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Wider die Nächstenliebe oder:

Psychologie über die philosophische Hintertreppe.


Versuch zur Ontologie (un)solidarischer
Intersubjektivität.

Ulrich Kobbe

„In der Alternative von Konkurrenz und Solidarität wird sichtbar,


dass Solidarität Voraussetzung von Angstbewältigung ist (...).
So kann eine Angsttheorie, die keinen Solidaritätsbegriff hat,
keine angemessene Angsttheorie sein, ebenso wie eine
Solidaritätstheorie ohne Angstbegriff funktionalistisch werden muss,
weil sie ihren Stoff verloren hat" (Anselm 1985, S. 31).

Als ich mich mit dem Tagungsthema der 'Entsolidarisierung' für diesen Vor-
trag auseinander gesetzt habe, fiel mir zunächst auf, dass dieser scheinbar
eindeutige Begriff der 'Solidarität' oder 'Solidarisierung' weder ein psycho-
logischer Terminus noch als solcher selbsterklärend und klar definiert ist.
Nicht nur die gängigen Standardlexika der Psychologie entbehren diese Be-
grifflichkeit, auch kritische Klassiker wie das 'Handbuch psychologischer
Grundbegriffe' mit dem Untertitel 'Mensch und Gesellschaft in der Psycholo-
gie' von Grubitzsch und Rexilius (1987) listen diesen Begriff nicht auf. Ande-
rerseits merkt Anselm (1985, S. 191) an, 'Solidarität' sei eine „Bedingung für
die Verarbeitung von Angst", könne aber nur von der Theorie eingefordert
werden, „die einen Begriff von dem hat, was in der solidarischen Beziehung
gelingen soll". Insofern bedarf es zunächst des Versuchs, ein intra- und inter-
subjektives Modell der Solidarität zu entwickeln, um in einem zweiten Schritt
dann ggf. Entsolidarisierungsprozesse verstehen zu können.
In der Tat verhält es sich mit der 'Solidarität' wie mit „allen anderen
Wörtern, die gesellschaftliche Verhältnisse der Menschen bezeichnen": Das
Wort hat keine einheitliche Bedeutung und bezeichnet

• sowohl eine Einstellung, ein Bewusstsein, eine Norm im Sinne einer -


solidarischen - Gesinnung
• als auch eine Beziehungsform des - solidarischen - Handeln in Form
gegenseitiger Hilfsbereitschaft individueller oder kollektiver Art,
• mitunter auch eine Sachbeziehung von Interessensolidaritäten in der Be-
deutung einer rein an Nützlichkeit orientierten Zweckverbindung (Vier-
kant 1972).

Zeitschrift für Politische Psychologie, Jg. 12, 2004, Nr. 1+2, S. 25-46
26 Zeitschrift für Politische Psychologie, Jg. 12, 2004 U. Kobbe: Wider die Nächstenliebe 27
Will man von dieser soziologischen Theorie des Sozialen wieder zurück zur sich als 'Gesellschaft' ja mitnichten auf eine soziologisch bestimmbare Ge-
sozialpsychologischen Theorie des Subjekts, so bedarf es eines wissenschaft- meinschaft von Subjekten reduzieren - sie muss auch in ihren symbolischen,
lichen Erkenntnismodells, das in der Lage ist, die gesellschaftliche Bedingt- imaginären und realen Aspekten gedacht werden, so wie beispielsweise
heit der intersubjektiven Beziehungsformen mitzudenken und erkenntnistheo- Castoriadis (1984) 'Gesellschaft' als sowohl instituierende als auch instituier-
retisch zu fassen. te Gesellschaft begreift, die als Idee der Institution 'Gesellschaft' imaginär ist
Unter Bezugnahme auf Politzers kritische Position, zur Erfassung der und auf der kreativen Einbildungskraft, der Imaginationsfähigkeit und Phan-
psychischen Struktur des Menschen bedürfe es sowohl einer Analyse der ob- tasietätigkeit des Menschen beruht. Für das Subjekt ist diese Dimension der
jektiven gesellschaftlichen Bedingungen wie der subjektiven Strukturen (Po- Phantasie konstitutiv, das heißt, es gibt kein Subjekt ohne Phantasie. Zugleich
litzer 1929), muss der Versuch gemacht werden, die totalisierende Systematik aber bleiben diese unbewussten Phantasien dem Subjekt unzugänglich, da sie
sozio-ökonomischer Gesellschaftstheorie durch Fokussierung des 'subjekti- - modellhaft-topologisch auf der gegenüberliegenden Fläche eines Möbius-
ven Faktors' zurückzunehmen und jene „Leerstelle" (Brückner 1972, S. 360) bandes angeordnet - ihm verschlossen bleiben (Zizek 1998, S. 44-45). Damit
zu schließen, die die historisch-marxistische Theoriebildung ließ bzw. eröff- eignet diesem instiruierenden Tun als „Selbstschöpfung der Gesellschaft"
nete. Im Folgenden werden daher für eine Ontologie des Subjekts diverse An- (Castoriadis) etwas fundamental Unbewusstes: Es ist ein quasi 'bewusstloses'
leihen bei psychoanalytisch-philosophischen (Meta-)Theorien gemacht, wie Produzieren.
sie Lacan, Castoriadis, Levinas und Zizek in der Nachfolge von Kant, Hegel Freilich impliziert diese Instituierung als „asujettissement" (Lacan)
und de Sade ausgearbeitet haben, mithin Psychologie über die „philosophi- zugleich Formen der Unterwerfung unter soziale und symbolisch vermittelte
sche Hintertreppe" (Weischedel) betrieben. Strukturen, die als solche auch triebunterdrückend, mithin entfremdend sind.
Gehen wir davon aus, dass eine der Grunderfahrungen darin besteht, Versteht man dabei 'Entfremdung' dialektisch als sowohl Entfremdung des
dass „alles Verhalten", sprich, alles Denken, Fühlen, Handeln (Rapaport Menschen von seiner eigentlichen Natur und zugleich Bedingung des
1973, S. 43) - soweit es nicht aufgrund der „biologischen Angepasstheit der Menschseins im Sinne seiner so genannten 'zweiten' Natur, so konvergieren
Species Mensch an ihrem umweltlichen, ecologischen Ort" vielmehr „letzten in diesem Modell - trotz partiell erheblicher Differenzen und Antagonismen
Endes triebbestimmt" ist (Rapaport 1973, S. 51) - von vornherein „sozial de- der Paradigmen - die bei Marx wie Freud unter gesellschaftlich-
terminiert" wird (Rapaport 1973, S. 66), so verweist diese relativierende Posi- ökonomischen bzw. psychologisch-psychodynamischen Aspekten herausge-
tion auf eine diesbezügliche Primärerfahrung des Subjekts: Nur durch das (ü- arbeiteten Bedingungen der 'Produktion des Unbewussten' (Lichtmann 1990).
ber-)lebensnotwendige „soziale Entgegenkommen" der Gemeinschaft (Hart- „Die soziale Geschichte der Menschen ist", so Marx (1846) in einem Brief an
mann 1944), nur durch die bedürfhisspezifisch fürsorgende, phasenspezifisch Annenkow, „stets nur die Geschichte ihrer individuellen Entwicklung, ob sie
erziehende soziale Institution der Gesellschaft ist Subjektwerdung garantiert. sich dessen bewusst sind oder nicht", sodass die vergesellschafteten Subjekte
Zu den primären Erfahrungen des Subjekts gehört also eine Form allgemeiner von diesen - von ihren - Verhältnissen beherrscht werden und diese ihr Ve-
'Generationensolidarität'. In jüngerer Zeit hat insbesondere Legendre darauf xierbild darstellen. Diesbezüglich hebt Dahmer (1982, 386) die im „Wider-
aufmerksam gemacht, dass dieser Prozess des „vitam instituere", der 'Insti- spruch von Menschennatur und Sozietät" begründete „Inkompatibilität" von
tuierung' oder (Ein-)Setzung des Menschen als Mensch durch soziale Syste- kritischer Subjekttheorie und kritischer Theorie der gesellschaftlichen Objek-
me in Form gesellschaftlicher Institutionen unterschiedlichster Art wahrge- tivität hervor, sodass Subjektrealitäten nur vermittels eines von Devereux so
nommen wird. Obschon diese Sozialisationsbedingungen als soziale Matrix genannten „doppelten Diskurses" erfasst werden können, sprich: „Psychoana-
ausschließlich in intersubjektiven Verhältnissen erlebt werden und insofern lyse und Soziologie erfassen die Wirklichkeit der vergesellschafteten Indivi-
'konkret' sind, bleiben die gesellschaftlichen Verhältnisse selbst „unpersön- duen arbeitsteilig, ergänzen und korrigieren einander, lassen sich aber nicht
lich, nicht eigentlich erlebbar, insofern 'abstrakt'" (Dahmer 1982a, S. 376), integrieren" (Dahmer 1982, S. 386).
