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BHAGAVAD-GĪTĀ

wie sie ist

Ausgabe von 1983


mit lateinischen Transliterationen, deutschen Synonymen,
Übersetzungen und ausführlichen Erläuterungen

His Divine Grace


A. C. Bhaktivedanta Swami Prabhupāda
Übersetzung aus dem Englischen:
Vedavyāsa dāsa adhikārī, Śacinandana dāsa brahmacārī,
Pthu dāsa adhikārī (1974)

© THE BHAKTIVEDANTA BOOK TRUST

Für
ŚRĪLA BALADEVA VIDYĀBHŪ±A¦A
der uns den
"Govinda-bhāya"-Kommentar
zur
Vedānta-Philosophie
gab

Am 487. Erscheinungstag Śrī KŠa Caitanya Mahāprabhus in demütigster Ehrerbietung den Lotoshänden von His Divine
Grace A. C. Bhaktivedanta Swami Prabhupāda übergeben.

Śrī-Śrī-Rādhā-KŠa-Tempel
Die Übersetzer
Hamburg, 8. März 1974
3

INHALT

VORWORT ............................................................................................................................................. 5
EINLEITUNG ......................................................................................................................................... 7

ERSTES KAPITEL................................................................................................................................. 22
Arjuna beobachtet die Heere auf dem Schlachtfeld von Kuruketra .............................................. 22

ZWEITES KAPITEL .............................................................................................................................. 37


Inhalt der Gītā zusammengefaßt ......................................................................................................... 37

DRITTES KAPITEL............................................................................................................................... 73
Karma-yoga ........................................................................................................................................... 73

VIERTES KAPITEL............................................................................................................................... 94
Transzendentales Wissen...................................................................................................................... 94

FÜNFTES KAPITEL............................................................................................................................ 117


Karma-yoga - Handeln im KŠa-Bewußtsein ................................................................................. 117

SECHSTES KAPITEL.......................................................................................................................... 131


Dhyāna-yoga ........................................................................................................................................ 131

SIEBTES KAPITEL ............................................................................................................................. 153


Wissen vom Absoluten ........................................................................................................................ 153

ACHTES KAPITEL.............................................................................................................................. 173


Wie man den Höchsten erreicht......................................................................................................... 173

NEUNTES KAPITEL ........................................................................................................................... 185


Das vertraulichste Wissen................................................................................................................... 185

ZEHNTES KAPITEL............................................................................................................................ 206


Die Füllen des Absoluten .................................................................................................................... 206

ELFTES KAPITEL ............................................................................................................................... 225


Die universale Form ............................................................................................................................ 225

ZWÖLFTES KAPITEL ........................................................................................................................ 245


Hingebungsvoller Dienst..................................................................................................................... 245

DREIZEHNTES KAPITEL .................................................................................................................. 255


Natur, Genießer und Bewußtsein ...................................................................................................... 255

VIERZEHNTES KAPITEL .................................................................................................................. 272


Die drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur........................................................................ 272

FÜNFZEHNTES KAPITEL ................................................................................................................. 284


Der yoga der Höchsten Person ........................................................................................................... 284

SECHZEHNTES KAPITEL ................................................................................................................. 295


Die göttlichen und die dämonischen Naturen................................................................................... 295

SIEBZEHNTES KAPITEL................................................................................................................... 307


4

Die verschiedenen Arten des Glaubens ............................................................................................. 307

ACHTZEHNTES KAPITEL................................................................................................................. 318


Schlußfolgerung — die Vollkommenheit der Entsagung ................................................................ 318

ANHANG.............................................................................................................................................. 346
Der Autor ............................................................................................................................................. 346
Quellennachweis .................................................................................................................................. 347
Erklärung der wichtigsten Sanskritwörter....................................................................................... 348
Anleitung zur Aussprache des Sanskrit ............................................................................................ 357
Abkürzungen ....................................................................................................................................... 359
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VORWORT

Ursprünglich verfaßte ich die Bhagavad-gītā Wie Sie Ist in der Form, wie sie jetzt vorliegt. Als dieses Buch zum ersten Mal
veröffentlicht wurde, war das Originalmanuskript unglücklicherweise auf weniger als 400 Seiten gekürzt worden, ohne
Illustrationen und Erklärungen zu den meisten der ursprünglichen Verse der Śrīmad Bhagavad-gītā. In all meinen anderen
Büchern - Śrīmad-Bhāgavatam, Śrī Īśopaniad usw. - habe ich folgendes Verfahren angewandt: Ich gebe den
ursprünglichen Vers, seine lateinische Transliteration, Wort für Wort Sanskrit-Englisch-Synonyme, dann Übersetzung und
Erläuterung. Dies macht das Buch sehr authentisch und wissenschaftlich, und die Bedeutung wird augenscheinlich. Ich war
daher nicht sehr glücklich, als ich mein Originalmanuskript kürzen mußte. Doch später, als die Nachfrage nach der
Bhagavad-gītā Wie Sie Ist beträchtlich stieg, wurde ich von vielen Gelehrten und Gottgeweihten gebeten, das Buch in
seiner ursprünglichen Form zu veröffentlichen, und der Verlag Macmillan & Co. war bereit, die vollständige Ausgabe zu
publizieren. Mit der vorliegenden Ausgabe wird daher der Versuch unternommen, das Originalmanuskript dieses
bedeutenden Buches des Wissens mit vollständiger paramparā-Erklärung zu präsentieren, um so die Bewegung für KŠa-
Bewußtsein fundierter und erfolgreicher zu verbreiten.
Unsere Bewegung für KŠa-Bewußtsein ist unverfälscht, geschichtlich autorisiert, natürlich und transzendental, da sie auf
der Bhagavad-gītā Wie Sie Ist gründet. Sie wird allmählich zur populärsten Bewegung auf der ganzen Welt, besonders unter
der jüngeren Generation. Aber auch ältere Menschen zeigen mehr und mehr Interesse, ja viele Väter und Großväter meiner
Schüler fördern uns, indem sie bei unserer großen Gesellschaft, der Internationalen Gesellschaft für KŠa-Bewußtsein,
Mitglieder auf Lebenszeit werden. In Los Angeles pflegten mich viele Väter und Mütter zu besuchen, um mir ihre
Dankbarkeit dafür auszudrücken, daß ich die Bewegung für KŠa-Bewußtsein überall auf der Welt leite. Einige von ihnen
sagten, es sei ein großes Glück für die Amerikaner, daß ich die Bewegung für KŠa-Bewußtsein in Amerika begann. In
Wirklichkeit aber ist der ursprüngliche Vater dieser Bewegung Śrī KŠa Selbst, da sie vor sehr langer Zeit begonnen wurde
und ihre Lehre durch eine Nachfolge von spirituellen Meistern bis in die heutige menschliche Gesellschaft überliefert
worden ist. Wenn ich in diesem Zusammenhang irgendein Verdienst habe, so kommt es mir nicht persönlich zu, sondern
gebührt meinem ewigen spirituellen Meister, His Divine Grace Om ViŠupāda Paramahaˆsa Parivrājakācārya 108 Śrī
Śrīmad Bhaktisiddhānta Sarasvatī Gosvāmī Mahārāja Prabhupāda.
Wenn mir persönlich dennoch in dieser Angelegenheit irgendein Verdienst zukommt, dann nur, weil ich versucht habe, die
Bhagavad-gītā, wie sie ist, ohne Verfälschung, zu präsentieren. Bevor ich die Bhagavad-gītā Wie Sie Ist herausgab, wurden
fast alle ähnlichen Ausgaben der Bhagavad-gītā nur mit dem Ziel veröffentlicht, den persönlichen Ehrgeiz des jeweiligen
Verfassers zu befriedigen. Mit der Herausgabe der Bhagavad-gītā Wie Sie Ist wollen wir nun allen Menschen die Botschaft
KŠas, der Höchsten Persönlichkeit Gottes, übermitteln. Unsere Aufgabe ist es, den Willen KŠas zu verkünden, und nicht
den irgendeines weltlichen Spekulanten, wie zum Beispiel den eines Politikers, Philosophen oder Wissenschaftlers, denn
diese Menschen besitzen trotz all ihres angesammelten Wissens nur sehr wenig Wissen über KŠa. Wenn KŠa sagt: man-
manā bhava mad-bhakto mad-yājī māˆ namaskuru usw., so behaupten wir nicht, wie die sogenannten Gelehrten, daß
KŠa und Sein inneres spirituelles Wesen voneinander verschieden seien. KŠa ist absolut, und es besteht kein
Unterschied zwischen KŠas Namen, KŠas Gestalt, KŠas Eigenschaften, KŠas Spielen usw. Für einen Menschen, der
kein Geweihter KŠas ist und der nicht dem paramparā-System der Schülernachfolge angehört, ist diese absolute Stellung
KŠas sehr schwer zu verstehen. Wenn die sogenannten Gelehrten, Politiker, Philosophen und svāmīs, die kein
vollkommenes Wissen über KŠa besitzen, Kommentare zur Bhagavad-gītā schreiben, versuchen sie im allgemeinen,
KŠa zu verbannen oder Ihn zu töten. Solche nicht autorisierten Kommentare zur Bhagavad-gītā sind als Māyāvādī-bhāya
bekannt, und Śrī Caitanya hat uns vor diesen unautorisierten Leuten gewarnt. Śrī Caitanya sagt unmißverständlich, daß der,
der die Bhagavad-gītā vom Standpunkt der Māyāvādīs aus zu verstehen versucht, eine große Torheit begeht. Die Folge
dieser Torheit wird sein, daß der fehlgeleitete Schüler der Bhagavad-gītā auf dem Pfad spiritueller Anleitung mit Sicherheit
verwirrt und nicht fähig sein wird, nach Hause, zu Gott, zurückzukehren. Unser einziges Ziel ist es, diese Bhagavad-gītā
Wie Sie Ist zu präsentieren, um den bedingten Schüler zu dem gleichen Ziel zu führen, um dessen Verkündigung willen
KŠa einmal an einem Tag Brahmās, das heißt alle 8 640 000 000 Jahre, auf diesem Planeten erscheint. Auf dieses Ziel
wird in der Bhagavad-gītā hingewiesen, und deshalb müssen wir es akzeptieren; andernfalls ist es sinnlos, die Bhagavad-
gītā oder ihren Sprecher, Śrī KŠa, verstehen zu wollen. Śrī KŠa sprach die Śrīmad Bhagavad-gītā vor Millionen und
Abermillionen von Jahren zum Sonnengott. Wir müssen diese Tatsache anerkennen und so die geschichtliche Bedeutung
der Bhagavad-gītā aufgrund der Autorität Śrī KŠas, ohne falsche Interpretation, verstehen. Es ist das größte Vergehen, die
Bhagavad-gītā zu interpretieren, ohne den Willen KŠas zu beachten. Um sich vor diesem Vergehen zu bewahren, muß
man den Herrn als die Höchste Persönlichkeit Gottes verstehen, so wie es Arjuna, Śrī KŠas erster Schüler, unmittelbar tat.
Ein solches Verständnis von der Bhagavad-gītā ist wirklich nützlich und der autorisierte Weg zum Wohl der menschlichen
Gesellschaft, die so die Mission des Lebens erfüllen kann. Die Bewegung für KŠa-Bewußtsein ist für die menschliche
Gesellschaft von fundamentaler Bedeutung, denn sie bietet die Möglichkeit, die höchste Vollkommenheit des Lebens zu
erreichen. Wie dies zu verstehen ist, wird in der Bhagavad-gītā ausführlich erklärt. Unglücklicherweise haben weltliche
Besserwisser die Bhagavad-gītā dazu benutzt, ihre dämonischen Neigungen zu propagieren und die Menschen hinsichtlich
der einfachsten Grundsätze des Lebens in die Irre zu führen. Jeder soll wissen, auf welche Weise Gott oder KŠa groß ist,
und jeder soll die tatsächliche Stellung des Lebewesens erkennen können. Jeder soll wissen, daß das Lebewesen ewig ein
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Diener ist und daß man, wenn man nicht KŠa dient, gezwungen ist, der Illusion in den verschiedenen Spielarten der drei
Erscheinungsweisen der materiellen Natur zu dienen, und so fortgesetzt im Kreislauf von Geburt und Tod wandern muß.
Selbst der angeblich befreite Māyāvādī-Spekulant ist diesem Vorgang unterworfen. Dieses Wissen stellt eine bedeutende
Wissenschaft dar, von der jedes Lebewesen in seinem eigenen Interesse hören muß.
Die Masse der Menschen ist, besonders im gegenwärtigen Zeitalter des Kali, von der äußeren Energie betört und glaubt
irrtümlich, durch eine Verbesserung materieller Bequemlichkeit werde jeder glücklich werden. Die Menschen wissen nicht,
daß die materielle, äußere Natur sehr stark ist, denn jeder ist durch die unerbittlichen Gesetze der materiellen Natur fest
gebunden. Das Lebewesen ist glücklicherweise ein winziger Bestandteil des Herrn, und daher ist es seine natürliche
Funktion, dem Herrn unmittelbaren Dienst zu leisten. Durch den Zauber der Illusion versucht man, glücklich zu sein, indem
man auf verschiedene Weise seiner persönlichen Sinnenbefriedigung dient, wodurch man jedoch niemals glücklich werden
kann. Statt die eigenen, materiellen Sinne zu befriedigen, muß man die Sinne des Herrn zufriedenstellen. Das ist die höchste
Vollkommenheit des Lebens. Der Herr wünscht dies und fordert es. Diesen Kernpunkt der Bhagavad-gītā muß man
verstehen. Unsere Bewegung für KŠa-Bewußtsein lehrt die gesamte Welt diesen Kernpunkt, und da wir den Inhalt der
Bhagavad-gītā nicht vergiften, sollte jeder, dem ernsthaft daran gelegen ist, aus dem Studium der Bhagavad-gītā einen
Nutzen zu ziehen, die Hilfe der Bewegung für KŠa-Bewußtsein in Anspruch nehmen, um unter der direkten Führung des
Herrn ein praktisches Verständnis von der Bhagavad-gītā zu bekommen. Wir hoffen daher, daß die Menschen den größten
Nutzen gewinnen werden, wenn sie die Bhagavad-gītā Wie Sie Ist studieren, wie wir sie hier vorlegen, und selbst wenn nur
ein einziger Mensch ein reiner Gottgeweihter wird, werden wir unsere Bemühung als erfolgreich betrachten.

