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Diplomarbeit zum Thema:

Inflation Targeting in Mexiko und Brasilien

Graikowski, Bruno J.
9. Fachsemester,
Regionalwissenschaften Lateinamerika
Graeffstr. 3
50823 Köln, 29.05.2002
e-mail: bruno@graikowski.de
Tel.:0221-4202064
ii

Inflation Targeting in Mexiko und Brasilien

Seite
Abkürzungsverzeichnis......................................................................................................iv
Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen.....................................................................v

I. EINLEITUNG...................................................................................................................1

II. DAS KONZEPT DES INFLATION TARGETING....................................................2

II.1 Einführung.....................................................................................................................2
II.2 Kosten der Inflation......................................................................................................3
II.3 Konzept: Rules vs. Discretion......................................................................................5
II.4 Institutionelle Merkmale..............................................................................................6
II.4.1 Zentralbankverfassung .......................................................................................7
II.4.2 Design des Inflation Targeting Regimes.............................................................9
II.4.3 Glaubwürdigkeit und Transparenz....................................................................12
II.5 Operationelle Merkmale.............................................................................................13
II.5.1 Inflationsprognosen...........................................................................................14
II.5.2 Geldpolitische Transmissionskanäle.................................................................16
II.5.3 Durchführung der geldpolitischen Strategie.....................................................18
II.6 Bewertung....................................................................................................................19

III. MEXIKO......................................................................................................................20

III.1 Empirische Bedingungen des Übergangs................................................................21


III.1.1 Gezwungener Übergang zum Floating............................................................21
III.1.2 Entwicklung Richtung Inflation Targeting......................................................25
III.2 Institutionelle Merkmale...........................................................................................28
III.3 Grundmodell und operationelle Merkmale............................................................32
III.4 Empirische Bedingungen unter Inflation Targeting..............................................34
III.5 Bewertung und Ausblick...........................................................................................37

IV. BRASILIEN.................................................................................................................39
iii

IV.1 Empirische Bedingungen des Übergangs................................................................40


IV.1.1 Von wechselkursorientierter Stabilisierung zum Floating..............................40
IV.1.2 Übergang zum Inflation Targeting..................................................................42
IV.2 Institutionelle Merkmale...........................................................................................45
IV.3 Grundmodell und operationelle Merkmale.............................................................50
IV.4 Empirische Bedingungen unter Inflation Targeting..............................................53
IV.5 Bewertung und Ausblick...........................................................................................60

V. VERGLEICH UND PROBLEMATISIERUNG........................................................62

LITERATURVERZEICHNIS.........................................................................................63

ANHANG...........................................................................................................................67
iv

Abkürzungsverzeichnis
BCB Banco Central do Brasil Brasilianische Zentralbank
BM Banco de México Mexikanische Zentralbank
CMN Conselho Monetário Nacional Nationaler Währungsrat
COPOM Comitê de Política Monetária do Banco Geldpolitisches Komitee der
Central do Brasil Brasilianischen Zentralbank

DEBAN Departamento de Operações Bancárias Abteilung für Bankgeschäfte


DEMAB Departamento de Operações do Mercado Abteilung für
Aberto Offenmarktoperationen
DEPEC Departamento Ecomômico Volkswirtschaftliche
Abteilung
DEPEP Departamento de Estudos e Pesquisas Abteilung für Studien und
Forschung
DEPIN Departamento de Operações das Reservas Abteilung für Operationen
Internacionais mit Internationalen
Währungsreserven
EWU Europäische Währungsunion
EZB Europäische Zentralbank
IBGE Instituto Brasileiro de Geografia e Nationales brasilianisches
Institut für Geographie und
Estatística Statistik
INEGI Instituto Nacional de Estatística, Nationales mexikanisches
Institut für Statistik,
Geografia e Informática Geographie und Informatik
INPC Indice Nacional de Precios al Consumidor mexikanischer
Verbraucherpreisindex
IPCA Índice de Preços ao Consumidor Amplo Brasilianischer
Verbraucherpreisindex
IWF/IMF International Monetary Fond Internationaler
Währungsfonds
M$ Peso mexicano Mexikanische Währung
R$ Real bzw. Reais Brasilianische Währung
Selic Sistema Especial de Liquidação e Brasilianischer Leitzinssatz
Custódia
US$ US-Dollar US-amerikanische Währung
VPI Verbraucherpreisindex
v

Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen

Seite

ABBILDUNG 1: TRANSMISSIONSMECHANISMEN................................................17

ABBILDUNG 2: INFLATIONSRATE IN MEXIKO (IN % ÜBER DIE LETZTEN 12


MONATE)...........................................................................................................................22

ABBILDUNG 3: WECHSELKURS M$-US$ VON 1994-2002......................................24

ABBILDUNG 4: INFLATIONSRATE INPC (IN % ÜBER DIE LETZTEN 12


MONATE) UND INFLATIONSZIELE...........................................................................30

ABBILDUNG 5: MONATLICHER INPC (1995-2002, MIT TREND).........................35

ABBILDUNG 6: TÄGLICHE ZINSEN CETES (1996-2002)........................................36

ABBILDUNG 7: MONATLICHE INFLATIONSRATEN (IPCA) IN BRASILIEN. .41

ABBILDUNG 8: WECHSELKURS R$/US$...................................................................43

ABBILDUNG 9: INFLATIONSRATE IPCA (% ÜBER DIE LETZTEN 12


MONATE)...........................................................................................................................48

ABBILDUNG 10: ENTWICKLUNG DES SELIC.........................................................53

ABBILDUNG 11: MONATLICHE INFLATIONSRATEN (IPCA) VON JANUAR


1998......................................................................................................................................55

ABBILDUNG 12: DEKRET NR. 3088 VOM 21. JUNI 1999.........................................68


vi

ABBILDUNG 13: ORGANISATIONSDIAGRAMM DER BRASILIANISCHEN


ZENTRALBANK...............................................................................................................69

ABBILDUNG 14: RESOLUTION 2615 DER CMN.......................................................70

TABELLE 1: MERKMALE DER ZENTRALBANKVERFASSUNG VON


INFLATION TARGETING LÄNDER..............................................................................8

TABELLE 2: ZUSAMMENFASSUNG DER INFLATIONSPROGNOSEN DER


COPOM AUS DEN INFLATIONSREPORTEN............................................................71
Einleitung 1

I. Einleitung
Bis heute haben die lateinamerikanischen Länder kaum positive Erfahrungen in der
Geldpolitik gemacht. Die Volkswirtschaften in dieser Region sind durch extreme Episoden
von monetärer Instabilität gegangen, die von sehr hohen Inflationsraten, massiven
Kapitalfluchten und Zusammenbrüchen der Finanzsysteme gekennzeichnet waren. Das
heutige Erscheinungsbild dieser Länder, im Betreben ökonomische Stabilität zu schaffen,
spiegelt sich in einem Umfeld mit geringer Glaubwürdigkeit, mit langsamen Wachstum
und wiederkehrenden Rezessionen wider. In den lateinamerikanischen Ländern muss eine
Kontrolle der Inflation – als bedeutender Faktor für Wachstum – über eine konsistente
geldpolitische Strategie erfolgen.
Auf der Suche nach der optimalen Geldpolitik für ein Staat in dieser Region werden in der
wirtschaftwissenschaftlichen Forschung hauptsächlich die beiden sich gegenüberliegenden
Pole, vollständige Bindung an eine andere Währung oder deren Übernahme auf der einen
und System flexibler Wechselkurse auf der anderen Seite diskutiert. Bei der ersten
Variante findet eine unabhängige Geldpolitik so gut wie nicht statt, bei der zweiten ist sie
indes von einer entscheidenden Bedeutung. Jedoch sollte man nicht nur den Rahmen auf
feste und flexible Wechselkurse beschränken, sondern die Betrachtung auf drei verschiede
langfristige Konzepte von Geldpolitik erweitern: Geldmengenziel, Wechselkursziel und
eben ein Inflationsziel (Inflation Targeting). Da es jedoch kein perfektes Konzept für die
Geldpolitik gibt, muss sich die Untersuchung auf die Abwägung der Vor- und Nachteile
konzentrieren, wobei die bisherigen Erfahrungen, auch die der Industrieländer, dann in die
Untersuchung mit einbezogen werden.
Besondere Rolle der Emerging Market Länder, deren Besonderheit in Einzelfall genauer
herausgearbeitet wird.
Alle Kapitel lassen sich selbständig und unabhängig voneinander lesen, wobei jedoch im
V. Kapitel eine vergleichende Analyse der beiden Beispiele für Inflation Targeting erfolgt.

Eigene arbeit explizit darstelle, wenig Forschungsarbeiten, darauf angewiesen, Inhalt


zusammen gesucht, vergleich bisher nicht da!
Das Konzept des Inflation Targeting 2

II. Das Konzept des Inflation Targeting

II.1 Einführung
Mit der Ausbreitung von Inflation Targeting in den letzten dreizehn Jahren begann eine
neue Entwicklung in der Geldpolitik der Zentralbanken. Neuseeland war der erste Staat,
der Inflation Targeting offiziell im Jahre 1989 einführte. Von hier wurde das neue
geldpolitische Konzept nach und nach in anderen Industrieländern übernommen. Der
erfolgreiche Aufstieg von einer Theorie zu einer in der Praxis getesteten Konzeption
machte Inflation Targeting nun auch für Schwellenländer interessant. Mit den Erfahrungen
der Zentralbanken, welche Inflation Targeting in ihren Ländern eingeführt haben, hat man
in den vergangenen dreizehn Jahren sowohl viel über die Implementierung und das Design
des neuen geldpolitischen Konzeptes gelernt, als auch über die tatsächlichen
geldpolitischen Handlungen unter einem solchen Konzept. (Grafik über Einführung in
anderen Ländern? Schaechter et al., Mishkin und Hebbel) in den Anhang.
Bei der Betrachtung der empirischen Literatur über die weltweiten Erfahrungen mit
Inflation Targeting filtern Mishkin und Hebbel (2001) einige ausgewählte und vorläufige
Ergebnisse heraus, die in ihren Augen die erzielten Erfolge durch Inflation Targeting
aufzeigen:
• Die Unabhängigkeit der Zentralbank ist durch Inflation Targeting
wiederhergestellt.
• Kommunikation, Transparenz und Glaubwürdigkeit werden durch Inflation
Targeting wiederhergestellt.
• Inflation Targeting half den Ländern die Inflationsrate zu senken (jedoch nicht
unter das Niveau von Industrieländern, die nicht Inflation Targeting verfolgen).
• Inflation Targeting hat sich als günstig erwiesen bei widrigen Schocks.
• Inflation Targeting half „in reducing sacrifice ratios and output volatility”, zu
einem Niveau, der dem in Ländern mit einer anderen geldpolitischen Konzeption
nah kam.
• Inflation Targeting half wahrscheinlich bei der Steuerung der Inflationserwartungen
und bei der Handhabung von Inflationsschocks.
• Geldpolitik ist unter Inflation Targeting insofern flexibel wie sie Inflationsschocks
systematisch antwortet und vorrübergehenden Inflationsschocks, die nicht das
mittelfristige Inflationsziel gefährden, gelassen entgegen sehen kann.
Das Konzept des Inflation Targeting 3

• Geldpolitik unter Inflation Targeting ist eindeutig mehr fixiert auf die Kontrolle der
Inflation.1
Nun haben wir schon kurz einen Blick auf die Vorteile von Inflation Targeting geworfen,
jedoch bleibt zuerst die Frage nach dem Sinn die Inflation über alle anderen monetären
Ziele zu stellen.

II.2 Kosten der Inflation


Unter Inflation versteht man einen Prozess mehrjähriger Preisniveauerhöhungen. Inflation
verursacht in vielerlei Hinsicht gesamtwirtschaftliche Wohlfahrtseinbußen und ihre
schädlichen Effekte sind umso gravierender, je größer die Antizipationsfehler der
Wirtschaftssubjekte sind. Diese Antizipationsfehler passieren häufiger, wenn eine hohe
Inflationsrate zusätzlich noch eine starke Volatilität aufweist.
Der private Sektor bildet sich Inflationserwartungen, von denen er dann seine zukünftigen
Planungen abhängig macht. Das betrifft alle wirtschaftlichen Handlungen, die er
vornehmen kann, egal ob Investition, Ersparnisbildung, Konsum etc. Bei einer hohen
Fehlerquote bei der Antizipation der zukünftigen Inflationsrate sind die Entscheidungen
des privaten Sektors falsch oder zurückhaltend, was zu gesamtwirtschaftlichen
Wohlfahrteinbußen führt.
2
Im Folgenden sind einige gesamtwirtschaftlich, nachhaltige Wirkungen unsteter Inflation
zusammengefasst:
1. Inflationsprozesse beeinträchtigen die Informationsfunktion der Marktpreise.
Hierdurch können Veränderungen der relativen Preise kaum erkannt werden, was
Knappheitssignale verzerrt. Diese Allokationsverzerrungen bringen gerade in
langfristiger Perspektive Wohlfahrteinbußen mit sich, da sie das reale
Wirtschaftswachstum im Vergleich zu einer Referenzsituation mit beständiger
Preisniveaustabilität hemmen.
2. Die Informationsfähigkeit der Markpreise veraltet wesentlich schneller als bei
Preisniveaustabilität. Zusammen mit der Beeinträchtigung der Informations-
funktion erhöht sich die Unsicherheit im Wirtschaftsprozess. Zudem verschwendet
die Beschaffung und Verarbeitung von aktuellen Informationen Ressourcen.
3. Inflation beeinträchtigt die Wertaufbewahrungsfunktion des Geldes, was eine
Wohlfahrtseinbuße der Geldverwender bedeutet.

1
Vgl. Mishkin, F., Schmidt-Hebbel, K., One Decade of Inflation Targeting in the world: What Do We Know
and What Do We Need to Know?, Banco Central de Chile, Documentos de Trabajo N° 101, Juli 2001, S.8 ff.
2
Das Folgende nach: Glaß, S., Für ein direktes Preisniveauziel in der Geldpolitik, Köln 1996, S. 15f.
Das Konzept des Inflation Targeting 4

4. Inflation verschärft die Wirkung der Einkommenssteuerprogression, da


Steuerpflichtige schneller in höhere Steuerklassen geraten, was wiederum einen
Steuergewinn für den Staat bedeutet.
5. Wenn sich die Nominalzinsen vor Steuern in einen Inflationsprozess nicht
anpassen, was zu niedrigen oder sogar negativen Realzinsen und Steuern führen
kann, so hat dies zwei negative Auswirkungen: (a) es bildet einen Anreiz zur
Hinterziehung von Steuern und veranlasst (b) die Wirtschaftssubjekte sich in
Sachwerte zu flüchten.
6. Inflationsprozessen erschweren die private Vorsorge, was nach einer staatlichen
Aktivität bei der sozialen Sicherung verlangt, die als wohlfahrtsstaatlicher
Interventionismus gegen die ökonomische Effizienz verläuft.
7. Eine Inflationsrate mit hoher Volatilität führt oftmals zu gravierender
Umverteilung von Einkommen und Vermögen.
8. In westlichen Industrieländern besteht einer der schlimmsten Effekte der Inflation
darin, dass sich der Verteilungskampf zwischen Gewerkschaften und den
Arbeitgebern verschärft und dadurch mittel- und langfristig zum erheblichen
Anstieg der unfreiwilligen Arbeitslosigkeit beiträgt.

„Wenn man sämtliche in den vorstehenden 8 Punkten beschriebenen


volkswirtschaftlich nachteilige Wirkungen von Inflationsprozessen, in denn
die Inflationsraten erheblich schwanken und von den Wirtschaftssubjekten
nicht korrekt antizipiert werden können, zusammenfasst, ist eindeutig
festzustellen, dass unstetige Inflationsprozesse langfristig Schäden für die
Gesamtwirtschaft hervorrufen. Deshalb wäre es sinnvoll, Inflation von
vornherein zu vermeiden, so dass weder die Kosten der Inflation noch die
Kosten der Inflationsbekämpfung anfielen. Es stellt sich nun die Frage, mit
welcher geldpolitischen Strategie das Ziel der Preisniveaustabilität am
besten erreicht werden kann.“3

Die Grundidee des Inflation Targeting fußt auf dem heute in der Volkswirtschaft allgemein
akzeptierten Konsens, dass eine niedrige und stabile Inflationsrate für ein Wachstum aus
dem Markt heraus wichtig ist, was die Analyse der gesamtwirtschaftlichen Kosten eines
unstetigen Inflationsprozesses zeigt. So ist die Stabilität des Preisniveaus eins der vier
Ziele der Wirtschaftspolitik. Die Hauptverantwortung für die Geldwertstabilität trägt die
Zentralbank, an die gewisse institutionelle und operationelle Anforderungen gestellt
werden müssen, damit das Ziel auch erreichbar ist. Zusätzlich sind sich heute die
Makroökonomen einig, dass die Inflationsrate die einzige Größe ist, die in der langen Frist

3
Glaß (1996), S. 26.
Das Konzept des Inflation Targeting 5

durch Geldpolitik steuerbar ist, während sie in der kurzen Frist fähig ist, Fluktuationen in
der Wirtschaft zu stabilisieren. Außerdem ist eine niedrige und stabile Inflationsrate
wichtig – vielleicht sogar notwendig –, um die anderen makroökonomischen Ziele der
Wirtschaftspolitik zu erreichen.
Das Inflationsziel dient als nominaler Anker der Volkswirtschaft, der sowohl die
Erwartungen lenken kann, aber zudem als Meßlatte zur Beurteilung der Politik der
Zentralbank dienen kann.

II.3 Konzept: Rules vs. Discretion


In der Theorie wird auch bei den geldpolitischen Strategien zwischen einer Regelbindung
und einem diskretionären Verhalten unterschieden. Nach Meinung von Bernake et al.
(1999) lässt sich diese Dichotomie in der Praxis der Zentralbank nicht anwenden: „there is
no such thing in practice as an absolute rule for monetary policy“4. Außerdem – wenn es
so wäre – fände eine Regelbindung auf die Inflation keine große Unterstützung in der
Öffentlichkeit und unter Makroökonomen. Würde man Inflation Targeting als eine Regel
im klassischen Sinn auffassen, so wäre das Inflation Targeting Konzept entscheidender
Kritik unterworfen. Die Geldpolitik müsste sich dann ausschließlich darauf beschränken,
die Inflation zu kontrollieren, was wenig Zuspruch erhalten würde. Eine einseitige
Ausrichtung der Geldpolitik auf ein Inflationsziel – die Regierungen und die
Zentralbanken kümmern sich jedoch auch um Produktion, Arbeitslosigkeit, Wechselkurse
und andere Variablen außer der Inflation – könnte zu einer schlechten wirtschaftlichen
Entwicklung führen.
Warum ist Inflation Targeting keine Regel für die Zentralbank? Das Konzept des Inflation
Targeting bietet außer dem Inflationsziel keine einfachen operationellen Anweisungen für
die Zentralbank. Hier ist die Zentralbank auf sich alleine gestellt und muss mit Hilfe einer
breiten Informationslage die wirtschaftlichen Daten auswerten und in verschieden
strukturellen Modellen verwenden, um das Ziel der Preisniveaustabilität, oder das
entsprechende Inflationsziel, zu erfüllen.
In der Weise, wie Inflation Targeting im Moment von Zentralbanken verwendet wird,
ermöglicht diese Strategie der Zentralbank einen überschaubaren diskretionären
Handlungsspielraum. Hier trifft die aktivistische Regel zu, die ein Endziel bietet (in diesem
Fall Preisniveaustabilität in einem hinreichend definierten Sinne), jedoch freie Hand lässt,
beim konkreten Einsatz der geldpolitischen Instrumente. Die freie Wahlmöglichkeit der
Instrumente gibt der Zentralbank die Gelegenheit, auf Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt,
auf Wechselkursschwankungen und auf andere kurzfristige Phänomene zu reagieren.
4
Bernake et al. 1999, S. 5.
Das Konzept des Inflation Targeting 6

“Like a real-life anchor, inflation targets keep the economic ship in the
desired area in the long term, while permitting it to respond in the short run
to unpredictable swells and currents. Less fancifully, we see the inflation-
targeting framework as serving two important functions: (1) improving
communication between policy-makers and the public, and, not unrelatedly,
(2) providing discipline and accountability in the making of monetary
policy.”5
Die meisten Kosten der Inflation entstehen nicht durch die Unsicherheit über die Höhe der
Inflationsrate, sondern durch die Unsicherheit in den Schwankungen der Inflationsrate. Die
Bekanntmachung des Inflationszieles bringt die Intention der Zentralbank zum Ausdruck,
als eine Richtlinie für die Finanzmärkte und die Öffentlichkeit. Sie hilft so, die
Unsicherheit des zukünftigen Inflationsverlauf zu minimieren. Wenn die Intention der
Zentralbank hinter ihren Handlungen nicht eindeutig ist, verstärkt dies die Volatilität an
den Finanzmärkten. Wenn jedoch die Zentralbank ihre mittelfristigen Intentionen ihrer
Geldpolitik explizit darstellt, hilft das nicht nur dem privaten Sektor seine Planungen zu
verbessern, sondern auch die öffentliche Debatte über die diskretionäre Politik der
Zentralbank aufzufrischen, die die Glaubwürdigkeit der Zentralbank erhöht. Hier spielt
auch die Transparenz der geldpolitischen Maßnahmen der Zentralbank eine große Rolle –
die Transparenz wird auch von anderen monetären Strategien verlangt –, da sie im Falle
von Inflation Targeting das Ziel der Maßnahmen leichter zu verstehen und
nachzuvollziehen ist. Es handelt sich dabei um die Vorhersage der Inflation, die der breiten
Öffentlichkeit offensichtlicher erscheint, als z.B. eine Wachstumsregel für die
Geldmengen.
Wenn man zusammenfasst, sieht man eine enge Verbindung zwischen den Rollen von
Inflation Targeting einmal als ein nominaler Anker in der Wechselkurspolitik und zweitens
als Stütze eines geldpolitischen Konzeptes. Man gibt der Zentralbank die Möglichkeit,
durch die Festlegung eines mittelfristigen, bzw. langfristigen Zieles und des „freie
Handlassens“ in der Beantwortung kurzfristiger Entwicklungen, die diese Ziel gefährden
könnten, im Rahmen der Disziplin und Glaubwürdigkeit fester Regeln auf der einen Seite
und der Flexibilität einer diskretionären Handlungsweise auf der anderen, geldpolitisch zu
agieren. Genau dieser Synergieeffekt muss sich in der institutionellen Konstruktion und in
den operativen Maßnahmen der Länder die Inflation Targeting betreiben widerspiegeln.

II.4 Institutionelle Merkmale


Dieses Kapitel fasst den institutionellen Rahmen des Inflation Targeting Konzeptes in
einer Volkswirtschaft zusammen. Dies beinhaltet neben der Zentralbankverfassung das
Design des Inflationszieles und Merkmale der Glaubwürdigkeit und der Transparenz. Auf
5
Bernake et al. 1999, S. 22f.
Das Konzept des Inflation Targeting 7

die weiteren und einzelnen Institutionen und Entscheidungsträger wird in den speziellen
Länderkapiteln eingegangen.
Mishkin und Savastano haben die fünf wesentlichen Grundzüge der geldpolitischen
Strategie des Inflation Targeting herausgearbeitet: (i) das mittelfristige Inflationsziel muss
öffentlich bekannt gemacht werden; (ii) Preisstabilität muss als oberstes Ziel der
Geldpolitik institutionell festgesetzt werden, während andere Ziele diesem untergeordnet
sind; (iii) die geldpolitische Strategie basiert auf allen Variablen (jede Information wird
genutzt und nicht nur die Geldmenge und der Wechselkurs; (iv) eine transparente
geldpolitische Strategie, die große Wichtigkeit darauf legt, die Pläne, Ziele und
Überlegungen der Zentralbank der Öffentlichkeit und den Märkten mitzuteilen; und (v)
Mechanismen, die die Zentralbank verantwortlich machen, die Ziele zu erreichen. Die
Liste zeigt, dass nicht nur die öffentliche Bekanntgabe der Ziele die geldpolitische
Strategie Inflation Targeting ausmacht.6
Die von Mishkin und Savastano definierten Grundzüge von Inflation Targeting müssen
sich im institutionellen Rahmen, d.h. dass sie gesetzlich in der Verfassung verankert sind,
wiederfinden.

