des Diagramms – liegt. Mit zunehmender Flugmachzahl Ma0
wandert dieses Minimum zu immer kleineren Verdichterdruckverhältnissen πV hin. Beim
realen Kreisprozess des Turbojet fällt insbesondere auf, dass dort, wo der spezifische Schub
FS entsprechend Abb. 14.7 zu null wird, der spezifische Brennstoffverbrauch BS nun gegen
unendlich strebt, was beim idealen Kreisprozess nicht der Fall war. Die Abb. 14.10 zeigt,
dass für FS = 0 die spezifische Wärmeenergie qzu immer noch einen endlichen Wert hat.
Nach der Definitionsgleichung (14.57) für den spezifischen Brennstoffverbrauch BS , in der
14.2 Rein thermodynamische Betrachtung realer Turbojetkreisprozesse 1371
FS 600 600
H0 = 11km
⎡ N ⎤
⎢ ⎥ 502.51 Ma 0 = 2.0
qzu
⎢ kg/s ⎥
⎣ ⎦ 480 ⎡ kW ⎤
τ λ = 6.5 ⎢ ⎥
BS FS qzu ⎢ kg/s ⎥
β = 0.02 ⎣ ⎦
⎡ kg/h ⎤
⎢ ⎥ ηkomp = 0.85
⎢⎣ kN ⎥⎦ 360 360
η exp = 0.88
240 240
BS
120 120
107
[π V ]F
S max
= 2.9 [π V ]B
S min
= 32.5
0 0
1.0 11.8 22.6 33.4 44.2 πV 55.0
qzu im Zähler und FS im Nenner der Gleichung steht, führt dies dazu, dass BS gegen un-
endlich strebt, wenn FS → 0 läuft. Im Folgenden soll gezeigt werden, wie dies beim idealen
und beim realen Kreisprozess zusammenhängt.
idealer Kreisprozess
realer Kreisprozess
Kompressions- und Expansionswirkungsgrades ein$ endlicher $ Wert für qab verbleibt, der
exakt gleich einem qzu ist, sodass sich |wN | = qzu − $qab $ = 0 einstellt. Alle dem Kreispro-
zess in diesem Augenblick noch zuführbare Wärmeenergie wird durch die Kompressions-
und Expansionskomponenten des Triebwerks vollständig dissipiert (durch Reibung in
nicht weiter verwertbare Wärme gewandelt) und über das Abgas unmittelbar an die Um-
gebung abgegeben. Der thermische Wirkungsgrad ηth = |wN | /qzu strebt in diesem Fall
gegen null.
Für den Fall, dass z. B. für ein schnell fliegendes Kampfflugzeug ein leichtes und schub-
maximiertes Triebwerk zu entwickeln ist, verdeutlicht Abb. 14.10, dass einem solchen
Triebwerk ein Verdichter mit relativ kleinem Druckverhältnis genügt. Dieses lässt die
Abmaße des Verdichters gering und damit sein Gewicht klein werden. Bei hohen Flug-
machzahlen sind aber entsprechend hohe Werte beim spezifischen Brennstoffverbrauch
zu erwarten. Ist dagegen aber ein Triebwerk für ein – im Vergleich zum Kampfflugzeug
deutlich langsamer fliegendes – Transportflugzeug zu entwickelt, so wird hier der Wunsch
nach einem geringen spezifischen Brennstoffverbrauch im Vordergrund stehen, was folg-
lich einen Verdichter mit vergleichsweise hohen Druckverhältnissen erforderlich macht.
Diese Druckverhältnisse gehen gewöhnlich über die optimalen Verdichterdruckverhältnis-
se hinaus. Entsprechende Verdichter fallen dadurch voluminöser und somit auch schwerer
aus, was für die Transportkapazität des Flugzeuges auf den ersten Blick nachteilig zu sein
scheint. Es lässt sich aber zeigen, dass ein solches schwereres Triebwerk ab einer gewissen
Reichweite trotzdem die wirtschaftlichere Lösung darstellt, da ab dann die mitzuführen-
de Brennstoffmasse mB erheblich geringer ist als bei einem Triebwerk, das bei geringen
Druckverhältnissen, in der Nähe von FSmax fliegt.
Abbildung 14.9 zeigt die zu erwartenden Brennstoffverbräuche BS des realen Tur-
bojettriebwerks, aufgetragen über einen weiten Bereich von Flugmachzahlen Ma0 und
Verdichterdruckverhältnissen πV . Eine Erhöhung der Flugmachzahl Ma0 bei konstantem
Verdichterdruckverhältnis πV hat eine Steigerung der Verdichteraustrittstemperatur Tt3
(n−1)/n
zur Folge, da Tt2 = Tt0 größer wird und Tt3 = Tt2 · πV gilt, wenn n der Polytro-
penexponent ist. Wird nun gleichzeitig die Turbineneintrittstemperatur Tt4 aus Gründen
14.2 Rein thermodynamische Betrachtung realer Turbojetkreisprozesse 1373
der thermischen Materialbelastung konstant gehalten, so bedeutet der Anstieg von Tt3
mit Ma0 , dass in der Brennkammer die mögliche Zufuhr von spezifischer Wärmeenergie
qzu zunehmend begrenzt wird. Dasselbe trifft zu, wenn Ma0 und Tt4 bei steigendem πV
konstant gehalten werden. Entsprechend Abb. 4.10 nimmt qzu mit steigendem πc V bzw.
mit steigendem Tt3 – wie zuvor beschrieben – ab. Der anfängliche Anstieg des spezifischen
Brennstoffverbrauchs mit Ma0 (Abb. 14.9, rechts) ist damit zu erklären, dass – wie bei allen
Fahrzeugen – der erforderliche Energiebedarf mit zunehmender Geschwindigkeit ansteigt.
Die beschriebene Begrenzung der spezifischen Wärmezufuhr qzu bewirkt dann aber eine
Abflachung der Kurvenverläufe. Der danach folgende steile Anstieg der Kurvenverläufe
für den spezifischen Brennstoffverbrauch BS ist im Textteil zwischen den Abb. 14.10 und
14.11 ausführlich diskutiert worden.
Beispiel 14.1
Mittels des T-s-Diagramms des Turbojetkreisprozesses . . .
. . . begründe man, wie sich eine Verschlechterung des Kompressions- oder des Expansi-
onswirkungsgrades auf die spezifische Nutzarbeit |wN | des Kreisprozesses auswirkt, d. h.,
wird |wN | stärker durch eine Verschlechterung von ηkomp oder durch eine Verschlechte-
rung von ηexp verringert? Es soll bei dieser Betrachtung qzu jeweils unverändert bleiben, d.
h.: qzu = const.
. . . begründe man, warum zur Erzeugung von spezifischer Nutzarbeit |wN | eine
Druckerhöhung im Kreisprozess stattfinden muss.
Das Bild auf der nachfolgenden Seite zeigt die grafische Lösung des ersten Fragenteils.
Der obere Bildteil macht dabei einleitend noch einmal deutlich, dass die Diffe-
renz zwischen zu- und abgeführter spezifischer
$ $ Wärmeenergie gleich dem Betrag der
spezifischen Nutzarbeit ist: |wN | = qzu − $qab $.
Der mittlere Bildteil zeigt, wie sich für qzu = const der Kreisprozess verändert,
wenn sich der Kompressionswirkungsgrad ηkomp verschlechtert. Die Wirkungsgrad-
verschlechterung lässt den ursprünglichen Zustandspunkt 3 nach 3 hin wandern,
d. h., die Entropie erhöht sich hierbei um den Wert sab . Gleichzeitig verschiebt sich
der ursprüngliche Zustandspunkt 4 nach 4 um den Wert scd . Dabei fällt die Entro-
pieerhöhung bei der Expansion nicht ganz so hoch aus, wie die bei der Kompression,
sodass gilt: sab > scd . Ursächlich für diese Ungleichheit bei der Entropie ist die
vorgegebene Randbedingung qzu = const. Insgesamt gesehen kommt es also zu einer
Erhöhung der abgegebenen spezifischen Wärme: qabneu = qab + qabI und damit zu
einer Verschlechterung
$ $ bei der
$ vom $ Kreisprozess
$ $ nach außen abgegebenen spezifischen
Nutzarbeit: $wNneu $ = qzu − $qabneu $ < $wNalt $. Der ursprüngliche Zustandspunkt von 9
verschiebt sich dabei nach 9 um den Wert sef .
1374 14 Berechnung realer Triebwerke
T 4
qzu
qab
3
qzu
9
qab
0
s
4′
T
4
Verschlechterung
des Kompressions-
wirkungsgrades ηkomp
3
3 Flächengleichheit,
um qzu = const zu 9 9′ Erhöhung der
gewährleisten abgebenen
spezifischen
Wärmeenergie
um qabI
0
a b c d e f s
Δsab Δs cd
Δsef
T 4 Δsef
Verschlechterung
des Expansions-
wirkungsgrades ηexp
3
9 9′
Erhöhung der
abgebenen
spezifischen
Wärmeenergie
um qabII
0
e f′ s
14.2 Rein thermodynamische Betrachtung realer Turbojetkreisprozesse 1375
T qzu
qab
Tt4 = const 4 4 4
↓
9
3
9
3
↓
0 s
Der untere Bildteil auf der vorhergehenden Seite zeigt, wie sich für weiterhin unver-
ändertes qzu der Kreisprozess wandelt, wenn sich der Expansionswirkungsgrad ηexp
verschlechtert. Die Wirkungsgradverschlechterung lässt den ursprünglichen Zustands-
punkt 9 nach 9 wandern, d. h., die Entropie erhöht sich hierbei um den Wert sef .
Dieser Wert ist deutlich größer als das sef , das sich infolge einer Verschlechterung
des Kompressionswirkungsgrades ηkomp einstellte. Eine Verschlechterung des Expan-
sionswirkungsgrad ηexp erhöht also die abgegebene spezifische Wärmeenergie stärker
als es bei einer Verschlechterung des Kompressionswirkungsgrades ηkomp der Fall ist:
qabneu = qab + qabII .
Aus den zuvor gemachten Feststellungen kann umgekehrt natürlich auch geschlos-
sen werden, dass eine Verbesserung des Expansionswirkungsgrades einen stärkeren
Einfluss auf die Verbesserung des gesamten Triebwerkskreisprozesses hat als eine
Verbesserung des Kompressionswirkungsgrades.
Das Bild oben macht klar, warum zur Erzeugung von spezifischer Nutzarbeit |wN |
nicht nur eine Wärmezufuhr qzu ausreicht, sondern gleichzeitig auch noch eine Druck-
erhöhung im Kreisprozess stattfinden muss. Es ist zu erkennen, dass sich die Flächen
von qzu und qab immer mehr annähern, wenn die Druckerhöhung immer kleiner wird.
Führt man diese Tendenz gedanklich systematisch fort, so ergibt sich irgendwann der
Fall, dass qzu so klein wird, dass qab gleich oder gar größer wird. Im Grenzfall fallen
also die Zustandspunkte 0 und 3 aufeinander sowie auch die Zustandspunkte 4 und
.
9 Ohne Druckerhöhung wird also dann alle zugeführte Wärmeenergie unmittelbar
und vollständig wieder an die Umgebung abgegeben. Der Prozess gibt dann keinerlei
Nutzarbeit ab.
In Fortführung der bisherigen Beispielaufgabe diskutiere man nun, wie sich das Ver-
dichterdruckverhältnis πV ändern müsste, damit ein Turbojettriebwerk mit steigender
Flugmachzahl Ma0 (H0 = const, Tt4 = const) stets den maximalen spezifischen Schub
FSmax liefert. Wie ändert sich in diesem Fall die Bauart eines Strahltriebwerks, wenn es
für hohe Flugmachzahlen ausgelegt wird und welchen Grenzfall gibt es?
1376 14 Berechnung realer Triebwerke
+
FS = 2 · |wN | + c02 − c0
FS = FSmax ⇔ wN = wNmax
pt9
T p = p t5
4 t4
5 Tt 4 = Tt 9
Tt4
c92
pt3 = pt2 2cp
pt0
3
Tt3 = Tt0
2
p9 9 T9
c02
2cp
p0
T0 0
s
deutet, dass es keinen Verdichter gibt (pt3 = pt2 ). Ebenfalls fallen die Zustandspunkte
4
und 5 zusammen, was dann bedeutet, dass es auch keine Turbine gibt (pt4 = pt5 ). Die
Turbine ist natürlich als Verdichterantrieb entbehrlich, wenn es gar keinen Verdichter
14.2 Rein thermodynamische Betrachtung realer Turbojetkreisprozesse 1377
gibt. Die Geschwindigkeit c9 ist in einem solchen Fall dann die größte Geschwindigkeit,
die bei vorgegebenem Tt4 überhaupt erreicht werden kann. Eine Steigerung von c9 ist
nur durch eine Steigerung von Tt4 möglich. Diese Eigenschaft war auch schon beim
idealen Kreisprozess bei Abb. 7.2 ausführlich diskutiert worden.
Beispiel 14.2
In Anlehnung an das Beispiel 7.3, das für ideale Turbojettriebwerke galt, soll nun das-
selbe Strahlflugzeug betrachtet werden, aber jetzt unter dem Gesichtspunkt des realen
Triebwerkskreisprozesses. Das Strahlflugzeug wird von zwei Turbojettriebwerken ange-
trieben. Es hat in einer Flughöhe von H0 = 11 km (T0 = 216.65 K) bei einer stationären
Flugmachzahl von Ma0 = 1.5 einen Gesamtwiderstand von FW = 50 kN. Die Turbi-
neneintrittstemperatur ist Tt4 = 1 600 K. Für Luft gilt: κ = 1.4, Ri = 287 Nm/(kg · K),
cp = 1004.5 Nm/(kg · K). Für die Brennkammer soll c̄pBK = 1 134Nm/(kg · K) gel-
ten. Als Brennstoff findet Jet A-1 Verwendung: Hi = 4,31 · 107 Nm/kg. Weiterhin gilt
ηkomp = 0.85, ηexp = 0.88, ηBK = 0.98. Expansion auf den Umgebungsdruck, p9 = p0 ,
und vernachlässigbare Brennstoff- und Zapfluftmassenströme können vorausgesetzt
werden. Es ist mit z = 1.09 für den gegebenen Flugfall das optimale Verdichterdruck-
verhältnis zu berechnen, das bei maximalem spezifischem Schub vorliegt.
√ κ
z · τλ · ηkomp · ηexp κ−1
πVopt =
τ0 · τ E
κ −1
τ0 = 1 + · Ma20 = 1 + 0.2 · 2.25 = 1.45
2
κ−1 0.285714286...
τE = 1 − 0.075 · (Ma0 − 1)1.35 κ = (1 − 0.075 · 0.51.35 ) = 0.9915
Tt4 1 600
τλ = = = 7.3852
T0 216.65
√ 3.5
1.09 · 7.3852 · 0.85 · 0.88
πVopt = = 6.5
1.45 · 0.9915
Es sind der spezifische Schub und der spezifische Brennstoffverbrauch bei dem zuvor
ermittelten optimalem Verdichterdruckverhältnis zu bestimmen.
c p · T0 2
FSmax = 2 · · ( z · τλ · ηkomp · ηexp − 1) + c02 − c0
ηkomp
√
c0 = Ma0 · κ · Ri · T0 = 1.5 · 1.4 · 287 · 216.65 = 442.56 m/s
1 004.5 · 216.65 √ 2
FSmax = 2 · · ( 1.09 · 7.3852 · 0.85 · 0.88 − 1) + 442.562 − 442.56
0.85
FSmax = 688 N/(kg/s)
1378 14 Berechnung realer Triebwerke
qzu (πVopt )
BS = BS (πVopt ) =
FSmax · Hi · ηB K
1
qzu = qzu (πVopt ) = c̄pB K · T0 · τλ − 1 − · τVopt · τE · τ0 − 1
ηkomp
κ−1
τVopt = π = 6.186330.285714286... = 1.707
κ
Vopt
1
qzu = 1 134 · 216.65 · 7.3852 − 1 − · [1.707 · 0.9915 · 1.45 − 1]
0.85
= 1 148 432 W/(kg/s)
1 148 432 kg/s kg/h
BS = BS (πVopt ) = = 3.952 · 10−5 = 142.3
688 · 4.31 · 10 · 0.98
7
N kN
Mit nun z = 1.15 ist der spezifische Schub FS und der spezifische Brennstoffverbrauch
BS beim Verdichtertemperaturverhältnis τV = 4.17 zu bestimmen, bei dem eine
numerische Auswertung der Gl. (14.64) zeigt, dass dort das Minimum BSmin des
spezifischen Brennstoffverbrauchs vorliegt.
τ0 · τE · τV − 1 z · ηkomp · ηexp · τλ
FS = 2 · c p · T 0 · · − 1 + c02 − c0
ηkomp τ0 · τE · τV
FS =
1.45 · 0.9915 · 4.17 − 1 1.15 · 0.85 · 0.88 · 7.3852
2 · 1 004.5 · 216.65 · · − 1 + 442.562 −
0.85 1.45 · 0.9915 · 4.17
− 442.56
FS = 147.73 N/(kg/s)
qzu
BS =
FS · Hi · ηBK
1
qzu = c̄pBK · T0 · τλ − 1 − · [τV · τE · τ0 − 1]
ηkomp
1
qzu = 1 134 · 216.65 · 7.3852 − 1 − · [4.17 · 0.9915 · 1.45 − 1]
0.85
= 124 955 W/(kg/s)
124 955
BS = BSmin = = 2.0025 · 10−5 (kg/s)/N = 72.1 (kg/h)/kN
147.73 · 4.31 · 107 · 0.98
Es soll nun die jeweils vom Flugzeug mitzunehmende Brennstoffmasse mB für die
beiden zuvor berechneten Fälle FSmax und Bsmin berechnet werden, wenn die Flugzeit
t = 1 h beträgt.
mB = iTW · FTW · BS · t
14.2 Rein thermodynamische Betrachtung realer Turbojetkreisprozesse 1379
kg
FSmax für t = 5 h : mB = 2 · 25 000 N · 3.952 · 10−5 · · 5 · 3600 · s = 35 568.0 kg
s·N
kg
Bsmin für t = 5 h : mB = 2 · 25 000 N · 2.0025 · 10−5 · · 5 · 3600 · s = 18 022.5 kg
s·N
FSmax : mgest=1 h = 1 500 + 7 113.6 = 8 613.6 kg
mgest=5 h = 1 500 + 35 568.0 = 37 068.0 kg
Bsmin : mgest=1 h = 2 500 + 3 604.5 = 6 104.5 kg
mgest=5h = 2 500 + 18 022.5 = 20 522.5 kg
t = 1 h Flugdauer mges = 8 613.6 − 6 104.5 = 2 509.1 kg
t = 5 h Flugdauer mges = 37 068.0 − 20 522.5 = 16 545.5 kg
Bei Flugzeugen, die für längere Flugstrecken gedacht sind, ist es besser, das höhere
Triebwerksgewicht in Kauf zu nehmen und eine Triebwerksauslegung nach Bsmin anzu-
streben. Ein Auslegungskriterium, das insbesondere bei zivilen Flugzeugen anzutreffen
ist. Da aber das Bsmin im Allgemeinen erst bei sehr hohen Verdichterdruckverhältnissen
erreicht wird, fallen die realen Verdichterdruckverhältnisse zwar hoch aus, aber auf
jeden Fall nicht so hoch, dass wirklich BSmin erreicht wird. Da das Minimum von BS
aber sehr flach verläuft, fällt dies nicht sehr stark ins Gewicht. Für kurze Flugmissionen,
die insbesondere für schnelle, leistungsstarke militärische Kampfflugzeuge typisch sind,
ist es dagegen besser, das kleine und kompaktere Triebwerk zu wählen, das bei kleinen
Verdichterdruckverhältnissen größtmöglichen Schub FSmax zur Verfügung stellt.
Eine Zusammenfassung der Ergebnisse für den spezifischen Schub FS und den spezifischen
Brennstoffverbrauch BS zeigt die Abb. 14.12. Diese Art der Darstellung gilt als Auslegungs-
diagramm für Turbojettriebwerke, jeweils gültig für eine bestimmte Flughöhe H0 und eine
1380 14 Berechnung realer Triebwerke
800
π V = 10 πV = 5
⎡
N
⎣ π V = 20
πV = 3
⎣
FS ⎡
kg/s πV = 2
π V = 40
640
π V = 60
560
80 τλ = 8
τλ = 1
480 τλ = 7
100
400 H0 = 11km
τλ = 6
Ma 0 = 1.5
320 τλ = 5 β = 0.02
240 τλ = 4 ηkomp = 0.85
160 ηexp = 0.88
τλ = 3
ηBK = 0.98
80
⎡kg/h
⎣
⎣ kN
0 BS
⎡
70 90 110 130 150 170 190 210 230 250 270
Abb. 14.12 Spezifischer Schub FS des realen Turbojettriebwerks, aufgetragen über dem spe-
zifischen Schub BS für eine ausgewählte Überschall-Flugmachzahl Ma0 . Parameter sind das
Verdichterdruckverhältnis πV und die dimensionslose Turbineneintrittstemperatur τλ = Tt4 /T0
bestimmt Flugmachzahl Ma0 . Zum Vergleich, wie sich die entsprechenden Daten bei einem
idealen Turbojet darstellen, kann Abb. 7.11 herangezogen werden.
Wird für einen Flug mit Ma0 = 1.5 in H0 = 11 km Höhe ein wünschenswertes Ver-
dichterdruckverhältnis von z. B. πV = 20 vorgegeben, so ist aus Abb. 14.12 zu entneh-
men, dass dann der minimale spezifische Brennstoffverbrauch bei einem Wert von ca.
BS = 105 (kg/h)/kN liegt. Der dabei erzielbare spezifische Schub beträgt etwa FS = 340
N/(kg/s). Die dimensionslose Turbineneintrittstemperatur liegt bei ca. τλ = Tt4 /T0 = 5.5,
was in einer Flughöhe H0 = 11 km einer Turbineneintrittstemperatur von Tt4 = 1 192 K
entspricht. Wird für einen Flug mit Ma0 = 1,5 in H0 = 11 km Höhe in einem weiteren Bei-
spiel die maximale thermische Dauerbelastung am Turbineneintritt mit τλ = Tt4 /T0 = 6.0
(Tt4 = 1 300 K) vorgegeben, so wäre mit einem Verdichterdruckverhältnis von πV = 5
ein maximaler spezifischer Schub von etwa FS = 510 N/(kg/s) bei einem spezifischen
Brennstoffverbrauch von BS = 138 (kg/h)/kN zu erreichen. Bei derselben thermischen
Belastung der Turbine ergäbe sich ein minimaler spezifischer Brennstoffverbrauch von ca.
BS = 94(kg/h)/kN, der mit einem Verdichterdruckverhältnis von etwa πV = 50 noch einen
spezifischen Schub von ca. FS = 240 N/(kg/s) ermöglicht. Die Beispiele zeigen, wie
man mithilfe eines solchen Diagramms relativ schnell die erforderlichen Eckdaten einer
gewünschten Triebwerksauslegung abgeschätzt werden können.
Hohe spezifische Schübe FS erfordern auch hohe thermische Turbinenbelastungen τλ ,
wobei das jeweils erzielbare Schubmaximum relativ flach verläuft, sodass das zugehörige er-
forderliche Verdichterdruckverhältnis πV durchaus in gewissen Bereichen variieren kann,
ohne zu weit vom Bestwert des Schubes abzuweichen, wogegen dabei aber der Einfluss
auf den spezifischen Brennstoffverbrauch deutlicher ausfällt. Die Abb. 14.12 verdeutlicht
nochmals, dass es nur aus Gründen eines günstigen spezifischen Brennstoffverbrauchs
14.2 Rein thermodynamische Betrachtung realer Turbojetkreisprozesse 1381
2
Prinzipiell kann dies auch bei geringen Flughöhen H0 mit entsprechend höheren T0 -Werten
auftreten, was aber für eine Triebwerksauslegung eher untypisch ist.
1382 14 Berechnung realer Triebwerke
270
t)
kg/h a mje
BS 1 (R
kN πV = πV
230 2
210
3
190
5
170
H0 = 11km 10
150 Ma 0 = 1.5 20
130 β = 0.02 40
60
ηkomp = 0.85 80
110 100
ηexp = 0.88
90
ηBK = 0.98
70
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 τ 11
λ
FS 1000
Ramjet π V = 1
⎡ N ⎤ 900
⎢ ⎥
⎢ kg/s ⎥
⎣ ⎦ 800 π V = 10 20 30 40 FS
BS
⎡ kg/h ⎤ 700 π
⎢ ⎥ BS
V =
⎢⎣ kN ⎥⎦ 600 10 =1
20 j et π V
30 Ram
500 H0 = 11km 40
400 Ma 0 = 1.5
β = 0.02
300
ηkomp = 0.85
200 ηexp = 0.88 BS
100 ηBK = 0.98
0
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 τ 11
λ
Abb. 14.14 Spezifischer Brennstoffverbrauch BS und spezifischer Schub FS des realen Turbojet-
Triebwerks, aufgetragen über der dimensionslosen Turbineneintrittstemperatur τλ = Tt4 /T0 für
eine ausgewählte Überschall-Flugmachzahl Ma0 . Parameter ist das Verdichterdruckverhältnis πV
Zusammen mit Gl. (14.1) für den Brennkammerwirkungsgrad ηBK ergibt sich die
tatsächlich in der Brennkammer zugeführte spezifische Wärmeenergie qzu .
|wN | |wN |
ηth = = · ηBK (14.65)
qB qzu
Werden hier nun die Gln. (14.39) und (14.63) eingesetzt, so erhält man:
z · ηkomp · ηexp · τλ
cp · (τ0 · τE · τV − 1) · −1
τ0 · τ E · τ V
ηth = · ηB K
c̄pB K · [ηkomp · (τλ − 1) − (τV · τE · τ0 − 1)]
z · ηkomp · ηexp · τλ
−1
cp τ0 · τ E · τ V
ηth = · ηB K · (14.66)
c̄pB K ηkomp · (τλ − 1)
−1
τV · τ E · τ 0 − 1
Zur weiteren Bearbeitung dieses Ausdrucks werden nun per Definition die nachfolgenden
Abkürzungen eingeführt:
cp
K1 := ηBK K2 := z τλ ηkomp ηexp K3 = ηkomp (τλ − 1) Y := τ0 τE τV
c̄pBK
1 + K 3 1 + K 3
Y1,2 = K4 ± K24 − K24 · = K4 · 1 ± 1 −
K4 K4
Man beachte, dass die Konstante K1 nicht mehr in der Lösung auftritt. Eine zahlenwertmä-
ßige Auswertung der obigen Gleichung zeigt außerdem, dass nur das negative Vorzeichen
vor der Quadratwurzel gelten kann:
1 K3
Y = τ0 τE τV = · 1− 1− 1− · (1 + K3 )
K3 K2
1−
K2
1 (τλ − 1)
τVth = 1− 1− 1− 1 + ηkomp (τλ − 1)
(τλ − 1) z τλ ηexp
τ0 τE 1 −
z τλ ηexp
(14.68)
Aufgrund der Gl. (14.38) kann nun hieraus schließlich das Verdichterdruckverhältnis, das
bei maximalem thermischen Wirkungsgrad auftritt, wie folgt angegeben werden:
⎧ ⎫ κ
⎪
⎪
⎪ κ−1
⎪
⎨ 1 (τλ − 1) ⎬
πVth = 1− 1− 1− 1 + ηkomp (τλ − 1)
⎪
⎪ (τλ − 1) z τλ ηexp ⎪
⎪
⎩ τ0 τE 1− ⎭
z τλ ηexp
(14.69)
Die Abb. 14.15 zeigt im linken Teil die Auftragung des thermischen Wirkungsgrades ηth
gemäß der Gl. (14.66) über dem Verdichterdruckverhältnis πV . Parameter ist die Flug-
machzahl Ma0 . Der Wert für den maximalen thermischen Wirkungsgrad, der sich ergibt,
wenn τV = τVth Gl. (14.68) als Wert τV in Gl. (14.66) eingesetzt wird, ist gesondert ge-
kennzeichnet worden. Unabhängig von der Flugmachzahl bleibt das jeweils bestenfalls
erreichbare Wirkungsgradmaximum immer dasselbe. Für die hier vorgegebenen Daten
ist dieser Wert ηth ≈ 0.56. Im Vergleich zum idealen Turbojet (Abb. 7.12) zeigt sich nun
beim realen Turbojet, dass nach Durchlaufen des erwähnten Maximums der thermische
Wirkungsgrad wieder abfällt. Hinzukommt, dass nach Gl. (14.66) nun auch der thermi-
sche Wirkungsgrad von τλ = Tt4 /T0 abhängt, was beim idealen Turbojet nicht der Fall war.
In Anlehnung an Abb. 14.10 kann der rapide Anstieg von ηth bei geringen Verdichter-
druckverhältnissen damit erklärt werden, dass zuerst |wN | bzw. FS steil ansteigt und qzu
gleichzeitig stark abfällt, wodurch der Ausdruck ηth = |wN | /qzu schnell größer wird. Der
weitere Anstieg von ηth erfolgt dann deutlich moderater, da in diesem πV -Bereich sowohl
qzu als auch |wN | abnehmen. Im Anfang nimmt dabei qzu schneller ab als |wN |, sodass der
Ausdruck ηth = |wN | /qzu nur gemäßigt größer wird. Danach läuft |wN | bzw. FS gegen null,
während qzu immer endlich bleibt, was bedeutet, dass ηth = |wN | /qzu schließlich auch null
werden muss. Zwischen dem Bereich des Anstiegs von ηth , und dessen Abfall auf null, muss
14.2 Rein thermodynamische Betrachtung realer Turbojetkreisprozesse 1385
Abb. 14.15 Thermischer Wirkungsgrad ηth , Vortriebs- und Gesamtwirkungsgrad ηV und ηges ,
aufgetragen über dem Verdichterdruckverhältnis πV für eine ausgewählte dimensionslose Turbi-
neneintrittstemperatur τλ = Tt4 /T0 . Parameter ist die Flugmachzahl Ma0
folglich ein Maximum liegen. In Abb. 14.15 ist links der Carnot-Faktor als bester über-
haupt erzielbarer thermischer Wirkungsgrad mit eingezeichnet worden. Die Berechnung
erfolgte nach Gl. (18.192) unter Verwendung der thermodynamischen Mitteltemperatur
T̄th entsprechend der Gl. (18.203). Für die Berechnung der Kurven in Abb. 14.15 erge-
ben sich – je nach Verdichterdruckverhältnis πV und dem sich daraus ergebenden T̄th –
unterschiedliche Werte für den Carnot-Faktor, sodass aus allen diesen Einzelwerten ein
arithmetischer Mittelwert η̄Car ≈ 0.805 gebildet wurde.
Der Vortriebswirkungsgrad ηP wird nach Gl. (6.143) berechnet, wenn dort für den
spezifischen Schub FS die Gl. (14.55) eingesetzt wird:
2
ηP = (14.70)
2 + FS /c0
Für τ0 · τE · τV = 1 berechnet sich der spezifische Schub nach Gl. (14.55) zu null. An der
Stelle optimalen Druckverhältnisses πVopt gilt entsprechend der Gl. (14.51) außerdem auch
√
(τ0 τE τV )opt = z τλ ηkomp ηexp , sodass sich für (τ0 τE τV )2opt = z τλ ηkomp ηexp gemäß der
Gl. (14.55) auch wiederum ergibt, dass der spezifische Schub FS null ist, da ja an dieser
Stelle dann τ0 τE τV = (τ0 τE τV )2opt = z τλ ηkomp ηexp gilt und damit die eckige Klammer
in Gl. (14.55) zu null wird. An der Stelle des optimalen Druckverhältnisses πVopt hat
der spezifische Schub FS sein Maximum, was bedeutet, dass nach Gl. (14.70) bei diesem
Druckverhältnis der Vortriebswirkungsgrad ηP ein Minimum haben muss. Dieses zeigt
der rechte Teil von Abb. 14.15 für unterschiedliche Flugmachzahlen Ma0 . Die diversen
ηP -Minima sind durch eine strichpunktierte Linie miteinander verbunden worden.
1386 14 Berechnung realer Triebwerke
1.0 H0 = 11km
ηth
ηP Ma 0 = 2.0
ηges
β = 0.02
0.8 ηP
τ λ = 6.5
ηkomp = 0.85
0.6 ηth ηexp = 0.88
ηBK = 0.98
0.4 ηges
0.2 κ
π v2opt ⋅ (τ 0 ⋅ τ E )κ −1
[π V ]F [π V ]ηthmax [π V ]BS
0.0 π Vopt
Smax
π Vth π Vmin
min
1.0 6.4 11.8 17.2 22.6 28.0 33.4 38.8 44.2 πV 55.0
Abb. 14.16 Thermischer Wirkungsgrad ηth , Vortriebs- und Gesamtwirkungsgrad ηP und ηges ,
aufgetragen über dem Verdichterdruckverhältnis πV für eine ausgewählte Flugmachzahl Ma0 und
eine ausgewählte dimensionslose Turbineneintrittstemperatur τλ = Tt4 /T0
Der Gesamtwirkungsgrad wird nach Gl. (6.151) berechnet, wenn im dortigen Ausdruck
für den spezifischen Brennstoffverbrauch BS die Gl. (14.64) eingesetzt wird:
c0
ηges = = ηth · ηP (14.71)
BS · H i
Auch hieraus ist zu sehen, dass dort, wo der spezifische Brennstoffverbrauch sein Mini-
mum hat, der Gesamtwirkungsgrad ein Maximum haben muss. Dieses zeigt ebenfalls
der rechte Teil von Abb. 14.15 für unterschiedliche Flugmachzahlen Ma0 . Die diver-
sen ηges -Maxima sind durch eine strichpunktierte Linie miteinander verbunden worden.
Das alles zusammengefasst verdeutlicht schließlich noch einmal die Abb. 14.16 für eine
ausgewählte Flugmachzahl Ma0 = 2.0 und eine ausgewählte Turbineneintrittstemperatur
τλ = Tt4 /T0 = 6.5. Die Daten dieses Bildes werden ergänzt durch die dazu passende Darstel-
lung in Abb. 14.10. Die Lage der Verdichterdruckverhältnisse für maximalen spezifischen
Schub Fsmax (πVopt ) und für maximalen thermischen Wirkungsgrad ηthmax (πVmin ) können
mittel der Gln. (14.51) und (14.69) vorherbestimmt werden. Eine entsprechende analy-
tische Lösung für den minimalen spezifischen Brennstoffverbrauch BSmin (πVmin ) ist nicht
möglich. Das Verdichterdruckverhältnis, bei dem ganz rechts in Abb. 14.10 der spezifische
Schub FS wieder zu null wird, berechnet sich entsprechend der textlichen Ausführungen
unterhalb von Gl. (14.56) zu:
κ
FS = 0, ηth = 0, ηges = 0, ηP = 1 für πVFS =0 = πV2 opt · (τ0 · τE ) κ−1 (14.72)
14.2 Rein thermodynamische Betrachtung realer Turbojetkreisprozesse 1387
Sowohl die Kurven in Abb. 14.10 und 14.16 als auch die Kurven in den anderen Bildern
sind jeweils mit variablen z-Werten berechnet worden, sodass die in Abb. 14.10 und 14.16
dargestellten Maxima nicht 100 %ig mit den Werten übereinstimmen, die sich aus den Gln.
(14.51) und (14.69) als Einzelresultat ergeben würden. Erst wenn die Diagrammkurven mit
z = const berechnet und dann sowohl πVopt als auch πVth mit demselben z ausgerechnet
werden würden, wäre eine vollständige Übereinstimmung bei den Zahlenwerten gegeben.
Weiter oben wurde bereits erwähnt, dass gemäß Gl. (14.66) nun auch der thermische
Wirkungsgrad von τλ = Tt4 /T0 abhängt, was beim idealen Turbojet nicht der Fall war.
Den entsprechenden Zusammenhang beim realen Turbojet zeigt die Abb. 14.17. Der ther-
mische Wirkungsgrad ηth = |wN | /qzu wird mit steigender Turbineneintrittstemperatur
τλ = Tt4 /T0 besser, d. h., die Umwandlung von Wärme qzu (chemische Brennstoffenergie)
in Nutzarbeit |wN | bzw. spezifischen Schub FS verbessert sich. Was so im ersten Augenblick
ganz vorteilhaft aussieht, wird aber von dem Nachteil überschattet, dass gleichzeitig der
Vortriebswirkungsgrad ηP schlechter wird. Der Vortriebswirkungsgrad gibt eine Aussage
darüber, wie viel der vom Kreisprozess zu Verfügung gestellten spezifischen Nutzarbeit
auch tatsächlich in Vortrieb gewandelt werden kann. In Kap. 6.9 wurde dieser Zusammen-
hang im Rahmen der Begriffe Vortriebsleistung und Verlustleistung ausführlich diskutiert.
Ein schlechter Vortriebswirkungsgrad besagt, dass ein hoher Anteil der vom Kreisprozess
zur Verfügung gestellten spezifischen Nutzarbeit |wN | nicht in spezifische Vortriebsarbeit
(spezifische Schubarbeit) wF gewandelt werden kann, sondern als kinetische Energie im
Triebwerksstrahl hinter dem Triebwerk in der Atmosphäre verbleibt. Wobei unter spe-
zifischem Vortrieb4 das Produkt aus spezifischem Schub FS und Fluggeschwindigkeit c0
verstanden wird, wF = FS · c0 . Es handelt sich hierbei um einen Verlust, der rein aero-
thermodynamische Ursachen hat und nicht auf Dissipation (Reibung) basiert. Die guten
thermischen Wirkungsgrade rechts in Abb. 14.17 sind aufgrund der schlechten Vortriebs-
wirkungsgrade in diesem τλ -Bereich kein wirklicher Profit für das Triebwerk. Erst der
Gesamtwirkungsgrad ηges = ηth · ηP , also das Produkt der beiden Wirkungsgrade, gibt
Auskunft darüber, was wirklich vorteilhaft ist und was nicht. Da der Gesamtwirkungsgrad
ηges nach Gl. (6.151) dem spezifischen Brennstoffverbrauch BS umgekehrt proportional
ist, ηges ∼ 1/BS , ist es klar, dass der beste Gesamtwirkungsgrad, also sein Maximalwert,
immer da liegen wird, wo der spezifische Brennstoffverbrauch BS sein Minimum hat,
πVmin . Abbildung 14.17 zeigt diese Eigenschaft im unteren rechten Teil des Diagramms
recht deutlich. Für den dort dargestellten Fall müsste bei einem Verdichterdruckverhältnis
von πV = 20 = πVmin eine Turbineneintrittstemperatur von ca. Tt4 = 1 200 K (τλ = 5.5)
vorliegen, um den Punkt minimalen Brennstoffverbrauchs und damit den Punkt be-
sten Gesamtwirkungsgrades zu erreichen. Für eine Flugmachzahl Ma0 = 1.0 müsste etwa
4
Unter Vortrieb eines Flugzeuges (Triebwerks) wird hier verstanden, welche Fluggeschwindigkeit
c0 mit einem gegebenen Schub F schließlich erzielt werden kann, PF = F · c0 [W]. Im besten Fall, der
aber nie erreichbar ist, ist diese Schubleistung PF gleich der vom Triebwerk abgegebenen Nutzlei-
stung |PN |. Es existiert immer eine Differenz zwischen diesen beiden Leistungen, was Verlustleitung
genannt wird. Ein Maß für diese Verlustleistung ist der Vortriebswirkungsgrad, siehe dazu auch Kap.
6.9 . . . 6.13.
1388 14 Berechnung realer Triebwerke
ηth 1.0
ηP ηP R π V = 10 20 40 60
am ηP
ηges jet
(π
0.8 V =1
)
πV
H0 = 11km 60
Ma 0 = 1.5 40
0.6
20
β = 0.02 ηth 10
ηkomp = 0.85
0.4 ηexp = 0.88 πV
ηges 60
ηBK = 0.98 40
20
10
0.2 ηth Ramjet (π V=1)
ηges Ramjet (πV=1)
0.0
1.0 1.9 2.8 3.7 4.6 5.5 6.4 7.3 8.2 9.1 τ λ 10.0
Abb. 14.17 Thermischer Wirkungsgrad ηth , Vortriebs- und Gesamtwirkungsgrad ηP und ηges ,
aufgetragen über der dimensionslosen Turbineneintrittstemperatur τλ = Tt4 /T0 für eine ausgewählte
Flugmachzahl Ma0 . Parameter ist das Verdichterdruckverhältnis πV
πV = 20 und τλ = 4,5 (Tt4 = 975 K) gewählt werden und für Ma0 = 2.0 etwa πV = 20 und
τλ = 6.0 (Tt4 = 1 300 K). Alles in allem also Werte, die durchaus realisierbar sind. Mini-
maler Verbrauch und optimierte Wirkungsgrade lassen sich also stets in Einklang bringen,
aber eben nicht bei einer gleichzeitig maximierten Leistung, FSmax .
Für ein Staustrahltriebwerk (Ramjet) verläuft ab etwa τλ = 3 der thermische Wirkungs-
grad nahezu konstant. Der beste Gesamtwirkungsgrad ηges stellt sich für den in Abb. 14.17
zu Grunde gelegten Flugfall bei einem vergleichsweise kleinen τλ -Wert von ca. τλ = 4 ein.
Für Flugmachzahlen zwischen Ma0 = 3 . . . 4, also für Flugfälle, die für Staustrahltrieb-
werke eher typisch sind, würden sich beste Gesamtwirkungsgrade etwa bei τλ = 6 . . . 8
einstellen.
Die Abb. 14.18 zeigt den Einfluss des Produktes aus Kompressions- und Expansions-
wirkungsgrad (ηkomp · ηexp ), das in den diversen Gleichungen auftritt, auf die drei bisher
behandelten thermodynamischen Triebwerkswirkungsgrade ηth , ηP und ηges für drei un-
terschiedliche Flugfälle. Die Ergebnisse sind ähnlich. Der in Abb. 14.18 dargestellte „Fall
B“ entspricht in etwa den bisher dargestellten Rechnungen, in denen der Kompressions-
und der Expansionswirkungsgrad ungefähr gleich groß waren. Im „Fall A“ wird dann
im Vergleich dazu der Expansionswirkungsgrad nahezu perfektioniert und im „Fall C“
dann der Kompressionswirkungsgrad. Beim thermischen Wirkungsgrad ηth ist zu sehen,
dass die Optimierung des Expansionswirkungsgrades ηexp den stärksten Einfluss auf den
thermischen Wirkungsgrad hat, wogegen der Kompressionswirkungsgrad ηkomp einen we-
niger starken Einfluss zeigt. Ein signifikanter Einfluss auf den Vortriebswirkungsgrad ηP
ist kaum zu verzeichnen. Die Einflüsse beim Gesamtwirkungsgrad ηges haben ihre Ursa-
14.3 Einfaches Syntheseverfahren zur Vorauslegung . . . 1389
1.0
ηth C Fall A
ηP Ma0 = 1.0 B ηkomp = 0.6
ηges A Ma0 = 2.0
C ηexp = 0.983
0.8 B ηth
A ηP Fall B
ηges
ηkomp = 0.6
0.6
A A ηexp = 0.6
Fall C
0.4 ηkomp = 0.983
ηexp = 0.6
B
0.2 B C
C τ λ = 6.5
ηBK = 0.98
0.0 β = 0.02
1 19 37 55 73 91 1.0 5.8 10.6 15.4 20.2 25.0
πV πV
Abb. 14.18 Einfluss der Aufteilung des Kompressions- und des Expansionswirkungsgrades auf die
drei Triebwerkswirkungsgrade ηth , ηP und ηges für zwei unterschiedliche Flugmachzahlen Ma0
Das hier beschrieben Verfahren ist eine Weiterentwicklung des mehr oder weniger trivialen
Syntheseverfahrens aus Kap. 6.16.2 für einen 2-welligen Turbofan mit separaten Schub-
düsen. Die Weiterentwicklung besteht darin, dass nun in den Rechnungsgang aus Kap.
6.16.2 Verluste mit einbezogen werden und außerdem eine einfache Berücksichtigung der
Veränderung von κ und cp in Abhängigkeit der Temperatur mit in den Rechnungsgang
aufgenommen wird.
1390 14 Berechnung realer Triebwerke
Bis zum Eintritt in die Brennkammer sollen für den Isentropenexponent κ und die spezi-
fische Wärmekapazität cp die folgenden konstanten Stoffwerte für die Strömung der Luft
gelten:
Ab dem Austritt aus der Brennkammer sollen für den Isentropenexponent κ und die
spezifische Wärmekapazität cp dann die folgenden konstanten Stoffwerte für die Strömung
des Heißgases gelten:
Für das in Abb. 14.19 gezeigte Turbofantriebwerk sollen im Folgenden der spezifische
Schub FS , der spezifische Brennstoffverbrauch BS , das Brennstoff/Luft-Verhältnis β und
die Wirkungsgrade ηth , ηP , ηges berechnet werden. Außerdem sind an allen Triebwerks-
stationen die statischen Drücke p, die Totaldrücke pt , die statischen Temperaturen T, die
14.3 Einfaches Syntheseverfahren zur Vorauslegung . . . 1391
AL AM AR AS
Fan- Sekundär-
stufe düse
Fang- p19 = p0
strom-
röhre mII mZ D.O
HDT
mB NDT
mI
Zuströmung
r2G
m0 = mI + mII r2N N2 mI + mB mZ
N1
p9 = p0
mI
mII
Über- 8
gangs-
Turbine
0 1 Einlauf 3BK4 5 stück 7 9
NDV B.Oa B.O HDV Brenn- Primär-
2 3
Verdichter kammer düse
Schub F = 33 000 N
Flughöhe H0 = 11 km
p0 = 0.2263 105 Pa
T0 = 216.65 K
Flugmachzahl Mac0 = 0.82
Verdichterdruckverhältnis πV = 22 = πNDV · πHDV
NDV-Druckverhältnis πNDV = 2
HDV-Druckverhältnis πHDV = 11
Fandruckverhältnis πFan = 1.64
Bypassverhältnis μ = 4.6
Turbineneintrittstemperatur Tt4 = 1 425 K
Zapfluft/Luft-Verhältnis α = 0.040
spezifischer Heizwert Jet A-1 Hi = 4.31 · 107 Nm/kg
Triebwerkeintrittsmachzahl Mac1 = 0.75
Verdichtereintrittsmachzahl Mac2 = 0.50 mit c2 = c3 und c12 = c13
Brennkammereintrittsmachzahl Mac3BK = 0.225
Schubdüseneintrittsmachzahl Mac7 = 0.34 mit c7 < c5 und c5 = c4
Nabenverhältnis am Verdichter eintritt
2 ν2 = 0.40 = r2N /r 2G
Max. zulässige Blattspitzenum umaxN2 = 475 m/s
fangsgeschwindigkeit der Roto ren auf der
N2-Well
Max. zulässige Blattspitzenum umaxN1 = 375 m/s
fangsgeschwindigkeit der Roto ren auf der
N1-Welle
Einlauftotaldruckverlust πE = 0.980
Diffusordruckverlust vor der Brennkammer πDiff = 0.980
Brennkammerdruckverlust infolge Reibung πBKR = 0.950
Druckverlust im Übergangsstück des πUI = 0.987
Primärkreises
Druckverlust im Übergangsstück des πUII = 0.995
Sekundärkreises
Druckverlust der Primärdüse πDI = 0.990
Druckverlust der Sekundärdüse πDII = 0.980
isentroper Fanwirkungsgrad ηFanS = 0.920
isentroper Verdichterwirkungsgrad ηVS = 0.870
isentroper NDV-Wirkungsgrad ηNDVS = 0.955
isentroper HDV-Wirkungsgrad ηHDVS = 0.911
isentroper Turbinenwirkungsgrad ηTS = 0.900
isentroper HDT-Wirkungsgrad ηHDTS = 0.9487
isentroper NDT-Wirkungsgrad ηNDTS = 0.948667
Verbrennungs-Ausbrenngrad ηBK = 0.990
Mechanischer Wirkungsgrad ηmech = 0.970
14.3 Einfaches Syntheseverfahren zur Vorauslegung . . . 1393
Vorbereitung der Berechnung Eine Basis der Berechnung ist die Verwendung des Ersten
Hauptsatzes der Thermodynamik für offene, stationär durchströmte Systeme, wenn der
Index E den Eintritt in eine Triebwerkskomponente beschreibt und der Index A den
Austritt:
ṁ
PEA + Q̇EA = ṁ · (hA − hE ) + · cA2 − cE2
2
cA2 cE2
wEA + qEA = hA + − hE + = htEA (14.76)
2 2
Hierin sind ṁ der Massenstrom, c die Strömungsgeschwindigkeit, P die Leistung, w die
spezifische Arbeit, Q̇ der Wärmestrom, q die spezifische Wärme, h die Enthalpie und ht
die so genannte Totalenthalpie:
c2
ht = h +
2
c2
cp · Tt = cp · T +
2
c2
Tt = T + (14.77)
2 · cp
Hierin sind Tt die Totaltemperatur, T die statische Temperatur und cp die spezifische
Wärmekapazität. Werden auf der rechten Gleichungsseite cp = κ · Ri /(κ − 1) und
√
c = Ma · κ · Ri · T bzw. c 2 = Ma2 · κ · Ri · T eingesetzt, so erhält man:
Tt κ −1
=1+ · Ma2 (14.78)
T 2
Unter Verwendung der Isentropenbeziehung in der Form Tt /T = (pt /p)(κ−1)/κ wird
daraus:
κ−1
κ
pt κ −1
= 1+ · Ma 2
(14.79)
p 2
Ausgehend von der Kontinuitätsgleichung ṁ = ρ · c · A, in die die allgemeine Gasglei-
chung und die Definition der Machzahl eingesetzt werden, erhält man:
ṁ p κ
=ρ·c = · c = p · Ma ·
A Ri · T Ri · T
√
Wir diese Gleichung nun mit dem Quotienten Tt /pt erweitert, so ergibt sich:
√ √
ṁ · Tt ṁred κ Tt
= = p · Ma · ·
A · pt A Ri · T pt
√ √
ṁ · Tt κ Tt /T
ϑ := = Ma · · (14.80)
A · pt Ri pt /p
√
Hierin ist ϑ der so genannte Massenstromparameter und ṁred := ṁ · ( Tt /pt ) der re-
duzierte Massenstrom, der bereits in Kap. 10.4.2.1 eingeführt wurde. Zur Unterscheidung
1394 14 Berechnung realer Triebwerke
zum reduzierten Massenstrom ṁred wird ṁ als der so genannte natürliche Massenstrom
bezeichnet.
In Kap. 18.1, in Kap. 1.4.5 wurden sowohl der isentrope als auch der polytrope
Wirkungsgrad für Verdichter und Turbinen vorgestellt.
Der Rechnungsgang Der folgende Text zeigt nun in kompakter Form den Ablauf des
Rechnungsganges, inklusive der sich dabei einstellenden Zahlenwerte.
Ebene ,
0 weit vor dem Triebwerk
c0 = Mac0 · κ · Ri · T0 = 241.935 m/s
Tt0 = T0 + c02 /(2 · cp ) = 245.785 K
pt0 = p0 · (Tt0 /T0 )κ/(κ−1) = 0.3520 · 105 Pa
√
ṁ0 · Tt0 κ Tt0 p0 √
ϑ0 = = Mac0 · · · = 0.0392235(s/m) · K
A0 · pt0 Ri T0 pt0
Ebene ,
1 Triebwerkseintritt
Ebene ,
2 Verdichtereintritt
Ebene ,
2.5 Niederdruckerdichteraus- und Hochdruckverdichtereintritt
Ebene ,
12 Faneintritt
Ebene ,
3 Verdichteraustritt
c3 = c2 = 153.341 m/s
pt3 = pt2 · πV = 0.7589 · 106 Pa
⎛ κ−1
⎞
π κ
− 1
Tt3 = Tt2 · ⎝1 + V ⎠ = 646.533 K
η VS
T3 = Tt3 − c32 / 2 · cp = 634.829 K
Mac3 = c3 κ · Ri · T3 = 0.3036
1396 14 Berechnung realer Triebwerke
(κ − 1)
κ−1
κ
p3 = pt3 1 + 2
Mac3 = 0.7119 · 106 Pa
2
√
(ṁI − ṁZ ) · Tt3 κ Tt3 p3 √
ϑ3 = = Mac3 · · · = 0.02007456 (s/m) · K
A3 · pt3 Ri T3 pt3
Ein ziviles Turbofantriebwerk besteht aus einer einzigen Fanstufe, das ist der rotierende Fan
und im Anschluss daran die so genannten Fanleitschaufeln. Da die Strömung hinter dem
rotierenden Fan einen Drall hat, ist es die Aufgabe der Fanleitschaufeln, die Strömung
wieder axial auszurichten. Die Fanstufe berechnet sich mit denselben Gleichungen, wie
zuvor der Verdichter, wenn dort anstelle des Verdichterdruckverhältnisses πV das ebenfalls
zahlenwertmäßig vorgegebene Fandruckverhältnis πFan verwendet wird. Der untere Teil
der Fanbeschaufelung gehört zum Verdichter des zentralen
Triebwerkteils (Primärstrom I) und nur der obere Fanschaufelanteil gehört zum
Sekundärstrom II des Triebwerks.
Ebene 3 BK , Brennkammereintritt
Nach dem Verdichter folgt ein Diffusor, der die Aufgabe hat, die Strömung vor dem Eintritt
in die Brennkammer soweit zu verzögern, dass die Flamme dort nicht ausgeblasen und dass
das brennende Gemisch nicht aus der Brennkammer in die Turbine hinaus getragen wird.
Darüber hinaus garantieren geringe Brennkammereintrittsmachzahlen geringe thermische
Totaldruckverluste in der Brennkammer selbst
(κ − 1)
T3B K = Tt3B K 1+ Ma2c3B K = 640.052 K
2
κ−1
κ
(κ − 1)
p 3B K = p3B K 1+ 2
Mac3B K = 0.7179 · 106 Pa
2
c3B K = Mac3B K · κ · Ri · T3B K = 114.10252 m/s
(ṁI − ṁZ ) Tt3B K κ Tt3B K p3B K
ϑ3 B K = = Mac3B K · ·
A3B K pt3B K Ri T3B K pt3B K
√
= 0.01524685 (s/m) · K
Ebene ,
4 Brennkammeraustritt – Turbineneintritt
ṁB mB
βst öch = = = 0.068067 (14.83)
ṁL,st öch mL
In diesem Zusammenhang soll an dieser Stelle nochmals klargestellt werden, dass hinsicht-
lich des Brennstoff-Luft-Verhältnisses β in der Primärzone (Brennzone) der Brennkammer
immer gilt:
da vom Verdichter viel mehr Luft kommt, als in der Brennzone der Brennkammer wirklich
benötigt wird. Da durch den Primärkreis eines Triebwerks also insgesamt immer viel mehr
Luft strömt, als zur Verbrennung notwendig ist (β < βBK , βstöch ), existiert immer ein
gewisser Luftüberschuss, der durch die so genannte Luftüberschusszahl λ nach Gleichung
(11.13) beschrieben wird:
βst öch ṁB /ṁLuft st öch ṁLuft
λ= = = (14.85)
β ṁB /ṁLuft ṁLuft st öch
Praktische Luftüberschusszahlen für Flugzeugtriebwerke liegen in einem Bereich von etwa
2 < λ < 4, was 0.034 > β > 0.017 für das Brennstoff-Luft-Verhältnis bedeutet.
Grundlegendes zur Berechnung der thermischen Brennkammerdruckverluste (heiße
Verluste) πBKth und viskosen Brennkammerdruckverluste (kalte Verluste) πBKR wurde sehr
ausführlich in den Kap. 11.6.4.1 und 11.6.4.2 behandelt. Eine Zusammenfassung zu den
Druckverlusten in einer Brennkammer wird durch die Gl.(11.17) gegeben, die zeigt, dass
sich die beiden genannten Verluste in der Brennkammer addieren:
ptBK pt4 ptR ptth
=1− = + = (1 − πBKR ) + (1 − πBKth )
pt3BK pt3BK pt3BK pt3BK
ptBK pt4
=1− = 1 − πBK = 2 − πBKR − πBKth = πBKR + πBKth − 1 (14.86)
pt3BK pt3BK
Weiterer zahlenwertmäßiger Rechnungsgang:
Mac4 = 0.38327 aus Gleichung (11.26)
nach 11 Iterationen (Genauigkeit 10−6 )
πBKth = 0.9540 aus Gleichung (11.24)
πBKR = 0.9500 hier als vorgegebener Wert oder u. U.
alternativ aus Gleichung (11.45)
πBK = πBKth + πBKR − 1 = 0.9040
pt4 = πBK · pt3 = 0.6723 · 106 Pa
Tt4 = 1 425.0 K als vorgegebener Wert
T4 = Tt4 1 + 0.5 · κ − 1 · Ma2c4 = 1 394.28 K
κ
p4 = pt4 1 + 0.5 κ − 1 Ma2c4 κ −1 = 0.6177 · 106 Pa
c4 = Mac4 · κ · Ri · T4 = 276.4316 m/s
√
(ṁI + ṁB − ṁZ ) · Tt4 κ Tt4 p4
ϑ4 = = Mac4 · · ·
A4 · pt4 Ri T4 pt4
√
= 0.02372725 (s/m) · K
β = 0.0244603 ausGleichung(14.81)
14.3 Einfaches Syntheseverfahren zur Vorauslegung . . . 1399
Ebene , 5 Turbinenaustritt
Es wird jetzt das Leistungsgleichgewicht zwischen Fan, Verdichter und Turbine ange-
setzt. Die Turbine, bestehend aus Hoch- und Niederdruckturbine (HDT + NDT), treibt
den Fan und den Nieder- und den Hochdruckverdichter (NDV + HDV) an. Im Hoch-
druckverdichter wird für gewöhnlich an unterschiedlichen axialen Positionen die Zapfluft
entnommen, was bei der Betrachtung des Leistungsgleichgewichts zu berücksichtigen ist.
Um aber diese Dinge im hier vorgestellten Rechnungsgang nicht zu sehr zu verkomplizie-
ren, soll hier vereinfachend angenommen werden, dass alle Zapfluft zwischen Nieder- und
Hochdruckverdichter, Ebene , 2.5 entnommen wird, wohl wissend, dass dies nicht ganz
korrekt ist.
c5 = c4 = 276.4316 m/s
wFan = cp · (Tt13 − Tt12 ) = 40 741.933 W/ kg/s
wV = cp · (Tt3 − Tt2 ) = 402 551.1619 W/ kg/s
wHDV = cp · (Tt3 − Tt2.5 )
⎛ κ−1
⎞
π κ
− 1⎠
Tt2,5 = Tt2 · ⎝1 + NDV = 302.152 K
ηNDVs
wHDV = 345 930.7163 W/ kg/s
μ · wFan + wV − α · wHDV
|wT | = = 603 320.6155 W/ kg/s
(1 + β − α) · ηmech
Tt5 = Tt4 − |wT |/c p = 939.8857 K
T5 = Tt5 − c52 / 2 · c p = 909.164 K
Mac5 = c5 / κ · Ri · T5 = 0.47463
(Tt5 /Tt4 ) − 1 κ /(κ −1)
pt5 = pt4 · 1 + = 0.8574 · 105 Pa
ηTs
κ
p5 = pt5 / 1 + 0.5 · κ − 1 · Ma2c5 κ −1 = 0.7424 · 105 Pa
1400 14 Berechnung realer Triebwerke
Ebene
4.5 , Hochdruckturbinenaus- und Niederdruckturbineneintritt
Für die Schubdüseneintrittsebene wurde hier eine Machzahl mit Mac7 = 0.34. Die Vorgabe
dieses Zahlenwertes beruht auf der Kenntnis des Endergebnisses dieses hier vorgestellten
Gesamtrechnungsganges. Insbesondere darauf, dass der Schubdüsendurchmesser in der
14.3 Einfaches Syntheseverfahren zur Vorauslegung . . . 1401
Ebene 7 mit dem Gehäusedurchmesser der letzten Turbinenstufe identisch sein soll. Da
der letztgenannte Durchmesser aber erst ziemlich zum Schluss der Rechnung vorliegt,
wäre an dieser Stelle in einem praktischen Rechengang eine Iteration vorzusehen, die die
Machzahl Mac7 und die Durchmesser D7 und D5G aufeinander abstimmt. Aus Gründen
der Übersichtlichkeit wurde auf die Darstellung einer solchen Iteration hier verzichtet
und stattdessen das sich einstellende Iterationsendergebnis als Vorgabewert Mac7 in die
Rechnung eingefügt.
Ohne eine weitere Prüfung vorzunehmen, wird an dieser Stelle davon ausgegangen, dass
im engsten Querschnitt der konvergenten Primärdüse die Machzahl eins vorliegt, dass also
die Düse sperrt. Vom Basisprinzip her wäre u. U. natürlich auch denkbar, dass die Düse
nicht sperrt, sodass der Rechnungsgang dementsprechend alternativ zu ändern wäre.
Für eine Machzahl gleich eins im engsten durchströmten Querschnitt, ergeben sich aus
den Gln. (14.78) und (14.79) die folgenden beiden Zusammenhänge:
Tt κ + 1
= (14.87)
T 2
κ
pt κ + 1 κ −1
= (14.88)
p 2
√
(ṁI + ṁB − ṁZ ) · Tt8 κ Tt8 p8
ϑ8 = = Mac8 · · ·
A8 · pt8 Ri T8 pt8
√
ϑ8 = 0.03938725 (s/m) · K
Ebene ,9 Ebene hinter der primären Schubdüse, wo der statische Druck des Abgasstrahls
Ebene ,
18 engster Querschnitt = Austrittsebene der konvergenten Sekundärschubdüse
Ebene ,
19 Ebene hinter der sekundären Schubdüse, wo der statische Druck des
Abgasstrahls wieder den Umgebungsdruck p9 = p0 erreicht hat
An dieser Stelle des Rechnungsgangs sind nun alle erforderlichen Temperaturen, Drücke,
Geschwindigkeiten und Machzahlen an den diversen Triebwerksstationen bekannt. Nun
kann der spezifische Schub FS berechnet werden und aus ihm, da der Triebwerksschub
F bekannt ist, der erforderliche Luftmassenstrom ṁ0 und daraus dann die Teilmassen-
ströme ṁI und ṁII und anschließend über β = ṁB /ṁI der Brennstoffmassenstrom ṁB
und über α = ṁZ /ṁI der Zapfluftmassenstrom ṁZ . Mittels dieser Massenströme wird an-
schließend aus den diversen ϑi -Werten der bisherigen Rechnung der jeweils durchströmte
Triebwerksquerschnitt Ai berechnet, wenn der Index „i“ für die jeweilige Stationsnum-
mer benutzt wird. Dort wo durchströmte Kreisquerschnitte (nicht Kreisringquerschnitt!)
