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nachrichten g 3336 26.1.2004 20. jahrg./issn 0945-3946 1,30 ¤
www.antifaschistische-nachrichten.de
Foto: arbeiterfotografie
Standort „sekundär“
von Jörg Kronauer
„Sekundär“ sei die Auswahl des Breit war die Thematik ausgelegt, von Kolloquium veranstaltet hat. Das aber
Standortes für das „Europäische „ethnischen Säuberungen“ in Bosnien- hat seine Aufgabe als Diskussionsforum
Zentrum gegen Vertreibungen“; Herzegowina über den Genozid an den und Ideenpool erfüllt und liefert heute
förderlich sei eine „Konzeption dezen- Armenierinnen und Armeniern bis hin noch Material, mit dem der deutsche
traler Strukturen von Gedenkstättenar- zu „Zwangsmigration in Polen 1939- Innenminister die verfahrene Situation
beit“, „ausgehend von einem zentralen, 1950“. Gedankengänge wurden über- im Streit um das „Zentrum gegen Ver-
bündelnden Ort“: Diese weitsichtigen prüft, Argumente gesammelt, schließlich treibungen“ zu lösen sucht.
Bemerkungen sind nachzulesen in dem „Denkanstöße“ zusammengestellt, die Wer eine Vorfeldorganisation der deut-
Band „Vertreibungen europäisch erin- um das „Europäische Zentrum gegen schen Polen-Politik bei ihrer Arbeit be-
nern?“, der kürzlich als „Veröffentli- Vertreibungen“ kreisen und auch kon- obachten und einen Einblick in die inter-
chung des Deutschen Polen-Instituts krete Planungselemente beinhalten. Dar- ne Strukturierung strategischer Debatten
Darmstadt“ im Wiesbadener Harrasso- unter findet sich der Vorschlag, die Wahl erhalten will, findet in dem von Dieter
witz-Verlag erschienen ist. des Standortes für das Zentrum - „ein Bingen, Wlodzimierz Borodziej und Ste-
nicht zu unterschätzendes Politikum“ - fan Troebst herausgegebenen Band inter-
Vorträge und Kurzreferate sind in dem nicht zu hoch zu bewerten und gegebe- essantes Studienmaterial. Der Versuch
Buch abgedruckt, die im Dezember 2002 nenfalls auf eine „Konzeption dezentra- der Berliner Politikerinnen und Politiker,
im Darmstädter „Haus der Deutsch-Bal- ler Strukturen“ mit einem „bündelnden die Umsiedlung der Deutschen „neu“,
ten“ gehalten wurden - auf einem Kollo- Ort“ zurückzugreifen. Während des Kol- nämlich als „Unrecht“ zu bewerten, wird
quium, das Massenfluchtbewegungen, loquiums war in diesem Zusammenhang von den zuständigen Apparaten sorgfäl-
Umsiedlungen und Vertreibungen im Eu- Görlitz genannt worden. tig vorbereitet und umsichtig unterstützt.
ropa des 20. Jahrhunderts thematisierte.
Zielpunkt des Kolloquiums war die De- Wer diese Ideen in den kürzlich be- Dieter Bingen, Wlodzimierz Borod-
batte um das „Zentrum gegen Vertrei- kannt gewordenen Vorschlägen der „Ko- ziej, Stefan Troebst: Vertreibungen
bungen“, die im Frühjahr 2002 eine brei- pernikus-Gruppe“ wiedererkennt (siehe europäisch erinnern? Historische Er-
tere Öffentlichkeit zu erreichen begann. S. 1), geht nicht fehl. Die „Kopernikus- fahrungen - Vergangenheitspolitik -
Die Veranstaltung, initiiert vom Deut- Gruppe“ ist an das Deutsche Polen-Insti- Zukunftskonzeptionen. Veröffentli-
schen Polen-Institut und international be- tut angebunden, eine Vorfeldorganisa- chungen des Deutschen Polen-Insti-
sucht, diente der wissenschaftlichen Fun- tion des Auswärtigen Amts, die auch das tuts Darmstadt Band 18, Otto Harras-
dierung der Debatte. beschriebene sowitz Verlag, Wiesbaden 2003.