II.4.1 Zentralbankverfassung

Die institutionelle Ausgestaltung der Zentralbank hat in Bezug auf die inflationäre
Entwicklung in eine Volkswirtschaft eine große Bedeutung, das haben empirische
Erfahrungen und Forschungsarbeiten in diesem Gebiet gezeigt. Besonders wichtig ist daher
im Zusammenhang mit einer Umstellung der Geldpolitik – z.B. im Zuge einer
umfassenden Währungsreform – die monetär-institutionelle Ausgestaltung, bzw. Reform.
Das Zentrum dieser institutionellen Gestaltung ist die Zentralbankverfassung.
Zum Rahmen des Inflation Targeting Konzeptes gehört eine Zentralbank, die durch eine
gesetzliche Regelung unabhängig ist. In allen Ländern die Inflation Targeting betreiben,
wird die Funktion der Zentralbank durch solch ein Gesetz bestimmt. Die
Zentralbankverfassung definiert die Ziele der Geldpolitik und veranlasst die Zentralbank
diese Ziele einzuhalten. Jedoch ist auch Geldpolitik nicht vor dem principal-agent Problem
befreit, was durch das Missverhältnis in der Informationslage und die Wirkungsdauer der
geldpolitischen Maßnahmen mit ausgelöst wird.
Das Konzept des Inflation Targeting bringt eine Lösung für das principal-agent Problem.
Es gibt der Zentralbank das Mandat Preisstabilität zu gewährleisten und gleichzeitig die
Möglichkeit unabhängig die Instrumente zu wählen, die die Zentralbank für richtig hält,
6
Vgl. Mishkin, F., Savastano, M., Monetary Policy Strategies for Latin America, NBER Working Paper
Series, Working Paper 7617, 2000, S. 32.
Das Konzept des Inflation Targeting 8

das Inflationsziel zu erreichen. Eine Untersuchung aller Länder, die offiziell Inflation
Targeting betreiben, zeigt, dass die Unabhängigkeit in der Wahl der geldpolitischen
Instrumente durch eine gesetzliche Regelung garantiert ist. Alle Beispiele von Inflation
Targeting Länder, die gleichzeitig der Gruppe der Emerging Markets angehören, haben die
Unabhängigkeit in der Instrumentenwahl in ihre Zentralbankverfassungen mit einbezogen.
In den Ländern die Inflation Targeting betreiben, variieren die Zentralbankverfassungen in
den Einzelheiten, die die genauen Bestimmung im Hinblick auf die Detailliertheit des
Inflationszieles, genauer gesagt auf quantitative Größe des Zieles und den Konsequenzen
bei Nichterreichen des Zieles. Zwischen den Ländern gibt es auch Unterschiede in der
Gewichtung der Preisstabilität. In einen Inflation Targeting System muss die Gewichtung
einzig auf der Erreichung des Inflationszieles liegen, alle weiteren Ziele der
Wirtschaftspolitik sind diesem Ziel untergeordnet. Preisstabilität hat in den meisten
Industrieländern heute eine übergeordnete Stellung, die EWU stellt in diesem
Zusammenhang keine Ausnahme, denn hier ist Preisstabilität eine der beiden Säulen der
Geldpolitik der EZB.
Tabelle 1: Merkmale der Zentralbankverfassung von Inflation Targeting Länder

Zentralbankverfassung Inflation Targeting Länder


Ziele der Geldpolitik
Währungsstabilität als oberstes Ziel Tschechien

Preisstabilität als oberstes Ziel Neuseeland, Polen, Vereinigte Königreich

Brasilien, Australien, Kanada, Chile,


Währungsstabilität neben anderen Zielen
Israel, Süd Afrika

Australien, Brasilien, Kanada, Chile,

Instrumenten-Unabhängigkeit Tschechien, Israel, Polen, Neuseeland,

Süd Afrika, Vereinigtes Königreich

Finanzierung öffentlicher Defizite


Limitiert Kanada, Tschechien, Süd Afrika

verboten Brasilien, Chile, Israel, Polen

Quelle: Eigene Darstellung nach Schaechter et al. (2000)

In den Emerging Market Ländern, die Inflation Targeting betreiben, ist Preisstabilität nur
so weit in der Zentralbankverfassung festgeschrieben, wie eine Stabilisierung der
einheimischen Währung überhaupt möglich ist. In diesen Ländern heißt es meistens, dass
der Wert der einheimheimischen Währung stabilisiert werden soll. Die Stabilisierung der
einheimischen Währung ermöglicht es, eine gewisse Preisstabilität und gleichzeitig eine
Wechselkursstabilität zu gewährleisten. Diese Rolle sollten zuvor andere
Das Konzept des Inflation Targeting 9

währungspolitische Konzepte übernehmen, wie z.B. feste Wechselkurse oder ein


crawling peg. Die Gewichtung verlagerte sich von der Stabilität der Wechselkurse hin zu
einer Stabilität des Preisniveaus.
Zu der Unabhängigkeit der Zentralbank und deren Festsetzung in einer
Zentralbankverfassung kommt in den Emerging Market Ländern (ITers) eine explizite
Limitierung oder ein Verbot der Finanzierung der Staatsausgaben durch die Zentralbank.
Diese Ländern haben meistens eine langjährige Erfahrung mit hohen Inflationsraten, die
teilweise mit durch eine Monetarisierung der Haushaltsdefizite entstand. Die höheren
Verschuldungsraten im Gegensatz zu Industrieländer zeigen, dass die Emerging Markets
anfälliger sind, für eine Finanzierung der Haushaltsdefizite durch die Zentralbank.
Für die Emerging Market Ländern steht die Implementierung einer Zentralbankverfassung
zeitlich vor der Einführung von Inflation Targeting. In Industrieländern kann dies auch
nach der Einführung von Inflation Targeting passieren. Durch lange Phasen einer unsteten
Geldpolitik müssen sich die Zentralbanken der Emerging Market Länder erst die
Glaubwürdigkeit verdienen, die die Zentralbank der Industrieländer meist schon besitzen,
um die Öffentlichkeit von der Funktionsfähigkeit des Inflation Targeting Konzeptes zu
überzeugen.

II.4.2 Design des Inflation Targeting Regimes

Die Inflationsziele der einzelnen Länder, kann man nicht pauschalisieren. Sie sind
vielmehr von den spezifischen Faktoren der Volkswirtschaften abhängig. Jedes Land hat
eine andere Geschichte, wie sie in der Vergangenheit mit Schocks umgegangen ist, eine
andere Stufe der Glaubwürdigkeit der Zentralbank und die Informationslage ist von Land
zu Land unterschiedlich. Die eigentliche Zielsetzung der Inflationsrate – durch wen sie
angekündigt wird, wie ihr zeitlicher Horizont ist, an welchem Preisindex sie überhaupt
gemessen wird und welche Ausstiegsklauseln es für die Zentralbank gibt – muss auf
Grundlage der spezifischen Faktoren des jeweiligen Landes getroffen werden.
Laut Mishkin und Savastano muss das Inflationsziel öffentlich bekannt gemacht werden.
Das Inflationsziel kann entweder durch die Regierung, durch die Zentralbank oder durch
beide zusammen bekannt gemacht werden. Eine Veröffentlichung durch die Regierung
könnte die Glaubwürdigkeit gegebenenfalls erhöhen, da sie die Erreichung des Zieles mit
z.B. fiskalpolitischen Maßnahmen unterstützen kann. Regierungen planen jedoch
kurzfristiger und bevorzugen daher ein Inflationsziel, das oberhalb der optimalen
langfristigen Inflationsrate liegt. Um das zu verhindern, muss eine unabhängige
Das Konzept des Inflation Targeting 10

Zentralbank bei der Veröffentlichung oder zumindest bei der Diskussion über die Inflation
beteiligt sein.
Bei Inflation Targeting ist ein bestimmtes Niveau der Inflationsrate das langfristige Ziel.7
Das Inflationsziel kann für mehrere Jahre veröffentlicht werden. Die Länge des
Zeithorizontes der kurzfristigen Ziele begründet sich auf die Wirkungsdauer von
geldpolitischen Maßnahmen, die durch die verschieden Transmissionsmechanismen
bedingt sind (siehe Kap.II.5.2). Genauer gesagt ist der Zeithorizont durch die Periode
definiert, in der die Zentralbank das vorgegebene Ziel erreichen will. Ein auf eine längere
Frist festgelegtes Inflationsziel (z.B. ein jährliches Ziel, welches jedoch für mehrere Jahre
in die Zukunft festgelegt ist oder ein wirklich langfristiges Ziel) bietet mehr Freiraum, um
auf Schocks zu reagieren und stabilisiert eher die Inflationserwartungen. Bei einem
kurzfristigen Inflationsziel könnte es eher zu einem übermäßigen Gebrauch der
geldpolitischen Instrumente kommen, wenn deren Wirkungsdauer länger ist als der
eigentliche Inflationszielzeitraum.
Ländern, die Inflationsraten haben, die über der Preisstabilität liegen, hilft jedoch eine
kurzfristige Zielsetzung, um den Pfad der Desinflation zu beschleunigen und zu steuern.
Diesen Weg gehen einige Emerging Market Länder, die zu ihrem langfristigen Ziel der
Preisstabilität, jährliche Inflationsziele bekannt geben, um die Desinflation voranzutreiben.
Die jährlichen Ziele können entweder Jahr für Jahr oder für mehrere Jahre im voraus
bekannt gegeben werden. An den vorgegebenen Inflationszielen muss sich die Zentralbank
dann messen lassen, ob und wie sie den Pfad eingehalten hat. Das Inflationsziel, bzw. der
Pfad der Desinflation wird in Veröffentlichungen der Zentralbank oder der geldpolitischen
Institutionen – ein Inflationsreport oder ein Bericht über die Geldpolitik – mit der
empirischen Entwicklung der Inflation verglichen. In dem Fall, in dem das Inflationsziel
nicht erreicht wird, kann und muss die Öffentlichkeit Erklärungsversuche von der
Zentralbank verlangen, die die Gründe für das Nichterreichen des Zieles erläutern und die
die nun zu treffenden Maßnahmen präsentieren, um auf den vorgegebenen Pfad wieder
zurückzukehren. Für die Öffentlichkeit ist es relativ einfach, die Einhaltung des
Inflationszieles zu überwachen.
Ein weiteres institutionelles Merkmal von Inflation Targeting ist die Wahl eines
verbindlichen Preisindexes, mit dem die Inflationsrate gemessen wird und auf das sich das
Inflationsziel bezieht. Die einzige funktionsfähige Alternative, die bei der Wahl bleibt, ist
der Verbraucherpreisindex (VPI), da er der aktualisierteste Index ist.8 Er hat weiterhin den
7
Zu der Diskussion, ob es besser ist ein Preisniveauziel oder ein Inflationsziel zu installieren siehe Bernake
et al. (1999), S. 30.
8
Eine Alternative wäre die Deflationsrate des BIP, die sämtliche Produktpreise beinhaltet, die in einer
Volkswirtschaft produziert werden. Die Deflationsrate ist jedoch nicht immer aktuell und oft Korrekturen
Das Konzept des Inflation Targeting 11

Vorteil relativ einfach durch die Öffentlichkeit verstanden zu werden und es ist weit
schwieriger für die Zentralbank, diesen Wert zu manipulieren. Einige Schwellenländer
hatten in der Vergangenheit ein großes Problem mit der Indexierung.
Der VPI beinhaltet jedoch oft Komponente, die nicht unter der Kontrolle der Zentralbank
stehen (wie z.B. die Handelsbilanz und die administrativen Preise).9 Um diesem Problem
entgegen zu wirken, kann man einen spezifischen VPI verwenden, der einige oder alle
dieser Elemente nicht berücksichtigt. Die Messung und die Veröffentlichung des VPI
durch eine unabhängige, z.B. durch die nationale Statistikbehörde, führt zu einer Erhöhung
der Transparenz und der Glaubwürdigkeit, da sie eine Manipulation im Sinne der
Zentralbank verhindert. Bei der Messung des VPI kann man entweder einen nationalen
Wert betrachten oder sich auf bestimmte Regionen, wie z.B. Ballungsräume beschränken.
Ausstiegsklauseln sind ein heikles Thema in Bezug zur Glaubwürdigkeit. Sie bieten zwar
die Möglichkeit unter bestimmten Bedingungen ein Nichterreichen des Inflationsziele zu
tolerieren und ermöglichen dadurch mehr Flexibilität, mehr Diskretion in den
geldpolitischen Maßnahmen, wirken sich aber negativ auf die Glaubwürdigkeit aus. Die
Ausstiegsklauseln definieren die Bedingungen unter denen das Inflationsziel verfehlt
werden darf und veranlassen die Zentralbank, den zeitlichen Rahmen ihrer Handlungen zu
überarbeiten oder ein neues Ziel zu veröffentlichen. Die Möglichkeiten diskretionär zu
handeln werden erhöht, da die Regelbindung durch das Inflationsziel unter Umständen
nicht eingehalten werden muss. Ein häufiger Gebrauch dieser Ausstiegsklausel würde die
Verantwortlichkeit der Zentralbank im Hinblick auf die Einhaltung des gegebenen Zieles
untergraben und somit die Glaubwürdigkeit des Inflation Targeting Konzeptes schädigen.10
Genau wie bei der Wahl des Zielhorizonts und des numerischen Wertes des Zieles, hat die
Zentralbank einen diskretionären Handlungsspielraum, ob sie das Ziel als ein Punktziel
bekannt gibt oder als Zielspanne. Die Implikationen dieser Wahl werden immer noch sehr
diskutiert, vor allen Dingen im Hinblick auf die Inflationserwartungen und die Reaktionen
bei Nichterreichen des Zieles. Bei der Wahl Zielspanne spielt die Größe dieser Spanne eine
entscheidende Rolle. Im Falle einer engen Spanne ist das Versprechen der Zentralbank das
Ziel zu erreichen strenger, als mit einer weiteren Spanne. Jedoch mindert es im Falle von
unerwarteten Schocks den Handlungsspielraum der Zentralbank, das enge Ziel zu
erreichen. Die unvermeidbaren Fehler, die durch die Kontrolle der Inflation entstehen,
könnten die Inflationsrate aus der Zielspanne treiben, trotz bester Anstrengungen der
Zentralbank.11 Hinzu kommt, dass ein Verfehlen einer Zielspanne mehr Verlust an
unterworfen, die die Glaubwürdigkeit und Transparenz untergraben. Vgl. Schaechter et al. (2000), S. 9.
9
Vgl. Schaechter et al. (2000), S. 9.
10
Vgl. Schaechter et al. (2000), S. 10.
11
Vgl. Bernake et al. (1999), S. 32.
Das Konzept des Inflation Targeting 12

Glaubwürdigkeit mit sich bringt als das Verfehlen eines Zielpunktes. Die Größe der
Zielspanne zeigt also im voraus an, inwieweit die Zentralbank Fluktuationen der
Inflationsrate um das Zentrum toleriert.
„To provide clear guidance for inflation expectations, most central banks
have set either point targets or narrow target ranges of two percentage
points or less. These arrangements are favored by industrial an emerging
market economies alike.”12
Die Frage bleibt, ob die Unsicherheit in Bezug auf die Inflation unter Inflation Targeting
auch in Zukunft so groß sein wird wie bisher. Die Zentralbank muss hart arbeiten, um die
gesteckten Ziele zu erfüllen, doch die Möglichkeiten der Vorhersage und Kontrolle der
Inflation werden sich mit der Zeit verbessern.

II.4.3 Glaubwürdigkeit und Transparenz

Für eine Volkswirtschaft, die sich für Inflation Targeting entschieden hat, ist das Maß der
Glaubwürdigkeit der Faktor, der den Erfolg oder Misserfolg des monetären Regimes
bestimmt. Die Öffentlichkeit muss dem monetären Regime Vertrauen schenken und
glauben, dass die wirtschaftspolitischen Institutionen die monetären Ziele einhalten.
Glaubwürdigkeit wird durch verschiedene Aspekte gefördert. Transparenz der Geldpolitik,
Verantwortlichkeit der Zentralbank und Kontinuität einer bewährten monetären
Konzeption tragen zu einer gesteigerten Glaubwürdigkeit bei.13
Die Arbeit der Zentralbank muss transparent sein. Die Schwierigkeit Glaubwürdigkeit zu
verstärken, liegt an den lags zwischen den monetären Maßnahmen und deren Auswirkung
auf die Inflation, die eine befriedigende Überwachung der monetären Ziele erschweren.
Hier werden die Vorteile eines Wechselkursregime oder eines Geldmengen-
steuerungsregime deutlich, die eine bessere Überwachung der Einhaltung der monetären
Ziele zulassen.
In einem Inflation Targeting Regime veröffentlicht die Zentralbank regelmäßig einen
Bericht. Hier nimmt die Zentralbank zu der Inflationsentwicklung Stellung, verteidigt ihre
monetären Handlungen und gibt eine Prognose über die zukünftige Inflationsrate. Diese
Berichte werden in Papierform veröffentlich und sind auch oft im Internet auf dem
Homepages der Zentralbank erhältlich. Die Veröffentlichungen finden in den Inflation
Targeting Ländern zwischen zwei bis vier Mal im Jahr statt.14 Aber nicht nur diese
Berichte helfen bei der Erhöhung der Transparenz. Zu dem veröffentlichen die
12
Schaechter et al. (2000), S. 11. Eine Ausnahme bildet unter anderen Brasilien. Brasilien hat eine weitere
Zielspanne eingeführt, um die Element des Preisindexes zu kompensieren, die äußerst volatil sind und nicht
unter dem Einfluss der Zentralbank stehen.
13
Vgl. Jarchow (1998), S. 336f.
14
Für eine ausführlichere Beschreibung der Berichte der Zentralbanken siehe Schaechter et al. (2000),
S. 11 ff.
Das Konzept des Inflation Targeting 13

Zentralbanken auch Protokolle ihrer monatlichen Sitzungen und betreiben großen


Aufwand, ihre monetäre Strategie mit Forschungsarbeiten – veröffentlicht durch eine
Abteilung der Zentralbank – zu untermauern und zu verdeutlichen. Im Zuge einer
Änderung der monetären Strategie gibt die Zentralbank ein Pressemitteilung heraus, in der
sie ihre Handlungen begründet.
Schon im Konzept des Inflation Targeting ist die Glaubwürdigkeit immanent. Die
Veröffentlichung eines Inflationszieles erhöht bereits die Glaubwürdigkeit, da eine
unabhängige Zentralbank mit der Geldpolitik betraut wird. Mit der Einführung von
Inflation Targeting kommt es zu einer Verbesserung der Kommunikation zwischen der
Zentralbank und der Öffentlichkeit und den Märkten. Der hohe Aufwand an
Kommunikation ist für Inflation Targeting wichtiger als für andere geldpolitische
Strategien, da gerade bei Inflation Targeting die Einhaltung der monetären Ziele durch die
Glaubwürdigkeit der Geldpolitik und den Inflationserwartungen nachhaltig beeinflusst
wird.

II.5 Operationelle Merkmale


Unter den operationellen Merkmalen sind die Merkmale der monetären Politik erfasst, die
für ein Inflation Targeting System charakterisierend sind. Auch im operationellen Bereich
werden die Eigenheiten des Inflation Targeting durch spezifische Faktoren der Ländern
beeinflusst, die durch den institutionellen Rahmen gegeben sind. Im geldpolitischen
Entscheidungsprozess muss das Zusammenspiel von der Wahl des Zieles, mit dem
zeitlichen Horizont, der Zielspanne, den Ausstiegsklauseln berücksichtigt werden. Auch
wenn im geldpolitischen Handeln die Unterschiede zwischen Industrieländern und
Emerging Markets nicht so groß sind, besteht allein ein entscheidender Unterschied in der
jeweiligen Inflationsentwicklung in der Vergangenheit, in der die Emerging Markets meist
auf eine höhere Inflation zurückblicken. Das hat zur Folge, dass sich die Emerging
Markets bei der Einführung des Inflation Targeting Systems im Übergang von einer hohen
Inflationsrate zu einer niedrigen befinden und diesen mit Hilfe des Inflation Targeting
verwirklichen wollen.
Der wichtigste Unterschied ist, dass die Industrieländer auf erprobteres empirisches und
statistische Material zurückgreifen können, während die Emerging Markets eine hohen
Forschungsaufwand betreiben müssen, um diese Daten zu sammeln, die in der
Übergangsphase noch nicht aussagekräftig sein können. Das betrifft vor allem die
Entwicklung von Modellen zur Bestimmung der zukünftigen Inflation und der policy lags.
Die Entwicklung solcher empirischen und strukturellen Modelle wird durch die
Das Konzept des Inflation Targeting 14

Unbeständigkeit der Volkswirtschaften und der größeren Anfälligkeit für ökonomische


und finanzielle Schocks erschwert. Bei der Gestaltung von Geldpolitik muss auf diese
Elemente Rücksicht genommen werden, da sie sonst kaum funktionsfähig wäre.
Schaechter et al. (2000) haben die typischen Elemente der Geldpolitik unter Inflation
Targeting in vier Punkten zusammengefasst.
• Die Inflationsprognosen werden in regelmäßigem Abstand aktualisiert, wobei auf
die neusten ökonomischen Daten, die Indikatoren des Marktes und die Ergebnisse
aus den Modellen Rücksicht genommen wird.
• Die monetäre Einstellung, im Hinblick auf die Transmissionsmechanismen, die die
Wirkungsdauer der monetären Handlungen bestimmen, ist durch Modelle und
Entscheidungen geprägt, die diese Dauer und andere Faktoren miteinbeziehen.
• Auf andere Faktoren, wie die internationale Entwicklung und politischen
Ereignisse, die sich auf den Zeitplan und Einfluss die monetäre Strategie auswirken
könne, wird Rücksicht genommen.
• Eine Veränderung der monetären Einstellung wird veröffentlicht, und das
operationelle Ziel wird in Richtung des neuen Zieles verändert.15
Im Folgenden werden diese operationellen Merkmale eines Inflation Targeting Regimes
genauer untersucht. In den operationellen Besonderheiten äußert sich der Grad der
Diskretion, der in diesem zielgerichteten System erlaubt und für nötig gehalten wird. Die
Wissenschaftler sprechen von einer constrained discretion, also einer gesteuerten
Diskretion. Entscheidend sind hier die Inflationsprognosen, die Transmissions-
mechanismen und die Durchführung der geldpolitischen Strategie.