A. C. Bhaktivedanta Swami
12. Mai 1971
Sydney, Australien
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Vndāvana ist. Du bist die Tochter König Vabhānus, und


BHAGAVAD-GĪTĀ Du bist Śrī KŠa sehr lieb.

wie sie ist vāñchā-kalpatarubhyaś ca kpā-sindhubhya eva ca


patitānām pāvanebhyo vaiŠavebhyo namo namaƒ

Ich erweise meine achtungsvollen Ehrerbietungen allen


EINLEITUNG VaiŠava-Geweihten des Herrn, die wie Wunschbäume die
Wünsche eines jeden erfüllen können und die großes
om ajñāna-timirāndhasya jñānāñjana-śalākayā Mitleid mit den gefallenen Seelen haben.
cakur unmīlitaˆ yena tasmai śrī-gurave namaƒ
śrī kŠa caitanya prabhu nityānanda
śrī-caitanya-mano 'bhī˜aˆ sthāpitaˆ yena bhū-tale śrī advaita gadādhara rīvāsādi-gaura-bhakta-vnda
svayaˆ rūpaƒ kadā mahyaˆ dadāti sva-padāntikam
Ich erweise meine achtungsvollen Ehrerbietungen Śrī
Ich wurde in finsterster Unwissenheit geboren, und mein KŠa Caitanya, Prabhu Nityānanda, Śrī Advaita,
spiritueller Meister öffnete mir die Augen mit der Fackel Gadādhara, Śrīvāsa und allen, die sich in der Nachfolge
des Wissens. Ich erweise ihm meine achtungsvollen derer befinden, die in Hingabe dienen.
Ehrerbietungen.
Wann wird Śrīla Rūpa Gosvāmī Prabhupāda, der in dieser Hare KŠa, Hare KŠa, KŠa KŠa, Hare Hare
materiellen Welt die Mission gründete, den Wunsch Śrī Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma Rāma, Hare Hare
Caitanyas zu erfüllen, mir unter seinen Lotosfüßen Zuflucht
gewähren? Die Bhagavad-gītā ist auch als Gītopaniad bekannt. Sie ist
die Essenz des vedischen Wissens und eine der wichtigsten
vande 'haˆ śrī-guroƒ śrī-yuta-pada-kamalaˆ der zahlreichen Upaniaden in der vedischen Literatur. Es
śrī-gurūn vaiŠavāˆś ca gibt natürlich im Englischen viele Kommentare zur
śrī-rūpam sāgrajātaˆ saha-gaŠa-raghunāthān Bhagavad-gītā. Die Notwendigkeit eines weiteren
vitaˆ taˆ sa-jīvam englischen Kommentars zur Bhagavad-gītā läßt sich wie
sādvaitaˆ sāvadhūtaˆ parijana-shitaˆ folgt erklären: Eine Amerikanerin bat mich, ihr eine
kŠa-caitanya-devaˆ englische Ausgabe der Bhagavad-gītā zu empfehlen, die sie
śrī-rādhā-kŠa-pādān saha-gaŠa-lalitā- lesen könne. Natürlich gibt es in Amerika viele englische
śrī-viśākhānvitāˆś ca Ausgaben der Bhagavad-gītā, doch von keiner, die ich -
nicht nur in Amerika, sondern auch in Indien - bisher
Ich erweise meine achtungsvollen Ehrerbietungen den gesehen habe, kann man strenggenommen sagen, sie sei
Lotosfüßen meines spirituellen Meisters und den autoritativ; denn in fast jeder hat der Verfasser in seinem
Lotosfüßen aller VaiŠavas. Ich erweise meine Kommentar seine persönliche Meinung zum Ausdruck
achtungsvollen Ehrerbietungen den Lotosfüßen Śrīla Rūpa gebracht, ohne dabei dem Geist der Bhagavad-gītā, wie sie
Gosvāmīs und seinem älteren Bruder Sanātana Gosvāmī ist, auch nur annähernd gerecht zu werden.
sowie Raghunātha Dāsa und Raghunātha Bha˜˜a, Gopāla Der wahre Geist der Bhagavad-gītā wird in der Bhagavad-
Bha˜˜a und Śrīla Jīva Gosvāmī. Ich erweise meine gītā selbst deutlich. Dies mag ein Beispiel erläutern: Wenn
achtungsvollen Ehrerbietungen Śrī KŠa Caitanya und Śrī wir ein bestimmtes Medikament einnehmen wollen, müssen
Nityānanda sowie Advaita Ācārya, Gadādhara, Śrīvāsa und wir den Anweisungen folgen, die auf dem Etikett stehen.
anderen Beigesellten. Ich erweise meine achtungsvollen Wir können die Arznei nicht nach unserem Gutdünken oder
Ehrerbietungen Śrīmatī RādhārāŠī und Śrī KŠa sowie nach den Ratschlägen eines Freundes einnehmen, sondern
Ihren vertrauten Gefährtinnen Śrī Latitā und Viśākhā. müssen den Anweisungen auf dem Etikett der Flasche oder
der Verordnung eines Arztes folgen. In ähnlicher Weise
he kŠa karunā-sindho dīna-bandho jagat-pate sollte die Bhagavad-gītā so studiert oder akzeptiert werden,
gopeśa gopikā-kānta rādhā-kānta namo 'stu te wie es ihr Sprecher selbst bestimmt. Der Sprecher der
Bhagavad-gītā ist Śrī KŠa. Er wird auf jeder Seite der
O mein lieber KŠa, Du bist der Freund der Notleidenden Bhagavad-gītā als Bhagavān oder die Höchste
und die Quelle der Schöpfung. Du bist der Herr der gopīs Persönlichkeit Gottes bezeichnet. Natürlich bezieht sich das
und der Geliebte RādhārāŠīs. Ich bringe Dir meine Wort Bhagavān manchmal auf irgendeine mächtige Person
achtungsvollen Ehrerbietungen dar. oder einen beliebigen mächtigen Halbgott; hier bezeichnet
es ohne Zweifel Śrī KŠa als eine große Persönlichkeit,
tapta-kāñcana-gaurā‰gī rādhe vndāvaneśvari doch sollten wir zugleich auch wissen, daß Śrī KŠa die
vabhānu-sute devi praŠamāmi hari-priye Höchste Persönlichkeit Gottes ist, was von allen großen
ācāryas (spirituellen Meistern) wie ŚaŠkarācārya,
Ich erweise meine Achtung RādhārāŠī, deren Körpertönung Rāmānujācārya, Madhvācārya, Nimbārka Svāmī und Śrī
geschmolzenem Golde gleicht und die die Königin von Caitanya Mahāprabhu sowie vielen anderen bestätigt wird.
In Indien gab es viele maßgebliche Gelehrte und ācāryas,
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das heißt Autoritäten des vedischen Wissens, und sie alle, doch zusammenfassend kann man sagen, daß es fünf Arten
sogar ŚaŠkarācārya, haben Śrī KŠa als die Höchste der Beziehung eines Gottgeweihten zur Höchsten
Persönlichkeit Gottes anerkannt. Auch der Herr Selbst hat Persönlichkeit Gottes gibt: (1) Der Geweihte kann eine
Sich in der Bhagavad-gītā als die Höchste Persönlichkeit passive Beziehung haben; (2) er kann eine aktive
Gottes erklärt und wird als solche in der Brahma-saˆhitā Beziehung haben; (3) er kann eine Beziehung als Freund
und allen PurāŠas - besonders im Bhāgavata PurāŠa haben; (4) er kann eine Beziehung als Vater oder Mutter
(kŠa tu bhagavān svayam) - anerkannt. Wir sollten daher haben, und (5) er kann eine Beziehung als vertraute
die Bhagavad-gītā so annehmen, wie es die Persönlichkeit Geliebte haben. Arjuna war ein Gottgeweihter, der zum
Gottes Selbst vorschreibt. Herrn die Beziehung eines Freundes hatte. Der Herr kann
Im Vierten Kapitel der Bhagavad-gītā sagt der Herr: also unser Freund werden, doch besteht zwischen dieser Art
von Freundschaft und der Vorstellung von Freundschaft,
śrī bhagavān uvāca die wir in der materiellen Welt haben, ein gewaltiger
imaˆ vivasvate yogaˆ Unterschied. Wir sprechen hier von transzendentaler
proktavān aham avyayam Freundschaft, und es ist nicht so, daß jeder diese Beziehung
vivasvān manave prāha haben kann. Jeder hat eine bestimmte Beziehung zum
manur ikvākave ‘bravīt Herrn, und diese bestimmte Beziehung wird wiederbelebt,
wenn man im hingebungsvollen Dienst die
evaˆ paramparā-prāptam Vollkommenheit erreicht. In unserem gegenwärtigen
imaˆ rājarayo viduƒ Zustand haben wir nicht nur den Herrn vergessen, sondern
sa kāleneha mahatā auch unsere ewige Beziehung zu Ihm. Jedes einzelne der
yogo na˜aƒ parantapa Millionen und Abermillionen von Lebewesen hat ewig eine
bestimmte Beziehung zum Herrn, die man als svarūpa
sa evāyaˆ mayā te’dya bezeichnet. Durch den Vorgang des hingebungsvollen
yogaƒ proktaƒ purātanaƒ Dienstes kann man diese svarūpa wiederbeleben, und diese
bhakto’si me sakhā ceti Stufe wird svarūpasiddhi oder die Vollkommenheit der
rahasyaˆ hy etad uttamam wesensgemäßen Stellung genannt. Arjuna war also ein
Gottgeweihter und mit dem Höchsten Herrn durch
Der Herr teilt hier Arjuna mit: "Dieses yoga-System, die Freundschaft verbunden.
Bhagavad-gītā, verkündete Ich zunächst dem Sonnengott, Man sollte beachten, in welcher Weise Arjuna die
und der Sonnengott erklärte es Manu. Manu erklärte es Bhagavad-gītā aufnahm. Wie dies geschah, wird im
Ikvāku, und so wurde dieses yoga-System auf dem Weg Zehnten Kapitel, Vers 12-14, beschrieben:
der Schülernachfolge, durch einen Sprecher nach dem
anderen, überliefert, doch ist es jetzt durch den Einfluß der arjuna uvāca
Zeit verlorengegangen. Deshalb verkünde Ich dir erneut das paraˆ brahma paraˆ dhāma