√
vorliegen, werden auch die Durchmesser D = 4 · A/π berechnet:
(1 + β − α) · c9 − c0 + μ · (c19 − c0 )
FS =
1+μ
FS = 190.6515 N/(kg/s)
ṁ0 = F/FS = 173.0907 kg/s
ṁI = ṁ0 (1 + μ) = 30.9090 kg/s
ṁII = μ · ṁ0 (1 + μ) = 142.1817 kg/s
ṁB = β · ṁI = 0.75604 kg/s
ṁZ = α · ṁI = 1.23636 kg/s
PZ = ṁZ · wHDV = 427.7 kW Leistung, die f ür die Bereitstellung der
Zapfluft aufzubringen ist. Vergleiche
Rechnungsgang in der Ebene . 5
Kontinuitätsgleichung
A0 = ṁ0 · Tt0 ϑ0 · pt0
D7 = 0.809736 m
A8 = (ṁI + ṁB − ṁZ ) Tt8 /(ϑ8 pt8 ) = 0.282694 m2
D8 = 0.59995 m
A9 = (ṁI + ṁB − ṁZ ) Tt9 /(ϑ9 pt9 ) = 0.343459 m2
D9 = 0.66129 m
A12 = ṁII · Tt12 /(ϑ12 · pt12 ) = 2.142203 m2
A2 + A12 = 2.6079 m2
A13 = ṁII · Tt13 /(ϑ13 · pt13 ) = 1.49516 m2
A18 = ṁII · Tt18 /(ϑ18 · pt18 ) = 1.079146 m2
A19 = ṁII · Tt19 /(ϑ19 · pt19 ) = 1.113235 m2
14.3 Einfaches Syntheseverfahren zur Vorauslegung . . . 1405
Sekundärstrom
r12N = r2G = 0.420085 m
A12
r12G = r12N
2
+ = 0.926475 m
π
+
rMII = 2
r12G + r12N
2
/2 = 0.7193147 m
Es soll nun im Weiteren Rechnungsgang davon ausgegangen werden, dass sich sowohl der
Verdichter als auch die Turbine aus so genannten Normalstufen zusammensetzen, was
bedeutet, dass der Mittenschnittradius (Euler-Radius) durch Verdichter, Brennkammer
und Turbine hindurch konstant bleibt, so kann an den Triebwerksstationen , 3 3 BK ,
4
und 5 jeweils die Schaufelhöhe br aus A/(2 · rMI · π) berechnet werden. Prinzipiell sieht
Für dieses Zahlenbeispiel ergibt sich der größte für die N2-Welle maßgebliche Gehäusera-
dius in der Ebene B.O am Hochdruckverdichtereintritt: rG,maxN2 = 0.3809 m. An dieser
Position tritt die größte Umfangsgeschwindigkeit der Hochdruckwelle auf, die laut Auf-
gabenstellung mit umaxN2 = 475 m/s nach oben begrenzt wurde. Die maximale Drehzahl
nN2 der Hochdruckwelle des Triebwerks ist dann:
Der Radius r12G ist damit diejenige Größe, mit der man auf den größten Triebwerksdurch-
messer (größten Querschnitt) des gesamten Triebwerks rückschließen kann:
AStirn = r12G
2
· π = 2.6966038 m2
Dieses ist die maximal, aerodynamisch wirksame Stirnfläche des Triebwerks ohne Gon-
del. Damit ist an dieser Stelle des Rechnungsgangs fast die gesamte Hauptgeometrie des
Triebwerks festgelegt. Was an dieser Stelle noch nicht berechnet werden kann, sind die
geometrischen Abmessungen der einzelnen Komponenten in Axialrichtung. So etwas kann
erst dann geschehen, wenn man sich intensiver mit der Auslegung und damit auch mit der
14.4 Komplexeres synthesebasiertes Berechnungsverfahren . . . 1407
β kg/s
BS = = 0.229104 · 10−4
FS · (1 + μ) N
kg/h
BS = 82.47753
kN
2
(1 + β − α) · c92 − c02 + μ · c19 − c02
ηth =
2 · β · Hi
ηth = 0.41114
2 · FS · c0 · (1 + μ)
ηP = 2 .
(1 + β − α) · c92 − c02 + μ · c19 − c02
ηP = 0.595934
ηges = ηth · ηP = 0.24501
Die Abb. 14.20 zeigt die maßstäbliche Auftragung aller zuvor ermittelten geometrischen
und aero-thermodynamischen Daten. Lediglich die axiale Erstreckung des Triebwerks
und aller seiner Komponenten ist frei interpretiert. Die zahlenwertmäßige Darstellung
der Stufenanzahlen von Verdichter und Turbine ist demzufolge ebenfalls mehr oder we-
niger frei erfunden. Dennoch ist das nach dieser relativ einfachen Methode berechnete
Turbofantriebwerk tendenziell in guter Übereinstimmung mit einem tatsächlichen Zwei-
stromtriebwerk. Einen deutlich weitergehenden und intensiveren Einstieg in diese Form
der Triebwerksauslegung ist mittels der eingangs bereits erwähnten kommerziellen und
allgemein zugänglichen Software GasTurbTM möglich Kurzke und Jeschke (2013). Der
interessierte Leser sei deswegen hier insbesondere auf diese Software verwiesen, das prak-
tisch alle heute vorkommenden Triebwerks- und Gasturbinenkonzepte berechnen und
die Ergebnisse grafisch sehr gut aufbereiten kann. Darüber hinaus bietet es die Möglich-
keit, sich sehr ausführlich und tief gehend mit praktisch allen Details von Gasturbinen
auseinanderzusetzen.
Die bisher vorgestellte Vorgehensweise zur Berechnung eines Triebwerks hatte im ersten
Schritt eine rein thermodynamische Basis, die vorteilhaft dafür ist, die grundlegenden
thermodynamischen Effekte zu verstehen und zu interpretieren.
1408 14 Berechnung realer Triebwerke
8 9
7
5
3 3BK AS
AR
Geschwindigkeit (axial, absolut)
Machzahl (axial, absolut)
statische Temperatur
statischer Druck
Totaltemperatur
Totaldruck
AM
2
AL
Primär- Sekundär-
3
Ma ⋅ 10
rM,I
[−]
kreis
rM,II
Ma
pt
Tt
p
c
T
[ms[
c
kreis
1
[K] [Pa]
3
103
10
pt
p
Tt
0
1120
1280
1440
800
160
480
320
1600
640
960
Abb. 14.20 Auftragung der Daten aus dem vorhergehenden vereinfachten Rechnungsgang für ein
reales zweiwelliges Turbofantriebwerk mit separaten Schubdüsen
Im zweiten Schritt wurde dann ein immer noch vergleichsweise einfaches Synthesever-
fahren vorgestellt, bei dem, im Vergleich zu den Trivialversionen aus den Kap. 6.16.1 und
6.16.2, nun auch Verluste mit in die Rechnung einbezogen wurden.
Im nun folgenden dritten Schritt wird zusätzlich auch noch die Abhängigkeit der
spezifischen Wärmekapazität cp und des Isentropenexponenten κ und damit auch der
spezifischen Gaskonstanten Ri von der Temperatur und der Gaszusammensetzung mit in
den Rechnungsgang aufgenommen. Damit erreicht die Darstellung zur Berechnung realer
Triebwerke einen Höchstwert an Komplexität der im Rahmen des hier vorliegenden Bu-
ches noch so gerade darstellbar ist. Eine ausführlichere Darstellung der vollständigen und
detaillierten Berechnung fortgeschrittenerer Triebwerkskonzepte, die über ein Turbojet-
und/oder Turbofantriebwerk hinausgehen, ist nicht mehr sinnig. Der interessierte Leser sei
14.4 Komplexeres synthesebasiertes Berechnungsverfahren . . . 1409
deswegen hier insbesondere auf das schon erwähnte Programm GasTurbTM (Kurzke und
Jescke 2013) verwiesen, das praktisch alle heute vorkommenden Triebwerks- und Gastur-
binenkonzepte berechnen und, die Ergebnisse grafisch sehr gut aufbereiten kann. Darüber
hinaus bietet es die Möglichkeit, sich sehr ausführlich und tiefgehend mit praktisch allen
Details von Gasturbinen auseinanderzusetzen5 .
Bei einem Syntheseverfahren zur Triebwerksberechnung werden die einzelnen Bauteil-
gruppen eines Triebwerks (Module) jeweils separat aero-thermodynamisch beschrieben.
Das gesamte Modell des Triebwerks wird dann schließlich durch Verknüpfung der ein-
zelnen Module über vorgegebene Ein- und Austrittsbedingungen und thermische und
mechanische Erhaltungssätze erzeugt. Bei der kommerziellen und allgemein zugängli-
chen Software GasTurbTM (Kurzke und Jeschke 2013) handelt es sich um ein solches
synthesebasiertes Verfahren.
Wie schon erwähnt, ist eine detaillierte und in jedem Punkt vom Leser nachvollziehbare
Darstellung des vollständigen Rechenablaufes eines Syntheseverfahrens im Rahmen eines
Lehrbuches nur sehr schwer möglich, insbesondere auch deswegen, weil im gesamten
Rechengang häufig Iterationen zum Finden diverser Lösungen erforderlich werden. Diese
Iterationen haben ihren Ursprung zumeist drin, dass sowohl die Temperaturabhängigkeit
der spezifischen Wärmekapazität cp und des Isentropenexponenten κ mit berücksichtigt
wird als auch deren Abhängigkeit von der Gaszusammensetzung, was für die Module nach
der Brennkammer von Interesse ist, wo das Gas nicht mehr reine Luft sondern ein Abgas
ist. Wie dies mathematisch aufbereitet und erfasst werden kann, zeigt Kap. 18.14 dieses
Buches im Detail. Die dort hergeleiteten Gleichungen eignen sich insbesondere für die
Programmierung eines Syntheseverfahrens.
Basis für die nachfolgend vorgestellte Berechnung ist das in Abb. 14.21 dargestellte
Einwellen-Turbojettriebwerk, das mit seinen markierten Triebwerksstationen die einzel-
nen behandelten Module eingrenzt. Die Schubdüse ist eine rein konvergente Düse. Alle
Module, außer der Brennkammer, sind adiabat. In allen Bauteilen kommt es infolge Rei-
bung zu Totaldruckverlusten, die durch Wirkungsgrade η und/oder Druckverhältnisse π
erfasst werden. Dem Verdichter kann Zapfluft entnommen werden, die an das Flugzeug
als Service-Air (Kabinendruck, Klimaanlage, Enteisung) abgegeben wird. Der Triebwerks-
austrittsebene 8 folgt eine weitere Ebene
9 hinter dem Triebwerk nach. In dieser Ebene
ist die Nachexpansion nach der konvergenten Schubdüse vom Druck p8 auf den Um-
5
Eine „Entry-Level-Version“ des Release 12 des Programms GasTurbTM , die zusammen mit Tutorials
zu Benutzung des Programms, auf der Website http://www.gasturb.de/software.html kostenlos zum
Download zur Verfügung steht, ermöglicht bereits uneingeschränkte Berechnungen zum Turbojet.
Turbofan und Turboshaft können vereinfacht simuliert werden. Dieses Angebot richtet sich primär
an Studentinnen/Studenten, die sich mit den Grundlagen von Gasturbinen beschäftigen wollen.
1410 14 Berechnung realer Triebwerke
Fang- Über-
strom- Einlauf Diffu- Brenn- Tur- gangs-
röhre (Diffusor) Verdichter sor kammer bine stück
0 1 2 3 3BK 4 5 7 8 9
E V DF BK T U D
A2 A3 A3BK A4 A5
D
θ = 20°
r2G
A0
p9 = p0
Ma0 r2N
A1 A7 A8
T0
p0
A9
Nach-
expansion
freie
Schub-
düse
Abb. 14.21 Einfaches Einwellen-Turbojettriebwerk, mit Modulen und Bezeichnungen, so wie sie
in der nachfolgenden Berechnung Verwendung finden
• Ma0 Flugmachzahl
• H0 Flughöhe in [m]
• F Schub in [N]
• πV Verdichterdruckverhältnis
• Tt4 Turbineneintrittstemperatur in [K]
• Mac1 axiale Zuströmmachzahl im Triebwerkseintritt
• Mac2 axiale Zuströmmachzahl im Verdichtereintritt
• Mac3B K axiale Zuströmmachzahl in die Brennkammer
• ν2 = rN2 /rG2 Nabenverhältnis im Verdichtereintritt
• ζDF Verlustkoeffizient des Diffusors vor der Brennkammer
pt3 − pt3
ζDF = ρ3 2 BK = 0.15 . . . 0.45 nach Lefebvre (1998)
2
· c3
• umax höchste überhaupt irgendwo zulässige Blattspitzenumfangsgeschwin-
digkeit in Verdichter und/oder Turbine
• α Zapfluft/Luft-Verhältnis (Service-Air)
• ηVs isentroper Verdichterwirkungsgrad
• ηTs isentroper Turbinenwirkungsgrad
• ηBK Brennkammerwirkungsgrad (Ausbrenngrad, Ausbrand)
• ηmech mechanischer Wirkungsgrad
• πBKR Brennkammer-Totaldruckverlust infolge Reibung
• πU Totaldruckverlust im Übergangsstück
14.4 Komplexeres synthesebasiertes Berechnungsverfahren . . . 1411
Darüber hinaus wird angenommen, dass c2 = c3 und das c4 = c5 gilt, also dass sich Ver-
dichter und Turbinen aus Repetierstufen zusammensetzen. Die Einlaufverluste werden in
Abhängigkeit der Flugmachzahl Ma0 nach den Gln. (14.40) bis (14.42) berechnet. Die ther-
mischen Totaldruckverluste πBKth in der Brennkammer werden entsprechend Gl. (11.26)
berechnet, ebenso wie die Brennkammeraustrittsmachzahl Mac4 . Die thermischen
Druckverluste in der Brennkammer addieren sich mit denen infolge Reibung:
• spezifische Schub: FS
• spezifischer Brennstoffverbrauch: BS
• Brennstoff/Luft-Verhältnis: β
• die Drehzahl: n
• der thermische Wirkungsgrad, Vortriebswirkungsgrad und Gesamtwirkungsgrad:
ηth , ηP , ηges
• polytroper Verdichter- und Turbinenwirkungsgrad: ηV , ηT
• Brennstoffmassenstrom, Zapfluftmassenstrom und Kühlluftmassenstrom: ṁB , ṁZ , ṁK
und 3 bzw. bei einer Turbine zwischen den Zustandspunkten 4 und 5 folgt z. B.
aus den Gln. (18.344) bis (18.346) – oder sinngemäß auch aus Gln. (18.150) – für die
Enthalpieänderung h:
T2
c p (T, β) · dT
h1,2 T1
c̄p1,2 (T, β) = =
T2 − T 1 T2 − T 1
h(Tt2 , Tt3 , β = 0) h (Tt5 , Tt4 , β)
c̄p2,3 (Tt , β = 0) = bzw. c̄p4,5 (Tt , β) = (14.91)
Tt3 − Tt2 Tt4 − Tt5
Hierin ist Tt2 < Tt3 und Tt5 < Tt4 . Ist nun beispielsweise bei einem Verdichter die Tempera-
tur Tt2 bekannt und sind außerdem sowohl dessen Verdichterdruckverhältnis πV als auch
dessen isentroper Verdichterwirkungsgrad ηVs nach Gl. (10.4) vorgegeben, so kann die
letztgenannte Gl.(10.4) wie folgt nach der Verdichteraustrittstemperatur Tt3 umgeformt
werden:
⎛ κ̄2,3 −1
⎞
κ̄2,3
⎜ π − 1⎟
Tt3 = Tt2 · ⎝1 + V ⎠ (14.92)
ηVs
In dieser Gleichung wird nun der Exponent (κ − 1)/κ mittels der Gl. (18.128)
durch die spezifische Gaskonstante Ri und die spezifische Wärmekapazität cp ersetzt,
(κ − 1)/κ = Ri /cp
⎛ Ri
⎞
c̄p2,3 (T,β=0)
⎜ π − 1⎟
Tt3 = Tt2 · ⎝1 + V ⎠ (14.93)
ηVs
Die endgültige Lösung für Tt3 wird nun iterativ gefunden, indem zuerst ein Zahlenwert
für Tt3 sinnvoll vorgeschätzt wird. Mit den dann bekannten Werten für Tt2 und Tt3 wird
aus Gl. (14.91) das zugehörige cp ermittelt. Vorausgesetzt, die spezifische Gaskonstante
Ri ist bekannt, so kann aus Gl. (14.93) ein neuer Zahlenwert für Tt3 berechnet werden.
Die Rechnung wird nun mit diesem neuen Tt3 -Wert wiederholt, und das solange, bis bei
Tt3 keine nennenswerte Änderung mehr festzustellen ist. Gewöhnlich sind nur drei bis
fünf Iterationsschritte dieser Art erforderlich, bis Tt3 mit einer Abweichung von ε < 10−3
angeben werden kann. Auf der Basis der Gl. (18.234) wird dann die statische Temperatur
T3 ebenfalls iterativ aus der nachfolgenden Gleichung ermittelt:
c32
T3 = Tt3 − (14.94)
2 · c̄p3 (T, β = 0)
14.4 Komplexeres synthesebasiertes Berechnungsverfahren . . . 1413
Hier ist jetzt Tt3 aus der vorhergehenden Rechnung bekannt. Bei bekannter Verdichter-
austrittsgeschwindigkeit c3 wird dann aus dieser Gleichung unter Einbeziehung der Gl.
(14.91) der Wert für T3 iterativ bestimmt. Da das Verdichterdruckverhältnis πV bekannt
ist, kann bei bekanntem Verdichtereintrittsdruck pt2 auch der Verdichteraustrittsdruck pt3
leicht angegeben werden:
Mithilfe der Entropiefunktion ϕs , Gl. (18.355) bis (18.356), wird nun abschließend auf der
Basis der Gl. (18.354) der statische Druck p3 wie folgt bestimmt:
pt3
p3 = ϕ (T ,Tt3 ,β=0)
(14.96)
e s 3
Hierin ist Ma0 die vorgegebene Flugmachzahl und Ri die spezifische Gaskonstante von
Luft. Die spezifische Wärmekapazität κ berechnet sich dann sinngemäß aus Gl. (18.128):
1
κ0 = κ0 (T0 , β = 0) = (14.98)
1 − [Ri /cp0 (T0 , β = 0)]
Die Totaltemperatur Tt0 weit vor dem Triebwerk berechnet ich auf der Basis der Gl.
(18.234) dann zu:
c02
Tt0 = T0 + (14.99)
2 · c̄p0
Kapitel beschrieben wurde. Der Totaldruck pt0 weit vor dem Triebwerk wird dann mittel
der Entropiefunktion ϕs ermittelt:
Zum Ende der hier vorgestellten Rechnung wird schließlich der Massenstrom ṁ0 bekannt
sein. Zusammen mit dem hier berechneten Wert für ϑ0 kann dann aus dem ganz rech-
ten Teil der Gl. (14.102) die durchströmte Fläche A0 berechnet werden. Analoges gilt
dann auch für alle anderen noch folgenden Triebwerksstationen. Der zuvor beschriebene
Rechenablauf sieht dann wie folgt aus6 :
6
Der hier dargestellte Rechenablauf ist insbesondere wegen der Lesbarkeit des Codes in FORTRAN
2008 (64-Bit) gehalten, auch wenn C/C++ - Code als moderner gilt, aber wegen seiner hierogly-
phenähnlichen Schreibweise für ein Buch wie dieses eher ungeeignet erscheint. Evtl. erforderliche
Sicherheitsabfragen, insbesondere bei den Iterationsschleifen, damit diese z. B. nicht unendlich ite-
rieren können, wurden aus dem Code entfernt, um die Darstellung so kompakt wie möglich zu
halten, ebenso wurde der Schutz vor Divisionen durch null etc. und auch die Kontrolle vor negativen
Radikanden u. Ä. entfernt.
14.4 Komplexeres synthesebasiertes Berechnungsverfahren . . . 1415
Da Mac2 vorgegeben ist, kann die statische Temperatur T2 über einen Iterationsprozess
aus den beiden nachfolgenden Gleichungen ermittelt werden:
Tt2 Tt2
T2 = = (14.105)
1+ κ̄2 −1
· Ma2c2 {1/(1−[Ri /c̄p2 ]) }−1
2 1+ 2
· Ma2c2
mit:
h(T2 , Tt2 , β = 0)
c̄p2 = (14.106)
Tt2 − T2
Der statische Druck p2 ergibt sich danach aus:
c2 = Mac2 · a2 (14.109)
Tt2 = Tt0
pt2 = pt0 * piEIN
T2 = Tt2/ (1.+0.5*(k(T0, 0.0) -1)*Mac2*Mac2)
T2x = Tt2
DO WHILE (ABS(T2-T2x) > 1.0E-03)
T2x = T2
cpx = Dh(T2x, Tt2, 0.0) / (Tt2 -T2x)
T2 = Tt2 / (1. + 0.5*((1./(1. -(Ri/cpx))) - 1.)*Mac2**2)
END DO
k2 = 1./(1. -(Ri/cpx))
p2 = pt2 / EXP(PHI(T2, Tt2, 0.0))
a2 = SQRT(k(T2, 0.0)*Ri*T2)
c2 = Mac2*a2
theta2 = (p2/pt2)* SQRT(Tt2/T2)*SQRT(k(T2, 0.0)/Ri)*Mac2
Mit dem c̄p2,3 -Wert nach Gl. (14.112) kann dann nach Abschluss der Iterationen auch die
spezifische Verdichterarbeit wV berechnet werden:
Auf der Basis der Gl. (18.157) wird nun mittels des bereits zuvor verwendeten c̄p2,3 -Wertes
der polytrope Verdichterwirkungsgrad ηV bestimmt:
Ri /c̄p2,3
ln (πV ) Ri ln (πV ) Tt3
ηV = = · mit τV = (14.116)
ln (Tt3 /Tt2 ) c̄p2,3 ln (τV ) Tt2
ṁ3
ṁ3 = ṁ0 − ṁZ ⇒ =1−α (14.123)
ṁ0
1418 14 Berechnung realer Triebwerke
der das aus dem Verdichter kommende Fluid vor dem Eintritt auf die vorgegeben Machzahl
Mac3BK verringern soll. In diesem Diffusor entsteht ein Totaldruckverlust, der über den
Verlustkoeffizienten:
pt3 − pt3BK
ζDF = 2 · (14.124)
ρ3 · c32
Tt3BK Tt3BK
T3BK = = ) * (14.126)
κ̄3BK − 1 1/(1 − [R i p3BK ]) − 1
/c̄
1+ · Mac3BK
2
1+ · Ma2c3BK
2 2
mit:
h(T3BK , Tt3BK , β = 0)
c̄p3BK = (14.127)
Tt3BK − T3BK
14.4 Komplexeres synthesebasiertes Berechnungsverfahren . . . 1419
CPR = 0.15
piDfBK = 1. - ((0.5*p3/(Ri*T3))*c3*c3*CPR/pt3)
pt3BK = pt3 * piDfBK
Tt3BK = Tt3
T3BK = T3
T3BKx = T2
DO WHILE (ABS(T3BK-T3BKx) > 1.0E-03)
T3BKx = T3BK
cpx = Dh(T3BKx, Tt3BK, 0.0) / (Tt3BK - T3BKx)
k3BKm = 1./(1.-(Ri/cpx))
T3BK = Tt3BK / (1. + 0.5*(k3BKm - 1.)*Mac3BK**2)
END DO
cp3BKm = cpx
k3BK = k(T3BK, 0.0)
k3BKm = 1./(1.-(Ri/cp3BKm))
p3BK = pt3BK / EXP(PHI(T3BK, Tt3BK, 0.0))
a3BK = SQRT(k(T3BK, 0.0) * Ri * T3BK)
c3BK = Mac3BK * a3BK
theta3BK = (p3BK/pt3BK)*SQRT(Tt3BK/T3BK)*SQRT(k(T3BK, 0.0)/Ri)*Mac3BK
Die spezifische Gaskonstante Ri des heißen Abgases berechnet sich nach den Gln. (18.341)
und (18.342):
R 8314.472 · (0.034524 + β · 0.035645)
Ri = = (14.134)
M i 1+β
Die Austrittsmachzahl Mac4 aus der Brennkammer soll hier unter Verwendung der Gl.
(11.26) iterativ bestimmt werden. Dazu wird der Isentropenexponent κ in der Ebene 3 BK
aus den bekannten Daten berechnet und der in der Ebene 4 sinnvoll vorgeschätzt:
1
cp3BK = cp (T3 BK , β = 0) ⇒ κ3BK = (14.135)
1 − (Ri /cp3BK )
h(T3 BK , Tt3BK, β = 0) 1
c̄p3BK = ⇒ κ̄3BK = (14.136)
Tt3BK − T3BK 1 − (Ri /c̄p3BK )
1
cp 4 ≈ cp 4 (Tt4 , β) ⇒ κ4 ≈ (14.137)
1 − (R i /c p4 )
h(T4 , Tt4 , β) 1
c̄p4 ≈ ⇒ κ̄4 ≈ (14.138)
Tt4 − T4 1 − (Ri /c̄p4 )
Der eigentliche Iterationsprozess beginnt nun mit einem sinnvoll vorgegeben Wert für die
Brennkammeraustrittsmachzahl Mac 4 = Mac3BK Nach Gl. (11.21) wird dann der statische
Druck p4 am Brennkammeraustritt bestimmt:
1 + κ3BK · Mac3
2
p4 = p3BK · BK
(14.139)
1 + κ4 · Mac4
2
Aus der Gl. (11.22) wird nun die statische Temperatur T4 ermittelt:
2 2
κ 4 Mac4 1 + κ3BK · Ma2c3BK
T4 = T3BK · · · (14.141)
κ3BK Mac3BK 1 + κ 4 · Ma2c4
h(T4 , Tt4 , β)
c̄p4 = (14.142)
Tt4 − T4
und daraus:
1
κ̄4 = (14.143)
1 − [Ri /c̄p4 ]
Nun beginnt der Iterationsprozess mit der Gl. (14.139) wieder von vorne, bis eine
ausreichende Genauigkeit für Mac4 erreicht ist.
Im Anschluss an die bisherige Rechnung wird abschließend mittels der Gl. (11.24) der
thermische Totaldruckverlust in der Brennkammer berechnet:
κ 4 −1
1 + κ3BK · Ma2c3BK [1 + 0.5 · (κ̄4 − 1) · Ma2c4 ] κ 4
πBKth = · κ3 −1 (14.144)
1 + κ 4 · Ma2c4 [1 + 0.5 · (κ̄3BK − 1) · Ma2c3BK ] κ3
In der Brennkammer addieren sich die thermischen Druckverluste und die Druckverluste
infolge Reibung:
Die bisher bestimmten Werte für p4 und T4 entstammen dem Modell eines zylindrischen
Brennraums, mittels dem die Brennkammeraustrittsmachzahl Mac4 sehr gut rechnerisch
angenähert werden kann. Mit den Zahlenwerten für pt4 , Tt4 und Mac4 werden jetzt die
Zahlenwerte für p4 und T4 korrigiert, da die bisherigen Werte nur für das gewählte Brenn-
kammermodell Gültigkeit haben. Es ergibt sich dabei ein neuer Iterationsprozess, an dessen
Beginn das bisherige T4 steht. Aus ihm wir ein anfängliches p4 berechnet:
h(T4 , Tt4 , β)
c̄p4 = (14.148)
Tt4 − T4
und daraus:
1
κ̄4 = (14.149)
1 − [Ri /c̄p4 ]
Mit dem so bestimmten c p4 und c4 wird nun ein neues T4 berechnet:
T4 = Tt4 − c42 /(2 · c̄p4 ) (14.151)
h(T4 , Tt4 , β)
c̄p4 = (14.152)
Tt4 − T4
Mit den Gln. (14.151) und (14.152) wird nun solange iteriert, bis ein ausreichend genaues
T4 vorliegt. Mit diesem Ergebnis wird dann erneut in Gl. (14.147) gegangen und der
iterative Rechnungsgang beginnt von vorne. Es liegt hier also insgesamt eine innere und
eine äußere Iteration vor. Der Massenstromparameter ist dann:
κ 4 p4 Tt4
ϑ4 = Mac4 · · · (14.153)
Ri pt4 T4
14.4 Komplexeres synthesebasiertes Berechnungsverfahren . . . 1423
Mac4 = 2.
DO WHILE (Mac4 >= 1.0)
beta = betasto
betax = 0.
DO WHILE (ABS(beta-betax) > 1.0E-08)
betax = beta
beta = (1. - alfa)*(Dh(Tref, Tt4, betax) - Dh(Tref, Tt3BK, 0.0)) / &
& (etaBK * Hu - Dh(Tref, Tt4, betax))
END DO
lambda = betasto/beta
Ris = Rm / ((1. + beta) / (Mla + beta*Mlb))
k4 = k(Tt4 , beta)
k4m = (k4+k(Tt3BK,0.0))/2.
Mac4x = Mac3BK
Mac4 = Mac3BK*((1.+k4*Mac3BK**2)/(1.+k3BK*Mac3BK**2))* &
& SQRT((k3BK/k4)*(Tt4/Tt3BK))*SQRT((1.+(k3BKm-1.)*0.5* &
& Mac3BK**2) /(1.+(k4m-1.)*0.5*Mac3BK**2))
DO WHILE (ABS(Mac4-Mac4x) > 1.0E-08)
Mac4x = Mac4
p4p3 = ((1.+k3BK*Mac3BK**2)/(1.+k4*Mac4x**2))
p4 = p4p3 * p3BK
Mac4 = Mac3BK*(1./p4p3)*SQRT((k3BK/k4)*(Tt4/Tt3BK))*SQRT((1.+ &
& (k3BKm-1.)*0.5*Mac3BK**2)/(1.+(k4m-1.)*0.5*Mac4x**2))
T4 = T3BK*(k4/k3BK)*((Mac4*(1.+k3BK*Mac3BK**2)/(Mac3BK*(1.+ &
& k4*Mac4**2))))**2
cpx = Dh(T4, Tt4, beta ) / (Tt4-T4)
k4m = 1./(1.-(Ris/cpx))
k4 = k(T4, beta)
END DO
IF (Mac4 >= 1.) Mac3BK = Mac3BK *0.995
END DO
piBKth = ((1.+k3Bk*Mac3BK**2)/(1.+k4*Mac4**2))*(1.+0.5*(k4m-1.)* &
& Mac4**2)** (k4m/(k4m-1.))/(1.+0.5*(k3BKm-1.)*Mac3BK**2)** &
& (k3BKm /(k3BKm-1.))
piBK = piBKR + piBKth - 1.
pt4 = pt3 * piBK
T4y = T4
DO
p4 = pt4 / EXP(PHI(T4y, Tt4, beta))
a4 = SQRT(k(T4y, beta) * Ris * T4y)
c4 = Mac4 * a4
T4x = Tt4
DO WHILE (ABS(T4-T4x) > 1.0E-03)
T4x = T4
cpx = Dh(T4x, Tt4, beta) / (Tt4 - T4x)
T4 = Tt4 - (c4*c4/(2.*cpx))
END DO
IF (ABS(T4-T4y) > 1.0E-03) THEN
T4y = T4
CYCLE
END IF
EXIT
END DO
theta4 = (p4/pt4)*SQRT(Tt4/T4)*SQRT(k(T4, beta)/Ris)*Mac4
1424 14 Berechnung realer Triebwerke
Turbinenaustrittsebene
5 Am Austritt der Turbine liegt der folgende Massenstrom vor:
PV = ηmech · |PT |
ṁ0 · wV − ṁZ · cp3 (Tt3 , β = 0) · Tt3 = ηmech · (ṁ0 − ṁZ + ṁB ) · |wT |
wv − α · cp3 (Tt3 , β = 0) · Tt3
|wT | = = c̄p4,5 · (Tt4 − Tt5 ) = h (Tt5 , Tt4 , β) (14.155)
ηmech · (1 − α + β)
|wT |
Tt5 = Tt4 − (14.156)
c̄p4,5
mit:
h(Tt5 , Tt4 , β)
c̄p4,5 = (14.157)
Tt4 − Tt5
Aus den letzten beiden Gleichungen ergibt sich durch Iteration die gesuchte Totaltempera-
tur Tt5 . Über den als Auslegungsparameter vorgegebenen isentropen Turbinenwirkungs-
grad ηTs nach Gl. (12.4) kann dann der Totaldruck pt5 am Turbinenaustritt berechnet
werden:
c̄p4,5
(Tt5 /Tt4 ) − 1 Ri
pt5 = pt4 · 1 + (14.158)
ηTs
Der Zahlenwert für c̄p kann unmittelbar aus der vorhergehenden Iteration übernommen
werden. Das Turbinendruckverhältnis πT ist dann:
pt5
πT = (14.159)
pt4
Auf der Basis der Gl. (18.158) ergibt sich der polytrope Turbinenwirkungsgrad ηT dann
zu:
ln (Tt5 /Tt4 ) c̄p4,5 ln (τT ) Tt5
ηT =
R /c̄p4,5
= · mit τT = (14.160)
ln [(pt5 /pt4 ) ] Ri ln (πT ) Tt4
14.4 Komplexeres synthesebasiertes Berechnungsverfahren . . . 1425
Die statische Temperatur T5 wird nun wieder über einen Iterationsprozess ermittelt, wenn
entsprechend der Vorgaben für diesen Rechenablauf der Ansatz c5 = c4 gemacht wird:
c52
T5 = Tt5 − (14.161)
2 · c̄p5
mit:
h(T5 , Tt5 , β)
c̄p5 = (14.162)
Tt5 − T5
Der zugehörige statische Druck p5 berechnet sich zu:
An dieser Stelle des Rechnungsganges ist nun zu berücksichtigen, dass sich das loka-
le Brennstoff/Luft-Verhältnis hinter der Turbine aus dem Ausdruck β = ṁB /ṁ5 bzw.
aus β = β5 = ṁB /(ṁ0 + ṁB − ṁZ ) berechnet. Dieses ist zum jetzigen Zeitpunkt der
Rechnung aber nicht möglich, da ṁ0 noch nicht bekannt ist. Deswegen muss die Gesamt-
rechnung iterativ korrigiert werden, sobald der Rechnungsgang die Bestimmung von ṁ0
zulässt. In dem nachfolgenden Programmcode ist dafür die DO WHILE Schleife zu Beginn
zuständig.
1426 14 Berechnung realer Triebwerke
Schubdüseneintrittsebene
7 Alle Bauteile hinter der Turbine sollen als adiabat angese-
hen werden, sodass gilt:
Die Abb. 14.22 verdeutlicht diesen Zusammenhang noch einmal zusätzlich. Der Druck-
verlust im Übergangsstück πU ist als Auslegungsparameter vorgegeben:
In der Triebwerksebene 7 kann – so, wie es Abb. 14.22 zeigt – eine isentrope Geschwin-
digkeit c7s definiert werden. Diese wird etwas weiter unten im Text dazu benutzt werden,
den so genannten Kerntriebwerkswirkungsgrad ηCore zu bestimmen, der beim Turbojet
in etwa identisch ist mit dem thermischen Wirkungsgrad ηth . Zur Bestimmung der Ge-
schwindigkeit c7s (Abb. 14.22) ist wiederum eine Iteration erforderlich, für die zu Beginn
14.4 Komplexeres synthesebasiertes Berechnungsverfahren . . . 1427
T pt4
4t
pt5 p p =p
t9 t8
Tt5=Tt7=Tt9=Tt8
t7
5t
7t 9t=8t
c72s c82
5 7 2
2 ⋅ cp7 c9 2 ⋅ cp8
c52s p5 p p8 2 ⋅ cp9
7 8 T 8
2 ⋅ cp5 p0
9 T9
T7s
5s 7s
Ende des
s Kerntiebwerks
Abb. 14.22 Detaildarstellung für die Zusammenhänge am Austritt eines Turbojettriebwerks mit
konvergenter Schubdüse
die Temperatur T7S sinnvoll vorgeschätzt und daraus der passende c̄p -Wert ermittelt wird:
h(T7s , Tt7 , β)
c̄p7 = (14.170)
Tt7 − T7s
und daraus:
< =
κ̄7 = 1/ 1 − [Ri /c̄p7
] (14.171)
κ̄7 −1
p0 κ̄7
T7s = Tt7 · (14.172)
pt7
Mit diesem Ergebnis geht man nun wieder in die Gl. (14.170) und iteriert solange, bis T7S
mit einer ausreichenden Genauigkeit vorliegt. Mit dem am Ende der Iteration ermittelten
κ̄ wird unter Verwendung der Gl. (18.241) dann die Machzahl Mac7S ermittelt:
2 Tt7
Mac7s = . −1 (14.173)
κ̄7 − 1 T7s
Schubdüsenaustrittsebene
8 Es gilt hier:
Es wird dann geprüft, ob der isentrope Abströmmachzahl Mac9 im Über- oder Unterschall
liegen wird. Am Ende des dann folgenden Rechnungsganges wird anhand der dabei erziel-
ten Ergebnisse später noch einmal geprüft, ob das Ergebnis korrekt ist. Da κ̄ erst einmal
unbekannt ist, soll es wie folgt vorgeschätzt werden:
1
κ̄9 ≈ κ 9 = (14.176)
1 − [Ri /c p9 (Tt9 , β)]
Und daraus:
⎡ ⎤
κ 9 −1
2 pt9 9κ
Mac9 ≈ ·⎣ − 1⎦ (14.177)
κ 9 − 1 p0
Die Rechnung wird nun in Abhängigkeit davon fortgesetzt, ob Mac9 ≥ 1.0 ist oder ob
Mac9 < 1.0 ist. Wir gehen zuerst vom Fall Mac9 ≥ 1.0 aus. Dieser Fall bedeutet, dass in die
konvergente Schubdüse bei A8 sperrt und die Machzahl dort gerade Mac8 = 1.0 ist. Entspre-
chend der Tab. 18.9 berechnet sich dann die statische Temperatur am Schubdüsenaustritt
8 zu:
2
T8 = Tt8 · (14.178)
κ̄8 + 1
14.4 Komplexeres synthesebasiertes Berechnungsverfahren . . . 1429
h(T8 , Tt8 , β)
c̄p8 = (14.179)
Tt8 − T8
und daraus:
1
κ̄8 = (14.180)
1 − [Ri /c̄p8 ]
Mit diesem Ergebnis geht man nun wieder in die Gl. (14.178) und iteriert solange, bis T8
mit einer ausreichenden Genauigkeit vorliegt. Der zugehörige statische Druck berechnet
sich dann zu:
2
p8 = pt8 /eϕs (T8 ,Tt8 ,β) = pt8 · (14.181)
κ̄8 + 1
c8 = a8 (14.183)
Tt8
T9 = κ̄9 −1
(14.184)
κ̄9
(p0 /pt8 )
h(T9 , Tt8 , β)
c̄p9 = (14.185)
Tt8 − T9
und daraus:
1
κ̄9 = (14.186)
1 − [Ri /c̄p9 ]
Mit diesem Ergebnis geht man nun wieder in die Gl. (14.184) und iteriert solange, bis T9
mit einer ausreichenden Genauigkeit vorliegt. Der zugehörige statische Druck berechnet
sich dann zu:
2 Tt8
Mac9 = · −1 (14.188)
κ̄9 − 1 T9
c9 = Mac9 · a9 (14.190)
Nun ist es sinnvoll, zu prüfen, ob dieses Ergebnis der Gl. (14.188) mit dem vorgeschätzten
Ergebnis nach Gl. (14.177) insoweit übereinstimmt, dass Mac9 immer noch im Überschall
liegt. Sollte Mac9 jetzt im Unterschall liegen, dann wäre mit den folgenden Rechnungs-
schritten weiter zu machen, die auch zu durchlaufen wären, wenn das Ergebnis aus Gl.
(14.177) von vornherein im Unterschall gelegen hätte.
Die statische Temperatur T8 wird nun aus dem bekannten Zahlenwert für Mac9 wie
folgt berechnet:
Tt8
T8 = (14.191)
κ̄8 − 1
1+ · Ma2c9
2
Hieraus ergibt sich:
h(T8 , Tt8 , β)
c̄p8 = (14.192)
Tt8 − T8
und daraus:
1
κ̄8 = (14.193)
1 − [Ri /c̄p8 ]
Mit diesem Ergebnis geht man nun wieder in die Gl. (14.191) und iteriert solange, bis
T8 mit einer ausreichenden Genauigkeit vorliegt. Der zugehörige statische Druck und die
zugehörige Machzahl sind dann:
c8 = Mac8 · a8 (14.196)
14.4 Komplexeres synthesebasiertes Berechnungsverfahren . . . 1431
Massenströme, spez. Schub und spez. Brennstoffverbrauch Der spezifische Schub wird
nun nach Gl. (6.8) berechnet:
FS = (1 + β − α) · c9 − c0 (14.197)
Mit dem bekannten Zahlenwert für den Schub F wird hieraus nun der angesaugte
Luftmassenstrom bestimmt:
Der spezifische Brennstoffverbrauch kann jetzt mit der Gl. (6.27) wie folgt berechnet
werden:
BS = β/FS (14.201)
ṁB = β/ṁ0
ṁZ = α/ṁ0
ṁ8 = ṁ9 = ṁ0 + ṁB − ṁZ
β5 = ṁB /ṁ8 = ṁB /ṁ9 (14.202)
1432 14 Berechnung realer Triebwerke
Tt8 = Tt7
pt8 = piD * pt7
k8 = k(Tt8, beta5)
Mac9 = SQRT ((2./(k9-1.)) *(((pt9/p0)**((k9-1.)/k9))-1.))
20 CONTINUE
IF (Mac9 >= 1.0) THEN
T8 = Tt8 * (2./(k8+1.))
T8x = Tt8
DO WHILE (ABS(T8-T8x) > 1.0E-03)
Mac8 = 1.0
T8x = T8
cpx = Dh(T8x, Tt8, beta5) / (Tt8 - T8x)
k8 = 1./(1.-(Ris/cpx))
T8 = Tt8 * (2./(k8+1.))
END DO
p8 = pt8 / EXP(PHI(T8, Tt8, beta5))
p8x = pt8 * (2./(k8+1.))**(k8/(k8-1.))
a8 = SQRT(k(T8, beta5) * Ris * T8)
c8 = a8
T9 = Tt8 / (1. + 0.5*(k8-1.)*Mac9 **2)
T9x = Tt8
DO WHILE (ABS(T9 -T9x ) > 1.0E-03)
T9x = T9
cpx = Dh(T9x , Tt8, beta5) / (Tt8 - T9x )
k8 = 1./(1.-(Ris/cpx))
T9 = Tt8 * (p0/pt8)**((k8-1.)/k8)
END DO
p9 = pt8 / EXP(PHI(T9 , Tt8, beta5))
Mac9 = SQRT ((2./(k8-1.)) *((Tt8/T9 )-1.))
IF (Mac9 < 1.0) GO TO 20
a9 = SQRT(k8 * Ris * T9 )
c9 = Mac9 * a9
ELSE IF (Mac9 > 0. .AND. Mac9 < 1.0) THEN
T8 = Tt8 / (1. + 0.5*(k8-1.)*Mac9 **2)
T8x = Tt8
DO WHILE (ABS(T8-T8x) > 1.0E-03)
T8x = T8
cpx = Dh(T8x, Tt8, beta5) / (Tt8 - T8x)
k8 = 1./(1.-(Ris/cpx))
T8 = Tt8 / (1. + 0.5*(k8-1.)*Mac9 **2)
END DO
p8 = p0
Mac8 = Mac9
a8 = SQRT(k(T8, beta5) * Ris * T8)
c8 = Mac8*a8
T9 = T8
a9 = a8
c9 = c8
ELSE
STOP
END IF
Fs = ((1. + beta - alfa) *c8) - c0
mpkt0 = F/Fs
theta8 = (p8/pt8)*SQRT(Tt8/T8)*SQRT(k(T8, beta5)/Ris)*Mac8
theta9 = (p9/pt9)*SQRT(Tt9/T9)*SQRT(k(T9, beta5)/Ris)*Mac9
Bs = (beta/Fs)*3.6E+6
mpktB = beta * mpkt0
mpktZ = alfa * mpkt0
mpkt8 = mpkt0 + mpktB - mpktZ
beta5x = mpktB / mpkt8
END DO
14.4 Komplexeres synthesebasiertes Berechnungsverfahren . . . 1433
Das oben stehende END DO gehört an dieser Position zu der DO WHILE Schleife unterhalb
von Gl. (14.167).
Der thermische Wirkungsgrad kann nun wie folgt aus den bisher ermittelten Daten
berechnet werden:
(1 + β − α) · c92 − c02
ηth = (14.211)
2 · β · Hi
(1 + β − α) · c72is − c02
ηCore = (14.212)
2 · β · Hi
2 · F S · c0
ηP = (14.213)
(1 + β − α) · c92 − c02
1434 14 Berechnung realer Triebwerke
In der Ebene
7 ist nun die Geometrie festzulegen. Dazu ist hier die Kenntnis der Machzahl
Mac7 erforderlich. Aus dieser kann der Querschnitt A7 bzw. der Durchmesser D7 ermittelt
werden. Der Durchmesser D7 wird dabei so bestimmt, dass er kleiner ist als der größte
Durchmesser Dmax , den man für Verdichter und/oder Turbine ermitteln kann. Es wird
von dem geometrischen Zusammenhang ausgegangen, der in Abb. 14.23 dargestellt ist
und es wird mehr oder weniger willkürlich die Machzahl Mac7 = Mac2 /2 vorgeschätzt. Die
statische Temperatur T7 wird nun aus dem so bekannten Zahlenwert für Mac7 wie folgt
berechnet:
Tt7 Tt7
T7 = = < = (14.214)
κ̄9 − 1 1/ 1 − [Ri /c̄p7
] −1
1+ · Ma2c7
2 1+ · Ma2c7
2
Hieraus ergibt sich:
h(T7 , Tt7 , β)
c̄p7 = (14.215)
Tt7 − T7
und daraus:
1
κ̄7 = (14.216)
1 − [Ri /c̄p7 ]
Mit diesem Ergebnis geht man nun wieder in die Gl. (14.214) und iteriert solange, bis T7
mit einer ausreichenden Genauigkeit vorliegt. Der zugehörige statische Druck ist dann:
c7 = Mac7 · a7 (14.219)
14.4 Komplexeres synthesebasiertes Berechnungsverfahren . . . 1435
5 7 8
Turbine A5 Übergangsstück Schubdüse
Strut
r7 − r8
θD
U D
A7
r7 r8
A8
die maximalen und minimalen Radien bestimmt. Diese Radienbestimmung geht davon
aus, dass die Geometrie von Verdichter und Turbine der Normalstufengeometrie in Abb.
8.46 entspricht. Da am Verdichtereintritt
2 das Nabenverhältnis ν2 = r2N /r2G gegeben ist,
Der Euler-Radius (Abb. 8.47), der die durchströmte Fläche in zwei gleich große Teilflächen
aufteilt, ergibt sich aus Gl. (8.99):
2
r2G + r2N
2
rE2 = = rM (14.226)
2
Der geometrisch mittlere Radius rm ist wegen der Normalstufendefinition in jeder Ebene
derselbe, wogegen der Euler-Radius rE in jeder der Ebenen etwas unterschiedlich ist. Die
Schaufelhöhe in der Ebene 2 ist dann schließlich:
das nicht der Fall, so ist die weiter oben geschätzte Machzahl Mac7 etwas zu vergrößern
und die Rechnung ist bei der Gl. (14.214) neu zu beginnen und zwar solange, bis r7 < rmax
erfüllt ist. Die Machzahlvergrößerung erfolgt dabei in Schritten von 0.5 %.
Ist die passende Fläche für A7 gefunden, so kann in Anlehnung an die Geometrie
in Abb. 14.23 die erforderliche Länge des Übergangsstückes U und der Schubdüse D
bestimmt werden. Das Übergangsstück ist ein Diffusor: A7 > A5 . Geht man davon aus,
dass die Flächenerweiterung dieses Diffusors so erfolgt, dass ein „Ersatzdiffusor“, wie er
z. B. in Abb. 9.13 dargestellt ist, einen halben Öffnungswinkel von θU = 7.5◦ hat, so ergibt
sich die axiale Länge des Übergangsstückes auf der Basis der Gl. (9.44) zu:
A5 1 4 · A7
U = 1 − · · (14.232)
A7 2 · tan θU π
Geht man für die Schubdüse von einem halben Öffnungswinkel von θD = 20◦ aus, so
ergibt sich die axiale Länge der Schubdüse nach Abb. 14.23 zu:
14.4 Komplexeres synthesebasiertes Berechnungsverfahren . . . 1437
4 (14.233)
Mac7 = Mac2/2.
DO
T7 = Tt7 / (1. + 0.5*(k(Tt7, beta5)-1.)*Mac7**2)
T7x = Tt7
DO WHILE (ABS(T7-T7x) > 1.0E-03)
T7x = T7
cpx = Dh(T7x, Tt7, beta5) / (Tt7-T7x)
T7 = Tt7 / (1. + 0.5*((1./(1.-(Ris/cpx))) - 1.)*Mac7**2)
END DO
p7 = pt7 / EXP(PHI(T7, Tt7, beta5))
a7 = SQRT(k(T7, beta5) * Ris * T7)
c7 = Mac7 * a7
Ar7 = mpkt9 * Ris * T7 / (p7 * c7)
D7 = SQRT(4.*Ar7/PI)
theta7 = mpkt9 * SQRT(Tt7) / (pt7 * Ar7)
!------ Restliche Geometrien ---------------------------------------------------------
r2G = SQRT(4. * Ar2 / (pi * (1. - ny2**2)) ) / 2.
r2N = ny2 * r2G
br2 = r2G - r2N
rmit = (r2G + r2N) / 2.
rE2 = SQRT((r2G**2 + r2N**2)/2.)
r2G_1 = 2.*rmit/(1.+ny2)
r2G_2 = rE2*SQRT(2./(1.+ny2**2))
br3 = Ar3 / (2.*rmit*pi)
r3G = rmit + (br3/2.)
r3N = rmit - (br3/2.)
rE3 = SQRT((r3G**2 + r3N**2)/2.)
ny3 = r3N/r3G
br3BK = Ar3BK / (2.*rmit*pi)
r3BKG = rmit + (br3BK/2.)
r3BKN = rmit - (br3BK/2.)
rE3BK = SQRT((r3BKG**2 + r3BKN**2)/2.)
ny3BK = r3BKN/r3BKG
br4 = Ar4 / (2.*rmit*pi)
r4G = rmit + (br4/2.)
r4N = rmit - (br4/2.)
rE4 = SQRT((r4G**2 + r4N**2)/2.)
ny4 = r4N/r4G
br5 = Ar5 / (2.*rmit*pi)
r5G = rmit + (br5/2.)
r5N = rmit - (br5/2.)
rE5 = SQRT((r5G**2 + r5N**2)/2.)
ny5 = r5N/r5G
rmax = AMAX1(r2G, r3G, r3BKG, r4G, r5G)
rmin = AMIN1(r2N, r3N, r3BKN, r4N, r5N)
IF (D7/2. >= rmax) THEN
Mac7 = Mac7 * 1.005
CYCLE
ELSE
LU = (1. - SQRT(Ar5/Ar7)) * (1./(2.*TAN(THETAU))) * SQRT(4.*Ar7/PI)
LD = (D7 - D9) / (2. * TAN(THETAD))
EXIT
END IF
END DO
1438 14 Berechnung realer Triebwerke
Die größte überhaupt zulässige Umfangsgeschwindigkeit umax an der Spitze der Beschaufe-
lung von Verdichter oder Turbine wurde bei den Eingangsdaten der Rechnung vorgegeben,
sodass daraus die maximale Drehzahl n des Triebwerks bestimmbar ist:
30 · umax
n= (14.234)
π · rmax
Ebenso kann auf dieser Basis auch die aerodynamische Mindeststirnfläche AAIP
(Aerodynamic Interface Plane) oder ASt des Triebwerks berechnet werden:
AAIP = π · rmax
2
= ASt (14.235)
Am Verdichtereintritt
2 sind nun auch im Außenschnitt (Gehäuseschnitt) der Beschau-
felung die Machzahlen der Umfangsgeschwindigkeit Mau2G und die relative Zuström-
machzahl Mav2G bestimmbar, ebenso wie der reduzierte Massenstrom ṁred2 , der für das
Verdichterkennfeld mit maßgeblich ist:
r2G · n · π
Mau2 = (14.236)
30 · κ2 (T2 , β = 0) · Ri · T2
+
Mav2 = Ma2u2 + Ma2c2 (14.237)
pref Tt2 101 325 Tt2
ṁred2 = ṁ0 · · = ṁ0 · · (14.238)
pt2 Tref pt2 298.15
Ist im Triebwerkseintritt 1 die Machzahl Mac1 gegeben, so können dort die Geschwin-
digkeit c1 , die statische Temperatur T1 und der statische Druck p1 berechnet werden und
daran anschließend die Axialkräfte der diversen Triebwerkskomponenten:
14.4 Komplexeres synthesebasiertes Berechnungsverfahren . . . 1439
rpm = 30.0*umax/(PI*rmax)
omega = (PI/30.) * rpm
Arip = PI *rmax**2 ! Aerodynamische Mindeststirnfläche
Mau2 = r2G * omega / SQRT(k(T2, 0.) * Ri * T2)
Mav2 = SQRT(Mau2**2 + Mac2**2)
mpktred = mpkt0 * (PS/pt2) * SQRT( Tt2/TS )
Es folgen anschließend der „Input“ und „Output“ des zuvor beschriebenen Rechenpro-
gramms für einen einfachen, einwelligen Turbojet.
1440 14 Berechnung realer Triebwerke
Input Data
----------
Mac0 = 0.80000000 Flugmachzahl
H0 = 11000.00000000 m Flughöhe
F = 20000.00000000 N Triebwerksschub
piV = 10.00000000 Verdichterdruckverhältnis
Tt4 = 1300.00000000 K Turbineneintrittstemperatur
alfa = 0.04000000 Zapfluft/Luft-Verhältnis
Mac1 = 0.75000000 Machzahl im Triebwerkseintritt
Mac2 = 0.50000000 Machzahl am Verdichtereintritt
ny2 = r2N / r2G = 0.40000000 Nabenverhältnis am Verdichtereintritt
Mac3_in_BK = 0.22500000 Machzahl am Brennkammereintritt
umax = 450.00000000 maximale Blattspitzenumfangsgeschwindigkeit
etaVs = 0.88000000 isentroper Verdichterwirkungsgrad
etaTs = 0.90000000 isentroper Turbinenwirkungsgrad
etaBK = 0.98000000 Ausbrenngrad der Brennkammer
etamech = 0.97000000 mechanischer Wirkungsgrad
piBKR = 0.98000000 Brennkammerdruckverlust info lge Reibung
piU = 0.98000000 Druckverlust im Übergangsstück
piD = 0.96000000 Druckverlust in der Schubdüse
Hu = 4.31000E+07 J/kg spezifischer Heizwert
Output Data
-----------
(0) Ungestörte Zuströmung weit vor dem Triebwerk
=============================================== =
A0 = 0.35906219 m^2 Fangstromröhrenquerschnitt
A_Stirnfl. = 0.57844096 m ^2 aerodynamische Mindeststirnfläche
D0 = 0.67614508 m Fangstromröhrendurchmesser
Tt0 = 244.53184509 K Totaltemperatur
T0 = 216.64999390 K statische Temperatur
pt0 = 34527.35156250 Pa Totaldruck
p0 = 22631.86718750 Pa statischer Druck
rho0 = 0.36392000 k/m^3 Dichte
Mac0 = 0.80000001 Machzahl
a0 = 295.34411621 m/s Schallgeschwindigkeit
c0 = 236.27529907 m/s Geschwindigkeit
k (Tt0) = 1.40167248
k (T0 ) = 1.40262699
cp (Tt0) = 1001.68273926 J/(kg*K) cp
cp (T0 ) = 999.98870850 J/(kg*K) cp
Dh (T0,Tt0) = 2.7904E+04 J/(kg*K) Enthalpiefunktion Kap. F.4
Dh (T0,T0 ) = 0.0000E+00 J/(kg*K) Enthalpiefunktion Kap. F.4
phi(T0,Tt0) = 0.42239287 Entropiefunktion Kap. F.5
phi(T0,T0 ) = 0.00000000 Entropiefunktion Kap. F.5
Ri = 287.04882812 J/(kg*K) spezifische Gaskonstante
(2) Verdichtereintrittsebene
============================
piEs = 1.00000000 Einlaufdruckverlust infolge Stößen
piER = 0.95355058 Einlaufdruckverlust infolge Reibung
piE = 0.95355058 gesamter Einlaufdruckverlust
A2 = 0.48589036 m ^2 Verdichtereintrittsfläche
ny2 = 0.40000001 Nabenverhältnis am Verdichtereintritt
r2G = 0.42909610 m Gehäuseradius am Verdichtereintritt
r2N = 0.17163844 m Nabenradius am Verdichtereintritt
br2 = 0.25745764 m Schaufelhöhe am Verdichtereintritt
rmit = 0.30036727 m geometrisch mittlerer Radius
rEuler2 = 0.32678986 m Euler-Radius
Tt2 = 244.53184509 K Totaltemperatur
T2 = 232.83497620 K statische Temperatur
pt2 = 32923.57421875 Pa Totaldruck
p2 = 27745.78515625 Pa statischer Druck
rho2 = 0.41513851 k/m^3 Dichte
Mac2 = 0.50000000 Absolutmachzahl
Mav2 TIP = 1.55271554 Blattspitzen -Relativmachzahl
Mau2 TIP = 1.47000861 Blattspitzen umfangsgeschwindig .-Machzahl
a2 = 306.12063599 m/s Schallgeschwindigkeit
c2 = 153.06031799 m/s Absolutgeschwindigkeit
k (Tt2) = 1.40167248
14.4 Komplexeres synthesebasiertes Berechnungsverfahren . . . 1441
k (T2 ) = 1.40210712 κ
cp (Tt2) = 1001.68273926 J/(kg*K) cp
cp (T2 ) = 1000.91033936 J/(kg*K) cp
Dh (T2,Tt2) = 2.7904E+04 J/(kg*K) Enthalpiefu nktion Kap. F.4
Dh (T2,T2 ) = 1.6192E+04 J/(kg*K) Enthalpiefunktion Kap. F.4
phi(T2,Tt2) = 0.42239287 Entropiefunktion Kap. F.5
phi(T2,T2 ) = 0.25128788 Entropiefunktion Kap. F.5
(3) Verdichteraustrittsebene
============================
A3 = 0.08924858 m ^2 Verdichteraustrittsfläche
ny3 = 0.85404891 Nabenverhältnis am Verdichteraustritt
r3G = 0.32401225 m Gehäuseradius
r3N = 0.27672228 m Nabenradius
br3 = 0.04728995 m Schaufelhöhe am Verdichteraustritt
rmit = 0.30036727 m geometrisch mittlerer Radius
rEuler3 = 0.30129650 m Euler-Radius
Tt3 = 500.45446777 K Totaltemperatur
T3 = 488.13122559 K statische Temperatur
pt3 = 329235.75000000 Pa Totaldruck
p3 = 304014.03125000 Pa statischer Druck
rho3 = 2.16970778 k/m^3 Dichte
Mac3 = 0.34711793 Absolutmachzahl
a3 = 440.94616699 m/s Schallgeschwindigkeit
c3 = 153.06031799 m/s Absolutgeschwindigkeit
k (Tt3) = 1.38642919 κ
k (T3 ) = 1.38 764620
cp (Tt3) = 1029.87255859 J/(kg*K) cp
cp (T3 ) = 1027.54052734 J/(kg*K) cp
Dh (T3,Tt3) = 2.8701E+05 J/(kg*K) Enthalpiefunktion Kap. F.4
Dh (T3,T3 ) = 2.7433E+05 J/(kg*K) Enthalpiefunktion Kap. F.4
phi(T3,Tt3) = 2.94507480 Entropiefunktion Kap. F.5
phi(T3,T3 ) = 2.85572505 Entropiefunktion Kap. F.5
etaV = 0.91157246 polytroper Verdichterwirkungsgrad
etaVs = 0.88000000 isentroper Verdichterwi rkungsgrad
piV = 10.00000000 Verdichterdruckverhältnis πV = pt3/pt2
tauV = 2.04658198 Verdichtertemperaturverhältnis τV = Tt3/Tt2
wV = 259102.84375000 W/(kg/s) spezifische Verdichterarbeit
(3BK) Brennkammereintrittsebene
===============================
pi_Diffusor = 0.98842072 Diffusordruckverlust
A3BK = 0.13402921 m ^2 Brennkammereintrittsfläche
ny3BK = 0.78855968 Nabenverhältnis
r3GBK = 0.33587614 m Gehäuseradius
r3NBK = 0.26485839 m Nabenradius
br3BK = 0.07101776 m Schaufelhöhe
rmit = 0.30036727 m geometrisch mittlerer Radius
rEuler3BK = 0.30245888 m Euler-Radius
Tt3BK = 500.45446777 K Totaltemperatur
T3BK = 494.26501465 K statische Temperatur
pt3BK = 325423.43750000 Pa Totaldruck
p3BK = 314337.21875000 Pa statischer Druck
rho3BK = 2.21554279 k/m^3 Dichte
Mac3BK = 0.22499999 Machzahl am Brennkammereintritt
a3BK = 443.61172485 m/s Schallgeschwindigkeit
c3BK = 99.81263733 m/s Absolutgeschwindigkeit
k (Tt3BK) = 1.38642919 κ
k (T3BK ) = 1.38704455 κ
cp (Tt3BK) = 1029.87255859 J/(kg*K) cp
cp (T3BK ) = 1028.69177246 J/(kg*K) cp
Dh (T3BK,Tt3BK)= 2.8701E+05 J/(kg*K) Enthalpiefunktion Kap. F.4
Dh (T3BK,T3BK )= 2.8064E+05 J/(kg*K) Enthalpiefunktion Kap. F.4
phi(T3BK,Tt3BK)= 2.94507480 Entropiefunktion Kap. F.5
phi(T3BK,T3BK )= 2.90045118 Entropiefunktion Kap. F.5
1442 14 Berechnung realer Triebwerke
(7) D üseneintrittsebene
=========================
A7 = 0.47216579 m^2 Schubdüseneintrittsfläche
D7 = 0.77535808 m Schubdüseneintrittsdurchmesser
Tt7 = 1094.50671387 K Totaltemperatur
T7 = 1083.84558105 K statische Temperatur
pt7 = 130140.05468750 Pa Totaldruck
p7 = 124926.58593750 Pa statischer Druck
p7is = 22743.46679688 Pa statischer Druck bei isentroper Expansion
p0 = 22631.86718750 Pa Umgebungsdruck (Barometerdruck)
p7is/p0-Fehler = 0.49310827 % Fehler
rho7 = 0.40126631 k/m^3 Dichte
Mac7 = 0.25000000 Absolutmachzahl
Mac7is = 1.81498778 Absolutmachzahl bei isentroper Expansion
a7 = 639.87005615 m/s Schallgeschwindigkeit
c7 = 159.96751404 m/s Absolutgeschwindigkeit
a7is = 524.24719238 m/s Schallgeschwindigkeit bei isent. Expansion
c7is = 951.50225830 m/s Absolutgeschwindigkeit bei is. Expansion
k (Tt7) = 1.31443620
k (T7 ) = 1.31510794
cp (Tt7) = 1200.79052734 J/(kg*K) cp
cp (T7 ) = 1198.84301758 J/(kg*K) cp
Dh (T0,Tt7) = 9.6648E+05 J/(kg*K) Enthalpiefunktion Kap. F.4
Dh (T0,T7 ) = 9.5369E+05 J/(kg*K) Enthalpiefunktion Kap. F.4
phi(T0,Tt7) = 6.06675291 Entropiefunktion Kap. F.5
phi(T0,T7) = 6.02586794 Entropiefunktion Kap. F.5
(8)+(9) Schubdüsenaustrittsebene
================================
A8 = 0.20232026 m^2 Schubdüsenaustrittsfläche
D8 = 0.50754523 m Schubdüsenaustrittsdurchmesser
Tt8 = 1094.50671387 K Totaltemperatur
T8 = 943.75000000 K statische Temperatur
pt8 = 124934.45312500 Pa Totaldruck
p8 = 67756.71875000 Pa statischer Druck
p9 = 22735.70898438 Pa statischer Druck bei isentroper Expansion
p0 = 22631.86718750 Pa Umgebungsdruck (Barometerdruck)
p9/p0-Fehler = 0.45883000 % Fehler
rho8 = 0.24994279 k/m^3 Dichte
Mac8 = 1.00000000 Machzahl in der Schubdüsenaustrittsfläche
Mac9 = 1.78890681 Machzahl bei isentroper Nachexpansion
a8 = 599.34790039 m/s Schallgeschwindigkeit
c8 = 599.34790039 m/s Absolutgeschwindigkeit
a9 = 523.19372559 m/s Schallgeschwind. bei isentroper Expansion
c9 = 935.94476318 m/s Absolutgeschwindigkeit bei is. Expansion
k (Tt8) = 1.31443620
k (T8 ) = 1.32509267
cp (Tt8) = 1200.79052734 J/(kg*K) cp
cp (T8 ) = 1170.84460449 J/(kg*K) cp
Dh (T0,Tt8) = 9.6648E+05 J/(kg*K) Enthalpiefunktion Kap. F.4
Dh (T0,T8 ) = 7.8763E+05 J/(kg*K) Enthalpiefunktion Kap. F.4
phi(T0,Tt8) = 6.06675291 Entropiefunktion Kap. F.5
phi(T0,T8) = 5.45488739 Entropiefunktion Kap. F.5
Allgemeine Triebwerksdaten
==========================
mpkt0 = 30.87407112 kg/s angesaugter Luftmassenstrom
mpktB = 0.66901171 kg/s Brennstoffmassenstrom
mpktZ = 1.23496282 kg/s Zapfluftmassenstrom
mpkt9 = 30.30812073 kg/s Massenstrom am Triebwerksaustritt
mpktred2 = 87.53101349 kg/s reduzierter Massenstrom Ebene 2
mpktred3 = 12.02119732 kg/s reduzierter Massenstrom Ebene 3
mpktred3BK = 12.16202545 kg/s reduzierter Massenstrom Ebene 3BK
mpktred4 = 21.65174103 kg/s reduzierter Massenstrom Ebene 4
mpktred5 = 45.07032013 kg/s reduzierter Massenstrom Ebene 5
mpktred9 = 47.90637207 kg/s reduzierter Massenstrom Ebene 9
pt9/p0 = 5.52028942 kg/s Düsendruckverhältnis (total)
p9 /p0 = 2.99386334 kg/s Düsendruckverhältnis (statisch)
Fs = 647.79278564 N/(kg/s) spezifischer Schub
SFC = 3.3451E-05 (kg/s)/N spezifischer Brennstoffverbrauch
SFC = 33.45058441 ( g/s)/kN spezifischer Brennstoffverbrauch
SFC = 120.42210388 (kg/h)/kN spezifischer Brennstoffverbrauch
beta = 0.02166905 Brennstoff/Luft-Verhältnis
beta5 = 0.02207368 Brennstoff/Luft-Verhältnis ab Ebene 5
etath = 0.43049464 thermischer Wirkungsgrad
1444 14 Berechnung realer Triebwerke
Triebwerksgeometrie
===================
A_Stirnfl. = 0.57844096 m^2 aerodynamische Mindeststirnfläche
Ar0 = 0.35906219 m^2 Fangstromröhrenquerschnitt
D0 = 0.67614508 m Fangstromröhrendurchmesser
Ar1 = 0.36736777 m^2 Triebwerkseintrittsquerschnitt
D1 = 0.68392044 m Triebwerkseintrittsdurchmesser
Ar2 = 0.48589036 m^2 Verdichtereintrittsfläche
Ar3 = 0.08924858 m^2 Verdichteraustrittsfläche
Ar3BK = 0.13402921 m^2 Brennkammereintrittsfläche
Ar4 = 0.13889347 m^2 Turbineneintrittsfläche
Ar5 = 0.26971939 m^2 Turbinenaustrittsfläche
Ar7 = 0.47216579 m^2 Schubdüseneintrittsfläche
D7 = 0.77535808 m Schubdüseneintrittsdurchmesser
Ar8 = 0.20232026 m^2 Schubdüsenaustrittsfläche
D8 = 0.50754523 m Schubdüsenaustrittsdurchmesser
L_Duese = 0.36790490 m axiale Länge der Schubdüse
L_Ubergangsst. = 0.71908933 m axiale Länge des Übergangsstücks
rmin = 0.17163844 m minimaler Turbomaschinenradius
rmax = 0.42909610 m maximaler Turbomaschinenradius
Passt man den Eingabedatensatz der eingangs dieses Kapitels erwähnten kommerziellen
Software GasTurbTM 11 (Kurzke und Jeschke 2013) unter Verwendung der hier benutzten
Daten und Randbedingungen an, so ist die Übereinstimmung in den Ergebnissen prak-
tisch vollkommen. Ohne Frage kann GasTurbTM eine Berechnung der hier vorgestellten
Art detaillierter und mit ausgereifterer Perfektion erledigen. Eine solche Perfektion auch
mit dem hier vorliegenden Kapitel zu erreichen, war und ist aber nicht das Ziel dieses
Buches, sondern es geht hier vielmehr darum, aufzeigen, wie die typische Vorgehensweise
abläuft, mit der man prinzipiell an ein synthesebasiertes Berechnungsverfahren herange-
hen kann. Den geneigten Leser mag der hier vorgestellte Computercode vielleicht ja auch
dazu anregen, sich ein eigenes Programm zu entwickeln und dieses zu erweitern und zu
perfektionieren.