II.5.1 Inflationsprognosen

Inflationsprognosen spielen eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung der Geldpolitik in
einem Inflation Targeting System. Der Grund hierfür ist die Zeitspanne, in der eine
geldpolitische Handlung sich in der Inflationsrate widerspiegelt. Für Emerging Market
Länder stellt dies eine größere Herausforderung dar, da sie sich weder auf
vertrauenswürdige statistische Daten, noch auf die strukturelle Konstanz ihrer
Volkswirtschaft, die besonders anfällig ist für externe Schocks, verlassen können.
Die Inflationsindikatoren ähneln sich in allen Inflation Targeting Ländern. So ein Indikator
bezieht sich auf die empirischen Daten, um eine nützliche Signalwirkung haben zu können,
die zukünftige Inflationsrate zu prognostizieren. Zu den Inflationsindikatoren gehören die
aggregierte Nachfrage, Angebotsvariablen, Geldmengen, Veränderungen der Zinsrate und

15
Vgl. Schaechter et al. (2000), S. 21.
Das Konzept des Inflation Targeting 15

des Wechselkurses, die Inflation, Preisveränderungen und die Erwartungen in einer


Volkswirtschaft.16
Nicht nur Inflationsprognosen, erstellt durch die Zentralbank, sind in diesem Prozess von
Bedeutung, auch die Inflationserwartungen der Öffentlichkeit und der Zentralbank sind in
einem Inflation Targeting System von großem Nutzen. Auch die Inflationserwartungen
werden veröffentlicht, manchmal im Zuge einer Zentralbankveröffentlichung, in der die
Erwartungen des Marktes noch einmal zusammengefasst werden. Im Emerging Market
Länder haben aggregierte Nachfrage- und Angebotsindikatoren ein größeres Gewicht, da
sich Schocks primär in diesen Größen widerspiegeln und es kaum gebrauchsfähige
Alternativen gibt, die Situationen am Markt zu beschreiben. Zu diesen Schocks gehören
besonders im Falle von Emerging Market Länder Schocks auf der Angebotsseite.17
Für die Inflationsprognose benutzen die Zentralbanken Strukturmodelle18, die sie
selbstständig für ihren spezifischen wirtschaftlichen Hintergrund entwickeln. Die Modelle
beruhen jedoch auf allgemeinen Elementen einer offenen Volkswirtschaft: einer
Nachfragekurve, einer Phillipskurve, einer geldpolitischen Reaktionsfunktion und den
Konditionen für ein Gleichgewicht im asset market.19
Einige Inflation Targeting Industrieländer haben makroökonomische large-scale Modelle
entwickelt, die jedoch auf historischen Daten beruhen und eine stabile wirtschaftliche
Entwicklung benötigen, um aussagekräftig zu sein. In diesen Ländern herrscht das
Inflation Targeting System zumeist schon einige Jahre, so dass bereits für diesen Zeitraum
verlässliche Daten existieren, zumal die Entwicklung solcher Modelle nur über einen
längeren Zeitraum möglich ist. Die meisten Industrieländer verwenden für ihre Prognosen
kleine Strukturmodelle, die sich nur auf einen bestimmten Sektor der Volkswirtschaft
beziehen. Im Gegensatz zu den Industrieländern benutzen Emerging Market Länder
weniger die quantitativen Modelle, da sie nicht über die nötige Erfahrung und Stabilität im
Umgang mit dem Inflation Targeting System verfügen und außerdem noch strukturellen
Veränderungen unterworfen sind. Diese Länder betreiben jedoch zunehmend mehr
Forschungsaufwand, um solche quantitativen, strukturellen Modelle zu entwickeln.
Brasilien gehört beispielsweise zu den Ländern die Strukturmodelle für ihre
Volkswirtschaft entwickelt haben, bzw. mit der Entwicklung beschäftigt sind.
Die Strukturmodelle helfen nicht nur bei der Erstellung von Inflationsprognosen, sondern
auch bei der operativen Geldpolitik. Small-scale Modelle helfen der Zentralbank die
Transmissionskanäle zu verstehen und sie in ihren Handlungen zu berücksichtigen. Sie
16
Vgl. Schaechter et al. (2000), S.21.
17
Vgl. Agénor et al. 2000, S ???. IMF, WP 99/35
18
allgemeine Literatur über Strukturmodelle: Agonor, Haldane etc ????
19
Vgl. Schaechter et al. (2000), S.22
Das Konzept des Inflation Targeting 16

spielen zusätzlich eine wichtige Rolle bei der Transparenz, da sie die Inflationsprognosen
und die geldpolitischen Handlungen untermauern.
Die Modelle, die einen zeitlichen Rahmen berücksichtigen, vervollständigen diese
Modellsammlung. Hierunter fallen Modelle, die sich nur auf eine Variable beziehen, und
Modelle mit einem mehrvariablen Ansatz (z.B. vector autoregression models,
VAR-Modelle).
Inflation targeting central banks typically first analyze the output from their
economic models and other assorted inflation indicators, and then apply
judgment based on qualitative information gathered from their contacts in
all sectors of the economy to arrive at a view regarding the appropriate
stance for monetary policy.20
Zusammenfassend kann man sagen, dass eine Inflationsprognose aufgrund verschiedener
Elemente getroffen wird. Zu diesen Elementen gehören die Inflationsindikatoren,
quantitative ökonomische Modelle und eine qualifizierte Beurteilung.

II.5.2 Geldpolitische Transmissionskanäle

Die wissenschaftlich ökonomische Forschung hat sich, sowohl aus theoretischer Sicht als
auch aus empirischer Sicht, mit dem Prozessen beschäftigt, über die die Zentralbank in der
Lage ist, die Inflationsrate zu beeinflussen. Abbildung 1 veranschaulicht die Mechanismen,
die der Zentralbank zur Verfügung stehen, den Verlauf der Inflation zu steuern.
21
Der geldpolitischen Institution stehen zwei Wege zur Verfügung. Sie kann über den
kurzfristigen Zins oder die Erwartungen Einfluss nehmen. Die Zinsen kann die
Zentralbank direkt beeinflussen – so wie auch Brasilien handelt – oder durch indirekte
Maßnahmen – wie z.B. Mexiko –. Beide der Varianten haben Vor- und Nachteile, die aber
nur im Rahmen der Fallbeispiele näher betrachtet werden.
Wie in der Abbildung 1 verdeutlicht wird, können geldpolitischen Maßnahmen die Zinsen
und die Erwartungen beeinflussen. Bei der Veränderung der einen Größe kommt es zu
einer Wechselwirkung zwischen den beiden, die den Effekt der monetären Maßnahme
verstärken kann. Bei der folgenden Entwicklung gibt es zwei Wege. Der eine, der direkte
Weg ist nur möglich, wenn die Zentralbank über ausreichend Glaubwürdigkeit verfügt.
Alle Agenten der Volkswirtschaft müssen darauf vertrauen, dass die Zentralbank ihre Ziele
erreicht, und sie müssen auf dieser Grundlage ihre Entscheidungen treffen. In diesem Fall
wäre die erwartete Inflation die Zielinflation und die tatsächliche Inflation. Das hätte
weiter zur Folge, dass die Zentralbank keine weiteren Maßname treffen muss, um die

20
Schaechter et al. (2000), S. 22.
21
Das Folgende nach Martínez, L., Sánchez, O., Werner, A., Consideraciones sobre la Conducción de la
Política Monetaria y el Mecanismo de Transmisión en México, Banco de México, Documento de
Investigación No. 2001-02, März 2001, S. 34 ff.
Das Konzept des Inflation Targeting 17

Inflation in ihren vorgegebenen Rahmen zu halten. Jedoch braucht dieses Vorgehen ein
große Maß an Reputation der Zentralbank, die jedoch in Ländern mit einer Vergangenheit
mit hohen Inflationsraten, die zuerst ökonomische Stabilität erreichen wollen, schwer zu
erreichen. Dieser Fall hat zur Folge, dass die Erwartung über dem Inflationsziel liegt und
entsprechende monetäre Maßnahmen getroffen werden müssen, um einen Pfad der
Desinflation zu beschreiten. Dieser zweite Fall ist ein indirekter Weg, um die Inflation zu
kontrollieren, der sich wiederum in verschiede Kanäle aufteilt.
Abbildung 1: Transmissionsmechanismen

Geldpolitische Maßnahmen

Erwartungen Zinssatz

Kapitalverkehr Investition
Konsum

Wechselkurs
Offene Neoklassisch (IS-
Volks- LM)
wirtschaft Kapitalverkehr Kreditkanal

Wechselkurs agg. Nachfrage

INFLATION

Quelle: Martinez, Sanchez, Werner (2001), eigene Darstellung

Eine Veränderung der Zinsrate beeinflusst die Inflation über zwei Hauptkanäle. Der erste
Kanal entsteht aus dem Einfluss der Ausgaben in der Volkswirtschaft, der wiederum in
drei Unterkanäle eingeteilt werden kann. In erster Linie gibt es den Kanal über die
aggregierte Nachfrage. Dieser Kanal wird mit der IS-LM-Modell beschrieben. Eine
Erhöhung der Zinsen hat eine Erhöhung der Ersparnis zur Folge. Die Nachfrage nimmt ab
und dadurch der Druck auf die Güterpreise und im letzten Schritt der auf die Inflation.
An zweiter Stelle steht der Kreditkanal. Dieser wird durch die Fehlbarkeit des
Kreditmarktes begünstigt, der es ermöglicht, dass eine Erhöhung der Zinsen, ein
Reduzierung des Kreditangebots zur Folge hat.22

22
Diesem erstaunlichen Effekt hat sich mittlerweile viel Literatur gewidmet. Die erste Formulierung und
theoretischen Analyse veröffentlichten Bernanke und Blinder in: „Credit, Money and Aggregate Demand“,
American Economic Review, Mai 1988, S. 435-439.
Das Konzept des Inflation Targeting 18

Der zweite wichtige Kanal geht über den Wechselkurs. Dies kann jedoch nur in einer
offenen Volkswirtschaft, mit freiem Güter- und Kapitalmarkt, funktionieren. Eine
Erhöhung der Zinsen führt zu einer erhöhten Investition in inländischen Bonds, die eine
Zunahme an Kapitalverkehr in Richtung des Landes zur Folge hat. Das mehr an Kapital
führt in einer Volkswirtschaft mit einem flexiblen Wechselkurs zu einer Aufwertung des
Wechselkurses. Diese führt in Ländern mit einer schwachen Einfluss auf den
internationalen Märkten, zu einer Reduktion der heimischen Preise auf handelbare Güter.
Ein Substitutionseffekt in der Produktion wäre die weitere Folge.
In Emerging Market Länder sind die Kanäle und deren Wirkungsdauer schwammiger. Die
Transmissionsmechanismen sind durch Preise, die nicht so leicht fallen, und einem
geringeren pass-through-Koeffizienten, von einer Wechselkursveränderung zu einer
Inflationsveränderung gekennzeichnet. Diese Charaktereigenschaften hängen mit den
höheren Inflationsraten in der Vergangenheit der Länder zusammen. Zudem können durch
ein nicht gut ausgebildetes Finanzsystem die Transmissionskanäle negativ beeinflusst
werden.

II.5.3 Durchführung der geldpolitischen Strategie

Im Hinblick auf Emerging Market Länder, ist die Vorgehensweise beim Übergang zu
einem freien Wechselkurssystem unter einem Inflation Targeting System von größerer
Bedeutung als bei Industrieländer, da die Ausgangsposition meist aus einer gescheiterten
Geldpolitik entstanden ist. Diese Länder stehen vor dem Problem der geringeren
Glaubwürdigkeit, da die vergangene Geldpolitik höhere Inflationsraten zur Folge hatte. Zu
diesem Thema gibt es bisher wenige Forschungsarbeiten, hauptsächlich nur deskriptive
Länderbeispiele, aus denen noch keine „Gebrauchsanweisung für Emerging Market
Länder“ entstanden ist.
Das kurzfristige Ziel der geldpolitischen Instrumente ist in allen Inflation Targeting
Ländern ein Zinsziel. In den meisten Ländern handelt es sich um den overnight Zinssatz. In
einigen Ländern besteht dieses Ziel aus einem Bündel aus einem Zinsziel und einem
Wechselkursziel. Über eine Veränderung in den kurzfristigen Zielen, verändert sich die
Inflationsrate über die geldpolitischen Transmissionsmechanismen.
Alle Inflation Targeting Zentralbanken verwenden im Markt basierende geldpolitische
Instrumente, um das kurzfristige Ziel in die gewünschten Richtung zu lenken. Zu diesen
Instrumenten gehören in erster Linie die Offenmarktpolitik. Durch dieses Instrument kann
die Zentralbank sowohl das Zinsniveau, als auch die Zentralbankgeldversorgung
(Liquidität) am Markt zielunterstützend steuern. Der Vorteil der Offenmarktpolitik liegt an
Das Konzept des Inflation Targeting 19

der Schnelligkeit, mit der inflationären Schocks entgegengewirkt werden kann. Dieser
Vorteil führt dazu, dass marktorientierte Instrument extrem nützlich sind für eine
Geldpolitik in einem Inflation Targeting System.

II.6 Bewertung

Seit mehr als zehn Jahren wird das Inflation Targeting Konzept in Industrieländern
erfolgreich gestestet. Das hat dazu geführt, dass auch Emerging Market Ländern diese
geldpolitische Strategie übernommen haben. Der Frage, ob Inflation Targeting auch in
Schwellenländern erfolgreich ist, wird in den nächsten zwei Kapiteln mit den
Länderbeispielen von Mexiko und Brasilien genauer untersucht.
Bereits in der Einführung wurden die Vorteile des Inflation Targeting Konzeptes
herausgearbeitet. Unter anderem wird Unabhängigkeit der Zentralbank durch dieses
Konzept gestärkt, da Inflation Targeting genau die benötigt. Weiterhin kommt es zu einer
Stärkung der Glaubwürdigkeit und Transparenz und zu einer Verbesserung der
Kommunikation zwischen Zentralbank und den Wirtschaftssubjekten.
Inflation Targeting setzt genau an der ökonomischen Variable an, die entscheidend die
wirtschaftliche Entwicklung mitbestimmt: die Inflation. Wenn man sich in einer
Volkswirtschaft für ein System mit flexiblen Wechselkursen entscheidet, ist eine niedrige
Inflationsrate wichtig für die Stabilität. Neben dem konsequenten Verfolgen eines
langfristigen Zieles – z.B. Preisstabilität – lässt das Inflation Targeting Konzept es zu, in
den entscheidenden Situationen diskretionär zu handeln. Gleichzeitig lässt sich so eine
gewisse Stabilität der heimischen Währung gewährleisten.
Mexiko 20

III. Mexiko
Mexiko war schon immer eine der bedeutendsten Volkswirtschaften Lateinamerikas. In
den letzten Jahrezehnte hat sie durch die Öffnung ihrer Märkte noch an Bedeutung
gewonnen. 1995 ist man der NAFTA (North Atlantic Free Trade Agreement) beigetreten.
Das unterstreicht die starken Handelsbeziehungen zu den Vereinigten Staaten. Die NAFTA
ist eine Freihandelszone zwischen Mexiko, den USA und Kanada.
Durch die Abhängigkeit von der USA hatte man bis in die neunziger Jahre hinein eine
US$-Bindung als nationalen Wechselkursanker. Dieses crawling peg hielt bis Ende des
Jahres 1994. In diesem Jahr jedoch kam es zu einer schweren Krise, die nicht nur ihre
Auswirkungen in Mexiko, sondern als Tequila-Krise in ganz Lateinamerika Konsequenzen
nach sich zog. Die mexikanische Krise von 1994/95 führte zu einer massiven Kapitalflucht
aus den lateinamerikanischen Ländern, die zum Teil Zahlungsschwierigkeiten hatten.
Zusammen mit Mexiko hatte mehrere lateinamerikanischen Ländern große Probleme die
Krise zu überwinden.
Mexiko stand Anfang 1995 vor unmittelbaren Problemen, wie hohen Inflationsraten und
das Bestreben des Aufrechterhaltens der Zahlungsfähigkeit. Jedoch bestanden in Mexiko
auch längerfristige Probleme. Wie sollte man die Volkswirtschaft endlich stabilisieren?
Der Versuch dies durch ein crawling peg und eine Dollarbindung zu erreichen, war
fehlgeschlagen. Ende des Jahres 1994 musste die Zentralbank dieses System aufgeben und
den Wechselkurs alternativlos freilassen. Ein flexibler Wechselkurs bedingt jedoch eine
starke eigenständige Geldpolitik. Der nominal Anker der Volkswirtschaft, der im festen
Wechselkurs bestand hatte, ist weggefallen.
Mexiko hat in den ersten Jahren nach er Krise ein managed floating betrieben. Die
mexikanische Zentralbank (Banco de México) ist jedoch in den vergangenen Jahren mehr
und mehr dazu übergegangen, ein transparenteres geldpolitisches System zu installieren.
Die jährlich bekannt gegeben Inflationszielen nehmen mittlerweile die Funktion an, als
nominaler Anker der Volkswirtschaft zu dienen. Auch in institutionellen und
operationellen Bereich hat sich einiges getan, so dass man sagen kann, dass sich Mexiko in
der Übergangsphase zu einen eindeutigen Inflation Targeting System ist.
Mexiko 21

III.1 Empirische Bedingungen des Übergangs

Mit der Krise von 1994/95 kamen in Mexiko die hohen Inflationsraten zurück. Ende des
Jahres 1995 stieg die Inflation bis auf über 50%. Das hatte schwere Auswirkungen auf die
Glaubwürdigkeit der Zentralbank im Hinblick auf die Fähigkeit überhaupt Geldpolitik zu
betreiben.
Doch eine eigenständige Geldpolitik wurde nach dem Freilassen des Wechselkurses seit
Anfang 1995 dringend gebraucht. Die Geldpolitik musste sich zuerst um die schweren
Folgen der Krise kümmern. Die Inflationsrate musste gesenkt werden. Auch der
Wechselkurs stellt die Zentralbank nun vor neuen Herausforderungen. Der US$ stieg mit
der Freilassung des mexikanischen Peso auf über M$ 5. Die Banco de México hatte die
Aufgabe den Abwertungsdruck auf den Peso zu entschärfen. Jedoch musste die
Wirtschaftspolitik an einem Strang ziehen, um die Krise zu meistern.

III.1.1 Gezwungener Übergang zum Floating

Im Dezember des Jahres 1994 konnte die mexikanische Zentralbank die vorgegebene
Bindung mit dem U.S. Dollar nicht mehr verteidigen und entschied sich daher den
Wechselkurs des Peso freizugeben. Der Wechselkurs wurde als nominaler Anker der
Volkswirtschaft aufgegeben. Das hatte zur Folge, dass es zu einer Abwertung des Pesos
kam und die Zentralbank viel ihrer Glaubwürdigkeit einbüßte.
Es wurde schnell klar, dass die Krise drei konzeptionelle Ebenen aufwies. Die erste belegte
ein großes Handelsdefizit, welches durch kurzfristige Kapitalanleihen finanziert worden
war. Der zweite Aspekt der Krise waren die mexikanischen Auslandsschulden, sowohl im
öffentlichen als auch im privaten Sektor. Der mexikanische Staat stand kurz vor einer
absoluten Zahlungsunfähigkeit. In der dritten Ebene begann die aufkommende
Bankenkrise unmittelbare Handlungen nötig zu machen, um einen Kollaps des
Bankensystems und des gesamten makroökonomischen Systems zu verhindern.23
Die politischen Reaktionen auf diese Krise mussten nicht nur die Überausgaben der
Wirtschaft mindern, sondern auch genug Vertrauen in der Öffentlichkeit schaffen, um die
Panik zu stoppen und das Vertrauen in die mexikanischen Werte, sowohl externe als auch
interne, wiederherstellen. Mexiko musste also gänzlich seinen finanziellen Verpflichtungen
nachkommen und in der gleichen Zeit ein konsistentes Paket von politischen Maßnahmen
schnüren.

23
Carstens, A.G., Werner, A.M., Mexico’s Monetary Framework under a Floating Exchange Rate Regime,
Documento de Investigación No. 9905, Banco de México, Mai 1999, S. 7.
Mexiko 22

Trotz der starken Kritik, musste die Zentralbank weiter handeln. Im Laufe des Jahres 1995
kam sie der Notwendigkeit nach, ein nominalen Anker der Volkswirtschaft zu etablieren.
Sie führte ein Beschränkung des Wachstums der internen Nettokredite der
Banco de México (BM) ein, die aus dem Wachstum der Geldnachfrage und der Nicht-
Akkumulation von internationalen Reserven abgeleitete wurde. Jedoch wurden diese
Beschränkungen nicht als Zwischenziele etabliert, sondern nur wie Regeln gebraucht. Die
BM wusste, das sie trotz der Glaubwürdigkeitskrise ein offensichtliches monetäres Ziel in
ihrem institutionellen Rahmen aufnehmen musste.24
Eine geldpolitische Steuerung über die kurzfristigen Zinses erschien der Zentralbank im
Jahr 1995 zu risikoreich, da eine große Unsicherheit der zukünftigen Entwicklung der
mexikanischen Volkswirtschaft bestand. Die Zentralbank ließ sowohl den Wechselkurs, als
auch das Zinsniveau sich durch den Markt bestimmen. Jedoch betrieb die Zentralbank ein
managed floating, da die oft auf dem „Geldmarkt“ intervenierte.
Abbildung 2: Inflationsrate in Mexiko (in % über die letzten 12 Monate)

60

50

40
in %

30

20

10

0
1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001

Quelle: El Centro de Certificación LGAI, eigene Grafik

Nach der Abwertung des mexikanischen Pesos stand die mexikanische Wirtschaftspolitik
vor drei Herausforderungen:
i) Der Lenkung einer makroökonomischen Anpassung als Reaktion auf den
erheblichen Rückgang des ausländischen Kapitals
ii) Der Refinanzierung der öffentlichen U.S. Dollar-Schulden (ca. 30
Milliarden U.S. Dollar)

24
Vgl. Martínez et al. (2001), S. 4.
Mexiko 23

iii) Der Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit des Banksektors und der


Schutz der privaten Ersparnisse.25
Um diesen Herausforderungen für die mexikanische Wirtschaftspolitik nachzukommen,
wurden 1995 mehrere Programme eingeführt. Um den inflationären Effekten der
Abwertung entgegenzutreten, war eine strenge Geldpolitik die Folge. Ein wichtiger Punkt
war die Stärkung der Glaubwürdigkeit der Maßnahmen. Das führte dazu, dass die
Geldpolitik sich ausschließlich daran richtete, die nominalen Variablen der Wirtschaft zu
stabilisieren. Das Hauptziel war jedoch die Inflation zu dämmen. Eine niedrige
Inflationsrate ist essentiell in einem System mit flexiblen Wechselkursen. Die Reduzierung
der Inflation wurde so zum nominalen Anker der Geldpolitik. Auch 1995 veröffentlichte
die BM ein Inflationsziel, welches auf 42% für das Jahr festgesetzt wurde.26 Um diese
Entscheidung zu bestätigen, trugen die geldpolitischen Autoritäten dazu bei, dass die
Zinsen von 16% (im Dezember 1994) auf bis zu 86% (im März 1995) stiegen. Zur gleichen
Zeit versuchte die Zentralbank die Kommunikation und die Informationsdistribution zu
verbessern.
Eine weiter entscheidende Maßnahme bestand in der Stärkung der Fiskalpolitik:
„The tight monetary an fiscal policies, together with the expenditure
switching effects of the devaluation, were absolutely essential to stabilize
the currency and achieve the current account correction in a relatively
orderly way.”27
Der mexikanischen Wirtschaft wurden zusätzlich von der internationalen Gemeinschaft
Hilfspakete in der Höhe von 52 Milliarden U.S. Dollar gewährleistet. Der von Mexiko
ausgehandelte Kredit war wichtig, um weiterhin die Zahlungsfähigkeit zu gewährleisten.
Im Zusammenhang mit den Problemen im Banksektor, kam eine umfassen Strategie zum
Einsatz. Das Finanzsystem war – durch die hohe Schuldenlast der Haushalte und der
Unternehmen – sehr bedroht. Um die Integrität des Sektors zu gewährleisten, wurden
verschiede Programme initiiert, die die folgenden Ziele hatten:
• Verhinderung eines systematischen Angriffs auf das Bankensystem
• Kampf gegen Moral Hazard und die Minderung von Verzerrungen
• Die Kosten für die Restrukturierung des Banksektors wurden als Thema der
Fiskalpolitik gesehen
• Die Zentralbank sollte versuchen, so wenig wie möglich als lender of last resort
aufzutreten