gleiche alte yoga-System der Bhagavad-gītā, denn du bist pavitraˆ paramaˆ bhavān
Mein Geweihter und Mein Freund, und daher ist es dir puruaˆ śāśvataˆ divyam
allein möglich, es zu verstehen." ādi-devam ajaˆ vibhum
Diesen Worten kann man entnehmen, daß die Bhagavad-
gītā eine Abhandlung ist, die vor allem für den Geweihten āhus tvām ayah sarve
des Herrn bestimmt ist. Es gibt drei Arten von devarir nāradas tathā
Transzendentalisten: den jñānī, den - yogī und den bhakta, asito devalo vyāsah
das heißt den Unpersönlichkeitsphilosophen, den svayaˆ caiva bravīi me
Meditierenden und den Gottgeweihten. Der Herr sagt hier
zu Arjuna: "Ich mache dich zum ersten Empfänger einer sarvam etad taˆ manye
neuen paramparā, denn die alte paramparā oder yan māˆ vadasi keśava
Schülernachfolge ist jetzt unterbrochen, und daher möchte na hi te bhagavan vyaktiˆ
Ich eine weitere paramparā im Sinne derjenigen gründen, vidur devā na dānavāƒ
die vom Sonnengott herabgekommen war. Nimm du dieses
Wissen entgegen, und reiche es weiter. Möge das yoga- Nachdem Arjuna die Bhagavad-gītā von der Höchsten
System der Bhagavad-gītā jetzt durch dich weitergegeben Persönlichkeit Gottes vernommen hatte, anerkannte er
werden. Werde du die Autorität im Verstehen der KŠa als paraˆ brahma, als das Höchste Brahman. Jedes
Bhagavad-gītā." Hier wird deutlich, daß die Bhagavad-gītā Lebewesen ist Brahman, doch das höchste Lebewesen, die
Arjuna vor allem deshalb verkündet wurde, weil er ein Höchste Persönlichkeit Gottes, ist das Höchste Brahman.
Geweihter des Herrn war, ein unmittelbarer Schüler KŠas, Paraˆ dhama bedeutet, daß Er der höchste Ruheort allen
und darüber hinaus eine enge Beziehung zu KŠa als Seins ist; pavitram, daß Er rein, ohne eine Spur materieller
Freund hatte. Die Bhagavad-gītā kann daher von jemand Verunreinigung; puruam, daß Er der höchste Genießer;
verstanden werden, der ähnliche Eigenschaften wie Arjuna śāśvatam, daß Er der Uranfang, die erste Person; divyam,
hat, das heißt, er muß ein Gottgeweihter sein und zum daß Er transzendental; ādi-devam, daß Er die Höchste
Herrn eine direkte Beziehung haben. Sobald man ein Persönlichkeit Gottes; ajam, daß Er der Ungeborene, und
Geweihter des Herrn wird, hat man eine unmittelbare vibhum, daß Er der Größte ist.
Beziehung zum Herrn. Dieses Thema ist sehr umfangreich,
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Da KŠa Arjunas Freund war, könnte man denken, Arjuna werden, wenn solche Fragen ihn nicht beschäftigen.
sage dies alles zu Ihm nur aus Freundschaft, doch um die Diejenigen, die zu fragen beginnen, was sie sind, warum sie
Leser der Bhagavad-gītā von Zweifeln dieser Art zu leiden, woher sie gekommen sind und wohin sie nach dem
befreien, erhärtet Arjuna seine Feststellung im nächsten Tode gehen werden, sind daher Schüler, die geeignet sind,
Vers, in welchem er sagt, daß KŠa nicht nur von ihm die Bhagavad-gītā zu verstehen. Der ernsthafte Schüler
selbst als die Höchste Persönlichkeit Gottes anerkannt sollte auch unerschütterliche Ehrfurcht vor der Höchsten
werde, sondern auch von Autoritäten wie Nārada, Asita, Persönlichkeit Gottes haben. Ein solcher Schüler war
Devala und Vyāsa. Sie alle sind große Persönlichkeiten, die Arjuna.
das vedische Wissen verbreiten, das von allen ācāryas Śrī KŠa erscheint insbesondere deshalb, um den
anerkannt wird. Deshalb sagt Arjuna zu KŠa, daß er alles, eigentlichen Sinn des Lebens deutlich zu machen, wenn der
was KŠa sage, als absolut vollkommen anerkenne. Mensch diesen Sinn vergißt. Doch selbst dann gibt es unter
Sarvam etad taˆ manye: „Alles, was Du sagst, akzeptiere vielen erwachenden Menschen vielleicht nur einen, der zu
ich als Wahrheit." Arjuna sagt auch, daß das Wesen des verstehen beginnt, in welcher Lage er sich eigentlich
Herrn sehr schwer zu verstehen sei und daß selbst die befindet, und für ihn wurde die Bhagavad-gītā gesprochen.
großen Halbgötter nicht fähig seien, Ihn zu begreifen. Dies Wir alle werden vom Tiger der Unwissenheit verfolgt, doch
bedeutet, daß der Herr nicht einmal von Persönlichkeiten der Herr ist zu den Lebewesen sehr barmherzig, besonders
erkannt werden kann, die auf einer höheren Ebene stehen zu den Menschen, und deshalb sprach Er die Bhagavad-
als die Menschen. Wie kann also ein Mensch Śrī KŠa gītā und machte Seinen Freund Arjuna zu Seinem Schüler.
verstehen, ohne Sein Geweihter zu werden? Als Gefährte KŠas befand sich Arjuna jenseits aller
Man sollte der Bhagavad-gītā daher in der Haltung eines Unwissenheit. Doch auf dem Schlachtfeld von Kuruketra
Gottgeweihten begegnen. Man darf nicht glauben, man sei wurde Arjuna in Unwissenheit versetzt, um Śrī KŠa
KŠa ebenbürtig oder KŠa sei eine gewöhnliche Fragen über die Probleme des Lebens stellen zu können, so
Persönlichkeit, ja man sollte Ihn nicht einmal nur für eine daß der Herr sie zum Wohl zukünftiger Generationen
außergewöhnliche Persönlichkeit halten. Śrī KŠa ist die erklären und so den Plan des Lebens darlegen konnte. So
Höchste Persönlichkeit Gottes, zumindest theoretisch, hat der Mensch die Möglichkeit, dementsprechend zu
gemäß den Aussagen der Bhagavad-gītā bzw. den Worten handeln und die Mission des menschlichen Lebens
Arjunas, desjenigen, der die Bhagavad-gītā zu verstehen vollkommen zu erfüllen.
sucht. Das Thema der Bhagavad-gītā erfordert die Einbeziehung
Wir sollten daher, zumindest theoretisch, Śrī KŠa als die von fünf grundlegenden Wahrheiten. Zunächst wird die
Höchste Persönlichkeit Gottes anerkennen; in dieser Wissenschaft von Gott und dann die wesensgemäße
hingebungsvollen Haltung können wir dann die Bhagavad- Stellung der Lebewesen oder jīvas erklärt. Es gibt den
gītā verstehen. Solange man die Bhagavad-gītā nicht in īśvara (Herrscher) und die jīvas (Lebewesen), die
einer hingebungsvollen Haltung liest, ist es sehr schwierig, beherrscht werden. Wenn ein Lebewesen behauptet, es
die Bhagavad-gītā zu verstehen, denn sie ist ein großes werde nicht beherrscht, sondern sei frei, ist es von Sinnen.
Geheimnis. Das Lebewesen wird in jeder Hinsicht beherrscht,
Was ist die Bhagavad-gītā nun eigentlich? Es ist das Ziel zumindest in seinem bedingten Leben. Die Bhagavad-gītā
der Bhagavad-gītā, die Menschheit aus der Unwissenheit handelt also hauptsächlich von īśvara, dem Höchsten
des materiellen Daseins zu befreien. Jeder von uns hat mit Herrscher, und von den jīvas, den beherrschten Lebewesen.
so vielen Schwierigkeiten zu kämpfen, ebenso wie Arjuna, Prakti (die materielle Natur), kāla (die Zeit, das heißt die
der in einer schwierigen Lage war, als er in der Schlacht Dauer der Existenz des gesamten Universums bzw. der
von Kuruketra kämpfen sollte. Arjuna ergab sich Śrī Manifestation der materiellen Natur) und karma (Tätigkeit)
KŠa, und da sprach der Herr die Bhagavad-gītā. Nicht werden ebenfalls erörtert. In der kosmischen Manifestation
nur Arjuna, sondern jeder von uns ist aufgrund dieses finden vielerlei Tätigkeiten statt. Alle Lebewesen gehen
materiellen Daseins voller Ängste. Wir leben unsere jetzige verschiedenen Tätigkeiten nach. Von der Bhagavad-gītā
Existenz im Wirkungsbereich der Nichtexistenz; doch müssen wir lernen, was īśvara (Gott) ist, was die jīvas
eigentlich sollten wir uns nicht von Nichtexistenz bedrohen (Lebewesen) sind, was prakti (die kosmische
lassen. Unsere Existenz ist ewig. Auf irgendeine Weise Manifestation) ist, wie sie durch die Zeit beherrscht wird
aber sind wir in asat geraten. Asat bedeutet "das, was nicht und welcher Art die Tätigkeiten der Lebewesen sind.
existiert". Aus diesen fünf Hauptthemen der Bhagavad-gītā wird
Unter den vielen Menschen, die leiden, gibt es einige, die ersichtlich, daß der Höchste Gott, das heißt KŠa oder
tatsächlich durch Fragen ihre Stellung erhellen wollen und Brahman oder Paramātmā oder der Höchste Herrscher - wie
