Professional Documents
Culture Documents
Selbstregulation ist in der Psychologie ein Sammelbegriff für all diejenigen Fähigkeiten, mit denen Menschen ihre Aufmerksamkeit,
Emotionen, Impulse und Handlungen steuern. Dabei kann es sich sowohl um bewusste als auch unbewusste psychische Vorgänge
handeln.
Inhaltsverzeichnis
Allgemeine Definition
Funktionen der Selbstregulation
Bei psychischen Erkrankungen
Psychologische Theorien
Grundlagen
Modell nach Kanfer
Andere Modelle
Neurobiologische Befunde
Siehe auch
Literatur
Weblinks
Einzelnachweise
Allgemeine Definition
Selbstregulation umfasst unter anderem den mentalen Umgang mit den eigenen Gefühlen und Stimmungen (siehe
Emotionsregulation) und die Fähigkeit, Absichten durch zielgerichtetes und realitätsgerechtes Handeln zu verwirklichen
(Umsetzungsstärke oder Willenskraft). Auch die Kompetenz, kurzfristige Befriedigungswünsche längerfristigen Zielen
unterzuordnen (Belohnungsaufschub) gehört dazu. Eine hoheSelbstwirksamkeitserwartungkann dabei unterstützend wirken.
Gut ausgeprägte Fähigkeiten zur Selbstregulation setzen (im neuropsychologischen Sprachgebrauch) intakte exekutive Funktionen
voraus. Die Begriffe Selbstregulation undSelbstkontrolle werden meistens als Synonyme verwendet, die das gleiche bezeichnen.
Ronald Grossarth-Maticek definiert Selbstregulation als „eine permanente, flexible, bedürfnisorientierte Eigenaktivierung in Bezug
auf den Körper und die physische und soziale Umwelt mit dem Ziel, dort Bedingungen und Zustände zu erreichen, die sowohl eine
kurzzeitige Bedürfnisbefriedigung ermöglichen als auch eine Selbstorganisation derart stabilisieren, dass eine Entwicklung und
fektive Problemlösung gewährleistet wird.“[1]
Integration unterschiedlicher Bereiche für eine ef
Psychologische Theorien
Grundlagen
Selbstregulation wird häufig als Synonym für Volition oder Willenskraft verwendet. Das Prinzip der Selbstregulierung wurde aus den
Paradigmen der Homöostase und Kybernetik unter anderem durch Frederick Kanfer, Paul Karoly und Albert Bandura in den 1970er
Jahren entwickelt.
Das Grundprinzip der Regelung (im Vergleich zur Steuerung) basiert auf der Rückmeldung der Abweichung des Sollwertes vom
Istwert, damit das System das angesteuerte Ziel erreichen kann. Rainer Klinke und Co-Autoren[3] veranschaulichen diesen
Zusammenhang an folgendem Beispiel: Mit Steuerung ist das gemeint, was ein Seemann macht, wenn er das Schiff in die
Himmelsrichtung steuert, in der das Ziel liegt. Das ist allerdings nur in dem wenig realistischen Fall möglich, in dem keine störenden
Hindernisse, Strömungen und veränderte Windrichtungen auftreten. Vielmehr muss der Kapitän wiederholt die tatsächliche mit der
gewünschten Position vergleichen und so den Kurs korrigieren. Diese Ergänzung der Steuerung durch Rückmeldung des Erreichten
nennt man Regelung. Erfolgt die Vorgabe des Sollwertes von außen, muss sich das System durch eine Verhaltensänderung anpassen,
es muss lernen. Eine andere Form des Lernens liegt vor, wenn Systeme ihre Sollwerte aus der Veränderung des Umfeldes ableiten.
Dazu benötigen sie einen Speicher bzw. ein Gedächtnis für Erfahrungen, den sie für künftiges Verhalten nutzen. Somit umfasst der
Begriff Selbstregulierung nach Eran Magen und aJmes Gross die Fähigkeiten,
Ein Spezialfall der Selbstregulation ist die Selbstkontrolle. Diese wird nach Kanfer angewandt, wenn es sich um
Verhaltensalternativen handelt, die für die Person konflikthaft sind, und sie – ohne äußeren Druck – die Verhaltensalternative mit der
geringeren Auftretenswahrscheinlichkeit wählt (z. B. Ablehnen einer Zigarette trotz Verlangen danach). Hierbei wird nicht ein
Persönlichkeitsmerkmal („Willenskraft“) beschrieben, sondern ein spezifisches Verhalten in einer bestimmten Situation. Bei der
Auslösung und der Aufrechterhaltung des Verhaltens spielen jedoch sowohl innere Aspekte (wie z. B. Motivation, körperliche
[5] S. 41–43.
Faktoren) als auch Umgebungsfaktoren (z. B. gesellschaftliche Normen) eine große Rolle.
Das Modell der Selbstregulation bildet eine wichtige theoretische Basis der von Kanfer entwickelten Selbstmanagement-Therapie.[5]
S. 43.
Andere Modelle
Das Belohnungsaufschubs-Paradigmavon Mischel
Theorie der Selbstregulationnach Bandura
PSI-Theorie nach Kuhl
In Fritz Heiders Balancetheorie besagt das homöostatische Prinzip, dass Personen ihre Einstellungen je nach
Zuneigung/Abneigung an ihren Kommunikationspartner angleichen bzw . nicht.