sodass die vergesellschafteten Subjekte „von Abstraktion beherrscht" werden, Mit diesem Ansatz wird die bei Marx im Kontext der Verdinglichung
wie Marx (1857/58, S. 82) dies pointiert formuliert. des Subjekts auf eine materialistisch-ökonomische Perspektive angelegte Re-
Die Aufgabe, Solidarisierungs- bzw. Entsolidarisierungsprozesse psy- duktion des Entfremdungsbegriffs auf das intersubjektiv konstituierte All-
chologisch 'fassen' zu wollen, zielt damit immer einerseits auf die konkrete tagsbewusstsein des Menschen erweitert. Verdinglichung sei lediglich ein
Subjektivität des Individuums, andererseits immer auch auf das „Pseudokon- „cas-limite de l'alienation", ein Grenzfall von Entfremdung, der als solcher -
krete" (Dahmer) seiner intersubjektiven Verhältnisse. Denn 'das Soziale' lässt so Lefebvre (1962, S. 210) - die multiplen Formen von Entfremdung mehr
.'.S' /eilschrii'l für Politische Psychologie, Jg. 12, 2004 U. Kobbe: Wider die Nächstenliebe 29

M - I M h l c i n r ( I r n i i an/ei)',c. Wenn die so/.io-ökonomische, freudomarxistische nemann 1997, S. 94), so findet sich diese Kritik der Verkennung und Ent-
\ V i ( l i i i ) ' l n luiii)'. I M I I als Sondeilall voii Entfremdung zu verstehen ist, bleibt fremdung des Subjekts aus psychodynamischer Sicht bestätigt, wenngleich
i i l l c i i l i n j " , /u k l a i e n , wie 'Entfremdung' nunmehr zu verstehen ist. Schon auch die Genese des reflexiven Subjekts als imaginäres Ich („moi") in dessen
Allhuv.ei lu-si l i i e i l t l ausfeilend von einer Trias der Ideologie, Wissenschaft Welt der Fiktionen und Simulakren auf andere Weise hergeleitet und verstan-
H i n ! l'ioduklioiisveiliällnisse einen Prozcss ideologischer Subjektivierung, den wird. Die sich ergebenden intersubjektiven Beziehungsstrukturen verwei-
i i u l c i n ei diese als kontinuierlich wiederholten Prozess durch die und inner- sen auf einerseits spiegelbildliche - imaginäre - und andererseits sprachlich
halb tlei ideologischen Staatsapparate ausarbeitet. Da Individuen demzufolge vermittelte (und sprachlich begrenzte) - symbolische - Diskursverhältnisse
inalei lell, konkret und historisch nur als - unterworfene - Subjekte existieren des Subjekts mit dem Anderen.
( K a i s / 1976, S. 241), ist Subjektivität nichts wesenhaft Gegebenes oder es- Dass der Andere in seiner Alterität unmittelbar dem Subjekt angehört
sentialistisch Gedachtes, sondern innerhalb autonomer, gesellschaftlicher und ihm dennoch fremd-entfremdet ist, bleibt als Paradoxon, als Vorausset-
Machtstrukturcn als kreativ-konstruktiver (Re-)Produktionsprozess des Sub- zung der Konstitution von InterSubjektivität festzuhalten (Leithäuser 1976, S.
jekts zu verstehen , das seinerseits ideologischen Verzerrungen und Verken- 127). Diesbezüglich verweist Lefebvre (1962, S. 216) auf die intersubjektive
nungen unterliegt (Karsz 1976, S. 252). Hiermit wird über die Ausarbeitung Entfremdungsdimension der zu differenzierenden Beziehung zum (nahen,
des Unterschieds zwischen ideologischem und unbewusstem Diskurs des Sub- vertrauten, erreichbaren, selbstähnlichen) 'Nächsten' und der zum (fernen,
jekts durch Althusser (1966, S. 145) ein Paradigmenwechsel eingeleitet, den unnahbaren, ich-fremden) 'Anderen'. Begreift man diese vermeintliche Pola-
Lacan für die psychoanalytische Theoriebildung konsequent weiterführt: Das risierung als dialektisch angelegte Intersubjektivität, so wird die Problematik
Subjekt ist nunmehr ausschließlich als Subjekt des Unbewussten (,je") zu des Subjekts in der Konfrontation mit dem fast ich-identischen Nächsten deut-
verstehen, das von dem - bewussten - Ich („moi") unterschieden ist und im lich: Nicht dem gänzlich fremden, ich-dystonen 'Anderen' gilt die intersub-
Sinne einer imaginären Beziehungsachse zwischen dem Ich und seinem Spie- jektiv begründete Aggressionsbereitschaft des Subjekts, sondern dem als ich-
gelbild zu verstehen ist. Aufgrund der entwicklungspsychologisch angelegten synton erlebten, infrage stellenden 'Nächsten' (Kleinspehn 1975, S. 96).
Spiegelfunktion des unbewussten Subjekts im Anderen bedarf das Ich nicht Worum geht es in dieser aggressiven Auseinandersetzung, in dieser durch
nur ständiger, sprich, wiederholter Selbstbespiegelungen, sondern sein illusi- Aggressivierung vorgenommenen Setzung des problematischen 'Nächsten'
onäres Selbsterkennen impliziert immer zugleich auch ein - selbstentfrem- als eines distanzierteren 'Anderen'? Greift man auf frühe Schriften der
dendes - fiktionales Selbstverkennen. Menschheit zurück, so finden sich neben dem Gebot „Du sollst Deinen
In diesem Sinne ist das psychoanalytische Erkenntnisobjekt der Psycho- Nächsten lieben wie Dich selbst" im Dekalog
analyse mitnichten das des Marxismus, wie bereits Althusser (1976/84, S.
237) ausführt. Mit dieser Betonung des konstitutiven Prozesses der Verken- • das 8. Gebot „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider Deinen Nächs-
nung nicht nur die reduktionistische Auffassung der ökonomisch determinier- ten",
ten gesellschaftlichen Entfremdungspraxis gebrochen, sondern zugleich eine • das 9. Gebot „Du sollst nicht begehren Deines Nächsten Haus" und
Theorie des performativen Subjekts ausgearbeitet. Damit wird - analog zum • das 10. Gebot „Du sollst nicht begehren Deines Nächsten Weib, Knecht,
dem sich bei Lukäcs und Castoriadis durch Praxis immer wieder neu definier- Magd, Vieh noch alles, was Dein Nächster hat".
ten Menschen (Dannemann 1997, S. 96) - von einer ständigen Wiederholung
der selbster- und selbstverkennenden Subjektivierungs- und Identitätsbil- Damit wird deutlich, dass dieser Nächste ein ganz wesentlicher Kristallisati-
dungsprozesse ausgegangen. So ist denn das Subjekt auch nicht in der Lage, onspunkt einer intersubjektiven Ethik ist, die sich imperativ in Form von Ver-
diese Alltagswirklichkeit zu transzendieren (Leithäuser 1976, S. 39), seine boten gegen ein unmäßiges Begehren präsentiert. Versucht man, diese 'Be-
„'objektiv subjektive' phantasmatische Identität, diesen objektalen Kontra- gehrensverbote' als Ausdruck einer intrapsychischen Dynamik zu verstehen,
punkt [sjeiner Subjektivität, formulieren zu können, der weder subjektiv (er- so geht es - psychologisch betrachtet - um ein 'Begehren', das mit Lacan eine
fahren) noch objektiv ist" (Zizek 1998, S. 47); vielmehr bleibt es „totalisiert" wesentlich umfassendere und abstraktere Kategorie darstellt als der Begriff
seiner entindividualisierenden „Serialität" unterworfen und entfremdenden des 'Wunsches' bei Freud (Laplanche, Pontalis 1973, S. 634-636) und eine
„Alterität" verhaftet (Sartre 1960). Wenn darüber hinaus Lukäcs den Modus Nähe zu dem Begriff der 'Begierde' bei Hegel aufweist.
