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Renzension

Richard B. Bliss
Zwei Modelle im Test
Evolution kontra Schöpfung
CLV Bielefeld, 1994 (amerikan. Original 1988)

Das Taschenbuch von Richard Bliss erweckt den allem dann ernstzunehmend seien, wenn sie Ar-
Eindruck, es gehe um eine repräsentative Be- gumente gegen Evolution vorbringen (so auf. S.
standsaufnahme der Daten und Deutungsmöglich- 41 unten).
keiten im Spannungsfeld „Schöpfung / Evoluti- Dieser Gesamteindruck sei an Beispielen er-
on“. Das Vorwort von W. Ouweneel geht jeden- läutert. In Kapitel 1 geht es um die Ergebnisse aus
falls in diese Richtung: es solle auch die „andere sog. „Ursuppen“-Experimenten. Die Problematik
Seite“ gehört werden, nicht nur die Deutungswei- einer Übertragung von Simulationsexperimenten
sen der Evolutionslehre. Die Jugend, die beson- auf die gedachte frühe Urerde wird hier mit Recht
ders angesprochen wird, habe „das Recht zu wis- erwähnt, doch wird nichts darüber gesagt, daß in
sen, daß Evolution kein wissenschaftlich festste- solchen Versuchen nicht nur „Lebensmoleküle“,
hendes Faktum ist und daß Evolution nicht von sondern auch ein großes Ausmaß an giftigem
allen Wissenschaftlern akzeptiert wird.“ Diesem „Unrat“ entsteht. Weiter wird das Argument ver-
Anliegen kann ich nur voll zustimmen. schenkt, daß die Einzelbausteine, die in solchen
Doch die Ausführungen sind enttäuschend und Ansätzen entstehen, gar nicht zu lebensnotwendi-
erschreckend einseitig. Es werden wenig Daten gen Kettenmolekülen werden können. Hier wird
geboten und dafür umso schneller weitreichende bei weitem nicht das an evolutionskritischen Ar-
Schlußfolgerungen gezogen. Statt der in Aussicht gumenten herausgearbeitet, was auch dem Laien
gestellten repräsentativen Datenbilanz verfällt der verständlich gemacht werden könnte.
Autor in denselben Fehler, der zurecht Autoren Das DNS-Molekül (Erbsubstanz) ist Gegen-
von Evolutions-Lehrbüchern vorgehalten werden stand des 2. Kapitels. Hier wird mit Wahrschein-
kann: er blendet maßgebliche Daten in seiner Dar- lichkeitsberechnungen argumentiert, die ange-
stellung aus. Wie so oft in Literatur über „Schöp- sichts der biologischen Realität ganz unrealistisch
fung / Evolution“ erfährt der Leser nichts oder nur sind. Der Vergleich, daß Lebewesen genauso we-
in verzerrter Weise über pro-evolutionistische Ar- nig zufällig durch Mutationen entstehen können
gumente wie z. B. die Regelhaftigkeit der Fos- wie eine Boeing 747 auf einem Schrottplatz, der
silablagerungen oder Ergebnisse aus radiometri- sich selbst überlassen bleibt, geht an der biologi-
schen Datierungen, oder diese Aspekte werden schen Realität vorbei. Das heißt nicht, daß mit
unzureichend abgehandelt. Hin und wieder wer- Wahrscheinlichkeitsaussagen nicht doch stark ge-
den Meinungen von Gelehrten wiedergegeben, die gen Evolution argumentiert werden kann, doch
als Argument für die eigene Sichtweise verwendet müssen in solche Überlegungen Selektionswir-
werden – Meinung anstelle überzeugender Detail- kungen, die vorausgesetzten (wenn auch unbewie-
argumentation. Andererseits werden gute und senen) großen Zeiträume und riesige Populations-
auch dem Laien relativ leicht zu präsentierende größen berücksichtigt werden. Das alles mißachtet
Argumente gegen Evolution ausgelassen. der Autor und damit werden seine Zahlen bedeu-
Die Übersetzung ist an vielen Stellen unglück- tungslos.
lich oder „unmöglich“ (z. B. „Uranium“ statt Das Homologie-Argument (Deutung von Ähn-
„Uran“!) und manches Mal unverständlich (der lichkeit; Kapitel 3) wird miserabel behandelt. Bei-
Übersetzer scheint nicht fachkundig zu sein). spielsweise wird auf M. Denton verwiesen: „Er
Viele erläuterungsbedürftige Begriffe werden sieht nur wenig Bedeutung in der Lehre der Ho-
nicht erklärt (z. B.: weiß der Laie, was ein „Spo- mologien.“ Ein substantielles Argument? Fehlan-
rophyt“ ist? [S. 41]). Der Argumentation kann zeige. De Beer wird zitiert: Homologe Strukturen
vielfach nur der Eingeweihte folgen, der ohnehin entsprechen nicht den gleichen Anlagen. Damit
schon weiß, worum es geht. Unterschwellig bringt wird zwar ein echtes Problem aufgeworfen, aber
der Autor zum Ausdruck, daß Wissenschaftler vor mit keinem Wort weiter behandelt. Der Laie wird