25
Vgl. Carstens, A.G., Werner, A.M., Mexico’s Monetary Framework under a Floating Exchange Rate
Regime, Documento de Investigación No. 9905, Banco de México, Mai 1999, S. 8.
26
Vgl. Martínez et al. (2001), S. 6.
27
Carstens, A.G., Werner, A.M., Mexico’s Monetary Framework under a Floating Exchange Rate Regime,
Documento de Investigación No. 9905, Banco de México, Mai 1999, S. 10.
Mexiko 24

• Die Verstärkung der Regulation und Supervision im Finanzsektor.28


Die niedrigen internationalen Reserven und die Unsicherheit am Finanzmarkt ließen nur
die Option zu, die Wechselkurse flexibel zu gestalten. Wichtig wurde nun die
Implementierung der notwendigen institutionellen und operationellen Innovationen, um ein
freies Wechselkurssystem zu vollenden und damit anzufangen, die Glaubwürdigkeit der
mexikanischen Zentralbank wiederherzustellen.
„As the exchange rate stabilized, interest rates fell, international financial
markets resumed lending to the Mexican economy, and the expenditure
switching effects of the devaluation continued (for consumption as well as
investment). Economic activity recovered rapidly, thanks to the broad
restructuring that the economy had gone through in the previous decade.
Thus, GDP grew 5.6 percent in average for the period 1996-98, while
consumption and investment also recovered. At the same time, inflation
dropped rapidly from 51.7% in 1995 to 18.6% in 1998.”29

Für die erste Zeit nach der Krise kann man sagen, dass der Schlüssel für die
Revitalisierung der mexikanischen Wirtschaft die relativ schnelle Stabilisierung der
nominalen Variablen war, was mit einen konsistenten makroökonomischen Programm
geschafft worden war.
Abbildung 3: Wechselkurs M$-US$ von 1994-2002

12

10

8
Pesos in US-$

2
03.07.1994

03.01.1995

03.04.1995

03.10.1995

03.01.1996

03.07.1996

03.04.1997

03.07.1997

03.01.1998

03.04.1998

03.10.1998

03.07.1999

03.04.2000

03.10.2000

03.01.2001

03.10.2001

0
03.01.1994

03.04.1994

03.10.1994

03.07.1995

03.04.1996

03.10.1996

03.01.1997

03.10.1997

03.07.1998

03.01.1999

03.04.1999

03.10.1999

03.01.2000

03.07.2000

03.04.2001

03.07.2001

03.01.2002

03.04.2002

Quelle: eigene Darstellung nach Banco de México

28
Carstens, A.G., Werner, A.M., Mexico’s Monetary Framework under a Floating Exchange Rate Regime,
Documento de Investigación No. 9905, Banco de México, Mai 1999, S. 11.
29
Carstens, A.G., Werner, A.M., Mexico’s Monetary Framework under a Floating Exchange Rate Regime,
Documento de Investigación No. 9905, Banco de México, Mai 1999, S. 13.
Mexiko 25

III.1.2 Entwicklung Richtung Inflation Targeting

Für die Geldpolitik gab es nach 1995 dennoch weitere Probleme, die gelöst werden
mussten. Die Glaubwürdigkeit der Zentralbank war anschlagen. Dieser Verlust an
Glaubwürdigkeit passierte durch die Abwertung des Pesos und die Rückkehr zu einem
Umfeld der hohen Inflation im Jahre 1995. In diesem Zusammenhang sind zwei
Kritikpunkte an der Zentralbank entscheidend: einmal die fehlende Transparenz in ihren
Handlungen und die Nichtverbreitung von gewissen Informationen und zweitens die
fehlende Fähigkeit vor, während und nach der Krise die Geldpolitik entscheidend zu
straffen.
Um ihre Glaubwürdigkeit zu erhöhen, führte die Banco de México ein oberes
mittelfristiges Geldmengenziel ein, publizierte nun den monatlichen Bericht über die
Entwicklung der inländischen Nettokreditvergabe. In der Folgezeit war dieses sehr
einfache und intuitive geldpolitische Programm nicht ausreichend, um weder die
Inflationserwartungen zu stabilisieren noch die eigentliche Inflation. Anfang 1995
scheiterte diese regel-gebundene Geldpolitik aufgrund mehrerer Faktoren:
• Schon während der Krise war die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes sehr instabil,
was zu einen ebenfalls instabilen Verhältnis zwischen der Geldmenge und der
Inflation führte.
• Mit der Geldmengenregel war es nicht möglich, weder die plötzlichen
Wechselkursverluste zu verhindern, noch nachhaltig die Inflationserwartungen zu
beeinflussen und somit das Preisniveau.
• In der kurzen Frist hatte die mexikanische Zentralbank kaum einen Einfluss auf die
Geldmenge, da diese hier nur durch die Geldnachfrage verändert wurde.30
In ersten Halbjahr 1995 kam es zu einer deutlichen Abwertung des Reals. Der Wechselkurs
fiel von M$ 5 auf über M$ 7 für einen US$. Nur mit diskretionären Maßnahmen, mit der
Unterstützung des IWF konnte diese Abwertung gestoppt werden. Der Wechselkurs sank
wieder auf um die M$ 6.31 Dieses erfolgreiche Eingreifen verhinderte einen Kollaps der
ökonomischen Aktivitäten und einen weitere Verunsicherung im Bankensektor. Die
Abwertung des Pesos war mit der einfachen, regel-gebundenen Strategie nicht zu
verhindern gewesen. Die mexikanische Zentralbank entschloss sich, die monetäre Strategie
von einer, auf quantitativen Zielen in der Geldmenge beruhende, hin zu einer Strategie zu
verändern, in der eine Regelbindung (Entwicklung der Geldmenge) mit Diskretion
(Beeinflussung der Zinsen) verbunden werden. Um wirklich diskretionär handeln zu
30
Vgl. Carstens, A.G., Werner, A.M., Mexico’s Monetary Framework under a Floating Exchange Rate
Regime, Documento de Investigación No. 9905, Banco de México, Mai 1999, S. 14.
31
Vgl. Abbildung 3.
Mexiko 26

können, ohne den Aspekt der Transparenz zu vernachlässigen, errichtete die BM ein neues
Mindestreservesystem, das sogenannte encaje de promedio cero und Régimen de Saldos
Acumulados. Es handelt sich um ein System, das die Mindestreserve durchschnittlich bei
Null hält. Um die Nachfrage nach Bargeld einhalten zu können, bietet die Zentralbank in
täglichen Auktionen Kredite an. Der Saldo Acumulado de los saldos diarios (SA) ist die
Bilanz dieser täglichen Umsätze der Zentralbank. Die Summe der Kredite, die täglich
versteigert werden, wird zuvor von der BM festgelegt.
Wenn der SA gleich null ist, unterstreicht das die Intention der Zentralbank, die
Geldnachfrage zufrieden zu stellen. Die BM betreibt dann eine neutrale Geldpolitik. Ist der
SA negativ, das heißt zu klein32, zeigt das die Intention der Zentralbank, die nötigen
Rücklagen nicht zum gültigen Marktzinssatz zu anzubieten. In diesem Fall muss zumindest
ein Kreditinstitut, um die Nachfrage zu stillen, einen Strafzinssatz bezahlen, der doppelt so
hoch ist, wie der aktuelle Zinssatz. Die BM kommt ein beiden Fällen zwar der Nachfrage
nach, dennoch wird im zweiten Fall ein Teil der Kredite zu einem höheren Zins vergeben.
Das führt dazu, das Druck auf das Zinsniveau aufgebaut wird. Der corto impliziert für das
Banksystem nicht zu umgehende Kosten. Unter diesen Umständen ist die rationale
Reaktion der Banken, die Zinsrate auf das geglaubte Zielniveau der Zentralbank steigen
zulassen. Genau das passiert, wenn die BM einen corto einführt. Es handelt sich um eine
indirekte Kontrolle der Zinsen.
Die mexikanische Geldpolitik hat sich dahin verändert, das man für das seit 1996
zutreffende Programm drei Hauptelemente aufstellen kann:
1) Ein jährlich bekannt gegebenes Inflationsziel.
2) Regeln, die durch das Verhalten der Geldmenge definiert werden, zusammen mit
der quantitativen Verpflichtung der Akkumulation von nominalen internationalen
Reserven und der Veränderung der inländischen Nettokredite.
3) Das letzte Element ist das, das sich die mexikanische Zentralbank das Recht
vorbehält, in den Fällen, wo sie es für angebracht hält, auch diskretionäre
Maßnahmen durchzuführen.33
Für die Jahre 1996 und 1997 legte die mexikanische Zentralbank die Inflationsziele auf
20,5%, resp. 15% fest. In diesen ersten Jahren nach der Krise orientierte sich die Banco de
México, mit Hilfe von diskretionären Maßnahmen und dem corto, daran, die
Stabilitätskonditionen auf dem Finanzmarkt wiederherzustellen. Sobald der corto wieder
null ist, übernimmt das Inflationsziel die Rolle, die Erwartungen der Öffentlichkeit zu
32
Im Spanischen wird dise Situation corto genannt, so auch im Folgenden. Der gegenteilige Fall wird largo
genannt, wenn SA>0.
33
Vgl. Carstens, A.G., Werner, A.M., Mexico’s Monetary Framework under a Floating Exchange Rate
Regime, Documento de Investigación No. 9905, Banco de México, Mai 1999, S. 17 ff.
Mexiko 27

lenken, während die BM mit ihren diskretionären Maßnahmen darauf achten musste, nur
wenig Verunsicherung in den Finanzmarkt zu bringen.
Carstens und Werner kommen zu dem Schluss, dass sich Mexiko eindeutig in der Phase
eines Überganges zu einem klar-geschnittenen Inflation Targeting Konzept befindet und
das der Hinderungsgrund einer kompletten Übernahme dieses Konzeptes die immer wieder
auftretenden exogenen Schocks auf das Preisniveau sind.34
Nach 1998 beginnt das geldpolitische Konzept der BM den Übergang zu einem Inflation
Targeting System. Bevor man jedoch den ersten Schritt in diese Richtung machen kann,
muss man herausfinden, ob der inflationäre Prozess durch exogene Schocks angetrieben
wird oder von Schocks, die die Schlüsselpreise beeinflussen. In diesem Zusammenhang
haben Carstens und Werner herausgefunden, dass exogene Veränderungen der Geldmenge
nicht der Grund für die Inflation in Mexiko sind, sondern, dass die Geldmenge inflationäre
Schocks beherbergt, die von dem Wechselkurs, den Löhnen und dem Preisniveau im
öffentlichen Sektor kommen. Weiterhin schlussfolgern sie, dass diese Ergebnisse den
diskretionären Handlungsspielraum der mexikanischen Zentralbank rechtfertigen.35 Das
Inflation Targeting System beinhaltet weniger die Berücksichtigung der Geldmenge als
vielmehr eine stärkere Beachtung der Analysen des inflationären Druckes. Genau das
führte zu einer Hervorhebung der Wichtigkeit des Inflationszieles in der kurzen und
mittleren Frist.36
Ein gutes Indiz für den Übergang zu einem Inflation Targeting System lässt sich in der
Erhöhung des corto im November 1998 sehen. Er wurde eingesetzt, um den Druck auf die
Inflation durch eine Erhöhung der Zinsen zu reduzieren. Das Inflationsziel für das Jahr
1998 von 12% war durch die Auswirkungen der russischen Zahlungsunfähigkeit und dem
niedrigen Ölpreis nicht zu erreichen. In diesem Fall wurde der corto zum ersten Mal
präventiv eingesetzt, auch um die monetären Konditionen zu schaffen, das Ziel des Jahres
1999 zu erreichen.37
Im Jahre 1999 lag bei der mexikanischen Zentralbank das Hauptaugenmerk auf der
graduellen aber stetigen Desinflation. Die Kosten in einem Prozess der Desinflation sind
gering, da die Banco de México gleichzeitig einen Glaubwürdigkeitsschub erhält in ihrer
Hingabe zur Inflationsbekämpfung. Unterstützend wirkt hier auch das Bekenntnis der
Zentralbank einen Überschuss des Geldangebots – Hauptquelle eines inflatorischen
34
Vgl. Carstens, A.G., Werner, A.M., Mexico’s Monetary Framework under a Floating Exchange Rate
Regime, Documento de Investigación No. 9905, Banco de México, Mai 1999, S. 21.
35
Vgl. Carstens, A.G., Werner, A.M., Mexico’s Monetary Framework under a Floating Exchange Rate
Regime, Documento de Investigación No. 9905, Banco de México, Mai 1999, S. 29.
36
Vgl. Martínez et al. (2001), S. 7.
37
Vgl. Banco de México, Boletin de Prensa Nr. 129, vom 30. November 1998 und vgl. Martínez et al.
(2001), S. 7.
Mexiko 28

Prozesses – zu vermeiden. Der Schub in der Glaubwürdigkeit bewirkt gleichzeitig, dass die
Zentralbank nicht die Zinsen erhöhen muss, um die Inflationserwartungen unter Kontrolle
zu halten. Hinter dieser Handlung steht, das die mittel- und langfristigen Erträge einer
niedrigen Inflationsrate, die vorrübergehenden Kosten der Übergangsphase hin zu
Preisniveaustabilität über die Maßen deckt. All diese Überlegungen flossen in die
Präsentation des geldpolitischen Programms im Jahre 1999.
Für das Jahr 1999 wurde das Inflationsziel auf eine Obergrenze von 13% festgesetzt.
Gleichzeitig wurde ein längerfristiges Ziel eingesetzt: die graduelle Annäherung an die
externen Inflationsraten. Diese Ziel wurde noch mal ausführlicher erläutert: Das Ziel der
Geldpolitik sollte sein, 2003 eine Inflationsrate von 3% zu erreichen.38 Zur gleichen Zeit
legte man auch mit 10% das Ziel für das Jahr 2000 fest. Im Oktober 1999 folgte die
Bekanntgabe der Inflationsziele für die Jahre 2001 (6,5%) und 2003 (3%). Für das Jahr
2002 wurde ein Hinweis auf das Inflationsziel gegeben (4,5%).
Carstens und Werner kommen in ihrer Arbeit zu dem Schluss:
„Therefore, to be in a position to quickly react to inflationary shocks,
Banco de México has the possibility to discretionally adjust its monetary
policy stance to influence the behavior of the interest rates in the pursuit of
its inflation target. Therefore, as time has past, the inflation objective,
supported by our discretionary actions, has become the nominal anchor of
the economy.”39
Auch wenn noch die formale Übernahme des Inflation Targeting Konzeptes fehlt, arbeitete
die Zentralbank in den ersten Jahren nach der Krise bereits auf die Umstellung hin.

III.2 Institutionelle Merkmale


Da Mexiko sich in dem langsamen Prozess befindet, nach und nach das Inflation Targeting
System einzuführen, ist auch der institutionelle Bereich nicht von einer graduellen
Umstrukturierung ausgeschlossen. Die Funktionen und die Aufgaben der mexikanischen
Zentralbank werden durch die mexikanische Verfassung und das Zentralbankgesetz
geregelt. Im Artikel 28 der mexikanischen Verfassung steht:
“El Estado tendrá un banco central que será autónomo en el ejercicio de
sus funciones y en su administración. Su objetivo prioritario será procurar
la estabilidad del poder adquisitivo de la moneda nacional [...]. Ninguna
autoridad podrá ordenar al banco conceder financiamiento.”40

38
Vgl. Martínez et al. (2001), S. 8.
39
Carstens, A.G., Werner, A.M., Mexico’s Monetary Framework under a Floating Exchange Rate Regime,
Documento de Investigación No. 9905, Banco de México, Mai 1999, S. 50.
40
Artikel 28 der mex. Verfassung. „Der Staat soll eine Zentralbank besitzen, die autonom ist in Ausübung
ihrer Funktionen und in ihrer Administration. Ihr höchstes Ziel ist es, die Stabilität der Kaufkraft der
nationalen Währung zu gewährleisten [...]. Keine Institution darf der Bank befehlen, eine Finanzierung zu
gewähren.“ (Übersetzung der Verfasser)
Mexiko 29

Das Zentralbankgesetz ist im Hinblick auf ein Inflation Targeting System vorbereitet. Die
einzelnen Aufgaben, Funktionen und Pflichten sind in 68 Artikeln geregelt. Keine andere
mexikanische Institution darf der BM vorschreiben, wie sie zu handeln hat. Sie besitzt,
neben der Verpflichtung als Notenbank zu dienen, jedoch nicht die absolute freie Wahl der
Instrumente. Bei deren Einsatz, um oberste Aufgabe der Zentralbank zu erfüllen, kann die
Regierung immer noch mit reden. Die Aufgabe ist bereits in Artikel 28 der Verfassung
umschrieben: sie muss für Preisstabilität sorgen. Die Rahmenbedingung für Inflation
Targeting sind also fast implementiert. Zu der nicht gewährleisteten Freiheit in der
Instrumentenwahl, ist auch die finanzielle Unabhängigkeit nicht vorhanden, was eine
Schwächung der Stellung und der Glaubwürdigkeit der Zentralbank bedeutet. In einem
Ranking des IWF über die gesetzliche Unabhängigkeit und die Glaubwürdigkeit der
lateinamerikanischen Zentralbanken erreicht Mexiko den vierten Platz.41
Die interne Struktur der Zentralbank ist wiederum durch 54 Artikel geregelt. Hier sind die
Organisation und die Kompetenzen der Zentralbank festgelegt. Die Zentralbank wird durch
ein Direktorium (Junta de Gobierno del Banco de México) geleitet, dem wiederum der
Zentralbankchef vorsteht. Darunter gibt es verschiede Abteilungen, die sich um die
einzelnen Aspekte der Zentralbankarbeit kümmern. Unter anderen gibt es eine Abteilung
für Zentralbankoperationen oder eine Abteilung für die ökonomische Forschung.
In ihrem Bericht von Januar 2002 über das geldpolitische Programm der Zentralbank,
beschreibt die Banco de México die Entwicklung zu einer formalen Übernahme des
Inflation Targeting Konzeptes und deren Hauptcharaktereigenschaften:

(a) El reconocimiento de la estabilidad de precios como el objetivo


fundamental de la política monetaria;
(b) El establecimiento y anuncio de metas de inflación de corto y mediano
plazos;
(c) La consolidación de una autoridad monetaria autónoma;
(d) La aplicación de la política monetaria en un marco de transparencia, el
cual se sustenta en una estrategia de comunicación abierta respecto de
los objetivos, instrumentos y decisiones de la autoridad monetaria;
(e) El análisis permanente de todas las fuentes potenciales de presiones
inflacionarias, con el fin de evaluar la trayectoria futura del
crecimiento de los precios; y
(f) El uso de mediciones alternativas de la inflación, como la inflación
subyacente. Ello, a fin de distinguir aquellos fenómenos que inciden de
manera transitoria sobre la inflación e identificar la tendencia de
mediano plazo del crecimiento de los precios.42
41
Vgl. Jácome H., Luis I., Legal Central Bank Independence and Inflation in Latin America During the
1990s, IWF Working Paper 01/121, Dezember 2001, S.18ff.
42
Banco de México, Informe sobre la Inflación Octubre – Diciembre 2001 y Programa Monetario para
2002, Januar 2002, S. 70. „(a) das fundamentale Ziel der Geldpolitik ist die Anerkennung der Preisstabilität,
(b) die Einführung und die Veröffentlichung von Inflationszielen in der kurzen und mittleren Frist, (c) die
Mexiko 30

Mit diesen Charaktereigenschaften, sind bereits einige der wesentlichen Grundzüge des
Inflation Targeting Systems, die Mishkin und Savastano43 herausgearbeitet hatten, in der
mexikanischen Geldpolitik berücksichtigt.
In Mexiko ist der Verbraucherpreisindex der offizielle Index bei der Messung und
Kontrolle der Inflation. Der Indice Nacional de Precios al Consumidor (INPC) wird vom
Instituto Nacional de Estatística, Geografia e Informatica (INEGI) gemessen und
veröffentlicht. Mit dem Jahr 2002 wurde die Basis dieses Preisindexes verändert. Dazu
gehörten eine Veränderung der durchschnittlichen Größe der Haushalte und eine
Veränderung der zum Bündel gehörenden Güter. Das neue Güterbündel beinhaltet nun
315 Güter, im Vergleich zu 313 Gütern, die seit 1994 dazu gehörten. Jedoch waren auch
inhaltliche Veränderung ausschlaggebend.44 Der INPC ist eine nationale Größe und für die
gesamte Bevölkerung repräsentativ.
Abbildung 4: Inflationsrate INPC (in % über die letzten 12 Monate) und Inflationsziele

60

50
Inflationsrate auf 12 Monate
42% umgerechnet

40 Inflationsziel
in %

30

20,5%
20
15%
13%
12%
< 10%
10
6,5
4,5
%
%
0
Jan 95

Jan 96

Jan 97

Jan 98

Jan 02
Jan 99

Jan 00

Jan 01
Mai 95

Mai 96

Mai 02
Sep 95

Sep 96

Mai 97

Sep 97

Mai 98

Sep 98

Mai 99

Sep 99

Mai 00

Mai 01

Sep 01
Sep 00

Jahre

Quelle: El Centro de Certificación LGAI und Martínez et al. (2001), eigene Grafik

Konsolidierung einer unabhängigen monetären Institution, (d) die Anwendung der Geldpolitik mit einem
gewissen Grad der Transparenz, der durch eine Strategie der offenen Kommunikation entsteht, was die Ziele,
die Instrumente und die Entscheidungen der monetären Institution angeht, (e) die permanente Analyse der
möglichen Gründe für inflationären Druck, mit dem Ziel eine Projektion des zukünftigen Wachstums der
Preise zu formen und (f) der Gebrauch von alternativen Messungen der Inflation., wie die unterschwellige
Inflation. Diese werden gebraucht, um jene Phänomene, mit vorübergehender Wirkung auf die Inflation zu
unterscheiden und um die kurzfristige Tendenz des Wachstums der Preise zu identifizieren.“ (Übersetzung
der Verfasser).
43
Vgl. Mishkin, F., Savastano, M., Monetary Policy Strategies for Latin America, NBER Working Paper
Series, Working Paper 7617, 2000, S. 32 und siehe Kapitel II.4.
44
Für eine ausführliche Begründung und Erläuterung der Umstellung der Basis des INPC siehe: Banco de
México, Metodología para el Cambio de Base del INPC,
http://www.banxico.org.mx/eInfoFinanciera/Infecon/cuadros/CambioBaseINPC.pdf, am 20.05.2002.
Mexiko 31