der Entfremdung in der Moderne als Verlust von Wirklichkeit, als den Ver- Doch wenn Lacan das Begehren behandelt, meint er nicht irgendein be-
such praktischer Identität innerhalb sozialer Fiktionen charakterisiert (Dan- liebiges, sondern das unbewusste Begehren, das weder mit dem 'Bedürfnis'
10 /.cilscliiili liir Politische Psychologie, Jg. 12, 2004 U. Kobbe: Wider die Nächstenliebe 31
n l . einem l>iolo)'iselK-n I n s t i n k t , als einer All Verlangen nach dem Anderen nicht - nicht mehr - als gleichberechtigt begriffen und realisiert werden kön-
um h i n i l dein ' A n s p ü i i IT anl l iebe als kompromissloscr Artikulation dieses nen. Da das allgemeine Gesetz bei Kant aber einen 'leeren' Ort repräsentiert,
BedililniNNCN \ e i weeliNeli werden darf. Da dieser Anspruch nie restlos zufrie- eine Ort ohne Objekt, ohne Inhaber oder Statthalter, entsteht - so Lipowatz
den (n'Nli'lll, das B e d i i i l i u s mithin nie vollständig befriedigt werden kann, (1989, S. 110) - ein Paradoxon: „Identifiziert sich das Subjekt mit dem Ge-
bleibt ein iinuusselHi|)lhaiei Kesl das Begehren als solches. In Anlehnung an setz, dann verpasst es mit Sicherheit das Objekt des Begehrens; verleugnet es
die l Inleiseheiduii)'. /wischen tierischer und menschlicher Begierde in der aber das Gesetz, dann vergisst es sich selbst und wird zum bloßen Nichts".
llec.rl Interpretation von Kojeve (1973, S. 145) ist die Begierde „nur unter Anders formuliert beinhaltet dies folgenden intrapsychischen Konflikt:
dei Bedingung" menschlich, „dass sie auf eine andere Begierde und auf eine
,i/i,lere Begierde be/ogen ist" und damit - im Unterschied zum instinkthaften • Richte ich mich nach dem Gesetz, kommt mein Begehren, komme ich
Bedürfnis aufgrund „einer Idee, eines nicht biologischen Ziels" fortwährend selbst zu kurz.
verwirklicht werden muss (Kojeve 1973, S. 148). Diese 'Verwirklichung' des • Lebe ich aber mein Begehren, 'vergesse' ich mich und gerate ich in Ge-
Begehrens besteht dabei nicht in dessen Erfüllung oder Befriedigung, sondern wissenskonflikte.
allein in dem Hervorbringen des Begehrens selbst. Insofern formuliert Lacan
(1964, S. 289) in Anlehnung an Spinoza, dieses Begehren sei „das Wesen des Das Gesetz tritt dem Subjekt sozusagen als Stimme aus dem 'off gegenüber,
Menschen" und bedürfe daher einer Ethik. Und er setzt fort, bezüglich des als abstrakte Maxime einer reinen praktischen Vernunft beziehungsweise ei-
Begehrens, das auf Opferung und Tötung „all dessen hinausläuft, was Ge- nes Willens. Gerade da das Subjekt dieses Gesetzes kein konkretes Objekt
genstand der Liebe in ihrer menschlichen Zärtlichkeit werden kann", sei auf hat, weil es konkret nicht erfahrbar ist, bleibt der kategorische Imperativ
die Polarität der ethischen Imperative bei Kant und de Sade zu verweisen (La- Kants ahistorisch und idealistisch-abstrakt.
can 1964, S. 290). De Sade hingegen formuliert eine durchaus anschauliche ethische Philo-
Wenn der phantasmatische Schauplatz, an dem das Begehren keineswegs sophie. Bei ihm werden in konsequenter Fortführung cartesianischen Denkens
erfüllt, sondern nur 'artikuliert', das heißt, realisiert und inszeniert wird, ein alle Normen und Werte „bis hin zum Wesensbegriff des Menschen einer aus-
quasi 'leerer' Ort ohne konkreten Anderen bleibt und sich dieses Begehren schließlich szientistischen Vernunft unterworfen und damit verworfen. Was
nur auf ein anderes Begehren richtet, wird evident, dieser aufklärerischen Vernunft übrigbleibt, ist u. a. ein Verständnis des Men-
schen als ein Ding unter anderen Dingen - ohne Vorrang, ohne Spezifität"
• warum und wie sehr Intersubjektivität einer Ethik respektive eines ethi- (Duncker 1999, S. 26). De Sade schreibt, zwar habe man „kein Anrecht auf
schen Gesetzes bedarf, Eigentum" am Anderen, doch habe man „sicher das Recht, ihn zu genießen"
• warum der Begriff des Gesetzes unmittelbar mit dem des Begehrens ver- und „ein unbestreitbares Recht (...), diesen Genuss zu erzwingen" (de Sade
bunden und 1796, S. 302). Seine Maxime lautet zusammengefasst: „Ich habe das unbe-
• wie das begehrende Subjekt an dieses Gesetz gebunden ist. streitbare Recht, Deinen Körper zu genießen, und ich habe das Recht, diesen
Genuss zu erzwingen, wenn er mir, aus welchem Grunde auch immer, verwei-
Wie ist dies zu verstehen? Klassisch findet sich die Ethik des Begehrens bei gert wird" (Lacan 1963, S. 138-139). Dieses Gesetz ist ein Beziehungsmo-
Kant als ethisches Gesetz im so genannten 'kategorischen Imperativ' formu- dell, dessen Anti-Ethik jede Gegen- und Wechselseitigkeit schlechthin aus-
liert, doch gibt es historisch fast zeitgleich bei de Sade die Herausarbeitung schließt und dessen Asymmetrie - in Polarisierung zu Kants moralischem Ge-
eines konsequenten Prinzips oder universellen Rechts auf Freiheit als spiegel- setz - ausschließlich egozentrisch nach dem Anderen zu trachten scheint. Er-
verkehrte oder Anti-Ethik zu Kant (Kobbe 2002). sichtlich wird dass und wie gerade das von de Sade als 'frei' postulierte Sub-
Zunächst zum kategorischen Imperativ (Kant 1788, S. 36), der als wil- jekt unfrei zu werden droht, wenn der Andere zum bloßen Instrument des Ge-
lensbezogenes sittliches Gesetz zu verstehen ist: „Handle so, dass die Maxi- nießens, mithin zum Fetisch, wird und wenn sich das Subjekt zum Mittel sei-
me Deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzge- nes eigenen Zwecks verobjektiviert (Lern 1981, S. 115). In jedem Fall stellt es
bung gelten könnte. " Der Begriff des Gesetzes gibt bereits an, dass Kant das sich als allgemeines Phantasma einer nicht-umkehrbaren Beziehung dar, in
ethische Subjekt primär als Rechtssubjekt denkt. Das heißt, als ein dermaßen dem das unbewusste Verhältnis des Subjekts zu (s)einem Objekt inszeniert
verrechtlichtes und in extremer Weise derart auf politische Gesetze und juris- wird, an dem sich das Verhältnis von Begehren und Genießen veranschauli-
tische Kodifizierungen reduziertes Subjekt, dass individualethische Normen chen lässt. Das Genießen steht nach den Ausführungen von Kojeve (1975, S.
>'.' A-ilsi-hi-ill für Politische Psychologie, Jg. 12, 2004 U. Kobbe: Wider die Nächstenliebe 33
l - l i o d r i l ir.i be/iclumusweise dem l uslpiin/ip gegenüber, indem das begeh- Dem gegenüber
i i - i u l i - Snl)|rkl-. « I n / n I r i i d u - i l , sifh üher die dem Genießen gesetzten Grenzen „fällt [es] leicht, die idealisierte Gestalt seines 'Nächsten' zu lieben, beispiels-
I I I I I V M r / M - . r i / r i i und in dieser Traiisgression 'Lust-in-Unlust' ertragen zu weise in der Form des Mitgefühls für Hungernde in Afrika oder Indien; mit an-
imlv.cn Dem < iemcßen isl also eine paradoxe Befriedigung in lustvoller deren Worten, es fällt leicht seinen Nächsten zu lieben, wenn er nur weit genug
'» l i n i i - i / i - i h i h i H i i c einen, es ist das Leiden, dass es aus seiner eigenen Befrie- von uns entfernt ist; wenn sich uns dieser Nächste jedoch allzu sehr annähert,
wenn sich uns der Nächste radikal offenbart, verwandelt sich die Liebe sehr
dipinj 1 . i'.cwiiinl, und es isl /ugleich „ein Übel, weil es das Übel des Nächsten
bald in Abscheu" (Zizek 1991, S. 48).
i i i i l su-li hinigl" (Lacan 1960,8.223).