sich daher fragen, was sie sind, warum sie sich in diesem immer man Ihn auch nennen mag -, der Größte von allen
schrecklichen Zustand des Leidens befinden, und so fort. ist. Qualitativ gleichen die Lebewesen dem Höchsten
Solange man nicht aufwacht und sich fragt, warum man Herrscher. Der Höchste Herrscher, der Herr, hat zum
leiden muß, das heißt, solange man nicht erkennt, daß man Beispiel die universalen Geschehnisse, das heißt die
eigentlich nicht leiden will und bisher vergeblich versucht materielle Natur, unter Seiner Herrschaft. Wie in späteren
hat, eine Lösung für alle Leiden zu finden, kann man nicht Kapiteln der Bhagavad-gītā erklärt wird, ist die materielle
als vollkommener Mensch gelten. Menschsein beginnt, Natur nicht unabhängig, sondern handelt nach den
wenn diese Fragen im Geist erwachen. Im Brahma-sūtra Anweisungen des Höchsten Herrn. Śrī KŠa sagt daher:
werden Fragen dieser Art als brahma-jijñāsā bezeichnet. mayādhyakeŠa praktiƒ sūyate sa-carā-caram. "Prakti
Jede Tätigkeit des Menschen muß als Fehlschlag betrachtet arbeitet unter Meiner Führung (mayādhyakeŠa)." Wenn
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wir sehen, daß in der kosmischen Natur wunderbare Dinge Intelligenz schwer gearbeitet und daher ein hohes
geschehen, sollten wir wissen, daß hinter dieser Bankkonto angehäuft habe. Dann kann ich genießen. Wenn
wunderbaren Manifestation ein Lenker steht. Nichts kann ich dagegen mein ganzes Geld bei Geschäften verloren
sich manifestieren, ohne gelenkt zu werden. Es ist kindisch, habe, bin ich der Leidtragende. In ähnlicher Weise
den Lenker nicht in Betracht zu ziehen. Ein Kind zum genießen oder erleiden wir bei allen unseren Handlungen
Beispiel mag denken, ein Auto sei etwas Wunderbares, weil die Ergebnisse unseres Tuns. Das nennt man karma.
es fahren kann, ohne von einem Pferd oder einem anderen Īśvara (der Höchste Herr), jīva (das Lebewesen), prakti
Tier gezogen zu werden, doch ein vernünftiger, (die materielle Natur), kāla (die ewige Zeit) und karma
erwachsener Mensch weiß, wie das Auto angetrieben wird (Tätigkeit) werden alle in der Bhagavad-gītā erklärt. Von
und daß sich hinter dieser Maschinerie ein Mensch, ein diesen fünf sind der Herr, die Lebewesen, die materielle
Fahrer, befindet. In ähnlicher Weise ist auch der Höchste Natur und die Zeit ewig. Die Manifestation der prakti mag
Herr der Lenker (ayaka), die Höchste Persönlichkeit, nach zeitweilig sein, doch ist sie nicht falsch. Einige Philosophen
dessen Anweisungen alles geschieht. Wie wir in späteren behaupten, die Manifestation der materiellen Natur sei
Kapiteln der Bhagavad-gītā sehen werden, werden die jīvas falsch, doch nach der Philosophie der Bhagavad-gītā, der
oder Lebewesen vom Herrn als Seine Bestandteile Philosophie der VaiŠavas, ist dies nicht der Fall. Die
angesehen. Mamaivaˆśo jīva-loke (15.7). Aˆśa bedeutet Manifestation der Welt wird nicht als falsch angesehen; sie
Bestandteile. Ein Körnchen Gold ist ebenfalls Gold, und ein wird als wirklich, wenn auch zeitweilig, anerkannt. Sie
Tropfen Wasser aus dem Ozean ist ebenfalls salzig, und wird mit einer Wolke verglichen, die am Himmel
dementsprechend haben auch wir, die Lebewesen, als vorüberzieht, oder mit dem Eintreten der Regenzeit, die das
Bestandteile des Höchsten Lenkers (īśvaras, Bhagavāns Getreide nährt. Sobald die Regenzeit vorüber ist und die
oder Śrī KŠas) alle Eigenschaften des Höchsten Herrn in Wolke verschwindet, vertrocknen die Ähren, die vom
winzigem Ausmaß, da wir winzige īśvaras oder Regen genährt wurden. In ähnlicher Weise entsteht auch
untergeordnete īśvaras sind. Wir versuchen, die Natur zu die materielle Manifestation in gewissen Zeitabständen,
beherrschen, ebenso wie wir in neuester Zeit versuchen, besteht für eine Weile und verschwindet dann wieder.
auch den Weltraum zu beherrschen und Bhūtvā bhūtvā pralīyate (Bg. 8.19). So arbeitet prakti,
"Imitationsplaneten" im All schweben zu lassen. Diese doch findet dieser Kreislauf ewig statt, und deshalb ist
Neigung zu beherrschen oder etwas zu schaffen ist in uns, prakti ewig sie ist nicht falsch. Der Herr bezieht Sich auf
weil sie in KŠa vorhanden ist. Wir neigen dazu, zu "Meine prakti". Die materielle Natur ist die abgesonderte
beherrschen und uns die materielle Natur untertan zu Energie des Höchsten Herrn, und auch die Lebewesen sind
machen, doch sollten wir wissen, daß wir keineswegs der eine Energie des Höchsten, doch sind sie nicht von Ihm
Höchste Herrscher sind. Dies wird in der Bhagavad-gītā getrennt - sie sind ewig mit Ihm verbunden. Der Herr, das
erklärt. Lebewesen, die materielle Natur und die Zeit sind also alle
Was ist die materielle Natur? Sie wird in der Bhagavad-gītā ewig, karma hingegen ist nicht ewig. Die Auswirkungen
als niedere prakti oder niedere Natur beschrieben. Das des karma können in der Tat sehr alt sein. Wir erleiden
Lebewesen wird als die höhere prakti erklärt. Prakti, ob oder genießen die Ergebnisse von Handlungen aus längst
von niederer oder höherer Natur, wird immer gelenkt. vergangener Zeit, doch können wir die Ergebnisse unseres
Prakti bedeutet weiblich. Sie wird vom Herrn gelenkt, karma oder unseres Tuns verändern, und diese
ebenso wie das Tun der Frau vom Ehemann beaufsichtigt Veränderung hängt von der Vollkommenheit unseres
wird. Prakti ist immer untergeordnet, das heißt, sie wird Wissens ab. Ohne Zweifel gehen wir allerlei Tätigkeiten
vom Herrn, dem Lenker, beherrscht. Die Lebewesen und nach, doch wissen wir nicht, wie wir handeln sollen, um
die materielle Natur werden also beide vom Höchsten uns von den Aktionen und Reaktionen auf all diese
Herrn beherrscht und gelenkt. Der Bhagavad-gītā gemäß Tätigkeiten zu befreien. Auch das wird in der Bhagavad-
müssen die Lebewesen, obgleich sie Bestandteile des gītā erklärt.
Höchsten Herrn sind, ebenfalls als prakti betrachtet Īśvara ist das höchste Bewußtsein. Da die jīvas oder
werden. Dies wird im fünften Vers des Siebten Kapitels der Lebewesen winzige Bestandteile des Höchsten Herrn sind,
Bhagavad-gītā deutlich erwähnt: apareyam itas tv anyām. haben auch sie ein Bewußtsein. Sowohl das Lebewesen als
"Diese prakti ist Meine niedere Natur." Und weiter: auch die materielle Natur werden als prakti, als die
praktiˆ viddhi me parām jīva-bhūtāˆ mahā-bāho Energie des Höchsten Herrn, bezeichnet, aber von diesen
yayedaˆ dhāryate jagat. "Und darüber hinaus gibt es noch beiden hat nur der jīva Bewußtsein. Die andere prakti
eine andere prakti - jīva-bhūtām - das Lebewesen." hingegen hat kein Bewußtsein - das ist der Unterschied.
Prakti besteht aus drei Eigenschaften oder Deshalb bezeichnet man die jīva-prakti auch als
Erscheinungsweisen: der Erscheinungsweise der Tugend, übergeordnet, denn der jīva hat ein Bewußtsein, das dem
der Erscheinungsweise der Leidenschaft und der des Herrn ähnelt. Das Bewußtsein des Herrn jedoch ist das
Erscheinungsweise der Unwissenheit. Über diesen höchste, und daher sollte man niemals behaupten, der jīva,
Erscheinungsweisen steht die ewige Zeit, und durch eine das Lebewesen, sei ebenfalls allbewußt. Das Lebewesen
Verbindung dieser Erscheinungsweisen der Natur und unter kann auf keiner noch so vollkommenen Stufe allbewußt
der Lenkung und Aufsicht der ewigen Zeit kommt es zu sein, und die Theorie, die besagt, das Lebewesen könne
Tätigkeiten, die man als karma bezeichnet. Diese diese Stufe erreichen, ist eine irreführende Theorie. Das
Tätigkeiten werden schon seit undenklicher Zeit ausgeführt, Lebewesen mag ein Bewußtsein haben, aber nicht das
und wir erleiden oder genießen die Fruchte unseres Tuns. höchste Bewußtsein.
Angenommen, daß ich ein Geschäftsmann bin und mit
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Der Unterschied zwischen dem jīva und dem īśvara wird uns glücklich machen. Wir können nicht aufhören, tätig zu
