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Web 2.

0 in Lernenden Regionen
Der Sammelbegriff „Web 2.0“, der 2005 geprägt wurde, fasst eine Reihe neuer technischer
Entwicklungen im Internet zusammen, die das Web einfacher nutzbar, interaktiver und kollaborativer
werden lassen. Typische Beispiele für das Web 2.0 sind Wikis, Weblogs, Social Bookmarks sowie
Foto- und Videoplattformen (z.B. Flickr und Youtube) sowie technische Innovationen wie RSS.
Während das Internet und insbesondere das Veröffentlichen eigener Information mit den neuen
Diensten einfacher werden, muss man sich mit neuen Begriffen und Anwendungen
auseinandersetzen. Es genügt nicht mehr, lediglich zu wissen, was eine „Homepage“ ist, wie Email
funktioniert oder was man mit Google tun kann.

• Ein Wiki ist eine Web-Site, die nicht gelesen sondern auch online geändert („edit-button“
auf jeder Seite) werden kann. Die Seiten eines Wikis können einfach verlinkt werden. Die
Entstehung der Texte lässt sich über eine „history“-Funktion nachvollziehen.

• Ein Weblog ist ein digitales Journal. Es besteht aus einer umgekehrt chronologisch
sortierten Liste an Einträgen zu bestimmten Themen. Neben Text kann es auch
multimediale Elemente enthalten. Kommentarfunktion und einfache Vernetzbarkeit
Bedeutung der Kommunikation für eine Region
führen zu hoher Interaktivität.

• Social Bookmark-Dienste ermöglichen die Ablage von Internetlinks online. Sie


ermöglichenDokumentation
Offene, transparente persönliche undvon
gemeinsame Informationssammlungen
Projekten im und führen über
Sinne einer Open-Source-Kultur
ähnliche Themen zur Vernetzung mit Gleichgesinnten.
Partizipation
• Foto- und Videoplattformen erleichtern die einfache Publikation von Fotos und Videos
Fördermittel
undkönnen sparsam
die soziale und effektiv eingesetzt werden
Vernetzung

Förderung
• RSSvon(Really
Kooperation
Simple und Vernetzung,
Syndication, da diese„wirklich
auf Deutsch durch Web 2.0 nachvollziehbar
einfache Verbreitung“)und geradezu
gestattet die
bildlich dargestellt werden können. Dialog In Weblogs können „Gespräche“ stattfinden. Die
Austauschbarkeit von Inhalten des Web 2.0 von einer auf die andere Plattform. Ein RSS-
Technologie rückt
Feed dabei
enthält in den Hintergrund.
lediglich Community
die Inhaltsinformation entsteht
(Text, Fotos)durch
ohneKommunikation.
das Layout. Neu Nicht nur
veröffentlichte Inhalte werden via RSS automatisiert auf PCs, andere Web-Sites oder auch
Mobiltelefone geladen.
Die meisten Web 2.0-Anwendungen benötigen als Softwareplattform lediglich einen Internet-
• Open Source ist Software mit offenem Quelltext. Die Software darf beliebig geändert,
kopiert, verbreitet und genutzt werden. Es sind keine Lizenzgebühren, wie bei
kommerzieller Software zu zahlen. Ähnliche Ziele verfolgt Open Content. Unter
entsprechenden Lizenzen stehende Inhalte wie Texte, Fotos, Musik dürfen – unter
bestimmten Bedingungen – ebenso relativ frei verwendet werden.

Web 2.0-Anwendungen benötigen auf dem eigenen Computer üblicherweise lediglich einen Browser
wie den Internet-Explorer oder Firefox. Die Programme für den Server sind meistens Open Source
und relativ einfach installierbar oder bereits oft als kostenloser Dienst – wie z.B. YouTube für Videos
oder del.icio.us für Bookmarks – verfügbar.
Bildunterschrift: Tag-Cloud des Web 2.0 zeigt Begriffs-Zusammenhänge. Größe der jeweiligen
Keywords lässt Rückschlüsse auf ihre Relevanz zu.