Die Aufgabe der Zentralbank ist es, die Inflation auf einem niedrigen Niveau und stabil zu
halten. Mexiko befindet sich noch immer in der Phase des Überganges, in der
Preisniveaustabilität, wie im Gesetz gefordert, noch nicht erreicht ist. Daher gibt die Junta
de Gobierno seit der Krise jährliche Inflationsziele bekannt, die den Weg der Desinflation
verstärken sollen. Mit dieser Strategie der graduellen Reduktion der Inflation, gab 1999 die
Junta nicht mehr nur kurzfristige Jahresziele heraus, sondern erstmals ein mittelfristiges
Ziel: 2003 soll eine Inflationsrate von ca. 3% erreicht werden.45 Um diese mittelfristige
Ziel zu unterstützen, wurde 2000 das Inflationsziel für das Jahr 2002 festgelegt: es soll
4,5% nicht übersteigen.
Die Zentralbank gibt mehrere Berichte über ihre Arbeit, über die Entwicklung der Inflation
und anderer ökonomischen Variablen heraus46. In diesen Berichten wird die eigene
Geldpolitik beurteilt und die weitere Vorgehensweise diskutiert. Zu den
Veröffentlichungen gehört ein jährlich erscheinendes Informe Anual, in denen alle
Informationen zu der mexikanischen Volkswirtschaft noch einmal zusammen gefasst
werden. Jährlich erscheinen auch das Programa de Política Monetario und das Informe
sobre la política monetaria, wobei das erste jeweils im Januar des Jahres erscheint und das
andere im September. Das Programa de Política Monetario gibt einen Überblick über die
Herausforderungen des kommenden Jahres für die Geldpolitik, während das Informe sobre
la política monetaria die Ergebnisse der Geldpolitik des Jahres zusammenfasst und
gegebenenfalls anpasst. Die Veröffentlichung dieser Berichte ist im Zentralbankgesetz
durch den Artikel 51 geregelt. Die Zentralbank muss mit diesen Berichten Rechenschaft
vor dem mexikanischen Kongress ablegen.
Die wichtigste Veröffentlichung im Zusammenhang mit Inflation Targeting ist das Informe
trimestral sobre la inflación. Dieser Bericht wir seit 2000 von der Zentralbank
veröffentlicht. Hier wird speziell de Entwicklung der Inflation berücksichtigt und auch
Prognosen für die zukünftige Inflation getroffen. Wie der Name schon sagt, erscheint
dieses Informe alle drei Monate. Durch die Herausgabe von Pressemitteilungen wird
Informationsvergabe zusätzlich noch verbessert. Auf der Homepage der Zentralbank sind
alle Pressemitteilungen nach Themen geordnet zu erhalten.47
Die Forschungsabteilung (Dirección General de Investigación Económica) veröffentlicht
zusätzlich noch Documentos de Investigación, die auch via Internet zu erhalten sind und
teilweise sogar in Englisch.48 Es werden hauptsächlich Forschungsarbeiten zu der

45
Siehe Abbildung 4.
46
Alle Veröffentlichungen sind auch im Internet als pdf-Dateien erhältlich unter:
http://www.banxico.org.mx/gPublicaciones/FSPublicaciones.html, am 02.05.2002.
47
Alle Pressemitteilungen unter: http://www.banxico.org.mx/fBoletines/Boletines/FSBoletines.html
Mexiko 32

ökonomischen Situation in Mexiko veröffentlicht, die sich z.B. mit der mexikanischen
Geldpolitik oder operationellen Eigenheiten des mexikanischen Systems beschäftigen.
Bei einer Verfehlung der Inflationszieles sieht weder die Verfassung noch das
Zentralbankgesetz eine Konsequenz vor. In keinem Artikel ist beschrieben, wie sich die
BM in so einem Fall veralten soll. Außer den normalen Berichten muss die Zentralbank
nicht weiter Rechenschaft ablegen. In der kurzen Geschichte der Inflationsziele ist die
Verfehlung schon häufig vorgekommen, da das Ziel ein Punktziel, oder eine Höchstgrenze
ist. In diesem Fall handelt die Zentralbank wenig transparent.

III.3 Grundmodell und operationelle Merkmale


Das oberste Ziel der mexikanischen Zentralbank ist die Gewährleistung von Preisstabilität.
Die Aufgabe der Geldpolitik ist es nun das Instrument herauszusuchen und es in dem Maße
anzuwenden, wie mit den Transmissionsmechanismen der Geldpolitik und der Erreichung
des Zieles vereinbar ist. Wie schon im zweiten Kapitel herausgearbeitet, ist es der
Zentralbank möglich, direkt oder indirekt über eine Veränderung des Zinssatzes die
Inflationsrate zu beeinflussen.
Die Banco de México beeinflusst den Zinssatz nicht direkt, sondern indirekt über eine
Restriktion des Geldangebots bei den täglichen Auktionen zu dem gültigen Zins. Dieses
fehlende Geldangebot (corto), wird zwar von der Zentralbank gedeckt, muss aber von einer
oder mehreren Kreditinstituten zum doppelten Zinssatz erworben werden. Die
Geldnachfrage wird gesättigt.49 Dieses geldpolitische System nennt man Zero-average
reserve requirement system. Das durchschnittlich null Mindestreservesystem definiert, wie
die Zentralbank die Geldnachfrage sättigt. Auch für Mexiko, mit seiner langen Geschichte
der hohen Inflation, zählt, das in der langen Frist das Wachstum der Geldmenge
entscheidend ist. In der kurzen Frist jedoch ist de Zentralbank darauf angewiesen, andere
ökonomische Variablen zu verfolgen, die die Geldmenge beeinflussen können.
Die mexikanische Zentralbank wird die Veränderungen der ökonomischen Variablen
reagieren, die zu einer höheren Inflationsrate führen. Die Auswirkungen auf die Inflation
müssen von der Zentralbank rechtzeitig antizipiert werden, da zwischen der monetären
Handlung und deren tatsächlichen Auswirkung eine gewissen Zeitspanne liegt. Mit der
Einführung eines flexiblen Wechselkursessystems hat die BM das Zero-average reserve
requirement system umgesetzt, um den Teilnehmern des Finanzmarktes Signal geben zu

48
Die Documentos de Investigación sind im Internet unter:
http://www.banxico.org.mx/gPublicaciones/DocumentosInvestigacion/doctos.htm zu erhalten (02.05.2002).
49
Das corto-System wurde bereits im Kapitel III.1.2 ausführlich erläutert.
Mexiko 33

können, ohne eine bestimmte Zinsrate oder Wechselkursrate zu bestimmen.50 Diese


Signale gibt die Zentralbank durch die vorherige Bekanntgabe eines Zielwertes für die
Summe der Bilanzen aller Geschäftsbanken bei der Zentralbank. Der corto ist der Fall, in
dem die mexikanische Zentralbank nicht die komplette Geldnachfrage zu den gültigen
Marktzinsen deckt. Wenn die Zentralbank den corto benutzt, betreibt sie so zusagen eine
restriktive Geldpolitik. Unter den folgenden Umstände würde de BM dazu übergehen, eine
solche Geldpolitik zu betreiben:
“1. Cuando detecte presiones inflacionarias futuras incongruentes con
el logro de los objetivos de inflación adoptados y, por ende, las
expectativas inflacionarias se desvíen considerablemente respecto
de las metas de inflación;
2. Cuando se presenten perturbaciones inflacionarias. En particular,
la política monetaria procurará en toda circunstancia neutralizar
los efectos secundarios de las perturbaciones exógenas sobre los
precios y, en ocasiones, actuará de manera precautoria para
contrarrestar parcialmente los efectos inflacionarios directos que
originen los movimientos de los precios clave en la economía. El
objetivo final es que los ajustes necesarios de los precios relativos
afecten sólo moderadamente al INPC, elevando su nivel pero
evitando el deterioro de las expectativas inflacionarias;
3. Cuando se necesite restaurar condiciones ordenadas en los
mercados cambiarios y de dinero.”51
Wie bereits oben erwähnt führt diese restriktive Geldpolitik zu einem Druck auf die
Zinsensniveau. Die Zinsen werden in diesem Fall steigen.
Für den Erfolg der Geldpolitik müssen jedoch zunehmend die Variablen berücksichtigt
werden, die die Wirkung einer Maßnahme beeinflussen und verzögern. Die mexikanischen
Zentralbänkler müssen verstehen wie und in welchem Maße sich eine Veränderung des
Zinssatzes auf die Inflationsrate aus wirkt. Zum einen sind hier die Transmissionskanäle
der Geldpolitik entscheidend, zum anderen ist auch eine Analyse des pass-through von
großer Bedeutung. Die Berechnung eines pass-through Koeffizienten verdeutlich die
Wirkungsdauer und die –intensität der Maßnahme.
Der pass-through Koeffizient lässt sich für die mexikanischen Volkswirtschaft leicht an
der Dauer ausmachen, wann sich eine Veränderung im Wechselkurs in den Preisen
niederschlägt. Die Variationen im Wechselkurs beeinflussen die Preise direkt über die
Veränderung der handelbaren Güter oder indirekt über eine Veränderung der
Inflationserwartungen. Im direkten Fall entscheidet die Offenheit er Volkswirtschaft über

50
Das Zero-average reserve requirement system wird in einem Papier der Zentralbank noch einmal genau
beschrieben: Banco de México, Implementation of monetary Policy through the zero-average reserve
requirement system ,http://banxico.org.mx/public_html/dgobc/imp.zip, am 10.05.2002.
51
Martínez et al. (2001), S.13.
Mexiko 34

ihren Effekt, während im indirekten Fall den die Anfälligkeit der Inflationserwartungen
entscheidend ist.
52
Für Mexiko existieren mehre Gründe dafür, dass dem pass-through zwischen einer
Wechselkursveränderung zu einer Preisveränderung eine größere Rolle zukommt als in
anderen Volkswirtschaften. In Mexiko veränderte sich zum einen der Anteil der Handels
am BIP von 15% im Jahre 1990 zu 58% im Jahre 1999. Auf der anderen Seite stehen die
lange Geschichte einer hohen Inflation und die der Zahlungsbilanzkrisen, die sich
nachhaltig auf das Verhältnis zwischen den Inflationserwartungen und dem Wechselkurs
ausgewirkt haben. Martínez et al. (2001) weisen in ihrer Untersuchung nach das in den
vergangenen 20 Jahren eine erstaunlich hohe Korrelation zwischen der Abwertung des
Wechselkurses und de Inflation gab. Für den indirekten Fall zeigen sie, dass der pass-
through Koeffizient in den vergangenen drei Jahren erheblich gefallen ist.
Für die Effektivität von monetären Maßnahmen ist außerdem die Analyse der
Transmissionskanäle und –mechanismen von großer Bedeutung. Die Transmissionskanäle
können mit Hilfe von Strukturmodellen beschrieben oder mit VAR-Modellen analysiert
werden.53

III.4 Empirische Bedingungen unter Inflation Targeting


Seit 1998 ist die mexikanischen Volkswirtschaft zunehmend durch die graduelle
Umstellung des geldpolitischen Konzeptes der Banco de México geprägt. Der Trend ging
weiter von einer Geldmengensteuerung hin zu einer stärkeren Gewichtung der
Inflationsziele, die die Zentralbank seit mehreren Jahren bekannt gibt. Einen
Übergangscharakter hatte auch die restriktiven Maßnahmen der Zentralbank im Hinblick
auf die Interventionen am „Geldmarkt“ mit Hilfe das cortos. Im dem Falle, dass die
Inflationserwartung nicht mit den Inflationszielen übereinstimmte, benutzte die
Zentralbank den corto, um die Märkte zu beruhigen.
Es war ein Ziel, nicht nur die Inflationsrate an sich zu senken, sondern auch die Volatilität
der monatlichen Inflationsraten. Durch die Stabilisierung der Märkte mit einem
gleichmäßigen Zinssatz konnte dieses Ziel langsam auch erreicht werden.54 Nur die
Jahreswende 1998/99 wurde der Abwärtstrend im Zinsniveau durch eine restriktivere
Geldpolitik unterbrochen.

52
Das Folgende nach: Martínez et al. (2001), S.28 ff.
53
Martínez et al. (2001) nehmen eine VAR Analyse für die Jahre 1997-2000 vor.
54
Siehe Abbildung 5.
Mexiko 35

Abbildung 5: monatlicher INPC (1995-2002, mit Trend)

5
in %

Jan 99

Jan 00
Jan 95

Jan 96

Jan 97

Jan 98

Jan 01

Jan 02
Jul 95

Jul 96

Jul 97

Jul 98

Jul 00

Jul 01
Apr 95

Apr 96

Apr 97

Apr 98

Jul 99

Apr 00

Apr 01

Apr 02
Apr 99
Okt 95

Okt 96

Okt 97

Okt 98

Okt 99

Okt 00

Okt 01
-1

Quelle: Banco de México, eigene Darstellung

Das Jahr 1998 hat der mexikanischen Geldpolitik jedoch mehr geschadet, als genützt. Das
Inflationsziel von 12% hat man um fast 7%-Punkte verfehlt. Zur Jahreswende 1998/99
lagen die monatlichen Inflationsraten des INPC wieder um die 2%, was dazu führte, dass
die jährliche Inflationsrate im Dezember 1998 auf 18,6% stieg. Das Verfehlen des
Inflationszieles kostete der Zentralbank viel Vertrauen, in ihrem Kampf gegen die
Inflation. Jedoch ebnete die Zentralbank durch eine restriktivere Geldpolitik – sie führte
wieder den corto ein – das Feld für das nächste Jahr. Die restriktivere Geldpolitik zeigt
sich eindeutig im Zinsniveau.55 Bis in den August des Jahres war das Zinsniveau in den
niedrigen 20ern. Im September erreichte der kurzfristige Zinssatz durch die restriktivere
Geldpolitik ein Spitzenwert von über 50%. Die Anhebung der Zinsen konnte jedoch nicht
mehr dazu führen, dass das Inflationsziel für das Jahr erreicht wurde. Erst im nächsten Jahr
sollte die Inflationsrate wieder zurückgehen. In diesem Fall kann man eindeutig die
Wirkungsdauer der geldpolitischen Maßnahme erkennen.
Das Inflationsziel für 1999 wurde bei 13% festgemacht. Bis Mitte April sind die Zinsen
wieder auf das Niveau des Vorjahres gefallen. In weiteren Verlauf des Jahres sanken die
Zinsen dann unter die 20%-Marke, was jedoch den Abwärtstrend der Inflation nicht
nachhaltig negativ beeinflusste. Zum Ende des Jahre fiel die jährliche Inflation dann auch
mit 12,3% unter das Ziel. Die Erfüllung des Zieles und der weitere Abwärtstrend der

55
Siehe Abbildung 5.
Mexiko 36

Inflationsziele – für 2000 wurde das Inflationsziel bei 10% festgemacht – stärkten
wiederum das Vertrauen in die Fähigkeiten der Zentralbank. Zum ersten Mal wurde 1999
auch ein mittelfristiges Ziel eingeführt. 2003 sollte die Inflationsrate auf ein
„internationales Niveau“ gesenkt werden.
Im Jahr 2000 wurde bereits im Februar das Inflationsziel im April mit 9,7% unterschritten,
wobei es auch im restlichen Jahr dabei blieb. Die monatlichen Inflationsraten blieben bei
ihrem Abwärtstrend und unter 1%. Auch die Zinsen waren relativ stabil in diesem Jahr. Sie
bewegten sich das ganze Jahr zwischen 15% und 20%
Abbildung 6: tägliche Zinsen CETES (1996-2002)

60

50

40
in %

30

20

10

0
28.03.1996

28.07.1996
28.09.1996

28.01.1997
28.03.1997

28.09.1997

28.05.1998
28.07.1998

28.11.1998

28.07.1999

28.11.1999
28.01.2000

28.05.2000

28.11.2000

28.07.2001

28.11.2001
28.01.2002
28.03.2002
28.05.1996

28.11.1996

28.05.1997
28.07.1997

28.11.1997
28.01.1998
28.03.1998

28.09.1998

28.01.1999
28.03.1999
28.05.1999

28.09.1999

28.03.2000

28.07.2000
28.09.2000

28.01.2001
28.03.2001
28.05.2001

28.09.2001

Quelle: Banco de México, eigene Darstellung

Im Jahr 2001 wurde das Zinsniveau noch einmal um 10%-Punkte gesenkt. Bereits Anfang
August wurde die 10%-Marke unterschritten. Mit den terroristischen Anschlägen in den
USA, stieg das Zinsniveau jedoch wieder über 10%. Doch bereits im Oktober konnte diese
Marke wieder unterschritten werden. Seither befindet sich das Zinsniveau weiter auf
seinem Abwärtstrend. Ähnlich sieht es mit den monatlichen Inflationsraten aus. 2001
stiegen sie nicht mehr über die 1%-Marke und waren in den Monate Februar und Juli sogar
negativ. Selbst im September und Oktober erreichte die Rate nur 0,9%, bzw. 0,5%. Diese
gute Entwicklung spiegelte sich natürlich auch in der Jahresinflation wider. Im Dezember
fiel die Inflation auf 4,4%, 2%-Punkte unterhalb des Inflationszieles. Seit drei Jahren hat
die Zentralbank es geschafft, das Inflationsziel, was zum Teil als obere Grenze gesehen
wurde, zu unterschreiten. Das bedeutet einen erhöhten Glaubwürdigkeitsschub für die
Mexiko 37

Zentralbank in ihrem Kampf gegen die hohe Inflation. Mexiko kann, mit Inflationswerten
unter 4%, nun nicht mehr als eine Volkswirtschaft angesehen werden, die unter hohen
Inflationsraten leidet. Der Druck auf die Inflation ist zwar noch immer vorhanden, aber die
Zentralbank scheint ein geeignetes Gegenmittel gefunden zu haben. Trotz der schlechten
Konjunktur der Weltwirtschaft, hat es Mexiko geschafft, ihren Kurs durchzuhalten.
Um die Krise von 1994/95 zu überstehen, half der Zentralbank seit 1996 ein stets positives
Wirtschaftswachstum, das auch im Vergleich zu anderen lateinamerikanischen Staaten
hoch war.56 Das Wachstum des Bruttoinlandprodukt erreichte 1997 6,8%. Nach dem
wirtschaftlich erfolgreichen Jahr 2000, mit 6,5% Wachstum, ist das Wirtschaftswachstum
seit 1995 zum ersten Mal wieder negativ. Die schwache Konjunktur des
Haupthandelspartner Mexikos, USA, wirkte sich auch negativ auf Mexiko aus. Zwar
wurde das Inflationsziel erreicht und der Wechselkurs bliebt stabil – der US$ unter
M$ 10 – doch das Wachstum ging auf -0,3% zurück.

III.5 Bewertung und Ausblick

Mexikos Geldpolitik fehlt es immer noch an einigen wichtigen Elemente die eine Inflation
Targeting Strategie ausmachen. Zwar gibt die Zentralbank seit mehreren Jahren ein
Inflationsziel bekannt, aber das allein macht Inflation Targeting nicht aus. Mexiko fehlt vor
allem noch eine transparentes politisches Konzept und die nötige Glaubwürdigkeit das
Inflationsziel auch zu erreichen.
Weiterhin rückt sie nicht von ihren Weg ab, die Zinsen nur indirekt zu beeinflussen, mit
der Hilfe der täglichen Liquiditätssteuerung. Das Zero-average reserve requirement system
mit corto und largo ist wenig durchschaubar, auch wenn die Zentralbank in den letzten
Jahren viel unternommen hat mehr Transparenz durch genauere Untersuchungen zu
erzeugen. Auch mittelfristige Inflationsprognosen publiziert die BM nur in einem geringen
Maße, die Prognosen beziehen sich nur auf das folgende Jahr. Bei der Festlegung des
Inflationszieles wird der Schwerpunkt noch immer auf ein kurzfristiges, jährliches
Inflationsziel gelegt. Erst einmal ist es vorgekommen, dass die BM ein mittelfristiges
Inflationsziel veröffentlich hatte. Diese Aktionen der mexikanischen Zentralbank sind nur
bedingt glaubwürdigkeitsfördernd, zumal in der mexikanischen Volkswirtschaft immer
noch ein Abwertungsdruck auf den Wechselkurs herrscht, auch wenn der Wechselkurs
unter M$ 10 für einen US$ gehalten werden konnte.

56
Siehe Tabelle 3.
Mexiko 38

In diesen letzten Jahren hat es die BM geschafft, die Inflationsrate wieder unter 10% zu
bekommen und die Aussichten das mittelfristige Ziel, 3% Inflation am Ende des Jahres
2003 zu erreichen, stehen nicht schlecht. Der Glaubwürdigkeit konnte auch mehr genüge
getan werden, da in den letzten drei Jahren das Inflationsziel mehr oder weniger
eingehalten werden konnte. Der pass-through Koeffizient vom Wechselkurs zur
Inflationsrate ist den letzten Jahren erheblich gefallen.
Der Übergang zu einem Inflation Targeting System ist noch nicht komplett vollzogen.
Mexiko scheint eher den Weg Chiles zu gehen: den Weg einer graduellen Stärkung der
Inflationszieles. De Möglichkeit in ein paar Jahren Preisniveaustabilität in Mexiko zu
haben scheint nicht so schlecht zu sein, dennoch sind noch einige Strukturreformen nötig,
um dieses oberste Ziel der Zentralbank auch auf Dauer zu gewährleisten. Dann muss sich
auch die Zentralbank zu einem eindeutigen Inflation Targeting bekennen.
Brasilien 39

IV. Brasilien
Brasilien ist zusammen mit Mexiko die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas. Sowohl
Mexiko als auch Brasilien besitzen im amerikanischen Wirtschaftsraum ein großes
Gewicht, so dass ihre makroökonomische Verfassung für die gesamte Region als
Stabilisator, resp. Destabilisator, wichtig ist.
Brasilien hat Inflation Targeting im Juli 1999 als offizielle Geldpolitik der Zentralbank
eingeführt. Dies bildet vorerst ein Ende der langen Stabilisierungsbemühungen und
Währungsreformen, die sich seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts in Brasilien
hinzogen. Den Höhepunkt der Währungsreformen bildete der Plano Real, der im Jahre
1994 durchgeführt wurde. Jedoch führte der Plano Real nur zu einer vorrübergehenden
Stabilisierung. Zwar blieben in den folgenden Jahren die Inflationsraten konstant niedrig,
dennoch musste die brasilianische Zentralbank das mit dem Plano Real eingeführte
Wechselkurssystem, ein Crawling Peg, im Juli 1999 wieder aufheben und den Real floaten
lassen. Mit der Freilassung des Wechselkurses brauchte die Zentralbank ein neues
geldpolitisches Konzept, woraufhin sechs Monate später Inflation Targeting offiziell
eingeführt wurde:
„The introduction of the new nominal anchor was paramount to enhance
transparency and to guide expectations, thus preventing temporary inflation
increases from recurring.”57
Mit der Aufgabe des Crawling Peg und des erzwungenen Floating suchte die BCB einen
neuen nominalen Anker für den Real, den sie mit der Einführung von Inflation Targeting
gefunden hatte. Gleichzeitig profitierte die Zentralbank von den Vorteilen der Inflation
Targeting Strategie, zum Beispiel bei der Lenkung der Inflationserwartungen und der
Erhöhung der Transparenz und der Glaubwürdigkeit. Die Übernahme des neuen Konzeptes
beinhaltete jedoch eine institutionelle Umwälzung der herrschenden Bedingungen und
stellte die Zentralbank vor die schwierige Aufgabe, Geldpolitik nun selbst zu gestalten. Die
Erlernung der operationellen Aufgaben der Zentralbank in einem Inflation Targeting
Regime war und ist immer noch mit einem hohen Forschungsaufwand verbunden.