im Dreizehnten Kapitel der Bhagavad-gītā erklärt werden. sein. Vielmehr müssen unsere Tätigkeiten geläutert werden,
Sowohl der Herr als auch das Lebewesen sind ketra-jñaƒ, und solche geläuterten Tätigkeiten bezeichnet man als
das heißt, sie haben ein Bewußtsein; doch das Lebewesen bhakti. Tätigkeiten in bhakti erscheinen wie gewöhnliche
ist sich nur seines jeweiligen Körpers bewußt, während Tätigkeiten, doch sind sie nicht verunreinigt; es sind
Sich der Herr aller Körper bewußt ist: īśvaraƒ sarva- gereinigte Tätigkeiten. Einem unwissenden Menschen mag
bhūtānāˆ hd-deśe’rjuna ti˜hati. Weil Er im Herzen jedes es so vorkommen, als handle und arbeite ein Gottgeweihter
Lebewesens weilt, ist Er Sich der psychischen Vorgänge wie ein gewöhnlicher Mensch, doch solch ein Mensch mit
oder Tätigkeiten jedes einzelnen jīva bewußt. Wir sollten geringem Wissen weiß nicht, daß die Tätigkeiten des
dies nicht vergessen. Es wird auch erklärt, daß der Gottgeweihten oder des Herrn nicht durch unreines,
Paramātmā, die Höchste Persönlichkeit Gottes, im Herzen materielles Bewußtsein befleckt sind, sondern in
eines jeden als īśvara oder Lenker weilt und das Lebewesen transzendentalem Bewußtsein, jenseits der drei
anleitet, seinen Wünschen gemäß zu handeln. Sarvasya Erscheinungsweisen der materiellen Natur, verrichtet
cāhaˆ hdi sannivi˜ho. Das Lebewesen vergißt, was es tun werden. Wir sollten jedoch wissen, daß unser Bewußtsein
wollte. Zunächst entschließt es sich, auf eine bestimmte Art im augenblicklichen Zustand materiell verunreinigt ist.
und Weise zu handeln, und dann wird es in die Aktionen Wenn wir auf diese Weise materiell verunreinigt sind,
und Reaktionen seines eigenen karma verstrickt. Nachdem werden wir als bedingt bezeichnet, und falsches Ego oder
es eine Art von Körper aufgegeben hat, geht es in eine falsches Bewußtsein entsteht, wenn man glaubt, ein
andere Art von Körper ein, ähnlich wie wir ein bestimmtes Produkt der materiellen Natur zu sein. Dies nennt man
Kleidungsstück gegen ein anderes tauschen. In der falsches Ego. Wer in die körperliche Lebensauffassung
Bhagavad-gītā (2.22) finden wir eine ähnliche Erklärung: versunken ist, kann seine Situation nicht verstehen. Die
vāsāˆsi jīrŠāni yathā vihāya. Ähnlich, wie man seine Bhagavad-gītā wurde gesprochen, um die Menschen von
verschiedenen Kleidungsstücke wechselt, so wechseln die der körperlichen Lebensauffassung zu befreien, und so
Lebewesen verschiedene Körper - das nennt man übernahm Arjuna die Rolle des Schülers, um diese
Seelenwanderung - und nehmen die Aktionen und Unterweisungen vom Herrn empfangen zu können. Man
Reaktionen ihrer vergangenen Handlungen mit sich. Diese muß von der körperlichen Lebensauffassung frei werden,
Handlungen können geändert werden, wenn sich das das ist der erste Schritt des Transzendentalisten, der frei
Lebewesen in der Erscheinungsweise der Tugend befindet, werden will. Jemand, der befreit werden möchte, muß als
das heißt, wenn sein Geist geklärt ist und es versteht, in erstes lernen, daß er selbst nicht mit dem materiellen
welcher Weise es tätig sein sollte. Wenn dies geschieht, Körper identisch ist. Wenn wir von materiellem
können alle Aktionen und Reaktionen auf seine Bewußtsein frei sind, bezeichnet man dies als mukti oder
vergangenen Handlungen umgewandelt werden. Karma ist Befreiung. Auch im Śrīmad-Bhāgavatam wird die
also nicht ewig. Deshalb stellten wir zuvor fest, daß īśvara, Definition von Befreiung gegeben: mukti hitvā anyathā
jīva, prakti und kāla ewig sind, wohingegen karma nicht rūpam-svarūpena avastathiƒ. Mukti bedeutet, vom
ewig ist. verunreinigten Bewußtsein der materiellen Welt befreit und
Der allbewußte īśvara ähnelt dem Lebewesen insofern, als im reinen Bewußtsein verankert zu werden. Alle
sowohl das Bewußtsein des Herrn wie auch das des Unterweisungen der Bhagavad-gītā sollen dieses reine
Lebewesens transzendental sind. Bewußtsein wird nicht Bewußtsein erwecken, und daher fragt KŠa am Ende
durch eine Verbindung materieller Elemente erzeugt - diese Seiner Unterweisungen, ob Arjunas Bewußtsein nun
Vorstellung ist falsch. Die Theorie, daß sich Bewußtsein geläutert sei. Geläutertes Bewußtsein bedeutet, in
unter bestimmten Umständen aus materiellen Übereinstimmung mit den Anweisungen des Höchsten
Verbindungen entwickelt, wird in der Bhagavad-gītā nicht Herrn zu handeln. Das ist die vollständige Bedeutung
anerkannt. Bewußtsein mag durch die Bedeckung geläuterten Bewußtseins. Da wir Bestandteile des Herrn
materieller Umstände verzerrt widergespiegelt werden, sind, haben auch wir Bewußtsein; doch wir neigen dazu,
ebenso wie Licht, das sich in farbigem Glas bricht, die von den niederen Erscheinungsweisen beeinflußt zu
Farbe des Glases zu haben scheint, aber das Bewußtsein des werden. Der Herr jedoch wird, weil Er der Höchste ist,
Herrn wird nicht von Materie beeinflußt. Śrī KŠa sagt: niemals beeinflußt. Das ist der Unterschied zwischen dem
mayādhyakeŠa praktiƒ. "Die materielle Natur arbeitet Höchsten Herrn und den bedingten Seelen.
unter Meiner Führung." Wenn der Herr in das materielle Was versteht man nun unter Bewußtsein? Bewußtsein
Universum hinabsteigt, wird Sein Bewußtsein von der bedeutet, daß man denkt: "Ich bin." Und was bin ich? Im
Materie nicht beeinflußt. Würde Sein Bewußtsein unreinen Bewußtsein bedeutet "ich bin": "Ich bin der Herr
beeinflußt werden, wäre Er unfähig, über transzendentale über alles, was ich überblicken kann; ich bin der Genießer."
Themen zu sprechen, wie Er es in der Bhagavad-gītā tut. Die Welt dreht sich, weil jedes Lebewesen sich selbst für
Man kann nichts über die transzendentale Welt sagen, ohne den Herrn und Schöpfer der materiellen Welt hält.
von materiell verunreinigtem Bewußtsein völlig frei zu Materielles Bewußtsein basiert auf zwei Vorstellungen. Die
sein. Der Herr war also nicht von der Materie verunreinigt. eine lautet: "Ich bin der Schöpfer" und die andere: "Ich bin
Unser Bewußtsein dagegen ist gegenwärtig materiell der Genießer." In Wirklichkeit aber ist der Höchste Herr
verunreinigt. Die Bhagavad-gītā lehrt, daß wir dieses sowohl der Schöpfer als auch der Genießer, und als
materiell bedeckte Bewußtsein reinigen müssen. Wenn Bestandteil des Höchsten Herrn ist das Lebewesen weder
unser Bewußtsein geläutert ist, werden unsere Handlungen Schöpfer noch Genießer, sondern jemand, der mit dem
mit dem Willen īśvaras in Einklang stehen, und das wird Herrn zusammenarbeitet. Zum Beispiel arbeitet ein
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Maschinenteil mit der ganzen Maschine zusammen, und ein werden wir sehen, daß die Höchste Persönlichkeit,
Körperteil arbeitet mit dem gesamten Körper zusammen. Puruottama, über der unpersönlichen Brahman-Erkenntnis
Die Hände, Füße, Augen, Beine usw. sind alles Teile des und der Erkenntnis des Paramātmā steht.
Körpers, doch sind sie nicht wirklich die Genießer - der Die Höchste Persönlichkeit Gottes wird als sac-cid-ānanda-
Genießer ist der Magen. Die Beine bewegen sich; die vigraha bezeichnet. Die Brahma-saˆhitā (5.1) beginnt mit
Hände sammeln Nahrung und bereiten diese zu; die Zähne dem folgenden Vers:
kauen, und so sind alle Teile des Körpers damit beschäftigt,
den Magen zufriedenzustellen, da der Magen der īśvarah paramaƒ kŠaƒ sac-cid-ānanda-vigrahaƒ
Hauptfaktor in der Organisation des Körpers ist. Deshalb anādir ādir govindaƒ sarva-kāraŠa-kāraŠam
sollte alles dem Magen gegeben werden: prāŠopahārāc ca
yathendriyāŠām (SB. 4.31.14). Man nährt den Baum, indem "Govinda, KŠa, ist die Ursache aller Ursachen. Er ist der
man die Wurzel bewässert, und man kann sich gesund Urerste Herr, und Er ist die reine Gestalt ewigen Seins,
erhalten, das heißt, die Teile des Körpers - die Hände, ewigen Wissens und ewiger Glückseligkeit."
Beine, Augen, Ohren, Finger usw. - bleiben gesund, wenn Der Herr, die Höchste Persönlichkeit Gottes, ist also sac-