Ik-i Rückkehr zu den instituierenden Elementen der Gesellschaft, hier Noch einen anderen Punkt hebt Lacan nachdrücklich hervor: „Du sollst dei-
/ M I M alllestamentarischen Gebot der Nächstenliebe, zum 'Du sollst deinen nen Nächsten lieben wie dich selbst" ist ein Gebot, das dies für den Anderen
Nächsk'ii lieben wie dich selbst' (3. Mose, Kap. 19, Vers 18), kontert de Sade ohne Ansehen der Person fordert. Das heißt, man liebt den Nächsten nicht,
(1797, S. 122) denn auch fast lapidar, „eines der größten Vorurteile" sei „die weil er er, sondern weil er der Nächste ist. Damit aber wird dieser Nächste
Annahme eines Bandes, das zwischen mir und meinen Nächsten herrschen entindividualisiert, soll er um eines Prinzips Willen geliebt werden und nicht
soll". Aber auch Freud wendet gegen dieses universelle moralische Gebot ein, um seiner selbst. An genau diesem Umschlagpunkt trifft sich die (anti-) ethi-
ein solches Kulturideal sei in seiner Unerfüllbarkeit nicht nur unmenschlich, sche Konzeption von de Sade mit der des christlichen Gebots und letztlich
sondern es sei darüber hinaus Ausdruck der konstitutionellen Aggressionsnei- auch mit dem Ethos eingeforderter Solidarität: „Indem ich den Anderen auf
gung des Menschen. Selbst wenn er nicht widersprechen würde, wenn das irgendeinen Nächsten reduziere, wird er zum - anonymen - Objekt der
Gebot hieße 'Liebe deinen Nächsten wie dein Nächster dich liebt' so sei das Nächstenliebe, wird er zum Fetisch, zum Phantasma" (Lacan 1963, S. 151-
Gebot 'Liebe deine Feinde' noch unfassbarer, denn beides sei paradoxerweise 152). Und diese Praxis ist fraglos pervers, indem der Andere - wie in der Per-
dasselbe: „Eben darum, weil der Nächste nicht liebenswert und eher dein version - dadurch charakterisiert ist, dass er nicht Individuum, mithin auch
Feind ist, sollst du ihn lieben wie dich selbst" (Freud 1930, S. 470). Denn der nicht gesellschaftliches Subjekt ist, sondern Objekt des Genießens, dass er
Mensch sei grundsätzlich kein „sanftes, liebesbedürftiges", sondern ein We- einem Zweck des Begehrens dient und dass dieses Begehren - sei es sexual-
sen mit „einem mächtigen Anteil von Aggressionsneigung". Infolgedessen sei aggressiv oder scheinbar selbstlos-solidarisch - der eigenen Befriedigung
ihm dient.
„der Nächste nicht nur möglicher Helfer und Sexualobjekt, sondern auch eine
Interessanterweise treffen sich hier christliches Gebot und de Sades
Versuchung, seine Aggression an ihm zu befriedigen, seine Arbeitskraft ohne Phantasma mit Kants Thesen über den Wert jedes Menschen 'an sich': Hin-
Entschädigung auszunützen, ihn ohne seine Einwilligung sexuell zu gebrau- sichtlich der Eigenschaften, die die Achtung vor dem Menschen begründen
chen, sich in den Besitz seiner Habe zu setzen, ihn zu demütigen, ihm Schmer- (können), diskutiert Kant die Notwendigkeit, jedem Menschen zwar einen
zen zu bereiten, zu martern und zu töten" (Freud 1930, S. 470-471). Wert an sich zusprechen zu müssen, andererseits damit aber Gefahr zu laufen,
Was bedeutet all dies bezüglich der Solidarisierungs- und Entsolidarisierungs- seinen Gebrauchswert oder gar Tauschwert zu bestimmen und so die - per-
thematik, wenn dies nicht nur ein Sozialkundereferat mit Bibelzitaten sein verse - Logik einer der Nächstenliebe analogen Achtung des 'Menschen-an-
soll? Nun, der Nächste, das ist nach einer Arbeit von Klossowski (1967) aus- sich' zu entwickeln (Margalit 1999, S. 88-90). Die moderne Kehrseite des
gerechnet de Sade, dessen Phantasma sich - wie Lacan (1963, S. 161) an- Dekalogs sei „die Feier der 'Menschenrechte'", setzt Zizck (1999, S. 15) fort,
merkt - „den Stützpfeilern der christlichen Ethik eingliedert". Allerdings, fügt indem die darin verbürgten Rechte ein ebenso perverses Prinzip des Men-
er hinzu, „würde de Sade es von sich weisen, mein Nächster zu sein". In der schen 'an sich' ausformulierten. In der Tat trifft die Kritik am abstrakten Sub-
Tat führt de Sade aus, jekt als Kern der Menschrechte insofern, als der Ort der Macht ein 'leerer' Ort
„dass das Band der Brüderlichkeit nicht nur niemals unter den Menschen herr- ist und die repräsentative Demokratie als Institutionalisierung dieses 'leeren'
schen konnte, sondern dass es auch widernatürlich ist. (...) Übrigens ist das o- Ortes verstanden werden kann, der den Abstand zwischen dem Symbolischen
berste Gesetz (...) nicht die Liebe zu meinen angeblichen Brüdern, sondern der (der Gesetze) und dem Realen (ihrer un-möglichen Verwirklichung) aufrecht
Wunsch, sie meinen Leidenschaften dienstbar zu machen, denn nochmals, die-
erhält und so einen phantasmatischen Schauplatz zur Verfügung stellt, an dem
ser Nächste gilt mir nichts, es herrscht nicht die mindeste Beziehung zwischen
ihm und mir, und wenn ich eine solche herstelle, so geschieht es nur in der Ab- das Begehren keineswegs artikuliert, sondern vielmehr artikuliert und insze-
sicht, von ihm durch Schlauheit zu erlangen, was ich nicht durch Gewalt erlan- niert wird (Kobbe 1998, S. 223). Analog kann die Frage nach dem Subjekt der
gen kann" (de Sade 1797, S. 123). Menschenrechte nur dahingehend beantwortet werden, „dass es sich hierbei
um das leere Subjekt, das Cogito, handelt" (Salecl 1994b, S. 64).
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Wenn Lacan (1963, S. 152) ausführt, das Prinzip der Nächstenliebe sei letzt- Subjekts „letztlich nichts anderes ist als Begierde, die ihre Befriedigung in
lich „ein Fall von Nekrophilie", dann bedeutet dies lediglich, ohne Rücksicht dem Faktum sucht, dass sie von einer anderen Begierde in ihrem ausschließli-
auf Unterschiede lieben zu wollen beziehungsweise zu sollen, hieße prinzi- chen Recht auf Befriedigung anerkannt wird". Als weder Setzung noch Wil-
piell, Tote zu lieben, denn: Nur im Tod sind alle Differenzen aufgehoben. In lensakt ist das Ziel der Begierde das Begehren des Anderen, geht es um das
dieser Inszenierung des Phantasmas wird das Liebesobjekt Begehren des Begehrens, sprich, um eine „Begierde, die sich auf eine ihrer-
„verdinglicht, fetischisiert, während das Subjekt periodisch zwischen All- seits auf eine Begierde gerichtete Begierde bezieht" (Kojeve 1939, S. 146).
machtsphantasmen und Ohnmachtsgefuhlen schwankt. Lacan analysiert die Dabei wird die Utopie des zukünftigen Menschen bei Marx von Jervis
zwei Seiten des Sadeschen Phantasmas, indem er zeigt, dass das für das Phan- (1976, S. 69) hinsichtlich dessen Wunschökonomie als ein Subjekt charakteri-
tasma allgemeine Oszillieren in diesem Fall mit der vermittels des Fetisches in-
szenierten Verleugnung der (...) Differenz einhergeht" (Lipowatz 1986, S. 82 siert, das „mehr als zuvor Bedürfnisse hat und begehrt". Entwickelt man theo-
Fn. 18). retische Linie der bei Marx angelegten Dimension intersubjektiver Beziehun-
Insofern bezieht sich das Gebot der Nächstenliebe mitnichten auf einen gen als Dimension des Begehrens psychoanalytisch weiter (Garere 1976, S.