Die Gestalttherapie geht davon aus, dass der menschliche Organismus in der Lage ist, innerhalb seiner Umgebung
(des „Feldes“) alle Prozesse, die zu seiner Erhaltung und für sein W
achstum wichtig sind, selbst zu regulieren. Dabei
greift die Gestalttherapie auf Ergebnisse derGestaltpsychologie und auf die Arbeiten des NeurologenKurt Goldstein
zurück und überträgt sie auf den Bereich des Organismus. Goldstein betont, dass für den Organismus in der
Auseinandersetzung mit der Umwelt die Notwendigkeit besteht, dass „jede, durch die Umweltreize gesetzte
Veränderung des Organismus ineiner bestimmten Zeit sich wieder ausgleicht, so dass der Organismus wieder in
jenen ,mittleren‘ Zustand der Erregung, der seinem W [6]
esen entspricht, diesem ,adäquat‘ ist, zurückgelangt.“
Neurobiologische Befunde
Die Fähigkeit zum Belohnungsaufschub wurde beim Menschen durch Vergleich von Ausfällen nach Gehirnverletzungen (z. B.
Schlaganfall) und durch bildgebende Verfahren bei Gesunden untersucht. Beteiligt ist demnach ein Netzwerk verschiedener
Gehirnregionen, bei dem jedoch der mediale orbitofrontale Cortex (mOFC) eine zentrale Rolle spielt. Schäden in diesem Bereich
führen zu einer höheren Wahrscheinlichkeit, dass eine sofortige, kleine Belohnung gewählt wird. Es wird vermutet, dass dieser
Gehirnbereich an der Folgenabschätzung oder zukunftsbezogenem oVrstellungsvermögen beteiligt ist.[7]
Siehe auch
Autonomie (Selbstbestimmung)
Selbstbildung (Selbsterziehung)
Selbstdisziplin (Selbstbeherrschung)
Selbsterkenntnis
Selbstmotivation
Frustrationstoleranz
Literatur
Roy F. Baumeister, Kathleen D. Vohs (Hrsg.): Handbook of Self-Regulation.Guilford Press, 2004.
C. Eichhorn: Souverän durch Self-Coaching. Ein Wegweiser nicht nur für Führungskräfte.Vandenhoeck & Ruprecht,
Göttingen, 2002, ISBN 3-525-49004-6.
Peter Geißler (Hrsg.): Was ist Selbstregulation? Eine Standortbestimmung. Psychosozial-Verlag, Gießen 2004.
Ronald Grossarth-Maticek: Selbstregulation, Autonomie und Gesundheit. Krankheitsfaktoren und soziale
Gesundheitsressourcen im sozio-psycho-biologischen System.Walter de Gruyter, 2003, ISBN 3-11-017495-2.
F. H. Kanfer, H. Reinecker, D. Schmelzer: Selbstmanagement-Therapie: Ein Lehrbuch für die klinische Praxis.5.,
korr. und durchges. Auflage. Springer, Berlin/ New York 2012, ISBN 978-3-642-19365-1.
Walter Mischel: Der Marshmallow-Test: Willensstärke, Belohnungsaufschub und die Entwicklung der Persönlichkeit .
Deutsche Übersetzung von Thorsten Schmidt. Siedler e Vrlag, München 2015, ISBN 978-3-641-11927-0.
Weblinks
Stichwort: Selbstregulierung (Lexikon der Gestalttherapie)
Einzelnachweise
1. Ronald Grossart-Maticek:Selbstregulation, Autonomie und Gesundheit. Krankheitsfaktoren und soziale
Gesundheitsressourcen im sozio-psycho-biologischen System.Walter de Gruyter, 2003, ISBN 3-11-017495-2, S. 38.
2. Christian Reimer u. a.:Psychotherapie. 3. Auflage. Heidelberg 2007.
3. R. Klinke, H.-C. Pape, S. Silbernagl (Hrsg.):Physiologie. 5. Auflage. Stuttgart/ New York 2005.
4. Eran Magen, James Gross:The cybernetic process model of self-control.und Paul Karoly: Goal systems and self-
regulation. In: Rick H. Hoyle (Hrsg.):Handbook of Personality and Self-Regulation.Blackwell Publishing, 2010.
5. F. H. Kanfer, H. Reinecker, D. Schmelzer: Selbstmanagement-Therapie. 3. Auflage. Springer, Berlin 2000, ISBN 3-
540-66446-7.
6. Goldstein: Aufbau des Organismus.1934, S. 75.
7. Manuela Sellitto, Elisa Ciaramelli, Giuseppe di Pellegrino:The neurobiology of intertemporal choice: insight from
imaging and lesion studies. In: Reviews in the Neurosciences. Band 22, Nr. 5, 2011, ISSN 0334-1763 (http://zdb-kat
alog.de/list.xhtml?t=iss%3D%220334-1763%22&key=cql) , S. 565–574, doi:10.1515/RNS.2011.046(https://doi.org/1
0.1515%2FRNS.2011.046), PMID 21967518.
Diese Seite wurde zuletzt am 22. Februar 2018 um 11:15 Uhr bearbeitet.
Der Text ist unter der Lizenz„Creative Commons Attribution/Share Alike“verfügbar; Informationen zu den Urhebern und
zum Lizenzstatus eingebundener Mediendateien (etwa Bilder oder ideos)
V können im Regelfall durch Anklicken dieser
abgerufen werden. Möglicherweise unterliegen die Inhalte jeweils zusätzlichen Bedingungen. Durch die Nutzung dieser
Website erklären Sie sich mit denNutzungsbedingungenund der Datenschutzrichtlinie einverstanden.
Wikipedia® ist eine eingetragene Marke der Wikimedia Foundation Inc.