sie mit dem Magen zusammenarbeiten. In ähnlicher Weise cid-ānanda-vigraha. Die unpersönliche Brahman-
ist das Höchste Lebewesen, der Herr, der Genießer und Erkenntnis ist die Erkenntnis Seines sat- (Ewigkeits-)
Schöpfer, und wir, die untergeordneten Lebewesen, die Aspektes. Paramātmā-Erkenntnis ist die Erkenntnis des
Produkte der Energie des Höchsten Herrn, sind dafür sac-cit- (Ewigkeits- und Wissens-) Aspektes. Doch die
bestimmt, mit Ihm zusammenzuarbeiten. Diese Erkenntnis der Persönlichkeit Gottes als KŠa ist die
Zusammenarbeit wird uns helfen. Wenn zum Beispiel die Erkenntnis aller transzendentalen Aspekte: sat, cit und
Finger etwas Schönes zum Essen nehmen und denken: ānanda (ewiges Sein, Wissen und Glückseligkeit) in
"Warum sollen wir das dem Magen geben? Laßt uns selbst vollkommener vigraha (Gestalt).
genießen!", so ist dies ein Fehler. Die Finger sind nicht Avyaktaˆ vyaktim āpannaˆ manyante mām abuddhayaƒ
imstande zu genießen. Wenn die Finger aus einer (Bg. 7.24): Weniger intelligente Menschen glauben, die
bestimmten Speise Genuß ziehen wollen, müssen sie diese Höchste Wahrheit sei unpersönlich, doch ist Sie eine
dem Magen zuführen. In ähnlicher Weise ist alles so transzendentale Person, und alle vedischen Schriften
angeordnet, daß der Höchste Herr der Mittelpunkt der bestätigen dies, Nityo nityānām cetanaś cetanānām (Kat. U.
Schöpfung und des Genusses ist und daß die Lebewesen 2.2.13). Ebenso, wie auch wir alle Personen, individuelle
einfach mit Ihm zusammenarbeiten sollen. Durch Lebewesen, sind und unsere Individualität haben, so ist
Zusammenarbeit genießen sie. Die Beziehung gleicht der auch die Höchste Absolute Wahrheit letztlich eine Person,
des Dieners zum Meister. Wenn der Meister völlig und die Erkenntnis der Persönlichkeit Gottes bedeutet die
zufrieden ist, dann ist der Diener von selbst zufrieden. In Erkenntnis aller transzendentalen Aspekte, nämlich sat, cit
ähnlicher Weise sollte der Höchste Herr zufriedengestellt und ānanda, in vollkommener vigraha. Vigraha bedeutet
werden - auch wenn die Lebewesen die Neigung haben, Form; also ist das vollkommene Ganze nicht formlos. Wäre
selbst Schöpfer zu werden und die materielle Welt zu der Höchste formlos oder hätte Er irgend etwas anderes
genießen. Diese Neigungen sind in den Lebewesen, weil nicht, könnte Er nicht das vollkommene Ganze sein. Das
auch der Höchste Herr, der die manifestierte kosmische vollkommene Ganze muß alles beinhalten, was innerhalb
Welt erschaffen hat, diese Neigungen besitzt. und außerhalb unserer Erfahrung liegt, denn sonst wäre der
Wir werden daher sehen, daß in der Bhagavad-gītā das Herr nicht vollkommen. Das vollkommene Ganze, die
vollkommene Ganze, das sich aus dem Höchsten Herrscher, Persönlichkeit Gottes, besitzt unermeßliche Kräfte: parāsya
den beherrschten Lebewesen, der kosmischen śaktir vividhaiva śrūyate (Svet. U. 6.8).
Manifestation, der ewigen Zeit und Tätigkeit Auch das wird in der Bhagavad-gītā erklärt, wie nämlich
zusammensetzt, umfassend erklärt wird. All diese Dinge KŠa durch verschiedene Energien wirkt. Diese
zusammengenommen nennt man die Absolute Wahrheit. Erscheinungswelt oder materielle Welt, in die wir gesetzt
Das vollkommene Ganze oder die vollkommene Absolute worden sind, ist ebenso in sich selbst vollkommen. Die
Wahrheit ist daher die vollkommene Persönlichkeit Gottes, vierundzwanzig Elemente, aus denen, der sā‰khya-
Śrī KŠa. Wie erklärt wurde, haben alle Manifestationen Philosophie zufolge, das materielle Universum
ihren Ursprung in Seinen verschiedenen Energien. Er ist vorübergehend manifestiert ist, sind völlig darauf
das vollkommene Ganze. abgestimmt, vollkommene Nachschubquellen
In der Gītā wird ebenfalls erklärt, daß das unpersönliche hervorzubringen, die zur Erhaltung und Versorgung des
Brahman der vollkommenen Person untergeordnet ist. Universums notwendig sind. Keine zusätzliche Bemühung
BrahmaŠo hi prati˜hāham (Bg. 14.27). Das unpersönliche seitens irgendeiner anderen Einheit ist erforderlich, um das
Brahman wird im Brahma-sūtra deutlicher durch den Universum zu erhalten. Es hat seine eigene Zeit, die durch
Vergleich mit den Strahlen der Sonne erklärt. Das die Energie des vollkommenen Ganzen festgesetzt ist, und
unpersönliche Brahman ist die leuchtende Ausstrahlung des wenn diese Zeit abgelaufen ist, werden die zeitweiligen
Höchsten Brahman oder der Höchsten Persönlichkeit Manifestationen durch die vollkommene Einrichtung des
Gottes. Die Erkenntnis des unpersönlichen Brahman und Vollkommenen aufgelöst. Den winzigen vollkommenen
auch die Erkenntnis des Paramātmā sind daher nur Einheiten, nämlich den Lebewesen, sind vollkommene
unvollkommene Erkenntnisse des absoluten vollkommenen Möglichkeiten gegeben, den Vollkommenen zu erkennen,
Ganzen. Auch diese Dinge werden erklärt: puruottama- und alle Arten von Unvollkommenheit werden nur
yoga. Beim Lesen des Kapitels über puruottama-yoga erfahren, weil das Wissen über den Vollkommenen
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unvollkommen ist. Die Bhagavad-gītā beinhaltet das Brahmā gab dieses Wissen an seine Söhne und Schüler so
vollkommene Wissen der vedischen Weisheit. weiter, wie er es ursprünglich vom Herrn empfangen hatte.
Das vedische Wissen ist unfehlbar, und Hindus anerkennen Der Herr ist pūrŠam, in jeder Beziehung vollkommen, und
vedisches Wissen als vollkommen und unfehlbar. Zum daher besteht keine Möglichkeit, daß Er unter den Einfluß
Beispiel ist Kuhdung der Kot eines Tieres, und nach der der Gesetze der materiellen Natur gerät. Man soll daher
smti oder nach vedischer Regel, muß man, wenn man den intelligent genug sein zu verstehen, daß außer dem Herrn
Kot eines Tieres berührt, ein Bad nehmen, um sich zu niemand der Besitzer irgendwelcher Dinge im Universum
reinigen. In den vedischen Schriften heißt es aber, Kuhdung ist, und dies wird in der Bhagavad-gītā (10.8) erklärt:
sei rein; vielmehr werde ein unreiner Ort oder ein unreiner
Gegenstand durch die Berührung mit Kuhdung gereinigt. ahaˆ sarvasya prabhavo
Wenn nun jemand einwendet, wie es zu verstehen sei, daß mattaƒ sarvaˆ pravartate
es an einer Stelle heißt, der Kot eines Tieres sei unrein, und iti matvā bhajante māˆ
an einer anderen Stelle, Kuhdung, der auch der Kot eines budhā bhāva-samanvitāƒ
Tieres ist, sei rein, und daß dies ein Widerspruch sei, so
kann man nur sagen, daß es zwar widersprüchlich Der Herr ist der ursprüngliche Schöpfer, der Schöpfer
erscheinen mag, daß wir es aber, weil es eine vedische Brahmās. Im Elften Kapitel wird der Herr als prapitāmaha
Feststellung ist, aus praktischen Gründen als wahr bezeichnet, da Brahmā als pitāmaha oder Großvater
anerkennen und damit keinen Fehler machen. Ein moderner angesprochen wird, der Herr aber auch der Schöpfer des
Chemiker namens Dr. Lal Mohan Goshan hat Kuhdung Großvaters ist. Niemand soll also behaupten, irgend etwas
einer genauen Analyse unterzogen und festgestellt, daß zu besitzen; man soll nur Dinge annehmen, die einem zur
dieser alle antiseptischen Eigenschaften besitzt. In Erhaltung des Körpers vom Herrn als Anteil beiseite gelegt
ähnlicher Weise hat er auch das Wasser der Ga‰gā sind.
analysiert. Das vedische Wissen ist also vollkommen, denn Es gibt viele Beispiele, wie wir die Dinge verwenden
es ist über alle Zweifel und Fehler erhaben, und die sollen, die für uns vom Herrn beiseite gelegt sind. Auch das
Bhagavad-gītā ist die Essenz allen vedischen Wissens. wird in der Bhagavad-gītā erklärt: Zu Beginn beschloß
Vedisches Wissen hat daher nichts mit Forschung zu tun. Arjuna, nicht zu kämpfen. Diese Entscheidung entsprang
Unsere Forschungsarbeit ist unvollkommen, weil wir die seiner eigenen Überlegung. Arjuna sagte zum Herrn, er
Dinge nur mit unseren unvollkommenen Sinnen könne sich des Königreichs nicht erfreuen, nachdem er