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fekts, ohne reale Grundlage, sprechen. fälliger religiöser Symbole“ im Namen er Deutsche Ostdienst berichtet in
Laut jüngsten Umfragen waren je rund des Universalismus, der dem französi- der aktuellen Ausgabe über das
die Hälfte der sozialdemokratischen und schen Laizismus zugrunde liegt (das ge- „VDA-Forum 2003“ in Dresden.
konservativen Wähler, doch 87 Prozent sellschaftliche Leben des Individuums Seit langem haben wir von diesem Ver-
soll nicht durch seine Herkunft vorab de- ein nichts mehr gehört. Bis 1999 hieß er
terminiert werden) gerechtfertigt. Dieser „Verein für das Deutschtum im Aus-
Universalismus wurzelt in den Ideen der land“. Erinnert sei, dass der damalige
Revolution von 1789, aber bezüglich der VDA über den Verbleib von ca. 20
konkreten Frage der Trennung von Schu- Millionen DM öffentlicher Fördermittel
le und Religion vor allem im Gesetz von für Projekte in den GUS-Staaten keinen
1905, das zu den Folgewirkungen der Nachweis erbringen konnte. Nach 1998
Dreyfus-Affäre um die Jahrhundertwen- sind die Fördermittel an den VDA von
de gehört. Gleichzeitig aber wird eifrig ca. 1,4 Mio. Euro eingestellt worden.
unter den Tisch gekehrt, dass auch sei- „Negativ aufgefallen war der VDA im-
tens der Mehrheitsgesellschaft eine Form mer wieder wegen seiner Verbindungen
von kulturellem Partikularismus vor- zu Militärdiktaturen und zu rechtsextre-
herrscht, der sich in der impliziten Aner- men und neofaschistischen Kreisen“
kennung allein von Festtagen christlicher schreibt das Lexikon Rechtsextre-
Herkunft (die allerdings für viele Bürger mismus zu dem Verein.
der Wähler der extremen Rechten unter ihre frühere Bedeutung verloren haben 1999 änderte der VDA dann seinen
Jean-Marie Le Pen gegen die Anerken- mögen) ausdrückt. Vor 200 Jahren hatten Namen und heißt seitdem: „Verein für
nung von Aïd el-Kebir und Yom Kippour das die französischen Revolutionäre be- deutsche Kulturbeziehungen im Aus-
eingestellt. reits problematisiert. Deswegen hatte ein land“. Begründet wurde das u.a. damit,
In seiner Rede äußerte Chirac sich zu Gesetz vom 24. November 1793 sogar dass junge Menschen mit dem Begriff
dieser Frage mit den Worten: „Ich glaube den Wochenrhythmus verändern wollen: „Deutschtum“ wenig anfangen könnten.
nicht, dass man dem schulischen Kalen- Statt des Sonntags, der auf die Erforder- Diese Vergangenheit verschleiern die
der neue Feiertage hinzu fügen sollte, nisse der christlichen Sonntagsmesse zu- Macher des Deutschen Ostdienst (DOD),
denn er zählt ihrer bereits viele.“ Dage- rückgeht, sollte ein anderer wöchent- wenn sie einen Artikel vom Vorsitzenden
gen solle die individuelle Abwesenheit licher Ruhetag eingeführt werden: der des Landesverbandes Sachsen, Peter
von SchülerInnen an den fraglichen Ta- décadi. Bien abdrucken, der sich dann selber zi-
gen seitens der Lehrkräfte als entschul- Dieser Versuch blieb allerdings in tiert: „Peter Bien sagte, der VDA habe
digt gelten, und es sollten keine Prüfun- nachhaltig schlechter Erinnerung. Denn eine wechselvolle Geschichte durchlebt,
gen auf diese Tage gelegt werden. Das für die aufstrebende Bourgeoisie hatte seine Aufgabe sei jedoch stets die Glei-
wird in der Praxis von Schulen und Uni- die neue Einteilung in décades (statt Wo- che geblieben: die Förderung und Pflege
versitäten ohnehin seit längerem so ge- chen) nebenbei einen unerhörten prakti- der deutschen Sprache und Kultur sowie
handhabt, in der Regel jedenfalls. Was schen Vorteil: Statt alle sieben Tage soll- die Unterstützung deutscher Gemein-
ausbleibt, ist das Symbol, das in der Ver- te der arbeitenden Bevölkerung nur noch schaften in aller Welt.“
änderung des Feiertags-Rhythmus gele- alle zehn Tage ein Ruhetag gegönnt wer- Auf dem besagten Forum befassten
gen hätte. den. sich dann mehrere Referenten mit der
Nun kann man sicherlich darüber dis- Unabhängig davon beweist der kon- Politik des VDA in Polen, Namibia und
kutieren, ob sie nicht tatsächlich zum krete Verlauf der zurückliegenden De- Kanada in den letzten Jahrzehnten. Auch
Anwachsen der Bedeutung von Reli- batte, dass es mit den universalistischen hier wird nichts Kritikwürdiges ange-
gionsgruppe geführt hätte (was man be- Motiven, die angeblich hinter der staatli- merkt. Gerade Namibia – der 100. Jah-
zweifeln mag) und ob das wünschens- che Neudefinition des Laizismus stehen, restag des Hereroaufstandes steht bevor
wert, hinnehmbar usw. ist oder nicht. nicht weit her ist. – wäre ein gutes Thema gewesen, die
Doch der konkrete Verlauf der Debatte Bernhard Schmid, Paris ■ Politik des VDA kritisch zu hinterfragen.