14.4 Komplexeres synthesebasiertes Berechnungsverfahren . . . 1445
Bei der folgenden Parameterstudie handelt es sich primär nicht um das, was in Kap. 7
als parametrische Kreisprozessanalyse bezeichnet wurde. Im hier vorliegenden Kapitel
sollen aber dennoch einige Triebwerksparameter systematisch variiert werden, so wie es
auch schon in Kap. 7 geschah. Nur wird jetzt diese Parameteranalyse mittels des zuvor
beschrieben Rechenablaufes für ein reales Turbojettriebwerk erfolgen, also mittels eines
synthesebasierten Rechenverfahren. Die dabei erzielten Ergebnisse werden zum Teil mit
den Daten eines idealen Turbojettriebwerks verglichen werden, wobei diese Daten dann
ebenfalls aus einer synthesebasierten Rechnung stammen, so wie sie nämlich in Kap. 6.16.1
vorgestellt wurde. Die Berechnungen basieren dabei jeweils auf einem Grunddatensatz, der
wie folgt aussieht:
In Anlehnung an Abb. 14.10 zeigt die Abb. 14.24 die Auftragung des spezifischen Schu-
bes FS , des spezifischen Brennstoffverbrauchs BS und des Brennstoff/Luft-Verhältnisses β
über dem Verdichterdruckverhältnis πV . Das Druckverhältnis wurde so gewählt, dass der
gesamte Kurvenverlauf zu erkennen ist, auch wenn dabei das Verdichterdruckverhältnis
πV Werte annimmt, die jenseits dessen liegen, was realisierbar bzw. anstrebenswert ist.
Zuerst fällt auf, dass der spezifische Brennstoffverbrauch des idealen Turbojettriebwerks
1446 14 Berechnung realer Triebwerke
FS 800 0.0250
β
⎡ N ⎤ 720 real 0.0225
⎢ ⎥ ideal
⎢ kg/s ⎥
⎣ ⎦ 640 0.0200
BS
560 FS 0.0175
⎡ kg/h ⎤
⎢ ⎥
⎢⎣ kN ⎥⎦ 480 BS 0.0150
BS
400 β 0.0125
320 0.0100
240 0.0075
160 0.0050
80 0.0025
0 0.0000
1 36 71 106 141 176 211 246 281 316 351
πV
1.0
ηth
ηP 0.9 real
ideal
ηges 0.8 ηth
0.7 ηP
0.6 ηth ηges
0.5
0.4
ηP
0.3
0.2 ηges
0.1 [π V ]F [π V ]η
Smax thmax
[π V ]B
S min
0.0
1 36 71 106 141 176 211 246 281 316 351
π Vopt π Vth π Vmin πV
Abb. 14.25 Thermischer Wirkungsgrad ηth , Vortriebs- und Gesamtwirkungsgrad ηP und ηges ,
aufgetragen über dem Verdichterdruckverhältnis πV
Abb. 14.24 auszumachen ist. Der Vortriebswirkungsgrad ηP hat dort sein Minimum, wo
der spezifische Schub sein Maximum hat.
Insgesamt ist zu sehen, dass sich die Tendenzen in den diversen Kurvenverläufen
des hier vorliegenden Kapitels und auch die des Kap. 7 grundsätzlich wiederholen,
nur das jeweilige Niveau der diversen Ergebnisse variiert. Von daher macht es nicht
viel Sinn, die bisherigen Diagramme nochmals dazustellen und erneut zu interpretie-
ren. Die Abb. 14.26 zeigt am Beispiel des spezifischen Brennstoffverbrauchs, wie sich
die Niveauverschiebung der Rechnungsdaten zahlenwertmäßig niederschlägt. Bei einem
Verdichterdruckverhältnis von πV = 21 ist der spezifische Brennstoffverbrauch bei der
synthesebasierten Rechnung doch immerhin um beachtliche 77 % höher als beim idea-
len Kreisprozess. Auch die Betrachtung des realen thermodynamischen Kreisprozesses
bringt hinsichtlich des Zahlenwertniveaus der Ergebnisse keinen wirklichen Vorteil. Die
Lage des Verbrauchsminimums BSmin bezüglich des Verdichterdruckverhältnisses πV un-
terscheidet sich doch um immerhin 31 %, wenn der reale Kreisprozess (πV ≈ 21) und das
synthesebasierte Verfahren (πV ≈ 16) untereinander verglichen werden. Vergleicht man
die Verbräuche im jeweiligen Minimum, so ist eine Abweichung von immerhin 39 % zu
verzeichnen.
Basis für die nachfolgend vorgestellte Berechnung ist das in Abb. 14.27 dargestellte Zwei-
Wellen-Turbofantriebwerk mit separaten konvergenten Schubdüsen ohne Mischer und
ohne Nachbrenner. Das zentrale Triebwerk (Primärkreis), dessen Verdichter in der Ebene
2 (unterer Teil der Fanbeschaufelung) beginnt und das in der Ebene 9 hinter der pri-
1448 14 Berechnung realer Triebwerke
BS 2 50
kg/h 2 30
kN Ma0 = 2.0
2 10
1 90
nun g
1 70 synthesebasier te Rech
1 50
st
1 30
on
realer Kreisprozess c
=
. 022
1 10 β= 0
90
idealer Kreisp
rozess
70
50
1 5 9 13 17 21 25 29 33 37 π V 41
mären Schubdüse endet, kann fast genauso berechnet werden, wie das zuvor beschriebene
Turbojettriebwerk. Lediglich bei der Turbine ist eine „kleine“ Änderung vorzunehmen,
die weiter unten beschrieben werden wird. Das äußere Triebwerk (Sekundärkreis), des-
sen Fan (Verdichter) in der Ebene 12 (oberer Teil der Fanbeschaufelung) beginnt und
das in der Ebene 19 hinter der sekundären Schubdüse endet, ist lediglich eine einzel-
gefasst werden. Gleiches soll für die Turbine zwischen den Ebenen 4 und 5 gelten. Den
zu Abb. 14.27 zugehörigen Kreisprozess in einem h-s-Diagramm zeigt die Abb. 14.28. Der
Verlauf des Kreisprozesses ist bezüglich der totalen Zustandsgrößen pt und ht (≈ cp ·Tt )
dargestellt, d. h. die Zustandspunkte , 2 ,
2.5 ,
3 ,4 ,
4.5
5 7 und ,
12 ,
13 17 sind Zustand-
spunkte, die zu einem Totalzustand gehören. Der Prozess beginnt aber – wie i. Allg. üblich
– beim statischen Zustand 0 und endet bei den statischen Zuständen ,8 9 bzw. ,
18 .
19
gekennzeichnet worden.
Eine deutlich einfache und damit anschaulichere Form des nachfolgenden synthese-
basierten Rechnungsganges ist bereits als Zahlenwertbeispiel in Kap. 6.16.2 für einen
idealen Turbofan und in Kap. 14.3 als einfaches Syntheseverfahren für einen Turbofan
mit Verlustberücksichtigungen vorgestellt worden.
14.4 Komplexeres synthesebasiertes Berechnungsverfahren . . . 1449
0 =m
m I +m
II I +m
m B −m
Z
p9 = p0
Einlauf
Fangstromröhre
BK
II
freie Nachexpansion
hinter der Schubdüse
m
Primärdüse
Übergangsstück
NDV HDV 3 3BK 9
8
HDT
NDT
Diffusor
4 D.O 5 7
0 1 2 B.O
Abb. 14.27 Zwei-Wellen-Turbofantriebwerk, mit Modulen und Bezeichnungen, so wie sie in der
nachfolgenden Berechnung Verwendung finden; BK Brennkammer, NDV Niederdruckverdichter,
HDV Hochdruckverdichter, HDT Hochdruckturbine, NDT Niederdruckturbine, I Primärkreis, II
Sekundärkreis
4t
|wT|=|wHDT|+|wNDT|
≈ wV
qzu
D.Ot
≈ μ ⋅ wFan
3t 5t 7t
pt4.5 8t=9t a82 2
3t,BK c
2 9 c92
Kreisprozess des Primärkreises (Gasgenerator) pt5 pt7 pt8=pt9 8 2 s
wHDV Kreisprozess des Sekundärkreises (Fanstufe) p9 2
pt2.5 p8 9
pt13 pt17 p t19 9s
wV B.Ot
=p9 s
AMt AQt =p9
= p19 s
ARt = ASt pt0 2 p0 =p1 9
wFan wNDV a18 2
c19 2
c19
L
t
0t pt2= pt12 2 2
t =A
AR
2
2
c 0 p18 2
2 ASs AS
0
s
Abb. 14.28 Kreisprozess eines realen Turbofantriebwerks im h-s-Diagramm. Der Verlauf des
Kreisprozesses ist bezüglich der totalen Zustandsgrößen pt und ht (≈ cp · Tt ) dargestellt. Der Prozess
beginnt aber beim statischen Zustand 0 und endet bei den statischen Zuständen ,8 9 bzw. ,
18 .
19
Die Totalzustände bei 9 t und
19 t sind deswegen zusätzlich durch den Index „t“ gekennzeichnet
1450 14 Berechnung realer Triebwerke
Die hier vorgestellte Berechnung zeigt nur noch die Abweichungen bzw. die Ergän-
zungen, die erforderlich sind, um aus dem bisher vorgestellten Rechnungsgang für den
Turbojet in einen Turbofan-Rechnungsgang zu generieren. Als Eingabegrößen in das
Berechnungsverfahren werden folgende Angaben benötigt:
• Ma0 Flugmachzahl
• H0 Flughöhe in [m]
• F Schub in [N]
• πV Verdichterdruckverhältnis
• πFan Fandruckverhältnis
• μ Bypassverhältnis
• Tt4 Turbineneintrittstemperatur in [K]
• Mac1 axiale Zuströmmachzahl im Triebwerkseintritt
• Mac2 axiale Zuströmmachzahl im Verdichtereintritt
• Mac3BK axiale Zuströmmachzahl in die Brennkammer
• ν2 = rN2 /rG2 Nabenverhältnis im Verdichtereintritt
• ζDF Verlustkoeffizient des Diffusors vor der Brennkammer
p −p
ζDF = t3ρ3 ·t3c2BK = 0.15 . . . 0.45 nach Lefebvre (1998)
2 3
• Mav12max maximal zulässige Fanblattspitzen-Relativmachzahl
• umax höchste überhaupt irgendwo zulässige Blattspitzenumfangsgeschwin-
digkeit in Verdichter und/oder Turbine
• α Zapfluft/Luft-Verhältnis (Service-Air)
• ηFanS isentroper Fanwirkungsgrad
• ηVS isentroper Verdichterwirkungsgrad
• ηTS isentroper Turbinenwirkungsgrad
• ηBK Brennkammerwirkungsgrad (Ausbrenngrad, Ausbrand)
• ηmech mechanischer Wirkungsgrad
• πBKR Brennkammer-Totaldruckverlust infolge Reibung
• πUI Totaldruckverlust im Übergangsstück des Primärkreises
• πUII Totaldruckverlust im Übergangsstück des Sekundärkreises
• πDI Totaldruckverlust in der primären Schubdüse
• πDII Totaldruckverlust in der sekundären Schubdüse
• Hi spezifischer Heizwert in [J/kg]
kungsgrad ηFanS sind vorgegeben, sodass mithilfe der Gl. (10.4) die Fanaustrittstemperatur
Tt 13 angegeben werden kann:
Ri /c̄p12,13
πFan −1
Tt13 = Tt12 · 1 + mit Tt12 = Tt2 (14.239)
ηFans
14.4 Komplexeres synthesebasiertes Berechnungsverfahren . . . 1451
mit:
h(Tt12 , Tt13 , β = 0)
c̄p12,13 = (14.240)
Tt13 − Tt12
Die Lösung für Tt13 erfolgt dann wieder iterativ. Die statische Temperatur T13 wird eben-
falls über einen Iterationsprozess ermittelt, wenn entsprechend der Vorgaben für diesen
Rechenablauf der Ansatz c13 = c12 = c2 gemacht wird:
2
c13
T13 = Tt13 − (14.241)
2 · c̄p13
mit:
h(T13 , Tt13 , β = 0)
c̄p13 = (14.242)
Tt13 − T13
Mit dem c̄p12,13 -Wert nach Gl. (14.240) kann dann nach Abschluss der Iterationen auch
die spezifische Fanarbeit wFan berechnet werden:
wFan = c̄p12,13 · (Tt13 − Tt12 ) (14.243)
Auf der Basis der Gl. (18.157) wird nun mittels des bereits zuvor verwendeten c̄p12,13 -Wertes
der polytrope Fanwirkungsgrad ηFan bestimmt:
Ri /c̄p12,13
ln (πFan ) Ri ln (πFan ) Tt13
ηFan = = · mit τFan = (14.244)
ln (Tt13 /Tt12 ) c̄p12,13 ln (τFan ) Tt12
Die zugehörigen Drücke berechnen sich zu:
pt13 = pt12 · πFan (14.245)
Es wird dann geprüft, ob die Abströmmachzahl Mac19 im Über- oder Unterschall liegen
wird. Am Ende des dann folgenden Rechnungsganges wird anhand der dabei erzielten
Ergebnisse später noch einmal geprüft, ob das Ergebnis korrekt ist. Da κ̄ erst einmal
unbekannt ist, soll es wie folgt vorgeschätzt werden:
1
κ̄18 ≈ κ18 = (14.252)
1 − [Ri /cp18 (Tt18 , β = 0)]
Und daraus:
κ18κ −1
2 pt18
≈
18
Mac19 · −1 (14.253)
κ18 − 1 p0
Die Rechnung wird nun in Abhängigkeit davon fortgesetzt, ob Mac19 ≥ 1.0 ist oder ob
Mac19 < 1.0 ist. Wir gehen zuerst vom Fall Mac19 ≥ 1.0 aus. Dieser Fall bedeutet, dass in
14.4 Komplexeres synthesebasiertes Berechnungsverfahren . . . 1453
die konvergente Schubdüse bei A18 sperrt und die Machzahl dort gerade Mac18 = 1.0 ist.
Entsprechend der Tab. 18.9 berechnet sich dann die statische Temperatur am sekundären
Schubdüsenaustritt
18 zu:
2
T18 = Tt18 · (14.254)
κ̄18 + 1
h(T18 , Tt18 , β = 0)
c̄p18 = (14.255)
Tt18 − T18
und daraus:
1
κ̄18 = (14.256)
1 − [Ri /c̄p18 ]
Mit diesem Ergebnis geht man nun wieder in die Gl. (14.254) und iteriert solange, bis T18
mit einer ausreichenden Genauigkeit vorliegt. Der zugehörige statische Druck berechnet
sich dann zu:
2
p18 = pt18 /eϕs (T18 ,Tt18 ,β=0) = pt18 · (14.257)
κ̄18 + 1
Tt18
T19 = κ̄19 −1
(14.260)
(p0 /pt18 ) κ̄19
h(T19 , Tt18 , β)
c̄p19 = (14.261)
Tt18 − T19
und daraus:
1
κ̄19 = (14.262)
1 − [Ri /c̄p19 ]
1454 14 Berechnung realer Triebwerke
Mit diesem Ergebnis geht man nun wieder in die Gl. (14.260) und iteriert solange, bis T19
mit einer ausreichenden Genauigkeit vorliegt. Der zugehörige statische Druck berechnet
sich dann zu:
p19 = pt18 /eϕs (T19 ,Tt18 ,β=0) = p0 (14.263)
Die zugehörige Machzahl ist dann:
2 Tt18
Mac19 = · −1 (14.264)
κ̄19 − 1 T19
Die lokale Schallgeschwindigkeit ist dann:
a19 = κ19 (T19 , β = 0) · Ri · T19 (14.265)
Außerdem gilt dann auch:
c19 = Mac19 · a19 (14.266)
Nun ist es sinnvoll, zu prüfen, ob dieses Ergebnis der Gl. (14.264) mit dem vorgeschätzten
Ergebnis nach Gl. (14.253) insoweit übereinstimmt, dass Mac19 immer noch im Überschall
liegt. Sollte Mac19 jetzt im Unterschall liegen, dann wäre mit den folgenden Rechnungs-
schritten weiter zu machen, die auch zu durchlaufen wären, wenn das Ergebnis aus Gl.
(14.253) von vornherein im Unterschall gelegen hätte. Die statische Temperatur T18 wird
nun aus dem bekannten Zahlenwert für Mac19 wie folgt berechnet:
Tt18
T18 = (14.267)
κ̄18 − 1
1+ · Ma2c19
2
Hieraus ergibt sich:
h(T18 , Tt18 , β = 0)
c̄p18 = (14.268)
Tt18 − T18
und daraus:
1
κ̄18 = (14.269)
1 − [Ri /c̄p18 ]
Mit diesem Ergebnis geht man nun wieder in die Gl. (14.267) und iteriert solange, bis
T18 mit einer ausreichenden Genauigkeit vorliegt. Der zugehörige statische Druck und die
zugehörige Machzahl sind dann:
p18 = p0 und Mac18 = Mac19 (14.270)
Die lokale Schallgeschwindigkeit ist:
a18 = κ18 (T18 , β = 0) · Ri · T18 (14.271)
und außerdem gilt auch:
c18 = Mac18 · a18 (14.272)
14.4 Komplexeres synthesebasiertes Berechnungsverfahren . . . 1455
Tt18 = Tt13
pt18 = piUII * piFanD * pt13
k18 = k(Tt18, 0.)
Mac19 = SQRT ((2./(k18-1.)) *(((pt18/p0)**((k18-1.)/k18))-1.))
14 CONTINUE
IF (Mac19 >= 1.0) THEN
T18 = Tt18 * (2./(k18+1.))
T18x = Tt18
DO WHILE (ABS(T18-T18x) > 1.0E-03)
Mac18 = 1.0
T18x = T18
cpx = Dh(T18x, Tt18, 0.) / (Tt18 - T18x)
k18 = 1./(1.-(Ri/cpx))
T18 = Tt18 * (2./(k18+1.))
END DO
p18 = pt18 / EXP(PHI(T18, Tt18, 0.))
a18 = SQRT(k(T18, 0.) * Ri * T18)
c18 = a18
T19 = Tt18 / (1. + 0.5*(k18-1.)*Mac19**2)
T19x = Tt18
DO WHILE (ABS(T19-T19x) > 1.0E-03)
T19x = T19
cpx = Dh(T19x, Tt18, 0.) / (Tt18 - T19x)
k18 = 1./(1.-(Ri/cpx))
T18is = Tt19 * (p0/pt19)**((k19-1.)/k19)
END DO
p18is = pt18 / EXP(PHI(T19, Tt18, 0.))
Mac19 = SQRT ((2./(k18-1.)) *((Tt18/T19)-1.))
IF (Mac19 < 1.0) THEN
GO TO 14
END IF
a19 = SQRT(k18 * Ri * T19)
c19 = Mac19 * a19
theta18 = (p18/pt18)*SQRT(Tt18/T18)*SQRT(k(T18, 0.)/Ri)*Mac18
theta19 = (p19/pt19)*SQRT(Tt19/T19)*SQRT(k(T19, 0.)/Ri)*Mac19
Ar18 = (mpktII/theta18 )*(SQRT(Tt18 )/pt18)
Ar19 = (mpktII/theta19 )*(SQRT(Tt19 )/pt19)
ELSE IF (Mac19 > 0. .AND. Mac19 < 1.0) THEN
T18 = Tt18 / (1. + 0.5*(k18-1.)*Mac19**2)
T18x = Tt18
DO WHILE (ABS(T18-T18x) > 1.0E-03)
T18x = T18
cpx = Dh(T18x, Tt18, 0.) / (Tt18 - T18x)
k18 = 1./(1.-(Ri/cpx))
T18 = Tt18 / (1. + 0.5*(k18-1.)*Mac19**2)
END DO
p18 = p0
Mac18 = Mac19
a18 = SQRT(k(T18, 0.) * Ri * T18)
c18 = Mac18*a18
T19 = T18
a19 = a18
c19 = c18
p19 = p0
theta18 = (p18/pt18)*SQRT(Tt18/T18)*SQRT(k(T18, 0.)/Ri)*Mac18
theta19 = (p19/pt19)*SQRT(Tt19/T19)*SQRT(k(T19, 0.)/Ri)*Mac19
Ar18 = (mpktII/theta18 )*(SQRT(Tt18 )/pt18)
Ar19 = (mpktII/theta19 )*(SQRT(Tt19 )/pt19)
ELSE
STOP
END IF
1456 14 Berechnung realer Triebwerke
Leistungsgleichgewicht zwischen Verdichter und Turbine bestimmt. Das muss beim Tur-
bofantriebwerk auch so geschehen, nur dass sich das Leistungsgleichgewicht formelmäßig
nun ein wenig anders formuliert als es beim Turbojet der Fall war; nämlich:
ṁ0 μ · ṁ0
ṁI = und ṁII = (14.275)
1+μ 1+μ
Der spezifische Brennstoffverbrauch kann jetzt mit der Gl. (6.24) wie folgt berechnet
werden:
β
BS = (14.276)
FS · (1 + μ)
ṁB = β/ṁI
ṁZ = α/ṁI (14.277)
ṁ9 = ṁ8 = ṁI + ṁB − ṁZ
β5 = ṁB /ṁ9
Der thermische Wirkungsgrad kann nun wie folgt aus den bisher ermittelten Daten
berechnet werden:
2
(1 + β − α) · c92 − c02 + μ · c19 − c02
ηth = (14.278)
2 · β · Hi
2 · FS · c0 · (1 + μ)
ηP = 2 (14.280)
(1 + β − α) · c92 − c02 + μ · c19 − c02
1458 14 Berechnung realer Triebwerke
c8 = Mac8*a8
Fs = (((1. + beta - alfa) *c8) - c0 + my*(c18 - c0))/(1.+my)
mpkt0 = F/Fs
mpktI = mpkt0 / (1. + my)
mpktII = my * mpkt0 / (1. + my)
T9 = T8
a9 = a8
c9 = c8
p9 = p0
theta8 = (p8 /pt8 )*SQRT(Tt8 /T8 )*SQRT(k(T8 , beta5)/Ris)*Mac8
ELSE
STOP
END IF
!------ Allgemeine Triebwerksdaten und erste Geometrien ------------------------------
SFC = (beta/(Fs*(1.+my)))*3.6E+6
mpktB = beta * mpktI
mpktZ = alfa * mpktI
mpkt8 = mpktI + mpktB - mpktZ
beta5x = mpktB / mpkt8
END DO
beta5 = beta5x
etaP = 2.*Fs*(1.+my)*c0 / ((1.+beta-alfa)*c9 *c9 - c0*c0+ &
& my*(c19 *c19 -c0*c0))
etath = ((1.+beta-alfa)*c9 *c9 - c0*c0 + my*(c19 *c19 - &
& c0*c0)) / (2.*beta*Hi)
etacore = ((1.+beta-alfa)*c7is*c7is - c0*c0 + my*(c19 *c19 - &
& c0*c0)) / (2.*beta*Hi)
etages = etath * etaP
Hieraus kann nun das Schubverhältnis nach Gl. (6.31) berechnet werden:
FI /ṁI FI
= =μ· (14.286)
FII /ṁII FII
1460 14 Berechnung realer Triebwerke
Die größte überhaupt zulässige Umfangsgeschwindigkeit umax an der Spitze der Beschaufe-
lung von Verdichter oder Turbine wurde bei den Eingangsdaten der Rechnung vorgegeben,
sodass daraus die maximale Drehzahl nN2 der Hochdruckwelle des Triebwerks bestimmbar
ist:
30 · umax
nN2 = (14.287)
π · rmax
Hierin ist rmax der größte Radius von Verdichter und/oder Turbine, so wie es beim Turbojet
dargestellt wurde. Der äußere Fanradius berechnet sich zu:
A12
r12G = + r2G
2
(14.288)
π
Bei den Eingabedaten ist an der Blattspitze des Fan die größte zulässige Relativmach-
zahl vorgegeben. Daraus kann die höchste zulässige Umfangsgeschwindigkeit an der
Fanblattspitze berechnet werden:
+ +
v12max = umax
2
N1
+ c 2
12 bzw. Ma v12 max = Mau2 max + Mac12
2
N1
umaxN1 umaxN1 +
Maumax = = = Ma2v12max − Ma2c12
N1 a12 κ(T2 , β = 0) · Ri · T12
+
umaxn1 = κ(T2 , β = 0) · Ri · T12 · Ma2v12max − Ma2c12 (14.289)
14.4 Komplexeres synthesebasiertes Berechnungsverfahren . . . 1461
Daraus kann die maximale Drehzahl nN1 der Niederdruckwelle des Triebwerks berechnet
werden:
30 · umaxN1
nN1 = (14.290)
π · r12G
Ebenso kann auf dieser Basis auch die aerodynamische Mindeststirnfläche AAIP
(Aerodynamic Interface Plane) des Triebwerks berechnet werden:
AAIP = π · r12G
2
(14.291)
Es folgt anschließend der „Input“ und „Output“ des zuvor beschrieben Rechenprogramms
für einen einfachen, zweiwelligen Turbofan.
Input Data
----------
Mac0 = 0.85000000 Flugmachzahl
H0 = 11000.00000000 m Flughöhe
F = 37000.00000000 N Triebwerksschub
piV = 28.00000000 Verdichterdruckverhältnis
piFan = 1.80000000 Fandruckverhältnis
my =mII/mI = 4.60000000 Bypass-Verhältnis
Tt4 = 1450.00000000 K Turbineneintrittstemperatur
alfa = 0.04000000 Zapfluft/Luft-Verhältnis
Mac1 = 0.75000000 Machzahl am Triebwerkseintritt
Mac2 = 0.50000000 Machzahl am Verdichtereintritt
ny2=r2N/r2G = 0.40000000 Nabenverhältnis am Verdichtereintritt
Mac3_in_BK = 0.22500000 Machzahl am Brennkammereintritt
Mav12max = 1.40000000 zulässige relative Fanblattspitzenmachzahl
umaxN2 = 450.00000000 m/s maximale Blattspitzenumfangsgeschwindigkei t
etaFans = 0.92000000 isentroper Fanwirkungsgrad
etaVs = 0.87000000 isentroper Verdichterwirkungsgrad
etaTs = 0.90000000 isentroper Turbinenwirkungsgrad
etaBK = 0.99900000 Ausbrenngrad der Brennkammer
etamech = 0.97000000 mechanischer Wirkungsgrad
piBKR = 0.00000000 Brennkammerd ruckverlust infolge Reibung
piUI = 0.98700000 Druckverlust im primären Übergangsstück
piUII = 0.99500000 Druckverlust im sekundären Übergangsstück
piD = 0.99000000 Druckverlust in der primären Schubdüse
piFanD = 0.98000000 Druckverlust in der sekundären Schubdüse
Hu = 4.28000E+07 J/kg spezifischer Heizwert
Output Data
-----------
(0) Ungest örte Zuströmung weit vor dem Triebwerk
================================================
A0 = 2.11145496 m*m Fangstromröhrenquerschnitt
A_Stirnfl. = 3.01904321 m*m aerodynamische Mindeststirnfläche
D0 = 1.63963044 m Fangstromröhrendurchmesser
Tt0 = 248.12088013 K Totaltemperatur
T0 = 216.64999390 K statische Temperatur
pt0 = 36329.91406250 Pa Totaldruck
p0 = 22631.86718750 Pa Umgebungsdruck (Barometerdruck)
rho0 = 0.36392000 k/m^3 Dichte
Mac0 = 0.85000002 Flugmachzahl
14.4 Komplexeres synthesebasiertes Berechnungsverfahren . . . 1463
(2) Verdichtereintrittsebe ne
============================
etar = 1.00000000 Einlaufdruckverlust infolge Stößen
piER = 0.94934446 Einlaufdruckverlust infolge Reibung
piE = 0.94934446 gesamter Einlaufdruckverlust
A2 = 0.52136087 m*m Verdichtereintrittsfläche
ny2 = 0.40000001 Nabenverhältnis am Verdichtereintritt
r2G = 0.44448248 m Gehäuseradius am Verdichtereintritt
r2N = 0.17779300 m Nabenradius am Verdichtereintritt
br2 = 0.26668948 m Schaufelhöhe am Verdichtereintritt
rmit = 0.31113774 m geometrisch mittlerer Radius
Tt2 = 248.12088013 K Totaltemperatur
T2 = 236.25605774 K statische Temperatur
pt2 = 34489.60156250 Pa Totaldruck
p2 = 29065.95898438 Pa statischer Druck
rho2 = 0.42859384 k/m^3 Dichte
Mac2 = 0.50000000 Absolutmachzahl
Mav2 TIP = 1.54266655 Blattspitzen -Relativmachzahl
Mau2 TIP = 1.45939028 Blattspitzenumfangsgeschw. -Machzahl
a2 = 308.34796143 m/s Schallgeschwindigkeit
c2 = 154.17398071 m/s Absolutgeschwindigkeit
k (Tt2) = 1.40152955 κ
k (T2 ) = 1.40198505 κ
cp (Tt2) = 1001.93725586 J/(kg*K) cp
cp (T2 ) = 1001.12713623 J/(kg*K) cp
Dh (T0,Tt2) = 3.1500E+04 J/(kg*K) Enthalpiefunktion Kap. F.4
Dh (T0,T2 ) = 1.9617E+04 J/(kg*K) Enthalpiefunktion Kap. F.4
phi(T0,Tt2) = 0.47328255 Entropiefunktion Kap. F.5
phi(T0,T2 ) = 0.30219236 Entropiefunktion Kap. F.5
(12) Faneintrittsebene
======================
A12 = 2.39837551 m*m Faneintrittsfläche
r12G = 0.98030162 m Gehäuseradius an der Fanspitze
r12N = 0.44448248 m Nabenradius am Faneintritt
br12 = 0.53581917 m Fachschaufelhöhe
rmit = 0.71239203 m geometrisch mittlerer Fanradius
Tt12 = 248.12088013 K Totaltemperatur
T12 = 236.25605774 K statische Temperatur
pt12 = 34489.60156250 Pa Totaldruck
p12 = 29065.95898438 Pa statischer Druck
rho12 = 0.42859384 k/m^3 Dichte
Mac12 = 0.50000000 Absolutmachzahl
Mav12 TIP = 1.39999998 max. zul. Fan-Blattspitzen-Relativmachzahl
Mau12 TIP = 1.3076696 4 Fan-Blattspitzen-Umfangsmachzahl
1464 14 Berechnung realer Triebwerke
(13) Fanaustrittsebene
======================
A13 = 1.56506002 m*m Fanstufenaustrittsfläche
r13G = 0.88721645 m Gehäuseradius am Fanstufenaustritt
r13N = 0.53756762 m Nabenradius am Fanstufenaustritt
br13 = 0.34964880 m Schaufelhöhe am Fanstufenaustritt
Tt13 = 297.47665405 K Totaltemperatur
T13 = 285.65850830 K statische Temperatur
pt13 = 62081.28125000 Pa Totaldruck
p13 = 53856.12109375 Pa statischer Druck
rho13 = 0.65679848 k/m^3 Dichte
Mac13 = 0.45507190 Absolutmachzahl
a13 = 338.79037476 m/s Schallgeschwindigkeit
c13 = 154.17398071 m/s Absolutgeschwindigkeit
k (Tt13) = 1.39913535 κ
k (T13 ) = 1.39977801 κ
cp (Tt13) = 1006.22552490 J/(kg*K) cp
cp (T13 ) = 1005.06927490 J/(kg*K) cp
Dh (T13,Tt13) = 8.1051E+04 J/(kg*K) Enthalpiefunktion Kap. F.4
Dh (T0,T13 ) = 6.9166E+04 J/(kg*K) Enthalpiefunktion Kap. F.4
phi(T0,Tt13) = 1.10823882 Entropiefunktion Kap. F.5
phi(T0,T13 ) = 0.96611035 Entropiefunktion Kap. F.5
etaFan = 0.92634773 polytroper Fanwirkungsgrad
etaFans = 0.92000002 isentroper Fanwirkungsgrad
piFan = 1.79999995 Fandruckverhältnis πFan = pt13/pt12
tauFan = 1.19891822 Fantemperaturverhältnis τFan = Tt13/Tt12
wFan = 49551.30468750 W/(kg/s) spezifische Fanarbeit
(3) Verdichteraustrittsebene
============================
A3 = 0.04530628 m*m Verdichteraustrittsfläche
ny3 = 0.92818874 Nabenverhältnis am Verdichtera ustritt
14.4 Komplexeres synthesebasiertes Berechnungsverfahren . . . 1465
k (T4 ) = 1.29838097 κ
cp (Tt4) = 1253.61938477 J/(kg*K) cp
cp (T4 ) = 1249.91577148 J/(kg*K) cp
Dh (T0,Tt4) = 1.4021E+06 J/(kg*K) Enthalpiefunktion Kap. F.4
Dh (T0,T4) = 1.3662E+06 J/(kg*K) Enthalpiefunktion Kap. F.4
phi(T0,Tt4) = 7.26252985 Entropiefunktion Kap. F.5
phi(T0,T4) = 7.17558384 Entropiefunktion Kap. F.5
Ris = 287.24316406 J/(kg*K) R′ spezifische Gaskonstante Heißgas
beta = 0.02129296 Brennstoff/Luft-Verhältnis
lambda = 3.21143699 λL Luftüberschusszahl
piBKR = 0.98000002 Brennkammerdruckverlust infolge Reibung
piBKth = 0.95505494 thermischer Brennkammerdruckverlust
piBK = 0.93505496 gesamter Brennkammerdruckverlust
(5) Turbinenaustrittsebene
==========================
A5 = 0.42198303 m*m
ny5 = 0.48491284
r5G = 0.41906530 m Gehäuseradius
r5N = 0.20321015 m Nabenradius
br5 = 0.21585517 m Schaufelhöhe
wV = 450144.31250000 W/(kg/s)
wT = 681220.87500000 W/(kg/s)
Tt5 = 887.36315918 K Totaltemperatur
T5 = 854.38317871 K statische Temperatur
pt5 = 83753.60156250 Pa Totaldruck
p5 = 73420.06250000 Pa statischer Druck
rho5 = 0.29916608 k/m^3 Dichte
Mac5 = 0.46813059 Absolutmachzahl
a5 = 572.03125000 m/s Schallgeschwindigkeit
c5 = 267.78533936 m/s Absolutgeschwindigkeit
k (Tt5) = 1.33023250 κ
k (T5 ) = 1.33332849 κ
cp (Tt5) = 1157.07861328 J/(kg*K) cp
cp (T5 ) = 1148.99963379 J/(kg* K) cp
Dh (T0,Tt5) = 7.2165E+05 J/(kg*K) Enthalpiefunktion Kap. F.4
Dh (T0,T5 ) = 6.8362E+05 J/(kg*K) Enthalpiefunktion Kap. F.4
phi(T0,Tt5) = 5.20307207 Entropiefunktion Kap. F.5
phi(T0,T5) = 5.05104017 Entropiefunktion Kap. F.5
etaT = 0.87049693 polytroper Turbinenwirkungsgrad
etaTs = 0.89999998 isentroper Turbinenwirkungsgrad
piT = 0.09275132 Turbinendruckverhältnis πT = pt5/pt4
tauT = 0.61197460 Turbinentemperaturverhältnis τT = Tt5/Tt4
wT = 681220.87500000 W/(kg/s) Betrag der spezifischen Turbinenarbeit
(7) Düseneintrittsebene
=======================
A7 = 0.62066770 m* m Schubdüseneintrittsfläche
D7 = 0.88868779 m Schubdüseneintrittsdurchmesser
Tt7 = 887.36315918 K Totaltemperatur
T7 = 871.77575684 K statische Temperatur
pt7 = 82664.80468750 Pa Totaldruck
p7 = 78579.02343750 Pa statischer Druck
p7is = 22874.49414062 Pa statischer Druck bei isentroper Expansion
p0 = 22631.86718750 Pa Umgebungsdruck
p7is/p0-Fehler = 1.07205892 % Fehler
rho7 = 0.31379941 k/m^3 Dichte
Mac7 = 0.30077946 Absolutmachzahl
Mac7is = 1.51145911 Absolutmachzahl bei isentroper Expansion
a7 = 577.46600342 m/s Schallgeschwindigkeit
c7 = 173.68991089 m/s Absolutgeschwindigkeit
a7is = 498.00131226 m/s Schallgeschwind. bei isentroper Expansion
c7is = 752.70861816 m/s Absolutgeschwindigkeit bei is. Expansion
k (Tt7) = 1.33023250 κ
k (T7 ) = 1.33167541 κ
cp (Tt7) = 1157.07861328 J/(kg*K) cp
cp (T7 ) = 1153.29467773 J/(kg*K) cp
Dh (T0,Tt7) = 7.2165E+05 J/(kg*K) Enthalpiefunktion Kap. F.4
Dh (T0,T7 ) = 7.0364E+05 J/(kg*K) Enthalpiefunktion Kap. F.4
phi(T0,Tt7) = 5.20307207 Entropiefunktion Kap. F.5
phi(T0,T7) = 5.13180161 Entropiefunktion Kap. F.5
14.4 Komplexeres synthesebasiertes Berechnungsverfahren . . . 1467
Allgemeine Triebwerksdaten
==========================
mpkt0 = 192.93205261 kg/s angesaugter Luftmassenstrom
mpktI = 34.45215225 kg/s primärer Luftmassenstrom
mpktII = 158.47990417 kg/s sekundärer Luftmassenstrom
mpktB = 0.73358822 kg/s Brennstoffmassenstrom
mpktZ = 1.37808609 kg/s Zapfluftmassenstrom
mpkt9 = 33.80765533 kg/s Massenstrom aus dem Primärkreis
mpktred2 = 525.96295166 kg/s reduzierter Massenstrom Ebene 2
mpktred3 = 5.35383272 kg/s reduzierter Massenstrom Ebene 3
mpktred3BK = 5.40104008 kg/s reduzierter Massenstrom Ebene 3BK
mpktred4 = 8.50987148 kg/s reduzierter Massenstrom Ebene 4
mpktred5 = 71.77439880 kg/s reduzierter Massenstrom Ebene 5
mpktred9 = 73.45429993 kg/s reduzierter Massenstrom Ebene 9
pt9/p0 = 3.61605859 kg/s Düsendruckverhältnis (total)
p9 /p0 = 1.96680069 kg/s Düsendruckverhältnis (statisch)
F = 37000.00000000 N Triebwerksschub
FI = 16317.61035156 N Schub des Primärkreises
FI/mpktI = 473.63107300 N/(kg/s) spez. Schub des Primärkreises
FII = 20682.06640625 N Schub des Sekundärkreises
FII/mpktII = 130.50277710 N/(kg/s) spez. Schub des Sekundärkreises
PHI=FsI/FsII = 3.62927985 N Schubverhältnis
Fs = 191.77735901 N/(kg/s) spezifischer Schub
SFC = 1.9827E-05 (kg/s)/N spezifischer Brennstoffverbrauch
SFC = 19.82670975 ( g/s)/kN spezifischer Brennstoffverbrauch
SFC = 71.37615204 (kg/h)/kN spezifischer Brennstoffverbrauch
beta = 0.02129296 Brennstoff/Luft-Ver5hältnis
beta5 = 0.02169888 Brennstoff/Luft-Ver5hältnis ab Ebene 5
etath = 0.47643235 thermischer Wirkungsgrad
etacore = 0.48098832 Kernwirkungsgrad
etaP = 0.62094283 Vortriebswirkungsgrad
etages = 0.29583725 Gesamtwirkungsgrad
umaxN1 = 403.21725464 m/s größte Umfangsgeschwindigkeit N1-Welle
umaxN2 = 450.00000000 m/s größte Umfangsgeschwindigkeit N2-Welle
rpmN1 = 3927.81250000 1/min Drehzahl der N1-Welle
rpmN2 = 9667.83496094 1/min Drehzahl der N2-Welle
Triebwerksgeometrie
===================
Ar0 = 2.11145496 m^2 Fangstromröhrenfläche
A_Stirnfl. = 3.01904321 m*m aerodynamische Mindeststirnfläche
D0 = 1.63963044 m Fangstromröhrendurchmesser
Ar2 = 0.52136087 m^2 Verdichtereintrittsfläche
1468 14 Berechnung realer Triebwerke
Passt man den Eingabedatensatz der eingangs dieses Kapitels erwähnten kommerziellen
Software GasTurbTM 12 (Kurzke und Jeschke 2013) unter Verwendung der hier benutzten
Daten und Randbedingungen an, so ist die Übereinstimmung in den Ergebnissen zwar ganz
gut, aber nicht so vollkommen, wie es beim Turbojet der Fall war. Es gibt Unterschiede an
einzelnen Stellen, die aber nicht so gravierend sind. Ursächlich dafür ist wahrscheinlich,
dass GasTurbTM einen Turbofan deutlich detaillierter berechnet, als das hier in diesem
Kapitel der Fall ist. Wie schon beim Turbojet erwähnt, kann GasTurbTM ohne Frage
eine Berechnung der hier vorgestellten Art detaillierter und mit ausgereifterer Perfektion
erledigen. Eine solche Perfektion auch mit dem hier vorliegenden Kapitel zu erreichen, war
und ist aber nicht das Ziel dieses Buches, sondern es geht hier vielmehr darum, aufzeigen,
wie die typische Vorgehensweise abläuft, mit der man prinzipiell an ein synthesebasiertes
Berechnungsverfahren herangehen kann. Den geneigten Leser mag der hier vorgestellte
Computercode vielleicht ja auch dazu anregen, sich ein eigenes Programm zu entwickeln
und dieses zu erweitern und zu perfektionieren.
Bei der folgenden Parameterstudie handelt es sich primär nicht um das, was in Kap. 7
als parametrische Kreisprozessanalyse bezeichnet wurde. Im hier vorliegenden Kapitel
sollen aber dennoch einige Triebwerksparameter systematisch variiert werden, so wie es
auch schon in Kap. 7 geschah. Nur wird jetzt diese Parameteranalyse über den zuvor
beschriebenen Rechenablauf für ein reales Turbofantriebwerk erfolgen, also mit einem
synthesebasierten Rechenverfahren. Die dabei erzielten Ergebnisse werden – bis auf die
Ergebnisse zu den Wirkungsgraden – mit den Daten eines idealen Turbofantriebwerks
verglichen werden, wobei diese Daten dann ebenfalls aus einer synthesebasierten Rechnung
stammen, so wie sie in Kap. 6.16.2 vorgestellt wurde. Die Berechnungen basieren dabei
jeweils auf einem Grunddatensatz, der wie folgt aussieht:
14.4 Komplexeres synthesebasiertes Berechnungsverfahren . . . 1469
Die Abb. 14.29 zeigt den Vergleich zwischen idealem und realem Turbofantriebwerk, wenn
der spezifische Verbrauch BS , der spezifische Schub FS und das Brennstoff/Luft-Verhältnis
β über dem Verdichterdruckverhältnis πV aufgetragen werden. Die Tendenzen, die die
einzelnen Kurvenverläufe haben, sind beim idealen und realen Triebwerk grundsätzlich
ähnlich. Wie zu erwarten, ist aber beim realen Triebwerk der Verbrauch (BS , β) höher und
die Leitung (FS ) geringer als im idealen Fall.
Beim realen Turbofan ist ein augenfälliges Minimum beim spezifischen Brennstoffver-
brauch BS und ein ausgeprägtes Maximum beim spezifischen Schub FS zu erkennen. Der
Kurvenverlauf von BS verläuft nahe beim Verbrauchsminimum aber vergleichsweise flach,
sodass die Auslegung eines solchen Triebwerks z. B. bei einem Verdichterdruckverhältnis
von πV ≈ 50 den spezifischen Schub zwar abschwächen, aber den spezifischen Verbrauch
1470 14 Berechnung realer Triebwerke
FS 250 0.030
β
⎡ N ⎤ 225 real 0.027
⎢ ⎥ ideal
⎢ kg/s ⎥
⎣ ⎦
200 0.024
BS FS
⎡ kg/h ⎤ 175 0.021
⎢ ⎥
⎣⎢ kN ⎦⎥ 150 β 0.018
125 0.015
100 0.012
75 0.009
50 BS 0.006
25 [π V ]F S max
[π V ]B
S min
0.003
0 0.000
1 26 51 76 1 01 1 26 1 51 1 76 2 01 2 26 2 51
π Vopt π Vmin πV
nur geringfügig anheben würde. Darüber hinaus vermitteln die Kurven keine weiteren
zusätzlichen Informationen, die nicht schon in Kap. 7 beim idealen Turbofan diskutiert
worden wären. Ergänzend zeigt nun noch die Abb. 14.30, dass dort, wo der spezifische
Schub FS sein Maximum hat, der Vortriebswirkungsgrad ηV sein Minimum hat. Dieser
Zusammenhang war auch beim realen Turbojet festzustellen gewesen, ebenso wie der Fakt,
dass der Gesamtwirkungsgrad ηges dort sein Maximum hat, wo das Minimum des spezifi-
schen Brennstoffverbrauchs BS vorliegt. Zwischen diesen beiden genannten Sonderfällen
bei πVopt und πV min existiert ein drittes hervorgehobenes Verdichterdruckverhältnis πVth ,
das dort liegt, wo der thermische Wirkungsgrad ηth sein Maximum hat.
Der linke Teil von Abb. 14.31 und die Abb. 4.32 zeigen die Auftragung des Kehrwerts des
Turbinendruckverhältnisses 1/πT = pt4 /pt5 über dem Verdichterdruckverhältnis πV . Der
Kehrwert des Turbinendruckverhältnisses wurde wegen der besseren Darstellungsweise
gewählt, da so Zahlenwerte 1/πT > 1 entstehen. Mit steigendem Verdichterdruckverhält-
nis muss auch das Druckgefälle der Turbine größer ausfallen. Das Turbinendruckgefälle
ist dabei generell kleiner als das des Verdichters. Bei vorgegebenem Verdichterdruckver-
hältnis πV = const fällt das Turbinendruckverhältnis umso geringer aus, je höher die
dimensionslose Turbineneintrittstemperatur τq ist. Sowohl im Turbinendruckverhältnis
πT = pt4 /pt5 als auch im Verdichterdruckverhältnis πV = pt3 /pt2 treten jeweils im Zäh-
ler die nur wenig voneinander unterschiedlichen Drücke pt3 ≈ pt4 auf. Der Unterschied
in den Druckverhältnissen πV und πT muss also darauf beruhen, dass die Drücke im
jeweiligen Nenner deutlich voneinander verschieden sind, und zwar ist der Verdichterein-
14.4 Komplexeres synthesebasiertes Berechnungsverfahren . . . 1471
ηth 1.0
ηP 0.9
real
ηges ideal
0.8 ηP
0.7 η th
ηP
0.6
0.5 ηges
ηth
0.4
0.3 ηges
0.2
0.1 [π V ]F Smax
[π V ]ηthmax
[π V ]BSmin
0.0
1 26 51 76 101 126 151 176 201 226 251
π Vopt π Vth π Vmin πV
πV
50.0 60 5040 30 20 10
25.0
1 p
= t4
πT pt 5
20.2
real
ideal
30.4 15.4
K
0
20.6 10.6
30
Tt4 = 1 083 K
1
K
17
10.8 15 5.8
K
1 733
1 950 K
1.0 1.0
1 11 21 31 41 π 51 0.0 0.6 1.2 1.8 2.4 3.0
V Ma0
trittsdruck pt2 in der Regel kleiner als der Turbinenaustrittsdruck pt5 . Mit zunehmender
Turbineneintrittstemperatur Tt4 nehmen diese Unterschiede zu.
1472 14 Berechnung realer Triebwerke
75.0 25.0
1 p
= t4 22.6
πT pt 5
real
60.2 ideal 20.3
52.8 17.8
45.4 15.4 .2
=2
38.0 13.0 π Fan
30.6 10.6 .8
=1
23.2 8.2 π Fan
.4
=1
π Fan
15.8 μ=8 5.8
8.4 μ=4
3.4
μ=1
1.0 1.0
1 1
11 21 31 41 51 1 11
1 21 31 41 51
πV πV
Der rechte Teil von Abb. 14.32 zeigt, dass das Turbinendruckverhältnis mit steigen-
der Flugmachzahl Ma0 und/oder mit steigendem Verdichterdruckverhältnis πV zunimmt.
Auch dies ist mittels Abb. 14.31 zu erklären, da es zeigt, dass eine Steigerung der Flug-
machzahl Ma0 genauso wie eine Steigerung des Verdichterdruckverhältnisses πV = pt3 /pt2
zu einem Anstieg des Verdichteraustrittsdrucks pt3 führt, wodurch wegen pt3 ≈ pt4 schließ-
lich auch der Kehrwert des Turbinendruckverhältnisses 1/πT = pt4 /pt5 ansteigt. Ergänzend
dazu gibt Abb. 14.32 die Information, dass das Turbinendruckgefälle beim Turbofan um-
so größer wird, je größer das Bypassverhältnis μ und/oder das Fandruckverhältnis πFan
gewählt wird. Diese Aussage kann auch anhand der Kreisprozessdarstellung in Abb. 14.28
nachvollzogen werden.
Die Abb. 14.33 zeigt den Verlauf der Düsenaustrittsmachzahlen aus dem Primär- und
Sekundärkreis über der Flugmachzahl Ma0 . Beim Verlauf der Austrittsmachzahl Mac9 aus
der Primärdüse ist zu erkennen, dass im Bereich von Flugmachzahlen unterhalb von ca.
Ma0 = 1.5 . . . 2.0 die primäre Düsenaustrittsmachzahl im Vergleich zur sekundären nur
mäßig ansteigt, um dann aber bei einer weiteren Flugmachzahlsteigerung in Richtung null
abzufallen. Dieser Abfall tritt umso eher auf, je größer das Bypassverhältnis μ und/oder
das Fandruckverhältnis πFan ist. Dieses Verhalten lässt sich anhand von Abb. 14.28 an-
schaulich erklären. Der Fall Mac9 = 0 bzw. c9 = 0 bedeutet nämlich, dass alle in der
Primärströmung zur Verfügung stehende Energie von der Turbine zum Antrieb von Fan
und Primärstromverdichter (Niederdruckverdichter) benötigt wird. Für die Erzeugung ei-
nes schnellen primären Schubstrahls bleibt keine Energie mehr übrig. Man vergleiche dazu
auch Abb. 6.16 und 6.17 in Kap. 6 und die zugehörige Diskussion zu diesen Bildern. Für
14.4 Komplexeres synthesebasiertes Berechnungsverfahren . . . 1473
3.0 3.0
Ma c9s
real
ideal Ma c19 2.7 π = 1.6
Ma c19 Fan
1.8 Ma c19
2.4 2.4 2.2
1
=
2.1 2.1
μ
2
Ma c9 2.
1.8 1.8 =
π
n
4 Fa
=
1.5 μ 1.5
Ma c9 1.8
1.2 1.2 =
π
n
Fa
8
0.9
μ
= real
0.9 1.4
=
ideal π Fa
n
0.6 0.6
Ma c9
0.3 0.3 Ma c9
0.0 0.0
0.0 0.6 1.2 1.8 2.4 3.0 0.0 0.6 1.2 1.8 2.4 3.0
Ma0 Ma0
Abb. 14.33 Abströmmachzahlen hinter der primären und der sekundären Schubdüse Ma9 und
Ma19 eines realen Turbofantriebwerks, aufgetragen über der Flugmachzahl Ma0 mit dem Bypass-
Verhältnis μ und dem Fandruckverhältnis πFan als Parameter
Mac9 → 0 ist bei gegebenem Bypassverhältnis μ die Flugmachzahl Ma0 erreicht, bis zu der
ein solcher Turbofan praktisch betrieben werden kann. Um Turbofantriebwerke dennoch
bei höheren Flugmachzahlen zu betreiben, ist eine Verringerung des Bypass- und/oder
des Fandruckverhältnisses erforderlich, was zeigt, dass der Turbofan im Bereich höherer
Flugmachzahlen mit moderaten Bypassverhältnissen ausgelegt werden sollte. Militärische
Turbofantriebwerke, die bis zu Flugmachzahlen von etwa Ma0 = 2.0 . . . 2.5 betrieben
werden, haben Fandruckverhältnisse von πFan = 2 . . . 3 und Bypassverhältnisse von
μ = 0.5 . . . 1.0.
Abbildung 14.34 zeigt den spezifischen Schub FS , aufgetragen über dem Verdichter-
druckverhältnis πV . Alle Schubkurven vermitteln – wie auch schon beim idealen und beim
realen Turbojet – dass auch beim realen Turbofan maximale spezifische Schübe FSmax in
Abhängigkeit des Verdichterdruckverhältnisses πV existieren. Sind das Bypassverhältnis
μ oder das Fandruckverhältnis πFan der Parameter, so liegen die Schubmaxima bei Ver-
dichterdruckverhältnissen, die nicht auffällig voneinander verschieden sind. Ist aber die
Flugmachzahl Ma0 der Parameter, so wandern die Maxima mit steigender Flugmachzahl
signifikant zu kleineren Verdichterdruckverhältnissen hin.
Die Abb. 14.35 zeigt, dass der spezifische Schub FS generell mit steigender Flugmachzahl
Ma0 abnimmt. Aufgrund des höheren angesaugten Luftmassenstroms wird der spezifische
Schub mit steigendem Bypassverhältnis μ kleiner, Abb. 14.35 links. Die Abb. zeigt auch,
dass der Turbofan mit hohen Bypassverhältnissen μ offensichtlich auf Bereiche kleinerer
Flugmachzahlen Ma0 beschränkt ist. Die Kurven in der Mitte von Abb. 14.35 vermitteln,
1474 14 Berechnung realer Triebwerke
500
FS real
ideal
⎡ kg/s ⎤
⎢ ⎥ μ=1
⎣⎢ N ⎦⎥
300 Ma0 = 0.4
0
1 11 21 31 41π V51 1 11 21 31 41π V51 1 11 21 31 41π V51
Abb. 14.34 Spezifischer Schub FS eines realen Turbofantriebwerks, aufgetragen über dem
Verdichterdruckverhältnis πV
500
FS
real
⎡ kg/ s ⎤ ideal
⎢ ⎥ μ=1
⎢⎣ N ⎥⎦
300 μ=4
πV
200 10
20
30
100 μ=8 40
π Fan = 1.4 50
1.8
μ=6 2.2
60
0
0.0 0.6 1.2 1.8 Ma0 3.0 0.0 0.6 1.2 1.8 Ma0 3.0 0.0 0.6 1.2 1.8 Ma0 3.0
Abb. 14.35 Spezifischer Schub FS eines realen Turbofantriebwerks, aufgetragen über der Flugmach-
zahl Ma0
dass bei hohen Flugmachzahlen Ma0 das Fandruckverhältnis πFan in Grenzen zu halten
ist und dass hohe spezifische Schübe FS höhere Fandruckverhältnisse πFan verlangen. Der
rechte Teil von Abb. 14.35 zeigt schließlich, dass im Unterschallflugfall Ma0 < 1 das Ver-
dichterdruckverhältnis πV etwas weniger Einfluss auf den spezifischen Schub FS hat als im
Überschallflugfall. Sehr hohe Flugmachzahlen Ma0 sind nur noch mit kleinen Verdich-
terdruckverhältnissen πV zu erreichen. Die unterschiedlichen Kurvenenden in Abb. 14.35
bedeuten auch hier jeweils das Erreichen von c9 = 0.