Nächsten als imaginären Doppelgänger, sondern auf den Nächsten als trauma- 93), so ist das Begehren als Produktion aufzufassen, wie dies Deleuze und
tisches Ding: Guattari (1974) antiödipal skizzieren und auf die „Entfaltung zerstörter Wün-
„Im Gegensatz zu der New-Age-Haltung, die den Nächsten/Anderen letztlich
sche und Bedürfnisse" (Kleinspehn 1975, S. 111) beziehen. Das heißt, das
immer auf mein Spiegel-Bild reduziert oder zu einem Mittel auf dem Weg zu „allseitige, totale zukünftige" Subjekt entsteht - so wiederum Jervis (1976, S.
meiner eigenen Selbstverwirklichung macht", geht es um einen Gegenüber, in 69-70) - „nicht aus der Abschaffung, sondern aus der Potcnzierung und aus
dem „ein fremdartiger traumatischer Kern für alle Zeiten in meinem Nächsten der Befreiung der Bedürfnisse, der Leidenschaften und des Begehrens" im
fortdauert" (Zizek 1999, S. 16). Sinne der Aktualisierung einer „Latenz" im 'Noch-Nicht-Bcwussten', wie sie
Was hinsichtlich des Anderen als Nächstem eine Möglichkeit (s)einer Ach- Bloch (1973, S. 143-144) als Produktion eines 'Noch-Nicht-Gewordenen'
tung und einer Solidarisierung mit ihm ergeben kann, ist folglich nicht ir- auffasst. Dabei ist diesem Begehren ein utopisches Moment der Überschrei-
gendein menschlicher Wesenszug 'an sich', sondern „genau das, was in ihm tung des Gegebenen eigen, wie es bei Bloch als „Invariante der Intention auf
'absolut partikulär' ist, sein Phantasma, jener Teil von ihm, von dem wir si- Besseres" hinsichtlich der Nicht-Utopie des Todes diskutiert (Gekle 1986, S.
cher sein können, dass wir daran niemals teilhaben werden" (Zizek 1992, S. 76) und von Lacan als 'In-seinem-Begehren-nicht-Nachgeben' gefordert wird
85) - ein Aspekt, der übrigens auch marxistisch in der vereinzelnden (Kobbe 1998, S. 231). Was ist mit dieser Aufforderung, mit seinem Begehren
Verdinglichung, in der Partikularisierung als „narzisstische Bornierung" keinen Kompromiss einzugehen, gemeint? Lacan formuliert dies als eine ethi-
(Lucäcs) wahrgenommen und auch bei de Sade im Sinne einer absoluten sche Maxime, im grenzüberschreitenden Zukunftsverlangen dennoch selbst-
Vereinzelung, einer Unmöglichkeit zur intersubjektiven Beziehung jenseits beschränkend nicht bis zum 'Äußersten' zu gehen und die durch das Gesetz
von (Be-)Nutzungsverhältnissen formuliert wird. garantierte minimale Distanz zu wahren, sprich, seinem Begehren „treu" zu
„Um Kants Worte zu verwenden: Wir respektieren den Anderen nicht aufgrund bleiben, „indem man die Lücke wahrt, die das Begehren aufrechterhält", die -
eines universellen Gesetzes, das in jedem von uns wohnt, wir tun es im Gegen- scheinbar - völlige Befriedigung des Begehrens verhindert und den nächst-
teil aufgrund seines äußersten 'pathologischen' Kerns, aufgrund der absolut besten Anderen dem begehrlich vereinnahmenden Zugriff des Subjekts ent-
partikulären Weise, in der jeder von uns 'seine eigene Welt träumt', sein Ge- zieht (Zizek 1998, S. 124). In genau diesem Sinne eines utopischen Ziels
nießen organisiert" (Zizek 1992, S. 85).
bleibt Solidarität auch für Freud „nur eine utopische Möglichkeit", die - ganz
Gerade weil dieses individuelle Besondere - unsere eigene Bösartigkeit, im Sinne Blochs - als „materialiter nicht erfüllbar" anerkannt werden muss
Grausamkeit und-so-weiter - in den Solidaritätsforderungen wie in den skan- (Anselm 1985, S. 181).
dalisierenden Diskursen über Mobbing und Entsolidarisierung fetischistisch Diese Utopie des Begehrens hat offensichtlich weiterhin dieselbe inter-
verleugnet wird, bedarf es einer neuen Reflektion der von Kant mit de Sade subjektive Struktur, wie sie in dem Postulat Lacans aufgezeigt wird,
und nunmehr innerhalb der poststrukturalistischen, psychoanalytisch- „dass das Genießen letztendlich immer das Genießen des Anderen ist, also das
philosophischen Paradigmen geführten ethischen Diskurse. Wenn das Ziel das Genießen, das dem Anderen unterstellt und zugesprochen wird, und dass, um-
Begehrens die Begierde des Anderen ist, dann bleibt die Dynamik dieser In- gekehrt, der Hass auf das Genießen des Anderen stets der Hass auf das eigene
tersubjektivität - wie bei Hegel (Kojeve 1939, S. 146) ausgearbeitet - von Genießen ist. (...) Finden wir ein Genießen genau genommen darin, dass wir
einem „Kampf auf Leben und Tod" unterlegt, da das Selbstbewusstsein des über das Genießen des Anderen phantasieren, in dieser ambivalenten Haltung
gegenüber dem Genuss? Erreichen wir nicht dadurch eine Befriedigung, dass
36 Zeitschrift für Politische Psychologie, Jg. 12, 2004 U. Kobbe: Wider die Nächstenliebe 37
wir annehmen, dass der Andere auf eine für uns unerreichbare Art genießt? Ist jedoch von vornherein im „absoluten Akkusativ", bemerkt Levinas (1999a, S.
nicht der Grund dafür, dass das Genießen des Anderen eine so mächtige Faszi-
nation auf uns ausübt, darin zu suchen, dass wir dadurch uns selbst unsere ei-
313), und wenn er fortsetzt, diese „Anklage ohne Grund" und ohne Zuflucht
gene innerste Beziehung gegenüber dem Genießen klarmachen? (...) Das faszi- „entkleide das Ich seiner Pracht und seines herrscherlichen ichlichen Imperia-
nierende Bild des Anderen stellt uns vor unsere innerste Spaltung, d.h. vor das, lismus", macht er auf die nach wie vor herrschenden (sie!) intersubjektiven
was bereits 'mehr in uns ist als wir selbst' und was uns so davor schützt, eine Verhältnisse aufmerksam. Diese hat de Sade (1797, S. 266) schon vorab mit
vollständige Identität mit uns selbst zu erreichen. Der ffass auf den Anderen ist der Anmerkung konterkariert, das menschliche Subjekt, das - vermeintlich -
der Hass auf unser eigenes exzessives Genießen" (Zizek 1992, S. 94-95). phantasmatisch alles nur sich selbst verdanke, sei nichts desto trotz „ein Tier",
Das Begehren des Anderen erweist sich „unablösbar" (Gekle) mit den Phan- wobei es „gar keinen Unterschied zwischen einem Sklaven und einem Tier"
tasmen verknüpft, denn „die Verbindung des Wunsches als Inhalt mit der gäbe. Damit habe das Subjekt - so Kant (1784, S. 46) - in seinem Begehren
Form der Phantasie ergibt (...) eine ganze psychische Figur: das Wunschbild" nicht nur „einen Herrn nötig (...), der ihm den eigenen Willen breche, und ihn
(Gekle 1986, S. 76) als utopische subjektive Realität. Die Nähe zum Anderen nötige, einem allgemein-gültigen Willen, dabei jeder frei sein kann, zu gehor-
sei - so wiederum Bloch (1985, S. 414) - der „eigentliche Ort der Utopie", chen", sondern es repliziere - indem das Ziel des Begehrens das Begehren des
mithin zwar praktisch betriebenes, zugleich aber weiterhin phantasmatisches Anderen ist - zugleich unaufhörlich Herr-Knecht-Verhältnisse. Pointierter
Ziel (Bloch 1985, S. 417). Bezieht man diese Intersubjektivitätsmodelle auf formuliert Kafka (1931, S. 32): „Das Tier entwindet dem Herrn die Peitsche
die Solidarisierungserwartungen und -forderungen, so muss Solidarität als ein und peitscht sich selbst, um Herr zu werden, und weiß nicht, dass das nur eine
Fetisch begriffen werden, mit dessen Hilfe die unerträgliche, aggressivierte Phantasie ist, erzeugt durch einen neuen Knoten im Peitschenriemen des
Intersubjektivität abgewehrt wird, indem Solidarität schlechthin zum ideolo- Herrn."