Stattdessen kann man lesen: „Wie er
(Prof. Dr. Uwe Jäschke, der Referent, d.
Der Herausgabekreis und die Redaktion sind zu erreichen über: Red.) sagte, leben die 30 000 Deutschen
GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln Tel. 0221 / 21 16 58, Fax 0221 / 21 53 73.
email: antifanachrichten@netcologne.de, Internet: http://www.antifaschistische-nachrichten.de
in Namibia, dem früheren Deutsch-Süd-
westafrika, bereits in der fünften Genera-
Erscheint bei GNN, Verlagsges. m.b.H., Zülpicher Str. 7, 50674 Köln. V.i.S.d.P.: U. Bach tion in diesem Land. Sie sind eine sehr
Redaktion: Für Schleswig-Holstein, Hamburg: W. Siede, erreichbar über GNN-Verlag, Neuer Kamp 25, eigenständige Volksgruppe und bezeich-
20359 Hamburg, Tel. 040 / 43 18 88 20. Für NRW, Hessen, Rheinland Pfalz, Saarland: U. Bach, nen sich gern als der ,siebte Stamm
GNN-Verlag Köln. Baden-Württemberg und Bayern über GNN-Süd, Stubaier Str. 2, 70327 Stuttgart, Deutschlands‘.“
Tel. 0711 / 62 47 01. Für „Aus der faschistischen Presse“: J. Detjen c/o GNN Köln.
Erscheinungsweise: 14-täglich. Bezugspreis: Einzelheft 1,30 Euro. Die Vorsitzende des Bundesverbandes
Bestellungen sind zu richten an: GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln. Sonderbestellungen sind der Vertriebenen, Erika Steinbach, die im
möglich, Wiederverkäufer erhalten 30 % Rabatt. DOD immer wieder das Editorial
Die antifaschistischen Nachrichten beruhen vor allen Dingen auf Mitteilungen von Initiativen. Soweit ein- schreibt, sollte sich lieber andere Bünd-
zelne Artikel ausdrücklich in ihrer Herkunft gekennzeichnet sind, geben sie nicht unbedingt die Meinung nispartner suchen als den VDA. Stattdes-
der Redaktion wieder, die nicht alle bei ihr eingehenden Meldungen überprüfen kann. sen beschwert sie sich, „dass es immer
Herausgabekreis der Antifaschistischen Nachrichten: Anarchistische Gruppe/Rätekommunisten (AGR); Annelie noch Kräfte gibt, die schon bei der Voka-
Buntenbach (Bündnis 90/Die Grünen); Rolf Burgard (VVN-BdA); Jörg Detjen (Forum kommunistischer Arbeitsgemein-
schaften); Martin Dietzsch; Regina Girod (VVN - Bund der Antifaschisten); Dr. Christel Hartinger (Friedenszentrum e.V., bel ,Vertreibung‘ in ihre alten Schützen-
Leipzig); Hartmut-Meyer-Archiv bei der VVN - Bund der Antifaschisten NRW; Ulla Jelpke; Jochen Koeniger (Arbeitsgrup- gräben krauchen.“
pe gegen Militarismus und Repression); Marion Bentin, Edith Bergmann, Hannes Nuijen (Mitglieder des Vorstandes der Schützengräben werden vom DOD
Arbeitsgemeinschaft gegen Reaktion, Faschismus und Krieg–Förderverein Antifaschistische Nachrichten); Kreisvereini-
gung Aachen VVN-BdA; AG Antifaschismus/ Antirassismus in der PDS NRW; Angelo Lucifero (Landesleiter hbv in ver.di immer wieder ausgehoben, seit Jahr-
Thüringen); Kai Metzner (minuskel screen partner); Bernhard Strasdeit; Volkmar Wölk. zehnten. DOD, 1-2004 - jöd ■
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