In Abb. 14.36 ist der spezifische Schub FS über dem Fandruckverhältnis πFan auf-
getragen. Die erreichbaren spezifischen Schübe FS nehmen generell mit steigendem
Fandruckverhältnis πFan zu. Kleine Bypassverhältnisse μ und große Fandruckverhältnisse
14.4 Komplexeres synthesebasiertes Berechnungsverfahren . . . 1475
500
FS
μ=1 real
⎡ kg/s ⎤ ideal
⎢ ⎥
⎢⎣ N ⎥⎦
300 Ma0 = 0.4
Abb. 14.36 Spezifischer Schub FS eines realen Turbofantriebwerks, aufgetragen über der Fandruck-
verhältnis πFan
πFan führen zu den höchsten spez. Schüben. Besonders interessant an den Darstellungen
in Abb. 14.36 ist, dass es für jedes Bypassverhältnis μ offensichtlich ein ganz bestimmtes
optimales Fandruckverhältnis πFanopt gibt, bei dem sich der spezifische Schub FS maximiert.
Turbofantriebwerke mit kleineren Bypassverhältnissen μ benötigen zum Erreichen hoher
spezifischer Schübe FS stets deutlich höhere Fandruckverhältnisse πFan als Triebwerke mit
hohen Bypassverhältnissen μ.
Dass der spezifische Schub FS – wie in Abb. 14.37 zu sehen ist – generell mit dem
Bypassverhältnis μ abnimmt, ist damit zu erklären, dass hohe Bypassverhältnisse μ auch
einen hohen, vom Triebwerk angesaugten Luftmassenstrom ṁ0 bedeuten und da der
Triebwerksschub F zur Bildung des spez. Schubes FS auf diesen Massenstrom ṁ0 bezogen
ist, der spez. Schub mit dem Bypassverhältnis μ abnehmen muss.
Die bisher dargestellten Bilder machen deutlich, dass die Vielzahl von Parametern, die
es beim Turbofan gibt (es sind zwei mehr als beim Turbojet, nämlich das Bypassverhältnis
μ und das Fandruckverhältnis πFan ), auch eine Vielzahl von Auftragungen und daraus
resultierenden Kreuzauftragungen erlauben. Weitere Möglichkeiten der Auftragung mit
ergänzenden Auslegungsgesichtspunkten sind bei Mattingly (2006) zu finden.
Die Abb. 14.38 zeigt den spezifischen Brennstoffverbrauch BS , aufgetragen über dem
Verdichterdruckverhältnis πV . Wie auch schon beim Turbojet, so nimmt auch beim Tur-
bofan der spezifische Brennstoffverbrauch BS mit dem Verdichterdruckverhältnis πV ab.
Eine zusätzliche Steigerung des Bypassverhältnisses μ senkt den spezifischen Verbrauch
BS noch weiter ab. Eine Anhebung des Fandruckverhältnisses πFan hat ebenfalls – wie
generell jede Druckerhöhung – eine absenkende Wirkung auf den spezifischen Brennstoff-
verbrauch BS . Der erhöhte Energieaufwand, der zum Erreichen hoher Flugmachzahlen Ma0
notwendig ist, spiegelt sich konsequenterweise auch in einem höheren spezifischen Brenn-
stoffverbrauch BS wieder, wie es der rechte Teil von Abb. 14.38 zeigt. Abbildung 14.39
1476 14 Berechnung realer Triebwerke
500
FS
⎡ kg/s ⎤ real
⎢ ⎥ ideal
⎢⎣ N ⎥⎦
300 π Fan = 2.2
π Fan = 1.8
Ma0 = 0.4
200
0
1 3 5 8 μ 12 1 3 5 8 μ 12 1 3 5 8 μ 12
Abb. 14.37 Spezifischer Schub FS eines realen Turbofantriebwerks, aufgetragen über dem Bypass-
Verhältnis μ
150
BS real
ideal
⎡ kg/h ⎤
⎢ ⎥ μ=1
⎣⎢ kN ⎦⎥ π Fan = 1.4
1.8 Ma0 = 1.2
90 μ=4 2.2
Ma0 = 0.8
60
μ=8 Ma0 = 0.4
μ=6
30
0
1 11 21 31 πV 51 1 11 21 31 πV 51 1 11 21 31 πV 51
gibt alle diese Tendenzen ebenfalls wieder. Speziell bei den kleineren Bypassverhältnissen
μ zeigt es sich, dass es nach einem steilen Anstieg des spezifischen Brennstoffverbrauchs
BS mit zunehmender Flugmachzahl Ma0 zu einem kurzen und leichten Abflachen der
jeweiligen Kurvenverläufe kommt. Diesem etwas flacher verlaufenden Kurventeil folgt
abschließend generell ein Bereich dramatischen Anstiegs des spezifischen Brennstoffver-
brauchs BS . Ursächlich dafür ist der in diesem Machzahlbereich auftretende rapide Abfall
des spezifischen Schubes FS . Die Abb. 14.35 und 14.37 zeigen, dass in Abhängigkeit von
Ma0 und μ der Ausdruck FS × (1 + μ), der in der Gleichung für den spezifischen Brenn-
stoffverbrauch im Nenner steht, sehr schnell gegen null strebt, wodurch der spezifische
Verbrauch BS ebenso schnell gegen unendlich tendiert.
14.4 Komplexeres synthesebasiertes Berechnungsverfahren . . . 1477
150
BS μ=6 60
μ=8 50
⎡ kg/h ⎤ 2.2 40
⎢ ⎥ μ=4
⎣⎢ kN ⎦⎥ 1.8 30
μ=1 π Fan= 1.4 20
90
10
πV
60
real
30 ideal
0
0.0 0.6 1.2 1.8 Ma0 3.0 0.0 0.6 1.2 1.8 Ma0 3.0 0.0 0.6 1.2 1.8 Ma0 3.0
150
BS real
ideal πV
⎡ kg/h ⎤ 30 40
⎢ ⎥
⎣⎢ kN ⎦⎥ μ=1
20 50
10 60 Ma0 = 1.2
90
μ=8 μ=6
Ma0 = 0.8
μ=4
60
Ma0 = 0.4
30
0
1.0 1.4 1.8 2.2 π Fan 3.0 1.0 1.4 1.8 2.2 π Fan 3.0 1.0 1.4 1.8 2.2 π Fan 3.0
150
BS
⎡ kg/h ⎤ πV Ma0 = 1.2
⎢ ⎥ 30 40
⎢⎣ kN ⎥⎦ 20 50 π Fan= 1.4
10 60 1.8
90 2.2
Ma0 = 0.8
60
Ma0 = 0.4
30 real
ideal
0
1 3 5 8 μ 12 1 3 5 8 μ 12 1 3 5 8 μ 12
sich also hier die jeweils verbrauchsgünstigsten Turbofantriebwerke mit sehr geringen
Austrittsgeschwindigkeiten c9 aus dem Primärkreis.
Ein sehr hilfreicher Leistungsparameter bei Turbofantriebwerken ist das so genann-
te Schubverhältnis , welches das Verhältnis von spezifischem Primärkreisschub FSI zu
spezifischem Sekundärkreisschub FSII darstellt und über die Gl.(6.31) definiert wurde.
Der linke Teil von Abb. 14.42 zeigt, dass das Schubverhältnis im Bereich πV > 12 nur
wenig vom Verdichterdruckverhältnis πV abhängt. Dagegen hat das Bypassverhältnis μ
einen erheblichen Einfluss auf , das mit steigendem μ schnell kleiner wird, da der Anteil
des spezifischen Sekundärkreisschubes FSII am Gesamtschub überproportional ansteigt.
14.4 Komplexeres synthesebasiertes Berechnungsverfahren . . . 1479
10
π Fan = 1.4
FSI real
Φ= ideal
FSII
6 μ=1
0
1 11 21 31 π V 51 1 11 21 31 π V 51 1 11 21 31 π V 51
Abb. 14.42 Schubverhältnis des realen Turbofantriebwerks, aufgetragen über dem Verdichter-
druckverhältnis πV
Der mittlere Teil von Abb. 14.42 zeigt, dass ein steigendes Fandruckverhältnis πFan
den gleichen Einfluss auf hat wie das Bypassverhältnis μ. Ein Zusammenhang, die
Abb. 14.33 verdeutlicht. Hier ist zu sehen, dass mit steigendem Fandruckverhältnis πFan
die Austrittsmachzahl Mac19 aus dem Sekundärkreis ansteigt, was mit einer Erhöhung
von FSII einhergeht. Ebenfalls mit Abb. 14.33 lassen sich die Kurvenverläufe im rech-
ten Teil von Abb. 14.42 erklären, wo bei hohen Flugmachzahlen Ma0 das Niveau des
Schubverhältnisses deutlich absinkt, was seine Ursache im Mac9 -Kurvenverlauf des Pri-
märkreises hat, wo Mac9 für steigende Ma0 gegen null strebt, ebenso wie dann auch der
zugehörige spezifisch Schub des Primärkreises FSI , während Mac19 und der zugehörige
spezifische Schub FSII des Sekundärkreises kontinuierlich ansteigen. Alle in Abb. 14.42
eingezeichneten Kurven zeigen, dass – genau wie beim spezifischen Schub FS – maximale
Schubverhältnisse in Abhängigkeit des Verdichterdruckverhältnisses existieren. Wenn
das Bypass- oder das Fandruckverhältnis, μ und πFan , der Parameter ist, dann liegen alle
diese Maxima bei etwa demselben Verdichterdruckverhältnis πV . Ist die Flugmachzahl
Ma0 der Parameter, so wandern die Maxima mit steigender Flugmachzahl zu kleineren
Verdichterdruckverhältnissen hin.
Hohe Schubanteile FII aus dem Sekundärkreis bedeuten kleine Werte beim Schubver-
hältnis . Beim idealen Turbofan war gezeigt worden, dass Schubverhältnisse von
opt = 0.5 und opt = 1.0 hinsichtlich minimaler spezifischer Brennstoffverbräuche BS
optimale Werte darstellen. Für opt = 1 ist ein Triebwerk nach optimalem Fandruck-
verhältnis πFanopt und für opt = 0.5 nach optimalem Bypassverhältnis μopt ausgelegt. In
diesem Zusammenhang verdeutlicht der linke Teil von Abb. 14.43, in dem πFan = 1.8
gilt, dass im Bereich der Unterschallflugmachzahlen optimale Schubverhältnisse opt nur
mit großen Bypassverhältnissen μ zu erzielen sind. Die Mitte von Abb. 14.43 zeigt, dass
bei dem hier geltenden Bypassverhältnis μ = 4.6 optimale Schubverhältnisse opt nur mit
1480 14 Berechnung realer Triebwerke
10
real
FSI ideal
Φ=
FSII
6 π Fan = 1.4
μ=1 πV
4 10
π Fan = 1.8 20
μ=4
2 60 30
μ=6 π Fan = 2.2 50
μ=8 40
0
0.0 0.6 1.2 1.8 Ma0 3.0 0.0 0.6 1.2 1.8 Ma0 3.0 0.0 0.6 1.2 1.8 Ma0 3.0
Abb. 14.43 Schubverhältnis des realen Turbofantriebwerks, aufgetragen über der Flugmachzahl
Ma0
10
FSI real
Φ= ideal
FSII
μ=1
4 πV
30
μ=4 20 Ma0 = 0.4
2 60
10
μ=8 μ=6 50 0.8
40 1.2
0
1.0 1.4 1.8 2.2 π Fan 3.0 1.0 1.4 1.8 2.2 π Fan 3.0 1.0 1.4 1.8 2.2 π Fan 3.0
Abb. 14.44 Schubverhältnis des realen Turbofantriebwerks, aufgetragen über dem Fandruckver-
hältnis πFan
10
πV π Fan = 1.8
4 10 Ma0 = 0.4
20
60 30
2 50 0.8
40 π Fan = 2.2 1.2
0
1 3 5 8 μ 12 1 3 5 8 μ 12 1 3 5 8 μ 12
Abb. 14.45 Schubverhältnis des realen Turbofantriebwerks, aufgetragen über dem Bypass-
Verhältnis μ
1.0
ηP
ηth ηth
ηP μ=8 ηges
Ma0 = 1.2
ηges 6 π Fan = 2.2
4 1.8 0.8
0.6 1
1 1.4 0.4
4
6 1.2
0.4 1.8 1.4 0.4
8 6 2.2
1.2
4 8 0.8
1.4
0.2 1 1.8
2.2 0.4
0.0
1 11 21 31 πV 51 1 11 21 31 πV 51 1 11 21 31 πV 51
Abb. 14.46 Wirkungsgrade ηP , ηth und ηges eines realen Turbofantriebwerks, aufgetragen über dem
Verdichterdruckverhältnis πV
dichterdruckverhältnis πV besser. Der mittlere und rechte Teil von Abb. 14.46 zeigen, dass
der Vortriebs- und der Gesamtwirkungsgrad mit steigendem Fandruckverhältnis πFan und
steigender Flugmachzahl Ma0 jeweils besser werden. Der thermische Wirkungsgrad ηth
wird mit steigendem Verdichterdruckverhältnis πV besser und durchläuft dabei ein Maxi-
mum, wie schon die Abb. 14.30 zeigte. Der linke Teil von Abb. 14.46 verdeutlicht, dass sich
dieses Maximum beim thermischen Wirkungsgrad ηth mit steigendem Bypass-Verhältnis
μ zu kleineren πV -Werten hin verschiebt. Das Maximum beim Gesamtwirkungsgrad ηges ,
das beim Minimum des spezifischen Brennstoffverbrauchs BS zu finden ist, liegt im linken
Teil von Abb. 14.46 außerhalb der Diagrammgrenzen, wenn man vom Fall μ = 8 einmal
absieht.
Die deutliche Verbesserung der Wirkungsgrade mit der Flugmachzahl Ma0 zeigt auch
Abb. 14.1. Beim thermischen Wirkungsgrad ηth ist der Machzahleinfluss am geringsten
und beim Vortriebswirkungsgrad ηP am stärksten. Der linke Teil von Abb. 14.1 zeigt, dass
hohe Bypassverhältnisse μ bei guten Wirkungsgraden nur im unteren Machzahlbereich zu
verwirklichen sind. Werden beispielsweise bei einem konstanten Vortriebswirkungsgrad
von ηP ≈ 0.6 für einen Turbofan supersonische Flugmachzahlen Ma0 > 1 angestrebt, so
sind dazu kleinere Bypassverhältnisse μ erforderlich.
Aus Abb. 14.48 ist ersichtlich, dass Vortriebs- und Gesamtwirkungsgrad, ηP und ηges , in
Abhängigkeit des Fandruckverhältnisses πFan Maxima aufweisen. Diese Maxima liegen da,
wo der spezifische Schub FS seine Maxima hat und der spezifische Brennstoffverbrauch BS
seine Minima, wie ein Vergleich mit den Abb. 14.36 und 14.40 zeigt. Somit ergibt sich also
hinsichtlich spezifischem Schub, spezifischem Brennstoffverbrauch und Wirkungsgrad ein
optimales Fandruckverhältnis, das sich mit größer werdenden Bypassverhältnissen μ zu
kleineren Werten hin verschiebt. Das Verdichterdruckverhältnis πV hat nahezu keinen
Einfluss auf das Maximum, dafür aber die Flugmachzahl Ma0 umso mehr.
14.4 Komplexeres synthesebasiertes Berechnungsverfahren . . . 1483
.0
Abb. 14.47 Wirkungsgrade ηP , ηth und ηges eines realen Turbofantriebwerks, aufgetragen über der
Flugmachzahl Ma0
1.0
ηP
ηth ηth
ηP μ=8 ηges Ma0 = 1.2
ηges 6 π V = 50
0.8
4 35 20
0.6 50 1.2
1
0.8 1.2
20 35
0.4 1 6 4
8 6 1.2
50 35
4
1 20 0.8
0.2
1.2
0.0
1.0 1.4 1.8 2.2 π Fan 3.0 1.0 1.4 1.8 2.2 π Fan 3.0 1.0 1.4 1.8 2.2 π Fan 3.0
Abb. 14.48 Wirkungsgrade ηP , ηth und ηges eines realen Turbofantriebwerks, aufgetragen über dem
Fandruckverhältnis πFan
Abbildung 14.49 macht klar, dass der Vortriebs- und der Gesamtwirkungsgrad, ηP
und ηges , in Abhängigkeit des Bypassverhältnisses μ ebenfalls Maxima aufweisen. Ein
Vergleich mit Abb. 14.41 zeigt, dass diese Maxima dort liegen, wo der spezifische Brenn-
stoffverbrauch BS seine Minima hat. Somit ergibt sich also hinsichtlich des spezifischen
Brennstoffverbrauches BS und der Wirkungsgrade ein jeweils optimales Bypassverhältnis.
Dieses verschiebt sich mit größer werdenden Fandruckverhältnissen πFan zu kleineren
Bypassverhältnissen μ hin.
Sowohl Abb. 14.48 und Abb. 14.49 zeigen, dass sich der thermische Wirkungsgrad
ηth in Abhängigkeit des Fandruckverhältnisses πFan und/oder des Bypass-Verhältnisses μ
1484 14 Berechnung realer Triebwerke
1.0
ηth
Ma0 = 1.2
ηP π V = 50 35
20 2.2 1.8 0.8
ηges
Abb. 14.49 Wirkungsgrade ηP , ηth und ηges eines realen Turbofantriebwerks, aufgetragen über dem
Bypass-Verhältnis μ
verschlechtert. Der starke Anstieg beim Vortriebswirkungsgrad ηP gleicht diesen ηth -Abfall
insoweit aus, dass der Gesamtwirkungsgrad ηges einen Anstieg verzeichnen kann.
Literatur
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AIAA/ASME/SEA/ASEE 22nd joint propulsion conference, AIAA paper No. 86-1474, Huntsville,
Alabama, USA, 16–18 June 1986
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turbines. GasTurb GmbH, c/o Institute of Jet Propulsion and Turbomachinery, Templergraben
55, 52062 Aachen, Germany, http://www.gasturb.de
Lefebvre AH (1998) Gas turbine combustion, 2nd edn. Taylor & Francis, Philadelphia
Mattingly JD (2006) Elements propulsion: gas turbines and rockets. AIAA Education Series, Reston
Triebwerkslärm
15
Ein räumlicher Bereich, in dem sich Schallwellen ausbreiten und für den Menschen be-
merkbar machen, heißt Schallfeld. Die physikalische und messtechnische Beschreibung
eines Schallfeldes erfolgt mittels der folgenden akustischen Größen
Unter dem Begriff des Schalldrucks p, der die Dimension [Pa] bzw. [N/m2 ] hat, wird der
durch die Schallschwingungen hervorgerufene Druckwechsel in der Luft verstanden. Bei
einer Frequenz der Schallschwingungen von 1 000 Hz beginnt i. Allg. die durchschnitt-
liche Hörschwelle eines Menschen bei einem Schalldruck von pHS = 20 · 10−5 Pa. Unter
Schallschnelle v versteht man die Wechselgeschwindigkeit der schwingenden Luftteilchen
in [m/s] infolge der durch die Schallschwingungen hervorgerufenen Druckwechsel.
Frequenz [Hz]
16 31.5 63 125 250 500 1000 2000 4000 8000 16000 Frequenzbereich, der als
Schall bezeichnet wird
Schalldruckpegel
Zentralfrequenzen der
50 100 200 400 800 1600 6400
3200 Oktavbänder
Abb. 15.1 Darstellung des Frequenzbereiches von Schall, so wie er zur Beschreibung von
Flugzeuglärm Verwendung findet
Schallleistung P ist die abgegebene Schallenergie pro Zeiteinheit in [Nm/s] bzw. in [W].
Die menschliche Stimme hat eine Schallleistung von etwa P ≈ 10−5 W und ein Flugzeug-
triebwerk bei Volllast eine um gut neun Zehnerpotenzen höhere Schallleistung von etwa
P ≈ 10+4 W. Unter der Schallintensität I, die die Dimension [W/m2 ] hat, versteht man
die senkrecht auf eine Fläche auftreffende Schallleistung. Die Schallenergiedichte w, die
die Dimension [Nm/m3 ] bzw. [J/m3 ] hat, ist die abgegebene Schallenergie pro zugehöriges
Volumen.
Alle möglichen Schallereignisse innerhalb eines Schallfeldes, die sich bei einem Hörer
als unerwünscht und/oder unangenehm bemerkbar machen, werden als Lärm bezeichnet.
Der Luftschall breitet sich in Form von Druckwellen aus. Der dabei zeitlich schwanken-
de Wechseldruck p(t), der sich dem statischen (barometrischen) Druck der ruhenden Luft
überlagert, ist der zuvor bereits definierte Schalldruck. Er ist praktisch die wichtigste Mess-
größe der Akustik und kann mittels Mikrofonen und Druckaufnehmern gemessen werden.
Bei einer solchen Messung wird der Schalldruck über einen gewissen Zeitraum gemessen
und anschließend aus diesem Mess-Spektrum ein zeitlicher Mittelwert gebildet, der dann
Effektivwert p̃ heißt. Der gesamte Frequenzbereich eines definierten akustischen Spek-
trums wird in acht Unterbereiche (Oktaven) aufgeteilt, und zwar so, dass am Ende einer
Oktave die Frequenz doppelt so hoch ist, wie zu Beginn derselben Oktave. Abbildung 15.1
15.1 Akustische Grundlagen zum Triebwerkslärm 1487
Die Werte für den effektiven Schalldruck p̃ überdecken also einen weiten Bereich von
immerhin sechs Zehnerpotenzen. Um diesen großen Bereich zahlenwertmäßig besser
handhaben zu können, wird der effektive Schalldruck auf einen Referenzwert p̃ref bezogen
und in einer logarithmischen Skala dargestellt. Dieser relative Wert wird Schalldruckpegel
Lp (Sound Pressure Level, SPL) genannt und mit einer Hilfsmaßeinheit1 belegt, die man
mit Dezibel2 [dB] bezeichnet.
2
p̃
Lp := 10 · log [dB]
pref
p̃
Lp = 20 · log [dB] (15.1)
pref
Hierin ist pref = 20 μPa = 2 · 10−5 Pa ein international festgelegter Bezugswert. Bei Schall-
vorgängen mit einer Frequenz von 1 000 Hz beträgt damit das Leistungsvermögen des
menschlichen Gehörs 120 dB:
20 2 · 10−5
Lp = Lp,SG − Lp,HS = 20 · log − log
2 · 10−5 2 · 10−5
Lp = 20 · log 106 − log 1 = 20 · log 106 = 20 · 6 = 120 dB
1
Als Hilfsmaßeinheit (auch Pseudoeinheit, Pseudomaßeinheit, Pseudomaß) bezeichnet die
Physikalisch-Technische Bundesanstalt Größen mit dem Einheitenzeichen 1 oder mit dem Ein-
heitennamen „eins“. Hilfsmaßeinheiten dienen zur Verdeutlichung bestimmter Zusammenhänge
oder zur leichteren Handhabung von Zahlenwerten, obwohl die jeweilige Größe auch durch eine
reine, unbenannte Zahl beschrieben werden könnte, also eigentlich keine Dimensionseinheit haben
müsste.
2
Die Einheit „Bel“ (Einheitenzeichen „B“) ist eine nach Alexander Graham Bell (∗ 1847 †1922)
benannte Hilfsmaßeinheit1 zur Kennzeichnung von Pegeln und Maßen, das sind Größen die ihre
Anwendung z. B. in der Elektrotechnik oder der Akustik finden. In der Regel wird statt des „Bel“ das
Dezibel (Einheitenzeichen dB) verwendet, also der zehnte Teil eines „Bel“.
1488 15 Triebwerkslärm
Gleichung (15.1) zeigt außerdem, dass eine Verdopplung des effektiven Schalldrucks p̃
zu einer Änderung des Schalldruckpegels von Lp = 20 · log(2/1) ≈ 6 dB führt. Der Schall-
druckpegel Lp , gemessen in der Umgebung eines Flugzeuges oder Triebwerks, ist keine
flugzeug- oder triebwerksspezifische Größe, da er zusätzlich von weiteren Randbedingun-
gen abhängig ist, die nichts mit dem Flugzeug oder dem Triebwerk selbst zu tun haben,
nämlich . . .
Der Schalldruckpegel ist von daher eine schallfeldspezifische Größe. Um die Einflüsse des
Schallfeldes darin zu eliminieren, wird der so genannte Schallleistungspegel LP verwen-
det3 , der eine Schallenergiegröße ist, und als flugzeug- bzw. triebwerksspezifische Größe
angesehen wird. Er ist wie folgt definiert
P
LP := 10 · log [dB] (15.2)
Pref
Als Bezugswert zur Bildung des Schallleistungspegels ist der Wert Pref = 10−12 W gebräuch-
lich. Die Bestimmung von LP basiert stets auf einer Messung des Schalldruckpegels bzw.
auf einer Messung der Effektivwerte des Schalldrucks p̃, da die Schallleistung P dem Qua-
drat des effektiven Schalldrucks proportional ist: P ∼ p̃2 . Gleichung (15.2) zeigt, dass
eine Verdopplung der Schallleistung zu einer Änderung des Schallleistungspegels von nur
LP = 10 · log(2/1) ≈ 3 dB führt.
Per Definition wird bei der 1.000 Hz Frequenz der Schalldruckpegel Lp [dB] mit dem
sog. Lautstärkepegel [Phon]4 gleichgesetzt. Ändert sich die Frequenz f, so ändert sich
auch der Schalldruckpegel. Wie dieser Zusammenhang aussieht, verdeutlicht Abb. 15.2.
Hinsichtlich des menschlichen Gehörs offenbart sich dabei aber das Phänomen, dass der
in Abb. 15.2 dargestellte Zusammenhang der Änderung des Schalldruckpegels mit der
Frequenz subjektiv vom Menschen nicht wahrgenommen wird. Der Lautstärkepegel in
3
Beim Schalldruckpegel Lp ist der Index ein „kleines p“. Beim Schallleistungspegel LP ist der Index
ein „großes P“.
4
Der Begriff „Phon“ hat sich International nur wenig durchgesetzt und ist heute kaum noch
gebräuchlich. Das Phon ist die Maßeinheit der psychoakustischen Größe Lautstärkepegel. Der Laut-
stärkepegel in Phon wird dazu benutzt, die empfundene Lautstärke zu beschreiben, mit der ein
Mensch ein Schallereignis als Hörereignis wahrnimmt.
15.1 Akustische Grundlagen zum Triebwerkslärm 1489
[Phon5 ] bleibt für das menschliche Gehör – in Abhängigkeit der Frequenz – konstant.
Diese Eigenschaft verdeutlichen die Kurvenverläufe in Abb. 15.2, wo die Abhängigkeit der
Lautstärke von Frequenz und Schalldruckpegel in Form von Kurven gleicher Lautstärke
wiedergegeben ist. Das Bild zeigt z. B., dass ein 4 000 Hz-Ton von 88 dB vom Menschen
genauso laut wahrgenommen wird, wie ein 1 000 Hz-Ton von 100 dB (beide Punkte liegen
auf ein und derselben Kurve). Das menschliche Gehör ist im Übrigen – auch das zeigen
die Kurven – bei 4 000 Hz am empfindlichsten.
Die Kurven in Abb. 15.3 sind näherungsweise die spiegelbildliche Darstellung der Kur-
ven gleicher Lautstärke in Abb. 15.2. Diese Kurven aus Abb. 15.3 werden in der Praxis dazu
genutzt, die Messgrößen in Schallmessgeräten (Schallpegelmesser) an das natürliche Laut-
stärkeempfinden des menschlichen Gehörs anzugleichen, ein Vorgang, der als Bewerten
bezeichnet wird6 . In der Praxis hat sich die Bewertung nach Kurve A durchgesetzt, wobei
die so gemessenen und bewerteten Schalldruckpegel in Dezibel (A) bzw. dB (A) ange-
geben werden. Von dB (A)-Messungen darf keine vollständig treffende Beschreibung der
Lautstärke erwartet werden, dennoch hat die A-Bewertung für die Langzeitbeobachtung
5
Die Lautstärke in Phon ist gleich dem dB-Wert eines gleich laut empfundenen 1 000 Hz-Tones.
6
Hier sind kommerzielle Schallpegelmesser gemeint, die mit einer zusätzlichen elektronischen Be-
wertungseinheit ausgestattet sind und auf deren Anzeige das Messergebnis – ohne weitere manuelle
Auswertung – direkt abgelesen werden kann.
1490 15 Triebwerkslärm
-30 B
-40
-50
-60
-70
101 2 2
5 10 2 5 103 2 5 104 2 5 10
5
Frequenz in [Hz]
von Lärm, für die Bildung von Mittelwerten oder für die Überwachung von Höchstwerten
ein hohes Maß an praktischer Bedeutung erlangt.
Entsprechend Abb. 15.2 ändert sich die Hörempfindlichkeit mit dem Schalldruckpegel-
niveau, sodass ursprünglich mehrere Bewertungskurven entwickelt wurden, die – passend
zum Pegel – zum Einsatz kommen sollten: Bewertung A für Ablesungen bis 60 dB, Bewer-
tung B für Ablesungen über 60 dB und Bewertung C für solche über 85 dB. Heute wird die
B-Bewertung praktisch nur noch dazu benötigt, Messwerte mit früheren Phonwerten nach
DIN zu verglichen, oder um die Lästigkeit tieffrequenter Geräusche zu erfassen, wie sie z. B.
bei Kraftfahrzeuginnengeräuschen auftreten, die mit der A-Bewertung zu gering beurteilt
werden würden. Die C-Bewertung wird oft für die Bewertung von Schallimpulsen verwen-
det, die Maximalpegel von über 120 dB erreichen. Die D-Bewertung, die praktisch mit
der so genannten N-Bewertung der SAE (Society of Automotive Engineers) identisch ist, ist
eine Empfehlung zur Frequenzbewertung für die näherungsweise Beschreibung des vom
Menschen wahrgenommenen Lärmpegels (Lästigkeit) bei Flugzeuglärmuntersuchungen.
Der bewertete Schallpegel ist weder eine physiologische noch eine physikalische Messgrö-
ße. Unter der Berücksichtigung gewisser Eigenschaften des menschlichen Gehörs beruht
er in objektiv festgelegter und reproduzierbarer Weise auf der physikalischen Größe des
Schalldruckpegels. Über die allg. Kennzeichnung von Geräuschen hinaus, ist es z. B. für
die Erfassung von Lärmminderungsmaßnahmen an Flugzeugen und/oder Triebwerken
zweckmäßiger, das Schallspektrum – bzw. bei impulshaltigen Geräuschen den zeitlichen
Verlauf des Schallpegels – aufzunehmen, da der hierbei zu beurteilende Lärm so breitban-
dige Intensitätsschwankungen aufweist, dass er über eine A-Bewertung nur unzureichend
15.1 Akustische Grundlagen zum Triebwerkslärm 1491
zu erfassen ist. Aus diesem Grund wurden in der Vergangenheit spezielle Beurteilungs-
skalen entwickelt, die mehr auf der Erfassung der Lästigkeit von Lärm beruhen als auf
dessen Lautstärke. Dabei werden über gewisse Faktoren auch charakteristische Abstrah-
leigenschaften des Lärms (Schallspitzen, Einzelgeräusche) und dessen zeitliches Andauern
mitberücksichtigt.
Die Lästigkeit von Lärm hängt natürlich sehr stark von der einzelnen, davon betrof-
fenen Person ab und auch von der allg. Situation, in der sich diese Person befindet. Die
Lästigkeit ist damit eine ausgesprochen subjektive Größe, die sich von daher auch nur sehr
schwer quantifizieren lässt. Hinsichtlich der Erfassung von Flugzeug- und Triebwerks-
lärm haben sich im Zusammenhang mit der Lästigkeit und unter dem Gesichtspunkt einer
gesetzgeberischen Standardisierung drei wesentliche Größen heraus kristallisiert
Der empfundene Schallpegel LPN berechnet sich nach einem einfachen, aber länglichen
Verfahren, das im sog. Anhang 16 der ICAO (1988) beschrieben ist, wie folgt:
log N
LPN = 10 · + 40 [PNdB] (15.3)
log 2
In Gl. (15.3) wird mit N der sog. empfundene Schall (Noy) bezeichnet, unter der man
eine Standardschallquelle mit 40 dB und einer Zentralfrequenz von 1 000 Hz versteht. Für
N = 1 ergibt sich folglich aus Gl. (15.3) LPN = 40 PNdB. Eine Oktave entspricht 1 Noy. Das
heißt, ist ein Lärm doppelt so lästig wie diese Standardschallquelle, so entspricht dies 2 Noy.
Analog zu der Darstellung in Abb. 15.2 können
− nun mittels der Gl. (15.3) Kurven gleicher
Lästigkeit in Abhängigkeit der Frequenz aufgezeichnet werden. Anstelle der Lautstärke in
[Phon], die in Abb. 15.2 als Parameter verwendet wurde, ist nun der Parameter der Kurven
der empfundene Schall N (Noy). Das Ergebnis zeigt Abb. 15.4. Die größte Lästigkeit
ergibt sich danach im Frequenzbereich (Zentralfrequenzen) zwischen 2 000 . . . 5 000 Hz.
International standardisierte Dämpfungskurven werden mit D oder N bezeichnet und die
entsprechenden Lärmpegel in dB (D) bzw. dB (N) angegeben, vgl. Abb. 15.3.
15.1.4 Tonkorrektur
Schalldruckpegel Lp in [dB]
gleicher Lästigkeit.
Schalldruckpegel in 140 1 000
Abhängigkeit der
130 500
Schallfrequenz, mit der
Lärmstärke als Parameter 120 250
200
(ICAO) 150
110 125
100
80
100 60
50
30
90 40
20
80 15
10
70 7.5
5
60
3
50 2
40 1
30
20
2 5 102 2 5 103 2 5 104 2
Frequenz in [Hz]
Schallpegel wird hierbei auch noch der Grad einzelner Tonüberhöhungen über dem loka-
len Lärmniveau und deren Frequenz berücksichtigt. Durch diese Maßnahme werden die
Effekte diskreter Töne (hervorgehobene Einzeltöne) erfasst, die in einem Lärmspektrum
enthalten sind und vom menschlichen Gehör registriert werden können. Die Tonkorrektur
erfolgt dadurch, dass zum empfundenen Schallpegel LPN nach Gl. (15.3) ein Tonkor-
rekturfaktor C (Tone Correction Factor), der aus Abb. 15.5 entnommen werden kann,
hinzuaddiert wird:
Abbildung 15.5 zeigt, dass es in Abhängigkeit der Frequenz praktisch nur zwei Tonkorrek-
turkurven gibt, wovon die eine den Frequenzbereich zwischen 500 . . . 5 000 Hz abdeckt,
während die andere für die Frequenzbereiche unter- und oberhalb des zuvor genannten
Frequenzbereiches maßgeblich ist. Die für die Tonkorrektur nach Abb. 15.5 erforder-
liche Schallpegeldifferenz F (Level Difference) ergibt sich aus dem Schalldruckpegel der
ursprünglich gemessenen Tonüberhöhung (Lärmspitze) Lp , von der der Schalldruckpegel
des lokalen (Hintergrund-) Lärmniveaus L p subtrahiert wird
Außerhalb des Frequenzbandes 500 . . . 5 000 Hz fällt die Tonkorrektur deutlich geringer
aus als innerhalb des Bandes. Der Grund dafür ist, dass zum einen höherfrequente Töne –
15.1 Akustische Grundlagen zum Triebwerkslärm 1493
2 { ƒ< 500 Hz
ƒ > 5 000 Hz
0
8 5 10 15 20 25
Schallpegeldifferenz F in [dB]
Abb. 15.5 Der Tonkorrekturfaktor nach Anhang 16 (Annex 16) der ICAO (1988)
oberhalb von 5 000 Hz – bereits durch die Atmosphäre eine natürliche Dämpfung erfahren
und von daher nicht mehr so stark zu korrigieren sind, und dass zum anderen über
die Bedeutung der Frequenzen unterhalb von 500 Hz – hinsichtlich der Erfassung der
Lästigkeit – bei den Experten noch zahlreiche Kontroversen existieren, Smith (1998).
Neben der Tonkorrektur ist eine weitere Korrektur vorzunehmen, die die Dauer der Lär-
meinwirkung in die Gesamtbeurteilung der Lästigkeit mit einbezieht. Hierdurch wird
speziell die an- und abschwellende Natur des Flugzeuglärms mit erfasst und die Tatsa-
che, dass die Lärmdauer sowohl mit dem Flugzeugtyp als auch mit dessen Flugzustand
(Starten, Landen, Kurven- und Geradeausflug) variiert. Abbildung 15.5 illustriert, dass per
Definition die zeitliche Dauer der Lärmeinwirkung durch den Schallpegelbereich beschrie-
ben werden kann, dessen Niveau innerhalb eines 10 dB breiten Bandes – unterhalb des
Ton korrigierten Spitzenwertes des empfundenen Schallpegels (LTPN )max (Maximum Tone
Corrected Perceived Noise Level, PNLTM) – liegt. Mittels des im Anhang 16 (Annex 16)
der ICAO (1988) beschriebenen Verfahrens, kann so aus der nachfolgenden Gleichung
ein Faktor D zur Korrektur der Dauer der Lärmeinwirkung berechnet werden. Alle in der
Gleichung auftretenden Größen sind in Abb. 15.6 mit eingetragen worden.
mit der Zeitkonstanten
: LPNT (k)
1 d/ t
D = 10 · log · 10 · t − (LPNT )max T = 10s
T k=0
als Normierungsgröße (15.6)
1494 15 Triebwerkslärm
LTPN(k)
10 dB
Δt
Messstelle
t1 d t2 Zeit t [s]
Aus den Gln. (15.4) und (15.6) ergibt sich dann der effektive empfundene Schallpegel LEPN :
In der Praxis ist es so, dass die gemessene Lärmstruktur eines startenden Flugzeuges
zu Zeitdauerwerten in einer Größenordnung von d ≈ 10 . . . 20 s führt. Hieraus ergeben
sich dann generell positive Korrekturwerte für D. In der Flugphase zwischen Anflug und
Landung dagegen stellen sich Zeitdauerwerte von d ≈ 5 s ein, die schließlich in negativen
Korrekturwerten für D resultieren.
Der gesamte Rechnungsgang zur Bestimmung des effektiv empfundenen Schallpe-
gels LEPN (Effective Perceived Noise Level, EPNL) ist Schritt für Schritt im Anhang 16
(Annex 16) der ICAO (1988) beschrieben. Für alle wesentlichen Flugzeugtypen liegen bei
den verschiedenen staatlichen Luftfahrtbehörden anerkannte Lärmspezifizierungen vor,
die in Form des effektiv empfundenen Schallpegels LEPN [EPNdB] angegeben werden.
15.2 Lärmregularien
Beginn
der
Lande- 45
m 0m
bahn 300 Referenzpunkt
zur Lärmmessung
0m
6 50 für den Überflug
beim Starten
45
120 m 0m
3° Referenzpunkte
zur seitlichen
0m Lämmessung
2 00
Referenzpunkt
zur Lärmmessung
für den Anflug
Abb. 15.7 Beschreibung der drei wesentlichen Referenzpunkte (Anflug-, Seitenlinien- und Starto-
der Überflugreferenzpunkt, Approach, Sideline and Take-Off Reference) zur Fluglärmbestimmung
im Bereich einer Start- und Landebahn
(Effective Perceived Noise Decibel) angegeben. In der Vergangenheit gab es einige Un-
terschiede zwischen der FAR 36 und den ICAO Regularien in der Art, dass die FAR 36
strengere Richtlinien aufwies, was manchmal zu gewissen Konfusionen hinsichtlich der
Lärmbeurteilung führte. Zwischenzeitlich sind die FAR 36 bzw. die JAR 36 und die ICAO
Regularien so aufeinander abgestimmt worden, dass sie praktisch identisch sind.
Die Abb. 15.7 zeigt die drei Referenzpunkte, die für eine einheitliche Lärmmessung in
der Umgebung von Flughäfen maßgeblich sind. Durch sie werden hinsichtlich des Lärms
drei kritische Beurteilungspunkte festgelegt. Diese Referenzpunkte sind
• Start oder Überflug (Take-Off – Fly-Over), 6.5 km nach dem Ort auf der Startbahn,
an dem vom Piloten die Bremsen gelöst werden. Je nach Anzahl der Triebwerke und
des Steigvermögens des Flugzeuges kann sich dieses in diesem Referenzpunkt in un-
terschiedlichen Flughöhen befinden. Zu diesem Zeitpunkt ist auch der ursprüngliche
Startschub der Triebwerke durch den Piloten bereits reduziert worden (Cut-Back).
• Anflug (Approach), 2.0 km vor dem Beginn der Landebahn, bei einem Gleitpfadwinkel
von 3◦ , in dem das Flugzeug noch eine Flughöhe von 120 m hat.
• Seitenlinie (Sideline), 450 m seitlich der Startbahn während des Startlaufs des Flug-
zeuges, dort wo der Lärmpegel am höchsten ist. Dieses ist im Übrigen der einzige
Betriebszustand, in dem die Triebwerke während der Lärmmessung bei voller Leistung
laufen.
In Abb. 15.8 sind durch die Linien die Vorgaben der ICAO (Annex 16, Stage 3) markiert
und durch Symbole die gemessenen empfundenen Schallpegel LEPN von ausgeführten Flug-
1496 15 Triebwerkslärm
105
103 alle Typen
100
Seitenline
95 94
effektiver Lärmstärkepegel LEPN in [EPNdB]
90
106 4 Triebwerke
105 104 3 Triebwerke
101 2 Triebwerke
100
Start
95 Überflugpunkt
90 89
85
80
105 105 alle Typen
Anflug
100 98
95
90 maximales Startgewicht
in Tonnen
5 10 20 30 40 50 100 200 500
300 400
Triebwerke mit Bypass- Triebwerke mit Bypass-
Verhältnissen μ < 2 Verhältnissen μ > 2
B727 DC9 B747 B757 L1011 DC8-70
B737 F28 DC10 B767 BAe146 A320
MD80 BAC III A300 B737-300 F100 BizJets
Abb. 15.8 Verlauf der Grenzwerte für den effektiven empfundenen Schallpegel LEPN nach
ICAO (Annex16, Chapter 3 Rules) in den 3 Referenzpunkten in Abhängigkeit des maximalen
Flugzeugstartgewichts. Werte zu den Symbolen sind in der Literatur FAA (1997) zu finden
Seitenlinie (Sideline):
LEPN [EPNdB] WMTOW [lbm]
94 ≤ 77200
(15.8)
94 + 2.56 · log (WMTOW /77 200)/log 2 > 77 200 und ≤ 882 000
103 > 882 000
15.2 Lärmregularien 1497
Anflug (Approach):
LEPN [EPNdB] WMTOW [lbm]
98 ≤ 77 200
(15.12)
98 + 2.33 · log (WMTOW /77 200)/log 2 > 77 200 und ≤ 617 300
105 > 617 300
In Abb. 15.8 ist zu sehen, dass alle moderneren Flugzeugtypen mit Triebwerken höheren
Bypassverhältnisses (μ > 2) die ICAO Empfehlung (Annex 16, Stage 3) klar unterschreiten.
Überschreitungen sind nur bei den älteren Boeing B747 Typen und bei den ebenfalls älteren
McDonnell-Douglas DC10 Typen im Bereich der sehr hohen Startgewichte zu erkennen.
Im Startfall gibt es unterschiedliche Lärmgrenzen, ja nach Motorisierung des jeweiligen
Flugzeuges. Diese Grenzwerte dürfen aber keinesfalls so interpretiert werden, dass vier-
motorige Flugzeuge generell lauter sind als zweimotorige. Die Ursache ist vielmehr eine
ganz andere, die im Folgenden mittels Abb. 15.9 erläutert werden soll.
Die Lufttüchtigkeitsanforderungen eines Flugzeuges verlangen, dass es auch dann sicher
starten und Hindernisse überfliegen können muss, wenn während des Startvorganges ein
Triebwerk ausfällt und der verbleibende Weg auf der Startbahn für ein sicheres Abbremsen
zu kurz ist. Diese Anforderung bedeutet, dass Flugzeuge mit zwei Triebwerken unter
1498 15 Triebwerkslärm
4 Triebwerke
Punkt an dem
die Bremsen
beim Starten Referenzpunkt zur
gelöst werden Lärmmessung für den
Überflug beim Starten
Startbahn
6 500 m
Abb. 15.9 Prinzipskizze zur Erläuterung der unterschiedlichen Lärmgrenzen während des Startens
von Flugzeugen mit einer unterschiedlichen Anzahl von Triebwerken
normalen Umständen 100 % mehr Schub zur Verfügung haben, als sie eigentlich benötigen
würden. Auf Grund dieser starken Motorisierung sind sie in der Lage, sehr schnell zu
steigen. Im Vergleich dazu hat ein Flugzeug mit vier Motoren nur einen Schubüberschuss
von 33 % und kann folglich im Normalbetrieb nicht so zügig steigen wie ein zweimotoriges
Flugzeug. Ein Flugzeug mit drei Triebwerken hat demzufolge 50 % Schubüberschuss und
liegt hinsichtlich der Steigfähigkeit zwischen den zwei- und viermotorigen Flugzeugen.
Daraus resultiert, dass im Normalfall der Abstand eines viermotorigen Flugzeuges zum
Boden im Referenzpunkt des Startfalles (Lärmmessstelle) geringer sein wird als bei einem
zweimotorigen Flugzeug, und entsprechend höher wird auch sein Lärm in diesem Punkt
empfunden werden. Denn je größer der Abstand des Flugzeuges zum Messpunkt ist,
umso leiser erscheint es einem Beobachter am Boden. Aus diesem Grunde fallen die
zulässigen Lärmwerte im Startfall bei drei- und viermotorigen Flugzeugen höher aus als bei
zweimotorigen. Beim Startlauf des Flugzeuges (Sideline) und beim Anflug (Approach) gibt
es keine Unterschiede mehr in Abhängigkeit der Anzahl der Triebwerke eines Flugzeuges.
15.3 Schallquellen
Abbildung 15.10 zeigt die rein aerodynamischen Schallquellen eines anfliegenden Flug-
zeuges, die ausschließlich durch das Umströmen der diversen Flugzeugkomponenten
entstehen. Neben diesem aerodynamischen Lärm des Gesamtflugzeuges (segelndes Flug-
zeug mit abgeschalteten Triebwerken), der in Abhängigkeit der Fluggeschwindigkeit –
eventuell mit ausgefahrenen Klappen und Fahrwerk – bereits ganz erhebliche Werte
annehmen kann, ist das Triebwerk die bedeutendste Schallquelle am Flugzeug.
15.3 Schallquellen 1499
Rumpf (Fuselag e)
Überlaufströmung (Spillage )
um die vordere Triebwerksgondel
bei geringen Geschwindigkeiten Tragflügel (Wing)
Leitwerk (Tailplane )
Klappen (Flaps )
Fahrwerk und Fahrwerksschächte
(Landing Gear and Wheelbays ) Vorflügel (Slats )
7
Die Strahlgeschwindigkeit der frühen Turbojettriebwerke (Comet, Caravelle) erreichte Werte bis
zu 700 m/s. In den ersten Turbofantriebwerken (B707, B727, B737, DC8, DC9) wurden im Kern-
triebwerksstrahl Geschwindigkeiten von bis zu 600 m/s und im Fandüsenstrahl von bis zu 400 m/s
erreicht. Heutige Turbofantriebwerke (B737-300, B747, B757, B767, A320) haben im Primärkreis
Düsenaustrittsgeschwindigkeiten von bis zu 450 m/s und im Sekundärkreis von bis zu 300 m/s.
Triebwerke mit Mischer erreichen Düsenaustrittsgeschwindigkeiten von ca. 350 m/s.
1500 15 Triebwerkslärm
Strahl
digkeit erreicht, sodass das Leitrad sperrt. Akustische Signale, die hinter diesem Leitrad
produziert werden, können demzufolge nicht mehr nach vorne wandern, denn wenn die
Strömungsgeschwindigkeit genauso groß oder größer als die Schallgeschwindigkeit ist, so
können sich Druckstörungen, wie z. B. Schallwellen, nicht mehr entgegen der Anströmung
ausbreiten, vgl. hierzu auch Kap. 18.6.
Abbildung 15.12 demonstriert die Veränderungen bei der Lärmabstrahlung der ver-
schiedenen Schallquellen eines Triebwerks. Die miteingezeichneten Punkte gehören zu
Messungen (Sideline) an verschiedenen Ein- und Zweistromtriebwerken, die sich an
Lärmbezugspunkt
−0
−5
realtiver Lärmpegel [dB]
Wechsel vom
− 10 mehrstufigen
Turbomaschinen ohne
zum einstufigen
Fan zusätzliche Lärmdämmung
− 15
− 20
Turbomaschinen mit
zusätzlicher Lärmdämmung
− 25
Strahl und Strahlrohr
Turbo- 0 1 2 3 4 5 6 7 Bypass-Verhältnis
jet Turbofan
Abb. 15.12 Veränderung verschiedener Schallquellen eines Triebwerks mit dessen Bypass-
Verhältnis. (Bild adaptiert von Smith 1998)
15.3 Schallquellen 1501
Fan- und
Verdichterlärm-
abstrahlung Turbinenlärm-
nach vorne abstrahlung
nach hinten
Fanlärm-
abstrahlung
nach hinten
Abstrahlwinkelbereich Abstrahlwinkelbereich
ca. 0° bis 110° ca. 100° bis 130°
Abb. 15.13 Schematische Darstellung der Abstrahlcharakteristiken von internen Lärmquellen eines
Triebwerks. (Adaptiert von Nelson 1987)
rm
Gesamtlä
Lärmpegel
Breitband-Stoßlärm
Strahlmischungslärm
Frequenz
Gebilde von Triebwerk- Mischungszone
Verdichtungs- abgasstrahl mit der Umgebung
stößen
große Wirbel
Düse (niederfrequenter Lärm)
kleine Wirbel
(hochfrequenter Lärm)
Abb. 15.14 Prinzipielle Darstellung zum Strahllärm mit der Kennzeichnung der Zonen für den
Lärm aufgrund von Verdichtungsstößen und aufgrund von Mischung. (Bild adaptiert von Rolls-
Royce 1996)
Triebwerks gilt Ähnliches. Auch hier werden die Schallwellen an den Grenzen zwischen
kaltem und heißem Triebwerksstrahl und zwischen kaltem Triebwerksstrahl und der At-
mosphäre gebrochen, sodass nur ein vergleichsweise begrenzter Abstrahlwinkelbereich
existiert.
15.3.1 Strahllärm
• Mischung des Triebwerksstrahls mit der umgebenden Atmosphäre und bei Turbo-
fantriebwerken außerdem noch die Mischung des kalten und heißen Triebwerkstrahls
untereinander. Der hieraus resultierende Lärm heißt Mischungslärm (Mixing Noise).
• Ausbildung von Verdichtungsstößen, wenn der Strahl mit Überschallgeschwindigkeit
die Düse verlässt. Der hieraus resultierende Lärm heißt stoßinduzierter Lärm (Shock-
Associated Noise).
Abbildung 15.14 zeigt, wie sich der Abgasstrahl eines Turbojets prinzipiell mit der umge-
benden Atmosphäre mischt. Der schnelle Strahl „reißt“ infolge seiner kinetischen Energie
15.3 Schallquellen 1503
bei seinem Austritt aus der Düse umgebende atmosphärische Luft mit, wobei eine extrem
turbulente Scherschicht zwischen Abgasstrahl und Atmosphäre entsteht, die sich durch
seitlichen, turbulenten Austausch schnell aufdickt. Bereits wenige Düsendurchmesser hin-
ter dem Düsenaustritt existiert nur noch ein einziges turbulentes Mischgebiet. Nahe beim
Düsenaustritt entstehen Gebiete mit kleinen Wirbeln, die ursächlich für hochfrequenten
Lärm sind, weiter stromab dagegen bilden sich größere Wirbelstrukturen aus, die nieder-
frequenten Lärm erzeugen. Der Mischungslärm überstreicht also ein breites Spektrum von
Frequenzen, Abb. 15.14 oben, was als Breitbandlärm (Broadband Noise) bezeichnet wird.
Bei Überschreiten der Schallgeschwindigkeit bilden sich im Kern des Abgasstrahls regel-
mäßige Gebilde von Verdichtungsstößen aus, die sich stromab in den Mischungszonen
auflösen. Das Stoßgebiet weist hinsichtlich des Lärms ein stoßinduziertes Breitbandspek-
trum auf (Broadband Shock Noise). Der Mischungslärm und der stoßinduzierte Lärm
überlagern sich nach dem Superpositionsprinzip zu einem Gesamtlärmspektrum mit ei-
ner ausgeprägten Spitze im Frequenzbereich der stoßinduzierten diskreten Töne (Screech
Tones). Hieraus wird als erstes deutlich, dass eine Absenkung der Düsenaustrittsgeschwin-
digkeit in den Unterschallbereich8 bereits eine sehr effiziente Lärmreduzierungsmaßnahme
darstellt. Der Mischungslärm (Mixing Noise) ist bei einer subsonisch abströmenden Düse
dann die einzige noch existierende Lärmkomponente.
Zu einer Reduzierung beim Mischungslärm kommt es, wenn der Mischungsvorgang
beschleunigt wird, und/oder wenn die Geschwindigkeit des Abgasstrahles reduziert wird.
Ersteres kann man durch die Verwendung von langen Düsen mit Zwangsmischern oder ge-
zackten Düsen (Chevron Nozzles) erreichen und Letzteres durch hohe Bypass-Verhältnisse,
die ihrerseits – ohne Schub-Einbußen – kleinere Strahlgeschwindigkeiten gestatten. Das
schnelle Mischen reduziert zwar einen Teil des niederfrequenten Lärmanteils und ver-
schiebt ihn nach unterhalb der Hörschwelle, erhöht aber meistens auch gleichzeitig den
hochfrequenten Lärm. Da aber hochfrequenter Lärm sehr schnell durch die Atmosphäre
absorbiert oder sogar zum Teil in den nicht hörbaren Frequenzbereich verschoben wird,
erscheinen Triebwerke, die mit Zwangsmischern ausgestattet sind, insgesamt leiser. Die
Verwendung von Zwangsmischern erhöht aber zum einen das Gewicht eines Triebwerks
und zum anderen die Reibungsverluste in der Düsenströmung, wobei Letzteres ursächlich
für Einbußen beim Triebwerksschub sein kann, obwohl gerade Zwangsmischer neben ih-
rem Lärm reduzierenden Einfluss auch den Sinn haben, den spez. Schub zu steigern und
den spez. Brennstoffverbrauch zu senken.
8
Hier sei nochmals daran erinnert, dass die Schallgeschwindigkeit von der Temperatur abhängt,
sodass im heißen Abgasstrahl Schallgeschwindigkeiten von a9 ≈ 550 . . . 650 m/s erreicht werden
können.
1504 15 Triebwerkslärm
Expansions-
wellen
p 8>p 0
Mach-Scheibe
9
Strahlgrenze
8
p9 < p 0
A9 Mach-Scheibe
Austritt eines Überschallstrahls
aus einer Düse gegen schwachen Überdruck p 0 > p 9
überexpandierende Düse
Abb. 15.15 Prinzipielle Darstellung zum Austritt von Überschallstrahlen aus Düsen, in deren
engstem Querschnitt Schallgeschwindigkeit vorliegt. Die Strahlen werden auch als so genannte
schwingende Freistrahlen bezeichnet
Strahlgeschwindigkeit Spitzenwerte von 600 . . . 700 m/s erreichen kann. Der stoßindu-
zierte Lärm strahlt vom Triebwerk etwa in gleichem Maße nach vorne und nach hinten
ab, sodass dieser Lärm schon bei der Annäherung eines Flugzeuges an einen Beobach-
ter oder eine Messstelle deutlich wahrgenommen werden kann. Ist das Flugzeug über
den Beobachter hinweg geflogen, superpositioniert sich der stoßinduzierte Lärm mit dem
Mischungslärm entsprechend der Darstellung in Abb. 15.14.
Abbildung 15.15 zeigt das Überschallströmungsfeld von Strahlen, die aus einer Düse
in ruhende Atmosphäre austreten, d. h., es gibt keine Mischung der Düsenstrahlen mit
der Umgebung, so wie es Abb. 15.14 für eine relativ zur Atmosphäre bewegten Düse zeigt.
Überschallströmungen können aus einer konvergenten Düse sowohl austreten, wenn nach
dem Austritt aus der Düse beliebig starker Unterdruck gegenüber dem Düseninnendruck
vorliegt, als auch dann, wenn bis zu einem gewissen Grad Überdruck herrscht, Oswatitsch
(1976), Abb. 13.5 und 13.6. Tritt ein Überschallstrahl aus einer Düse gegen Unterdruck aus,
so expandiert er zunächst an den Düsenrändern, da er sich an den niedrigeren Außendruck
p0 < p9 anpassen muss. Im weiteren Strömungsverlauf muss dann an der Strahlgrenze stets
Außendruck herrschen. Am Düsenrand stellt eine Prandtl-Meyer-Expansion sprunghaft
den Außendruck am Strahlrand her. Im Inneren des Strahls stellt sich der Unterdruck
(Umgebungsdruck p0 ) erst weiter stromab ein. Nach der Durchkreuzung der Expansions-
15.3 Schallquellen 1505
fächer entsteht in der Strahlmitte ein Unterdruckgebiet, dessen lokaler Druck p unter dem
Umgebungsdruck liegt, p < p0 , man sagt, der Strahl hat sich überexpandiert. Die Expansi-
onsfächer werden am Strahlrand als Kompressionswellen (Verdichtungsstöße) reflektiert,
was eine Einschnürung des Strahls zur Folge hat, die dann ihrerseits wieder zu einem loka-
len Druckanstieg im Strahlinneren auf den Ausgangsdruck in der Düse führt, p = p9 > p0 .
Dieses Zurück zum Ausgangsdruck nennt man das Schwingen des Strahls. Theoretisch
sind diese Schwingungen streng periodisch. Praktisch wird dieses periodische Schwingen
aber durch das Vermischen am Strahlrand stromab mehr und mehr behindert.
Beim Austritt gegen moderaten Überdruck, p0 > p9 , entstehen am Düsenrand schräge
Verdichtungsstöße, die sich etwas stromab durchkreuzen. Nach der Durchkreuzung der
Stöße ergibt sich ein Überdruckgebiet und die Stöße werden am Strahlrand als Prandtl-
Meyer-Expansion reflektiert. Von hieran ergibt sich dasselbe Strömungsbild, wie es bereits
zuvor beschreiben wurde.
Der stoßinduzierte Lärm setzt sich aus Elementen diskreter Töne und aus Breit-
bandlärm zusammen. Untersuchungen haben gezeigt, dass die diskreten Töne ihre
Ursachen in den zuvor beschriebenen gasdynamischen Vorgängen direkt am Düsenrand
haben, Powell (1953), während der Breitbandanteil weiter stromab aus der Wechselwir-
kung zwischen den gasdynamischen Effekten und dem turbulenten Strahlrand entsteht,
Lighthill (1952, 1953, 1954) und Ribner (1955). Zahlreiche experimentelle Untersuchun-
gen an Modellstrahlen haben dieses physikalische Bild bestätigt, Harper-Bourne und Fisher
(1973) und Tanna (1977). Auf dieser Basis ist dann schließlich ein Berechnungsverfahren
entstanden, SAE (1985), mit dem sich stoßinduzierter Lärm sehr gut vorausberechnen lässt.
Wesentliche Parameter in der Berechnung sind die Stoßgeometrien im Überschallfeld, das
Düsendruckverhältnis und die Temperatur im Strahl.
Eine einfache Möglichkeit zur Beseitigung des stoßinduzierten Lärms ist die Auflö-
sung und/oder Zerstörung der Stoßstrukturen als Quellen des Lärms. Dieses kann zum
einen durch mechanische Einbauten in der Düse erfolgen, Abb. 15.17, und zum anderen
durch direkte Beeinflussung und/oder Steuerung der Aerodynamik der Düsenaustritts-
strömung, Yamamoto et al. (1984). Eine solche Steuerung muss ähnlich erfolgen, wie bei
einer verstellbaren konvergent-divergenten Düse, d. h., die Düse muss entsprechend der
jeweiligen Leistungsanforderungen verstellbar bzw. anpassbar sein. Ein solcher Aufwand
wird aber wegen des zusätzlichen Gewichts und der zusätzlichen Komplexität der Steuer-
und Reglung in der Praxis kaum infrage kommen. Damit bleibt als technisch vertretbares
Mittel nur der Einbau mechanischer Hilfskonstruktionen übrig, die etwas später bei der
Beschreibung zu Abb. 15.18 nochmals aufgegriffen werden.
Für moderne Turbofantriebwerke mit höheren Bypass-Verhältnissen stellt sich auf
Grund der niedrigeren Düsenaustrittsgeschwindigkeiten das Problem des stoßinduzierten
Lärms erst gar nicht mehr.