gischen Selbstzweck und idealisierend verzerrt wird. Intersubjektive Verhältnisse - ob solidarisch oder nicht - sind demzufol-
„Man erinnere sich bei dieser Gelegenheit daran, dass der Grundsatz der Soli- ge immer Machtverhältnisse besonderer Art, die mitnichten nur „mit dem al-
darität: Einer hätte für alle, alle hätten für einen einzustehen, in Deutschland ten Marcuse-Begriff der 'repressiven Toleranz' wiederaufzugreifen" sind, um
(...) zur sozialen Wirklichkeit nur im Mythos einer 'Gemeinschaft' wurde —
„darunter nun die Tolerierung des Anderen in seiner aseptischen, verharmlo-
jener Volksgemeinschaft, in die unsere deutsche Gesellschaft, nach der miss-
lungenen Revolution am Ende des Ersten Weltkrieges, im Jahre 1933 zurück- senden Form zu verstehen" (Zizek 1999, S. 18) und dabei die Dimension des
fiel und die dabei die Leichen derer unter sich begrub, denen gewisse soziale traumatischen Realen zu negieren. Denn bei den Bemühungen um der Psy-
Merkmale fehlten", choanalyse und Philosophie, das Subjekt aus den verdinglichenden Katego-
die man vom 'Nächsten' einforderte (Brückner 1965, S. 77-78). Und Brück- rien zu befreien, darf man sich nicht damit bescheiden,
ner fährt fort, „eine nähere Analyse der Gleichzeitigkeit von Kameradschaft „dem Statischen, Unbelebten, Determinierten die Dynamik, die Dauer, die
und Minoritätenmord, von Solidarität und Raubzug" lehre etwas „sehr Beson- Transzendenz oder die Freiheit als das Wesen des Menschen entgegenzustel-
len. Es handelt sich nicht so sehr darum, ein Wesen dem Anderen entgegenzu-
deres", dass nämlich die Voraussetzungen für „die Aktivierung von Mitgefühl
stellen, zu sagen worin die Natur des Menschen besteht. Es handelt sich vor al-
und Neigung" nicht im Menschsein des 'Nächsten-an-sich' begründet sei, lem darum, dem Menschen den Platz ausfindig zu machen, wo er aufhört"
sondern dass es für „die Konstituierung brüderlichen Sozialverhaltens" anstel- (Levinas I999a, S. 115),
le sozialer Feindseligkeit der subjektivierenden Funktion gesellschaftlich- sprich, wo er als unbewusstes Subjekt des Begehrens mit dem (eines Ande-
kultureller Institutionen bedürfe: ren) kollidiert. Wie bei Kant mit de Sade exemplifiziert, ist 'Subjekt' der Sig-
„Soziale Ordnungen sichern also nicht nur die materielle Reproduktion der nifikant, „der Name der Hybris, der exzessiven Geste, auf deren [unausbalan-
Gattung und sollen Leben erhalten, sie habe geschichtlich auch Emanzipation
ciertem] Exzess die universelle Ordnung zuallererst gründet: es ist der Name
als 'allseitige Entwicklung menschlicher Fähigkeiten', aber auf der Basis von
Solidarität, zu konstituieren. Der Mensch ist kein Tier, es bedarf mehr als (nur) für die pathologische Verwerfung (clinamen), die Abweichung von der uni-
des physischen Überlebens der Gattung" (Brückner 1972, S. 35). versellen Ordnung, welche ebendiese universelle Ordnung aufrechterhält"
Bemerkenswerterweise fällt Brückner mit dieser letzten Anmerkung auf eine (Zizek 1999, S. 34). Dass dieser 'Exzess' ein sehr konkretes Zuviel, ein cha-
selbstidealisierende Position zurück. Diese trägt jedoch idealistische Züge ei- raktcristisch-störendes Supplement des Subjekts ist, verdeutlicht Zizek (2000,
ner subjektzentrierten Theorie, die - noch - von einer materiellen Ordnung S. 10) daran,
der Dinge und von der Möglichkeit einer Ent-Verdinglichung des dann freien,
(selbst-)bewussten Subjekts ausgeht. Dem gegenüber befinde sich das Subjekt • dass und wie das Subjekt ursprünglich an die Alltagserfahrung einer Pro-
duktion von 'Scheiße' quasi aus dem Nichts gebunden ist,
iA /<.• 11 sehn II Illr Politische Psychologie, Jg. 12, 2004 U. Kobbe: Wider die Nächstenliebe 39

• i l . i . . n . i m l i i h ,,ili-i l ll>i-i)';mj.', vom Mensch zum Tier in dem Augenblick nas 1999a, S. 320). Indem es nicht um eine - unter Umständen tolerante -
. i . i i i l i n i l r i , in dein il:is Tier ein Problem damit hat, was es mit seinen Ex- bloße Koexistenz mit dem Anderen geht, sondern um intersubjektive „Unru-
l,u n u - i i u - n l i m soll, m dem Moment, in dem diese für das Tier zu einem he" (Levinas 1999a, S. 285), wird das Subjekt dezentriert und mit einer fun-
. i i j T i l n IH-II l'.\/.css werden". damentalen Phantasie, mit dem Traumatischen des Phantasmas konfrontiert:
Die eigentliche Nähe des Anderen sei - so Levinas (1999b, S. 214) - letztlich
T M I .'Ihiilichcs Problem der Grenzen von Innen und Außen, des Selben und des „der Tod", denn in der verwundbar machenden, „ungeschützten Bloßlegung"
Anderen gilt Für den Speichel: „Obwohl wir problemlos unseren eigenen seiner selbst komme es beim Subjekt zu einer „Entblößung bis zum Tod"
Speichel schlucken, finden wir es extrem widerwärtig, von uns ausgespuckten (Levinas 1998, S. 120). Dies impliziert erneut eine Selbst(auf)opferung in der
Speichel erneut zu schlucken" (Zizek 2000, S. 206 Fn. 4). Annäherung an den Nächsten.
Was in der strukturell angelegten intersubjektiven Überschreitung und
besitzergreifenden Nähe als 'Solidarität' in Anlehnung an Lacan und Levinas Das bedeutet zusammenfassend,
(Zizek 2000, S. 152-153) überhaupt noch anzudenken wäre, ist eine Ethik des
Begehrens, die in der Achtung der Partikularität und der Grenzen des Anderen • wenn das Subjekt insofern 'unfrei' ist, dass es als Geisel oder Substitut
fundiert ist. Denn aus der exzessiven Nähe - und dessen Korrelat der maßlo- des - imaginären - Anderen fungiert,
sen Abwesenheit - resultiert ein „Akt der Substitution" (Levinas 1999a, S. • wenn es also an diesen imaginären Anderen als erstbesten Nächsten
320), bei dem sich das Subjekt dem Anderen unmöglich entziehen kann, sich gebunden und mit ihm unablässig konfrontiert ist,
selbstverleugnet und sich ihm einer Geisel gleich substituiert (Levinas 1999a, • wenn dieser Andere ständiges Objekt meines unanständigen Begehrens
S. 328). Die Freiheit, sich für die Solidarität mit dem Anderen zu entscheiden, und das Subjekt zugleich Objekt des Begehrens des Anderen ist,
wäre das Vermögen einer Unmöglichkeit, sich seiner zu entziehen, wäre Form • wenn dieses Begehren nie restlos zu befriedigen und ein erfülltes Genie-
einer Interpassivität nicht aus Trägheit, sondern aus Sensibilität (Levinas ßen unmöglich ist,
1999b, S. 76). Diesbezüglich verweist das eingangs zitierte 'soziale Entge-
genkommen' darauf, dass dieses nicht nur solidarische Fürsorge ist, sondern dann erweist sich das intersubjektive Verhältnis zum Anderen als unbedingt
als Zuvorkommen des Nächsten auch etwas vorwegnimmt: Als Nächstbester traumatische Beziehung vom dialektischen Herr-Knecht-Modus mit Macht-
ist dieser Andere von vornherein in das Geflecht meiner sozialen Beziehun- Ohnmacht-Aspekten des Exzesses, der Grenzüberschreitung, der Infragestel-
gen eingewoben und nimmt er etwas vorweg (und weg), indem er das Subjekt lung, der Inanspruchnahme. Selbst in der Anerkennung des Anderen stecke
in eine „unkündbare Brüderlichkeit", eine unabweisbare Sozialität involviert eine unbewusste Aggression, kommentiert Lacan (1958, S. 226) mit Verweis
und damit von vornherein seiner potentiellen Freiheit beraubt, sich ohne Ent- auf den im Französisch zum Beispiel hörbar werdenden Doppclsinn des 'Du
fremdung, ohne Schuld, ohne Abhängigkeit zu entsolidarisieren (Levinas bist...', das sowohl als „tu es" (Du bist) als auch homophon morddrohend als
1998, S. 194-195). „tuer" (töten) verstanden werden kann. Ähnlich macht Levinas (1998, S.