57
Fachada, Pedro, Inflation Targeting in Brazil: Reviewing Two Years of Monetary Policy 1999/00,
Banco Central do Brasil, Working Paper 25, Juli 2000, S. 5.
Brasilien 40

IV.1 Empirische Bedingungen des Übergangs


In den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts durchlief die brasilianische Wirtschaft bestimmte
strukturelle Veränderungen. In den ersten Jahren des Jahrzehnts stagnierte das reale
Einkommen des Landes. Hinzu kam eine geringes Investitionsniveau, eine niedrige
Sparrate und einem limitierten Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten. Geprägt
wurden diese Jahre durch hohe und noch steigende Inflationsrate. Erst im Jahre 1994
machte Brasilien einen wirklichen Fortschritt in Richtung ökonomischen und finanziellen
Stabilität, mit guten Ergebnissen im Bereich der Inflation, des Wachstums,
Handelsliberalisierung und internationaler Eingliederung.58
“Despite this relative success, critical problems remained to be addressed,
in particular the rising deficits in the current account and the deterioration
of fiscal position. This macroeconomic evolution is critical for
understanding the current economic environment, which is characterized by
a consistent combination of inflation targeting, floating exchange rate, and
fiscal discipline.”59
Dieses Stabilisierungsprogramm ist unter dem Namen Plano Real60 bekannt geworden.

IV.1.1 Von wechselkursorientierter Stabilisierung zum


Floating
Das Stabilisierungsprogramm Plano Real beendete erfolgreich die lange brasilianische
Geschichte einer chronisch hohen Inflation. Das Entscheidende an dieser Währungsreform
war im März 1994 die Einführung einer neuen Recheneinheit, dem Unidade Real de Valor
(URV). In den nächsten zwei Monaten wurden die gegebenen Bedingungen in Brasilien
dem URV angepasst, bis am 1. Juli 1994 dieses Übergangssystem abgeschafft und die
URV als neue Währung eingeführt wurde, mit dem Namen Real. Unter diesen guten
Bedingungen, die nun in Brasilien herrschten, mussten die Geldpolitiker eine strikte
Geldpolitik betreiben, die sich zuerst dem Kampf gegen die Inflation und das Problem der
Indexierung61 widmete. Weiterhin war die Entscheidung, welche Wechselkurspolitik

58
Vgl. Bogdanski, Joel et al., Inflation Targeting in Brazil: shocks, backward-looking prices, and IMF
conditionality, Banco Central de Chile, Documento de Trabajo N° 110, November 2001, S. 2.
59
Bogdanski, Joel et al., Inflation Targeting in Brazil: shocks, backward-looking prices, and IMF
conditionality, Banco Central de Chile, Documento de Trabajo N° 110, November 2001, S. 2.
60
Für eine ausführliche Analyse des Plano Reals 1994 in Brasilien siehe: Schumacher Xavier, Cordula,
Stabilisierungspolitik in Brasilien. Der Plano Real, in: Feldsieper, M. (Hrsg.), Wirtschaftspolitische
Forschungsarbeiten der Universität zu Köln, Band 26, Marburg 1998. und Baer, Werner, Paiva, Cláudio,
Brasiliens inflationäre Erblast und der Plano Real, in: Calcagnotto, Gilberto, Fritz Barbara (Hrsg.), Inflation
und Stabilisierung in Brasilien, Probleme einer Gesellschaft im Wandel, Frankfurt am Main, 1996, S. 66-93.
61
Zur problematischen Indexierung der Preise und zu brasilianischen Geschichte der Intervention zu
Beeinflussung der Preisindizes siehe: Schumacher Xavier, Cordula, Stabilisierungspolitik in Brasilien. Der
Plano Real, in: Feldsieper, M. (Hrsg.), Wirtschaftspolitische Forschungsarbeiten der Universität zu Köln,
Band 26, Marburg 1998 und Chacel, Julian, Preisindizes und Stabilisierungspolitik in Brasilien, in:
Calcagnotto, Gilberto, Fritz Barbara (Hrsg.), Inflation und Stabilisierung in Brasilien, Probleme einer
Gesellschaft im Wandel, Frankfurt am Main, 1996, S. 267-281.
Brasilien 41

passend für die brasilianische Situation war, ausschlaggebend für die erste Phase der
Stabilisierung. Eigentlich wollten die Geldpolitiker ein freies Wechselkurssystem
einführen. Das verhinderte jedoch die mexikanische Tequila-Krise im Jahre 1994. Die
brasilianischen Geldpolitiker sind dazu gezwungen worden, ein Crawling Peg für den Real
zu initiieren. Dieses Wechselkurssystem wurde offiziell im März 1995 eingeführt und von
Juli 1995 bis Mitte Januar 1999 mit einer jährlichen Abwertungsrate um die 7,5%
fortgeführt.

Abbildung 7: Monatliche Inflationsraten (IPCA) in Brasilien

45

35

25
in %

15

-5
1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002

Quelle: http://www.sidra.ibge.gov.br/bda/, eigene Grafik


Nach der Umsetzung des Plano Reals stabilisierte sich die Inflationsrate, jedoch wurden
nicht alle Maßnahmen für eine wirklich umfassende, sanierende62 Währungsreform
umgesetzt. Bei einer sanierenden Währungsreform i.w.S. gehören nach Bähr zu den
monetär-technischen Reformmaßnahmen auch flankierende Maßnamen, die für das
Gelingen einer Währungsreform notwendig sind.63 Durch die fehlende politische
Umsetzung einer dringend nötigen Fiskalreform, kam es zu einer restriktiven Geldpolitik,
die auf Dauer den Erfolg des Plano Reals nicht sichern konnte:
„Zwar ist es gelungen, die Inflation auf ein vergleichsweise geringes
Niveau zu senken und die Demonetisierung der Wirtschaft infolge der
62
Begriff der sanierenden Währungsreform i.w.S. nach Bähr (1994), der die Gesamtheit der
Reformmaßnahmen, also die monetären, wechselkurspolitischen als auch flankierenden Maßnahmen nach
einem Inflationsprozess umfasst.
63
Vgl. Bähr (1994), S. 15 f.
Brasilien 42

chronischen Inflation rückgängig zu machen. Diese positiven Ergebnisse


stehen jedoch auf einem instabilen Fundament. Der Wechselkurs ist in
einem beunruhigenden Maße überbewertet; die dringend erforderlichen
Reformen zur Beseitigung des öffentlichen Budgetdefizites wären längst
fällig gewesen; die Zentralbankreform wird bestenfalls weiter diskutiert;
der Bankensektor steckt in einer tiefen Anpassungskrise, und für das 2.
Halbjahr 1996 ist bisher keine positive Entwicklung in Sicht.“64

Der Stabilisierungsprozess von 1994 wurde mit einem weitgefächerten Programm


verschiedener ökonomischer Reformen begleitet. Dazu gehörten die Privatisierung
staatlicher Unternehmen, die Fortführung der Handelsliberalisierung und die
Restrukturierung des Finanzsystems.65,66 Der Stabilisierungsprozess wurde durch die
Verschleppung einiger politischer Maßnahmen, die im legislativen Prozess liegen blieben,
aufgehalten. Das erhöhte die Anfälligkeit der brasilianischen Wirtschaft gegenüber
externen Schocks. In diesem Zusammenhang sind hauptsächlich zwei externe Schocks zu
erwähnen: die Asien-Krise in der zweiten Hälfte des Jahres 1997 und das russische
Schuldenmoratorium im August 1998. Beiden Schocks begegneten die brasilianischen
Geldpolitiker mit einer Erhöhung der Zinsen. Trotzdem nahm das Vertrauen der Märkte
gegenüber den brasilianischen Geldpolitikern kontinuierlich ab. Das zwang das im Januar
neugewählte Zentralbankdirektorium zu weiteren einschneidenden Maßnahmen. Ohne
andere Alternativen, ließen sie den Wechselkurs frei, was eine Abwertung des Reals
gegenüber dem US$ von R$ 1,21 bis R$ 2,00 Ende Januar 1999 zur Folge hatte. Diese
Abwertung hatte eine sofortige Auswirkung auf die Inflationsrate (siehe Abbildung ? und
Abbildung ?).
Das neugewählte Zentralbankdirektorium begann Anfang März mit ihrer Arbeit, die
vordringlich zwei Ziele hatte: die Kontrolle der Inflationserwartungen, was einer
Reduzierung der Unsicherheit in der kurzen Frist gleichkommt und das Design eines neuen
monetären Regimes, welches sich auf das Inflation Targeting Konzept stütze.

IV.1.2 Übergang zum Inflation Targeting


Die Abwertung des Reals hatte unmittelbare Auswirkungen auf die handelbaren
Güterpreise. Der IPA (Índice de Preços por Atacado) stieg um 7% im Februar. Auch der
Verbraucherpreisindex stieg, jedoch nur um 1% pro Monat im Februar und März.

64
Schumacher Xavier, Cordula, Stabilisierungspolitik in Brasilien. Der Plano Real, in: Feldsieper, M.
(Hrsg.), Wirtschaftspolitische Forschungsarbeiten der Universität zu Köln, Band 26, Marburg 1998, S. 74f.
65
Vgl. Fachada, Pedro, Inflation Targeting in Brazil: Reviewing Two Years of Monetary Policy 1999/00,
Banco Central do Brasil, Working Paper 25, Juli 2000, S. 6.
66
Vgl. Bogdanski, Joel et al., Inflation Targeting in Brazil: shocks, backward-looking prices, and IMF
conditionality, Banco Central de Chile, Documento de Trabajo N° 110, November 2001, S. 4.
Brasilien 43

Der Übergang in ein freies Wechselkurssystem vollzog sich in Brasilien in einer Phase der
Krise. So war es die erste Aufgabe des neuen Zentralbankdirektoriums eine geldpolitische
Strategie zu finden, die zu einem freien Wechselkurs passt. Für die brasilianischen
Zentralbänkler stellte jedoch weder ein voll diskretionäres Konzept, noch ein total
regelgebundenes System eine Lösung dar. Das neue geldpolitische Konzept musste genug
Flexibilität erlauben, den öffentlichen Erwartungen effektiv als Anker zu dienen, jedoch
ebenso ein definitives und strenges Versprechen an eine konsistente, stringente und
zielgerichtete Geldpolitik darstellen.67 Die Zentralbank entschloss sich ein Inflation
Targeting Regime zu initiieren. Das interessante an diesem neuen Regime war die
graduelle Einführung. Die Einführung brauchte zusätzlich institutionelle Veränderungen,
um die operationelle Unabhängigkeit der Zentralbank zu gewährleisten. Die Zentralbank
verkündete ihre Intention, Inflation Targeting als geldpolitisches Konzept einzuführen. Die
formelle Einführung, zusammen mit der Verkündung einer Spezifikation des Zielwertes,
vollzog sich jedoch erst in der zweiten Hälfte des Jahres.68
Abbildung 8: Wechselkurs R$/US$

3,00

2,80

2,60

2,40

2,20

R$ 2,00
1,80

1,60

1,40

1,20

1,00

1998 1999 2000 2001 2002

Quelle: BCB, eigene Darstellung

Das neue Zentralbankdirektorium versuchte zugleich die Finanzmärkte zu beruhigen. Um


steigende Inflationserwartungen zu dämmen, hob das Comitê de Política Monetária do

67
Vgl. Bogdanski, Joel et al., Inflation Targeting in Brazil: shocks, backward-looking prices, and IMF
conditionality, Banco Central de Chile, Documento de Trabajo N° 110, November 2001, S. 7.
68
Vgl. Bogdanski, Joel et al., Inflation Targeting in Brazil: shocks, backward-looking prices, and IMF
conditionality, Banco Central de Chile, Documento de Trabajo N° 110, November 2001, S. 8.
Brasilien 44

Banco Central do Brasil (COPOM) die kurzfristigen Zinsen (Selic) von 39% pro Jahr auf
45% an.
„It was acceptable that the relative price movements set in march with the
devaluation would shift the price level upward, but the interest rate had to
be set high enough to prevent the second-round inflationary process that
could follow. The question was how to translate these ideas into practice,
given the then chaotic state of expectations.”69

Um die eindeutige Strategie der brasilianischen Zentralbank klarzustellen, verkündete das


Komitee kurz nach einer ihrer Sitzungen, dass „das Hauptziel der Zentralbank die
Aufrechterhaltung von Preisstabilität ist“70. An anderen Stellen spezifiziert das Komitee
den Begriff der Preisstabilität und meint damit eine monatliche Inflationsrate im Bereich
von 0,5-0,7% am Ende eines Jahres.71 Weiterhin heißt es in der Erklärung vom 4. März
1999:
„(1) in a floating exchange rate regime, sustained fiscal austerity, together
with a compatible monetary austerity, supports price stability; (2) as fiscal
policy is given in the short-run, the control over inflationary pressures
should be exerted by the interest rate; (3) observed inflation is due to the
currency depreciation, and markets expect a further rise in the price level
this month; (4) the basic interest rate should be sufficiently high to offset
exchange-rate-based inflationary pressures; and (5) so, we decided to raise
the basic interest rate to 45 percent per year, but with a downward bias, for
if the exchange rate returns to more realistic levels, keeping the nominal
interest rate that high would be unjustified.”72

Auch die Regierung übernahm Maßnahmen, um die Erwartungen umzudrehen und die
Unterbewertung des Reals zu korrigieren. Das Conselho Monetário Nacional (CMN)
reduzierte z.B. im bezug auf dem Kapitaltransaktionen die Steuern von 2% auf 0,5%73. Die
Situation besserte sich bald danach. Die Unterbewertung des Reals im Wechselkurs war
wieder rückläufig (der Wechselkurs fiel von R$ 2,20 in den ersten März Wochen auf R$
1,66 Ende April) und die Zinsen gingen wieder zurück (Ende März erst auf 42% und
Anfang April senkte COPOM sie abermals auf 39,5%. Bis zum Juni-Treffen vom COPOM
senkte das Komitee die Zinsen insgesamt 8 Mal bis auf 22%). 74 Den Fall der Inflationsrate

69
Bogdanski, Joel et al., Inflation Targeting in Brazil: shocks, backward-looking prices, and IMF
conditionality, Banco Central de Chile, Documento de Trabajo N° 110, November 2001, S. 8.
70
Comitê de Política Monetária do Banco Central do Brasil (COPOM), Notas da 33ª Reunião,
[http://www.bcb.gov.br/htms/copom/not1999030433.shtm#_notexp, 06.03.2002], Übersetzung der Verfasser.
71
Vgl. Bogdanski, Joel et al., Inflation Targeting in Brazil: shocks, backward-looking prices, and IMF
conditionality, Banco Central de Chile, Documento de Trabajo N° 110, November 2001, S. 9.
72
Comitê de Política Monetária do Banco Central do Brasil (COPOM), Notas da 33ª Reunião,
[http://www.bcb.gov.br/htms/copom/not1999030433.shtm#_notexp, 06.03.2002], Übersetzung der
Bogdanski, Joel et al.(2000).
73
Mehr bei Fachada, Pedro, Inflation Targeting in Brazil: Reviewing Two Years of Monetary Policy 1999/00,
Banco Central do Brasil, Working Paper 25, Juli 2000, S. 10.
74
Siehe Abbildungen 5, 6, 7.
Brasilien 45

schrieb man der Aufwertung des Reals zu und machte den Rückgang der
Nahrungsmittelpreise für einen weiteren Rückgang der Inflation verantwortlich Dies zeige
sich sogar im IPCA, die Verbraucher Inflationsrate, gemessen vom Statistischen Institut
Brasiliens (IBGE), fiel von 0,6% im April auf 0,3% im Mai.
Für das erste Halbjahr 1999 lässt sich sagen, dass die Wirtschaftspolitik der Krise mit einer
fiskal- und geldpolitischen Bündelung begegnete, die auch bei der Steuerung der
Inflationserwartungen erfolgreich war. Die Zentralbank handelte so, als wäre des Inflation
Targeting Konzept schon vollkommen umgesetzt, was zu diesem Zeitpunkt noch nicht den
formalen Gegebenheiten entsprach. Das Hauptinstrument zum Erreichen des Inflationsziels
in dieser Phase waren die kurzfristigen Zinsen, die man, mit kontrollierten
Inflationserwartungen, innerhalb von vier Monaten um die Hälfte reduzieren konnte.75

IV.2 Institutionelle Merkmale


Mit der Veröffentlichung einer Pressemitteilung nach dem COPOM-Treffen im
März 1999, wurde die Absicht der Geldpolitiker bekannt gegeben, Inflation Targeting in
Brasilien einzuführen. Auf der institutionellen Ebene waren noch viele Maßnahmen zu
ergreifen, da die Zentralbank keine absolute formale Unabhängigkeit über die
geldpolitischen Instrumente inne hatte. Die brasilianische Zentralbank hatte Anfang 1999
keinerlei Erfahrungen mit der indirekten Kontrolle der Inflation, so dass die Einführung
des Inflation Targeting Regimes stufenweise, bzw. in Phasen verlief.
76
Die Mitarbeiter mussten erst lernen, worauf das Inflation Targeting Konzept überhaupt
beruht. Das waren zum einen technische Fähigkeiten, z.B. zur Erarbeitung der
Inflationsbestimmungsmodelle, und zum anderen interne institutionelle Elemente, wie zum
Beispiel der Aufbau einer Forschungseinrichtung innerhalb der Zentralbank, die bis dahin
noch nicht existierte. Ende März wurde die Forschungseinrichtung der brasilianischen
Zentralbank gegründet. Sie beschäftigte sich zu Beginn mit drei Forschungsgebieten:
Inflation Targeting, Finanzierungsrisiken und Preisindexierung und Mikroökonomie der
Banken. Die Inflation Targeting Gruppe bestand aus 14 Mitarbeitern, deren Aufgabe es
war, ein Design für den institutionellen Rahmen zu formen und für die
Transmissionsmechanismen Modelle zu erstellen. Brasilien profitierte in diesem

75
Vgl. Bogdanski, Joel et al., Inflation Targeting in Brazil: shocks, backward-looking prices, and IMF
conditionality, Banco Central de Chile, Documento de Trabajo N° 110, November 2001, S. 9 und Fachada,
Pedro, Inflation Targeting in Brazil: Reviewing Two Years of Monetary Policy 1999/00, Banco Central do
Brasil, Working Paper 25, Juli 2000, S. 13.
76
Das folgende nach: Bogdanski, Joel, Tombini, Alexandre Antonio, Werlang, Sérgio Ribeiro da Costa,
Implementing Inflation Targeting in Brazil, Banco Central do Brasil, Working Paper 1, Juli 2000, S. 9f.
Brasilien 46

Zusammenhang von einem Seminar des Internationalen Währungsfonds, in dem man zu


folgendem Konsens kam:
“Low and stable inflation was singled out as the primary long-run objective
of monetary policy, and inflation targeting was regarded as an effective
framework for guiding monetary policy. In particular, inflation targeting
was seen as providing a nominal anchor both for monetary policy and
inflation expectations, making this anchor identical to the long-run
objective of monetary policy; providing more transparency and
accountability to the design and implementation of monetary policy;
facilitating its communication, understanding, and assessment; and
providing effective policy guidance by focusing policymakers’ attention on
the long-run consequences of short-term policy actions.”77
Um die Glaubwürdigkeit des neuen Konzeptes zu erhöhen, entschloss sich die Regierung,
für ein Inflation Targeting Regime nach dem Vorbild Schweden und Englands. Es gab
jedoch noch keine klaren Vorstellungen in der Forschung, wie man einen Wechsel zu
Inflation Targeting in Volkswirtschaften mit einer chronisch hohen Inflationsgeschichte
vollzieht.78 Bisher fand Inflation Targeting nur in Industrieländern Anwendung, deren
Inflationsraten schon zum Übergang zu Inflation Targeting auf einem niedrigen Niveau
waren. Im ersten Halbjahr des Jahres 1999 lag der Schwerpunkt in der Einführung von
Inflation Targeting bei der Entwicklung von Modellen zur Bestimmung der zukünftigen
Inflation, die aufgrund der Abwertung des Reals nicht dem Niveau der Preisstabilität
entsprach. Im Gegensatz zu den Industrieländern ist die Gefahr einer Fehleinschätzung der
zukünftigen Inflationsrate bei relativ hohem Niveau größer. Das führt dazu, dass das
Inflationsziel leichter verfehlt werden kann und die Zentralbank es schwer hat,
Glaubwürdigkeit zu gewinnen, während die Öffentlichkeit Probleme hat, diese
Abweichung vom Ziel nachzuvollziehen. Für die BCB war es daher wichtig darauf
hinzuweisen, dass die Modelle zur Erstellung von Prognosen des Inflationsniveaus
aufgrund einer breiten Informationslage getroffen werden:
“Therefore, a mix of models should be under consideration when looking
for an adequate reaction function, and producing inflation forecasts and
their probability distributions. It should also include private sector
perceptions about the expected path of economic variables, extra-model
information, leading indicators and any other judgmental knowledge that
helps predict inflation.”79

77
IWF, Brazil – Selected Issues and Statistical Appendix, IMF Staff Country Report 99/97, September 1999,
S. 86.
78
Vgl. Fachada, Pedro, Inflation Targeting in Brazil: Reviewing Two Years of Monetary Policy 1999/00,
Banco Central do Brasil, Working Paper 25, Juli 2000, S. 14.
79
Bogdanski, Joel, Tombini, Alexandre Antonio, Werlang, Sérgio Ribeiro da Costa, Implementing Inflation
Targeting in Brazil, Banco Central do Brasil, Working Paper 1, Juli 2000, S. 13.
Brasilien 47

Am 1. Juli 1999 übernahm Brasilien Inflation Targeting als offizielles geldpolitisches


Konzept. Der Brasilianische Präsident unterschieb das Dekret Nr. 3088 vom 21. Juni 1999,
welches den Grundlage für das neue Regime bildete:
 Die Inflationsziele werden auf der Grundlage der Veränderungen eines
bekannten Preisindexes etabliert.
 Sowohl die Inflationsziele als auch die Toleranzintervalle werden durch das
CMN auf der Grundlage eines Vorschlages des Finanzministers bestimmt.
 Die Inflationsziele für die Jahre 199, 2000 und 2001 werden nicht später als
dem 30. Juni 1999 festgesetzt; für das Jahr 2002 und den folgenden Jahren
werden die Ziele nicht später als am 30. Juni bekannt gegeben, jeweils für die
nächsten zwei Jahre.
 Die Zentralbank übernimm die Verantwortung die notwendigen geldpolitischen
Maßnahmen umzusetzen, um das Ziel zu erreichen.
 Der Preisindex, der für das Inflation Targeting Konzept benötigt wird, wird
vom CMN auf Vorschlag des Finanzministers bestimmt.
 Das Ziel wird als erfüllt angesehen, wenn die akkumulierte Inflation der
Monate Januar bis Dezember in jedem Jahr in das Toleranzintervall fällt.
 Im Fall, dass das Ziel nicht erreicht wird muss der Zentralbankchef dem
Finanzminister einen offenen Brief schreiben, im dem er die Gründe für das
Nichterreichen, die zu treffenden Maßnahmen und deren Wirkungsdauer
erläutert.
 Die Zentralbank wird alle drei Monate einen Inflation Report herausgeben, mit
Informationen zur Entwicklung des Inflation Targeting Konzeptes, den
Ergebnissen der getroffenen geldpolitischen Maßnahmen und
80
Inflationsprognosen.