15.3.1.2 Mischungslärm
Turbojet Praktisch allen theoretischen Betrachtungen – und auch den neueren numeri-
schen Rechenverfahren – der Aeroakustik liegen die beiden klassischen Veröffentlichungen
1506 15 Triebwerkslärm
I ∼ c98
I ∼ c93
(korrigiert hinsichtlich Massenstrom und Dichte)
10 dB
relative Schallintensität I
Triebwerke
und
heiße Modell-Luftstrahlen
kalte Luftstrahlen
von Idealströmungen
I ∼c8
9
in Düsen
c9
log
-0.6 -0.5 -0.4 -0.3 -0.2 -0.1 0 +0.1 +0.2 +0.3 +0.4 +0.5 a9
Abb. 15.16 Auftragung der relativen Schallintensität I über der mittleren Machzahl Mac9 = c9 /a9
von heißen und kalten Strahlen in einem Diagramm mit doppelt-logarithmischen Achsen. Vergleich
von Messergebnissen mit dem c8 -Gesetz nach Lighthill
von l 1954)9 zu Grunde. Aus diesen grundlegenden theoretischen Arbeiten geht hervor,
dass fluktuierende Scherspannungen in der Strömung des Abgasstrahls während der Mi-
schungsvorgänge sog. Breitbandlärm erzeugen, also Lärm mit einem breiten Spektrum an
Frequenzen. Die Lighthill-Theorie lehrt, dass die Schallintensität I dieses Mischungslärms
proportional zur achten Potenz der mittleren Strahlgeschwindigkeit ist, I ∼ c̄98 . Viele ex-
perimentelle Arbeiten haben jedoch gezeigt, dass sowohl bei kleinen als auch bei hohen
Strahlgeschwindigkeiten c signifikante Abweichungen zum c8 -Gesetz zu verzeichnen sind,
Abb. 15.16. Ursächlich hierfür sind Effekte, die sich in der Praxis den rein theoretischen
Gegebenheiten in der Strömung überlagern. Kann man die Ursachen für diese Nebeneffek-
te aus den Messungen eliminieren und ideale Bedingungen schaffen, so zeigt es sich, dass
bei kleineren Strahlgeschwindigkeiten in kalter Luft das c8 -Gesetz beim Mischungslärm
auch praktisch existiert. Dieses zeigt auch der Kurvenast links unten in Abb. 15.16, das aus
Nelson (1987) adaptiert wurde. Auf Grund der logarithmischen Achsen zeigt sich das c 8 -
Gesetz in Abb. 15.16 praktisch als eine Gerade. Im Überschallbereich der Strahlströmung
weichen die Messergebnisse zunehmend vom theoretischen Verlauf ab und gehorchen
9
Sir Michael Lighthill (∗ 1924 †1998) war ein britischer Professor für angewandte Mathematik.
15.3 Schallquellen 1507
hier eher einem c3 -Gesetz. Bei kleineren Strahlgeschwindigkeiten, die an realen Triebwer-
ken mit heißem Abgasstrahl und an heißen Modellstrahlen vermessen wurden, zeigen sich
signifikante Abweichungen zum c 8 -Gesetz, und zwar derart, dass bei vergleichbaren Strahl-
geschwindigkeiten heiße Strahlen gegenüber kalten Strahlen offensichtlich eine deutlich
höhere Lärmintensität aufweisen. Es kann also festgestellt werden, dass die Temperatur
einen deutlichen Einfluss auf die Lärmproduktion hat. Die in Abb. 15.16 durch Symbo-
le markierten Experimentalergebnisse zeigen, dass bei kleinen Strahlgeschwindigkeiten
ein Temperaturanstieg den Lärm erhöht, während bei hohen Strahlgeschwindigkeiten ein
umgekehrter Effekt zu verzeichnen ist. Ursächlich hierfür sind Änderungen im Betrag der
lokalen Schallgeschwindigkeiten inner- und außerhalb des Strahls auf Grund der heiß-kalt
Grenze zwischen dem Abgasstrahl und der umgebender Atmosphäre.
Auf eine Temperaturabsenkung im heißen Abgasstrahl kann in einem Triebwerk zum
Zwecke der Lärmreduzierung kaum Einfluss genommen werden, da diese durch den nur
eingeschränkt modifizierbaren Triebwerkskreisprozess festgelegt wird und demzufolge nur
sehr begrenzt Spielräume offen lässt. Der Hauptfaktor, über den Mischungslärm reduziert
werden kann, und das zeigt Abb. 15.16 sehr deutlich, ist die Strahlgeschwindigkeit. Folg-
lich war bei den frühen Turbojets und bei den zivilen Turbofantriebwerken mit niedrigem
Bypass-Verhältnis, die Strahlgeschwindigkeiten von 600 m/s und mehr hatten, der Strahl-
lärm infolge Mischung die alles übertrumpfende Schallquelle. Diese Dominanz war so
groß, dass andere, ebenfalls sehr starke Schallquellen, wie z. B. der Verdichter, bei hohen
Triebwerksleistungsstufen, wie sie beim Starten üblich sind, erst gar nicht zu hören waren.
Bei niedrigeren Leistungsstufen, wie sie für das Landen typisch sind, waren Strahl- und
Verdichterlärm in ihrer Intensität etwa gleichwertig. Für Turbojets war eine Absenkung
der Strahlgeschwindigkeit in der Auslegungsphase des Triebwerts aus praktisch denselben
Gründen nur begrenzt möglich, wie sie schon zuvor hinsichtlich einer Strahltemperaturab-
senkung erwähnt wurden. Eine wirkungsvollere Lärmbegrenzung bei den frühen Turbojets
war deswegen nur durch Lärm reduzierende Einbauten in der Triebwerksdüse möglich,
wie Sie in Abb. 15.17 zu sehen ist. Hierbei handelt es sich um eine mäanderförmige Düse,
eine sog. Lobe-Type Nozzle, die z. B. in den 1960-er Jahren an den Rolls-Royce Conway-
Triebwerken der Boeing B707-420 zu finden war. Der Grundgedanke, der diesem Konzept
zu Grunde lag, war, den Strahl in eine Vielzahl von Einzelstrahlen aufzuspalten. Dieses
sollte eine schnelle Vermischung herbeiführen und so die Ausbildung von großen Wirbeln
und des damit verbundenen niederfrequenten Lärms mindern. Der dadurch entstehende
hochfrequente Lärm konnte in Kauf genommen werden, da er durch die Atmosphäre auf
ganz natürlichem Wege gedämpft wird. Hinzu kommt, dass die Mäanderform den sto-
ßinduzierten Lärm stark minimiert, da diese Düsenform die ursprünglich zu erwartende
Struktur an Verdichtungsstößen zerstört. Alles dies zusammen war Ursache dafür, dass
mit solchen Mitteln durchaus ein gewisser Grad an Lärmreduzierung verzeichnet wurde.
Da der Turbojet heute aber nicht mehr zum Stand der toppaktuellen Technik gehört, soll
auch auf die Art der Lärmminderung, die bei ihm angewandt wurde, nicht tiefer einge-
gangen werden. Ausführlichere Informationen hierzu kann der interessierte Leser z. B. bei
Smith (1998) finden.
1508 15 Triebwerkslärm
Turbofan Die Tendenz der technischen Triebwerksentwicklung vom Turbojet zum Tur-
bofan hin, brachte es mit sich, dass man es nun mit einem Triebwerk zu tun hat, das zwei
Strahlen aufweist, einen kalten und einen heißen, wobei der heiße Strahl mehr oder weniger
vom kalten Strahl „ummantelt“ wird. Der kalte Fanstrahl transportiert dabei die größere
Masse. Hinzu kommt außerdem noch, dass die Kreisprozesse des Turbofans so geführt
sind, dass sich die Strahlgeschwindigkeiten aus Sekundär- und Primärkreis gegenüber dem
Kernstrahl des Turbojets nahezu halbieren. Geht man vom c 8 -Gesetz nach Lighthill aus,
dann bedeutet eine solche Geschwindigkeitshalbierung – bei vergleichbarem Massenstrom
– eine Lärmreduzierung von 24 dB. Da sich beim Turbofan der Massenstrom gegenüber
dem Turbojet aber deutlich vergrößert, bedeutet dies letztlich – d. h., unter Berücksichti-
gung der Massenstromdifferenzen – eine Nettoreduzierung im Strahllärm von ca. 21 dB,
vgl. Abb. 15.12. Dieses war und ist ein immenser Fortschritt für die Lärmreduzierung in
der Umgebung von Flughäfen.
Abhängig vom Bypass-Verhältnis und der Positionen der primären und sekun-
dären Schubdüsen zueinander lassen, Abb. 15.18, sich die Mischungsvorgänge bei
Turbofantriebwerken mit separaten Schubdüsen wie folgt beschreiben
• Der Fanstrahl mischt sich – unabhängig vom Bypass-Verhältnis und von den Düsenpo-
sitionen zueinander – generell mit der Atmosphäre. Die Mischgeschwindigkeit hängt
von der Differenz zwischen der Fluggeschwindigkeit c0 und der Fanstrahlgeschwindig-
keit c19 ab. Gebiet
1 in Abb. 15.18.
• Der Fan- und der Kernstrahl vermischen sich in Abhängigkeit der Geschwindigkeits-
differenz zwischen diesen beiden Strahlen. Gebiet 2 in Abb. 15.18.
• Bei Triebwerken mit kleinem Bypass-Verhältnis und kurzer Fangondel vermischt sich
der Fanstrahl sehr schnell und ziemlich vollständig mit der Atmosphäre. Weiter stromab
vermischt sich dann der Kernstrahl mit der Umgebung, also dem bereits vermischten
15.3 Schallquellen 1509
Triebwerk mit
moderatem Bypass-Verhältnis
und kurzer Fanverkleidung 4
1 3
a 2
2 3
b 4
1
Triebwerk mit
hohem Bypass-Verhältnis
und ¾-langer Fanverkleidung
Abb. 15.18 Regionen der Strahlvermischung bei einem Turbofan mit separaten Schubdüsen; a
älterer Turbofan mit kurzer Fanverkleidung und moderatem Bypass-Verhältnis, b neuerer Turbofan
mit 3/4-langer Fanverkleidung und höherem Bypass-Verhältnis. (Bild nach Nelson 1987)
Gebiet aus Fanstrahl und Atmosphäre. Gebiet 3 in Abb. 15.18. In diesem Gebiet liegt
die größte Geschwindigkeitsdifferenz zwischen den beiden sich vermischen Zonen vor.
Diese Differenz entspricht in etwa der Differenz aus der heißen Kernstrahlgeschwindig-
keit c9 und der Fluggeschwindigkeit c0 . Bei höheren Bypass-Verhältnissen und längeren
Gondeln erfolgt die Vermischung des Fan- und des Kernstrahls eher nach dem für das
Gebiet 2 beschriebenen Musters.
• Noch weiter stromab hinter dem Triebwerk, dort wo sich das Gesamtabströmfeld aus
Fan- und Kernstrahl und zu gemischter Atmosphäre ausbreitet, findet eine groß wirb-
lige Vermischung, bei vergleichsweise kleinen Geschwindigkeiten statt. Gebiet 4 in
Abb. 15.18.
Diese einfache Maßnahme führt im Vergleich zum Turbofan mit separaten Düsen be-
reits zu einem merklich leiseren Triebwerk. Durch das Einbringen eines Zwangsmischers
entfällt gegenüber Abb. 15.18 auch noch die Mischungszone . 1 Bevor der Triebwerks-
1510 15 Triebwerkslärm
a 1 4
runde Düse 2
Zwangsmischer 2
b 4
Turbofan mit integraler Schubdüse,
Zwangsmischer und langer Fanverkleidung
Für die folgenden können z.B. folgende wesentliche Michungsvorgänge
beispielhaften beschrieben bzw. angegeben werden:
Triebwerksdaten
c0 ≈ 100 m / s ohne Zwangsmischer
1 Fanstrahl mit der Atmosphäre bei ca. 200 m/s
c19 ≈ 300 m / s 2 Kerntriebwerksstrahl mit Fanstrahl bei ca. 150 m/s
c9 ≈ 450 m / s 3 nicht relevant
4 Gesamtabströmfeld mit der Atmosphäre bei weniger als 250 m/s
mit Zwangsmischer
1 nicht relevant
2 Kerntriebwerksstrahl mit Fanstrahl bei ca. 150 m/s
3 nicht relevant
4 Gesamtabströmfeld mit der Atmosphäre bei weniger als 250 m/s
Abb. 15.19 Regionen der Strahlvermischung bei einem Turbofan mit integraler Schubdüse; a
ohne Zwangsmischer, b Mit Zwangsmischer. Die mit 1 bis 4 markierten Zonen stehen im
Zusammenhang mit dem vorhergehenden Abb. 15.18. (Bild adaptiert nach Nelson 1987)
strahl sich mit der Atmosphäre vermischen kann, ist es bereits innerhalb des Triebwerks
zu einer intensiven Vermischung zwischen Fan- und Kernstrahl gekommen. Dieser ver-
mischte Strahl mischt sich nun mit der Atmosphäre bei einer vergleichsweise geringeren
Geschwindigkeitsdifferenz zwischen den zu vermischenden Gebieten.
In den Abb. 15.18 und 15.19 ist die Strahlentwicklung von „frei fliegenden“ Triebwerken
beschreiben worden. Ist das Triebwerk aber an einem Flugzeug montiert, so kommen zu-
sätzliche Interferenzeffekte mit hinzu, die vom Pylon, vom Rumpf und vom Tragflügel mit
seinen Klappen und Vorflügeln (Flaps and Slats) wechselwirkend induziert werden. Ab-
bildung 15.20 gibt eine Vorstellung davon, wie dies bei einem Flugzeug mit ausgefahrenen
Klappen und Vorflügeln aussehen könnte. Deutlich ist zu sehen, wie der Strahlumfang mit
steigender Entfernung vom Düsenaustritt zunimmt und wie der Kern aus dem Primärkreis
des Triebwerks kontinuierlich kleiner wird. Der Pylon hinterlässt im oberen Strahlbereich
zwei signifikante Dellen.
Abbildung 15.21 gibt ein Beispiel für experimentelle Untersuchungen, die an einem
Turbofan mit langer Fangondel, ähnlich dem Fall a) in Abb. 15.19, durchgeführt wurden.
In der Abströmung dieses Turbofans sind deutlich zwei ausgeprägte Spitzen in der ge-
messenen Schallenergie festzustellen: eine ganz kurz hinter der Schubdüse und die andere
etwa 10 Schubdüsendurchmesser hinter dem Triebwerk. Die geometrische Anordnung
der Düsen zueinander in Axialrichtung lässt eine Vielzahl von Varianten zu, sodass es
15.3 Schallquellen 1511
Pylon
Flugzeugtragflügel
Abb. 15.20 Numerische Simulation der Strahlentwicklung eines Turbofantriebwerks mit separaten
Schubdüsen, dass an einem Pylon hängend unter einem Tragflügel montiert ist. (Quelle: Basisbild
Titelseite DLR-Nachrichten (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt), Heft 97, Juni 2000)
nicht überrascht, dass sich die Intensität des Mischungslärms mit diesen diversen Modifi-
kationsmöglichkeiten zusätzlich auch noch wandeln kann. Hinzu kommt außerdem auch
noch ein Einfluss der Geometrie der Düseninnenkonturen selbst und auch der den Düsen
Haupttriebwerksdüse
(integrale Schubdüse) stromab liegende
Lärmspitze
D8
Schallenergie
düsennahe
Lärmspitze
0 10 20 30
Vielfache des Düsendurchmessers D8 in der Abströmung
Abb. 15.21 Verschiebung des Lärmspektrums bei einem Turbofan mit langer Fangondel (ohne
Zwangsmischer) in Abhängigkeit des Verhältnisses der Strömungsgeschwindigkeiten von Primärund
Sekundärkreis, nach Smith (1998)
1512 15 Triebwerkslärm
c19 = c9
düsennah liegende Lärmquelle
weiter stromab liegende Lärmquelle
19 0. 9
Abb. 15.23 Beispiel für mögliche Frequenzspektren des Verdichter- und Fanlärms. Messresultate
einer 6 % Bandbreitenanalyse nach Nelson (1987)
Einen generellen Überblick über das Frequenzspektrum des Fan- und Verdichterlärms
gibt Abb. 15.23. Wie bei allen rotierenden Maschinen, sind dem, über ein breites Band von
Frequenzen verteilten Lärm, dem sog. Breitbandspektrum, eine Reihe von einzelnen, her-
ausragenden Frequenzen überlagert, die sog. diskreten Töne. Diese wiederum können als
Harmonische10 der verschiedenen Stufen von Fan und Verdichter identifiziert werden. Da
dem Breitbandlärm und dem tonalen Lärm sehr unterschiedliche Phänomene zu Grunde
liegen, sollen diese im Folgenden separat diskutiert werden.
15.3.2.1 Breitbandlärm
Der Breitbandlärm resultiert aus der Ausbreitung von Schall, der durch fluktuieren-
de Druckverteilungen bzw. Schaufelkräften auf den Turbomaschinenschaufeln erzeugt
wird, deren Ursache Ungleichförmigkeiten in der Zu- und Abströmung (Nachlaufdellen)
der Beschaufelung und der damit verbundenen Bildung von Wirbeln und Turbulenzen
10
Harmonisch heißen Schwingungen, wenn sie einen sinusförmigen Verlauf haben. Ein reiner Ton,
der sich z. B. mit Stimmgabeln erzeugen lässt, ist eine sinusförmige Schwingung im Hörbereich. In
Triebwerken sind drehende Turbomaschinenteile, in Abhängigkeit von Drehzahl und Schaufelan-
zahl, Ursache harmonischer Schwingungen, die sich mit den restlichen Schwingungen überlagern.
Wird ein Frequenzspektrum, wie das in Abb. 15.23, einer Fourier Analyse unterworfen, so lässt
sich zeigen, dass die Spitzen dieses Spektrums den Harmonischen einzelner Laufräder zugeordnet
werden können. Der harmonische Klang des Turbomaschinenklangs besteht aus einer Reihe von
sinusförmigen Teiltönen, deren Frequenzen ganzzahlige Vielfache einer Grundfrequenz sind. Man
spricht hier auch vom Grundton (Grundfrequenz, 1. Harmonische) und von Obertönen (ganzzahlige
Vielfache der Grundfrequenz, 2., 3., . . ., n. Harmonische).
1514 15 Triebwerkslärm
Stator Rotor
Die Wirbel im
Rotornachlauf
Nachlauf- wirken auf die
strukturen Beschaufelung
der Schau- des Rotors zurück
feln des und sind ebenfalls
vorge- ursächlich für
schalteten fluktuierende
Laufrades, Schaufelkräfte
die mit der
Strömung
durch den
Stator ge-
tragen
werden Drehrichtung
des Rotors
Abb. 15.24 Numerische Simulation der Strömungssituation in einer Verdichterstufe, zur Erläute-
rung der Ursachen der Generierung von Breitbandlärm an einer Verdichterbeschaufelung. (Quelle:
Titelbild DLR-Nachrichten (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt), Heft 80, November 1995)
sind. Die Auswirkungen der Nachlaufdellen auf die Zuströmverhältnisse und den Zu-
strömwinkel einer Beschaufelung zeigen beispielhaft die Abb. 8.8 und 8.28 im Kapitel
über die Thermischen Turbomaschinen. Die Abb. 15.24 zeigt in einer zweidimensionalen
Schnittdarstellung die numerische Simulation der Zu- und Abströmverhältnisse an einem
Verdichterrotor mit einer vorgeschalteten Statorbeschaufelung. Deutlich zu erkennen sind
die turbulenten Nachlaufstrukturen hinter den Beschaufelungen, die ihre Ursache in den
Strömungsgrenzschichten der Profilumströmungen haben. Des Weiteren ist beim Stator
sehr schön zu erkennen, dass die Nachlaufstrukturen des vorgeschalteten Laufrades sich
nicht auflösen, sondern durch die Schaufelpassagen des Leitrades hindurch wandern und
sich dann mit der Schaufelumströmung des nächsten Laufrades vermischen. Ähnliches ist
auch in Abb. 12.7 für eine Turbinenbeschaufelung zu erkennen.
Die Abb. 8.28 in Kap. 8 der Thermischen Turbomaschinen verdeutlichte, dass ei-
ne Nachlaufdelle für die nachfolgende Beschaufelung eine periodische Veränderung der
Zuströmung in Betrag und Richtung bedeutet. Dieses führt zu fluktuierenden Profil-
druckverteilungen und damit zu periodisch an- und abschwellenden Schaufelkräften. Die
Turbulenzen, Abb. 12.9, die mit durch die Schaufelpassagen getragen werden, beeinflus-
sen diesen Vorgang zusätzlich, ebenso wie die Wirbel der Schaufelabströmung, die auch
15.3 Schallquellen 1515
nach vorne, in die eigene Zuströmung wirken und dadurch zusätzliche Geschwindig-
keitskomponenten in der Schaufelzuströmung induzieren, sodass sie, in Abhängigkeit der
Wirbelfrequenz der Schaufelabströmung, die Zuströmung hinsichtlich Geschwindigkeit
und Richtung mitbeeinflussen. Das bedeutet, dass bei solchen instationären Vorgängen
eine gekoppelte Interaktion zwischen Zu- und Abströmung besteht. Solche eindeutigen
Wechselwirkungen zwischen Leit- und Laufrädern existieren aber nicht nur in reibungs-
behafteten, turbulenten Strömungen, sondern auch schon in einfacheren, reibungsfreien
Potenzialströmungen, Naumann und Yeh (1973).
Dass das gesamte Strömungsfeld noch weitaus komplexer ist, und weit über die zu-
vor beschriebene zweidimensionale Darstellung hinausgeht, zeigt z. B. die Abb. 10.59 in
dem Kapitel über Verdichter. Die Schaufelgrenzschichten können sowohl laminar und
turbulent als auch transitional sein. Auf Grund der Relativbewegung der stehenden und
bewegten Schaufelreihen zueinander sind die Grenzschichten auch noch instationär. Da
im Strömungsfeld in Umfangs-, Radial- und Schaufelsehnenrichtung zum Teil sehr star-
ke Druckgradienten existieren, gepaart mit Effekten infolge hoher Machzahlen, Rotation,
Turbulenz und Wärmeübergang, entsteht eine sehr komplizierte, schwer zu interpre-
tierende und nur aufwendig zu analysierende dreidimensionale Strömung. Eine sehr
ausführliche Diskussion aller dieser Phänomene und der Parameter, die sie steuern, ist
bei Lakshminarayana (1996) zu finden.
In der ersten Stufe eines Verdichters oder eines Fans (bei einem Zweistromtriebwerk)
wird Breitbandlärm dadurch generiert, dass sich die Schaufelspitzen am Gehäuse durch
ein sehr komplexes Strömungsgebiet bewegen, so wie es Abb. 10.51 zeigt. Hier sind die
Turbulenzeffekte am heftigsten und die Umfangsgeschwindigkeiten maximal. Die Nach-
laufdelle in der Schaufelabströmung ist umso ausgeprägter, je länger sich die Schaufel in
Sehnenrichtung erstreckt, eine geometrische Gegebenheit, die speziell modernen Fanbe-
schaufelungen mit sog. „Wide Chord Blades“ zu Eigen haben, vgl. hierzu auch Kap. 4.2.1
und in Kap. 10.3.6 den Abschnitt über das Schaufelhöhenverhältnis. Diese Nachlaufdel-
le wirkt sich strömungsphysikalisch auf die nachfolgenden Leitradbeschaufelungen aus
und spielt dadurch ebenfalls eine signifikante Rolle bei der Generierung von Breitband-
lärm, speziell im hinteren Teil der Fansektion und in dem, dem Fan direkt nachfolgenden
Niederdruckverdichter.
Ebenfalls ein maßgeblicher Parameter ist der Inzidenzwinkel der Schaufelzuströmung,
vgl. Abb. 10.1 in Kap. 10 über Triebwerksverdichter. Dieser Winkel ergibt sich aus dem
Staffelungswinkel der Beschaufelung und dem effektiven Zuströmwinkel und ist dadurch
maßgeblich für die Dicke des Profilnachlaufs11 (sog. Totwasser). Ein Betrieb des Fans oder
Verdichters außerhalb des optimalen Betriebspunktes bedeuten immer ein Abgehen vom
11
Mit zunehmender positiver oder negativer Inzidenz weiten sich die Gebiete abgelöster Strömung
im hinteren saug- oder druckseitigen Schaufelbereich aus, bis schließlich – im Extremfall – die
gesamte Schaufel saug- oder druckseitig abgelöst ist. Ein Zustand, in dem es zum Abreißen einer
Stufe oder u. U. auch zum Pumpen des gesamten Verdichters kommen kann, vgl. hierzu auch Kap.
10.5 über die instabilen Verdichterzustände.
1516 15 Triebwerkslärm
Referenz-
wert
-10
Original-
beschaufelung
-20
Beschaufelung
mit korrigierter
Staffelung
Breitbandanteil
-30
Abb. 15.25 Einfluss einer Veränderung von 4◦ im Staffelungswinkel eines Fans auf die Erzeugung
von Breitbandlärm, nach Smith (1976)
optimalen Zuströmwinkel. Dieser Optimalwinkel stellt sich praktisch nämlich immer nur
im Auslegungspunkt des Verdichters ein. Abweichungen davon bedeuten größer werdende
Inzidenzen und damit breitere Totwassergebiete. Messungen haben gezeigt, dass pro Grad
Abweichung vom optimalen Zuströmwinkel der Breitbandlärmpegel um bis zu 1 . . . 2 dB
ansteigen kann, Smith (1976). Die Abb. 15.25 zeigt eine solche Messung an einem Fan,
bei dem man den Staffelungswinkel um 4◦ verändert und analog dazu den Inzidenzwinkel
beeinflusst hat. Die tonalen Anteile im Lärmspektrum ändern sich nicht, während der
Breitbandanteil deutlich gesenkt wird.
Da ein Verdichter im realen Betrieb in allen seinen Stufen bei unterschiedlichen Dreh-
zahlen stets gewisse Inzidenzbereiche durchfährt und dabei immer auch die in Kap. 10.4
beschriebenen Stabilitätskriterien einhalten muss, sind einer mehr oder weniger beliebigen
Veränderung der Staffelungswinkel Grenzen gesetzt.
a) b) c)
geringer größerer
Axialspalt Axialspalt
Verdich-
tungs-
stöße
Dreh-
richtung
Abb. 15.26 Prinzipbilder zur Generierung von tonalem Lärm in einer Verdichterstufe
wegt, d. h., die Frequenz hängt von der Drehzahl und der Schaufelanzahl auf dem Rotor
ab. Ein derartiger Ton wird als „Schaufelton“ oder auch als Drehklang bezeichnet. Ein
Fan, der mit einer Drehzahl von n = 2 500 min−1 dreht und iS = 29 Schaufeln trägt,
wird also eine Grundfrequenz von − = (π · n/30) · iS = 7 592 Hz haben. Diese Grund-
frequenz und ganzzahlige Vielfache davon überlagern sich dem Breitbandlärm in einem
ganz bestimmten, jeweils sehr begrenzten Frequenzbereich als diskrete Töne. Bei Flug-
zeugtriebwerken tritt dieser reine Drehklang aber praktisch nicht zu Tage, da er nur bei
subsonischen Zuströmbedingungen in der Relativströmung zum Fan relevant wird, also
bei kleineren Triebwerksleistungsstufen. In diesen Leistungsstufen, die für den Lande-
vorgang typisch sind, wird der Drehklang des Fans aber durch andere Lärmanteile der
landenden Flugzeugkonfiguration überlagert, sodass er nicht ausbreitungsfähig ist.
Die Dinge stellen sich aber anders dar, wenn ein Triebwerk unter Volllast, z. B. während
des Flugzeugstarts betrieben wird, da dann die Umfangsgeschwindigkeiten im Bereich der
Blattspitzen eines modernen Fans so groß sind, dass die relative Schaufelzuströmung im
Überschall liegt. Der Fan kann in diesem Zustand wie transsonischer Verdichter, vgl. Kap.
10.3.6.2 und 8.2.3.2, betrachtet werden, bei dem sich vor den Schaufeln in deren außen
liegenden Bereichen – und nur dort – Verdichtungsstöße aufbauen, Abb. 15.26a. Die
Druckstörungen dieser Verdichtungsstöße breiten sich mit Schallgeschwindigkeit nach
vorne in der Zuströmung des Triebwerks aus.
Sind alle Schaufeln gleich geformt und einheitlich gestaffelt, so werden die Stoßfron-
ten vor jeder Schaufel eine identische Struktur aufweisen, so wie es die Abb. 15.26 und
15.27 jeweils im linken Bildteil zeigen. Dies ist aber nur unter idealisierten Voraussetzun-
gen ganz exakt der Fall. In der Praxis werden die Geometrien der Schaufeln stets leicht
1518 15 Triebwerkslärm
Druck-
amplitude
Zeit
10 Schaufeln von
insgesamt 33 Schaufeln
Abb. 15.27 Prinzipdarstellung zur Abweichung der realen Gitterstruktur einer Fanbeschaufelung
vom theoretischen Idealfall
unterschiedlich sein. Durch den täglichen Betrieb bei hohen Fliehkräften, durch Erosi-
onserscheinungen auf den Schaufeloberflächen infolge Schmutz, Regen und Hagel, durch
Fremdkörpereinwirkungen (FOD, Foreign Object Damage) und durch Schaufelreparatu-
ren kommt es zwangsläufig zu Abweichungen von der Idealgeometrie, wie es der rechte
Teil von Abb. 15.27 prinzipiell andeutet. Im rechten Teil des Bildes ist ein Messergebnis
mit eingeblendet, das die entsprechend schwankenden Druckamplituden einer umlaufen-
den Fanbeschaufelung mit insgesamt 33 Schaufeln wiedergibt. Folglich ist praktisch davon
auszugehen, dass keine zwei der Lärm erzeugenden Stoßfronten einer Fanbeschaufelung
hinsichtlich Stoßstärke und Stoßneigung identisch sind. Aufgrund dieser Eigenschaften
kann praktisch jeder individuelle Verdichtungsstoß mehr oder weniger deutlich durch
Messungen im Fernfeld aufgezeichnet werden. Die zugehörige Frequenz ergibt sich, wie
zuvor beim Drehklang erläutert, aus der Drehzahl und der Anzahl der umlaufenden Schau-
feln, die aber, wie es der rechte Teil von Abb. 15.27 zeigt, nicht gleichmäßig über den
Umfang verteilt sind. Der Schall, der hierdurch generiert wird, ist ein typisches Lärmphä-
nomen beim Starten größerer Transportflugzeuge. Die höher Harmonischen dieses Lärms,
werden wegen ihrer hohen Frequenzen durch die Atmosphäre sehr schnell gedämpft und
sind deswegen mit in einigem Abstand zum Flugzeug nicht mehr zu hören. Die verblei-
benden Frequenzen erzeugen einen Lärm, der an eine hoch drehende Motorsäge oder an
15.3 Schallquellen 1519
ein Sägewerk erinnern, sodass dieser Startlärm oft auch unter der Bezeichnung „Kreis-
sägenlärm“ (Buzz Saw Noise) firmiert, Stratford und Newby (1977). In dem Teil einer
Flugzeugkabine, der vor den Triebwerken liegt, ist der Kreissägenlärm während des Star-
tens und Steigens ebenfalls sehr gut wahrnehmbar. Zwar werden die höher Harmonischen
durch die Zelle und die Kabinendämmung absorbiert, aber die niederfrequenten Anteile
verbleiben als ein sehr deutlich zu hörendes Kabinengeräusch. Mit steigender Flughöhe
nehmen der Absolutwert des Druckes ab und damit auch der Kreissägenlärm. Hat ein
Flugzeug seine Reiseflughöhe erreicht, ist dieser Lärmanteil in der vorderen Kabine prak-
tisch nicht mehr zu hören, da der Triebwerkseinlauf bei den hohen Reiseflugmachzahlen
nahezu sperrt, Abb. 9.2.
Bei rein subsonischen Strömungsgegebenheiten, wenn also keine Verdichtungsstöße
existieren, sind das periodisch wechselnde Strömungsfeld in den Schaufelpassagen und die
Nachlaufwechselwirkungen zwischen Lauf- und Leitrad die Quelle diskreter Töne. Ist der
Axialspalt zwischen Leit- und Laufrad sehr gering und die Nachlaufdellen, die die nächste
Beschaufelung erreichen, noch sehr ausgeprägt, Abb. 15.26b, so resultieren hieraus starke
Schwankungen in der Rotorzuströmung hinsichtlich Richtung und Betrag, Abb. 8.28, und
damit in den Schaufeldruckverteilungen bzw. bei den Schaufelkräften. Als Folge davon
werden sehr laute diskrete Töne generiert. Durch eine Vergrößerung des Axialspaltes zwi-
schen Leit- und Laufrad kann sich die Nachlaufdelle mehr und mehr ausmischen, sodass
sie kleiner und ihre Auswirkung auf die Schwankungen der Schaufeldruckverteilungen
und damit auf die Lärmintensität geringer wird, Abb. 15.26c. Zu diesem Effekt kommt
noch hinzu, dass sowohl die Schaufelteilung als auch die Schaufelstaffelung von Leit- und
Laufrad und die damit verbundenen periodisch schwankenden Schaufeldruckverteilun-
gen wechselwirkenden Einfluss auf die fluktuierenden Schaufelkräfte haben, Naumann
und Yeh (1973). Um Konflikte mit den mechanischen Eigenschwingungen der Schaufeln
(Resonanzeffekte) zu vermeiden, werden Leit- und Laufrad hinsichtlich Schaufelanzahl
(Teilung) und Staffelungswinkel konstruktiv aber bereits so festgelegt, dass die hierdurch
hervorgerufenen Fluktuationen an den Schaufeln unterhalb der rein nachlaufbedingten
Effekte liegen. Damit hängt die Intensität des tonalen Lärms im Wesentlichen nur noch
von den Nachlaufeffekten, d. h., von der Ausgeprägtheit der Nachlaufdelle ab – also von
den Druck- und Geschwindigkeitsgradienten innerhalb der Delle. Die Frequenzen, bei der
diese diskreten Töne wahrgenommen werden, ergeben sich aus der Laufraddrehzahl und
der Anzahl der Schaufeln auf dem jeweiligen Laufrad.
Wenn von Störungen in der Schaufelzuströmung die Rede ist, so sind damit auch
Strömungsstörungen gemeint, die im Triebwerkseinlauf – also in der Zuströmung zum
Fanlaufrad – vorliegen können. Solche Störungen können durch Strömungsablösungen
an den Einlauflippen generiert werden, wenn die Einlaufzuströmung nicht exakt axial ist,
so wie es z. B. bei Anstellwinkeln oder bei starkem Seitenwind der Fall sein kann, vgl.
hierzu das Kap. 4.1.1 über subsonische Triebwerkseinläufe. Unterschiedliche Triebwerks-
leistungsstufen können in Abhängigkeit der dabei entstehenden Fangstromröhre ebenfalls
Ablösungen an den Einlauflippen erzeugen und damit ursächlich für Störungen in der
Fanzuströmung sein, ebenso wie es stationäre Störungen sein können, die durch exzentri-
1520 15 Triebwerkslärm
2 Stator-
schaufeln
4 Stator-
schaufeln
Abb. 15.28 Prinzipskizze zur Generierung von sich überlagernden Tönen infolge der Wechselwir-
kung zwischen Rotor und Stator, wenn die Anzahl der Rotorschaufeln stets ein ganzes Vielfaches
der Statorschaufelanzahl ist
sche oder sonst wie unsymmetrische Formgebungen oder Einbauten im Einlauf generiert
werden. Alles dieses hat Einfluss auf die Intensität des Lärms, wogegen aber die Schall-
abstrahlung mehr durch die periodisch wechselnden geometrischen Situationen zwischen
Lauf- und Leitrad bestimmt werden, die sich infolge Rotation relativ zueinander bewegen.
Was das bedeutet, soll der folgende erst einmal sehr einfach gehaltene Fall erläutern, den
die Abb. 15.28 grafisch untermalt. Ganz oben links in Abb. 15.28 ist der simpelste, aber
praktisch nicht vorkommende Fall gezeichnet, dass sich nur eine einzige Leitradschaufel
vor dem Rotor befindet. Rechts neben dieser Ausgangsskizze sind die vier Situationen
skizziert, bei denen es zu einer Leitrad-Laufrad-Wechselwirkung kommt. Genau nach
jeder viertel Drehung des Laufrades wird es am Ort der einen Statorschaufel zu einer Ton-
generierung kommen. Im Fall von zwei gegenüberliegenden Statorschaufeln, Abb. 15.28
Mitte, wird dieser Effekt nach jeder viertel Drehung an beiden Leitradschaufelpositionen
gleichzeitig auftreten und bei vier gleichmäßig auf dem Umfang verteilten Statorschau-
feln, Abb. 15.28 unten, wird dies an den vier Leitradschaufelpositionen nach jeder viertel
Drehung gleichzeitig der Fall sein. Mit noch mehr zunehmender Schaufelzahl verkompli-
ziert sich die Situation dann immer mehr, vor allem auch deswegen, weil es sich in der
15.3 Schallquellen 1521
a) b) c) d)
ƒ ‚
4 Rotorschaufeln während 1/4-Umdrehung kommt es - über den Umfang verteilt - zu
3 Statorschaufeln 3 Stator-Rotor-Wechselwirkungen, so dass es pro Umdrehung zu
insgesamt 12 Wechselwirkungen kommt. Die Reihenfolge dieser
Ereignisse entspricht der Drehrichtung des Rotors.
a) b) c)
4 Rotorschaufeln d) e) f)
5 Statorschaufeln
Abb. 15.29 Prinzipskizze zur Generierung von sich überlagernden Tönen infolge der Wechselwir-
kung zwischen Rotor und Stator, wenn die Anzahl der Rotorschaufeln keine ganzen Vielfachen der
Statorschaufelanzahl sind
Praxis zeigt, dass sich die einzelnen Pulse in weiterem Abstand von der Quelle infolge von
Interferenzeffekten entweder verstärken oder aber auch gegenseitig auslöschen können.
Abbildung 15.29 zeigt die Verhältnisse, wenn die Anzahl der Rotorschaufeln kein gan-
zes Vielfaches der Statorschaufelanzahl ist. Dieses ist vom Prinzip her der typischere Fall,
der in einer realen Turbomaschine zu erwarten ist. Der obere Teil von Abb. 15.29 zeigt
den Fall, dass der Rotor eine Schaufel mehr hat als der Stator. In diesem Fall kommt es
zu drei gleichmäßig auf dem Umfang verteilten Leitrad-Laufrad-Wechselwirkungen pro
Viertelumdrehung. Die Wechselwirkungen wandern dabei in derselben Richtung von Sta-
torschaufel zu Statorschaufel, die auch der Drehrichtung des Rotors entspricht. Immer
wenn der Rotor sich um 30◦ in Umfangsrichtung bewegt hat, kommt es an einem der
Statoren zu einer Wechselwirkung, sodass sich pro voller Rotorumdrehung insgesamt 12
Wechselwirkungen einstellen. Schließlich wird es während einer Umdrehung aber nicht
nur zu vier Wechselwirkungen an jedem einzelnen Stator kommen sondern zusätzlich
noch zu Überlagerungen mit den anderen Ereignissen an den restlichen Statoren. Die Ab-
folge der Schallereignisse pro Zeiteinheit ist also viermal höher als die Rotordrehfrequenz.
Somit kann es also durchaus sein, dass die Rotorumfangsgeschwindigkeiten an den Blatt-
1522 15 Triebwerkslärm
spitzen im Unterschall liegt, also subsonisch ist, während die Abfolge der Schallereignisse
supersonisch ist. In dem in Abb. 15.29 unten dargestellten Fall ist die Anzahl der Stator-
schaufeln um eins größer als die des Rotors. Auch hier ist die Abfolge der Schallereignisse
pro Zeiteinheit viermal höher als die Rotordrehfrequenz, auch wenn es insgesamt zu mehr
über den Umfang verteilten Schallereignissen kommt. Interessant ist aber, dass der Ablauf
der Schallereignisse in diesem Fall entgegen zur Drehrichtung des Rotors abläuft.
In einem real ausgeführten Triebwerk haben der Fan oder der Verdichter natürlich
viel mehr Schaufeln, ein Rotor hat 50 und mehr Schaufeln und ein Stator noch viel mehr,
sodass die Verhältnisse mit der Anzahl der Schaufeln immer komplexer werden und über
die einfachen Darstellungen in Abb. 15.28 und 15.29 hinausgehen. Zur reinen Berücksich-
tigung der Schaufelverhältnisse kommt auch noch das Ausbreitungsverhalten des Lärms
durch den aus Nabe und Gehäuse gebildeten Strömungskanal hinzu. In der Praxis hat man
die Erfahrung gemacht, dass ein gewisser Anteil von Tönen aus dem Strömungskanal erst
gar nicht herausdringt. Offensichtlich existiert ein kritisches Schaufelverhältnis aus Stator-
zu Rotorschaufelanzahl jenseits dessen sich Schallereignisse, die eigentlich dominant sein
müssten, im Strömungskanal derart ausbreiten, dass sie sich in der Wechselwirkung mit
anderen Schallwellen gegenseitig auslöschen und so im Fernfeld nicht mehr zu hören
sind. Dieses experimentell ermittelte kritische Schaufelverhältnis, das im Englischen als so
genannte „Cut-Off Condition“ bezeichnet wird, ergibt sich zu:
iStator i
= = 1.1 · (1 + Mau ) · n (15.13)
iRotor i
Hierin wird mit „i“ die jeweilige Schaufelanzahl auf Stator und Laufrad beschrieben. Mit
Mau wird die Machzahl bezeichnet, die sich aus der Umfangsgeschwindigkeit u = r · ω des
jeweiligen Rotors ermitteln lässt und mit n wird der Grad der Harmonischen des diskreten
Tons, der ausgelöscht werden soll. Für den Fall eines Fans, dessen Umfangsgeschwindig-
keit an den Blattspitzen in etwa der Schallgeschwindigkeit entspricht (Mau ≈ 1.0), ergibt
sich aus Gl. (15.13) iStator /iRotor = i /i = 2.2 · n, was schließlich bedeutet, dass zur Aus-
löschung der ersten Harmonischen des tonalen Lärms auf dem Stator mehr als doppelt so
viel Schaufeln angebracht sein müssen wie auf dem Rotor. Zur Auslöschung der 2. Har-
monischen wären es dann schon fast 4.5-mal so viel Schaufeln. Speziell für den Fan zeigt
Abb. 15.30 sehr anschaulich, dass der hinter dem Fanrotor gelegene Stator bei einem real
ausgeführten Triebwerk tatsächlich weitaus mehr Schaufeln aufweist als das Fanlaufrad.
Natürlich ist es einsichtig, dass die Berücksichtigung einer Vielzahl von hintereinan-
der geschalteten Stufen, so wie es z. B. Abbildung 15.30 zeigt, alle diese Vorgänge so
extrem verkompliziert, dass eine anschauliche Beschreibung praktisch unmöglich wird.
Das Frequenzspektrum des Schalls aus dem vorderen Teil eines Triebwerks enthält tonale
Anteile, die sowohl vom Fan als auch von den Eingangsstufen des Niederdruckverdich-
ters stammen, und das sowohl in den jeweiligen Grundfrequenzen als auch in den höher
Harmonischen. Hinzu kommen außerdem noch so genannte Zwischenfrequenzen, die
zum einen ihre Ursachen in Wechselwirkungseffekten zwischen den sich ausbreitenden
Schallwellen und den davor liegenden rotierenden Schaufeln haben und zum anderen auf
15.3 Schallquellen 1523
Fan-Rotor-Beschaufelung Fan-Stator-Beschaufelung
Stützen für das Fan-
gehäuse, sog. Struts
Hochdruck-
verdichter
4-stufiger S = Stator
Niederdruckverdichter S0 [R1 S1] [R2 S2] [R3 S3] [R4 S4] R = Rotor
Abb. 15.30 Vorderer Teil eines modernen Turbofantriebwerks (IAE V2500-A5). Die Rotoren und
Statoren der Fansektion und der ersten Stufen des Niederdruckverdichters (Booster) sind gesondert
markiert worden. Basisbild mit freundlicher Genehmigung der International Aero Engines (IAE)
mehr oder weniger „langlebige“ Schaufelnachläufe zurückzuführen sind, die sich durch die
Schaufelreihen hindurch stromab bewegen, vgl. hierzu z. B. den linken Teil von Abb. 15.24.
Im äußeren Fankanal (Sekundärstrom) sind die einzigen Wechselwirkungen die
auftreten können, die zwischen den Nachläufen des Fanrotors, den nachgeschalteten
Fanstatorschaufeln und den abschließenden Gehäusestützen (Struts). Im Kerntriebwerks-
bereich wird es dann weitaus komplexer. Hier gibt es erst einmal Wechselwirkungen der
Fannachlaufströmung mit den Statoren S0 , S1 , S2 , usw. Darüber hinaus gibt es weitere
Wechselwirkungen der Kombination S0 -R1 -S1 , S1 -R2 -S2 usw., an denen jeweils ein weite-
rer Rotor beteiligt ist. Abbildung 15.31 zeigt ein typisches Schallspektrum, in dem sich zum
einen der jeweilige Grundton und die zugehörigen höher Harmonischen des Fans und des
ersten und zweiten Verdichterrotors identifizieren lassen und in dem sich zum anderen
auch sog. Summentöne zeigen, die sich aus den Grundtönen und höher Harmonischen
zweier rotierender Bauteile zusammensetzen. Wird der Fan auf einer anderen Welle betrie-
ben als der nachfolgende Kerntriebwerksverdichter, und haben diese beiden Wellen dann
auch noch unterschiedliche Drehzahlen, so verkomplizieren sich die Verhältnisse noch
weiter. Doch nicht aller Lärm der weiter stromab liegenden Schaufelreihen kann nach vor-
ne dringen, da die davor liegenden Schaufelreihen eine Art von Schallbarriere darstellen,
die man sich wie eine Jalousie vorstellen muss. In Abhängigkeit von der Ausbreitungsrich-
tung der Schallereignisse und davon, ob sie mit der Rotordrehrichtung umlaufen oder sich
entgegen dazu bewegen, wirken diese Jalousien hinsichtlich der Lärmausbreitung mal so,
als ob sie geschlossen oder mal so, als ob sie offen wären. Auch diese Eigenschaft macht
man sich in Triebwerken zum Zwecke der Schallminimierung zu Nutze, ebenso wie alle die
1524 15 Triebwerkslärm
1.Rotor-1 + 1.Fan
1.Rotor-1 + 3. Fan
bezeichnen die jeweiligen
Harmonischen
1.Rotor-1 + 2. Fan
1.Fan
1.Rotor-2 + 1.Fan
2. Rotor-1 + 2. Fan
2. Rotor-1 + 1.Fan
relativer Schalldruckpegel [dB]
1.Rotor-1 + 4. Fan
5 dB
1.Rotor-1 + 5. Fan
1.Rotor-1
4. Fan
3. Fan
2. Rotor-1
2. Fan
1.Rotor-2
Abb. 15.31 Gemessenes Spektrum, in dem die tonalen Anteile des Fan und des 1. und 2. Rotors des
nachfolgenden Kerntriebwerksverdichters identifiziert werden können, ebenso wie die so genannten
Summentöne. (Adaptiert von Smith 1998)
zuvor schon beschriebenen Maßnahmen, die hier noch einmal zusammengefasst werden
sollen:
10 dB
≈ 5 dB
Zeit
30 s 30 s
10 dB
Fahrwerk ein
schwindigkeit v1
Entscheidungsge-
Rotiergeschwin-
digkeit vR
gehaltene
Bremsen Startlauf Steigen
Abb. 15.32 Veränderung des Fan-Grundtons des Rolls-Royce Turbofan RB211 während statischer
Messungen und während dynamischer Messungen beim Starten und Fliegen. (Messsignal nach Smith
1998)
Gl. (15.13), sodass die Darstellung in Abb. 15.32 aus der Wechselwirkung zwischen dem
Fanrotor und den nachfolgenden Verdichterstufen im Primärkreis resultiert und nicht von
der Fanstufe im Sekundärkreis.
Der untere Teil von Abb. 15.32 zeigt, wie sich das Messsignal desselben Mikrofons mit
steigender Vorwärtsgeschwindigkeit verändert, wenn das Triebwerk bei einem typischen
Startvorgang unter Volllast betrieben wird und der Fan nun im Blattspitzenbereich eine
supersonische Zuströmung im Relativsystem hat. Vom Prinzip her ist das Ergebnis dem
Verhalten des Signals im oberen Bildteil sehr ähnlich. Das im Anfang des Startvorgan-
ges noch deutlich fluktuierende Signal bekommt mit steigender Vorwärtsgeschwindigkeit
zunehmend einen stationären Charakter12 .
Untersuchungen haben gezeigt, dass das in Abb. 15.32 dargestellte Verhalten des Messsi-
gnals nichts mit der Konstruktion und der Ausrichtung der Schaufeln der Fanstufe zu tun
hat, sondern auf Wechselwirkungen zwischen dem Fan und Turbulenzen in der ange-
saugten Luft zurückzuführen sind. Abbildung 4.1 zeigte, wie sich die Fangstromröhre
eines Triebwerks mit der Vorwärtsgeschwindigkeit verändert. Bei kleinen Geschwindig-
keiten kommt es zu Ablösungen an den Einlauflippen und damit zu Turbulenzen, die
auf den Fan durch den Einlaufdiffusor zuströmen. Diese Störungen im Einlauf gehen
mit steigender Fluggeschwindigkeit deutlich zurück. Die mehr oder weniger stochasti-
schen Turbulenzstrukturen, die dem Fan bei niedrigen Fluggeschwindigkeiten zuströmen,
treffen auch wiederum mehr oder weniger zufällig auf unterschiedliche Sektoren der Fan-
Eintrittsfläche, sodass es dort zu zufallsabhängigen Schwankungen im Druck und in der
Geschwindigkeit kommt. Entsprechend fluktuierende Schallsignale, die sich dem sonsti-
gen Turbomaschinenlärm überlagern, sind das Resultat. Die mehr oder weniger „wohl
geformte“ Fangstromröhre des Flugfalles lässt die Ablösungen und damit den – daraus
resultierenden – überlagerten Lärm verschwinden.
Sollen also Lärmmessungen, die im Bodenstandversuch an einem Triebwerk durchge-
führt wurden, auf ein sich bewegendes Triebwerk übertragen werden, so ist es erforderlich,
in der Zuströmung eine niedrige Turbulenzstruktur zu garantieren, die dem Flugfall ent-
sprechen. Dieses realisiert man dadurch, dass dem Triebwerk auch bei Schallmessungen
ein Glockeneinlauf (Bell-Mouth Inlet), so wie er in Kap. 4.1.4.1 beschrieben wurde und in
den Abb. 4.5 und 4.6 zu sehen ist, vorgeschaltet wird. Abbildung 15.33 zeigt, wie ein solcher
Aufbau für Schallmessungen schließlich aussieht. Der schon bekannte Glockeneinlauf ist
von einer halbkugelförmigen bis kugelförmigen Schale auf Leichtbaubasis mehr oder we-
niger umwickelt, der einen Durchmesser von 6 m und mehr haben kann. Die Außenhaut,
die wabenförmig strukturiert und mit einem Gaze-Mantel überzogen ist, wirkt wie ein
12
Das Bild vermittelt den Eindruck, als würde der stationäre Signalanteil mit der Zeit leicht ansteigen,
was aber real nicht der Fall ist, sondern vielmehr seine Ursache darin hat, dass das hier dargestellte
Messsignal nicht korrigiert wurde. Auf Grund der Druckänderungen in der Mikrofonumgebung, die
durch die Geschwindigkeits- und Höhenänderung des Flugzeuges hervorgerufen werden, müssten
aber entsprechende Korrekturen am Signal vorgenommen werden.
15.3 Schallquellen 1527
Fan
Kerntriebwerk
Glocken-
einlauf
halbkugelförmiger
Gazeüberzug
Abb. 15.33 Skizze zum generellen Aufbau des Einlaufbereiches eines Turbofantriebwerks zum
Zwecke der Lärmmessung
Gleichrichter in einem Windkanal, und hat die Aufgabe, den Turbulenzgrad der Trieb-
werkszuströmung zu minimieren. Abbildung 15.34 zeigt das Foto eines entsprechenden
Außenprüfstandes, so wie er bei allen großen Triebwerksherstellern heute der Standard
ist.
Ma > 1
engster Querschnitt
mit Ma = 1.0
S2 R2 S4 R4 S = Stator
S1 R1 S3 R 3 R = Rotor
Ma < 1
Eintritts- Lauf-
leitrad rad
Strut
nn-
Bre mer
ka m
Abb. 15.35 Typischer Aufbau der Turbinensektion eines modernen zweiwelligen Turbofantrieb-
werks mit einer einstufigen Hochdruck- und einer vierstufigen Niederdruckturbine
15.3.3 Turbinenlärm
So wie es bereits auch schon beim Fan der Fall war, setzt sich der Turbinenlärm aus
Breitband- und aus tonalen Anteilen zusammen. Da aber der Axialspalt zwischen den
Rotoren und Statoren bei Turbinen deutlich geringer ausfällt als beim Fan, ist der tonale
Lärm bei Turbinen derjenige, der die Situation dominiert. Ansonsten sind die Mecha-
nismen der Lärmerzeugung mit denen im Fan und im Verdichter praktisch identisch.
Unterschiede gibt es nur hinsichtlich der Richtung der Lärmausbreitung. Das erste Leitrad
hinter der Brennkammer (Eintrittsleitrad, NGV Nozzle Guide Vane) hat praktisch in allen
Triebwerksleistungsstufen eine subsonische Zuströmgeschwindigkeit (Ma < 1) und eine
supersonische Abströmgeschwindigkeit (Ma > 1). In Abb. 15.35 ist diese Eigenschaft oben
links skizziert worden. Im engsten Querschnitt (Throat) der Schaufelpassage wird in einem
solchen Fall stets die Schallgeschwindigkeit (Ma = 1) vorliegen und man sagt, dass Leitrad
sperrt. Aller Lärm, der hinter dem Sperrquerschnitt generiert wird, und sich mit Schall-
geschwindigkeit ausbreitet, kann in der Überschallabströmung des Leitrades nicht mehr
nach vorne – in Richtung Triebwerkseintritt – getragen werden. Folglich wird der Lärm
ausschließlich mit der Strömung nach hinten aus dem Triebwerk heraus getragen wer-
15.3 Schallquellen 1529
HDT - NDT1
2NDV1 2NDV2 NDT1
80 HDT - 2NDT2
NDV4
70
NDV1
60
NDV2 2NDT2 2NDT1
50 NDV3 Haystacked Tones Breitbandlärm
Untertöne
Abb. 15.36 Beispiel für ein mögliches Lärmspektrum einer Turbine. Das hier dargestellte Spektrum
gehört zu einem Turbofan mit kleinem Bypass-Verhältnis. (Adaptiert von Smith 1998)
den. Der Turbinenlärm, der durch die Schubdüse das Triebwerk verlässt, wird durch die
Mischungsvorgänge des Strahls mit der Atmosphäre beeinflusst, und unterliegt dadurch
Brechungsphänomenen, sodass der Lärm entsprechend der Darstellung in Abb. 15.13 nur
in einem Bereich von ca. 110 . . . 130◦ zur Triebwerksachse (mathematisch positiv gezählt)
effektiv abgestrahlt wird.
In einer einzigen Turbinenstufe wird immer sehr viel mehr Energie umgesetzt als in
einer Verdichterstufe, vgl. Kap. 8.2.3. Dieses hohe Energiewandlungspotenzial macht sich
bei der Lärmgenerierung deutlich bemerkbar, ebenso wie die etwa 5 . . . 9 in der Abströ-
mung liegenden Turbinenstufen (Lärmausbreitungsrichtung), die einen weiten Bereich für
Wechselwirkungstöne zwischen den verschiedenen stehenden und drehenden Turbinen-
beschaufelungen offerieren. Ein mögliches Lärmspektrum einer Turbine zeigt Abb. 15.36,
in dem die Vielfalt an Wechselwirkungstönen offensichtlich wird. Bei den tonalen Anteilen
sind in dem hier vorliegenden Fall (2-Wellen-Turbofan mit niedrigem Bypass-Verhältnis)
besonders die diskreten Töne der beiden Niederdruckstufen (NDT) zu erkennen, wobei die
zweite Stufe sehr dominant hervor tritt. Das Frequenzspektrum der rechten Bildhälfte stellt
sich eher als Breitbandspektrum dar, in dem dennoch einzelne Untertöne (Beneath Tones)
identifizierbar sind, ebenso wie sog. Differenztöne, die das Resultat der Wechselwirkun-
gen einzelner, nahe beieinander liegender Stufen sind. Im niederfrequenten Spektrum der
linken Bildhälfte sind noch einzelne Töne der Stufen des Niederdruckverdichters wahrzu-
nehmen. Dadurch, dass der Turbinenlärm den schon erwähnten Brechungsphänomenen
beim Durchgang durch die turbulente Scherschicht zwischen Triebwerksstrahl und um-
1530 15 Triebwerkslärm
gebender Atmosphäre unterworfen ist, werden die ursprünglich hinsichtlich der Frequenz
sehr scharf begrenzten diskreten Töne mehr diffus, d. h., sie werden breitbandiger. Im
Englischen sagt man zu dieser Eigenschaft, dass die diskreten Töne im Spektrum mehr
und mehr das Aussehen eines aufgestellten Heuhaufens (Hay-Stack) bekommen; die Töne
werden hay stacked, Fletcher und Smith (1975). Abbildung 15.36 zeigt diese Eigenschaft
am Grundton der 1. und 2. Stufe der Niederdruckturbine. Häufig sind diese Töne im
Gesamtspektrum sogar nur als leichte Buckel wahrnehmbar, sodass sie im üblichen Breit-
bandspektrum untergehen können. Sie zu finden ist vergleichbar mit der Suche nach der
berühmten Nadel im Heuhaufen (Needle in a Hay-Stack).
Ganz grob kann man sagen, dass die Schallintensität I in einem durchströmten
Turbomaschinengitter mit dem Quadrat des Verhältnisses aus Axialspalt ax zu Schau-
felsehnenlänge s variiert: − I (ax /s)2 . Wobei mit der Sehnenlänge s diejenige gemeint ist,
die zu den Schaufeln gehört, die vor dem Axialspalt ax liegen. Je größer dieses Verhältnis
ist, umso günstiger wirkt sich dies auf die Lärmgenerierung aus. Bei einem Fan kann aus
Gründen der Lärmreduzierung das Verhältnis ax /s bei eins oder zwei liegen. Für eine
Turbine würde ein solches Verhältnis aber immer eine unverhältnismäßige Vergrößerung
ihrer axialen Baulänge bedeuten und damit zu einer Erhöhung ihres Gewichts und schließ-
lich auch des Triebwerkgesamtgewichts führen. Andererseits gibt es im Vergleich zum Fan
in der Turbine aber auch Eigenschaften, die hinsichtlich der Lärmgenerierung vorteilhaft
sind. Obwohl die Umfangsgeschwindigkeiten u in den Turbinenlaufrädern hoch sind,
sind die zugehörigen Machzahlen Mau = u/a = u/(κ · Ri · T)1/2 im Unterschall, da näm-
lich auch die statische Temperatur T und damit auch die Schallgeschwindigkeit a hoch
sind. Damit lässt sich das kritische Schaufelverhältnis (Cut-Off Condition) entsprechend
Gl. (15.13) leichter realisieren. Darüber hinaus ist der Massenstrom, der durch die Turbine
eines Turbofantriebwerks strömt, deutlich geringer als der, der den Fan passiert. Sieht man
von dem in der Brennkammer zugeführten Brennstoffmassenstrom ab, so hat in der Tur-
bine die Lärmenergie pro Masseneinheit in etwa das Niveau des Verdichters, ist aber bei
heutigen Turbofantriebwerken – je nach Bypass-Verhältnis μ = ṁII /ṁI – um das Vier-
bis Sechsfache geringer als beim Fan. Das mittlere Lärmniveau einer Turbine liegt dadurch
etwa 5 . . . 10 dB unter dem eines Fans. Da außerdem auch noch die Schaufelanzahl auf
den Rotoren einer Turbine bis zu fünf Mal so hoch ist, wie bei einem Fan, liegen viele
Frequenzen der tonalen Anteile im Turbinenlärm in einem so hohen Frequenzbereich,
dass sie außerhalb des menschlichen Hörbereiches liegen.
Insgesamt gesehen dominieren die diskreten Töne das Lärmspektrum einer Turbine, so
wie es z. B. die Abb. 15.37 zeigt. Im oberen Bildteil ist das Lärmspektrum einer Modelltur-
bine aufgenommen worden. Als sehr signifikant lassen sich die Grundtöne der einzelnen
Stufen und ihre höher Harmonischen identifizieren, ebenso wie diverse Summen- und
Differenztöne. Letztere sind typisch, wenn stehende und rotierende Beschaufelungen mit
geringem axialem Abstand aufeinander folgen. Bei realen Triebwerken kommen im Ver-
gleich zu einem Modellaufbau die Wechselwirkungen mit der turbulenten Scherschicht
zwischen Abgasstrahl und umgebender Atmosphäre hinzu, die die einzelnen Töne im
Spektrum diffuser erscheinen lassen; die Töne werden hay stacked. Dieses Hay-stacking
15.3 Schallquellen 1531
real ausgeführtes
Triebwerk
verdeutlicht der untere Teil von Abb. 15.37. Häufig wird daraus fälschlicher Weise der
Rückschluss gezogen, dass Turbinenlärm eher breitbandig als tonal ist.
Die vor der Turbine liegende Brennkammer kann in gewissem Umfang auch Auswir-
kungen auf den Turbinenlärm haben. In Kap. 11.3.1.5 war hinsichtlich der Eigenschaften
von Brennkammern ausgeführt worden, dass das Temperatur- und Geschwindigkeitsprofil
der Strömung am Brennkammeraustritt (= Turbineneintritt) in Umfangsrichtung mög-
lichst gleichmäßig sein sollte. Diese lässt sich aber in der Praxis kaum realisieren, sodass
praktisch immer ein ungleichförmiges Strömungsfeld auf die erste Leitradbeschaufelung
der Turbine trifft. Solche Ungleichförmigkeiten können einen nicht unerheblichen Einfluss
auf das Lärmspektrum einer Turbine haben.
15.3.4.1 Brennkammerlärm
Von seiner grundlegenden Basis her ist der Verbrennungsprozess von ausgeprägter turbu-
lenter Natur. Die Brennkammer wird speziell so konzipiert, dass es zu einer schnellen und
intensiven Vermischung von Luft und Brennstoff kommt. In Kap. 11 über die Triebwerks-
1532 15 Triebwerkslärm
brennkammern ist dieses sehr detailliert dargestellt worden. Der an die Vermischung
anschließende Verbrennungsprozess induziert weitere Turbulenzen, sodass es nicht er-
staunt, dass die Brennkammer eine Quelle sehr intensiver Breitbandsignale ist. Deren
Intensität dominiert aber glücklicher Weise nicht die sog. Lärmsignatur eines Triebwerks.