Dies bedeutet aber auch, dass nicht Kategorien autonomer Aktivität ver- 198) - indem er die Mehrdeutigkeit des französischen Verbs „frapper" nutzt
sus abhängiger Passivität das Subjekt definieren, sondern vielmehr eine 'List • darauf aufmerksam, dass wir auf unterschiedliche und aggressivierte Weise
der Vernunft', der zufolge das Subjekt durch den Anderen, als sich opfernde vom Anderen affiziert werden: „Leprochain mefrappe avant de mefrapper"
Geisel des Anderen, passiv bleiben kann, indem es den passiven Aspekt des ließe sich so übersetzen als
Genießens an diesen delegiert:
„Interpassivität ist alles andere als ein exzessives Phänomen, das nur in extre-
„Vom Nächsten bin ich befallen, bevor er mir auffällt" (im Original)
men 'pathologischen' Situationen vorkommt, sondern im Gegensatz zur Inter-
aktivität (...) ist Interpassivität daher die elementarste Stufe, die das notwendi- 'Der Nächste betrifft mich, bevor er mich trifft' oder
ge Minimum an Subjektivität definiert. Um ein aktives Subjekt zu sein, muss 'Der Nächste nimmt mich in Beschlag, bevor er mich heimsucht' oder
[es sich] der trägen Passivität (...) entledigen und sie auf einen Anderen über- 'Der Nächste schlägt mich, bevor er mir bewusst wird'.
tragen" (Zizek 1999, S. 225).
Indem die interpassive Nähe das Subjekt seines Kerns substantieller Identität Das mit entsprechendem „Gruppenpathos" (Anselm) vorgetragene 'Lernziel
beraubt, ist die Substitution keine Interaktivität, „kein Akt, sondern ganz das Solidarität' (Richter) wäre mithin keineswegs, von seinem Begehren abzulas-
Gegenteil des Aktes; sie ist die in Akt nicht konvertierbare Passivität" (Levi- sen und hierin geradezu den ökonomischen Prinzipien eines kapitalistischen
i l i l'lli Politische Psychologie, Jg. 12,2004 U. Kobbe: Wider die Nächstenliebe 41

l ' i .!• u i - . i •. n l u - i «Im i i < l i i i ) ' i - n ' Konsum /.u folgen, wie sie beispielsweise in fugale Kräfte', als 'Prinzip des Egozentrismus'", dem eben jenes 'Prinzip der
'!' n '.in l i i p i . i M i i i i \ i - i i l >r.Kiir,rn ( K o h l t e 2()(l2h) oder in der Politik vertreten Solidarität' als „eine Art kitschiger Ideologie" (Anselm 1985, S. 204), als
\ M n l i n 11( nn du- Ideologiich-politischen Diskurse bedürfen der Stützung „nicht Versöhnung" in der Solidarisierung, „sondern Flucht" ins Kollektive,
" l u i i h i in uniuigeiprochenes phantasmatisches Szenario, das seinerseits „eine sprich, „Regression und Symbiose" entgegengesetzt wird (Anselm 1985, S.
i > | . . i i i i i n n i r ili-, ( n-iiK'lk-iis" in der Produktion von Unbewusstem wie im Kon- 204-205). - Mit Zizek hingegen ließe sich das Subjekt der Postmoderne -
M M I I i l l i r . i o i i ; i K - i Kcdiie „ins/.enicrt" (Salecl 1994a, S. 49). losgelöst von rigide internalisierten symbolischen Verboten, unabhängig von
In dieser Ititersubjektivität haben Ge- und Verbote eine maskierende öffentlichen symbolischen Autoritäten und „fest entschlossen, mit seinem Le-
l ' i i n k i i o n , indem sie als Symptom an die Stelle von etwas Unmöglichem tre- ben zu experimentieren" - nunmehr als reflexiv-freies Subjekt begreifen, das
ten und dem Subjekt suggerieren, das Begehren sei grundsätzlich erfüllbar. im Reflex auf die Freiheit von den Zwängen der Natur und/oder Tradition das
Slaltdessen geht es doch vielmehr darum, sein Begehren auf ethische Art und „Paradox einer frei gewählten Herr-und-Knecht-Koexistenzform" kreiert, die
Weise zu gestalten, was die Achtung dieses Anderen voraussetzt. Gerade dies ihm „eine tiefe libidinöse Befriedigung verschafft" (Zizek 1999, S. 181-182).
„tun wir nicht aufgrund irgendeiner herausragenden Eigenschaft dieses Sub- Voraussetzung dafür aber ist, dass dieses extrem narzisstische Subjekt, „das
jekts, sondern ganz im Gegenteil aufgrund eines fundamentalen Mangels, der alles und jedes als potentielle Bedrohung seines fragilen imaginären Gleich-
die Existenz dieses Subjekts definiert" (Zizek 1999, S. 36). Umso weniger gewichts auffasst" (Zizek 1999, S. 195), die Unvollkommenheit des Anderen
erstaunlich ist, dass sich - wie bereits Richter (1974) vorführt - Angehörige zu ertragen in der Lage ist, anstatt - was offensichtlich leichter erscheint - am
gesellschaftlicher Randgruppen und andere sozial Benachteiligte ausgespro- Phantasma der Vollkommenheit festzuhalten und dadurch zu verleugnen, dass
chen gut für Solidaritätsaktionen eignen, denn „Solidarität wird in einem so- niemand vom Mangel verschont wird. 'Achtung' beinhaltet dabei, eine ange-
zialen Rahmen praktiziert, der außerhalb der bedrohlichen Realität liegt" und messene Distanz zu wahren, sprich, dem partikulären Anderen nicht zu nahe
„als ein auf dem Tauschprinzip beruhender wechselseitiger Sympathiebe- zu kommen, ohne dabei in narzisstische Selbstabkapselung zu verfallen.
weis" immer wieder davon bedroht wird, „in den Zirkel von Aggression und Anders formuliert, ist es gerade die Nähe, die das Subjekt zu seiner Sub-
Schuldgefühl umzuschlagen" (Anselm 1985, S. 202-203). Zudem birgt diese jektivität ins Verhältnis setzt, indem dieses in der - solidarischen - Berührung
Konzentration auf den 'niedrigeren' Nächsten die Gefahr einer „perversen des Anderen zum Ziel hat, „weder den Anderen einsetzen und damit seine
Versuchung" in sich, wenn Solidarität um des „Prinzips der Solidarität" Andersheit zunichte machen noch sich selbst im Anderen aufheben" zu wol-
(Richter) willen geübt und wenn die Solidarisierung mit den niedrigsten Au- len (Levinas 1998, S. 193). Und dennoch enthält jede Berührung des Anderen
ßenseitern deswegen erfolgt, weil sie die niedrigsten Außenseiter sind und - als Kontakt mit einem realen Nächsten etwas zutiefst Traumatisches, das nur
so der insgeheime Wunsch - dies auch bleiben sollen (Zizek 2000, S. 134). In zu ertragen ist, wenn dieser Andere „in den phantasmatischen Rahmen des
diesem Sinne sind es die solidarischen Helfer, die sich zwar politisch korrekt, Subjekts integriert wird" (Zizek 1999, S. 111).