Das Rückrat in der geldpolitischen Entscheidungsstruktur der Zentralbank bildet das


Comitê de Política Monetária do Banco Central do Brasil (COPOM), welches schon am
20. Juni 1996 nach dem Vorbild des Federal Reserve Open Market Committee (FOMC)
und des Zentralbankrates der Deutschen Bundesbank geschaffen wurde. Das Komitee soll
die geldpolitischen Grundlinien und die Zinsrate des Selic festlegen. Die Schaffung des
COPOM hatte zwei Hauptziele, zum einen die Verbesserung der organisatorischen
Struktur und Zuständigkeiten, und zum anderen die Förderung von Transparenz und
Kommunikation mit der Öffentlichkeit. Seit 1996 hat es einige institutionelle
Veränderungen des geldpolitischen Komitees gegeben. Das hatte auch mit der
grundlegenden Umgestaltung der geldpolitischen Strategie zutun. Offiziell übernimmt das
COPOM seit 1999 die Aufgabe, die nötigen geldpolitischen Maßnahmen zur Erreichung
des Inflationszieles zu organisieren, das Zinssatzziel festzulegen und den Inflationsreport
zu veröffentlichen und zu analysieren. Der durch das Komitee bestimmte Zinssatz ist die
Zielrate des Selic. Dieses Ziel ist zwischen zwei COPOM-Treffen fixiert, es kann jedoch
gegebenenfalls für den Zinssatz eine Richtung vorgeben werden, so dass der Gouverneur
80
Vgl. Dekret Nr. 3088 vom 21. Juni 1999, Übersetzung der Verfasser.
Brasilien 48

der Zentralbank auch zwischen den Treffen die Rate der Richtung entsprechend verändern
kann.
Seit 2000 findet das Treffen an zwei aufeinanderfolgenden Tagen statt. 81 Außer dem
Kollegialdirektorium (Diretoria Colegiada), dem der Gouverneur der Zentralbank vorsteht
und die entscheidende Stimme hat, sind die Leiter der folgenden Abteilungen Mitglieder
des COPOM: die Volkswirtschaftliche Abteilung (DEPEC), die Abteilung für Operationen
mit Internationalen Währungsreserven (DEPIN), die Abteilung für Bankgeschäfte
(DEBAN), die Abteilung für Offenmarktoperationen (DEMAB) und die Abteilung für
Studien und Forschung (DEPEP). Am ersten Tag der Sitzung präsentieren die Leiter der
einzelnen Abteilung die aktuelle ökonomische Lage. Am zweiten Tag der Sitzung nimmt
nur das Kollegialdirektorium teil, in der die geldpolitischen Maßnahmen getroffen und die
Zinsen festgelegt werden. Jede Entscheidung wird im Konsensverfahren getroffen.
Nach jedem Treffen veröffentlicht das Komitee Berichte ihrer Sitzungen (Notas das
Reuniões)82, die die Entscheidungen erklären und zur Transparenz und Glaubwürdigkeit
des Inflation Targeting Regimes beitragen sollen. Zu diesen Berichten veröffentlicht das
COPOM einen vierteljährlichen Inflationsreport83, der die Entscheidungen noch mal
detailliert erläutert und eine mögliche Analyse der zukünftigen Inflationsrate gibt.
Abbildung 9: Inflationsrate IPCA (% über die letzten 12 Monate)

10
9
8
7
6
in % 5

4
3
2
1 Inflation Targeting

0
J an. Apr. J ul. Okt. J an. Apr. J ul. Okt. J an. Apr. J ul. Okt. J an. Apr. J ul. Okt. J an. Apr. J ul. Okt.
98 98 98 98 99 99 99 99 00 00 00 00 01 01 01 01 02 02 02 02

Die gestrichelte Linien repräsentieren die Inflationsziele in den Jahren, die dunkleren Zone den

± 2% Punkte Bereich.

Quelle: IBGE, eigene Grafik

81
Zur Organisation siehe Abbildung ?.
82
Im Internet unter: http://www.bcb.gov.br/htms/copom/a-copom.asp.
83
Im Internet unter: http://www.bcb.gov.br/mPag.asp?codP=769&cod=206&perfil=1.
Brasilien 49

Am 30. Juni 1999 gab das CMN eine Resolution (Nr. 2615) heraus, die sowohl den
Preisindex als auch das Inflationsziel definierte. Der IPCA, ermittelt durch das IBGE
(Nationale Brasilianische Büro für Geographie und Statistik), wurde als Index für das
offizielle Inflationsziel bestimmt. Die eigentlichen Ziele wurden auf 8% für das Jahr 1999,
auf 6% für 2000 und auf 4% für 2001 festgesetzt. Außerdem wurde ein Zieltoleranzbereich
definiert: er beträgt für jedes Jahr ± 2%84. Der ausgewählte Preisindex, der IPCA,
beinhaltet ein Bündel von Familien mit einem Einkommen zwischen einem und 40
Mindestlöhnen, die über eine weite geographische Ausdehnung verstreut sind. Hier sind
neun Großstädte erfasst, São Paulo, Rio de Janeiro, Belo Horizonte, Porto Alegre, Recife,
Belém, Fortaleza, Salvador und Curitiba, aber auch Goiânia und der Distrito Federal.
“An important issue to discuss is the choice of the full inflation rate as
reference for the target, and not some core inflation measure. Perhaps, the
best technical procedure would have been to purge some items from the full
index, exempting it from temporary and once-and-for-all shocks.
Nevertheless, adopting a headline index was essential for credibility
reasons, at least in the beginning of IT implementation. Unfortunately,
Brazilian society has experienced several price index manipulations in a not
so distant past, and so would be suspicious about any change related to
suppressing items from the target index.”85
86
Die Hervorhebung eines Hauptindexes ist elementar für die Glaubwürdigkeit der
Zentralbank, zumindest in dieser ersten Phase des Inflation Targeting Regimes. Der Grund
für die zurückgehenden Zielwerte liegt in der Vergangenheit der brasilianischen Inflation.
Hier muss man zwischen einem Inflationsprozess – genauer gesagt einer stetigen
Steigerung des Preisniveaus – und einer zeitweiligen Erhöhung der Inflationsrate durch
einen Schock – einer einmaligen Veränderung im Preisniveau – unterscheiden. Beim
Anstieg der Inflationsrate in Brasilien Anfang des Jahres 1999 handelte es sich um den
zweiten Fall, nämlich um eine Erhöhung als Folge der Abwertung des Reals. Zuvor
bestand in Brasilien Preisstabilität mit einer durchschnittlichen Inflationsrate von 1,7% im
Jahr 1998.
Im institutionellen Rahmen des Inflation Targeting Konzeptes kann eine Ausstiegsklausel
existieren. Der brasilianischen Zentralbank steht bei einer Verfehlung des Inflationszieles
ein Ausstieg nicht zur Verfügung. In diesem Fall muss der Direktor der Zentralbank in
einem offenen Brief an den Finanzminister nicht nur die Gründe für die Verfehlung des

84
Die Verbindung eines Hauptpreisindexes und der Abwesenheit eines Ausstiegsklausel, rechtfertigt den
relativ weiten Toleranzraum für das Ziel (2% Punkte), was das Ziel jedoch strenger macht als zuerst
angenommen,
85
Bogdanski, Joel, Tombini, Alexandre Antonio, Werlang, Sérgio Ribeiro da Costa, Implementing Inflation
Targeting in Brazil, Banco Central do Brasil, Working Paper 1, Juli 2000, S. 12f.
86
Das folgende nach: Bogdanski, Joel, Tombini, Alexandre Antonio, Werlang, Sérgio Ribeiro da Costa,
Implementing Inflation Targeting in Brazil, Banco Central do Brasil, Working Paper 1, Juli 2000, S. 12.
Brasilien 50

Zieles erläutern, sondern auch die Maßnahmen vorstellen, die das Erreichen des Zieles
sicherstellen sollen, und deren Wirkungsdauer.
Eine Transparenz des Inflation Targeting Konzeptes war der brasilianischen Zentralbank
von Anfang an wichtig, so dass effektive Kommunikationskanäle errichtet wurden, die der
Öffentlichkeit halfen die Entscheidungen der Zentralbank zu verstehen und zu
einzuschätzen.

IV.3 Grundmodell und operationelle Merkmale


Im operationellen Bereich standen die Zentralbänkler mit der Einführung von Inflation
Targeting vor verschiedenen Problemen. Aufgrund der geringen Erfahrung mit einem
System freier Wechselkurse und der fünf Eigenschaften des Inflation Targeting, die
Mishkin und Savastano87 herausgearbeitet hatten, legten sie ihr Hauptaugenmerk auf die
Untersuchung der geldpolitischen Transmissionsmechanismen. Danach mussten sie
entscheiden, welche Kanäle der Transmissionsmechanismen für Brasiliens am besten
passen, bzw. die meisten Erfolge versprechen würden, um die gesetzten Inflationsziele zu
erreichen. Für das Verständnis der Transmissionskanäle mussten sie einfache und kleine
Strukturmodelle entwickeln, um das Verhalten der makroökonomischen Hauptvariablen zu
verstehen und zu erklären.
Die Entwicklung von Werkzeugen, die im geldpolitischen Entscheidungsprozess hilfreich
sein könnten, gehörte zu den ersten Aufgaben der neu gegründeten Forschungsabteilung
(DEPEP) der BCB. Zu diesen Werkzeugen gehören u.a. die Strukturmodelle der
Transmissionsmechanismen im bezug auf die Preise, die durch kurzfristige
Inflationsprognosen, Inflationsindikatoren und Maßeinheiten der Kerninflation
vervollständigt werden. Sie spiegeln die Erwartungen der Märkte im Hinblick auf die
Inflation, das Wachstum und auf andere relevante Variablen wider. Die ersten
Modellversuche waren relativ erfolgreich und erreichten ein hohes Niveau an
Zuverlässigkeit und eine gewisse Dynamik. Für diese Anfangsphase galten jedoch zwei
Einschränkungen:
1. die generellen Limitierungen durch das Modell und die Parameterunsicherheit
müssen berücksichtigt werden,
2. die Zeit nach der Freilassung der Wechselkurse in Brasilien war zu kurz, um
ausreichend belegte Daten zu liefern.88

87
Vgl. Mishkin, F., Savastano, M., Monetary Policy Strategies for Latin America, NBER Working Paper
Series, Working Paper 7617, 2000, S. 32 und siehe Kapitel II.4.
88
Vgl. Bogdanski et al. (2001) S. 17.
Brasilien 51

Durch die lange Phase von missglückten Stabilisierungsversuchen von 1986-1994 waren
tiefgreifende strukturelle Brüche in der ökonomischen Entwicklung entstanden, so dass es
für die Zentralbank extrem schwierig war, in dieser Phase mit den üblichen
ökonometrischen Mitteln Daten zu entnehmen. Auch wenn für die Zentralbänkler die
möglichen Instrumente Limitationen aufwiesen und sie keine Illusionen über ihre
Effektivität hatten, waren die Modelle trotzdem nützlich und halfen, die Diskussionen um
die geldpolitische Strategie innerhalb der Zentralbank zu disziplinieren.
89
Um kleine makroökonomische Modelle zu entwickeln, musste die Zentralbank die
verschiedenen Kanäle der Transmissionsmechanismen der Geldpolitik studieren. Diese
Kanäle beinhalten den Zinssatz (auch ein geldpolitisches Instrument), den Wechselkurs,
die aggregierte Nachfrage, die festen Preise, die Erwartungen, die Geldmenge, die Löhne
und das Wohlstandsniveau. Bei den gegebenen makroökonomischen Umständen in
Brasilien kamen die Forscher der Zentralbank zu folgender Schlussfolgerung: (i) eine
Veränderung der Zinsrate schlägt sich 3 bis 6 Monate später im Verbraucherverhalten und
in der Investition nieder, dazu kommen noch mal 3 Monate, damit es zu spürbaren
Auswirkungen in der Inflationsrate kommt. Zusammengerechnet benötigt der
geldpolitische Transmissionsmechanismus über die aggregierte Nachfrage zwischen 6 und
9 Monaten. (ii) über einen direkten Kanal beeinflussen Veränderungen des nominalen
Zinssatzes die Inflationsrate über den nominalen Wechselkurs simultan (iii) mit dem
gegebenen historisch niedrigen Niveau im brasilianischen gemeinschaftlichen Sektor, mit
den strengen monetären und kreditären Bedingungen, die mit dem Plano Real eingeführt
wurden, ist der Transmissionsmechanismus über den Kreditkanal nicht funktionsfähig und
kann daher in seiner Wichtigkeit bei der Kanalisierung einer Zinsveränderung in Richtung
Inflation negiert werden.
“The structural models are complemented by a set of short-term models.
These complementary models include Vector Autoregressive (VAR) models
and Autoregressive Moving Average (ARMA) time-series models and serve
three basic purposes: (i) providing an alternative short-term forecast for the
inflation rate and, therefore, permitting a consistency check with the
forecasts resulting from the structural models; (ii) permitting the use of the
inflation forecast resulting from these models for the purposes of estimating
(with the structural model) the ex ante real interest rate (which is an
explanatory variable in the aggregate demand equation in some of the
estimated structural models), as well as in the forward-looking interest rate
rule (which is one of the equations in the structural models); and (iii)
allowing to simulate shocks to specific components of the IPCA, like for
instance, changes in prices set by the public sector.”90
89
Das folgende nach: Bogdanski, Joel, Tombini, Alexandre Antonio, Werlang, Sérgio Ribeiro da Costa,
Implementing Inflation Targeting in Brazil, Banco Central do Brasil, Working Paper 1, Juli 2000, S. 14f.
90
Bogdanski, Joel, Tombini, Alexandre Antonio, Werlang, Sérgio Ribeiro da Costa, Implementing Inflation
Targeting in Brazil, Banco Central do Brasil, Working Paper 1, Juli 2000, S. 15.
Brasilien 52

In diesem Zusammenhang sehen Bogdanski et al. in ihrem Aufsatz noch weitere


problematische Einschränkungen für die brasilianischen Gegebenheiten:
91
1. die Zeitverzögerung über die aggregierte Nachfrage ist in Brasilien kürzer als die
in der Mehrzahl der Industrieländer oder der Entwicklungsländer, was an der
schwungartigen Veränderungen der realen Zinsrate im Zuge des Plano Reals liegen
könnte. Diese Veränderungen hatten sofortige Auswirkungen auf die Produktion
und die Inflation, auch wenn sie kleiner waren als die Veränderung des
Zinsniveaus. Die Zentralbänkler vermuten, dass die Zeitverzögerung über diesen
Transmissionsmechanismuskanal sich mit der Entwicklung der brasilianischen
Wirtschaft zu einem langfristigen Gleichgewicht verlängern wird.
2. Trotz der relativ kurzen Zeitverzögerungsstruktur, sind die eigentlichen Effekte
gering. Das liegt beispielsweise an dem schwachen Finanzsystem, das
überreguliert, mit einer Vielzahl von Kreditrestriktionen, obligatorisch
zusammengestellten Fonds und verzerrten Steuern ausgestattet ist. Ein weiterer
Grund ist das weitläufige Bankensystem. Das hat zur Folge, dass der
Transmissionskanal von der Zinsrate zum Lohnniveau, der durch den Markt
bestimmt wird, schwächer macht, was wiederum teilweise erklärt, warum die
Volatilität der Zinsen Ende der 90er Jahre des 20. Jh. so hoch gewesen ist. Hieraus
lässt sich vermuten, dass eine leichte Abweichung vom erwarteten Pfad, eine
übermäßige Korrektur des Zinsenniveau verlangt, um die Volkswirtschaft wieder
auf den vorgegeben Pfad zurückzuführen. In anderen Worten ausgedrückt bedeutet
das, dass die Zinselastizität in einem makroökonomischen Gleichgewicht niedrig
ist. Eine Serie von parallelen Projekten soll diese Unregelmäßigkeiten im
Finanzsystem ausgleichen und die Effektivität des Transmissionsmechanismus
erhöhen.
3. Eine weitere Einschränkung ist der pass-through Koeffizient zwischen Abwertung
und Inflation. Goldfajn und Werlang kommen zu der Schlussfolgerung, dass der
pass-through Koeffizient normalerweise auf vier Hauptfaktoren beruht:
 dem Grad der Überbewertung des Wechselkurses vor der Abwertung
 dem vorhergehen Niveau der Inflation
 dem Grad der Offenheit der Volkswirtschaft
 dem ökonomischen Aktivitätsniveau.92

91
Das folgende nach: Bogdanski et al. (2001) S. 18f.
92
Vgl. Goldfajn, Ilan, Werlang, Sérgio Ribeiro da Costa, The Pass-through from Depreciation to Inflation: A
Panel Study, Banco Central do Brasil, Working Paper 5, Juli 2000.
Brasilien 53

Vor diesem Hintergrund war der Übergang zu einem freien Wechselkurssystem in


Brasilien ein guter Weg zu einem niedrigen pass-through Koeffizienten, da die
Inflationsrate niedrig und der Wechselkurs eindeutig überbewertet war. Die
vorläufigen Untersuchungsergebnisse bestätigen die Tendenz eine niedrigen pass-
through Koeffizienten.
Eine genaue Untersuchung über die Strukturmodelle, die in Brasilien gebraucht werden,
und deren Effektivität in der Analyse und bei der Prognose erbrachte Lago Alvez (2001).93

IV.4 Empirische Bedingungen unter Inflation Targeting


Das erste COPOM Treffen fand am 23. Juli 1999 statt. Bei diesem Treffen wurde die
Selic-Rate von 22% auf 21% gesenkt und mit einem Abwärtstrend versehen. Das hatte
weniger mit der eigentlich guten wirtschaftlichen Entwicklung Brasiliens, als mehr mit
den schlechten Erwartungen im externen Sektor zu tun.
Den ersten Inflationsbericht veröffentlichte die Zentralbank im Juni 1999. In diesem
Report veröffentlichte die Zentralbank ihre ersten Inflationsprognosen, die sie mit einem
fixierten Zinsniveau von 21% für den gesamten prognostizierten Zeitraum kalkulierten. Sie
prognostizierte für 1999 eine Inflationsrate von 8,2% und für 2000 3,9%.94
Abbildung 10: Entwicklung des Selic

50
45
40
Inflation Targeting
35
30
in %

25
20
15
10
5
0
17.12.1997

20.05.1998

10.09.1998

11.11.1998

14.04.1999

23.06.1999

01.09.1999

06.10.1999

16.02.2000

18.10.2000

14.02.2001

19.12.2001

20.02.2002
04.03.1998

29.07.1998

18.01.1999

19.05.1999

15.12.1999

24.05.2000

23.08.2000

20.12.2000

18.04.2001

20.06.2001

22.08.2001

17.10.2001

COPOM-Treffen

Quelle: BCB, eigene Grafik

93
Lago Alves, Sergio Afonso, Avaliação das Projeções do Modelo Estrutural Banco do Central do Brasil
Para a Taxa de Variação do IPCA, Banco Central do Brasil, Working Paper 16, März 2001.
94
BCB Inflationsreport Juni 1999 und vgl. Tabelle 2.
Brasilien 54

Obwohl die Regierung einige staatlich-kontrollierten Preise95 anhob, reagierte der IPCA
kaum, nur mit der geringsten monatlichen Veränderung des Jahres von 0,2% in Juni und
1,1% im Juli. Im Gegensatz dazu erreichte der IPA in den selben Monaten 1,4%, bzw.
2,0%.
Die Zentralbank hatte die Angleichung der staatlich-kontrollierten Preise schon in ihre
Inflationsprognosen übernommen und senkte nur die Selic-Rate im Juli Treffen auf 19,5%.
Das wurde damit begründet, dass eine Senkung nicht das Inflationsziel für 1999 gefährden
konnte, da jede geldpolitischen Maßnahme mit 6 Monaten Zeitverzögerung wirkt:
“The inflation trend up to the end of 1999, as published in Inflation Report I
and stated in accordance with the central scenario, remains valid, given the
lag of approximately 6 months between monetary policy alterations and
their impact on inflation, even with interest rates of less than 21% per
year.”96
Diese Entscheidung traf das COPOM aufgrund der Erkenntnis, dass die
Transmissionsmechanismus über die aggregierte Nachfrage eine Zinsveränderung mit
einer Zeitverzögerung von 6 bis 9 Monaten sich auf die Inflation auswirkt. Ein weiterer
Grund war die Inflationsprognose der Zentralbank für das Jahr 2000, die mit 3,9% weit
unter dem Inflationsziel für dieses Jahr stand. Der Wechselkurs geriet weiter unter Druck
und erreichte Mitte August wieder die R$ 1,90-Marke. Er ging aber aufgrund von
Verkäufen von US$-notierten Sicherheiten (NBC-E) in den ersten beiden Wochen des
Septembers auf R$ 1,80-1,90 zurück.
Im September gewann die Zentralbank die Zuversicht des Marktes wieder, da sich das
COPOM in ihren 38. Treffen dazu entschied die Selic-Rate bei 19,5% zu belassen, was die
erste Abweichung des Abwärtstrend seit April bedeutete.
Im September erschien die zweite Ausgabe des Inflationsreports. Die hier veröffentlichen
Inflationsprognosen stellten für das Jahr 1999 eine Verbesserung um 0,9%-Punkte fest, auf
eine prognostizierte Mitte von 7,4%. Die Prognose für das Jahr 2000 erhöhte sich jedoch
um 0,7%-Punkte auf 4,6. Sie lag damit immer noch unter dem Inflationsziel für dieses
Jahr. Diese Prognosen wurden bereits mit der im September beschlossenen Reduzierung
der Zinsen auf 19% getroffen.
Trotz der Verbesserung des Wechselkurses Ende August und Anfang September, geriet der
externe Sektor im Oktober und November weiter unter Druck, was hauptsächlich mit der
hohen Anzahl der Schuldenzahlungen Brasiliens in dieser Phase zu tun hatte. Dies führte
zu einem erneuten Anstieg des Wechselkurses, so dass der im Oktober zwischen R$ 1,95

95
Ölnebenprodukte, Elektrizität, Telekommunikation, Wasser, Abwasser und Tarife des städtischen
Nahverkehrs.
96
Minutes des 37. Treffen von COPOM, 28. Juli 1999.
Brasilien 55

und R$ 2,00 schwankte. Erst im November ging wurde der US$ wieder unter der R$ 1,95
Grenze gehandelt.
Außerdem wurden im Oktober 1999 die Verbraucherpreise von einem nichterwarteten
Angebotsschock getroffen. Das war erstens eine Erhöhung der Lebensmittelpreise,
zweitens ein Zuwachs in den Treibstoffpreisen und drittens eine Erhöhung der
Automobilpreise, durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer in diesem Sektor. Dieser
Angebotsschock führte zu einer monatlichen Rate des IPCA von 1,19% im Oktober (die
höchste Rate in diesem Jahr) und 0,95% in November.97
Abbildung 11: monatliche Inflationsraten (IPCA) von Januar 1998

2,0

1,5

1,0

in % 0,5

0,0
J an. Apr. J ul. Okt. J an. Apr. J ul. Okt. J an. Apr. J ul. Okt. J an. Apr. J ul. Okt. J an. Apr. J ul.
98 98 98 98 99 99 99 99 00 00 00 00 01 01 01 01 02 02 02