Trotz alledem ist der Brennkammerlärm – als Bestandteil des mit dem Abgasstrahl aus
dem Triebwerk herausgetragenen Gesamtlärms – merklicher Parameter der Lärmsigna-
tur und sollte (wenn überhaupt möglich), mit Blick auf eine gezielte Lärmbeeinflussung,
diesbezüglich Berücksichtigung finden. Dieses ist bei kleineren Triebwerksaustrittsge-
schwindigkeiten wichtiger als bei hohen. Schaut man sich das Lärmspektrum eines
Triebwerks an, so findet man den Brennkammerlärm als Buckel im niederfrequenten
Bereich. Häufig ist es schwierig, im Gesamtspektrum den Brennkammerlärm vom Mi-
schungslärm des Strahls zu unterscheiden. Je weiter sich jedoch in Triebwerken die
Strahlgeschwindigkeiten reduzieren, umso deutlicher tritt der Brennkammerlärm im Ge-
samtspektrum gegenüber dem Strahllärm hervor. Wie auch immer, zum jetzigen Zeitpunkt
hat Brennkammerlärm noch nicht eine so dominante Stellung, dass es Sinn machen würde
– unter dem Gesichtspunkt lärmreduzierender Maßnahmen – fundamentale konstruktive
Änderungen im Brennkammerbereich vorzunehmen.
Der Brennkammerlärm setzt sich im Wesentlichen aus drei Hauptkomponenten zusam-
men: dem Brennergeräusch, dem Entropieschall und dem Wirbelschall. Unter dem Begriff
Entropieschall bzw. Entropielärm wird dabei ein Geräusch verstanden dessen Ursache
eine Kombination aus Temperatur- und Geschwindigkeitsunterschieden ist. Wirbellärm
entsteht durch die Bildung und durch den Zerfall von Wirbelstrukturen in der Strömung.
Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass der Entropielärm in der Brennkammer etwa
den 10-fachen Pegel des eigentlichen Brennergeräusches hat.
Sieb über
einem Ab-
blaseventil
Abb. 15.38 Schalldämpfer über dem Mittel- und Hochdruckverdichter des Triebwerks Rolls-Royce
Trent 800 (Boeing B777). (Bild mit freundlicher Genehmigung der Rolls-Royce plc)
des Triebwerks den Gesamtlärm um 3 . . . 4 EPNdB. Der Schalldämpfer hat die Form eines
Siebes, das den Luftstrahl aus dem Ventil in viele einzelne Strahlen aufteilt, Abb. 15.38.
Dadurch wird der Lärm so hochfrequent, dass er außerhalb des hörbaren Bereichs liegt.
Zu 1) Der Wunsch nach einer gleichmäßigen Schaufel- und Gittergeometrie wird nicht
nur durch den Fertigungsprozess beeinflusst, sondern auch von den alltäglichen Betriebs-
bedingungen, denen eine Beschaufelung während ihrer gesamten Lebensdauer unterliegt.
Speziell durch Fremdkörpereinwirkungen (FOD, Foreign Object Damage) auf Grund von
Vogelschlag oder durch das Ansaugen von Eis, Regen, Hagel und/oder Schmutz kommt
es infolge von Verformungen und Erosion zu bleibenden geometrischen Abweichungen
gegenüber der Originalschaufel. Fremdkörper werden im Fan durch Zentrifugalwirkung
in den Außenbereich der Beschaufelung transportiert und richten dort – wenn überhaupt
– den größten Schaden an. Aber gerade die geometrischen Änderungen im Fanaußenbe-
15.4 Schallreduzierende Maßnahmen 1535
Snubber
br
Fan mit Schaufeln Fan mit Schaufeln
großer Sehnenlänge kleiner Sehnenlänge,
(Wide-Chord B lades ), s mit einer so genannten
ohne eine so genannte Mid-S pan Shroud
Mid-S pan Shroud
reich sind es, die den Kreissägenlärm fördern. Erosionsbeschädigungen treten bevorzugt
längs der gesamten Schaufelvorderkante zwischen Nabe und Gehäuse auf. Schaufeln mit
verstärkten Vorderkanten könnten hier Abhilfe schaffen.
Gerade Fremdkörpereinwirkungen führen oft zu solchen Schaufelbeschädigungen, die
eine Reparatur erforderlich machen. Bei solchen Reparaturarbeiten gelingt es nur selten,
die Ursprungsgeometrie exakt wieder herzustellen, obwohl derzeit bei den Airlines und
den Maintenance-Betrieben diesbezüglich einige Anstrengungen unternommen werden,
hier signifikante Verbesserungen herbeizuführen, Hönen (2001). Für heutige Triebwerke
bleibt die Tatsache aber bestehen, dass es nach einer gewissen Betriebszeit des Triebwerks
in einer Fanbeschaufelung keine zwei Schaufeln gibt, die einander wirklich noch gleich
sind. Hieraus könnte man fälschlicher Weise schließen, dass die ursprüngliche Schau-
felauslegung keine wesentliche Bedeutung zukommt, da sich ja die Geometrie ohnehin
während des Betriebes mehr oder weniger zufällig ändert. Dieses ist aber nicht der Fall,
da die Basisgeometrie nach wie vor die entscheidende aerodynamische Grundlage für die
Effektivität (Wirkungsgrad) einer Beschaufelung darstellt.
Viele der heute noch in Betrieb befindlichen Turbofantriebwerke haben eine Fanbe-
schaufelung mit einem sog. großen Schaufelhöhenverhältnis, Abb. 15.39 rechts, d. h., die
1536 15 Triebwerkslärm
Abb. 15.40 Triebwerkseinlauf (Boeing 707-347C, mit 4 Pratt & Whitney JT3D-7 Turbofantrieb-
werken) mit dünner Einlauflippe und variabler Geometrie für den Langsamflugfall (Auxiliary Intake
Doors or Blow-in Doors) zur Vermeidung von Strömungsablösungen innerhalb der Gondel
Schaufeln sind vergleichsweise „lang und dünn“. Auf Grund dieser Eigenschaft neigen sie
zum Schwingen, was durch das Aufbringen von sog. Snubber auf die Schaufeloberfläche
gedämpft wird, vgl. hierzu auch Abb. 4.9. Sind alle Fanschaufeln auf dem Umfang montiert,
so wirken die Snubber in ihrer Gesamtheit, optisch, wie eine Art von Innenring (Mid-Span
Shroud), der in die Beschaufelung eingebracht wurde. Manche – besonders flexible und
schwingungsanfällige – Beschaufelungen habe sogar zwei solcher Innenringe.
Zu 2) Hinsichtlich einer Lärmreduzierung existiert die aerodynamische Forderung, dass
der Bereich der Fanzuströmung möglichst frei von aerodynamischen Störungen aller Art
gehalten werden sollte. Dieses wird grundlegend bereits dadurch erfüllt, wenn der Einlauf
nahezu einen kreisförmigen Querschnitt hat. Lassen sich Kreisquerschnitte nicht realisie-
ren, so muss eine sehr sorgfältige dreidimensionale Konturierung vorgenommen werden,
wie es z. B. bei der Boeing B737 mit CFM-56 Triebwerken (Abb. 9.16) der Fall ist. Auch
sind exzentrische Lösungen zu vermeiden, wie es z. B. beim Mitteltriebwerk der Lockheed
L1011-200 TriStar in Abb. 5.5 der Fall war, deren über dem Rumpf liegender Einlauf einen
S-Schlag hatte, umso das zentral angeordnete Triebwerk mit Luft zu versorgen.
In Kap. 4.1.1 wurde ausführlich erörtert, dass es für den Reiseflug vorteilhaft ist, wenn
eine Triebwerksgondel dünne Einlauflippen hat. Im Langsamflug sind diese aber von
Nachteil, da sie zu Strömungsablösungen im Gondeleintrittsbereich führen. In der Ver-
gangenheit kamen deswegen eine Zeit lang Einlauflippen variabler Geometrie zum Einsatz,
so wie sie z. B. die Abb. 15.40 zeigt. Mit solchen Klappen, die ähnlich wirken, wie die Spal-
te zwischen den Landeklappen eines Flugzeuges, können die aerodynamischen Defizite
15.4 Schallreduzierende Maßnahmen 1537
Relativer Schalldruckpegel
10 dB
ca. 8 dB
ursprünglicher
Service-Pylon
geometrisch optimierter
Service-Pylon
Abb. 15.41 Zur Beeinflussung des Fanlärms durch geometrische Modifizierung des hinter der
Fanstufe liegenden Service-Pylons, dessen Strömungsstörungen nach vorne auf die Fanschaufel-
druckverteilung rückwirken. (Adaptiert von Smith 1998)
innerhalb der Gondel ausgeglichen werden. Gleichzeitig sind solche Klappen aber hin-
sichtlich der Lärmgenerierung von Nachteil, Goldsmith und Seddon (1993), sodass heute
über variable Geometrien von Triebwerkseinläufen nicht mehr wirklich nachgedacht wird,
da sie zu den Störungen im Triebwerkszulauf gezählt werden, von denen man weiß, dass
sie Lärm generieren. Auch Eintrittsleitschaufeln, wie sie z. B. in Abb. 2.3 an dem einfa-
chen einwelligen Turbojet GE CJ610 zu sehen sind, stellen Störungen dar, die unter dem
Gesichtspunkt der Lärmminimierung vermieden werden sollten. Alle solche Störungen er-
zeugen zyklische Änderungen bei den Schaufelkräften des Fans und verstärken damit den
tonalen Anteil im Lärmspektrum. Aber auch auf alle Störungen, die hinter dem Fanrotor
liegen, sollte geachtet werden, da sie in subsonischen Strömungen auch nach vorne wir-
ken13 und so vom Fan wahrgenommen werden können, der u. U. mit tonalem Lärm darauf
reagiert. Eine wesentliche Störung dieser Art ist der Service-Pylon (vgl. Abb. 15.43) inner-
halb des Sekundärströmungskanals, durch den aller Verbindungsleitungen (Brennstoff,
Luft, Elektrik, Instrumentierung) vom Flugzeug zum Triebwerk und umgekehrt geführt
werden. Hier kann durch geeignete geometrische Gestaltung der Dicke des Pylons und
der Form seiner Vorderkante eine merkliche Reduzierung des Fanlärms und damit auch
der Triebwerksvibrationen, die nämlich damit im Zusammenhang stehen können, erreicht
werden. Die Messergebnisse zu einem solchen Fall zeigt Abb. 15.41. Man erkennt, dass
der Spitzenwert des diskreten Tons um ca. 8 dB herabgesetzt werden konnte. Neben den
13
In einer Strömung breiten sich Druckstörungen, die von Hindernissen ausgehen, in allen Rich-
tungen mit Schallgeschwindigkeit aus. Ist die die Strömung selbst im Unterschall, so können die
Störsignale eines Hindernisses mit der Differenz aus Schall- und Strömungsgeschwindigkeit der Strö-
mungsrichtung entgegen „wandern“ (Galilei-Transformation für Geschwindigkeiten, Kap. 8.1.6.2).
Erst wenn die Strömungsgeschwindigkeit größer oder gleich der Schallgeschwindigkeit ist, ist eine
„Nachvornwirkung“ einer Strömungsstörung nicht mehr möglich.
1538 15 Triebwerkslärm
optimierter Abstand
ohne Störungen
Fanzuströmung
zwischen Fanrotor
und Fanleitapparat
optimiertes Verhältnis
der Schaufelanzahlen
optimierter Abstand zwischen den Rotoren auf den Statoren und
und Statoren des Niederdruckverdichters Rotoren
Abb. 15.42 Gestaltung einer Fanstufe und der ersten Stufen des Verdichters im Kerntriebwerk bei
einem modernen Turbofan unter dem Gesichtspunkt der Lärmminimierung
erwähnten geometrischen Maßnahmen am Service-Pylon selbst kann auch durch eine ge-
änderte Staffelung der Leitradbeschaufelung des Fans das nach vorne wirkende Druckfeld
des Service-Pylons derart „geglättet“ werden, sodass den Fan schließlich nur noch mehr
oder weniger in Umfangsrichtung vergleichmäßigte Druckstörungen erreichen.
Zu 3) Wesentlicher tonaler Lärm resultiert aus der Wechselwirkung der Nachlauf-
strömungen (Nachlaufdellen) der Fanrotorbeschaufelung mit den stromab liegenden
Leitradbeschaufelungen sowohl der Fanstufe als auch des Kerntriebwerksverdichters.
Hinzu kommen Wechselwirkungen mit den im Kerntriebwerk darauf folgenden Eingangs-
stufen, die sich im Spektrum als Summen- und/oder Differenztöne zeigen können. Durch
die Wahl des richtigen Verhältnisses von Statorschaufelanzahl zu Rotorschaufelanzahl
entsprechend Gl. (15.13) kann der Grundton dieser Wechselwirkung „stillgelegt“ werden
(Cut-Off Condition). Vorteilhaft ist es auch, wenn die Schaufeln von Stator und Rotor
so angeordnet sind, dass die Schallwellen entgegen der Rotordrehrichtung ablaufen, vgl.
Abb. 15.29. Durch eine überlegte Schaufelanordnung in Umfangsrichtung in den auf-
einander folgenden Stufen kann es durch den dabei entstehenden Jalousieneffekt zum
mechanischen Abdecken der Schallausbreitung nach vorne kommen und so Einfluss auf
den tonalen Lärm genommen werden, Philpot (1975). Die „Schaufel-Jalousien“ können
mal geschlossen und mal offen sein, abhängig davon, unter welchem Winkel sich die
Schallwellen ausbreiten, und abhängig davon, wie sich die Schallereignisse bezüglich der
Rotordrehrichtung verhalten, d. h., ob sie sich in Drehrichtung oder entgegengesetzt da-
zu bewegen. Soweit es darstellbar ist, verdeutlicht Abb. 15.42 die weiteren konstruktiven
Maßnahmen, die heute im Fanbereich zur Lärmreduzierung üblich sind. Neben der schon
15.4 Schallreduzierende Maßnahmen 1539
ylon
vice-P
Ser
Abb. 15.43 Fanstufe des Triebwerks CF6-80C2 mit „gepfeilter“ Leitradbeschaufelung zur Min-
derung des tonalen Anteils des Wechselwirkungslärms zwischen Fanrotor und nachfolgendem
Leitapparat. (Bild mit freundlicher Genehmigung von General Electric Aircraft Engines)
erwähnten Wahl einer optimalen Anzahl von Schaufeln ist auch der Axialabstand zwischen
den Schaufeln von wesentlicher Bedeutung. So sollte der Axialspalt zwischen Fanrotor und
Fanstator wenigstens zwei Sehnenlängen der Fanblattspitzenbeschaufelung betragen. Mit
einem solchen Spalt werden zwei Dinge sichergestellt
Eine ähnliche Bedeutung auf den Lärm hat auch der Axialspalt bei den ersten Stufen des
Verdichters im Kerntriebwerk.
Zur Verringerung des tonalen Lärms werden zum Teil auch die Statorschaufeln des
Fan-Leitapparats nach hinten, in Hauptströmungsrichtung geneigt, Abb. 15.43. Von der
Seite gesehen, sieht eine solche Neigung wie ein gepfeilter Tragflügel aus, sodass hier
auch von Pfeilung der Leitschaufeln gesprochen wird (Swept Stator Blades). Durch diese
geometrische Anordnung haben die Nachläufe des Fans zum einen noch mehr Zeit sich
auszumischen, und zum anderen verstärkt sich dadurch die vorteilhafte Eigenschaft, dass
die Nachläufe zu unterschiedlichen Zeitpunkten auf die Statorbeschaufelung treffen. Der
Nachlauf ein und derselben Fanrotorschaufel trifft in Nabennähe eher auf die Leitschau-
feln als in Gehäusenähe, sodass die Wechselwirkungen, die zum tonalen Lärm führen,
bei unterschiedlichen Umfangspositionen der rotierenden Fanschaufel stattfinden. Durch
1540 15 Triebwerkslärm
-5
Abb. 15.44 Darstellungen zu aeroakustischen Untersuchungen zum Fanlärm nach Huff (2000);
oben Modellaufbauten mit unterschiedlichen Fan-Leitrad-Geometrien, unten Ergebnisse numerische
Lärmuntersuchungen zu den darüber dargestellten Fanstufengeometrien
zusätzliche seitliche Neigung (Lean) der Statorbeschaufelung kann der zuvor beschriebene
lärmtechnische Vorteil noch weiter verbessert werden. Abbildung 15.44 zeigt Modelle von
Fanstufen, deren Leitschaufeln Pfeilung und seitliche Neigung aufweisen. Numerische Lär-
muntersuchungen, die für diese Geometrien durchgeführt wurden, zeigen, dass einzelne
Harmonische des tonalen Lärmanteils auf das Niveau des Breitbandspektrums herunter-
gedrückt werden können, Huff (2000). Der untere Teil von Abb. 15.44 zeigt ein solches
numerisches Ergebnis für die dritte Harmonische des Fantons. Deutlich sind die Lärm
reduzierenden Einflüsse von Pfeilung und Neigung zu erkennen. Die Untersuchungen
von Huff (2000) zeigen, dass durch die richtige Wahl des Pfeilungs- und Neigungswinkels
– gegenüber einer Fanstufe in Standardgeometrie – eine Gesamt-Lärmreduzierung von
ca. 3 EPNdB zu erreichen ist. Die in Abb. 15.44 dargestellten aeroakustischen Optimie-
rungen lassen aber keine Aussage darüber zu, ob und inwieweit sich die geometrischen
Veränderungen bei der Anordnung der Leitschaufeln auf den strömungsmechanischen
Wirkungsgrad der Fanstufe auswirken.
Im bisherigen Text richtete sich das Hauptaugenmerk auf die tonalen Anteile im Lärm-
spektrum, da sie den dominanten Part im Fan- und Verdichterlärm stellen. Im Folgenden
soll nun aber auch noch ein wenig der Breitbandlärm in Augenschein genommen werden.
In Kap. 14.3.2.1 war dargestellt worden, dass der Breitbandlärm aus der Ausbreitung von
Schall resultiert, der durch fluktuierende Schaufelkräfte auf den Turbomaschinenschau-
15.4 Schallreduzierende Maßnahmen 1541
kurzer Sekundärkanal
Jahr 1990
95 bis 100 EPN dB
keine aerodynamischen beim Anflug
Störungen in der Fan-
zuströmung
akustische Auskleidungen
feln erzeugt wird, deren Ursache Ungleichförmigkeiten in der Zu- und Abströmung der
Beschaufelung und der damit verbundenen Bildung von Wirbeln und Turbulenzen sind.
Wesentlichen Einfluss auf diese Gegebenheiten hat eine optimale strömungsmechanische
Schaufelgestaltung unter dem Gesichtspunkt einer Minimierung der aerodynamischen
Verluste, die viskose und gasdynamische Ursachen haben können. Das bedeutet, dass sich
die aerodynamische Schaufelauslegung nicht nur auf den Auslegungspunkt des Triebwerks
konzentriert (On-Design), den i. Allg. der Reiseflugfall darstellt, da er der Fall ist, in dem
das Triebwerk am häufigsten betrieben wird, sondern auch noch weitere Betriebspunkte
mit einschließt (Off-Design). Unter dem Gesichtspunkt des Lärms müssen dies der Start-
fall (Take-Off ) mit voller Triebwerksleistung und der Anflug- und Landefall (Approach
and Landing) mit reduzierter Triebwerksleistung sein. Sind diese Flugfälle erst in die
aerodynamische Optimierung mit eingeschlossen, so sollten sich bei den vom Piloten her-
beigeführten Variationen der Schubhebelstellung in diesen Triebwerksleitungsbereichen
keine großen Änderungen mehr bei den Inzidenzwinkeln der Fanzuströmung und auch
nicht bei den Leitschaufelverstellungen einstellen. Vom Prinzip her wäre hier natürlich
auch noch die Betätigung der Abblaseventile mit einzuschließen.
Geht man davon aus, dass der Turbofan der Boeing 707, dass Pratt & Whitney Triebwerk
PW-JT3D, das erste in Serie genutzte Zweistromtriebwerk war, dann ist das Lärmniveau
eines solchen Triebwerks – im Vergleich zu heutigen Turbofantriebwerken – um mehr als
20 EPNdB zurück gegangen, Abb. 15.45. Wobei die Hälfte dieses Erfolges auf die zuvor
1542 15 Triebwerkslärm
poröse Oberflächenschicht
zellartige
Unterstruktur
feste Kanalwand
Abb. 15.46 Prinzipdarstellung zur Funktionsweise der Lärmabsorption von akustischen Ausklei-
dungen
beschriebenen Maßnahmen zurückzuführen ist und die andere Hälfte auf die akustischen
Auskleidungen, die im nachfolgenden Kapitel beschrieben werden.
Bereits bei Abb. 15.12 war ausgeführt worden, dass gut die Hälfte aller Vorteile, die in
den letzten 30 Jahren bei der Lärmreduzierung erzielt wurden, auf die Verwendung von
Schallauskleidungen zurückzuführen sind, die an den Naben- und Gehäusewandungen
von Fan, Verdichter, Turbine und Schubdüse angebracht wurden.
Die im Inneren eines Triebwerks generierten Schallwellen werden, bevor sie das Trieb-
werk verlassen, an den Wandungen mehrfach reflektiert, sodass es Nahe liegt, sich diese
Reflexionsstellen zu Nutze zu machen, und so den Lärm zu beeinflussen. Hinsichtlich
der Schallreflexion wird die ursprünglich „schallharte“ Wandung durch Verwendung
von Absorptionsmaterialien (Acoustic Liners) „schallweich“ gemacht. Hierbei handelt es
sich um ein poröses Auskleidungsmaterial, dessen Funktion anhand der Darstellungen in
Abb. 15.46 erklärt werden soll. Wie solche Auskleidungen aussehen und aufgebaut sind,
15.4 Schallreduzierende Maßnahmen 1543
Fanlärm
vielfache Reflexion
Verdichterlärm
keine Refelxion
Fanlärm
doppelte Reflexion
br
br
Fanlärm
einfache Refelxion Schallauskleidung
Abb. 15.47 Prinzipielle Darstellung zu den Möglichkeiten, durch die Schallwellen innerhalb der
Strömungskanäle eines Triebwerks mittels Schallauskleidungen gedämpft werden können. (Bild
adaptiert von Nelson 1987)
und wo sie im Triebwerk zum Einsatz kommen, zeigt die Abb. 15.47. Die akustische Aus-
kleidung, die in heutigen Triebwerken eine Gesamtfläche von 20 . . . 30 m2 einnehmen
kann, besteht aus einer porösen Oberfläche, unter der sich Wabenstrukturen befinden, die
Hohlräume bilden. Bei der Funktionsweise lassen sich zwei Mechanismen unterscheiden14
Im einfachsten Fall, wenn unter jeder Perforationsbohrung eine einzige Zelle wäre, dann
würden die ankommenden Schallwellen auf ein Feld von „abgestimmten Resonatoren“
treffen, bei denen der Abstand zwischen der porösen Schicht und dem festen Untergrund
für die Abstimmung des Resonators verantwortlich ist und damit für die Frequenzen,
die durch ihn absorbiert (ausgelöscht) werden. Diese Funktionsweise der sog. reaktiven
14
Auf eine exakte Beschreibung der physikalischen Vorgänge von Absorptionsmaterialien muss hier
verzichtet werden, da dies den Umfang dieses Buches bei weitem sprengen würde. Der interessierte
Leser sei hier auf die spezialisierte Literatur verwiesen, z. B. Kollmeier (2003).
1544 15 Triebwerkslärm
Auslöschung (Reactive Cancellation) setzt aber voraus, dass die ankommenden Schallwel-
len nicht zu starken Frequenzänderungen unterworfen sind. Damit wird klar, dass dieses
bei einem Flugzeugtriebwerk nicht gegeben ist, da sich die Frequenzen in Abhängigkeit
der möglichen Triebwerksleistungsstufen (Start, Steigflug, Anflug und Landung) merklich
ändern. Die Resonatoren in den akustischen Auskleidungen können damit nicht auf be-
stimmte Frequenzen abgestimmt werden, sondern müssen ihre Dämpfungsqualitäten über
einen weiteren Frequenzbereich beweisen. Nach Smith (1998) erreichen Absorptionsmate-
rialien mit einer Tiefe von d = 50 mm in einen Frequenzbereich zwischen 300 . . . 3.000 Hz
eine Lärmminderung infolge reaktiver Auslöschung von ca. 6 dB. Beste Dämpfungen
von bis zu 8 dB werden für diese vergleichsweise große Tiefe bei ca. 1 500 Hz erreicht.
Eine Lärmminderung von ebenfalls 6 dB erreichen dagegen Absorptionsmaterialien mit
einer um 90 % geringeren Tiefe – d. h., d = 5 mm – in einem Frequenzbereich zwischen
4 000 . . . 10 000 Hz. Beste Dämpfungen von bis zu 8 dB werden für diese deutlich geringere
Tiefe bei ca. 8 000 Hz erreicht.
Die dissipative Dämpfung (Resistive Damping) ist umgekehrt proportional zur Porosität
der Oberflächenschicht. Typische Absorptionsmaterialien in Triebwerken haben eine sehr
geringe Porosität von ca. 5 % (Porosität := Porenfläche pro Gesamtoberfläche). Sowohl auf
Grund der Wandungen der Wabenstrukturen unter der porösen Unterschicht als auch auf
Grund des Klebematerials, das die Oberflächenschicht mit den Wabenstrukturen verbin-
det, werden die Poren zum Teil verdecken, sodass es an diesen Stellen lokal zu einer noch
geringeren Porosität kommen kann. Hinsichtlich einer optimalen Absorptionswirkung ist
es deswegen im Fertigungsprozess wichtig, solche Ungleichförmigkeiten in der Porosität
zu vermeiden. Die dissipative Dämpfung wird umso besser, je höher der Massenstrom
und/oder die Geschwindigkeiten der Luft sind, die über das Absorptionsmaterial strömen.
Ebenfalls Einfluss auf die dissipative Dämpfung hat die Richtung der Schallausbreitung,
d. h., ob sie sich mit oder entgegen zur Strömungsrichtung bewegt. Im Triebwerksein-
lauf wandert der Schall nach vorne, also der Strömungsrichtung entgegen, während er im
hinteren Triebwerksteil mit der Strömung nach hinten weggetragen wird.
Entscheidenden Einfluss auf die Wirkung einer akustischen Auskleidung hat auch das
Verhältnis von Strömungskanallänge zu Strömungskanalbreite /br , so wie es in Abb. 15.47
dargestellt ist. Je größer dieses Verhältnis ist, d. h., je länger der Kanal im Vergleich zu
seiner Höhe ist, umso besser ist die Schalldämpfung. Ursächlich hierfür ist die ebenfalls
in Abb. 15.47 skizzierte Reflexion der Schallwellen. Im hinteren Triebwerksbereich, wo
/br groß ist, kommt es zu einer Vielzahl von Reflexionen, sodass die Möglichkeiten zur
Dämpfung einer Schallwelle vermehrt werden. In diesen Umständen ist der Grund zu
sehen, warum die Lärmauskleidung im hinteren Teil des Sekundärströmungskanals mit
/br > 2 . . . 3 den Schall effektiver dämpft als die im Einlauf mit /br < 0.25.
Die in Abb. 15.47 skizzierte Schallabstrahlung aus dem Einlauf heraus könnte mögli-
cherweise auch durch das in Abb. 15.48 skizzierte Konzept eines Einlaufs mit negativem
Schrägabschnitt (Scarfed Inlet) insoweit verbessert werden, indem die Schallreflexion zum
Boden hin optimiert abgeschirmt wird.
15.4 Schallreduzierende Maßnahmen 1545
Abb. 15.48 Einlauf mit negativem Schrägabschnitt (Negative Scarfed Intake or Inlet) zum Zwecke
einer reduzierten Lärmabstrahlung zum Erdboden hin. (Basisbilder mit freundlicher Genehmigung
der Rolls-Royce International, plc)
Die Abb. 15.49 zeigt die Arten von Schallauskleidung, die heute im Triebwerksbau üb-
lich sind. Die Konfiguration mit der porösen Deckschicht in gewebter Form (Abb. 15.49,
unten links) weist auf Grund der höheren Porosität eine breitere Bandbreite hinsichtlich der
zu dämpfenden Schallfrequenzen auf als die anderen im Bild dargestellten porösen Ober-
flächen. Diese dämpfenden Eigenschaften behält das Material auch mehr oder weniger
bei, wenn unterschiedliche Umgebungsbedingungen, wie Kälte, Wärme, Schnee, Eis und
Regen, Einfluss auf die Gegebenheiten im Einlauf haben. Diese vorteilhaften Eigenschaften
hinsichtlich der Lärmdämpfung werden durch die Verwendung mehrschichtiger Ausklei-
dungen (Abb. 15.47, unten rechts) noch deutlich verbessert, bei denen die Schallwellen mit
mehreren Lagen von Hohlräumen unterschiedlicher Höhe d und mit mehreren Schichten
unterschiedlicher Porosität konfrontiert werden. Wegen ihrer guten Dämpfungseigen-
schaften finden Auskleidungen dieser Art zunehmend Einzug in den Triebwerksbau, auch
wenn sie schwerer sind und einen aufwendigeren Fertigungsprozess erfordern.
Die Anforderungen an eine Triebwerksauskleidung sind nicht banal, was sich schon
daran zeigt, dass eine hohe und gleichmäßige Porosität bei einem gleichzeitig stabilen
Oberflächenverhalten (kein flattern oder beulen) keine einfache Anforderung für die Fer-
tigung solcher Auskleidungen ist. Im alltäglichen Triebwerksbetrieb sollen sowohl die
Materialdehnungen infolge der Temperaturschwankungen der Umgebungsbedingungen
sowie auch Eis, Schnee, Hagel und Wasser möglichst nur wenig Einfluss auf die akustische
Wirksamkeit der Auskleidung haben. Im heißen Bereich des Triebwerks muss außerdem
auch noch auf die Nicht-Brennbarkeit der Materialien Rücksicht genommen werden.
1546 15 Triebwerkslärm
feste Bodenschicht
eng
gewobene
Glasfaser-
matten
doppelt-perforierte
Edelstahl oder Auskleidung aus
Aluminium Aluminium
Abb. 15.49 Aufbau und Zusammensetzung typischer Schallauskleidungen. (Bild mit freundlicher
Genehmigung der Rolls-Royce International, plc)
Eine möglichst effektive Dämpfung des Lärms würde erfordern, dass die akustische
Auskleidung den individuellen Lärmverhältnissen eines Triebwerks möglichst optimal an-
zupassen ist. Da aber die Schallausbreitung in den Strömungskanälen eines Triebwerks sehr
komplex ist, ist dieses ein sehr schwieriges Unterfangen. So wäre es wünschenswert die
Zellenhöhe d unter der porösen Oberschicht zu variieren, umso die Werte bei den Spitzen-
frequenzen gezielter auslöschen zu können. Für hohe Frequenzen (Turbine) sind nicht so
tiefe Absorptionsschichten in der Größenordnung von 10 mm geeignet, während für tiefere
Frequenzen (Kreissägenlärm des Fans) dickere Schalldämmungsmaterialien der Größen-
ordnung von mehreren Zentimetern vorteilhaft sind. Über die Porosität ließe sich die
Bandbreite der dissipativen Dämpfung über einen gezielten Frequenzbereich ausdehnen.
Die Abb. 15.50 zeigt abschließend die Bedeutung der akustischen Auskleidung anhand
eines einfachen Demonstrationsversuches nach Smith (1998). Der obere Kurvenverlauf
zeigt für einen hinter dem Fan liegenden und nicht akustisch ausgekleideten Sekundär-
strömungskanal das Verhalten des Schalldruckpegels über einem Frequenzbereich von
1 000 . . . 11 000 Hz. Wird zusätzlich nur der Sekundärkanal durch eine einfache perforierte
Schicht akustisch ausgekleidet, so senkt sich der Lärmpegel über den gesamten Frequenz-
15.4 Schallreduzierende Maßnahmen 1547
10 dB
ohne akustische Auskleidung
relativer Schalldruckpegel
Abb. 15.50 Ergebnisse aus Lärmmessungen zur generellen Verdeutlichung der Bedeutung von
akustischen Auskleidungen in Turbofantriebwerken. (Bild adaptiert von Smith 1998)
bereich deutlich ab, was durch eine zusätzliche Auskleidung des Strömungskanals der
Turbine noch weiter forciert werden kann. Beide Auskleidungen zusammen senken das
Niveau des Schalldruckpegels um gut 10 dB ab. An realen Triebwerken fällt die Lärmab-
senkung dann noch effektiver aus, was an den zusätzlichen – weiter oben beschriebenen –
Lärmdämm-Maßnahmen liegt.
Da der Fan bei heutigen Triebwerken als wichtigste interne Schallquelle anzusehen ist,
kommt dem Fangeräusch eine vermehrte Aufmerksamkeit zu, insbesondere dann, wenn
das Bypassverhältnis weiter ansteigt. Da eine erhebliche Minderung des Freistrahllärms
nur über eine Verringerung der Strahlgeschwindigkeit erreichbar ist, kann eine weitere
Lärmminderung um 10 dB nur dadurch erzielt werden, indem das Bypassverhältnis von
heute typischerweise 6 auf zukünftig etwa 12 erhöht wird. Wenn also der Strahllärm um 10
dB verringert wird, muss das Fangeräusch auch um einen vergleichbaren Wert gemindert
werden, damit der Anteil des Fanlärm, der jetzt noch vom Strahllärm „übertönt“ wird, nicht
dominant wird. Leise Triebwerke mit einem hohen Bypassverhältnis wird es deswegen
nur geben, wenn es gelingt, das Fangeräusch signifikant zu reduzieren. Hier stellt man
sich vor, dass ein zukünftiger Fan während des Take-Offs an den Blattspitzen nur noch
mit einer Relativmachzahl von ca. eins angeströmt wird. Vieles deutet darauf hin, dass
ein solcher Fan aber nur dann wirtschaftlich zu betreiben sein wird, wenn die den Fan
antreibende Niederdruckturbine schnell läuft (schnelllaufende Niederdruckturbine) und
dabei die Fandrehzahl mittels eines Getriebes (Getriebefan) reduziert wird.
1548 15 Triebwerkslärm
Dre
mit Doppelkreisbogenprofil
hr i
chtu
ng
Eintritt in den
Fanrotor mit Primärkreis
26 Schaufeln des Triebwerks
In zwei verschiedene
Richtungen laufende
Schallfelder
In Abb. 15.24 war eine numerisch ermittelte Interaktion zwischen Rotor und Stator
infolge der Nachläufe der Laufradschaufeln dargestellt worden. Wenn diese Nachläufe auf
die stromab angeordneten Leitradschaufeln „aufprallen“ erzeugen sie den Rotor/Stator-
Wechselwirkungslärm, ein Geräusch, das bei Flugzeugtriebwerken vor allem nach hinten
abgestrahlt wird. Die Abb. 15.51 zeigt das überaus komplizierte Schalldruckfeld, das im
Zwischenraum zwischen Lauf- und Leitrad für die zweifache Blattfolgefrequenz15 . Das
Druckfeld breitet sich von den Statoren ausgehend stromauf aus. In den Schaufelpassa-
gen des Rotors ist die Vorwärtsausbreitung dagegen nur schwach, da hier die Strömung
selbst im schallnahen Bereich ist. Deutlich sind zwei in verschiedene Richtungen laufende
Schallfelder zu erkennen.
Die Schallreduzierung durch Gegenschall, was man auch als aktive Lärmminderung
bezeichnet, ist eigentlich nicht neu, aber die Übertragung auf ein Flugzeugtriebwerk
mit seinen hoch komplexen Schallfeldern ist besonders anspruchsvoll. Ein sich aus der
Überlagerung von Schall und Gegenschall ergebende Schallfeld wird mit einem Satz Mi-
krofonen (sog. Fehlermikrofone) vermessen, Abb. 15.52 oben rechts. Ein Regler berechnet
dann in Echtzeit, die erforderlichen Lautsprechersignale, die den Gegenschall erzeugen.
Die so entstehende zeitversetzte Überlagerung zweier gleichstarker Schwingungen iden-
tischer Amplitude löscht als Summenton den ursprünglichen Schall mehr oder weniger
gut aus. Je komplizierter das auszulöschende Primärschallfeld ist, umso mehr Fehlermi-
15
Blattfolgefrequenz oder Schaufelfrequenz (BPF = Blade Passage Frequency). Die Blattfolgefre-
quenz ermittelt sich aus Rotordrehzahl in [s−1 ] mal Schaufelanzahl.
15.4 Schallreduzierende Maßnahmen 1549
Mikro- Laut-
fone sprecher
Gegen- Schall
ln
schall ufe
ha
it sc
Le
Primärton
(Schall) Amplitude
Summenton Fanrotor
Amplitude
Sekundärton
(Gegenschall)
ung
s t röm
Zu
Prinzipdarstellung einer sog. aktiven
Geräuschminderung mittels Druck- Drucklufteinblasung
lufteinblasung an einer Fanstufe
Abb. 15.52 Prinzipskizzen zu einer möglichen Lösung zur aktiven Lärmminderung durch
Gegenschall. (Quelle: Bildteile aus DLR-Nachrichten, Heft 119 (Mai 2008), Seite 19)
krofone und Lautsprecher werden benötigt und umso höher werden die Ansprüche an die
Leistungsfähigkeiten des Reglers.
Die Generierung des Gegenschallfeldes muss aber nicht zwangsläufig über Lautspre-
cher geschehen, sondern kann auch durch das Einblasen von Druckluft über Düsen am
Gehäuseumfang erfolgen, Abb. 15.52 unten rechts, Bake et al. (2008). Die Struktur des so
erzeugten Gegenschallfeldes ist abhängig von der Anzahl der verwendeten Düsen. Es hat
sich gezeigt, dass ebenso viele Düsen wie Statorschaufeln dazu vorhanden sein müssen. Die
Anpassung der Amplitude und der zeitlichen Abfolge des Gegenschallfeldes wird über die
Einblasemenge und die Winkelposition der Düsen auf dem Gehäuseumfang realisiert. Die
hierzu erforderlichen Düsen sind klein und leicht, die benötigte Druckluftmenge (0.9 %
des Hauptmassenstroms), die der Verdichter liefern muss, ist gering, sodass solchermaßen
„leiser gemachte“ Triebwerke nicht zwingend schwerer ausfallen müssen. Die Schallmin-
derung ist demgegenüber aber erheblich. An einem Versuchsventilator wurde gezeigt, dass
die Blattfolgefrequenz bei 900 Hz um 20 dB reduziert werden konnte, wobei sich aber der
1550 15 Triebwerkslärm
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Triebwerkssysteme
16
Triebwerkssysteme sind – insbesondere bei den Details – bei jedem Triebwerk unter-
schiedlich, sodass es praktisch unmöglich ist, eine universelle und übergreifend gültige
Darstellung zum Thema Triebwerkssysteme zu realisieren. Die hier vorliegende Beschrei-
bung der Triebwerkssysteme und die zugehörigen Bildcollagen sind im Wesentlichen eine
„bunte Mischung“ aus den Systemen der sehr viel zum Einsatz kommenden Triebwer-
ke IAE V2500 und CFM56 und der Rolls-Royce RB211-Trent Serie, die alle zusammen
insbesondere in der Airbusflotte zum Einsatz kommen.
Unter den Hilfseinrichtungen eines Triebwerks sollen solche verstanden werden, die im
mittelbaren und unmittelbaren Zusammenhang mit dem Abblasen von Verdichterluft
(Bleed Air) stehen (Air-Bleed-Driven Accessories). Unter Hilfsgeräten (Mechanically-
Driven Accessories) sollen solche verstanden werden, die mechanisch über Winkelgetriebe
und über Zahnräder und Wellen des Hilfsgeräteträgers (Gear Box) mit der Hochdruckwel-
le verbunden sind und von dieser angetrieben werden. Den letztgenannten mechanischen
Aufbau zeigt insbesondere die Abb. 16.5.
16.1.1 Zapfluft
Bedingt durch den generellen technischen Aufbau von Flugzeugtriebwerken steht in diesen
während des Betriebes immer vergleichsweise leicht zugängliche Druckluft zur Verfügung.
Einerseits kann kontrolliertes Abblasen von Druckluft den Verdichter in seinem stabilen
vorn vorn
VBV
Gear Motor
Variable
Bleed
Valve (VBV)
Abb. 16.1 Anordnung und Ansteuerung der variablen Abblaseventile hinter dem Niederdruckver-
dichter. Mit freundlicher Unterstützung der MTU Maintenance Hannover
Betrieb unterstützen, Kap. 10.5.5.2, und andererseits kann aus dem Verdichter abgezapf-
te Druckluft zum Antrieb von Druckluftmotoren und/oder Druckluftturbinen verwendet
werden. Die letztgenannte Art der Druckluft wird z. B. auch für Enteisung der Flügelvor-
derkanten des Flugzeuges und für die Enteisung diverser Triebwerksbauteile verwendet,
ebenso wie für die Druckbeaufschlagung und die Klimatisierung der Flugzeugkabine.
Darüber hinaus aber auch für den Antrieb von Hydraulikpumpen, von Stellzylindern
(Actuators) zur Betätigung des Schubumkehrers (Reverser) und von diversen weiteren
Stellmechanismen am und im Flugzeug selbst. Des Weiteren dient die Druckluft auch
zum Starten der Triebwerke. Häufig wird aus traditionellen Gründen das erste Triebwerk
(Nummer 1, außen backbord, d. h. links) über Druckluft vom Hilfstriebwerk (Auxiliary
Power Unit, APU) oder von einem mobilen Bodenaggregat aus gestartet. Beim Airbus
A320 wird die Nr. 2 (steuerbord: rechts) zuerst gestartet, weil dieses Triebwerk das gelbe
Hydrauliksystem mit Energie versorgt, und damit auch den Druckspeicher für die Park-
bremse. Würde Triebwerk Nr. 1 zuerst starten und der Druckspeicher hätte sich entleert,
würde sich das Flugzeug u. U. selbstständig in Bewegung setzen können. Da ein Hilfstrieb-
werk mit diesem Vorgang außerordentlich stark belastet ist, wird der Start der weiteren
Triebwerke vorzugsweise mit Druckluft durchgeführt, die von einem der bereits laufenden
Haupttriebwerke stammt. Über Rohrleitungen wird dazu vom Verdichter des laufenden
Triebwerks abgezapfte Druckluft zu dem zu startenden Triebwerk geleitet.
Im Allgemeinen kann zwischen drei Arten von Abblaseluft unterschieden werden. Das
sind Niederdruck- und Hochdruck-Abblaseluft zum Antrieb von Hilfsgeräten am Trieb-
werk und am Flugzeug und das ist reine Abblaseluft, die über Bord geht, und so zur
Stabilität des Verdichters beiträgt.
Die Abb. 16.1 zeigt die verstellbaren Abblaseventile (Variable Bleed Valves, VBV ), die
hinter dem Niederdruckverdichter angeordnet sind. Auf der linken und rechten Seite des
Triebwerks befindet sich jeweils ein ölhydraulisch betriebener Stellmotor (VBV Gear Mo-
tor), der die auf dem Umfang angeordneten und im Durchfluss regelbaren 12 Ventile
über flexible Wellen antreibt. Die Regelung der Ventile ist unmittelbar mit der EEC/ECU
16.1 Hilfseinrichtungen und Hilfsgeräte 1555
vorn
Abb. 16.2 Genereller Leitungs- und Ventilaufbau des Austritts der Verdichterluft, die zu Zwecken
der Enteisung, Klimatisierung und Druckregelung der Kabine zum Flugzeug geleitet wird Mir
freundlicher Unterstützung der MTU Maintenance Hannover
(Electronic Engine Control/Engine Control Unit, vgl. Kap. 16.2.3.2) gekoppelt und ba-
siert primär auf den Drehzahlen der Niederdruck- und/oder der Hochdruckwelle. Welche
Drehzahl hier im Wesentlichen zum Tragen kommt, hängt von der Auslegungsphilosophie
des jeweiligen Triebwerkherstellers ab. Bei Pratt & Whitney-Triebwerken ist dies primär
die N1-Welle und bei CFM-International-Triebwerken primär die N2-Welle. Wenn die
verstellbaren Abblaseventile geöffnet sind, wird über sie auch evtl. angesaugter Schmutz
über die Laufräder des Niederdruckverdichters aus dem zentralen Triebwerk hinaus in den
Fan-Kanal oder den C-Duct „zentrifugiert“ (C-Ducts sind Klappdeckel-Durchgänge zum
Pylon. Sie befinden sich gewöhnlich auf der oberen und unteren Seite des Triebwerks.),
sodass der Triebwerkskern hiermit nicht mehr belastet ist. Dieses kann in soweit wichtig
sein, da im Triebwerkskern Luft zum Kühlen der Turbinenschaufeln entnommen wird,
und evtl. mit feinem Schmutz kontaminierte Luft die feinen Kühlluftbohrungen in den
Turbinenschaufeln verstopfen könnte.
Für die Klimatisierung und Druckregelung der Flugzeugkabine wird Verdichterluft
vom Hochdruckverdichter entnommen. Die Abzapfung erfolgt je nach Triebwerksdreh-
zahl von einer vorderen (z. B. der 5.) oder einer hinteren Verdichterstufe (z. B. der 9.),
Abb. 16.2. Bei unteren Triebwerksdrehzahlen erfolgt die Luftentnahme von der hinteren
und bei hohen Drehzahlen von der vorderen Stufe. So wird immer ein angemessenes Ver-
sorgungsdruckniveau erreicht. Wird die Luft aus der hinteren Stufe entnommen, schließt
der höhere Druck das Absperrventil (Check Valve) vor der vorderen Stufe, sodass keine
Luft durch die Rohrleitungen von hinten nach vorne in den Verdichter strömen kann. Das
Check Valve besteht aus zwei Klappen (Butterflies), die unter Schwerkraft offen nach un-
ten hängen. Bei genügend hohem Druck auf der Zuströmseite schließen die Klappen und
sperren so den Durchfluss. Das in Abb. 16.2 zu sehende Regelventil (Regulating Valve) in
der Abblaseluftleitung stellt den Zapfluftdruck auf ca. 45 psi (3 bar) ein. Nach dem Regel-
ventil folgt gewöhnlich noch ein Überdruckventil (Over-Pressure Valve), das in Abb. 16.2
aber nicht zu sehen ist. Dieses hat die Aufgabe die nachfolgende Anlage vor möglichem
Überdruck vom Treibwerk zu schützen. Die Zapfluft hat auf Höhe des Regelventils eine
Temperatur von ca. 500 ◦ C. Mittels eines Vorkühlers (Pre-Cooler), der wegen seiner Grö-
1556 16 Triebwerkssysteme
zum Klima-
Pack- 232 °C 254 °C
Starter Vorkühler- Ventil Thermostat
regelventil Übertem-
Vorkühler peratur-
sensor
Druck- Zum Zum
linken rechten
regel- Klima-Pack Klima-Pack
und Ab- 5-te 5-te
schalt- Rück-
schlag- Überdruck-
ventil ventil
9-te ventil 9-te
Ventil an der hinte-
renV erdichterstufe Ventil für
die APU- motorbetätigtes
Luft von Luft Ventil
der APU magnetschalter
betätigtes Ventil
Abb. 16.3 Das Druckluftsystem am Beispiel des Flugzeugs B737-400 mit CFM56-Triebwerken
ße gewöhnlich über dem Triebwerk im Pylon angeordnet ist, wird diese Luft auf 180 ◦ C
bzw. auf 232 ◦ C (bei eingeschaltetem Anti-Icing) herabgekühlt, Abb. 16.3. Die Kühlluft
wird vom Fankreislauf über ein dort angeordnetes und pneumatisch gesteuertes Vorküh-
lerregelventil (Fan Air Valve) abgezapft. Das Fan Air Valve hat dabei die Aufgabe, durch
Regulierung des Fan-Zapfluftmassenstroms die gewünschte Temperatur der Luft, die zur
Kabinendruckregelung und -klimatisierung geht, zu regeln. Die vom Fan abgezapfte Luft
geht anschließend über Bord. Die Zapfluft hinter dem Vorkühler wird dann zur weiteren
Aufbereitung in das entsprechende Klimapack des Flugzeuges geleitet. Das in Abb. 16.3
zu erkennende Umschaltventil (X-Feed-, Cross-Feed- or Isolation Valve) trennt das linke
Druckluftsystem vom rechten. So kann im Notfall auch das rechte Klimapack vom linken
Triebwerk versorgt werden und umgekehrt. Im APU-Betrieb öffnet das X-Feed Valve, um
so beide Klimapacks gleichzeitig versorgen zu können.
Die Abb. 16.4 zeigt die Abblaseventile, die auf dem Umfang verteilt über verschie-
denen Stufen des Hochdruckverdichters angeordnet sind. Sie werden für einen stabilen
Verdichterbetrieb benötigt. Ihre Bedeutung wurde ausführlich in Kap. 10.5 abgehandelt.
Ergänzendes wird dann noch das Kap. 16.8 hinzufügen.
Im Endbereich des Hochdruckverdichters wird schließlich die Luft abgezapft, die für
die interne Turbinenkühlung und für einen Axialkraftausgleich der Triebwerkslagerung
benötigt wird. Ganz am Ende des Verdichters wird zu guter Letzt „Hochleistungs-
druckluft“ (Muscle Air) abgenommen, mit der insbesondere weitere Triebwerkssysteme
beaufschlagt werden können. Die Temperatur am Ende eines Verdichters kann durchaus
500 . . . 600 ◦ C heiß sein. Trotzdem wird diese Luft als „Kühlluft“ für die Turbine verwen-
16.1 Hilfseinrichtungen und Hilfsgeräte 1557
Abblaseluft aus
den Ventilen hin-
ter dem Nieder-
druckverdichter
det, da die genannte Temperatur im Vergleich zur Gastemperatur in der Turbine, 1 500 ◦ C,
deutlich „kühler“ ist.
Bei älteren Triebwerksmustern arbeitete das Luftabblasesystem (Bleed System) au-
tomatisch mittels federkraftbeaufschlagter Ventile, die entweder in Abhängigkeit des
Verdichterdrucks schalteten oder aber manuell vom Cockpit aus betätigt werden konn-
ten. Letzteres kam insbesondere dann zur Anwendung, wenn Druckluft zum Schutz vor
Eisansatz (Anti-Icing Protection) benötigt wurde. An modernen Triebwerken kann die
Druckluft zwar auch weiterhin manuell geschaltet werden, aber im Wesentlichen über-
nimmt diese Aufgabe heute eine Elektronik, die sowohl regelt als auch überwacht. Dies
geschieht im Vergleich zu den älteren mechanischen Regeleinrichtungen schneller und vor
allem effizienter.
Man kann davon ausgehen, dass die Zapfluft ṁZ , die für alle möglichen Zwecke aus dem
Primärkreis entnommen wird, etwa 3 . . . 4 % der Luft des Primärkreises ṁI entspricht:
α = ṁZ /ṁI = 0.03 . . . 0.04. Diese Zapfluft wird zwar vom Verdichter bereitgestellt,
die Antriebsleistung dafür stammt aber von der Turbine. Zapfluft beeinflusst von daher
sowohl die Gesamttriebwerksleistung als auch den Brennstoffverbrauch des Triebwerks,
jeweils im nachteiligen Sinne.
16.1.2 Hilfsgeräteträger
Radialwelle
Radial Drive-Shaft
Zwischengetriebe Transfer Gear Box
Hilfsgeräteträger
Accessory Gear Box
Abb. 16.5 Anordnung des Hilfsgeräteträgers bei einem zivilen 2-Wellen-Turbofan. Bildteile mit
freundlicher Genehmigung der Lufthansa Technik AG und der MTU Maintenance Hannover
ordnung für ein zweiwelliges Turbofantriebwerk, bei dem der Hilfsgeräteträger über eine
Radialwelle und Winkelgetriebe mit der Hochdruckwelle verbunden ist. Der Energiefluss
über die Radialwelle erfolgt in zwei Richtungen. Beim Triebwerksstart treibt der Startermo-
tor, der auf dem Hilfsgeräteträger angeflanscht ist, die Hochdruckwelle (N2-Welle) über
die Radialwelle an. Wenn das Triebwerk aber läuft, dann wird über die Radialwelle Lei-
stung von der N2-Welle an den Hilfsgeräteträger abgegeben, und so die darauf befindlichen
Hilfsgeräte angetrieben. Welche Hilfsgeräte das sein können, ist in Abb. 16.6 dargestellt.
Auf die diversen Aggregate, ihre Funktionsweise und Aufgaben wird später noch etwas
detaillierter eingegangen werden. Über die Radialwelle wird i. Allg. die Leistung aus dem
Triebwerk heraus (Power Output) für die folgenden Hilfsgeräte bereitgestellt:
Hilfsgeräteträger
Ansicht von hinten
Befestigungsösen
Ölfilter
Anschlüsse für
Brennstoffpumpe
Ölrücklaufpumpe
Hilfsgeräteträger
Ansicht von vorn
Zwischen-
getriebe Anschluss für den
Ölabscheider Generator mit Konstant-
drehzahl (IDG)
Anschluss für den
Startermotor
zugehörig zum Wechsel- Öltank
stromgenerator (PMA)
Anschluss für die
Hydraulikpumpe Ölförderpumpe
Abb. 16.6 Anordnung der einzelnen Hilfsgeräte auf der vorderen und hinteren Seite des Hilfsgerä-
teträgers eines zivilen zweiwelligen Turbofantriebwerks. Mit freundlicher Genehmigung der IAE –
International Aero Engines
Über die Radialwelle wird vom Hilfsgerätträger aus aber auch Leistung in das Triebwerk
hinein geführt (Power Input), und zwar für:
Rotor Untersetzungs-
Stator getriebe rotierendes Antriebs-
Ringrohr welle
Druck- Antriebs-
luftein- welle
tritt
Luftaustritt
Luftaustritt Getriebestrang
Rotor
Stator
Druckluft- Antriebs-
eintritt welle
Kupplung
Luftaustritt
Sperr-
klinken
Ausrückmechanismus Druckluft-
(Ansicht, vom Getriebe eintritt
aus gesehen)
Turbine mit
Aktionsbe-
Ratschenzähne Blattfedern schaufelung
Abb. 16.7 Aufbau und Funktionsweise eines Startermotors für zivile Turbofantriebwerke. Teilbil-
der mit freundlicher Genehmigung der Firmen IAE und Rolls-Royce plc
• Beschleunigung des Kompressors auf eine solche Drehzahl, dass dieser das Ansaugen
eines ausreichenden Luftmassenstroms initialisiert, der seinerseits soweit verdichtet
werden kann, dass damit ein Verbrennungsvorgang in der Brennkammer eingeleitet
werden kann.
• Nach dem Einbringen des Brennstoffs in die Brennkammer und nach dem Zünden
des Brennstoff/Luft-Gemischs muss der Startermotor das Hochfahren des Triebwerks
solange unterstützen, bis dieses eine Drehzahl erreicht hat, die so genannte Selbsterhal-
tungsdrehzahl (Self-Sustaining Speed), auf deren Basis das Triebwerk dann selbstständig
bis zur Leerlaufdrehzahl beschleunigen kann.
16.1 Hilfseinrichtungen und Hilfsgeräte 1561
. Bodenstartaggregat
Druckluft, entweder von: Hilfsgeräteträger
vorn
. Hilfstriebwerk (APU)
. einem bereits laufen-
den Haupttriebwerk
Trag Luftaustritt
flüg
el
Pylon
Startermotor
Zwischengetriebe
rn
vo
Starter-
luftregel-
ventil
Hilfsgeräte-
träger Druckluft-
Startermotor
Luftaustritt starter
Abb. 16.8 Mögliche Position des Startermotors am Hilfsgeräteträger und ein prinzipieller Aufbau
der Druckluftzufuhr. Teilbilder mit freundlicher Unterstützung der MTU Maintenance Hannover
Der prinzipielle Aufbau eines Startermotors ist in Abb. 16.7 dargestellt. Das Drehmoment,
das der Starter bereitstellt, muss so groß sein, dass er das Massenträg-heitsmoment des
N2-Rotors überwinden kann, ebenso wie alle Reibungskräfte (Losreißmoment) und aero-
dynamischen Lasten, die am Rotor und seiner Beschaufelung wirken. In den Kap. 8.2.5.1
und 8.2.5.2 wurde beim Vergleich zwischen einer Aktions- und Reaktionsturbinenbe-
schaufelung gezeigt, dass eine Aktionsbeschaufelung bereits bei kleinen Drehzahlen relativ
große spezifische Arbeiten abgibt, also insbesondere gut dazu geeignet ist, große Anfahr-
momente schnell zu überwinden. Diese Eigenschaft führt dazu, dass in Startermotoren, so
wie ihn Abb. 16.7 darstellt, vorzugweise Antriebsturbinen mit Aktionsbeschaufelung zu
finden sind.
Die Abb. 16.8 ergänzt die Darstellung von Abb. 16.7. Die Druckluft zum Antrieb der
Starterturbine kommt bei einem normalen Triebwerksstart für das allererste zu startende
Triebwerk von dem im Heckkonus des Flugzeuges positionierten Hilfstriebwerk (APU,
Auxiliary Power Unit). Das Hilfstriebwerk selbst wird – ähnlich wie bei einem Auto – mit-
tels eines elektrischen Starters, der von Batterien gespeist wird, gestartet und liefert so die
zum Triebwerksstart erforderliche Druckluft. Läuft das erste Haupttriebwerk, so werden
die weiteren Triebwerke mit Druckluft aus diesem Haupttriebwerk gestartet. Alternativ
ist es auch möglich, mit einem mobilen Bodenaggregat (Kompressor) an das Flugzeug
1562 16 Triebwerkssysteme
heranzufahren und die Druckluft zum Starten des ersten Triebwerks von diesem mobilen
Gerät zu beziehen.
Beim Airbus A320 wird das Triebwerk Nummer 2 (Steuerbord – rechts) zuerst gestartet,
weil dieses Triebwerk das gelbe Hydrauliksystem des Flugzeuges mit Energie versorgt, und
damit auch den Druckspeicher für die Parkbremse. Würde Triebwerk Nr. 1 zuerst starten
und der Druckspeicher hätte sich entleert, würde sich das Flugzeug u. U. selbstständig in
Bewegung setzen können. Bei einem Triebwerksstart während des Pushback des Flugzeuges
wäre es von daher prinzipiell egal, welches Triebwerk zuerst gestartet werden würde.
Die Airlines geben aber ihren Piloten die durchzuführenden Verfahren eindeutig vor.
So kann es sein, dass an ungeraden Tagen Triebwerk 1 zuerst gestartet und an geraden
Tagen das Triebwerk 2, damit die Triebwerkslaufzeiten in etwa gleich bleiben. Bei großen
vierstrahligen Flugzeugen werden auch manchmal nur die innen liegenden Triebwerke
(Nr. 2 und 3) gestartet, um Treibstoff während des Taxiing zu sparen oder weil der Taxiway
zur Startbahn so schmal ist, dass die außen liegenden Triebwerke über unbefestigtem Boden
hängen und deswegen Schmutz ansaugen könnten. Die äußeren Triebwerke werden dann
erst kurz vor dem eigentlichen Runway gestartet. Jedes Flugzeug hat somit seine ganz
eigenen Verfahren und Gründe, warum und welches Triebwerk zuerst zu starten ist.
Beim Triebwerksstart wird die Druckluft mittels Rohrleitungen zum Starter geführt,
erreicht dort zuerst die Starterturbine und lässt deren Rotor sich drehen. Danach verlässt
die nicht weiter verwendbare Luft den Startermotor seitlich und wird so über Bord in
die Gondel (C-Duct) und dann an die Umgebung abgegeben. Das an die Turbine an-
geschlossene Untersetzungsgetriebe (Reduction Gear) reduziert die hohe Drehzahl der
Starterturbine auf einen der Triebwerkswelle angemessenen Wert und erhöht zusätzlich
das Drehmoment. Dabei greifen die in Abb. 16.7 dargestellten Sperrklinken in die Rat-
schenzähne der Kupplung ein und nehmen so die Antriebswelle des Startermotors mit.
Blattfedern drücken die Sperrklingen (Pawls) gegen das Ratschenrad (Ratchet). Wenn nun
die Druckluft abgestellt wird, indem das Starterdruckluftregelventil (Starter Air Control
Valve) geschlossen wird (ungefähr bei 40 % der N2-Drehzahl), dreht nur noch das äußere
„rotierende Ringrohr“ (Rotating Annulus) weiter, da es mit der N2-Welle gekoppelt ist,
während das innere Ratschenrad (Ratchet) stehen bleibt. Die Sperrklinken gleiten jetzt
über die Ratschenzähne (Ratchet Teeth). Ab einer gewissen Drehzahl werden die Zentri-
fugalkräfte an den Sperrklinken so groß, dass sie die seitlichen Blattfedern (Leaf Springs)
soweit zusammendrücken, dass kein unmittelbarer Kontakt mehr zwischen Sperrklinken
und Ratschenrad besteht. Von diesem Augenblick an ist der Startermotor dann vollständig
vom Getriebe im Hilfsgeräteträger abgekuppelt worden (Disengaged).
Das Starterdruckluftregelventil (Starter Air Control Valve) wird durch ein System aus
druckluftbeaufschlagten Federn betätigt, die ihrerseits durch elektrisch betriebene Magnet-
schalter geöffnet oder geschlossen werden. Ein Mikroschalter gibt die jeweilige Position
des Ventils an die elektronische Triebwerkssteuerung weiter. Das Starterdruckluftre-
gelventil öffnet und steuert den Luftstrom zum Startermotor und kann außerdem die
Druckluftzufuhr vollkommen abstellen (Shut-Off Valve). Bei dem Ventil handelt es sich
um Klappendrosselventil (Butterfly Valve), so wie es oben links in Abb. 16.8 prinzipi-
16.1 Hilfseinrichtungen und Hilfsgeräte 1563
60 90
(Air-Starter Off)
Pressure Regulating Shut-Off Valve)
Brennstoffzufuhr an (Fuel on, Fuel PRSOV opens,
Selbsterhaltungsdrehzahl
(Self-Sustaining Speed)
Leerlauf
Starter aus
(Idle)
50 80
Drehzahl der N2-Welle in %
Abgastemperatur EGT in %
Flamme an (Light-Up)
Zündung an (Ignition On)
Erreichen der Leerlauf EGT
40 Leerlauf EGT 70
(ignition off)
Zündung aus
Abgastemperatur-
spitze während der
30 Startprozedur 60
(Peak Starting EGT)
10 40
Der markante Temperaturanstieg
signalisiert das Entzünden der Flamme
Start 30
der Zünd- 5 10 15 20 25 30 35
prozedur Zeit in Sekunden
ell dargestellt ist. In Abhängigkeit des Druckes vor der Ventilklappe wird diese durch
einen Federmechanismus mehr oder weniger geöffnet. Sollte es zu einem Ausfall der
Druckluftversorgung kommen, so schließt das Ventil sofort.