Während „Web 2.0“ eher die technische Innovation umschreibt, beziehen sich zwei Begriffe, nämlich
Social Software und User Generated Content, die ich im Folgenden näher erläutern werde, auf
soziale, gesellschaftliche und politische Aspekte der neuen Entwicklungen im Internet.

Als Social Software werden Software-Systeme bezeichnet, die der menschlichen Kommunikation,
Interaktion und Zusammenarbeit dienen. Die Software an sich ist natürlich nicht sozial, aber sie kann
genutzt werden um soziale Beziehungen zu unterstützen oder im Internet abzubilden. Social
Software kann Communities, die sich in Lernprozessen befinden helfen, gemeinsames Wissen zu
entwickeln, Erfahrungen zu teilen und dabei eine eigene Identität aufzubauen.

Unter User Generated Content werden Internetinhalte verstanden, die von den NutzerInnen selbst
erstellt werden. Dem Web 2.0 ist ein Paradigmenwechsel von einem one-to-many Broadcastsystem
zu einem interaktiven many-to-many Dialog immanent. Bereits in den späten zwanziger Jahren des
letzten Jahrhunderts hat Bertolt Brecht in seiner sogenannten Radiotheorie einen Vorschlag zur
Umfunktionierung des Rundfunks unterbreitet. „Der Rundfunk ist aus einem Distributionsapparat in
einen Kommunikationsapparat zu verwandeln. […] Der Rundfunk wäre der denkbar großartigste
Kommunikationsapparat des öffentlichen Lebens, ein ungeheures Kanalsystem, das heißt, er wäre es,
wenn er es verstünde, nicht nur auszusenden, sondern auch zu empfangen, also den Zuhörer nicht
nur zu hören, sondern auch sprechen zu machen und ihn nicht zu isolieren, sondern ihn auch in
Beziehung zu setzen.“ Mit dem Web 2.0 scheint die Vision von Brecht technisch möglich zu werden.
Social Software und User Generated Content sind eng miteinander verwoben. Die bekannten
Plattformen für User Generated Content wie Flickr oder YouTube, die die Veröffentlichung von Fotos
oder Videos ermöglichen, stellen auch Beziehungen zwischen den NutzerInnen her. Sie dienen der
Bildung von Gemeinschaften, seien sie von gemeinsamen Interessen, persönlichen oder
geographischen Zusammenhängen geleitet.

User Generated Content wird das Potential zugeschrieben, die etablierte Medienlandschaft
nachhaltig zu verändern oder gar traditionelle Medienunternehmen zu gefährden. In diesem
Zusammenhang wird von Citizen Journalism gesprochen. Wichtiges Medium für Citizen Journalists
sind Weblogs.

In weiterer Folge wird mit dem Web 2.0 auch die Hoffnung der Wiederaneignung des politischen
Prozesses durch die Bürgerinnen und Bürger auf der Basis der neuen Technologien verbunden.

So schrieb die deutsche Zeitschrift der Spiegel am 24. Juli 2007 über die politische Dimension des
Internets im Zuge des US-amerikanischen Vorwahlkampfs für die Präsidentschaftswahlen im Jahr
2008 überschwänglich:

„Das US-Internet ist heute ein Hort der politischen Debatte, überall wird gestritten und debattiert,
Standpunkte werden mit Filmschnipseln untermauert, Kandidatenvorurteile per Videobeweis be-
oder widerlegt. Das Internet bringt eine Form der Debatte zurück, wie es sie zuletzt auf den Plätzen
Athens oder Roms gab - angereichert mit multimedialen, Hypertext-befeuerten Argumentations-
hilfen.“

Einsatz von Web 2.0 in Lernenden Regionen

Web 2.0 kann unter anderen folgende Aspekte unterstützen:

- Dokumentation von Lernprozessen, Diskussionen, Veranstaltungen

- Transparenz

- Partizipationsfähigkeit

- Öffentlichkeitsarbeit intern und extern

- Vernetzung der AkteurInnen

- Darstellung des Innovationspotentials einer Region

Der Einsatz von Web 2.0 setzt allerdings eine gewisse technische und inhaltliche Medienkompetenz
bei den Beteiligten voraus um die neuen Medien den jeweiligen Zielen und Bedürfnissen
entsprechend effektiv nutzen zu können. Projekte in Lernenden Regionen müssten sich also auch das
Ziel setzen, die Medienkompetenz der Beteiligten zu erhöhen. Zur Medienkompetenz gehört nicht
nur der kritisch-reflexive Umgang mit Medien, sondern gerade im Zusammenhang mit Web 2.0 die
Fähigkeit Inhalte zu erstellen und interaktiv-kreativ mitzugestalten.

In infrastrukturell-technischer Hinsicht sind Computer mit Breitband-Internetzugang notwendig,


wobei viele Dienste bereits auch über Mobiltelefone nutzbar sind.
Entwicklung und Umsetzung

Der Einsatz von Web 2.0 sollte bei allen Projekten – zumindest als Querschnittsthema –
berücksichtigt werden. Man wird sich auf ein Experiment – das von reger Beteiligung oder auch
vom Gegenteil geprägt ist – einlassen müssen. Web 2.0 ist also ein weiteres Feld, in dem Regionen
Erfahrungen sammeln und lernen können. Der partizipative und offene Charakter von Web 2.0 kann
darüber hinaus Impulse für Beteiligung und Transparenz auch in anderen Bereichen bewirken. So
haben sich rund um das Thema Web 2.0 neue, partizipative (offline-)Veranstaltungsformate wie
Barcamps und Web Montage entwickelt.

Exemplarische Ideen oder mögliche Teilaspekte von Projekten mit Web 2.0

Weblogs als Lerntagebücher

Weblogs können Lernprozesse begleiten und Lernfortschritte dokumentieren. In den


Bildungswissenschaften hat sich in den letzten Jahren der Begriff ePortfolio etabliert. Darunter wird
eine elektronische Sammlung von Wissensartefakten, die miteinander in Beziehung gesetzt werden
können, verstanden. Ein ePortfolio ermöglicht Reflektion über den eigenen Lernfortschritt, der nach
außen präsentiert wird sowie Diskussion und Austausch zwischen Lernenden.

Thematische Vernetzung mit anderen Regionen

Die Vernetzung mehrerer Weblogs über RSS-Feeds verbessert Information und Kommunikation nicht
nur innerhalb einer Region sondern auch zwischen Regionen. Interessenskoalitionen und Netze sich
regionsübergreifend gebildet werden.

Digital Storytelling

Die Methode des Erzählens digitaler Geschichten wurde in den USA entwickelt und erfolgreich bei
Integrationsprozessen von MigrantInnen oder anderen sozial benachteiligten Gruppen eingesetzt.
Eine digitale Geschichte ist eine kurze, selbst gestaltete Produktion, die aus einer persönlichen Sicht
erzählt wird. Sie kann multimediale Elemente wie Fotos, Audio und Video enthalten. Digital Stories
werden über das Web 2.0 verbreitet und miteinander vernetzt.

Regionalwiki

Ein Regionalwiki greift die Idee der Wikipedia auf. Im Unterschied zur erfolgreichen kollaborativen
Enzyklopädie beschränkt sich ein Regionalwiki auf Information über die Region. Es könnte auch eine
Orts- oder Regionschronik auf diese Weise entstehen. Das Projekt wäre bei der Umsetzung im
Internet nicht mit dem Druck abgeschlossen sondern kann fortgesetzt werden. Ein Regionalwiki als
generationsübergreifendes Projekt ist ein Beispiel für informelle Lernchancen im Rahmen
regionsbezogener Aktivitäten.
Projektkommunikation mit Web 2.0

Web 2.0 bietet Unterstützung für die interne und externe Projektkommunikation. Ein Weblog kann
als internes Projekttagebuch dienen. Gemeinsame Internetrecherchen können mit Social Bookmarks
dokumentiert werden. Protokolle von Projekttreffen können in einem Wiki abgelegt werden in dem
auch gemeinsam Berichte oder Presseaussendungen verfasst werden können. Projektergebnisse
können anhand von Fotos und Videos in Flickr bzw. YouTube veröffentlicht werden.