-0,5 Inflation Targeting

-1,0

Quelle: IBGE, eigene Grafik

Die hohe IPCA Rate hatte eine sprungartige Erhöhung der Inflationserwartungen, sowohl
für das Jahr 1999 (7,8% in der ersten Woche des Novembers auf 8,6% in der dritten
Woche) als auch für das Jahr 2000 (mit einem Sprung von 6,0% auf 7,0%) zu Folge. Hier
drückt sich die Unerfahrenheit des Marktes mit Inflation Targeting aus. Eine kurzfristige,
temporäre Erhöhung der Inflationsrate, hier ausgelöst durch einen Angebotsschock, wurde
vom Markt fehlinterpretiert und in ihren Inflationserwartungen als permanente Erhöhung
der Inflation angesehen.
Das Jahr 1999 endete mit der Erfüllung des geforderten Inflationszieles
(8% ±2%-Punkte).98 Der IPCA stand Ende des Jahres bei 8,94%. Bei dem letzten Treffen
des COPOM wurde der Selic nicht mehr verändert und blieb bei 19%. Der Wechselkurs
erholte sich und sank Ende des Jahres auf ein Niveau um die R$ 1,80. Dies lag vor allem
97
Siehe Abbildung 8.
98
Siehe Abbildung 6.
Brasilien 56

an der Verbesserung der Handlungen der brasilianischen Zentralbank auf dem


ausländischen Wechselkursmarkt.
Im Dezember 1999 erschien die dritte Ausgabe des Inflation Report, die den Abwärtstrend
in der IPCA Prognose bestätigte. Im Vergleich jedoch mit der Prognose des September
Reportes verlangsamte sich dieser Trend. Die Prognose für das Jahr 2000 stieg von 4,6%
auf 5,8%. Das befand sich immer noch deutlich innerhalb des Zielfensters von 6% ±2%-
Punkte. Für das erste Quartal lag die Inflationsprognose bei 7,6%. Das bestätigten dann
auch durch die tatsächlichen Werte des IPCA in den folgenden Monaten. Im März sank der
IPCA mit einem Wert von 6,92% auf unter 7%. Das waren 2%-Punkte weniger als noch
am Ende des letzten Jahres. Auch die monatlichen Raten des IPCA bewegten sich im
ersten Halbjahr 2000 zwischen 0% und 0,5%, was den Abwärtstrend weiter unterstrich.
Zudem näherte sich die eigentliche Inflationsrate und die erwartete Inflationsrate des
Marktes an. Im März kamen sie sich auf 0,2%-Punkte nah. Schließlich bestätigte sich die
Aufwertung des Wechselkurses, der US$ sank im März wieder in die Nähe der R$ 1,70
Marke, also ungefähr auf das Niveau vom Juni/Juli 1999, bei der Einführung des Inflation
Targeting Systems.
Im April und Mai erfasste die brasilianische Wirtschaft erneut Zyklus der Instabilität, der
mehrere Hintergründe hatte: (a) Druck auf die US-amerikanische Inflationsrate, mit
größeren, als erwarteten, Schritten der Leitzinsen, (b) Volatilität an den ausländischen
Aktienmärkten, (c) erneute Erhöhung des Ölpreises und (d) Unsicherheiten über die
fiskalischen Auswirkungen der Entscheidung des Verfassungsgerichtes über die
Arbeitsausgleichfonds.99
Infolgedessen stieg der Wechselkurs wieder auf R$ 1,85 im Mai. Jedoch war er nicht mehr
solchen Schwankungen unterworfen, wie noch in der zweiten Hälfte des Jahr davor.
Ähnlich verhielten sich auch die kurzfristigen Inflationserwartungen des Marktes, die nicht
durch den Instabilitätszyklus beeinträchtigt wurden. Die Inflationserwartungen hielten sich
an die guten monatlichen Ergebnisse des IPCA in den Monaten April und Mai, mit 0,42%,
respektive 0,01%, die den Abwärtstrend der Inflationsrate bestätigten. Der IPCA fiel in
diesen Monaten auf 6,77%, bzw. 6,47%. Mit einer Inflationserwartung von 6,1% für das
Jahr 2000 näherten sie sich den Inflationsprognosen des COPOM an, die im
Inflationsreport von März 2000 eine zentrale Inflationsrate von 6,3% vorhergesagt hatte.
Die gute Entwicklung des IPCA in der ersten Hälfte des Jahres 2000, mit einer
akkumulierten Inflationsrate von 1,6%, begründete sich hauptsächlich auf der moderaten
Entwicklung der Lebensmittelpreise, die den negativen Schock am Ende des letzten Jahre
99
Vgl. Fachada, Pedro, Inflation Targeting in Brazil: Reviewing Two Years of Monetary Policy 1999/00,
Banco Central do Brasil, Working Paper 25, Juli 2000, S. 26.
Brasilien 57

wieder umdrehten. So war der auf 12 Monate umgerechnete Juni Wert mit 6,51% um
2,4%-Punkte niedriger als noch im Dezember des vorhergehenden Jahres. Die tatsächliche
Entwicklung lag weit unter der, die die brasilianische Zentralbank im Dezember in ihren
Inflation Report prognostiziert hatte. Die hier prognostizierten 7,8% lagen also 1,3%-
Punkte über dem tatsächlichen Wert für Juni 2000. Auch die Inflationserwartungen des
Marktes reagierten wohlwollend: sie fielen im Juni 2000 auf 6%, d’accord mit dem
vorgegebenen Inflationsziel für das Jahr 2000.
Mit der Aussicht auf die gute Entwicklung eines de Hauptindikatoren der brasilianischen
Volkswirtschaft, senkte das COPOM den Selic ein weiteres Mal auf 17,5%, abermals im
Zusammenhang mit einem Abwärtstrend. Der Trend wurde dann auch im Juli genutzt, um
den Selic auf 17% zu bringen. Im Juli Treffen des COPOM wurde der Selic noch mal auf
16,5% gesenkt.
Im Juni 2000 veröffentlichte COPOM im Inflation Report aktualisierte Zahlen der
Prognosen für die Jahre 2000, 2001 und bereits 2002. Für das Jahr 2000 wurde die
Prognose des IPCA, im Vergleich mit der Prognose vom März, wieder um 0,7%-Punkte
auf 5,6% gesenkt. Die zentrale Prognose für das Jahr 2001 wurde bei 3,9% angesetzt, was
im Vergleich zum März ein Zuwachs um 0,6%-Punkte bedeutete. Zudem legte COPOM
eine erste komplette Prognose für das Jahr 2002 vor, bei der sie beim IPCA mit 0,1% als
zentrale Projektion ausgingen.
Im Juli wurde der Abwärtstrend der Inflationsrate unterbrochen. Das hatte zwei Gründe:
(a) die erneute Anpassung der staatlich-kontrollierten Preise, wie Ölerzeugnisse,
Elektrizität und Telekommunikation, innerhalb eines Monats, (b) ein erneuter negativer
Angebotsschock, da die Lebensmittelpreise durch schlechte Ernten stiegen. Den ersten
Grund hatte die Zentralbank in ihrer Prognose berücksichtigt, der zweite kam jedoch völlig
unerwartet.100
die monatliche IPCA Rate übertraf infolgedessen mit 1,6% das komplette erste Halbjahr
des Jahres101 und die Inflationsrate, auf 12 Monate gerechnet, stieg wieder auf 7,8%, mehr
als einen Prozentpunkt im Vergleich zu den Monaten zuvor102. Ebenso stiegen die
Inflationserwartungen des Marktes auf 6,3% im August.
Zum Ende des Jahres 2000 erholte sich die Wirtschaft. Die Inflationsrate, gemessen am
IPCA, ging in diesen Monaten wieder zurück. Ende Dezember erreichte der IPCA mit
5,97% fast genau den vorgegebenen Wert, der in der Resolution Nr. 2640 veröffentlicht
wurde. Das war auf die monatlichen Inflationsrate in den Monaten September bis
100
Vgl. Fachada, Pedro, Inflation Targeting in Brazil: Reviewing Two Years of Monetary Policy 1999/00,
Banco Central do Brasil, Working Paper 25, Juli 2000, S. 29.
101
Siehe Abbildung 8.
102
Siehe Abbildung 6.
Brasilien 58

Dezember, mit zusammen nur 1,3%, zurückzuführen. Die Zentralbank beunruhigte jedoch
der außenwirtschaftliche Sektor mit (a) dem konstant hohen Ölpreis und (b) den
Unsicherheiten bezüglich der argentinischen Wirtschaft.103 Jedoch zeigte sich Ende des
Jahres, dass die Befürchtungen der Zentralbank nur bedingt berechtigt gewesen waren: der
Ölpreis sank im Dezember auf US$ 24 für eine Brent Barrel, und in Argentinien erholte
sich in dieser Zeit noch mal die Wirtschaft aufgrund verschiedener Maßnahmen.
Ende des Jahres 2000 erreichte der IPCA das Inflationsziel von 6%, und es gab positive
Aussichten auf die zukünftige Inflation. Im Inflationsreport des Dezembers hielt das
COPOM an dem nun etwas verlangsamten Abwärtstrend der Inflationsrate fest und
prognostizierte für das Jahr 2001 einen IPCA Wert von 3,9% und für das Jahr 2002 einen
von 2,6%. Durch die günstige Entwicklung und die Prognosen für die nächsten Jahre, die
immer noch unterhalb der jeweiligen Inflationsziele lagen, entschied sich die Zentralbank
im Dezember, die Zinsen erneut zu senken. Der Selic stand nun bei 15,75%.
Im Jahr 2001 wurde die brasilianische Geldpolitik vor herausfordernde Aufgaben gestellt.
Für das Jahr 2001 hatte der Inflation Report im Dezember 2000 eine IPCA Rate von 3.9%
vorausgesagt. Diese Prognosen stellten sich jedoch als zu optimistisch heraus, da die
brasilianische Volkswirtschaft von einigen externen und internen Schocks getroffen wurde.
Die Inflation stieg auf 7,86 % im August des Jahres und das Wachstum der Wirtschaft
verlangsamte sich.
Für den Rückgang der Außenwirtschaft war eine Verlangsamung der Weltwirtschaft und
des Welthandels verantwortlich. Das hatte hauptsächlich mit der fehlenden Konjunktur in
der US-amerikanischen Wirtschaft, den immer noch schlechten Aussichten im Hinblick
auf die wirtschaftliche und finanzielle Entwicklung in Argentinien und der Kapitalflucht
ausländischer Investoren aus Emerging Markets zu tun. All diese Faktoren wurden noch
von den Ereignissen des 11. Septembers 2001 verstärkt.104
Es gab außerdem noch hausgemachte Ereignisse, die die brasilianische Wirtschaft
erschütterten. Zum einen wurde sie in der ersten Hälfte des Jahres durch eine schwere
Energiekrise getroffen. Das hatte zur Folge, dass die Regierung Rationierungsprogramme
einführte, die das Vertrauen in der brasilianischen Bevölkerung beeinträchtigten. Auf der
anderen Seite mussten die staatlich-kontrollierten Preise erneut angepasst werden, zum
Teil auch eine Folge der Energiekrise. Ähnlich stiegen die Lebensmittelpreise. Das übte
ebenfalls Druck aus die Inflation aus.

103
Vgl. Fachada, Pedro, Inflation Targeting in Brazil: Reviewing Two Years of Monetary Policy 1999/00,
Banco Central do Brasil, Working Paper 25, Juli 2000, S. 30.
104
Vgl. WP Nr. 37, S. 8.
Brasilien 59

Diese externen und internen Schocks wirkten sich negativ auf den Wechselkurs aus. Schon
im März musste man für einen US$ wieder über R$ 2 zahlen. Er war so teuer, wie das
letzte Mal zwei Jahre zuvor, kurz nach der Freilassung der Wechselkurse. Bis Mitte
Oktober stieg der Wechselkurs auf R$ 2,75 für einen US$, was ca. einen R$ teurer war, als
noch im Jahr zuvor. Diese Abwertung entspricht einer Devaluation von ca. 40%.
Auch wenn sich diese Abwertung des Wechselkurses nur gering auf die Inflation
auswirken würde, z.B. mit 15% in vier Quartalen, so wäre die Großenordnung der
Devaluation so groß, dass sie das Inflationsziel für das Jahr 2001 mit 4% ernsthaft in
Gefahr bringen würde.105
“The recent currency depreciation brings to the fore the important issue of
the passthrough from the exchange rate to domestic prices. The low
passthrough observed in 1999 was a positive surprise to most
macroeconomic analysts. That year, the average depreciation of the Real
was of roughly 60%, while IPCA inflation was 8.9%. Two main arguments
were advanced to explain the low passthrough. The first, related to the then
prevailing economic environment, stressed that since the economy’s output
was well below potential, there was little room for price adjustments. The
second was associated with the level of the real exchange rate and with the
realignment of the relative prices of tradable and non-tradable goods. This
realignment was reflected directly on final prices, and indirectly on
production costs. Given that the share of prices directly linked to the
foreign exchange variation in the consumer price indexes, especially IPCA,
is small, it was to be expected that consumer inflation would be much lower
than the exchange rate depreciation.”106
Die Regierung begegnete diesen Herausforderungen mit Maßnahmen in der Fiskalpolitik
und Geldpolitik und mit einem neuen Programm, welches die brasilianische Regierung mit
dem IWF ausgehandelt hatte. Zu den geldpolitischen Maßnahmen gehörten die
Heraufsetzung des Selic im Juli auf 19% und eine Aufstockung der Reserven für zeitliche
Einlagen, ebenso eine Förderung der Liquidität auf dem Wechselkursmarkt.
Diese Maßnahmen hatten jedoch keine unmittelbare Auswirkung auf den Wechselkurs.
Erst ab Mitte Oktober erholte sich dieser durch eine Aufwertung bis Ende des Jahre um ca.
20%. Dies war jedoch eher eine Folge der besseren Prognose für das nächste Jahr
(zumindest, was die Handelsbilanz angeht) als ein Ergebnis der monetären und fiskalischen
Maßnamen. Die leichte Verbesserung des Wechselkurses wirkte sich nicht in der
Inflationsrate aus. Die monatlichen Raten lagen weiter über 0,5%. Das führte dazu, dass
das Inflationsziel mit 7,7% um mehr als 3,5%-Punkte verfehlt wurde.
Zum ersten Mal in der kurzen Geschichte von Inflation Targeting in Brasilien wurde das
Inflationsziel nicht erreicht. Laut dem Dekret Nr. 3088 vom 21. Juni 1999 war der

105
Vgl. WP Nr. 37, S. 8.
106
BCB, Inflation Report, März 2001, S. 104.
Brasilien 60

Zentralbankchef nun aufgefordert, einen offenen Brief107 an den Finanzminister zu


schreiben. In dem Brief erläutert der Zentralbankchef dem Minister und der Öffentlichkeit
die Gründe für das Verfehlen des Zieles: Auf der einen Seite waren Auswirkungen des
externen Sektors ausschlaggebend. Der Abschwung der Weltwirtschaft, die negativen
Auswirkungen der argentinischen Krise und die terroristischen Anschläge in den USA
übten ernormen Druck auf den Wechselkurs aus. Die Abwertung des Reals hatte wiederum
einen negativen Einfluss auf die heimischen Preise und somit auf die Inflation.
Andererseits lagen auch Gründe im internen Sektor, Hier waren vor allem höhere
Tarifabschlüsse in der Energiewirtschaft für die hohen Inflationsraten verantwortlich. Der
Zentralbankchef geht in dem Brief davon aus, dass die höheren Tarifabschlüsse sich mit
0,5%-Punkten im IPCA ausdrückten, während er für Abwertung des Reals 2,9%-Punkte
kalkuliert. So kommt er abzüglich dieser Einflüsse auf eine Inflationsrate von 4,3% im
Jahr, was innerhalb der 4%±2%-Grenze liegt.108 Der Zentralbankchef geht in diesem Fall
von einzelnen Schocks aus, die in den folgenden Jahren nicht in diesem Maße
wiederkehren, so dass der Abwärtstrend in den Inflationsprognosen beibehalten werden
kann. Die Prognose für das Jahr 2002 stand im Dezember 2001 bei 3,7%. Das stimmt mit
dem Inflationsziel für dieses Jahr überein. Die Prognose für das Jahr 2003 lag bei 2,5%.

IV.5 Bewertung und Ausblick


Soweit man das bisher sagen kann, war die Geldpolitik in den letzten drei Jahren relativ
erfolgreich. Mit dem gezwungenen floating des Wechselkurses Anfang des Jahres 1999
stand die brasilianische Wirtschaft vor entscheidenden Herausforderungen. Mit der
graduellen Einführung eines neuen geldpolitischen Konzeptes, dem Inflation Targeting,
und den entsprechenden institutionellen und operationellen Rahmenbedingung hat es
Brasilien geschafft, wirtschaftliche Bedingungen zu schaffen, in denen eine erneutes
anhaltendes Wachstum möglich ist. Zwar wurde im vergangenen Jahr das Inflationsziel
von 4% nicht erreicht, aber das übernommene geldpolitische Konzept ist beibehalten
worden und es wurde in seinem Sinne gehandelt. Die Glaubwürdigkeit hat dadurch nur
wenig Schaden genommen, zumal die Inflationsrate durch die Abwertung des Reals
zustande gekommen ist, der mit den schlechten wirtschaftlichen Bedingungen im letzten
Halbjahr des Jahres 2001 zu tun hatte.
Das Inflation Targeting Regime in Brasilien ist sehr jung. Die monetären Autoritäten
haben noch viel Forschungsaufwand zu betreiben, um aussagekräftigere empirische Daten

107
Der offene Brief ist im Internet auf englisch unter der Adresse:
http://www.bcb.gov.br/ingles/relinf/inftarget.pdf zu erhalten (16.05.2002).
108
Vgl. ebenda.
Brasilien 61

zu bekommen. Dies braucht jedoch Zeit. Zeit, die man dem Inflation Targeting Konzept
geben muss, um wirtschaftliche Stabilität zu bekommen.
Die Prognosen sehen für die nächsten Jahre gut aus. Die Inflationsprognose, veröffentlicht
im Inflation Report von März 2002, sagen für 2002 eine mittlere Inflationsrate von 4,4%
voraus, resp. 2,8% für das Jahr 2003. Der Abwärtstrend der Inflation hält an, auch wenn es
noch ein paar Jahre dauert, um das langfristige Ziel der Preisstabilität zu erreichen, das bei
0,5%-0,7% festgelegt ist.
Trotz des Rückschlages – die es weiterhin geben wird – ist Brasilien und die BCB auf
einem guten Weg das langfristige Ziel zu erreichen. Die schwere argentinische Krise hatte
bisher weniger spürbare Auswirkung im Vergleich zu der Tequila-Krise oder der
Asien-Krise. Mit Hilfe des Inflation Targeting Konzeptes war es möglich, das gezwungene
floating und dessen realwirtschaftliche Kosten abzufangen und die brasilianische
Wirtschaft wieder in die richtige Richtung zurück zu steuern.
Vergleich und Problematisierung 62

V. Vergleich und Problematisierung


Siehe banco de chile Nr. 101

In einer Studie kommt die Mexikanische ZB besser weg als die brasilianische!
Literatur 63

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Anhang 67

Anhang
Anhang 68

Abbildung 12: Dekret Nr. 3088 vom 21. Juni 1999

Estabelece a sistemática de "metas para a inflação" como diretriz para fixação do


regime de política monetária e dá outras providências.

O PRESIDENTE DA REPUBLICA, no uso das atribuições que lhe confere o art. 84, inciso
IV, da Constituição, e tendo em vista o disposto no art. 4o da Lei no 4.595, de 31 de
dezembro de 1964, e no art. 14, inciso IX, alínea "a", da Lei n o 9.649, de 27 de maio de
1998,

DECRETA :

Art. 1o Fica estabelecida, como diretriz para fixação do regime de política monetária, a
sistemática de "metas para a inflação".

§ 1o As metas são representadas por variações anuais de índice de preços de ampla


divulgação.

§ 2o As metas e os respectivos intervalos de tolerância serão fixados pelo Conselho


Monetário Nacional - CMN, mediante proposta do Ministro de Estado da
Fazenda, observando-se que a fixação deverá ocorrer:

I - para os anos de 1999, 2000 e 2001, até 30 de junho de 1999; e

II - para os anos de 2002 e seguintes, até 30 de junho de cada segundo ano


imediatamente anterior.

Art. 2o Ao Banco Central do Brasil compete executar as políticas necessárias para


cumprimento das metas fixadas.

Art. 3o O índice de preços a ser adotado para os fins previstos neste Decreto será escolhido
pelo CMN, mediante proposta do Ministro de Estado da Fazenda.

Art. 4o Considera-se que a meta foi cumprida quando a variação acumulada da inflação -
medida pelo índice de preços referido no artigo anterior, relativa ao período de
janeiro a dezembro de cada ano calendário - situar-se na faixa do seu respectivo
intervalo de tolerância.

Parágrafo único. Caso a meta não seja cumprida, o Presidente do Banco Central do
Brasil divulgará publicamente as razões do descumprimento, por meio de carta
aberta ao Ministro de Estado da Fazenda, que deverá conter:

I - descrição detalhada das causas do descumprimento;

II - providências para assegurar o retorno da inflação aos limites estabelecidos; e

III - o prazo no qual se espera que as providências produzam efeito.

Art. 5o O Banco Central do Brasil divulgará, até o último dia de cada trimestre civil, Relatório
de Inflação abordando o desempenho do regime de "metas para a inflação", os
resultados das decisões passadas de política monetária e a avaliação prospectiva da
inflação.

Art. 6o Este Decreto entra em vigor na data de sua publicação.

Brasília, 21 de junho de 1999; 178o da Independência e 111o da República.


FERNANDO HENRIQUE CARDOSO
Pedro Malan

Quelle: http://www.planalto.gov.br/ccivil_03/decreto/D3088.htm, vom 9.03.2002


Anhang 69

Abbildung 13: Organisationsdiagramm der Brasilianischen Zentralbank

http://www.bcb.gov.br/ftp/organograma.pdf am 20. März 2002


Anhang 70

Abbildung 14: Resolution 2615 der CMN

RESOLUÇÃO 2.615

Fixa as metas para a inflacao e seus respectivos intervalos de tolerancia, bem como o
indice de precos a que se aplicam, para os anos 2001, 2000 e 1999.

O BANCO CENTRAL DO BRASIL, na forma do Art. 9o da Lei no 4.595, de 31 de


dezembro de 1964, torna publico que o Conselho Monetario Nacional, em sessao
realizada em 30 de junho de 1999, tendo em vista o disposto no Decreto no 3.088, de
21 de junho de 1999,

RESOLVEU:

Art. 1. Determinar que o indice de precos relacionado as metas para a inflacao, referido
no art. 1., Paragrafo 1., do Decreto no 3.088, de 21 de junho de 1999, e o Indice
de Precos ao Consumidor Amplo (IPCA), calculado pelo Instituto Brasileiro de
Geografia e Estatistica (IBGE).
Paragrafo unico. O Conselho Monetario Nacional, mediante proposta do
Ministro de Estado da Fazenda, determinara indice substituto eventual, na
impossibilidade de se aferir o indice de que trata o "caput" deste artigo.

Art. 2. Fixar as seguintes metas para a inflacao, juntamente com os seus intervalos de
tolerancia, de acordo com o art. 1o, Paragrafo 2., do Decreto n. 3.088, de 21 de
junho de 1999:
I - para ano 2001: 4%, com intervalo de tolerancia de menos 2 % e de
mais 2 %.
II - para ano 2000: 6%, com intervalo de tolerancia de menos 2 % e de
mais 2 %; e
III - para ano 1999: 8%, com intervalo de tolerancia de menos 2 % e de
mais 2 %;

Art. 3. Determinar ao Banco Central do Brasil a efetivacao das necessarias


modificacoes em regulamentos e normas, visando a execucao do contido nesta
Resolucao.

Art. 4. Esta Resolucao entra em vigor na data de sua publicacao.

Brasilia, 30 de junho de 1999

Arminio Fraga Neto


Presidente

Quelle: http://lira.bcb.gov.br/ixpress/correio/correio/DETALHAMENTOCORREIO.DML
?N=099145783&C=2615&ASS=RESOLUCAO+2.615 am 20. März 2002.
Anhang 71

Tabelle 2: Zusammenfassung der Inflationsprognosen der COPOM aus den Inflationsreporten


Anhang 72

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