Der Startermotor ist nur mit einer geringen Menge an Öl versorgt, die sich folglich wäh-
rend einer Startprozedur sehr schnell erwärmt und so die zulässige Betriebszeit des Starters
temperaturmäßig stark einschränkt. Normalerweise sind drei aufeinander folgende Start-
prozeduren zulässig, zwischen denen jeweils zwei Minuten Pause eingehalten werden
müssen. Nach diesen drei Prozeduren ist ein weiterer Start erst nach einer Abkühlzeit
des Starters von mindestens dreißig Minuten zulässig.
Die Abb. 16.9 zeigt eine typische Startsequenz für ein zweiwelliges Turbofantriebwerk.
Die dazu notwendigen Schalter zeigt ergänzend die Abb. 16.10. Bevor der Triebwerksstart
eingeleitet wird, steht der Schubhebel in der Position Leerlauf (Idle), die Hauptschalter
(Master Switch) des jeweiligen Triebwerks (Abb. 16.10 unten rechts) in der Position OFF,
der Schalter für die Betriebsart (Mode Selector) in der Position NORM und der Schalter
für den manuellen Start (Abb. 16.10 oben rechts ENG MAN START) in der Position OFF
(bzw. nicht ON).
Für eine automatische Startprozedur wird der Betriebsartschalter (Mode Selector) in die
Stellung IGN/START gebracht und der Hauptschalter (Master Switch) des zu startenden
Triebwerks in die Position ON. Zur Komplettierung des Starts wird abschließend der
Betriebsartschalter (Mode Selector) zurück zu NORM gedreht.
Für eine manuelle Startprozedur wird der Betriebsartschalter (Mode Selector) ebenfalls
zuerst in die Stellung IGN/START gebracht und dann der Schalter für den manuellen
Start (Abb. 16.10 oben rechts ENG MAN START) in der Position ON. Wenn danach
die N2-Drehzahl 15 % (Max. Motoring Speed) erreicht, wird der Hauptschalter (Master
1564 16 Triebwerkssysteme
Abb. 16.10 Schalter im Cockpit für den Triebwerksstart. (Fotos ©Autor - A320 Simulator der HAW
Hamburg)
Switch) in die Position ON gebracht. Zur Komplettierung des Starts wird abschließend
der Betriebsartschalter (Mode Selector) zurück zu NORM gedreht und der Schalter für den
manuellen Start (ENG MAN START) in der Position OFF (bzw. nicht ON).
Egal, ob der Start automatisch oder manuell durchgeführt wird, er kann immer durch
das Schalten des Hauptschalters (Master Switch) in die Position OFF abgebrochen werden.
Bei der automatischen Startprozedur wird die Zündung (Ignition) bei etwa 18 % der N2-
Drehzahl aktiviert. Das Brennstoffdruck-Aufrechterhaltungs- und -Abstellventil (PRSOV,
Pressure Raising Shut-Off Valve) öffnet etwa bei 10 % N2-Drehzahl, Abb. 16.9. Nach dem
Zuschalten der Zündung hat der Startermotor den Hochdruckverdichter soweit beschleu-
nigt, dass sich eine ausreichende Durchströmung des Triebwerks aufgebaut hat, d. h., es
muss sich in der Brennkammer ein Brennstoff/Luft-Gemisch aufgebaut haben, dass zünd-
fähig ist. Der dann vorliegende Brennstoffzufluss ist aber erst dann ausreichend groß, wenn
das Triebwerk selbst in der Lage ist, weiter bis zur Leerlaufdrehzahl (Idle) zu beschleunigen.
Die Drehzahl, ab der das gewährleistet ist, nennt man Selbsterhaltungsdrehzahl (Self-
Sustaining Speed). Kurz nach Erreichen dieser Drehzahl werden die Zündung (Ignition
Off ) und der Starter (Starter Cut-Out) abgeschaltet. Dieses geschieht i. Allg. etwas ober-
halb von 40 % der N2-Drehzahl. Je näher die Drehzahl, bei der der Starter abgeschaltet
wird, bei der Leerlaufdrehzahl (Idle) liegt, umso kürzer dauert auch die gesamte Startpro-
zedur, da ja bis hierhin Starter und Triebwerk gemeinsam das erforderliche Drehmoment
zum Beschleunigen der N2-Welle aufbringen können.
Würde der Starter vor Erreichen der Selbsterhaltungsdrehzahl abgeschaltet werden,
könnte das Triebwerk nicht selbstständig weiter beschleunigen und es würde zu einem
16.1 Hilfseinrichtungen und Hilfsgeräte 1565
Startabbruch kommen, der entweder in einem so genannten Heißstart (Hot Start), einem
Fehlstart (Hung Start) oder einer Kombination aus beiden endet. Bei einem Heißstart (Hot
Start) geht die Flamme in der Brennkammer zwar an (Light-Up), aber die für einen Start
maximal zulässige Temperatur wird überschritten, was i. Allg. eine Folge eines zu geringen
Luftanteils in der Brennkammer ist. Ursächlich dafür können sein:
• Zu fettes Gemisch, d. h., es ist zu viel Brennstoff im Vergleich zum benötigten Luftanteil
in der Brennkammer, was z. B. vorkommen kann, wenn von einem vorhergehenden
Startversuch noch zu viel Brennstoffreste in der Brennkammer vorhanden sind.
• Die N2-Drehzahl ist zu gering, um den erforderlichen Luftmassenstrom zu gewähr-
leisten, was auf einen zu geringen Luftdruck vor dem Starter zurückgeführt werden
kann, weil z. B. das Druckluftventil vor dem Starter nicht weit genug geöffnet hat, sich
Fremdkörper im Triebwerkseintritt/Verdichter befinden und/oder die verstellbaren
Leitschaufeln des Verdichters nicht korrekt verfahren werden.
Bei einem hängenden Start oder Fehlstart (Hung Start) erfolgt der Flammenaufbau (Light-
Up) zwar normal, aber die tatsächliche Triebwerksdrehzahl bleibt unter dem Wert, der
eigentlich im Leerlauf (Idle) erreicht werden sollte. Ursächlich dafür können sein:
• Zu geringer Luftdruck vor dem Starter, sodass Starter und N2-Welle gemeinsam die
Selbsterhaltungsdrehzahl nicht erreichen können.
• Fremdkörper im Triebwerkseintritt/Verdichter, beschädigte Verdichterschaufeln oder
nicht korrekt verstellte Leitschaufeln, sodass eine ungleichmäßige und/oder zu geringe
Luftströmung die Brennkammer erreicht.
• Eine beschädigte Turbine, sodass das erforderliche Drehmoment nicht mehr erreicht
werden kann.
• Zu geringer Brennstoffmassenstrom.
Bei FADEC geregelten Triebwerken wird bei einem Heißstart das Brennstoffventil auto-
matisch geschlossen, bevor überhaupt der zulässige Temperaturwert überschritten werden
kann. Beim hängenden Start versucht der Computer in vielen Fällen, die mangelnde
Beschleunigungsfähigkeit der N2-Welle durch ein Mehr an Brennstoff auszugleichen.
Bei der manuellen Startprozedur öffnet das Druckluftventil vor dem Starter, sobald
der Schalter für den manuellen Start (ENG MAN START) in der Position ON ist. Das
Brennstoff-Druckaufrechterhaltungs- und -Abstellventil (PRSOV, Pressure Raising Shut-
Off Valve) öffnet und die Zündung wird eingeschaltet, wenn der Hauptschalter (Master
Switch) in die Position ON gebracht wurde. Kurz nach Erreichen von etwas mehr als
40 % der N2-Drehzahl werden die Zündung (Ignition Off ) und der Starter (Starter Cut-
Out) automatisch abgeschaltet. Zur Komplettierung dieses Startablaufs ist abschließend
der Schalter für den manuellen Start (ENG MAN START) in die Position OFF (bzw. nicht
ON) zu bringen.
1566 16 Triebwerkssysteme
Der Betriebsartschalter (Mode Selector) in Abb. 16.10 zeigt eine weitere, bisher noch
nicht behandelte Position: CRANK. Diese Einstellung kommt zum Tragen, wenn das
Triebwerk einen so genannten Nass-Start (Wet Start) hatte. Hierbei handelt es sich, wie
beim Hot- und Hung-Start auch, um einen Fall des nicht erfolgreichen Anlassens eines
Triebwerks. Beim Wet-Start kommt es nicht zum Zünden des Gemisches in der Brennkam-
mer. Es entsteht also keine Flamme. Ursächlich dafür ist i. Allg. ein defektes Zündsystem.
Ein Triebwerk verfügt nun aber über zwei Zündsysteme (Zündkerzen), von denen beim
normalen Start am Boden nur eines benutzt wird. Kommt es also zu einem fehlerhaften
Starten, da das Zündsystem nicht funktionsfähig war, so kann das Triebwerk dennoch mit
dem verbleibenden zweiten Zündsystem gestartet werden. Bevor nun ein solcher zweiter
Startversuch unternommen wird, ist es wichtig, dass der in der Brennkammer vom vorher-
gehenden Wet-Start noch in flüssiger Form verbliebene Brennstoff beseitigt wird. Dieses
„Trocknen“ (Dry Cranking) der Brennkammer erfolgt, indem der Betriebsartschalter in
die Position CRANK und anschließend der Schalter für den manuellen Start (ENG MAN
START) in der Position ON gebracht wird. Anschließend fährt der Startermotor das Trieb-
werk bis zur maximalen Startermotordrehzahl „trocken“ hoch, d. h. ohne Einspritzen von
Brennstoff. Dieses nimmt einen Zeitraum von etwa zwei Minuten in Anspruch. In dieser
Phase wird das Triebwerk mittels der durchströmenden Luft praktisch „trocken geblasen“.
Danach kann ein neuer normaler Triebwerksstart unter Beachtung der weiter oben be-
reits genannten Randbedingungen hinsichtlich der Startermotorbetriebsdauer begonnen
werden. Würde der Trocknungsvorgang nicht gemacht werden, wäre ein Hot-Start von
größter Wahrscheinlichkeit.
Bei FADEC geregelten Triebwerken reagiert das System automatisch auf einen Wet-
Start, indem das Brennstoffventil geschlossen wird und der Startermotor weiterhin
die N2-Welle antreibt und so das Triebwerk „trocken bläst“. Nach der erforderlichen
Trocknungsdauer aktiviert dann der FADEC-Rechner beide Zündsysteme, gibt den
Brennstoffzufluss wieder frei und versucht einen erneuten Start.
Ältere Triebwerke, von denen heute noch eine ganze Reihe fliegen, sind mit rein hydro-
mechanischen Triebwerksregelungen ausgestattet. Da sie nicht mehr ganz dem Stand der
aktuellen Technik entsprechen, sollen sie hier – insbesondere um den Kapitelumfang in
Grenzen zu halten – nicht behandelt werden. Der interessierte Leser sei diesbezüglich
aber auf die Literaturstellen Linke-Diesinger (2008) und/oder Pratt und Whitney (1988)
verwiesen.
So viele Strahltriebwerke es gibt, so viele spezielle und insbesondere stark triebwerksspe-
zifische Triebwerksregelungen dürfte es geben. Jede mit unterschiedlichen Anforderungen
und dementsprechend eigener Systemarchitektur. Im Folgenden werden deswegen auch
nur die grundlegenden Prinzipien und Funktionen beschrieben, da alle darüber hinaus
16.2 Elektronische Triebwerksregelung 1567
Nach den üblichen Initialkontrollen und -abläufen im Cockpit eines Flugzeuges ist dar-
an anschließend die Triebwerksregelung (Engine Control System) dazu erforderlich, das
Triebwerk – wie zuvor in Kap. 16.1.3 beschrieben – zu starten und bis zu dem Status zu be-
schleunigen, dass es ab der Selbsterhaltungsdrehzahl (Self-Sustaining Speed) ohne Starter
sicher und zügig in einen stabilen Leerlauf (Idle) gebracht werden kann. An den Startvor-
gang schließend kann die Cockpitbesatzung die verschiedenen Triebwerksleistungsstufen
(Ratings) so anfordern, wie es der jeweilige Flugablauf erfordert. Dabei beschleunigt oder
verlangsamt die Regelung das Triebwerk durch Veränderung des Brennstoffflusses und
lenkt dazu z. B. die Verdichterleitschaufelverstellung, die Abblaseluftventile und weite-
re – noch zu beschreibende – Komponenten so, dass die vom Cockpit angeforderten
Triebwerksmanöver glatt und frei von möglichen Schwierigkeiten, wie z. B. dem Verdich-
terpumpen, ablaufen. Während einer Verlangsamung des Triebwerks muss z. B. Vorsorge
getroffen werden, dass der Brennstoffmassenstrom nicht soweit reduziert wird, dass da-
durch die Flamme in der Brennkammer erlöschen könnte. Schaltet die Cockpitbesatzung
das Triebwerk aus, so reduziert die Triebwerksregelung den Brennstoffmassenstrom zu
null, sodass das Triebwerk zum Stehen kommt.
Über solche generellen Obliegenheiten hinaus muss die Triebwerksregelung weitere
Aufgaben durchführen, mit denen gewährleistet wird, dass eine Wartung des Triebwerks
sicher ausgeführt werden kann, und so das Triebwerk für einen nächsten Start wieder
einwandfrei bereit ist. Dazu werden vor, während und nach dem Triebwerksbetrieb di-
verse Daten auf eine Speichereinheit (Recording Device) ins Cockpit übertragen und der
Cockpitbesatzung und/oder dem Wartungspersonal auf Abruf angezeigt. Automatisch ar-
beitende Zustandsüberwachungssysteme (Condition Monitoring Systems) zeichnen dabei
diverse Drücke, Temperaturen und weitere Parameter zur Beurteilung des Triebwerks auf.
Eine solche Speichereinheit registriert z. B. die Zeiten, in denen das Triebwerk bei kri-
tisch hohen Turbinentemperaturen gefahren wurde (Time/Temperature Cycle Recorder).
Solchermaßen aufgezeichnet Daten werden ausgewertet und darauf hin analysiert, ob mit
dem Beginn des Ausfalls einer Triebwerkskomponente und/oder eines Triebwerkssystems
zu rechnen ist. Daten der beschriebenen Art sind ein besseres Maß zur Beurteilung des Zu-
standes eines Triebwerks als z. B. nur die reine Triebwerksgesamtlaufzeit. Viele der heute
verbauten elektronischen Bauteile haben darüber hinaus die Fähigkeit, ihre eigenen – und
auch angeschlossene Komponenten – im Betrieb zu überwachen. Jeder erkannte Fehler
wird in einem internen Speicher hinterlegt und kann vom Bodenpersonal später abgerufen
und analysiert werden.
1568 16 Triebwerkssysteme
Trotz dieser Vielfalt basieren alle Triebwerksregelungen auf generellen Grundsätzen, die
einzuhalten sind, und die im Folgenden näher beschrieben werden sollen.
Ein Triebwerk muss vom Stillstand bis zum Leerlauf (Idle) in einer angemessenen Zeit
gestartet werden können, damit das Flugzeug aus eigener Kraft in einem vernünftigen
Zeitraum zügig zur Startbahn rollen kann. Der Triebwerksstart muss dabei schnell und
kontinuierlich ablaufen, ohne dass es zu einem Stocken und/oder eventuell sogar zu einem
Abreißen der Strömung (Stall) in einzelnen Verdichterstufen und/oder zum noch weitaus
gefürchteteren und gefährlicheren Pumpen (Surge) des gesamten Verdichters kommen
kann.
Ein Triebwerk muss generell in der Lage sein, von einer niedrigen Leistungsstufe auf vol-
le Leistung innerhalb einer ganz bestimmten Zeit zu beschleunigen, wie es z. B. bei einem
Startabbruch mit einem Durchstarten kurz vor dem Aufsetzen auf der Landebahn erforder-
lich werden kann. Die Regelgesetze werden hierbei in einem so genannten geschlossenen
Regelkreislauf (Closed Loop Control)1 umgesetzt, wobei die Beschleunigungsrate des
Triebwerks in ununterbrochener Rückkoppelung mit der jeweils aktuell vorliegenden Ge-
schwindigkeit steht. Auf eine solche Art und Weise wird sichergestellt, dass unter ansonsten
gleichen Randbedingungen immer dieselbe Zeit für einen Beschleunigungsvorgang des
zuvor genannten Typus benötigt wird.
Im Laufe der Betriebszeit eines Triebwerks kommt es zu einem unvermeidlichen Ver-
schleiß. Trotz eines solchen allgegenwärtigen Verschleißes muss immer gewährleistet
bleiben, dass die diversen Treibwerksleistungsstufen (Ratings) stets eingehalten werden
können. Ein Verschleiß darf beispielsweise nicht dazu führen, dass beim Flugzeugstart
(Take-Off ) weniger Schub als sonst vorliegt. Demzufolge muss die Triebwerksregelung
auf Messgrößen zurückgreifen können, auf deren Basis sie Angaben zum aktuellen Schub
erhält. Ermittelt die Regelung dabei u. U. eine Schubminderung, so muss das Regelsystem
in der Lage sein, diese fehlende Leistung zu kompensieren. Das verlangt alles in allem eine
erheblich genaue Regelgenauigkeit bei den diversen beeinflussbaren Parametern.
Die Cockpitbesatzung muss zu jedem Zeitpunkt in der Lage sein, das Triebwerk abzu-
stellen. Für diesen Vorgang muss die Möglichkeit vorliegen, dass ein solches manuelles
Eingreifen – wenn es notwendig ist – einen garantierten Vorrang vor dem Regelsystem
hat.
Über alles bisher Genannte hinaus darf es unter keinen Umständen sein, dass das Trieb-
werk aus seinen vorgegebenen Leistungsstufen herausläuft. Dazu müssen alle relevanten
Beschränkungen in das Regelsystem als Input eingespeist werden und alle Aktionen pro-
1
In einem geschlossenen Regelkreis überwacht ein Sensor den Regelkreisausgang (Regelgröße oder
Istwert: z. B. die Drehzahl). Diese Daten werden einem Rechner übergeben, der kontinuierlich den
Brennstoffmassenstrom (Sollwert oder Führungsgröße am Regelkreiseingang) so anpasst, dass die
Regeldifferenz, d. h. die Abweichung zwischen Soll- und Istwert (Aufrechterhaltung der gewünsch-
ten Beschleunigung) ein Minimum ist. Die Rückmeldungsmöglichkeit eines solchen geschlossenen
Regelkreises erlaubt dem Rechner eine dynamische Kompensation möglicher Störgrößen, wie z. B.
Änderungen im Umgebungszustand (Druck, Temperatur, Wind, Flugmanöver).
1570 16 Triebwerkssysteme
Input/Output Haupt-
Gerätegrenze Triebwerk schalter
Startermotor-Druckluft-
IDG 2-Kanal (A & B) Regelungsventil N1-Verdichter-
AOHE Elektronische drehzahl
Schubum- Triebwerksregelung Zündsystem
kehrsystem (Dual Channel EEC)
ECS N2-Verdichter-
Hochdruck- Gleich- Überdreh- zum System zugehörige drehzahl
Ventil Triebwerks- richter zahlschutz Lichtmaschine
sensoren Kanal Kanal N1-Turbinen-
A&B A&B drehzahl
Abb. 16.11 Prinzipieller Aufbau einer typischen FADEC-Struktur. (Quelle: Rolls-Royce plc)
grammiert sein, die zu unternehmen sind, wenn das Triebwerk an eine seiner vorgegebenen
Leitungsbegrenzungen heranläuft.
Die zuvor beschrieben und zumeist sehr komplexen Aufgaben eines Triebwerksrege-
lungssystems sind genau genug und ausreichen effektiv nur noch mittels Digitalrechnern
umzusetzen. Alle modernen Triebwerke beinhalten heute eine solche elektronisch basierte
Regelung und viele ältere, heute noch im Einsatz befindliche Triebwerke, sind damit nach-
gerüstet worden, auch wenn es derzeit noch einige wenige Triebwerkstypen gibt, die rein
hydromechanisch geregelt sind.
Die Hard- und Software einer Triebwerksregelung sind für jeden Triebwerkstyp maß-
geschneidert, so dass der zur Verfügung stehende Einbauraum und das Gewicht optimal
dem jeweiligen Triebwerkstyp angepasst sind.
oben
A
vorn
el
EEC
nn
a
Ch
EEC
lB
ne
EEC Kanal A
an
unten Kabelbaum-
Ch
vorn anschlüsse
vorn
EEC
EEC Kanal B
Kabelbaum-
anschlüsse
Abb. 16.12 Beispiel für die Anordnung einer EEC am Fangehäuse eines Triebwerks. Mit
freundlicher Genehmigung der Firmen IAE und Unterstützung der MTU Maintenance Hannover
Daten
Kanal A
vom Flugzeug .OR. Aktuator zum Triebwerk
A
vom Triebwerk B
Quervernetzung
Daten
Kanal
vom Flugzeug Der Inter-Channel-Bus wird benutzt,
B
vom Triebwerk um die Hardware-Redundanz so managen
zu können, dass fehlerhaft arbeitende
Regionen überbrückbar sind.
Eingaben Ausgaben
Computer
Inputs Outputs
Input/Output
Kanal A
Kanalaus-
Inter-Channel-Bus
wahllogik
Input/Output
Kanal B
Eingaben Ausgaben
Computer
Inputs Outputs
Abb. 16.13 Typischer Aufbau einer EEC mit 2-Kanal-Datenbusanordnung. (Quelle: Rolls-Royce
plc)
Interfacecomputer installiert. Aus Gründen der Sicherheit und Redundanz2 sind immer
zwei oder mehr Datenbusse installiert. Über jeden Datenbus fließen absolut identische
Daten. Jeder Datenbus für sich kann die volle, uneingeschränkte Regelung des Triebwerks
sicherstellen. Die EEC entscheidet selbstständig, auf welchen der Datenbusse sie zurück-
greift. Beim Airbus A320 ist die EEC z. B. über fünf Datenbusse mit der EIU verbunden.
Der ARINC 429 ist ein in den 1970er Jahren entwickelter und schließlich in den 1980er
Jahren eingeführter Datenbusstandard für Verkehrsflugzeuge, der über einen High-Speed-
Bus eine maximale Datenübertragungsrate von 100 kbit/s erreicht, der Low-Speed-Bus
erreicht eine Übertragungsrate von 12.5 kbit/s. Der ARINC 629 Datenbusstandard wur-
de Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahren von der Firma Boeing entwickelt und in
der Boeing B777 integriert. Der ARINC 629 Standard ist etwa 20-Mal schneller als der
ältere ARINC 429 Standard. Für den Airbus A380 kam erstmals das neu entwickelte AF-
DX (Avionics Full Duplex Switched Ethernet) Datennetzwerk zum Einsatz, dass auf dem
Ethernet Netzwerkstandard IEEE 802.3 CSMA/CD (Carrier Sense Multiple Access/Collision
2
Redundanz: Überfluss. In der Informationstheorie Weitschweifigkeit, Gehalt von Signalen, die
keine zusätzliche Information liefern. Technische Redundanz: Die Mehrfachauslegung technischer
Geräte zum Schutz gegen Ausfallerscheinungen.
1574 16 Triebwerkssysteme
Kabelbäume
Ejektor für die
EEC-Kühlung
EEC-Kühlungs- EEC
auslass
Druckluftleitung
für die Entei-
sung der
Gondeleinlauf-
lippe
C
EE
EEC-Kühlungs-
einlass durch
eine Öffnung im
äußeren Fan-Ge-
häuse (ram air)
Abb. 16.14 Das Kühlungssystem einer elektronischen Triebwerksregelung. Das Bild oben rechts
gehört in Realität nicht unmittelbar zu den anderen beiden Bildern, ist aber ähnlich. Mit freundlicher
Genehmigung der Firmen IAE und Unterstützung der MTU Maintenance Hannover
3
Als Ejektor oder Aspirator wird üblicherweise eine Strahlpumpe bezeichnet, die einen Unterdruck
erzeugt, also eine primär absaugende Wirkung hat. Eine solche Strahlpumpe ist eine Pumpe, in
der die Pumpwirkung durch einen externen Fluidstrahl (hier der Luftstrom für die Enteisung der
Gondeleinlauflippe) erzeugt wird, der beim Vorbeiströmen an einer Öffnung dort einen Unterdruck
erzeugt.
16.2 Elektronische Triebwerksregelung 1575
lungen immer wenigstens jeweils zwei voll redundante Exemplare der Datenbusse, der
erforderlichen Sensoren, der Verkabelungen, der Elektrik und der Aktuatoren etc. Sollte
es also zum Ausfall eines Systems kommen, so kann immer das zweite System vollwertigen
Ersatz bereitstellen. Die beiden redundanten Systeme müssen dabei so ausgelegt sein, dass
sie sich niemals gegenseitig irgendwie beeinflussen können.
Die Firma Pratt & Whitney war es, die in den 1970er Jahren erstmals eine Elektroni-
sche Triebwerksregelung (EEC, Electronic Engine Control) entwickelte und zum Einsatz
brachte. Der erste EEC für ein ziviles Triebwerk kam als eine Art Überwachungseinrich-
tung in Kombination mit der bis dato bewährten JT9D-hydromechanischen Regelung am
Triebwerk JT9D-7R4 (Airbus A300 und A310, Boeing B747 und B767) zum Einsatz. Die
Hauptkomponenten dieser Art von Triebwerksregelung: die Brennstoffregelung und die
Regelung der Abblaseluft und der verstellbaren Hochdruckverdichterleitschaufeln, sowie
der Triebwerksstart, die Beschleunigung, die Verzögerung und das Abstellen des Trieb-
werks wurde nach wie vor hydromechanisch angesteuert. Der elektronische Teil einer
solchen überwachenden EEC (Supervisory Control) beschränkte sich auf das Dosieren des
Brennstoffs so, dass die vom Cockpitpersonal abgeforderte Triebwerksleistungsstufe auf-
rechterhalten werden konnte. Beim JT9D-7R4 wurde dazu das Triebwerksdruckverhältnis
(EPR, Engine Pressure Ratio) immer so geregelt, dass die abgeforderte Triebwerkslei-
stungsstufe (Rating: Take-Off, Climb, Cruise) trotz der sich evtl. laufend ändernden
Umgebungsbedingungen aufrechterhalten werden konnte. Darüber hinaus wurden die
Triebwerksdrehzahlen und Temperaturen überwacht, sodass ein sicherer Triebwerksbe-
trieb in der gesamten Bereich der zulässigen Flugenveloppe4 (Flight Envelope) gegeben war.
Die beaufsichtigende EEC wurde aus Sicherheitsgründen bereits redundant konzipiert.
Im Falle eines Problems schaltete das System auf die ausschließliche und herkömmliche
hydromechanische Regelung zurück, ohne dass es zu einer Diskontinuität beim Schub
kam. Die Cockpitbesatzung bekam in einem solchen Fall zwar eine Warnmeldung, mus-
ste aber keine Sofortmaßnahme ergreifen. Auch ohne Auftreten eines Störfalles war es
der Cockpitbesatzung immer möglich, auf den herkömmlichen hydromechanischen Re-
gelungsbetrieb umzuschalten. Diese Art der Regelung führte im nächsten Schritt zur
„vollständig verantwortlichen EEC“ (Full-Authority EEC), die vollwertig redundant ist, alle
Triebwerksfunktionen regelt und auf ein andersartig konzipiertes Ersatzregelsystem, wie
die hydromechanische Regelung, vollkommen verzichtet. Diese Full-Authority EEC wird
heute üblicherweise eher als FADEC (Full-Authority Digital Engine Control) bezeichnet.
4
Die Flugenveloppe ist die Hüllkurve der möglichen Leistungen eines Flugzeugs in einem Höhen-
Geschwindigkeits-Diagramm. Flugenveloppen kennzeichnen den möglichen Betriebsbereich des
Flugzeugs. Auch Triebwerke haben Hüllkurven für ihren Leistungsbereich.
1576 16 Triebwerkssysteme
vorn
EEC-
Kabelbaum-
anschlüsse
ECU p0 Eingang,
Identification zur Umge-
plug bung offen
Elektrische
Data Entry Anschlüsse
Plug
Sicherungs-
verbindung
vorn vorn
Abb. 16.15 Komponenten eines FADEC-Systems; links oben EEC (Electronic Engine Control)
eines V2527-A5 Turbofantriebwerks (Airbus A319/A320), links unten der zur EEC zugehörige Data
Entry Plug, rechts oben ECU (Engine Control Unit) eines CFM56-5B Turbofantriebwerks (Airbus
A319/A320), rechts unten der zur ECU zugehörige Engine Identification Plug. Mit freundlicher
Genehmigung der Lufthansa Technik AG und der MTU Maintenance Hannover
unter den jeweils vorherrschenden Flugbedingungen erreicht wird. Dadurch wird auch die
Belastung der Cockpitbesatzung reduziert, die sich auf wesentlichere Aspekte der fliegeri-
schen Tätigkeit konzentrieren kann, insbesondere in so genannten kritischen Situationen,
wie dem Start und der Landung. Das Akronym FADEC steht dabei für die englischen
Worte Full Authority Digital Engine Control. Bei FADEC handelt es sich im Einzelnen um
ein Triebwerkssystem, das zum einen aus einem Digitalrechner (EEC – Electronic Engi-
ne Control oder ECU – Electronic Control Unit) besteht, Abb. 16.15, und zum anderen
aus dem für die Regelaufgabe erforderlichen Zubehör. FADEC ist damit das Hauptregel-
gerät für die Triebwerke, bei dem der Schubhebel im Cockpit als Sollwerteingabe dient.
Es wird ausschließlich eine gewünschte Triebwerksleistungsstufe angewählt und mehr
nicht (set and forget). Der gewünschte Betriebszustand wird so der EEC oder ECU mit-
geteilt. Vom Luftdatenrechner (Air Data Computer) bekommt die EEC/ECU über den
Datenbus Informationen über den Luftdruck und der Außentemperatur und berechnet
daraus die aktuellen Grenzwerte der N1-Drehzahl oder des Triebwerksdruckverhältnisses
(EPR Engine Pressure Ratio). Entsprechend der gewählten Betriebsart und der N1- oder
EPR-Grenzwerte wird dann die Brennstoffversorgung eingestellt.
16.2 Elektronische Triebwerksregelung 1577
Ein reines, echtes FADEC System erlaubt keinerlei manuelles Eingreifen des Piloten,
wenn man vom An- und Abstellen des Triebwerks einmal absieht. Der digitale FADEC-
Computer hat demzufolge die volle Autorität (Full Authority) über das Triebwerk. Fällt
FADEC aus, dann fällt auch das Triebwerk aus. Soll ein Triebwerk elektronisch und digital
geregelt werden und zudem ein manuelles Eingreifen des Piloten möglich sein, so besteht
die Regelung praktisch nur aus einer ECU (Engine Control Unit). Eine ECU oder EEC
(Electronic Engine Control) ist somit zwar eine Komponente von FADEC ist aber für sich
selbst gesehen kein wirkliches FADEC. Eine reine Standalone EEC/ECU trifft demzufolge
stets alle erforderlichen Entscheidungen nur solange, bis der Pilot einzugreifen wünscht.
Durch die diversen Stecker5 , die in Abb. 16.15 zu erkennen sind, werden in das
FADEC-System eine Vielzahl von Eingabevariablen eingegeben, dazu gehören z. B. die
Schubhebelposition, die Umgebungsbedingungen (barometrischer Druck und Außentem-
peratur) und diverse Temperaturen und Drücke, die unmittelbar am Triebwerk gemessen
werden. Ein Teil der zugehörigen Druckdosen befindet sich unmittelbar innerhalb der
EEC/ECU. Alle Daten zusammen werden von der EEC/ECU mit einer Frequenz von bis
zu 70-Mal pro Sekunde ausgewertet. Mit solchermaßen analysierten Daten werden dann
schließlich die jeweils erforderlichen Parameter für den Triebwerksbetrieb angesteuert,
wie z. B.: der Brennstoffmassenstrom, die Verstellposition der Verdichterleitschaufeln in
den vorderen Stufen des Hochdruckverdichters und die Position der Abblaseventile (Bleed
Air). Das FADEC-System ist darüber hinaus auch für den Start der Triebwerke unter allen
möglichen Bedingungen zuständig. Neben den regelungstechnischen Aufgaben liefert ein
FADEC-System aber auch Daten über den Zustand des Triebwerks, was hinsichtlich der
Wartung von wesentlicher Bedeutung ist.
Über den ebenfalls in Abb. 16.15 mit dargestellten Data Entry Plug (auch Engine Iden-
tification Plug oder Engine Rating Plug), der eine Art „Typenschild“ für die Elektronik ist,
wird der EEC/ECU bekannt gegeben, um welches Triebwerk6 es sich im Detail handelt,
welche Schubleistungsstufen (Engine Ratings) vorgesehen sind und welchen Leistungs-
grenzen (Engine Limits) das vorliegende Triebwerk unterliegt7 . Die Regelungssoftware der
EEC ist für alle Triebwerke einer Triebwerksserie identisch, lediglich die Randbedingun-
5
Die Steckverbindungen sind so angelegt, dass jeder einzelne Stecker nur in seinen ganz eigenen
Anschluss hinein passt. So wird vermieden, dass es zu falsch angeschlossenen Kabelbäumen kommen
kann.
6
Die einzelnen Triebwerke einer Triebwerksserie sind i. Allg. mit unterschiedlichen Leistungen
(Schüben) zu bekommen. Das Trent 900 des Airbus A380 gibt es in drei vollkommen baugleichen
Varianten, die sich nur im maximalen Schub unterscheiden, der jeweils vom zugehörigen Data Entry
Plug vorgegeben wird: Trent 970 mit 311.28 kN Schub, Trent 972 mit 320.27 kN Schub und Trent
977 mit 359.33 kN Schub.
7
Eine Airline könnte prinzipiell später vom Triebwerkshersteller einen anderen Data Entry Plug
ordern und so das bestehende Triebwerk über die EEC/ECU leistungsmäßig „umrüsten“. In einigen
diversen Fällen wäre das sogar ohne eine weitere Hardwareänderung am Triebwerk möglich, in vielen
Fällen wären aber zusätzliche und oft sehr aufwendige Hardwaremodifizierungen am Triebwerk
erforderlich.
1578 16 Triebwerkssysteme
gen über die zulässigen Schubleistungsstufen eines individuellen Triebwerks werden von
außen über den Data Entry Plug via Hardware eingelesen. Darüber hinaus sind auf dem
Plug u. U. noch folgende weitere Daten gespeichert (aber nicht alle dieser Daten müssen
zwangsläufig auch auf dem Plug gespeichert sein):
Die EEC und der Data Entry Plug gehören stets zusammen. Aus diesem Grunde ist der
Plug auch über eine Sicherungsschnur an der EEC angebunden, Abb. 16.15 unten links.
Die Möglichkeit der N1- oder EPR-Modifizierung8 wird verwendet, um allfällige
Fertigungstoleranzen zu kompensieren. Infolge solcher Fertigungstoleranzen kann es
vorkommen, dass zwei identische Triebwerke bei identischen Umgebungsbedingungen
unterschiedlichen Schub liefern, obwohl von der EEC jeweils ein und dieselbe N1-Drehzahl
berechnet wurde. Der Sinn und Zweck einer N1- oder EPR-Modifizierung ist es nun,
den berechneten N1-Wert intern so zu modifizieren, dass jedes vergleichbare Triebwerk
bei derselben N1-Anzeige auch tatsächlich denselben Schub liefert. Um welchen Wert
(Modifier Level) die Modifizierung durch die EEC vorzunehmen ist, wird der EEC über
den Data Entry Plug mitgeteilt. In der Cockpitanzeige ist eine eventuelle N1-Modifizierung
durch die EEC aber nicht sichtbar. Die Cockpitbesatzung bekommt dabei aber immer die
tatsächlich am Triebwerk gemessene N1-Drehzahl angezeigt und nicht den korrigierten
Wert, mit dem der EEC-Computer rechnet. Bei derselben Schubhebelstellung haben damit
alle vergleichbaren Triebwerkstypen auch dieselbe N1-Anzeige, obwohl u. U. der N1-
modifizierte Schub (tatsächlicher Schub) unterschiedlich ist. Bei der EPR-Modifizierung
ist das aber anders. Hier wird sichergestellt, dass alle Triebwerkstypen bei derselben
EPR-Anzeige auch denselben tatsächlichen Schub abgeben. Dazu wird der Wert für das
gemessene Triebwerksdruckverhältnis EPR durch den EEC-Computer zu einem höheren
oder niedrigeren Wert hin verändert und im Cockpit angezeigt. Hat z. B. ein Triebwerk
normalerweise einen Schub von F = 111 kN bei einem Triebwerksdruckverhältnis von
EPRideal = 1.50 und man würde auf dem Prüfstand feststellen, dass der Schub F = 111
kN für das vorliegende Triebwerk aber in Wirklichkeit bei EPRreal = 1.52 erreicht wird,
so müsste über den Entry Plug der EEC eine Modifizierung von ΔEPR = − 0.02 mitgeteilt
8
Ob die N1- oder die EPR-Modifizierung zum Tragen kommt, hängt davon ab, welches die Haupt-
leistungsanzeige eines Triebwerks ist. Dieses kann entweder die Fandrehzahl (N1-Drehzahl) sein,
wie beim Triebwerk CFM 56, oder aber das Triebwerksdruckverhältnis EPR (Engine Pressure Ratio),
wie beim Triebwerk IEA V2500.
16.2 Elektronische Triebwerksregelung 1579
werden, sodass im Cockpit EPR = EPRreal + ΔEPR = 1.52 − 0.02 = 1.50 angezeigt wird.
Wie groß eine N1- oder EPR-Modifizierung ausfällt, kann erst festgelegt werden, wenn ein
Triebwerk nach der Produktion oder nach einer Wartung auf dem Prüfstand war.
Zu Beginn eines Fluges geben die Piloten gewöhnlich die für den Flugtag erforder-
lichen Daten über die MCDU (Multifunctional Control and Display Unit) in das Flight
Management System (FMS) ein, dies sind z. B. Außentemperatur, Wind, Startbahnlän-
ge, Startbahnzustand, Flughöhe usw. Daraus werden vom FMS die jeweils erforderlich
Triebwerksleistungen für die unterschiedlichen Phasen des Fluges berechnet. Beim Start-
vorgang, wenn der Schubhebel vom Piloten in die Take-Off-Position gebracht wird, kennt
FADEC den zuvor berechneten Startschub bereits und setzt die diversen Triebwerkspara-
meter so, dass der Start entsprechend abgewickelt werden kann. Hierbei ist noch einmal
klarzustellen, dass keinerlei mechanische Verbindung zwischen Schubhebel und Trieb-
werk besteht, sondern dass das Zusammenspiel zwischen Cockpit und Triebwerk ein rein
digitales ist. Für alle Flugphasen läuft dieser Vorgang dann ähnlich ab, sobald der Pilot
über den Schubhebel die zugehörige Triebwerksleistungsstufe wählt. Während des Fluges
werden von FADEC ständig kleine Änderungen an den Triebwerksparametern vorge-
nommen, um so das Triebwerk immer im Wirkungsgradoptimum zu betreiben. Solche
Änderungen ergeben sich z. B. dadurch, weil u. U. die durchflogenen atmosphärischen
Randbedingungen (Druck, Temperatur, Wind) sich verändert haben.
In Notfällen liefert FADEC auch die maximal mögliche Leistung für das Triebwerk,
wenn der Pilot über den Schubhebel den dazu erforderlichen Schub abruft. Dieses Schub-
maximum kann aber unter keinerlei Umständen von den Piloten überschritten werden.
Ein FADEC-System begrenzt das Schubmaximum generell entsprechend der Angaben, die
der weiter oben bereits erwähnte Data Entry Plug als Eingangsgröße liefert. Die Piloten
müssen sich ohne Wenn und Aber den Vorgaben von FADEC beugen, auch wenn Sie es u.
U. eine andere Lösung der jeweiligen Situation bevorzugen würden. FADEC hat die volle
und ausschließliche Autorität (Full Authority) über das Triebwerk.
Die Hauptaufgabe von FADEC ist es, dass Triebwerk solange innerhalb seiner zulässi-
gen Grenzen am Laufen zu halten, bis es die Cockpitbesatzung bewusst ausschaltet. Dieses
muss auch gewährleistet bleiben, selbst wenn ein oder mehrere Fehler auftreten sollten.
Die benutzte Software ist von daher zwar strikt aber dennoch in einem gewissen Rahmen
so fehlertolerant programmiert, dass das Triebwerk auch dann lauffähig bleibt, wenn evtl.
ein Eingangssignal nicht mehr zur Verfügung stehen sollte oder wenn eine Hardwarefunk-
tion ausfällt. Wenn ein Eingangssignal ausfällt, greift die EEC zuerst auf das redundante
Signal des zweiten Kanals zurück, schlägt auch das fehl, so greift die EEC auf ihre eigenen
Sensoren zurück9 und berechnet aus deren Werten den ausgefallenen Wert (Synthesized
Value). Sollte auch Letzteres nicht möglich sein, so enthält die Software feste Default-
Werte. Diese Vorgehensweise wird für alle wichtigen Signale in der oben angegebenen
Reihenfolge abgearbeitet. Für weniger wichtige Werte wird nach Ausfall eines Signals so-
9
Nach Aussagen von Triebwerkswartungsfirmen ist diesen bisher kein Vorfall bekannt geworden,
indem diese Situation praktisch eingetreten wäre.
1580 16 Triebwerkssysteme
EEC
Kühl-
luftein- Data Entry
pt2.5 pt3 p0 Plug Anschlüsse der
tritt Druckmessstellen
Abb. 16.16 Anschlüsse der Druckmessstellen an der EEC. Mit freundlicher Genehmigung der der
Firmen IAE und Unterstützung der MTU Maintenance Hannover
fort auf den programmierten Default-Wert zurückgegriffen. Fällt eine Teilfunktion des
Triebwerks auf Grund eines elektrischen oder eines hydraulischen Fehlers aus, so fährt
der Aktuator diese Triebwerksteilfunktion in eine störungssichere Position (Fail-Safe), die
für den weiteren Triebwerksgesamtbetrieb zwar unkritisch ist, aber die Leistungsfähigkeit
ganz erheblich einschränken kann. So fahren z. B. die verstellbaren Verdichterleitschaufeln
bei einem Systemfehler in die Position „Closed“ (vgl. Abb. 16.81), aber das Triebwerk kann
nicht mehr oberhalb des Leerlaufs (Idle) betrieben werden. Kommt es dagegen bei den
variablen Abblaseventilen (Abb. 16.1) zu einem Fehler, so öffnen diese vollständig und das
Triebwerk kann weder hohe Abgastemperaturen (EGT) noch den Startschub (Take-Off
Power) erreichen.
• der Umgebungsdruck p0 , der bei manchen Triebwerken durch einen Sensor am Fan-
gehäuse ermittelt wird oder aber einfach durch die Umgebungsbedingungen um die
EEC herum bestimmt wird. Im letzteren Fall ist der entsprechende Anschluss der
16.2 Elektronische Triebwerksregelung 1581
zugehörigen Druckdose einfach zur Umgebung hin offen, siehe: Abb. 16.15 unten
rechts.
• der Totaldruck pt3 am Brennkammereintritt.
• der Totaldruck pt2 = pt12 am Fan- bzw. am Verdichtereintritt.
• der Totaldruck pt2.5 zwischen Nieder- und Hochdruckverdichter.
• der Totaldruck pt13 hinter der Fanstufe.
• der Totaldruck pt5 hinter der letzten Turbinenstufe
Die Abb. 16.17 zeigt beispielhaft, wo sich die zuvor genannten Messstellen an einem
Triebwerk in etwa befinden. Die meisten Sensoren sind als Doppelsensor (Dual Sensor)
ausgeführt, d. h. sie bestehen aus zwei Einzelsensoren. Die Abb. 16.18 links zeigt dies am
Beispiel einer Temperaturmessstelle. Die beiden Kanäle A und B der EEC werden so mit
zwei separaten und unabhängigen Messsignalen versorgt. Die meisten Sensoren sind so
konzipiert, dass Sie bei Wartungsarbeiten vom Bodenpersonal leicht ausgetauscht werden
können (Line Replacement Units). Einige wenige Sensoren sind dafür aber nicht geeig-
net, sodass aus Redundanzgründen an solchen Stellen noch ein weiterer „überschüssiger“
Sensor installiert ist, der den Hauptsensor u. U. dann ersetzen kann. Einige Sensoren sind
Kombinationsmesssonden, die sowohl Druck als auch Temperatur messen, z. B. Abb. 16.17
oben links.
Bei den Druckaufnehmern kann man zwischen zwei Haupttypen unterscheiden und
zwar solchen, die sehr genau messen und solchen die darauf abzielen schnelle Druck-
änderungen zu erfassen. Genaue Messungen sind zum Beispiel erforderlich, wenn das
Triebwerksdruckverhältnis EPR zu bestimmen ist. Hierzu dienen zwei Drucksonden, die
zum einen den Totaldruck im Treibwerkseinlauf und zum anderen den Totaldruck im Tur-
binenaustritt messen. Der Austrittdruck dividiert durch den Eintrittsdruck ist dann das
EPR. Der Druckmesswert wird dabei pneumatisch10 zum eigentlichen Druckaufnehmer
geleitet, der sich z. B. in der EEC befindet. Zur genauen Auswertung der Druckmessung
ist i. Allg. auch noch eine elektronische Kalibriereinheit erforderlich, die dann mit in der
EEC angeordnet ist. Druckaufnehmer, die schnelle Druckänderungssignale in einer großen
Bandbreite messen sollen, sind nahe bei der Druckmessstelle montiert, um Dämpfungen
des Drucksignals in langen Weiteleitungen zu vermeiden.
Bei den Temperaturmessstellen wird im Wesentlichen auf Thermoelemente und auf
Widerstandsthermometer zurückgegriffen. In einigen Sonderfällen wird die Temperatur
auch mit einem Pyrometer11 bestimmt. Thermoelemente werden typischer Weise dort
eingesetzt, wo hohe Temperaturen zu messen sind, das ist insbesondere am Austritt der
10
Die Druckmessstelle am Triebwerk ist dabei durch eine einfache, dünne Rohrleitung, vgl. Druck-
messstellen in Abb. 16.17, mit dem elektrischen Druckaufnehmer verbunden, d. h. der Gasdruck
am Triebwerk wird mittels einer solchen „einfachen Verlängerung“ zu der Hardwareposition der
Druckmessstelle geleitet.
11
Bei den Triebwerken RB199 (Tornado) und GE90 (Boeing B777) wird z. B. so die Temperatur auf
der Oberfläche der Schaufeln der Hochdruckturbine gemessen.
1582 16 Triebwerkssysteme
pt2 p12
Tt2
pt3 -Druck-
leitung
pt5 -Druck-
sensor pt13 Aufnehmer
pt13 Aufnehmer
N1 Drehzahl-
aufnehmer
N1 Drehzahl-
aufnehmer
Abb. 16.17 Zusammenstellung einer Auswahl diverser Messstellen an einem Triebwerk. Die Dar-
stellungen sind Beispiele, die sich von Triebwerk zu Triebwerk mehr oder weniger in Anordnung
und Ausführung unterscheiden können. (Fotos ©Autor – mit freundlicher Unterstützung der MTU
Maintenance Hannover)
Hochdruckturbine und um die Turbine herum. Die Abb. 16.18 zeigt beispielsweise den
Einbau eines doppelten Thermoelements innerhalb einer Turbinen-Leitschaufel. Dazu
wird das heiße Gas durch Öffnungen in einen vergleichsweise großen Hohlraum inner-
halb der Schaufel geleitet. In diesem Hohlraum wird die Strömung abgebremst, sodass
16.2 Elektronische Triebwerksregelung 1583
Lager-
gehäuse
Turbinen- Ab
ta
gehäuse st
ko
pf
Welle
Doppel-Thermoelement
für EEC-Kanal A & B Informationsträger
Gasströmung mit veränderlicher
durch das Leit- Permeabilität
rad hindurch
Turbinenleitrad
das Thermoelement die Temperatur nahe bei der Geschwindigkeit null misst. Die so ge-
messene Temperatur ist dann die Totaltemperatur12 . Im hinteren Bereich des Leitrades
verlässt das vermessene Gas die Schaufel dann wieder, damit es nicht zu einem Gas-Stau
im Hohlraum und damit zu einem Messfehler13 kommt. Ein Thermoelement ist ein Bau-
teil aus zwei unterschiedlichen und an einem Ende miteinander verbundenen Metallen.
Der „Punkt“, an dem die beiden Metalle miteinander verbunden sind ist die eigentli-
che Messstelle. Es entsteht hier eine so genannte Thermospannung (Seebeckeffekt14 ), die
sich in Abhängigkeit der Temperatur ändert, sodass diese Eigenschaft zur Temperatur-
messung genutzt werden kann. Bei der Auswahl einer Materialpaarung zu Messzwecken
strebt man generell eine hohe Thermospannung, hohe Linearität und hohe Korrosions-
festigkeit beziehungsweise geringe Oxidation bei hohen Temperaturen an. Diese Ziele
sind nicht mit einer einzigen Materialkombination erreichbar. Von daher kommen je
12
Der Vorgang ist ähnlich wie das Messen des Totaldruckes, wo auch die Gasströmung innerhalb
eines Pitot-Rohres auf null „abgebremst“ wird. Der dabei gemessene Druck ist dann der so genannte
Gesamt- oder Totaldruck. Analog zu dieser Methode wird auch die Totaltemperatur einer Strömung
gemessen.
13
Stehendes Gas würde sich durch die heiße Schaufel erwärmen und eine Temperatur annehmen,
die nicht der gewünschten Totaltemperatur entspricht.
14
Als Seebeckeffekt wird das Auftreten einer Spannung zwischen zwei Stellen unterschiedli-
cher Temperatur eines Leiters genannt. Die Potenzialdifferenz ist annähernd proportional zur
Temperaturdifferenz, und abhängig vom Leitermaterial.
1584 16 Triebwerkssysteme
15
Ein Pt 100 Sensor hat bei 0 ◦ C einen Widerstand von 100 &, ein Pt 200 Sensor 200 & usw.
16.2 Elektronische Triebwerksregelung 1585
Primärspule magnetischer
Stahlkern, an- R
S2
gebracht am
bewegten
Bauteil
S1
Sekundärspulen
Prinzipieller
Aufbau eines
LVDT Prinzip eines Winkel-
lagegebers (Resolver)
Dual RVDT
Abb. 16.19 Prinzipdarstellung zu Bauteilen zu Bestimmung der linearen oder rotatorischen Lage
von Verstellelementen. (Fotos aus dem Archiv des Autors)
geringerer Feldstärke ab. Diese Verteilung wird vom Sensor erfasst und daraus ein Dreh-
zahlsignal generiert. Typischer Weise wird bei Triebwerken die N1-Drehzahl auf diese
Weise ermittelt.
Der Aufnehmer für die N2-Drehzahl befindet sich als so genannter Tachogenerator als
integrales Bauteil in der der EEC zugehörigen Lichtmaschine (Wechselstromgenerator).
Ein Tachogenerator ist ein elektrischer Generator, der dazu dient, eine der Antriebsdreh-
zahl proportionale Spannung zu liefern. Diese Spannung wird zur Erfassung der Drehzahl
benutzt. Insbesondere Wechselspannungsgeneratoren haben eine hohe Lebensdauer und
sind mehr oder weniger wartungsfrei.
Zur Positionsmessung von verstellbaren Bauteilen sind im Bereich der Triebwerke
typischerweise drei Bauarten in Verwendung:
Ein LVDT besteht aus drei Spulen, einer primären und zwei sekundären und aus einem
magnetischen Stahlkern, der linear frei beweglich direkt am bewegten Teil angebracht ist,
Abb. 16.19. Die Primärspule wird über eine relativ hohe Wechselstromfrequenz erregt. Die
Menge an magnetischem Fluss, die so von der Primärspule auf eine der Sekundärspulen
1586 16 Triebwerkssysteme
übertragen wird, und in ihnen eine Spannung induziert, hängt von der Lage des magne-
tischen Kerns relativ zu den Spulen ab. Steht der magnetische Kern exakt zwischen den
beiden Sekundärspulen, dann ist die Spannung, die in ihnen induziert wird, gleich aber
entgegengesetzt gerichtet. Bewegt sich der Kern, kann aus dem entstehen Spannungsun-
gleichgewicht in den Sekundärspulen auf die Lage des Kerns rückgeschlossen werden. Da
die Spulen ortsgebunden sind und der Kern direkt am Aktuator angebracht ist, wird es
möglich, die Auslenkung des Aktuators zu bestimmen.
Ein RVDT arbeitet nach demselben induktiven Prinzip wie der zuvor beschriebene
LVDT, nur dass hier anstelle der linearen Bewegung ein Drehwinkel gemessen wird. Das
Ausgangssignal (Spannung) verhält sich linear und ist damit direkt proportional zur Win-
kelstellung der sich rotatorisch bewegenden Aktuatorwelle. Die Baugrößen sind sehr klein,
sodass sich solche Winkelgeber insbesondere für redundante Systemanforderungen eignen
(Dual-RVDT).
Unter dem Begriff Resolver wird ein elektromagnetischer Messumformer zur Wand-
lung der Winkellage einer Welle in eine elektrische Größe bezeichnet. Er ähnelt einem
RVDT. In einem zylindrischen Gehäuse sind dabei zwei um 90◦ versetzte Statorwicklun-
gen S1 und S2 angeordnet, die einen im Gehäuse gelagerten Welle mit der Wellenwicklung
R umgeben, Abb. 16.19 rechts. Die Wellenwicklung ist induktiv mit der „Außenwelt“
verbunden. Die Statorwicklung S1 wird mit einer sinusförmigen Wechselspannung erregt
und die Statorwicklung S2 mit einer gegenüber S1 um 90◦ verschobenen Wechselspan-
nung. Die Phasenlage der in der Wellenwicklung R induzierten Spannung hängt dann von
der Stellung der Welle ab: Steht die Wellenwicklung genau gegenüber der Statorwicklung
S1, ist die Phasenlage der Wellenspannung 0◦ , steht die Wellenwicklung gegenüber der
Statorwicklung S2, ist die Phasenlage der Wellenspannung 90◦ und steht Wellenwicklung
mittig zwischen S1 und S2 ist die Phasenlage der Wellenspannung 45◦ . Während einer
Bewegung der Welle liefert der Winkellagegeber eine Wechselspannung. Die Phasenlage
dieser Ausgangsspannung der Welle in Bezug auf die Erregerspannung an S1 ist ein Maß
für die Winkellage der Welle.
Die meisten Triebwerke sind mit Sensoren zum Messen der Vibrationen eines Trieb-
werks ausgestattet, die Unwuchten des Triebwerks verzeichnen, Abb. 16.20. Das kann
vorkommen, wenn es z. B. auf den rotierenden Teilen des Triebwerks zu einem Schau-
felverlust infolge des Ansaugens von Fremdkörpern gekommen ist. Auch die lokale
Ansammlung von größeren Schmutzmengen und/oder Eisbildung an den Schaufelspit-
zen von Fan und/oder Verdichter kann für Unwuchten ursächlich sein. Als Messsensoren
kommen häufig piezoelektrische Beschleunigungssensoren16 zum Einsatz. Dabei wandelt
ein piezokeramisches Sensorplättchen dynamische Druckschwankungen in elektrische Si-
16
Der piezoelektrische Effekt beschreibt das Zusammenspiel von mechanischem Druck und elektri-
scher Spannung in Festkörpern. Er basiert auf dem Phänomen, dass bei der Verformung bestimmter
Materialien auf der Oberfläche elektrische Ladungen auftreten (direkter Piezoeffekt). Umgekehrt
verformen sich diese (zumeist Kristalle) bei Anlegen einer elektrischen Spannung (inverser Piezo-
effekt). Der Piezoeffekt gilt in der Physik als das Bindeglied zwischen der Elektrostatik und der
Mechanik.
16.3 Triebwerkleistungssteuerung 1587
Beschleunigungsmesser
am hinteren Turbinenge-
häuse
vorderer Vibrations-
sensor
vorderer Vibrations-
vorn sensor
vorn vorn
vorn vorn
Abb. 16.20 Beispiele für Sensoren zum Messen von Vibrationen und/oder Beschleunigungen an
einem Triebwerk. (Fotos ©Autor – mit freundlicher Unterstützung der MTU Maintenance)
16.3 Triebwerkleistungssteuerung
Die Abb. 16.22 zeigt den Aufbau eines Schubhebelmechanismus (Thrust Lever Mechanism),
der auf dem Prinzip einer feststehenden Schubhebelposition (Fixed Throttle Concept) ba-
siert. Es gibt keinerlei motorisiertes Verfahren oder Nachfahren des Schubhebels, auch
wenn über die EEC Änderungen an der Triebwerksleistung vorgenommen werden. Je-
der einzelne, der beiden in Abb. 16.22 dargestellten Schubhebel, ist jeweils mit einem
dualen Schubhebel-Resolver (Winkellagegeber) in der mechanischen Box (Abb. 16.21)
1588 16 Triebwerkssysteme
Gashebelregelungs-
einheit
mechanische
Boxen
vorn
Gashebelregelungseinheit
(Throttle Control Unit)
Throttle
Vorderer Avionik Schacht
mechanische
Boxen
Gashebelre- mecha-
gelungseinheit
nische
Box
vorn
vorn
Abbildung 16.22 zeigt den Gesamtaufbau eines Schubhebelmechanismus, der aus dem
Schubhebel, einer so genannten mechanischen Box (Mechanical Box) und einer Schub-
hebelsteuerungseinheit (Throttle Control Unit) besteht. Die Bewegung des Schubhebels
wird mittels eines Gestänges (Rod) auf die mechanische Box übertragen, die ihrerseits Ra-
sten (Detents) enthält, die der jeweils angewählten Schubleistungsstufe entsprechen und
16.3 Triebwerkleistungssteuerung 1589
Auto-Throttle Gashebel
Schnelltrennknopf
Entriegelungs-
hebel für den
Schubumkehrer
Gashebel
-25°
±0°
Entriegelungs-
Stopp
e
+45°
Schubumkehrer
Schubhebel
mecha
nische
Box
Gashebel
Steuerungs-
einheit
“Bump”
Pushbuttons
damit dem Cockpitpersonal eine Art künstliches Gefühl (Artificial Feel) für das Schubhe-
belregelungssystem (Throttle Control System) vermitteln. Der Ausgang der mechanischen
Box wird über ein weiteres Gestänge (Rod) an die Schubhebelsteuerungseinheit (Throttle
Control Unit) übermittelt, die ihrerseits die Kanäle der EEC mit den Schubhebelstel-
lungsinformationen versorgt. Dazu befinden sich in der Schubhebelsteuerungseinheit zwei
1590 16 Triebwerkssysteme
Resolver und mehrere Potenziometer17 . Die Potenziometer geben den TLA-Wert an den
Flight Management Computer (FMC) des Flugzeuges weiter. Zwischen Schubhebel und
EEC gibt es also keinerlei unmittelbare mechanische Verbindung. Die EEC enthält eine
Logik, die einen Triebwerksbetrieb mittels des Flight Management Computer (FMC) auch
dann noch sicherstellen kann, wenn der originäre TRA-Wert fehlerhaft oder sogar voll-
kommen ausgefallen sein sollte. Der Schubhebel kann in optionalen Fällen auch mit so
genannten Bump Rating Push Buttons ausgestattet sein, Abb. 16.22 unten links. Diese kön-
nen dazu genutzt werden, der EEC mitzuteilen, dass ein zusätzlicher Betrag an Schub
(ca. 2 %) benötigt wird, was einem Flugzeug z. B. ermöglicht mit einem erhöhten
Startgewicht von geografisch hoch liegenden Flugplätzen zu starten.
Abbildung 16.22 und 16.24 zeigen, dass der Schubhebel insgesamt über einen Winkel-
bereich von 65◦ verfahren werden kann. Für den Vorwärtsschub wird dabei der Bereich
zwischen 0 . . . 45◦ genutzt, wobei 0◦ dem Leerlauf (Idle) entspricht. Bei 45◦ wird der
maximale Startschub TO GA (Maximum Take-Off Thrust and Go Around) erreicht. Trieb-
werke sind für gewöhnlich so zertifiziert, dass dieser Maximalschub auf eine Zeitdauer von
5 min beschränkt ist. Optional ist auch eine zehnminütig Betriebsdauer möglich, das aber
nur dann, wenn ein anderes Triebwerk ausgefallen sein sollte. Für den Schubhebel gibt
es in dem genannten Winkelbereich zwei weitere Stellungen mit Einrastung: Max. Climb
bei 25◦ und Max. Continuous and Flex. Take-Off bei 35◦ . Durch Betätigung der Entrie-
gelungshebel für den Schubumkehrer kann der Schubhebel im Winkelbereich zwischen
0 . . . − 25◦ bewegt werden. Bei − 6◦ ist die Stellung Reverse Idle erreicht, mit der auch das
Entriegelungskommando an den Reverser gegeben wird. Bei − 20◦ ist der maximal mögli-
che Umkehrschub erreicht. Dieses ist der Schub, der zusätzlich zu den Radbremsen eines
Flugzeuges für den Bremsvorgang auf der Rollbahn genutzt werden kann. Befindet sich
der Schubhebel in der maximalen Umkehrschubstellung, so liefert das Triebwerk eine Lei-
stung, die in etwa mit dem Steigflugschub vergleichbar ist, Abb. 16.24. Diese Leistungsstufe
ist gewöhnlich auf eine Dauer von etwa drei Minuten begrenzt. Die automatische Schub-
hebelverstellung (Auto Throttle or Auto Thrust), Abb. 16.23, kann alternativ die Machzahl
(MACH-HOLD) oder die Geschwindigkeit (IAS-HOLD, IAS = Indicated Air Speed) regeln
und kann nur dann zum Einsatz kommen, wenn sich der Schubhebel im Winkelbereich
zwischen 0 . . . 35◦ befindet. Die automatische Schubhebelverstellung ist nicht mit dem
Autopiloten zu verwechseln, der die Aufgabe hat, die laterale und vertikale Bahnführung
des Flugzeuges zu gewährleisten.