gesellschaftlich jedoch parasitär verhalten und einen sozialen „Vampirismus" Genau unter diesem Aspekt erscheint die Forderung nach 'bedingungslo-
(Dörner) besonderer Art pflegen, indem sie sich nicht mit ihresgleichen, son- ser Solidarität? - beispielsweise Deutschlands mit den USA nach dem
dern mit den sie - gerade auch wegen dieser unterdrückenden Solidarität - 11.09.2002 - als nicht nur maßlos und ansprüchlich, sondern darüber hinaus
nicht infrage stellenden „unbedrohlichen Unterdrückten" solidarisieren (An- insofern als bedrohlich und traumatisierend, als in der Substitution unter den
selm 1985, S. 202). Anderen jedwede Differenz aufgegeben und den Subjekten eine Selbstopfe-
Vergegenwärtigt man sich den Unterschied zwischen dem Realen und rung im Anderen abverlangt wird. Wenn Angst als existentielle Dimension
der Realität, der darin besteht, dass die Realität 'wirklich' existiert, das Reale wie als psychologische Affektqualität „ihren Gegenbegriff in Solidarität" hat
hingegen 'unwahrscheinlich' existiert und insofern ein Unmögliches ist, so ist (Anselm 1985, S. 29), werden mit der Solidaritätsforderung 'bedingungsloser'
für die aktuelle Auseinandersetzung des Subjekts mit den gesellschaftlichen Substitution zugleich ebenso die unerträglichen Affekte der Angst, des Grau-
Herausforderungen der Postmoderne davon auszugehen, dass das Reale durch ens, der Hilflosigkeit und Ohnmacht wie der Aggression in Form von Rache-
„die unerbittliche abstrakte gespenstische Logik des Kapitals" determiniert impulsen und destruktiven Phantasien verleugnet. Was das Schöne vom Häss-
wird, das seinerseits die konkrete gesellschaftliche Realität bestimmt (Zizek lichen, das Ideale vom Ekelhaften trennt, ist „dieselbe Kluft", die - entgegen
1999, S. 176). Bei Richter (1974, S. 86) hingegen erscheinen die Gesellschaft, der Annahme Anselms (1985, S. 29) von der „Solidarität als Praxis" mit ih-
das Soziale individueller Lebensformen und das Autonomie- und Alltagsbe- rem „rationalen Verhältnis zur Realität" - die Realität vom Realen des Phan-
wusstsein der Subjekte „nur noch als Negativ, als 'Gegenkräfte', als 'zentri- tasma trennt: „Der Kern der Realität ist das Grauen, das Grauen vor dem Rea-
/. n ,, h n l M i i i Politische Psychologie, Jg. 12,2004 U. Kobbe: Wider die Nächstenliebe 43

i* M M i n i iii v» . 1 . i l n l'i . i l i i . u l ' . M i r . i i i M H - i i , isi il:is Minimum an Idealisierung, keiner ontologischen Struktur verankert ist (Zizek 2001b, S. 247). An den Fe-
.1. »n du Nuhjokl bodftrl um d«i Reale zu ertragen" (£i2ek 1999, S. 119). tisch der Solidarität geklammert, ist das Subjekt in der Lage, die krude Reali-
l ml ' >|M. ni ,il" i i IM n\ M i i | r , \ hc>lo|',isdi wie reduktionistisch, kommt Kunz tät ent-täuschender, sprich, illusionärer Intersubjektivität zu akzeptieren, min-
(|W(t) IM i i | u i l i i r . i lirn ( i r w i i l t a n a l y s c mit dem resignativen Resume, destens aber kompensatorisch abzufangen (Zizek 2001 a, S. 217).
i l i i i-. 11- M Mi UM I H M S u l i i l i M i!ai und Mitgefühl mit den ihnen Fremden fremd" Untersucht man diesen Diskurs anhand der lacanianischen Kategorien
im! MI h ..ilu- K l u l l /.wisclicn Ideal und Wirklichkeit" als „unüberbrück- des Realen - Symbolischen - Imaginären, erweist sich das Imaginäre der Illu-
II.M i - i u i IM•. /u dci (ragenden Feststellung: „Soll aber aus der unschließbaren sion vermittels der 'Solidarität' auf der Ebene der politischen Fiktion, des
K l u l l /\MM hui Anspruch und Wirklichkeit des Ideals der Solidarität und der Symbolischen also, gestützt. In diesem Sinne ist der Kampf um die Solidarität
Mitmnuohlichkeit der Schluss gezogen werden, das Ideal zu liquidieren." Mit bei Richter ein emphatischer K(r)ampf um ein Schlagwort, im Falle von 'So-
(.•iiicin solchen Ausverkauf jedweden Idealismus stände das Subjekt jedoch, lidarnosc' ein „Kampf um die Aneignung der Termini, die 'spontan' als 'apo-
um eine Metapher Blochs zu paraphrasieren, „frierend" da; Kunz befindet litisch', den politischen Bereich übersteigend, erfahren werden". Diesbezüg-
sich sozusagen auf dem „Rückzug" eines „expansiven" und idealistisch „weit- lich macht Zizek (2001b, S. 241) darauf aufmerksam, das die 'Solidarnosc'-
frohen Ich" hin zur resignativ „einsamen Seele in des Teufels Wirtshaus, als Bewegung im Polen der siebziger und achtziger Jahre mit der programmati-
das Luther die Welt bezeichnet hatte" (Bloch 1962, S. 298). Dem gegenüber schen Bezeichnung 'Solidarität' einen „Signifikanten der unmöglichen Voll-
erweist sich diese Kluft zwischen idealem Realem und kruder Realität gerade ständigkeit der Gesellschaft, wie er im Buche steht", trug.
insofern als subjektkonstitutiv bedeutungsvoll, als das Subjekt eines Mini- „Die Unmöglichkeit einer politischen Allianz zwischen all diesen divergieren-
mums an Idealisierung bedarf, um eine gewisse Distanz zum Realen zu wah- den und potentiell antagonistischen Positionen war nur unter der Fahne eines
ren, mit anderen Worten, „'Realität' ereignet sich insoweit, als sie uns nicht Signifikanten überbrückbar, der als solcher genau an der Grenze stand, die das
'zu nahe' kommt" (Zizek 1999, S. 120). So besteht die Kardinalfrage der So- Politische vom Vorpolitischen trennt und für eine derartige Rolle ist 'Solidari-
lidarisierung als Rätsel des Begehrens für das Subjekt nicht in der Frage, wer tät' ein vollkommener Kandidat: 'Solidarität' ist politisch insofern wirksam, als
sie die 'einfache' und 'grundsätzliche' Einheit aller Menschen bezeichnet, die
dieses ist oder was es will, sondern in der Frage, welches Objekt es für den sie über alle politischen Differenzen hinaus verbinden sollte" (Zizek 200lb, S.
Anderen sein kann, sein soll, sein müsste. Problematisch - ängstigend näm- 242).
lich - wird diese Intersubjektivität also dann, wenn das Subjekt auf die undia- Wenn es mithin in der Solidarität zentral auch darum geht, die gegenseitigen
lektische Position eines Objekts reduziert wird, das vom Anderen (beliebig) Begehren in einem dialektischen Verhältnis zu bewahren, sprich, nicht selbst-
ausgetauscht oder benutzt wird (Zizek 1999, S. 162). unterwerfend und selbst(auf)opfernd Vasall des Anderen zu werden, sondern
Für die Solidarisierungsforderung bleibt nachzufragen, ob Solidarität reziproke, achtsame intersubjektive Beziehungen zu wahren beziehungsweise
nicht gegebenenfalls auch Zeichen einer fetischistischen Spaltung ist, indem zu entwickeln, bedarf jede Solidarisierung je spezifischer, das heißt, differen-
sie Symptom des prothetischen Auffiillens beziehungsweise mystifizierenden zierter - ethischer - Bedingungen. Nicht indifferent zu sein, impliziert jedoch
Überbrückens einer Leere in den intersubjektiven Beziehungen ist. In dieser unausweichlich, sich zu differenzieren und den Anderen als Nächsten - mehr
Hinsicht ist das Ringen um Solidarität ein Kampf um einen ideologisch- oder weniger - zu verfehlen. Insofern birgt auch das ethisch verantwortete
politisch überlegenen Inhalt, der als Platzhalter für ein quasi 'leeres' Allge- Begehren, das nicht Fusion und nicht Synthese ist, eine aggressive Spannung
meines im Politischen - 'Humanität' oder 'Gerechtigkeit' etwa - steht, ganz und ursprüngliche Schuldhaftigkeit in sich und in diesem Sinne vermag Soli-
so wie die Zerrform der Scheinsolidarität mitunter als kompensatorischer darität durchaus Anerkennung des Andersseins des Anderen zu sein (Anselm
'Lückenfüller' psychischen Erlebens fungiert (Pfaffe 1978). Deutlich wird
1985, S. 30).
dieser mystifizierende Aspekt der Solidarität mitunter dort, wo ein anderes
Bewusstsein gefordert und beispielsweise für „das in Klassenbewusstsein ü-
berführte Alltagsbewusstsein" angenommen, ja, propagiert wird, nunmehr
trete Solidarität „an die Stelle des juristischen und moralischen Normenkata-
logs des citoyen" und konstituiere so „neue Formen der Kommunikation und
Interaktion" (Leithäuser 1976, S. 170) Als Kehrseite des Symptoms verkör-
pert der Fetisch die 'Solidaritätslüge', die es dem Subjekt ermöglicht, die un-
erträgliche Wahrheit auszuhalten, wenngleich sein Fundament, das Reale, in
l l / r c t s i h i i l l Mir Politische Psychologie, Jg. 12, 2004 U. Kobbe: Wider die Nächstenliebe 45

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