untersuchen. Folglich ist das Ergebnis unserer seine eigenen Verwandten getötet hätte. Diese
Forschungsarbeit ebenfalls unvollkommen. Es kann nicht Betrachtungsweise beruhte auf der körperlichen
vollkommen sein. Wir müssen vollkommenes Wissen Lebensauffassung, denn er dachte, sein Körper sei er selbst
annehmen, das so zu uns herabkommt, wie es in der und seine körperlichen Beziehungen und Erweiterungen
Bhagavad-gītā (4.2) erklärt wird: evaˆ paramparā- seien seine Brüder, Neffen, Schwäger, Großväter usw. Er
prāptam imaˆ rājarayo viduƒ. Wir müssen Wissen von dachte so, um seine körperlichen Bedürfnisse zu
der richtigen Quelle, einer Schülernachfolge von befriedigen. Der Herr verkündete die Bhagavad-gītā, um
spirituellen Meistern, empfangen, die mit dem Herrn Selbst diese Auffassung zu ändern, und am Ende der
beginnt. Die Bhagavad-gītā wurde vom Herrn persönlich Unterweisungen beschloß Arjuna, unter der Führung des
gesprochen, und Arjuna, der Schüler, der die Lehren der Herrn zu kämpfen, als er sagte: kariye vacanaˆ tava. "Ich
Bhagavad-gītā empfing, nahm alles so an, wie es ist, ohne werde ganz nach Deinen Worten handeln." (Bg. 18.73)
etwas auszuklammern. Das ist nämlich ebenfalls nicht In dieser Welt ist es dem Menschen nicht bestimmt, sich
gestattet: einen Teil der Bhagavad-gītā anzunehmen und wie die Hunde und Katzen abzuquälen. Er muß intelligent
einen anderen abzulehnen. Wir müssen die Bhagavad-gītā genug sein, die Bedeutsamkeit des menschlichen Lebens zu
annehmen, ohne zu interpretieren, ohne etwas erkennen, und sich weigern, wie ein gewöhnliches Tier zu
auszuklammern und ohne uns nur launenhaft mit der Sache handeln. Ein Mensch sollte das Ziel seines Lebens
zu befassen. Die Gītā sollte als das vollkommenste erkennen. Diese Anweisung wird in allen vedischen
vedische Wissen angesehen werden. Das vedische Wissen Schriften gegeben, und die Essenz finden wir in der
wird aus transzendentalen Quellen empfangen, da die Bhagavad-gītā. Die vedische Literatur ist für Menschen,
ersten Worte vom Herrn Selbst gesprochen wurden. Vom nicht für Hunde und Katzen, bestimmt. Hunde und Katzen
Herrn gesprochene Worte nennt man apaurueya oder dürfen andere Tiere töten, um sich zu erhalten, und
"nicht von einer Person der irdischen Welt geäußert", die sündigen dabei nicht, doch wenn ein Mensch ein Tier zur
mit vier Unvollkommenheiten behaftet ist. Ein Lebewesen Befriedigung seines unbeherrschten Gaumens tötet, bricht
der materiellen Welt hat vier Mängel: (1) Es begeht mit er die Gesetze der Natur und muß sich dafür verantworten.
Sicherheit Fehler; (2) es hat unvermeidlich falsche In der Bhagavad-gītā wird erklärt, daß es in Entsprechung
Vorstellungen; (3) es hat die Neigung, andere zu betrügen, zu den verschiedenen Erscheinungsweisen der materiellen
und (4) es ist durch unvollkommene Sinne beschränkt. Mit Natur drei Arten von Tätigkeiten gibt: Tätigkeiten in
diesen vier Unvollkommenheiten kann man keine Tugend, in Leidenschaft und in Unwissenheit. In ähnlicher
vollkommene Auskunft über alldurchdringendes Wissen Weise gibt es auch drei Arten von Nahrungsmitteln:
geben. Nahrungsmittel in Tugend, in Leidenschaft und in
Vedisches Wissen wird nicht von solchen unvollkommenen Unwissenheit. All dies wird eingehend erklärt, und wenn
Lebewesen überliefert. Es wurde Brahmā, dem wir die Unterweisungen der Bhagavad-gītā richtig nutzen,
ersterschaffenen Lebewesen, durch das Herz offenbart, und wird unser ganzes Leben geläutert werden, und schließlich
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werden wir imstande sein, den höchsten Bestimmungsort zu Autorität Śrī Rāmanujācāryas davon ausgehen, daß es
erreichen: yad gatvā na nivartante tad dhāma paramaˆ weder Anfang noch Ende hat.
mama (Bg. 15.6). Aus der Bhagavad-gītā erfahren wir, daß Das Wort Religion und der Begriff sanātana-dharma
es jenseits des materiellen Himmels noch einen anderen, unterscheiden sich ein wenig voneinander. Religion
spirituellen Himmel gibt, der als sanātana-Himmel bekannt vermittelt die Idee des Glaubens, und Glauben mag sich
ist. Wir sehen, daß in unserem materiellen Himmel alles ändern. Ein Mensch mag sich zu einem bestimmten
vergänglich ist. Etwas tritt ins Dasein, bleibt eine Zeitlang Glauben bekennen, und er mag diesen Glauben wechseln
bestehen, erzeugt einige Nebenprodukte, zerfällt und und einen anderen Glauben annehmen, doch sanātana-
vergeht schließlich. Das ist das Gesetz der materiellen dharma bezieht sich auf die Tätigkeit, die niemals
Welt, ob wir als Beispiel unseren Körper, eine Frucht oder gewechselt werden kann. Man kann zum Beispiel nicht die
irgend etwas anderes hier Geschaffenes nehmen. Doch Flüssigkeit vom Wasser oder die Wärme vom Feuer
jenseits dieser zeitweiligen Welt gibt es noch eine andere trennen. In ähnlicher Weise kann auch die ewige Funktion
Welt, von der wir Berichte und Beschreibungen haben: des ewigen Lebewesens nicht vom Lebewesen getrennt
paras tasmāt tu bhāvo ’nyo (Bg. 8.20). Es gibt noch eine werden. Sanātana-dharma ist ewig mit dem Lebewesen
andere Natur, die sanātana (ewig) ist, und der jīva wird verbunden. Wenn wir von sanātana-dharma sprechen,
ebenfalls als sanātana beschrieben: mamaivāˆśo jīva-loke müssen wir daher auf der Grundlage der Autorität Śrī
jīva-bhūtaƒ sanātanaƒ (Bg. 15.7). Sanātanaƒ bedeutet Rāmanujācāryas anerkennen, daß sanātana-dharma weder
ewig, und auch der Herr wird im Elften Kapitel als Anfang noch Ende hat. Das, was weder Ende noch Anfang
sanātanaƒ beschrieben. Weil wir eine vertraute Beziehung hat, kann auf keinen Fall sektiererisch sein oder durch
zum Herrn haben und da wir alle qualitativ eins sind - das irgendwelche Begrenzungen eingeschränkt werden.
sanātana-dhāma oder ewige Reich, die sanātana-Höchste- Dennoch werden diejenigen, die einem sektiererischen
Persönlichkeit und die sanātana-Lebewesen -, besteht der Glauben angehören, dieses sanātana-dharma zu Unrecht
Sinn der Bhagavad-gītā darin, unsere sanātana- ebenfalls für sektiererisch halten. Wenn wir es jedoch etwas
Beschäftigung, das heißt unser sanātana-dharma, die ewige eingehender betrachten und mit den Augen echter
Beschäftigung des Lebewesens, wiederzubeleben. Wir sind Wissenschaft sehen, werden wir erkennen können, daß
jetzt vorübergehend mit verschiedenen Tätigkeiten sanātana-dharma die Aufgabe aller Menschen auf der Welt
beschäftigt, doch können diese geläutert werden, wenn wir ist - ja aller Lebewesen im Universum.
alle zeitweiligen Tätigkeiten aufgeben (sarva-dharmān Ein Glaube, der nicht sanātana ist, hat in den Annalen der
parityajya; Bg. 18.66) und nach den Anweisungen des Menschheitsgeschichte einen Anfang, doch sanātana-
Höchsten Herrn handeln. Dann beginnt unser wahres dharma hat keinen Anfang, da er mit den Lebewesen ewig
Leben. verbunden bleibt. Was die Lebewesen betrifft, so heißt es in
Wie oben erwähnt, ist der Höchste Herr sanātanaƒ, und den autoritativen śāstras, daß es für das Lebewesen weder
Sein transzendentales Reich, das jenseits des materiellen Geburt noch Tod gibt. In der Bhagavad-gītā (2.20) heißt es
Himmels liegt, ist ebenfalls sanātanaƒ, und auch die eindeutig, daß das Lebewesen niemals geboren wird und
Lebewesen sind sanātanaƒ. Die Gemeinschaft der niemals stirbt. Es ist ewig und unzerstörbar und lebt selbst
sanātana-Lebewesen mit dem sanātana-Höchsten-Herrn nach der Zerstörung seines zeitweiligen materiellen
im sanātana-Reich ist das endgültige Ziel des Körpers weiter. In bezug auf den Begriff sanātana-dharma
menschlichen Lebens. Der Herr ist zu den Lebewesen sehr müssen wir versuchen, von der Sanskritwurzel des Wortes
gütig, weil sie Seine Söhne sind. Śrī KŠa erklärt in der dharma her die Bedeutung von "Religion" zu verstehen.
Bhagavad-gītā (14.4): sarva-yoniu ... ahaˆ bīja-pradaƒ Dharma bezieht sich auf das, was mit einem bestimmten