Bewegungen (Leistungsanforderungen, Power settings), die die Cockpitbesatzung am
Schubhebel vornimmt (TLA, Throttle Lever Angle), werden durch die zuvor beschriebe-
nen Dual-Resolver wahrgenommen und als TRA-Wert (Throttle Resolver Angel) zur EEC
weitergeleitet. Aus dieser Information und weiterer zusätzlicher Daten, wie der Umge-
17
Der Potenziometergeber ist ein Positionssensor nach der Bauart eines Potenziometers. Er dient
der Winkelmessung. Entsprechend der Stellung eines beweglichen Teiles (Schleifer) ändert sich der
elektrische Widerstand und man erhält eine sich relativ zur Stellung des beweglichen Teils ändernde
elektrische Spannung.
16.3 Triebwerkleistungssteuerung 1591
FCU
Flight Control Unit
Abb. 16.23 Das sog. Glare Shield (Gesamtpanel unterhalb der Frontscheiben im Pilotensichtfeld)
des Flight-decks des Airbus A320 mit EFIS, FCU, Auto-Throttle und Auto Pilot. Mit freundlicher
Genehmigung der Firma Airbus. (Fotos ©Autor – A320 Simulator der HAW Hamburg)
Pedestal
CL (Max. Climb)
A/THR
(Auto Throttle Range
Manual
Active Automatic Mode) Idle
Mode
Reverse Idle
Thrust
Max. Reverse Lever
° 25° −
10° 10 6°− Reverse Range
14 (Manual Mode)
°
Thrust
Thrust Limit TO GA
Thrust Limit FLX MCT
Thrust Limit CL
Max. Reverse
Mode
Reverse Idle
Max. Continuous
Selections
Max. Take-Off
Idle
Cruise
Climb
idle
45° 35° 25° 0° −20°
Stopp Rasten Stopp Stopp
Ein Triebwerk der bisher beschriebenen Art arbeitet in einem von drei möglichen
Schubmodi, die mit AUTO, MEMO oder MANUAL bezeichnet werden. Beginn und Ende
eines dieser drei Modi wird durch die Eingabedaten in die so genannte Engine Interface
Unit (EIU), Abb. 16.26, geregelt.
Der Auto-Mode ist nur möglich, wenn sich das Flugzeug in der Luft befindet und
der Schubhebel zwischen IDLE (0◦ ) und MAX CONTINUOUS THRUST (MCT) (35◦ )
steht. Normaler Weise wird nach einem Start (TAKE-OFF) der Schubhebel in die MAX-
CLIMB-Position (CL) gebracht, womit das Auto-Thrust-System (ATS) aktiv wird und es
dem Automatic Flight System (AFS) im Zusammenwirken mit dem Autopiloten (AP)
möglich ist, einen EPR- oder N1-Zielwert der nachfolgenden Art einzuregeln:
16.3 Triebwerkleistungssteuerung 1593
t
ni
EEC Brennkammer
U gU
Dual-Resolver
FM erin
TRA
et
T0 Power Setting
lM
e
Tt2 Logic
Fu
H0
Ma0 Channel A Feedback
TRA Channel B lve
Va
I [A ]
T0
l Cur as an
Dual-Torquemotor
g
Tt2 in
ter
rent
H0 e
M
Elec Demand
Ma0 el
Fu MV
F
trica
Fuel
Brennstoffzufluss
Abb. 16.25 Grundlegender Aufbau eines geschlossenen Regelkreises zum Setzen einer Triebwerks-
leistungsstufe. Mit freundlicher Genehmigung der IAE
im hinteren
Avionik-
Schott
Abb. 16.26 Engine Interface Unit EIU an ihrer Einbauposition im hinteren Avionik-Schott (rear
Avionic compartment). Mit freundlicher Genehmigung der Lufthansa Technik AG
Der MEMO- oder auch FAULT-Mode wird aus dem AUTO-Mode heraus vollautomatisch
angesprochen, wenn einer der drei nachfolgenden Fälle auftreten sollte:
Der MANUAL-Mode ist immer dann aktuell, wenn die Bedingungen für AUTO oder
MEMO nicht vorliegen. In diesem Mode ist der Triebwerksschub (EPR- oder N1-Drehzahl)
eine unmittelbare Funktion der Schubhebelstellung (TLA).
Darüber hinaus kann das Triebwerk auch automatisch in die so genannte Alpha-Floor-
Protection gebracht werden. Hierbei geht es um den maximal möglichen Anstellwinkel,
der von der Fluggeschwindigkeit und der Stellung der Klappen und Vorflügel (Flaps and
Slats) abhängt und das Flugzeug u. U. in einen aerodynamisch überzogenen Flugzustand
(Stall) bringen könnte. In einem solchen Fall setzt das Auto-Thrust-System (ATS) die
Triebwerksleistung vollautomatisch in die Take-Off-Position, vollkommen unabhängig
davon, in welcher Stellung sich der Schubhebel gerade befinden sollte.
Unter einer Triebwerksleistungsstufe (Engine Power Rating) wird der Schub verstanden,
den ein Triebwerk zulässigerweise bei unterschiedlichen Betriebsbedingungen entwickeln
darf. Hierbei handelt es sich um zulässige Grenzwerte, die, zum einen mehr allgemein
gehalten, von den Luftaufsichtsbehörden, und zum anderen, deutlich detaillierter, von den
Triebwerksherstellern, mit Auslieferung des Triebwerks festsetzt werden. Diese Grenzwer-
te dürfen – von Notfällen abgesehen – im alltäglichen Betrieb aus Sicherheitsgründen nicht
über- oder unterschritten werden.
Von der FAA (Federal Aviation Administration) in den USA wird z. B. sehr allgemein
festgelegt, was unter den Begriffen Leerlauf (Idle), Startschub (Take-Off Thrust) und ma-
ximaler Dauerschub (Maximum Continuous Thrust) bei zivilen Triebwerken zu verstehen
ist18 .
Triebwerksleistungsstufen (Ratings) beschreiben prinzipiell den Schub eines Triebwerks
in Pounds (lbf, Pound Weight)19 und werden vom Piloten über den Schubhebel (Thrust
Lever) eingestellt bzw. angewählt. Da der Schub am Flugzeug aber praktisch nicht messbar
ist und damit auch nicht durch Instrumente angezeigt werden kann, wird er durch ei-
ne geeignete, leicht messbare Ersatzgröße beschrieben und dem Piloten im Cockpit als
Hauptleistungsgröße angezeigt. Typische Ersatzgrößen dieser Art sind das Triebwerks-
druckverhältnis EPR (Engine Pressure Ratio), die Drehzahl N1 (Fan Shaft Speed) der
18
FAR Part 1 „Definitions and Abbreviations“ und FAR Part 33.7 „Engine Ratings and Operating
Limitations“.
19
Es ist nach wie vor üblicher Standard, den Schub eines Triebwerks, sobald es am Flugzeug betrieben
wird, in Pounds und nicht in Newton anzugeben (1 lbf = 4.44822 N).
16.3 Triebwerkleistungssteuerung 1595
Triebwerken (Rolls-Royce) ist N2 die Drehzahl der Mitteldruckwelle und N3 die Drehzahl
der Hochdruckwelle. Die Hochdruckwelle hat die höchsten Drehzahlen und dient damit
zur Überwachung von Überdrehzahlen (Over Speed). Bei Rolls-Royce-Triebwerken wer-
den Überdrehzahlen durch eine Kombination der N1- und der N2-Drehzahlen in einer
speziellen Systemeinheit, der so genannten OPU (Over-Speed Protection Unit), überwacht.
Beim Anlassen des Triebwerks, wenn der Anlasser die Hochdruckwelle, auf der sich die
Triebwerkskomponenten mit dem geringsten Massenträgheitsmoment (Hochdruckver-
dichter und -turbine) befinden, beschleunigt, wird die N2-Drehzahl als Referenzgröße für
die Hochlaufprozedur benutzt.
Da eine Drehzahlvariation nicht direkt proportional zu einer Schubänderung ist, ist die
Drehzahl nach Ansicht einiger Triebwerkshersteller, wie z. B. Pratt & Whitney, hinsichtlich
einer Leistungsbeurteilung des Triebwerks weniger gut geeignet. Eine einprozentige Dreh-
zahländerung der N1-Welle im oberen Leistungsbereich eines Triebwerks verändert den
Schub um ca. 4 %, während dieselbe Drehzahländerung bei der N2-Welle den Schub um 5 %
verändert. Dagegen führt eine einprozentige Variation des Triebwerksdruckverhältnisses
EPR zu einer Schubänderung von 0.5 . . . 1 %. Gerade in dieser direkten Proportionalität
zwischen Schub und EPR sehen einige Triebwerkshersteller den wesentlichen Vorteil des
Triebwerksdruckverhältnisses als Hauptleistungsanzeige.
Über die Abgastemperatur EGT wird der kritischste Zustand eines Triebwerks – die
Überhitzung – überwacht. Überschreitet die EGT die vom Hersteller festgelegten Gren-
zen, so ist immer eine Inspektion erforderlich. Die Messung der Temperatur erfolgt
zwar im Abgasstrahl hinter der Turbine, überwacht wird dadurch letztlich aber die
Turbineneintrittstemperatur TIT (Turbine Inlet Temperature) auf Grund des bekannten
Temperaturgefälles über die Turbine. Die Messung der EGT erfolgt gewöhnlich direkt hin-
ter der letzten Turbinenstufe. Es gibt aber auch Triebwerke, bei denen die EGT zwischen
Hoch- und Niederdruckturbine gemessen wird. Beim CFM-56 wird z. B. die EGT in der 2.
Stufe der Niederdruckturbine gemessen. Da die Messstellen der EGT bei unterschiedlichen
Triebwerken an ungleichen Turbinenpositionen liegen, können die EGT-Zahlenwerte
unterschiedlicher Triebwerke nicht unmittelbar miteinander verglichen werden. Über
mehrere auf dem Umfang und in Radialrichtung verteilte Thermoelemente wird eine ge-
wisse Anzahl von Temperaturwerten gemessen und daraus ein Mittelwert gebildet. Für die
Piloten ist speziell die EGT beim Startvorgang (Take-Off ) von eminent wichtiger Bedeu-
tung, da sie hieran rechtzeitig erkennen können, ob ein Triebwerk aus seinen zulässigen
Belastungsgrenzen herausläuft oder nicht. Zu einer 100 %-N1-Drehzahl, die vom Piloten
zum Starten eingestellt wird, gehört auch eine durch die Triebwerksauslegung genauer
spezifizierte Abgastemperatur EGT. Diese EGT wird durch Schubmessungen auf einem
Triebwerksprüfstand ermittelt, indem bei 100-%-N1-Drehzahl die Schubdüsenfläche so-
lange variiert wird, bis sich die gewünschte Abgastemperatur EGT einstellt. Durch eine
Drehzahlmessung alleine kann i. Allg. keine exakte Aussage darüber getroffen werden,
ob das komplette Triebwerk einwandfrei funktioniert oder nicht. Ist beispielsweise der
Triebwerksverdichter beschädigt oder stark verschmutzt, so ist dies nur durch zusätzliches
16.3 Triebwerkleistungssteuerung 1597
Prinzipiell ist es möglich und zulässig, dass ein Triebwerk an der jeweiligen Temperatur-
grenze, dem so genannten EGT-Limit, betrieben wird, die zu der jeweilig zugehörigen
Leistungsstufe gehört. Oberhalb dieser Grenze ist auf jeden Fall mit Schädigungen des
Triebwerks zu rechnen, Abb. 16.28. Im Normalbetrieb wird aber immer eine gewisse
Toleranzgrenze (Abstand) zu diesen Höchstwerten eingehalten, die man als so genannte
EGT-Margin bezeichnet. Diese Toleranzgrenze soll sicherstellen, dass es unter keiner-
lei Umständen des alltäglichen Triebwerksbetriebs zu anormal heißen Betriebszuständen
kommen kann.
Das EGT-Limit ist die absolute Temperaturgrenze, durch die schließlich die Turbi-
nenwerkstoffe eine weitere Schubsteigerung infolge von Temperaturerhöhung begren-
zen. Das EGT-Limit reduziert um die EGT-Margin ergibt die für ein Triebwerk im
durchschnittlichen Alltagsbetrieb zulässige EGT.
1598 16 Triebwerkssysteme
max. Dauerschub
max. Reiseschub
(Max. Continuous)
max. Steigschub
Triebwerksstart
675
Leerlauf (Idle)
(Max. Cruise)
(Max. Clim b)
Startschub
(Ta ke-Off )
625
Triebwerksleistungsstufen
Abb. 16.28 Grenzen für die Abgastemperatur (EGT-Limits) typischer ziviler Turbofantriebwerke
Unter dem Begriff Full-Rated Engine wird ein Triebwerk verstanden, das vom Herstel-
ler so zugelassen wurde, dass es bei jeder Außentemperatur den dabei höchstmöglichen,
überhaupt erzielbaren Schub produzieren darf. Dieser Schub liegt unterhalb der ab-
soluten Grenzen, die sich aus der thermodynamischen Triebwerksauslegung ergeben.
Diese Grenzen werden bei kleinen Außentemperaturen (OAT, Outside Air Temperature)
durch das maximal zulässige Verdichterdruckverhältnis (CIP, Combustor Inlet Pressure)
beschrieben und bei höheren Außentemperaturen durch die maximal zulässige Turbi-
neneintrittstemperatur (TIT, Turbine Inlet Temperature), Abb. 16.29, was manchmal
auch als thermodynamischer Schub bezeichnet wird. Die Ausführungen zum Triebwerk-
schub in Kap. 16.2 zeigten, dass der Schub mit steigender Außentemperatur abnimmt,
was auch in Abb. 16.29 dargestellt wurde. Bei den höchsten Schüben, die sich bei ge-
ringen Umgebungstemperaturen einstellen, ergeben sich die höchsten Massenströme
und Verdichterdruckverhältnisse und damit höchste Triebwerksbelastungen. Mit stei-
gender Außentemperatur geht der angesaugte Massenstrom zurück und damit auch der
Triebwerksschub. Daraus resultiert eine einhüllende Grenzkurve, die die äußersten ther-
modynamischen Abgrenzungen für den Schub (Design Limit) festlegt, Abb. 16.30. Unter
den Gesichtspunkten Wirtschaftlichkeit, lange Wartungsintervalle und lange Lebensdauer
ist dies – speziell bei zivilen Triebwerken – ein nicht anstrebenswerter Betriebsbe-
reich. Aus diesem Grunde werden praktisch alle zivilen Triebwerke in Abhängigkeit des
Umgebungszustandes p0 , T0 in ihrer Leistung begrenzt.
16.3 Triebwerkleistungssteuerung 1599
Te
m
pe
ra
tu
Max. CIP r li
m
it
(Combustor Inlet Pressure )
Max. TIT
(Turbine Inlet Temperature )
)
hl peed
za
r eh ion S
-D at
N1 Rot
a n
(F
Unterhalb des Kurvenverlaufs für das Design-Limit wird eine Schubkurve festgelegt,
die die maximal überhaupt zulässigen Werte beschreibt. Diesen Leistungszustand nennt
man Full-Rated. Unter dem weiteren Begriff De-Rated versteht man ein Triebwerk, das
vom Hersteller so zugelassen (zertifiziert) wurde, dass es bei abgesenktem EGT Niveau
bei jeder Außentemperatur den dabei höchsten, überhaupt erzielbaren Schub erzeugen
kann. Es besteht dabei zwar eine tendenzielle Ähnlichkeit zum Full-Rated Triebwerk, wo-
bei aber die Kurven für den Schub und die höchste zulässige EGT parallel – zu kleineren
Werten hin – verschoben sind, Abb. 16.30. Wegen der bei kleinen Umgebungstempera-
turen horizontal verlaufenden Schubkurve wird hier auch von so genannten Flat-Rated
Triebwerken gesprochen. Unter dem Begriff eines Flat-Rated Triebwerks versteht man so-
mit ein Triebwerk, das vom Hersteller so zugelassen (zertifiziert) wurde, dass es in einem
Bereich niedriger Außentemperaturen nur ein begrenztes Schubniveau produzieren darf.
Dieses wird durch eine Begrenzung der EGT erreicht. Der höchstmögliche, zertifizierte
Triebwerksschub wird dabei bis zu einer bestimmten Außentemperatur, OAT, auf einem
konstant bleibenden Niveau gehalten. Diese Außentemperatur (Flat-Rated Temperature)
ist i. Allg. diejenige, die in etwa dem internationalen Heißtag entspricht, also ϑ = 30 ◦ C.
Es gibt aber auch Triebwerke, wie z. B. das PW 2000, dessen Flat-Rated Temperature bei
ϑF = 96 ◦ F liegt, was ungefähr 35 ◦ C entspricht (ISO + 20). Das Setzen des Schubes erfolgt,
wie bereits weiter oben erläutert, entweder mittels der EPR-Anzeige oder der Anzeige für
die N1-Drehzahl. Abbildung 16.16 zeigt deswegen zusätzlich, welchen Einfluss die zuvor
beschriebene Methode auf die N1-Drehzahl des Triebwerks hat. Der höchstzulässige Schub
während des Startvorganges wird nicht nur durch die Umgebungstemperatur T0 , sondern
1600 16 Triebwerkssysteme
Flat-Rated Temperature
EGTDesign-limit
Abgastemperatur EGT
Fandrehzahl N1
EGTfull-rated
EGT-Margin
EGTde-rated
hl d)
h za Spee
re tion
-D
N1 Rota
n
(Fa
Abb. 16.30 Schematisierte Darstellung zu den Begriffen Full-rated-, de-rated- und flat-rated-
Engine
Am Beispiel des Triebwerks CFM56-7 sollen die zuvor beschriebenen Grundlagen einer
Triebwerksschonung im alltäglichen Betrieb etwas näher erläutert werden. Das CFM56-7
ist bis 30 ◦ C OAT Flat-Rated, was bedeutet, dass unterhalb dieser Temperatur bei vorderster
Schubhebelstellung das konstante Schubniveau des Flat-Rated Kurvenastes in Abb. 16.30
und 16.26e stets garantiert bleibt. Oberhalb von 30 ◦ C fällt dann der zu Verfügung ste-
hende Schub auf Grund des sich verringernden angesaugten Luftmassenstroms ab. Nun
kann es im Alltagsbetrieb eines Triebwerks aber vorkommen, dass für einen besonders
günstigen Startfall (geringe Beladung, lange Startbahn und Gegenwind) die bei der vorlie-
genden Außentemperatur (OAT) maximal zur Verfügung stehende Schubkraft gar nicht
benötigt wird. In einem solchen Fall kann der Pilot der Triebwerksregelung eine höhere,
hypothetische Außentemperatur (Assumed Temperature) vorgegeben als die tatsächlich
vorliegende. Auf diese Weise wird der maximal mögliche Schub reduziert, da er ja für
den aktuellen Startvorgang auch nicht wirklich benötigt wird. Das Ganze macht natür-
lich nur dann Sinn, wenn die vorgegebene hypothetische Außentemperatur auch oberhalb
der Flat-Rated-Temperature ist. Diese hypothetische Außentemperatur (Assumed Tem-
perature) wird speziell bei Airbus-Flugzeugen auch als Flexible Temperature oder kurz
FLX-Temperature bezeichnet und kann in gewissen Grenzen durch den Piloten als frei
wählbare Stellgröße vor dem Start über die MCDU (Multi Function Control and Display
Unit) festlegt werden. Je nach Beladungsgewicht, Länge und Beschaffenheit der Startbahn
und entsprechend der jeweiligen Wetterlage kann der Pilot so den optimalen Schub seiner
Triebwerke, den er aus fliegerischen und sicherheitstechnischen Gründen für erforderlich
hält, für den Startvorgang vorwählen. Der daraus resultierende flexible Startschub wird als
Flexible Take-Off Thrust oder kurz als FLX-Take-Off Thrust bezeichnet. Die hypothetische
Außentemperatur T0 (OAT), die so zur FLX-Temperature wird, ist damit nicht mehr die
wahre Außentemperatur, sondern eine Stellgröße der Flug- und Triebwerksregelung.
Mit den neueren Airbus Flugzeugen vom Typ A320 (oder ähnlich) ist es üblich, un-
ter Normalbedingungen mit flexiblem, den jeweiligen Randbedingungen angepasstem
Schub zu starten, wobei Leistungsreserve zu Gunsten einer Schubreduzierung eingesetzt
wird. Da die FLX-Temperature TFLX oberhalb der Umgebungstemperatur liegt, liefert
der FLX-Thrust auch bei einem Triebwerksausfall noch ausreichende Leistung auf dem
verbleibenden Triebwerk, da ja die tatsächliche Luftdichte der Umgebung in Wirklich-
keit größer ist als die durch die FLX-Temperature TFLX unterstellte Dichte, wodurch der
wirkliche Schub entsprechend größer wird. Mit dem veränderten FLX-Thrust wird auch
unterstellt, dass das Flugzeug nur auf eine geringere Startgeschwindigkeit beschleunigt
werden muss. Zwar ist durch die tatsächlich höhere Dichte auch der Luftwiderstand des
Flugzeuges größer, was aber durch den geringeren Rollwiderstand und die geringe Mas-
senträgheit des Flugzeuges – infolge der geringeren Rollgeschwindigkeit – in gewissem
Umfang ausgeglichen wird. Wird aus Sicherheitsgründen mehr Schub benötigt, so kann
dies durch Verschieben der Schubhebel in die TOGA-Stellung erreicht werden, Abb. 16.24.
Bei anderen Flugzeugen als den Airbus-Baumustern können deswegen unter Umständen
1602 16 Triebwerkssysteme
De-Rated Thrust
perature: ISO + 20
Flat-Rated Tem-
tatsächlich vorlie-
F re qu
gender Schubbedarf
Außentemperatur
aktuelle, wahre
die Schubhebel auch noch weiter nach vorne bis zu einem endgültigen mechanischen
Anschlag geschoben werden. Dazu ist es erforderlich, einen zusätzlichen Widerstand zu
„überdrücken“. Ältere Triebwerke, die noch nicht mit einer FADEC Triebwerksregelung
ausgestattet sind, erbringen dann eine Art Überschub (Over-Boosting). Ein Over-Boosting
der Triebwerke wird nur dann praktiziert, wenn das Unterlassen zu einem Unfall führen
würde.
Nehmen wir als Beispiel einen Airbus A320 mit einem maximalen Startgewicht von
77 t. Für einen Flug von Hamburg nach Stockholm mit 100 % Passagierauslastung und ein
wenig Fracht betrage das tatsächliche Startgewicht nun 65 t. Es liegt ein Sommertag vor,
mit 28 ◦ C Außentemperatur, einem leichten Wind und einem Luftdruck von 1 013 hPa.
Die Startbahn in Hamburg ist knapp 3.7 km lang. Die Vorbereitung für diesen Start un-
terliegt nun verschiedenen Kriterien, die erfüllt sein müssen. Der Pilot muss sowohl seine
normale Startstrecke ermitteln als auch diejenige Strecke, die er benötigt, falls der Start
wegen widriger Umstände abgebrochen werden muss. Auch hierbei muss gewährleistet
bleiben, dass das Flugzeug sicher auf der Bahn zum Stehen kommt. Des Weiteren sind be-
stimmte Vorgaben für den anschließenden Steigflug zu berücksichtigen, wenn z. B. hinter
der Startbahn ansteigendes Gelände kommt und dazu auch noch ein Triebwerk ausfällt
(Abb. 16.31).
16.4 Brennstoffsystem bzw. Kraftstoffsystem 1603
Beim FLX-Take-Off wird dem Triebwerk nun aber nur die Leistung abverlangt, die nö-
tig ist, um die tatsächlichen 65 t Startmasse unter den zuvor genannten Randbedingungen
auf einer 3.7 km langen Startbahn sicher in die Luft zu bekommen. Die dazu erforderli-
che Schubreduzierung wird dadurch erzielt, indem der Triebwerksregelung eine höhere
Außentemperatur „vorgegaukelt“ wird. Das Flugzeug beschleunigt dann natürlich nicht
so schnell, wie es eigentlich könnte, was ja schließlich auch Sinn und Zweck der ganzen
Sache ist. Das Material wird geschont und die lange Startbahn optimal genutzt. Man er-
reicht dadurch vor allem, dass die Temperaturspitzenwerte am Turbineneintritt reduziert
werden, es also nicht ganz so heiß wird, wie es maximal werden dürfte. Die Drehzahlen
der N1- und N2-Welle werden dadurch aber auch leicht reduziert, was die schließlich den
Fliehkraftbelastungen der einzelnen Baugruppen zugutekommt.
Mehr und detaillierteres zu diesem Thema ist in den Kap. 5.4.6 bis 5.4.7.2 beschrieben.
Bei Triebwerken wird im Rahmen der Verwendung von brennbaren Antriebsfluiden in der
Regel von Brennstoff gesprochen. Der Flugzeugbau selbst spricht aber eher von Kraftstoff,
so heißen die Tanks und deren Zubehör im Flugzeug Kraftstoffsystem und nicht Brenn-
stoffsystem. Ursächlich dafür ist, dass begrifflich keine klare Abgrenzung der Begriffe
existiert. In der deutschen Sprache existieren praktisch drei Begriffe parallel:
• Kraftstoff (engl.: Motor Fuel). Normalerweise das brennbare Fluid, das in einer
Verbrennungskraftmaschine zum Einsatz kommt und deswegen insbesondere im
Kraftfahrzeugbereich der gängige Begriff ist.
• Treibstoff (engl.: Propellant). Normalerweise das brennbare Fluid, das zum Antrieb
von beliebigen Fortbewegungsmitteln Verwendung findet und deswegen den Begriff
Kraftstoff mit einschließt. Im Deutschen wird der Begriff Treibstoff insbesondere für
Schiffsantriebe und für Raketenantriebe verwendet.
• Brennstoff (engl.: Fuel). Oberbegriff für alle chemischen Stoffe, deren gespeicherte
chemische Energie sich durch Verbrennung in weiter nutzbare Wärmeenergie wandeln
lässt. Sie existieren in den Aggregatzuständen fest, flüssig und gasförmig.
N ACA -Einlauf
ank nk
(NACA Intake hst a
eic ptt
k)
rge tank
l
usg au
Tan
Vent Scoop) A rH
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Ze r Ha Aus-
e
Au
link gleichs-
tank
Klappen-Rückschlag-
ventile (Baffle-Rib
Check Valves)
h
stointe Haupttank (Flügel)
ffp re Innenansicht
u m Br
pe enn
-
f
tof Querverbin- Drainage-
n ns entil dungsventil baum
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Br ass til
l
Ab rvenerk 2 zur APU
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p APU Brenn-
Ab r Tr stoffventil
fü zen
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ffpu Bre
ck- mp nn stontere
n drualter en - ffpu Br
mp enn
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mp sc nn
- e -
Pu
e Brempe
r u
de ffp
vor sto
Absperrventil
für Triebwerk 1
vordere Brenn-
stoffpumpe
Pumpendruck-
schalter
16.4.1 Flugzeugbrennstoffsystem
Primäre Aufgabe der Brennstoffanlage eines Flugzeuges ist es, die Triebwerke un-
ter allen Betriebsbedingungen mit sauberem und dampfblasenfreiem Brennstoff, bei
ausreichendem Druck und ausreichendem Massenstrom, zu beliefern.
Abbildung 16.32 zeigt den generellen Aufbau des Brennstoffsystems eines heutigen
zweimotorigen Strahlflugzeuges. Jeder der beiden sich im Flügel befindenden Haupttanks
(Main Tank) ist unmittelbar mit dem Triebwerk auf der jeweiligen Flugzeugseite gekoppelt.
Prinzipiell kann aber jedes Triebwerk von jedem Tank gespeist werden. Im Falle, dass zu-
sätzlich ein weiterer zentraler Tank (Center Tank) im Rumpf zwischen den beiden Flügeln
installiert ist, so werden von diesem Tank aus typischer Weise beide Triebwerke gespeist
16.4 Brennstoffsystem bzw. Kraftstoffsystem 1605
und damit dieser Zentraltank auch zuerst geleert. Dieses unterstützt die Aerodynamik des
Flugzeuges und mindert die Risiken im Falle einer Notlandung20 .
Im Bereich der Flügelspitzen befinden sich außerdem noch so genannte Ausgleich-
stanks (Vent Surge Tank). Während des Fluges werden hierüber die Haupttanks mit einem
schwachen Überdruck beaufschlagt. Das geschieht dadurch, indem Stauluft (Ram Air)
durch einen NACA-Einlauf (NACA Intake, Vent Scoop) auf der jeweiligen Flügelunterseite
(Abb. 16.32 oben) in die Ausgleichstanks strömt, die mit dem jeweiligen Haupttank ver-
bunden sind. Diese Ausgleichstanks dienen ansonsten auch der Tankbelüftung, da sie über
den NACA-Einlauf stets zur Atmosphäre hin offen sind. Bei der Entnahme von Brennstoff
kann sich somit auch kein Unterdruck in den Tanks (über dem Brennstoff) bilden, womit
dann auch ein kontinuierlicher Brennstofffluss gewährleistet bleibt. Im Falle einer starken
thermischen Ausdehnung des Brennstoffes (z. B. bei einem voll betankten Flugzeug auf
einem heißen Flughafen) und/oder bei einer Überfüllung der Haupttanks dienen die Aus-
gleichstanks auch dazu, den überschüssigen Brennstoff aufzunehmen. Bei sich dann später
leerenden Haupttanks strömt der überschüssige Brennstoff infolge Schwerkraftwirkung
durch Einwegventile aus den Ausgleichstanks in die Haupttanks zurück.
Die Abb. 16.32 zeigt, dass jeder der drei dort eingezeichneten Tanks jeweils zwei iden-
tische Brennstoffpumpen (Boost Pumps) enthält, die sich jeweils in einem zugehörigen
Schutzbehälter (Canister) befinden, Abb. 16.33. Die Pumpen werden elektrisch, mittels
Wechselstrom angetrieben. Jede dieser Brennstoffpumpen kann über ein Bypass-Ventil
(Flapper-Type By-Pass Valves) umgangen werden. Das Bypass-Ventil kommt insbesonde-
re dann zur Geltung, wenn der elektrische Pumpenantrieb – aus welchen Gründen auch
immer – einmal ausfallen sollte. In diesem Fall können nämlich die Brennstoffpumpen auf
dem Hilfsgeräteträger (Engine-Driven Pumps), Abb. 16.34, den Brennstoff unmittelbar aus
den Flugzeugtanks heraus ansaugen.
Die Ansaugbereiche der Brennstoffpumpen in den Flügeltanks (Abb. 16.34) sind im
Tankbodenbereich so angeordnet, dass in allen Flughöhen stets möglichst viel Brennstoff
angesaugt werden kann, ohne dabei Luft mit anzusaugen. Die Flugzeugtanks, und somit
auch die Bereiche in denen sich die Brennstoffpumpen befinden, sind darüber hinaus in
einzelne Kammern unterteilt (Collector Cell), die seitlich mit klappenartigen Rückschlag-
20
Der aerodynamische Vorteil hierbei ist die Verschiebung des Flugzeugschwerpunktes nach hinten
infolge der Tragflügelpfeilung, was den Gesamtwiderstand und damit den Verbrauch des Flugzeugs
mindert. Außerdem verringert sich das Biegemoment an der Flächenwurzel, wenn die Brennstoff-
masse da positioniert ist, wo der Auftrieb erzeugt wird, nämlich im Bereich der Flügeltanks. Im
Notfall ist der Brennstoff in den Flügeltanks aber auch weiter weg von den Passagieren bzw. von der
Fracht. Entscheidend ist aber, dass durch die V-Stellung der Tragflügel das Brennstoffniveau außen
höher als im Bereich der Flügelwurzel ist, und sich somit oberhalb der Triebwerke befindet und des-
wegen auch ohne die Brennstoffpumpen (z. B. bei einem Fehler im Elektrosystem) abwärts fließen
kann (Gravity Feeding). Durch die Brennstoffmasse – insbesondere in den äußeren Flügeltanks –
ändert sich aber auch das Flatterverhalten der Flügel. Leere Tanks an der Flügelwurzel und volle
Tanks in den Flächenspitzentanks können dabei die zulässige Fluggeschwindigkeit durchaus um bis
zu 40 kn vermindern.
1606 16 Triebwerkssysteme
Brennstoffpumpenbehälter
Brennstoffpumpe
Abb. 16.33 Brennstoffpumpe (Boost Pump) und Brennstoffpumpenbehälter (Boost Pump Ca-
nister) in der Brennstoffsammelzelle (Collector Cell) eines Flügelhaupttanks. Mit freundlicher
Genehmigung der Firma Airbus
Brennstoffdurchfluss-
messeinrichtung
Brennstoff-
pumpe
Brennstoffpumpe
Abb. 16.34 Brennstoffpumpe auf dem Hilfsgeräteträger (Engine-Driven Pump). Mit freundlicher
Unterstützung der MTU Maintenance in Hannover
ventilen (Flap door, Baffle-Rib Check Valves, Clack Valves), Abb. 16.35, so gegeneinander
abgegrenzt sind, dass auch bei steilem Sink- oder Steigflug, bei extremen Kurvenlagen oder
bei negativen g-Werten immer Kraftstoff zu den Tankbereichen mit den Pumpen fließt,
sodass das Ansaugen von ausreichenden Brennstoffmengen stets gewährleistet bleibt. Die
Brennstoffsammelzelle (Collector Cell) ist stets vollkommen mit Brennstoff gefüllt.
Werden die Brennstoffpumpen für den Zentraltank abgeschaltet, da der Tank fast leer
ist, so saugt eine zusätzliche Strahlpumpe, die sich in einem der Haupttanks befindet, vom
tiefsten Punkt des Zentraltanks vollautomatisch (Fuel Scavenging System) den verbliebe-
nen Restbrennstoff an und pumpt ihn in einen der Haupttanks um, z. B. in den linken
Haupttank bei der Boeing B737.
Die meisten Komponenten des Flugzeugbrennstoffsystems befinden sich unmittelbar
in den Tanks. Ein Teil davon, wie z. B. die Brennstoffpumpen (Boost Pumps) oder die Füll-
standsmesseinrichtungen (Quantity Probes and Fuel Measurement Sticks) können ohne
16.4 Brennstoffsystem bzw. Kraftstoffsystem 1607
Klappenventil
(Clack Valve)
Klappentür
(Flap Door )
Klappenventil
Clack Valv
(Clack Valve)
besondere Entleerung der Tanks ausgetauscht werden. Andere Bauteile, wie z. B. die Ab-
sperrventile (Shut-Off Valves) erfordern für deren Austauschen eine partielle Entleerung
des infrage kommenden Tankbereichs.
Ein Brennstofftransfersystem macht es möglich, Brennstoff von einem Tank in einen
anderen umzupumpen. Dieses kann erforderlich werden, wenn es zu Asymmetrien bei der
Brennstoffverteilung in den Tanks kommt, oder wenn das linke Triebwerk aus dem rechten
Tank versorgt werden soll – oder umgekehrt. Dazu gibt es das in Abb. 16.32 mit eingetra-
gene Querverbindungsventil (Cross-Feed- or X-Feed Valve), mittels dem die ursprünglich
unabhängigen Brennstoffsysteme der Triebwerke gegebenenfalls querverbunden werden
können.
Triebwerksbrennstoffe haben die Neigung, zu Korrosionserscheinungen im Brennstoff-
system und auch in der Brennkammer zu führen, was im Wesentlichen ein Resultat des
im Brennstoff enthaltenen Schwefels und Wassers ist. Der Schwefelgehalt kann mit ver-
nünftigem Aufwand praktisch nicht vollkommen aus einem Brennstoff isoliert werden,
sollte aber immer bei einem technisch/wirtschaftlich erreichbaren Minimum liegen. Auch
Wasseranteile im Brennstoff können nicht vollkommen vermieden werden, da in der Luft
enthaltener Wasserdampf über die Ausgleichstanks immer an den Brennstoff gelangt und
von diesem absorbiert wird. Der Wassergehalt im Brennstoff kann dadurch minimiert
werden, indem der Brennstoff hinsichtlich seiner Lagerung und seines Transports zum
Flugzeug wenig mit Luft in Berührung kommt. Außerdem sind die Flugzeugtanks re-
gelmäßig zu Entwässern. Steht ein Flugzeug einige Zeit, so setzt sich das Wasser, da es
schwerer als der Brennstoff ist, nach unten ab und kann über Drainageöffnungen (Water
Drains) an der Flügelunterseite manuell abgelassen werden, Abb. 16.36.
Wie gut sich ein Brennstoff pumpen lässt, hängt von seiner Viskosität ab und diese
wiederum von der Temperatur des Brennstoffes. Bis etwa − 50 ◦ C sollte Flugzeugbrenn-
stoff problemlos pumpbar sein. Sinkt die Brennstofftemperatur unter diesen Wert bilden
sich erste Eiskristalle, die Filter oder Brennstoffdurchflussöffnungen aller Art verstopfen
können. Brennstoffadditive und die Nutzung des Brennstoffs zu Zwecken der Kühlung
1608 16 Triebwerkssysteme
außen innen
Abb. 16.36 Öffnungen zum Entwässern der Flugzeugtanks. Mit freundlicher Genehmigung der
Firma Airbus
in Wärmetauschern (z. B.: FOHE, Fuel/Oil Heat Exchanger) – also das Aufwärmen des
Brennstoffs – lindern die genannten Temperaturprobleme.
Ein leichtes und schnelles Starten eines Triebwerks hängt ganz maßgeblich von der
Zündfähigkeit des verwendeten Brennstoffs ab und diese wiederum von seinen zwei
folgenden Qualitätseigenschaften:
• Chemische Flüchtigkeit. Dies ist die Fähigkeit leicht zu verdampfen, insbesondere bei
niedrigen Temperaturen.
• Grad der Zerstäubung. Hängt von den Zerstäubern selbst – also von den Brennstoff-
düsen – ab, einem ausreichend hohen Brennstoffdruck und von der Viskosität des
Brennstoffs.
Eine hohe chemische Flüchtigkeit birgt aber die Gefahr der Dampfblasenbildung (Vapor
Pressure) oder des Siedens (Boiling) des Brennstoffes. Würden sich nämlich Dampfblasen
in den Brennstoffleitungen bilden, so käme es zu einer unerwünschten Unterbrechung des
Brennstoffflusses (Vapor Locking). Die Siedetemperatur von Kerosin fällt mit fallendem
Umgebungsdruck und liegt in großen Höhen bei etwa 160 ◦ C. Darüber hinaus hat Kerosin
einen geringen Dampfdruck von etwa 1 000 Pa, der damit deutlich unter dem Umge-
bungsdruck von ca. 22 000 Pa in 11 km Flughöhe liegt. Die Brennstofftemperatur in den
Flügeltanks hängt des Weiteren von der Flughöhe, der Flugzeugsteigrate, der Flugdauer,
der Nutzung zu Servo- und Kühlungszwecken und der Aufheizung der Flügeloberflä-
chen21 infolge aerodynamischer Reibung und Sonneneinstrahlung ab. Zur Vermeidung
oder Reduzierung des Siederisikos des Brennstoffs ist es üblich, die Flugzeugtanks über die
Ausgleichstanks (Abb. 16.32) mit Druck zu beaufschlagen. Dadurch wird über dem Brenn-
stoffspiegel stets ein Druckniveau aufgebaut, das bei allen für einen Flugbetrieb üblichen
21
Für Flugzeuge, die im Überschallflug operieren, kann es erforderlich werden, die Tanks zu
isolieren.
16.4 Brennstoffsystem bzw. Kraftstoffsystem 1609
Abb. 16.37 Sensoren zur Füllstands- und Temperaturmessung in Flugzeugtanks. Mit freundlicher
Genehmigung der Firma Airbus
22
Kapazitiv arbeitende Füllstandssensoren basieren auf dem Prinzip, dass zwei Platten (hier zwei
nach unten offene ineinander geschobene Rohre) einen elektrischen Kondensator bilden. Zwischen
den Platten (Rohren) steht der Brennstoff, dessen di-elektrische Konstante bekannt sein muss. Mit
einer sich verändernden Brennstoffhöhe in den Tanks ändert sich die elektrisch messbare Kapazität,
woraus auf die Füllstandshöhe geschlossen werden kann. Eine Boeing B737 hat insgesamt 26 solche
Füllstandssensoren. Größere Flugzeuge, wie z. B. die Boeing B777 hat 52 Sensoren. Um die Varia-
tionen bei den di-elektrischen Konstanten der verschiedenen Brennstoffsorten berücksichtigen zu
können, befindet sich in jedem Tank ein diesbezügliches Kompensatorelement.
23
Zur Messung wird von einem Sender vom Tankboden aus ein Ultraschallsignal zur Brennstof-
foberfläche gesandt. Das reflektierte Signal wird von einem ebenfalls am Tankboden installierten
Empfänger gemessen, der aus der Signallaufzeit die Brennstoffhöhe berechnet. Aus der so ermittel-
ten Höhe wird das Brennstoffvolumen berechnet und dann mittels Multiplikation mit der Dichte die
Brennstoffmasse.
1610 16 Triebwerkssysteme
Brennstoff von
Niederdruck
den Flugzeugtanks
Brennstoff-
Drainage pumpe
Tank
IDG-Öl ein
EEC
IDG IDG
FOHE Öl
Ejektor- hin Brennstoff für
FOHE
Überlauf
Brennstoff-
düsen
EEC Electronic Engine Control Elektronische Triebwerksregelung
FOHE Fuel/Oil Heat Exchanger Brennstoff/Öl-Wärmetauscher
FMU Fuel Metering Unit Brennstoff-Dosierungs-Einheit
FFM Fuel Flow Meter Brennstoff-Massenstrom-Messer
LPFF Low Pressure Fuel Filter Niederdruck-Brennstoff-Filter
HPFF High Pressure Fuel Filter Hochdruck-Brennstoff-Filter
(Unterfüllung) oder zu viel Brennstoff (Überfüllung) in die Tanks befindet. Oft wird auch
eine minimale Restmenge an Brennstoff in den Tanks benötigt, um damit die notwendi-
ge Kühlung einiger kühlungsintensiver Bauteile aufrechterhalten zu können. Auch dieses
wird überwacht.
16.4.2 Triebwerksbrennstoffsystem
Einen allgemeinen Überblick über das Brennstoffsystem eines Triebwerks gibt die
Abb. 16.38. Ein solches System besteht im Prinzip aus einem Niederdruck- und einem
Hochdruckkreislauf. Vom Flugzeugbrennstoffsystem wird der Brennstoff zur Nieder-
16.4 Brennstoffsystem bzw. Kraftstoffsystem 1611
Brennstoff/Öl-Wärmetauscher
Dualbrennstoff-
pumpeneinheit
Niederdruck-Brennstofffilter
Niederdruckkreiselpumpe Hochdruckzahnradpumpe
Abb. 16.39 Niederdruck- und Hochdruckbrennstoffpumpe in einer gemeinsamen Dualbrennstoff-
pumpeneinheit (Dual Fuel Pumps Unit), die sich unmittelbar vor dem Brennstoff/Öl-Wärmetauscher
(FOHE, Fuel Oil Heat Exchanger) und dem Niederdruckbrennstofffilter (LPFF, Low Pressure Fuel
Filter). Teilbilder mit freundlicher Genehmigung der Firmen Rolls-Royce, Lufthansa Technik AG
und MTU Maintenance
24
Kavitation (lateinisch cavitare = aushöhlen) ist die Bildung und Auflösung von Hohlräumen in
Flüssigkeiten durch Druckänderungen. Wenn örtlich die Brennstoffgeschwindigkeit so hoch ist,
dass der statische Druck unter den Verdampfungsdruck des Brennstoffs fällt, bilden sich lokale
Dampf- oder Gasblasen. Mit dem Ansteigen des statischen Drucks im weiteren Strömungsverlauf
kondensiert der Dampf in den Hohlräumen schlagartig. Dabei treten extreme Druck- und Tempera-
turspitzen auf, die die Materialoberflächen auf Dauer zerstören. Ein erhöhter Flüssigkeitsvordruck,
den die Niederdruckpumpe erzeugt, verhindert das lokale Abfallen des statischen Druckes unter
den Dampfdruck in der Hochdruckpumpe. Durch Widerstände, wie unzureichende Leitungsquer-
schnitte, Ventilkanten und Winkelverschraubungen wird turbulente Strömung erzeugt, die ihrerseits
ebenfalls zu Kavitation und Erosion führen kann.
1612 16 Triebwerkssysteme
Rückschlagventil
Ejektoreinströmung, Ejektorausströmung,
von der Niederdruck- zur Niederdruck-
pumpe kommend pumpe strömend
Strahlpumpe
Filter Ejektorpumpe
pe muss so ausgelegt sein, dass sie den Brennstoff auch unmittelbar aus den Flugzeugtanks
selbst ansaugen kann, für den Fall, dass die Brennstoffpumpen (Boost Pumps) in den
Tanks ausfallen sollten. Dazu wird die Pumpe durch eine Schraubenpumpeneinheit an
ihrem Eintritt leistungstechnisch unterstützt. Die Niederdruckpumpe wird häufig auch
dazu genutzt, einen Flüssigkeitsstrom (Unterdruck) für den Betrieb einer Strahlpumpe
(Ejektorpumpe) zu erzeugen, die Teil des Brennstoffdrainagesystems ist, Abb. 16.38 und
16.40. Der Flüssigkeitsstrom selbst entsteht durch den Druckunterschied hinter und vor
der Niederdruckpumpe. Der Brennstoff strömt dann durch eine Querschnittsverengung
einer Strahlpumpe, erzeugt dort einen Unterdruck und saugt damit Brennstoff aus dem
Drainagetank an (Ejektorwirkung). Brennstoff, der währende des Abstellens des Trieb-
werks aus den Brennstoffleitungen zurückfließt, wird in Drainagetanks aufgefangen. Die
Strahlpumpe fördert diesen Drainagebrennstoff bei einem späteren Triebwerksstart dann
unmittelbar vor den Eintritt der Niederdruckpumpe. Ist der Drainagesammeltank (fast)
geleert, verschließt ein Schwimmerventil den Abfluss aus dem Tank.
Der sich an die Pumpeneinheit im Niederdruckteil anschließende Brennstoff/Öl-
Wärmetauscher (FOHE, Fuel Oil Heat Exchanger) mit integriertem Brennstofffilter dient
auf der einen Seite dem Kühlen des Öls aus dem Triebwerkskreislauf und auf der anderen
Seite dem Vorwärmen und Filtern des Brennstoffs, Abb. 16.38 und 16.41. Der Brenn-
stoff fließt dabei auf einem Weg durch senkrecht angeordnete Röhren, während das Öl
von Platten gelenkt in zahlreichen Bahnen um die Röhren herumgeführt wird (Single
Fuel Pass/Multi Oil Pass Flow). Der Öldruck im FOHE ist stets höher als der Brennstoff-
druck, wodurch sichergestellt wird, dass im Falle einer Leckage der Brennstoff nicht ins
Öl gelangen kann. Würde das nämlich der Fall sein, so könnte Brennstoff über das Öl
16.4 Brennstoffsystem bzw. Kraftstoffsystem 1613
Brennstoffzufluss Brennstoffzufluss
vom Brennstoff-
Brennstoff/Öl-Wärmetauscher rücklaufsystem
Ölabfluss
Ölzufluss
Filterzufluss
FOHE
vom Brennstoff-
rücklaufsystem
Filter-Bypass
Ventil
LPFF
Filterelement
Brennstofffilter
Filter- Brennstoff-
Drainage- vorn Öltank
abfluss
Öffnung
in heiße Regionen des Triebwerks gelangen, sich dort möglicherweise entzünden und so
schließlich zu einem Feuer im Triebwerk führen. Der Zweck des anschließenden Einweg-
Brennstofffilters (Disposable) aus gewebten Glasfasern (Woven Glass Fiber) ist es, die weiter
stromab liegenden Baugruppen vor eventuellen Verunreinigungen und/oder Eispartikeln
im Brennstoff zu schützen. Die EEC (Electronic Engine Control) überwacht kontinuierlich
den Druckunterschied zwischen Filterein- und Filteraustritt, Abb. 16.38 und 16.42, und
kann so eine Warnung (Fuel Filter Clog) an die Cockpitbesatzung geben, falls es zu einem
Verstopfen des Filters kommen sollte. Die Warnung erscheint, wenn die Druckdifferenz
einen Wert von 5 psi (34 474 Pa ≈ 0.333 bar) überschreitet. Ein am Filter befindliches
Bypassventil öffnet, wenn eine Druckdifferenz von 15 psi (103 421 Pa ≈ 1 bar) über den
Filter entsteht, und lässt so den Brennstoff am Filter vorbeifließen. Damit ist zwar die
Filterung ausgeschaltet, aber es bleibt ein kontinuierlicher Brennstofffluss gewährleistet.
Die Filterdrainageöffnung dient entweder dazu, das Filtergehäuse bei einem Filterwechsel
zu entleeren oder aber eine Brennstoffprobe zu entnehmen.
Ein Teil des Brennstoffs hinter der Niederdruckbrennstoffpumpe wird auch dazu
genutzt, das Öl des Stromgenerators (IDG, Integrated Drive Generator) für die Flugzeu-
gelektrik zu kühlen. Dazu gibt es einen eigenen Generator-Brennstoff/Öl-Kühler (IDG
Fuel Oil Heat Exchanger), Abb. 16.38 und 16.43. Der Flugzeugstromgenerator hat einen
1614 16 Triebwerkssysteme
FOHE
Brennstoff- vorn
Differential-
druckschalter
LPFF
Brennstoff-
temperatur-
messfühler
vorn
vorn vorn
Brennstoff/Öl-
Br ennstoff/Öl-
K
Kühler
ühler f. d. Flug-
zeuggener
zeuggenerator
ator
Brennstoff/Öl-
Br ennstoff/Öl-
K ühler f. d. Flug-
Kühler
zeuggener ator
zeuggenerator
Abb. 16.43 Generator-Brennstoff/Öl-Kühler (IDG Fuel Oil Heat Exchanger) zum Kühlen des ei-
genständigen Ölkreislaufs des Flugzeugstromgenerators. Mit freundlicher Unterstützung der MTU
Maintenance in Hannover
eigenen, unabhängigen Ölkreislauf, der zum Schmieren und Kühlen des Generators dient.
Der Generator (fremderregte Synchronmaschinen mit Vollpolläufer, bürstenloser Erre-
gung und Ölkühlung) beinhaltet eine so genannte Constant Speed Drive (CSD), dies ist
ein hydraulischer Drehzahlwandler, der die im laufenden Betrieb nicht immer konstante
Triebwerksdrehzahl hydromechanisch in eine konstante Generatordrehzahl umsetzt. Die
Hydraulik dieser Constant Speed Drive (CSD) wird ebenfalls mittels des Öls im Generator-
Ölkreislauf bereitgestellt. Wenn die Öltemperatur des Generator-Ölkreislaufs überhitzen
sollte (> 185 ◦ C) und/oder der Öldruck (< 140 psi = 9.65 bar) abfällt, muss der Generator
durch Drücken des IDG Push Buttons von der Cockpitbesatzung vom Triebwerk abgekup-
pelt und die APU als Ersatzaggregat für die Flugzeugstromversorgung gestartet werden.
Ein erneutes Zuschalten des IDG ist dann nur wieder am Boden möglich.
An die Niederdruckpumpe schließt sich hinter dem zugehörigen Filter die Brennstoff-
hochdruckpumpe an. Meist ist diese Pumpe heute ein so genannte Zahnradpumpe (Gear
16.4 Brennstoffsystem bzw. Kraftstoffsystem 1615
Brennstoffverteiler und
vorn zurück-zum-Tank-Ventil
vorn
Pump), manchmal aber auch eine Tauchkolbenpumpe (Plunger-Type Pump). Eine Zahn-
radpumpe, Abb. 16.39 unten rechts, ist eine Pumpe mit konstanter Verdrängung, d. h.
bei jeder Umdrehung wird ein fester Volumenbetrag an Brennstoff geliefert, der äqui-
valent zum Volumen eines Zahnes der Pumpe ist. Eine Zahnradpumpe fördert also den
Brennstoff gleichmäßig und kann dabei Drücke von bis zu etwa 300 bar aufbauen. Die
Druckerhöhung erfolgt dadurch, dass die Pumpe kontinuierlich Brennstoff in die nachfol-
genden Brennstoffleitungen fördert und infolge dieses ununterbrochenen Nachförderns so
den Druck im Leitungssystem ansteigen lässt (externe Kompression). Der Druck stellt sich
also wie in jedem hydraulischen System durch das Fördern des Brennstoffs gegen eine Last
ein. Wächst die Last, steigt auch der Druck. Der erforderliche Mindestdruck (Last), den die
Pumpe liefern muss, hängt von den Druckverlusten zwischen Pumpe und Brennkammer
und vom Druck in der Brennkammer selbst ab. Um eine ausreichende Zerstäubung des
Brennstoffs in den Brennstoffdüsen zu erreichen, muss der Pumpendruck aber oberhalb
dieses Mindestdruckes liegen.
Die Hochdruckpumpe liefert – gemessen an den jeweiligen Erfordernissen – stets einen
Überschuss an Brennstoff. Das Mehr an Brennstoff, das nicht abgenommen wird, wird als
Überlauf (Spill) zurück in das Niederdruckbrennstoffsystem gespült. Die Zahnradpumpe
dissipiert einen Teil ihrer Antriebsenergie als Wärme in diesen Überlaufbrennstoff, ins-
besondere dann, wenn der Brennstoffbedarf des Treibwerks gering ist. Daraus ergeben
sich die Anforderungen an eine solche Hochdruckbrennstoffpumpe, nämlich dass sie in
der Lage ist, den minimalen und maximalen Brennstofffluss bei geringstmöglicher Erwär-
mung und minimiertem Überlauf (Spill) unter allen Betriebsbedingungen zu garantieren.
Der Überlaufbrennstoff wird zurück zu einer Verteileinrichtung am Brennstoff/Öl-Kühler
geführt, Abb. 16.44. Der Sinn und Zweck der Verteileinrichtung ist es, nach dem Starten
des Triebwerks erst einmal die Wärme im Brennstoff zu halten und deswegen den Brenn-
stoffüberlauf wieder in die kombinierte Kühler-Filter-Einheit zurückzugeben. Wenn das
Triebwerk aber warm gelaufen ist und der Brennstoff heißer wird, ist es eher wünschens-
1616 16 Triebwerkssysteme
Brennstoffdosiereinheit (FMU)
Brennstoffaustritt
SO d -a -
V) b-
(PR -un auf
Ka nal A
Ka C -
h)
llve ltu ffdr chl
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t
isc
Niederdruckpumpe
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Brennstoffeintritt
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Ho Bren
zu elekt
Dual-Brennstoffpumpeneinheit
vo
n
m
rn
Abb. 16.45 Die Dual-Brennstoffpumpeneinheit (Nieder- und Hochdruckpumpe) und die Brenn-
stoffdosiereinheit (FMU, Fuel Metering Unit) als kombinierte Einheit auf dem Hilfsgeräteträger
(Gearbox) unterhalb der Fansektion des Triebwerks. Mit freundlicher Genehmigung der IAE
wert, den Brennstoff wieder direkt in den Tank zurückzugeben. Die Verteileinheit enthält
deswegen eine temperatursensitive Komponente, wie z. B. einen Bi-Metall-Schalter, die ein
Ventil betätigt, das entweder zu heißen Brennstoff zurück in die Tanks fließen lässt oder
aber einen nur mäßig warmen Brennstoff mit dem von der Niederdruckpumpe gelieferten
„frischen“ Brennstoff mischt.
Unmittelbar an die Brennstoffhochdruckpumpe schließt sich die Brennstoffdosier-
einheit (FMU, Fuel Metering Unit) an, die direkt an der Pumpeneinheit montiert ist,
Abb. 16.45. Diese Einheit befindet sich unterhalb des Triebwerks (Fangehäuse) und ist am
Hilfsgeräteträger angeflanscht. Die Brennstoffdosiereinheit regelt den Brennstoffbedarf
des Triebwerks als Antwort auf die Anforderungen der Elektronischen Triebwerksregelung
(EEC). Darüber hinaus wird die FMU dazu genutzt, den Servodruck25 für die entfernt – am
25
Der Begriff Servohydraulik umfasst alle Anwendungen der Hydraulik, bei denen hydraulische
Komponenten in Regelkreisen eingesetzt werden. Wegen ihrer hohen Leistungsdichte kommt der
Hydraulik dabei die Rolle des Leistungsteils zu, während der Signalteil in aller Regel auf elektro-
nischem Wege realisiert wird. Die Zeiten, in denen die Reglerhardware selbst aus hydraulischen
bzw. pneumatischen Komponenten bestand, sind vorbei. Als geregelte Größen treten sowohl me-
chanische (Lage, Winkel, Geschwindigkeit, Drehzahl, Beschleunigung, Kraft, Moment) als auch
hydraulische Größen (Volumenstrom, Druck) auf, während die Führungssignale mechanischer,
pneumatischer oder hydraulischer, in der überwiegenden Mehrzahl aller Fälle jedoch elektrischer
16.4 Brennstoffsystem bzw. Kraftstoffsystem 1617
Die FMU hat damit drei Ventile (Fuel Metering Valve, Over Speed Valve, Pressure Raising
and Shut-Off Valve) mit denen sie ihre drei Hauptaufgaben erledigen kann: Dosieren des
Brennstoffs für die Brennstoffdüsen in der Brennkammer, Schutz der Triebwerkswellen
vor unzulässigen Überdrehzahlen und frei geben und schließen der Brennstoffzufuhr zum
Starten und Abstellen des Triebwerks. Die jeweils aktuelle Position jedes dieser Ventile
wird von der EEC überwacht (Feed-Back), sodass die EEC jederzeit weiß, dass die Ventile
sich auch in der Position befinden, die die EEC für die Schubregelung angefordert hat.
Natur sind. Aus diesem Grund muss die Lücke zwischen dem elektrischen Signalteil und dem
hydraulischen Leistungsteil durch einen geeigneten Umformer geschlossen werden.
26
Für ein Flugzeug und seine Besatzung ist die Kenntnis über die Brennstoffmasse wichtiger als die
Information über das Brennstoffvolumen, so wie es z. B. in der Automobiltechnik üblich ist. Die
Brennstoffmasse wird zur kontinuierlichen Bestimmung des tatsächlichen Flugzeuggewichts benö-
tigt, da ja z. B. im stationären Reiseflug die Flugzeuggewichtskraft auch immer im Gleichgewicht
zur Auftriebskraft steht. Im Cockpit erfolgt die Brennstoffanzeige deswegen auch in einer Massen-
einheit (Kilogramm) und nicht in einer Volumeneinheit (Liter), sodass stets Informationen zum
Höchstabfluggewicht bzw. zur Höchstabflugmasse (MTOW, Maximum Take Off Weight) bzw. zum
maximal zulässigen Landegewicht bzw. Landemasse (MALW, Maximum Allowable Landing Weight)
vorliegen.
1618 16 Triebwerkssysteme
vorn Brennstoff-
dosierein-
heit (FMU)
Brennstoff-
mengenmess-
einrichtung
Dual-Brennstoff- vorn
pumpeneinheit
vorn vorn
Brennstoffverteilventil
Brennstoff-
mengen-
messein-
richtung
Brennstoffdüsen
vorn vorn
Abb. 16.46 Das Triebwerksbrennstoffsystem von der Brennstoffpumpe über die Brennstoffdosier-
einheit (FMU Fuel Metering Unit), die Brennstoffmengenmessung (FFM Fuel Flow Meter) bis hin zu
den Brennstoffdüsen (Fuel Spray Nozzles). Mit freundlicher Unterstützung der MTU Maintenance
in Hannover
Die Abb. 16.47 zeigt den Brennstoffbedarf eines zivilen Turbofantriebwerks in Abhän-
gigkeit der Drehzahl der N2-Welle. Die Hochdruckpumpe (Hochdruckzahnradpumpe)
liefert stets mehr Brennstoff als tatsächlich benötigt wird, wobei der Brennstofffluss mit
steigendem Druck in der Brennkammer zurückgeht. Eine Hochdruckzahnradpumpe ist
eine Pumpe, die bei jeder Umdrehung – äquivalent zum Volumen eines Zahnes der Pumpe
– einen festen Volumenbetrag an Brennstoff liefert. Die Druckerhöhung erfolgt dadurch,
16.4 Brennstoffsystem bzw. Kraftstoffsystem 1619
4.9 pPumpe−pBrennkammer
0 bar
Brennstoff, den die Pumpe
Brennstoffmassenstrom [kg/s]
4.2 20 bar
in Abhängigkeit des Ge-
70 bar
3.5 gendrucks in der Brenn-
kammer liefert
2.8
2.1
1.4
tatsächlicher Brennstoffbedarf
0.7 des Triebwerks
0.0
0 25 50 75 100
N2-Drehzahl [%]
Abb. 16.47 Typischer Verlauf des Brennstoffmassenstroms über der N2-Wellendrehzahl für ein
ziviles Turbofantriebwerk in Abhängigkeit verschiedener Gegendrücke in der Brennkammer
27
Hierbei handelt es sich um eine sog. äußere Verdichtung, d. h., die Verdichtung findet nicht in
der Pumpe selbst statt (innere Verdichtung), sondern im nachfolgenden „Verbraucher“. Bei der
äußeren Verdichtung wird kontinuierlich Masse in ein „Verbrauchersystem“ gedrückt und dadurch
der Druck erhöht, ähnlich wie bei einem Menschen, der einen Luftballon aufbläst.
28
Ein Drehmoment- oder Torquemotor ist ein getriebeloser Direktantrieb mit sehr hohen
Drehmomenten und relativ kleinen Drehzahlen.
1620 16 Triebwerkssysteme