Trends

Mit Microblogging lassen sich kurze SMS-konforme Nachrichten mit einer Länge bis zu 140 Zeichen
per Webbrowser oder Mobiltelefon schicken. Der Feed wird dann auf einer Timeline wie auf einem
Weblog chronologisch angezeigt. Zusätzlich kann man sich die neuesten Einträge der Buddies
ansehen und auch per SMS oder RSS-Feed abonnieren.

Microlearning ist Lernen in kleinen Einheiten und ein Aspekt des Themas eLearning. Microlearning
kann bedeuten, dass in kleinen Einheiten, selbstorganisiert mit Ressourcen, die von einer Community
bereits gestellt werden, gelernt wird. Die Endgeräte sind klein und mobil. Das Thema Microlearning
hat Verwandtschaft mit Ubiquituous und Pervasive Computing.

Geotagging versieht Internetinhalte mit geographischen Koordinaten. Fotos lassen sich somit zum
Beispiel auf einer Landkarte darstellen. Der regionale Zugang zu Information wird somit über das
globale Internet möglich.

Schlussbemerkungen

Bei der Planung ist zu beachten, dass die Bereitstellung der technischen Voraussetzungen der
geringste Kostenfaktor sein wird: die meisten Anwendungen sind als Open Source Software oder
kostenlose Dienste verfügbar. Aufwändiger ist die Befähigung, Ermutigung und Begleitung der
Projektbeteiligten.

Der Einsatz von Web 2.0 wird zur Erhöhung von „Sozialkapital“ einer Region führen. Darunter können
alle aktuellen oder potenziellen Ressourcen, die mit der Teilhabe am Netz sozialer Beziehungen
verbunden sein können verstanden werden. „Sozialkapital“ wird als Beziehungsnetz nach
längerfristiger Investition zu Erfolgen führen.

Web 2.0 wird die Medien- und Partizipationskompetenz Lernender Regionen stärken und dieses
Innovationspotenzial nach innen wie nach außen sichtbar machen.

Web 2.0 steht für die Verflachung von Hierarchien, Offenheit, Glokalität, Deliberation, Agenda
Setting und Interaktion der Netzkultur mit den Massenmedien im Zuge der Ausdifferenzierung des
Mediensystems. Das neue mediale Ökosystem wird für die Aufmerksamkeit, die eine Region erhält,
von nicht zu unterschätzender Bedeutung sein.
Links:

Wie das Netz die US-Politik revolutioniert


http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,496197,00.html

Barcamp
www.barcamp.at

Web Montag
www.webmontag.de

Regionalwiki der Salzburger Nachrichten


www.salzburgwiki.at

Center for Digital Storytelling


http://www.storycenter.org

Mag. David Röthler


Unternehmensberater, Erwachsenenbildner

Seit 1991 mit dem Internet vertraut arbeitet David Röthler als Berater für EU-finanzierte Projekte, als
Medienjournalist und in der politischen Bildung. Seine Schwerpunkte sind partizipative Medien –
insbesondere das Web 2.0 – und deren Nutzung in der Projektarbeit. Er ist langjähriger Referent der
Gesellschaft für politische Bildung sowie verschiedener öffentlicher und privater Bildungs-
einrichtungen. Er ist Mitgründer des Beratungsunternehmens PROJEKTkompetenz.eu.

Persönliche Weblogs:
politik.netzkompetenz.at
blog.eu.info.at

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