REZENSIONEN
mit dieser Information vermutlich nichts anfangen lehrten (wie dem Geologieprofessor D. Ager) oder
können. Weiter werden Sequenzunterschiede von Zeitschriftenzitate wie: „National Geographic
Proteinen (Aminosäure-Abfolgen) andiskutiert. schreibt über den Übergang von behaarten, vier-
Das Neunauge ist demnach ähnlich verschieden füßigen Säugetieren zu Walen: Wale sind Säuge-
vom Karpfen wie vom Frosch, Huhn, Känguruh tiere mit einigen fischähnlichen Merkmalen“ (S.
und vom Menschen, obwohl doch diese verschie- 62). Weiterer Bezug wird im Text auf diesen Satz
denen Organismen evolutionär gesehen unter- nicht genommen; ich weiß nicht, was er soll.
schiedlich eng verwandt sind. Es wird suggeriert, Unschön ist auch die immer wieder anzutref-
hierbei handle es sich um ein Argument gegen fende Polemik wie „Nur die Vorstellungskraft aus
Evolution, doch das ist nicht der Fall. Nach der dem Reich der Science-fiction kann ein evolutio-
Evolutionslehre haben nämlich alle diese Orga- näres Geschehen aus den Daten der Fossilien
nismen eine jeweils gleich lange unabhängige herleiten“ (S. 68). Nein, so geht es nicht! In
Evolutionsgeschichte hinter sich, so daß die etwa Wirklichkeit leugnet der Autor ohne weitere Be-
gleich großen Unterschiede verständlich sind. gründung die pro-evolutionistischen Argumente
Man kann hieraus zwar dennoch ein Argument wie die Abfolge der geologischen Systeme mit ih-
gegen Evolution ableiten, doch muß dann viel dif- ren charakteristischen Fossilinhalten.
ferenzierter argumentiert werden; so wie Bliss die Nicht viel besser ist das Kapitel über fossile
Daten präsentiert und erläutert, stellen sie Evolu- Menschen und Menschenaffen. Hier wird sugge-
tion nicht in Frage; der Kritiker kann das Argu- riert, die Wissenschaftler würden in den Fossilien
ment des Autors schnell zunichte machen. Dieses nur sehen, was sie sehen wollen. Richtig daran ist,
Kapitel ist voller unverständlicher Formulierun- daß die Sichtweise, mit der die Fossilfunde ge-
gen. Beispiel: „Ein Schöpfungsmodell erklärt, daß deutet werden, die Deutung kanalisiert. Das sollte
die verwandtschaftlichen Beziehungen sich auf auch unbedingt herausgestellt werden. Doch ist
bestimmte Familien oder Ordnungen wie Mensch, die Auffassung weit überzogen, Wissenschaftler
Affe, Hund usw. beschränken würden. Nur dann würden Fossilien umso affenähnlicher machen, je
kann man bestimmen, in welcher Beziehung sie älter sie seien (S. 86). Einzelargumente werden
zueinander stehen. Dies ist eine weitere denkbare willkürlich herausgegriffen, ohne daß der Blick
Beurteilung derselben Daten“ (S. 46). Auch der aufs Ganze (d. h. das gesamte Datenfeld) gerichtet
wohlwollende Leser wird hier nicht mitkommen, wird (z. B. S. 90). Unbrauchbar ist das Argument,
wenn er nicht schon weiß oder ahnt, was der Au- Wale und Elefanten hätten ein größeres Gehirn als
tor meint. Grob falsch ist die Darstellung, das der Mensch, was zeige, daß Gehirngröße nicht mit
Biogenetische Grundgesetz (der Mensch wieder- Intelligenz zusammenhängt. Es ist jedoch bekannt,
hole in der Embryonalentwicklung die Stammes- daß eine Relation zwischen Gehirn- und Körper-
geschichte) habe seinen Anfang in einer Fäl- größe besteht. Beim Gehirngrößenvergleich müs-
schung von Ernst Haeckel gehabt. Hier gibt der sen natürlich Organismen gleichen Gesamtge-
Autor zu erkennen, daß er sich nur sehr ober- wichts verglichen werden.
flächlich informiert hat.
Die angesprochenen Beispiele sollen als Bele-
Um Evolutions- und Schöpfungsmechanismen ge genügen, daß dieses Buch nicht empfohlen
geht es im sehr kurz gehaltenen 4. Kapitel. Der werden kann. Nebenbei verdirbt solche Literatur
Autor geht nur auf das Beispiel des Birkenspan- den Leuten auch noch das Interesse am Thema.
ners und der verschiedenen Eichhörnchenarten Wenn man die Ankündigungen des Klappentextes
beiderseits des Grand Canyon ein. Viele gute Ar- dagegen hält, kann man als Christ nur noch heulen
gumentationsmöglichkeiten werden hier ausgelas- (der Evolutionist wird lachen).
sen.
In den nächsten drei Kapiteln werden Fossilien Reinhard Junker
besprochen. Die Regelhaftigkeit der Fossilreihen-
folge wird geleugnet, die Ordnung der Gesteins- Die Studiengemeinschaft WORT UND WISSEN im Internet
schichten als „erdacht“ behauptet (S. 60). Zu- http://www.wort-und-wissen.de
sammenhanglos eingestreut sind Zitate von Ge-

STUDIENGEMEINSCHAFT WORT UND WISSEN

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