pitā. "Ich bin der Vater aller Lebewesen." Natürlich gibt es Gegenstand immer verbunden ist. Wie wir bereits
viele verschiedene Arten von Lebewesen, je nach ihrem erwähnten, lautet unsere Schlußfolgerung, daß Wärme und
unterschiedlichen karma, doch hier erklärt der Herr, daß Er Licht zusammen mit Feuer bestehen; ohne Wärme und
der Vater aller ist. Aus diesem Grund steigt der Herr in die Licht verliert das Wort Feuer seine Bedeutung. In ähnlicher
materielle Welt hinab, um nämlich die gefallenen, Weise müssen wir den wesentlichen Teil des Lebewesens
bedingten Seelen zum sanātana- (ewigen) Himmel entdecken, das heißt den Teil, der es ständig begleitet.
zurückzurufen, auf daß die sanātana-Lebewesen ihre Dieser ständige Begleiter ist seine ewige Eigenschaft, und
sanātana-Stellung in der ewigen Gemeinschaft des Herrn diese ewige Eigenschaft ist seine ewige Religion.
wiedererlangen können. Der Herr kommt entweder Selbst Als Sanātana Gosvāmī Śrī Caitanya Mahāprabhu nach dem
in verschiedenen Inkarnationen oder schickt Seine svarūpa eines jeden Lebewesens fragte, antwortete der
vertrauten Diener als Söhne oder Seine Gefährten oder Herr, das svarūpa oder die wesensgemäße Stellung des
ācāryas, um die bedingten Seelen zurückzurufen. Lebewesens bestehe darin, der Höchsten Persönlichkeit
Sanātana-dharma bezieht sich daher nicht auf irgendeinen Gottes zu dienen. Wenn wir diese Erklärung Śrī Caitanyas
sektiererischen religiösen Vorgang. Es ist die ewige genauer untersuchen, können wir leicht verstehen, daß
Aufgabe der ewigen Lebewesen in Beziehung zum ewigen jedes Lebewesen ständig damit beschäftigt ist, einem
Höchsten Herrn. Sanātana-dharma bezieht sich, wie anderen Lebewesen zu dienen. Ein Lebewesen dient
gesagt, auf die ewige Beschäftigung des Lebewesens. anderen Lebewesen in vielerlei Weise, und indem es sich so
Rāmanujācārya hat das Wort sanātana erklärt als "das, was verhält, genießt es das Leben. Die niederen Tiere dienen
weder Anfang noch Ende hat." Wenn wir also von den Menschen, und Diener dienen ihrem Meister. A dient
sanātana-dharma sprechen, müssen wir aufgrund der dem Meister B; B dient dem Meister C; C dient dem
Meister D, und so fort. So gesehen dient ein Freund seinem
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Freund; die Mutter dient ihrem Sohn; die Frau dient ihrem Hier heißt es eindeutig, daß diejenigen, die von Lust
Mann; der Mann dient seiner Frau und so fort. Wenn wir getrieben werden, die Halbgötter, und nicht den Höchsten
diese Betrachtungsweise weiter fortsetzen, erkennen wir Herrn, Śrī KŠa, verehren. Wenn wir den Namen KŠa
bald, daß niemand in der Gesellschaft lebender Wesen vom erwähnen, beziehen wir uns nicht auf irgendeinen
Dienen ausgenommen ist. Der Politiker präsentiert sein sektiererischen Namen. KŠa bedeutet die höchste Freude,
Programm der Öffentlichkeit, um sie von der Güte seines und es wird bestätigt, daß der Höchste Herr das Behältnis
Dienstes zu überzeugen. Die Wähler geben dann dem oder der Speicher aller Freude ist. Wir alle sehnen uns nach
Politiker ihre wertvollen Stimmen, weil sie glauben, er Freude. Ānandamayo ‘bhyāsāt (Vs. 1.1.12). Die Lebewesen
werde der Gesellschaft guten Dienst leisten. Der sind, genau wie der Herr, von Bewußtsein erfüllt und
Ladenbesitzer dient dem Kunden; der Arbeiter dient dem streben nach Glück. Der Herr ist immer glücklich, und
Kapitalisten; der Kapitalist dient der Familie; die Familie wenn wir mit dem Herrn zusammenkommen, Ihm dienen
dient dem Staat, und all dies geschieht aufgrund der ewigen und mit Ihm zusammenarbeiten, werden wir ebenfalls
Eigenschaft des ewigen Lebewesens. Wir sehen also, daß es glücklich.
kein Lebewesen gibt, das davon ausgenommen ist, anderen Der Herr kommt in diese vergängliche Welt, um Seine
Lebewesen zu dienen, und daher können wir die transzendentalen Spiele, die voller Glück sind, in
Schlußfolgerung ziehen, daß Dienst der ständige Begleiter Vndāvana zu offenbaren. Als Śrī KŠa Sich in Vndāvana
des Lebewesens ist, und so kann man mit Gewißheit sagen, aufhielt, waren alle Seine Spiele mit Seinen Freunden, den
daß Dienen die ewige Religion des Lebewesens darstellt. Kuhhirtenjungen, mit Seinen gopī-Freundinnen, mit den
Aber dennoch bekennt sich ein Mensch zu einer Bewohnern von Vndāvana und mit den Kühen von Glück
bestimmten Glaubensrichtung, die sich von der besonderen erfüllt. Alle Bewohner von Vndāvana kannten nichts
Zeit, den Umständen und seiner Geburt herleitet, und anderes als KŠa. Śrī KŠa brachte Seinen Vater, Nanda
behauptet somit, Hindu, Moslem, Christ oder Buddhist zu Mahārāja, sogar dazu, von der Verehrung des Halbgottes
sein oder irgendeiner anderen Sekte anzugehören. Solche Indra abzulassen, weil Er klarstellen wollte, daß die
Bezeichnungen sind jedoch nicht sanātana-dharma. Ein Menschen keinen Halbgott zu verehren brauchen, sondern
Hindu mag seinen Glauben wechseln und Moslem werden, nur die Höchste Persönlichkeit Gottes, da das endgültige
und ein Moslem mag seinen Glauben wechseln und Hindu Ziel des menschlichen Lebens darin besteht, in das Reich
oder Christ werden, usw.., doch unter allen Umständen des Höchsten Herrn zurückzukehren.
beeinträchtigt der Wechsel des Glaubens nicht die ewige Das Reich Śrī KŠas wird in der Bhagavad-gītā im
Beschäftigung, anderen zu dienen. Der Hindu, Moslem sechsten Vers des Fünfzehnten Kapitels beschrieben:
oder Christ dient unter allen Umständen immer irgend
jemandem. Sich zu einer bestimmten Art von Glauben zu na tad bhāsayate sūryo
bekennen bedeutet daher nicht, sich zu seinem sanātana- na śaśā‰ko na pāvakaƒ
dharma zu bekennen. Der ständige Begleiter des yad gatvā na nivartante
Lebewesens, das heißt Dienen, ist sanātana-dharma. tad dhāma paramaˆ mama
Tatsächlich sind wir mit dem Höchsten Herrn durch eine
Beziehung des Dienstes verbunden. Der Höchste Herr ist "Mein Reich wird weder von der Sonne noch vom Mond,
der Höchste Genießer, und wir Lebewesen sind ewiglich noch von Elektrizität
Seine Diener. Wir sind für Seinen Genuß geschaffen, und erleuchtet. Jeder, der dorthin gelangt, kehrt niemals wieder
wenn wir an diesem ewigen Genuß der Höchsten in die materielle Welt zurück."
Persönlichkeit Gottes teilnehmen, werden wir glücklich Dieser Vers gibt eine Beschreibung des ewigen Himmels.
werden. Wir können nicht auf andere Weise glücklich Natürlich ist unsere Auffassung von einem Himmel
werden. Es ist nicht möglich, unabhängig glücklich zu sein, materiell, und daher denken wir an einen Himmel mit
ebenso wie kein Teil des Körpers glücklich sein kann, ohne Sonne, Mond, Sternen usw., doch in diesem Vers sagt der
mit dem Magen zusammenzuarbeiten. In ähnlicher Weise Herr, daß im ewigen Himmel weder Sonne noch Mond,
ist es für das Lebewesen nicht möglich, glücklich zu sein, noch irgendeine Art von Elektrizität oder Feuer zur
ohne dem Höchsten Herrn in transzendentaler Liebe zu Beleuchtung notwendig sind, da der spirituelle Himmel
dienen. vom brahmajyoti erleuchtet wird, das heißt von den
Verschiedene Halbgötter zu verehren oder ihnen zu dienen Strahlen, die vom höchsten Reich ausgehen. Da heutzutage
wird in der Bhagavad-gītā nicht gutgeheißen. Im die Menschheit versucht, zu anderen Planeten zu gelangen,
zwanzigsten Vers des Siebten Kapitels heißt es: wird es uns nicht allzu schwer fallen, das Reich des
Höchsten Herrn zu verstehen. Dieses Reich liegt im
kāmais tais tair hta-jñānāƒ spirituellen Himmel und wird Goloka genannt. Es wird in
prapadyante ‘nya-devatāƒ der Brahma-saˆhitā sehr schön beschrieben: goloka eva
taˆ taˆ niyamam āsthāya nivasaty akhilātma-bhūtaƒ (Bs. 5.37). Der Herr weilt ewig
praktyā niyatāƒ svayā in Seinem Reich Goloka, aber dennoch ist Er akhilātma-
bhūtaƒ, das heißt, man kann sich Ihm von dieser Welt aus
„Diejenigen, deren Geist durch materielle Wünsche verzerrt nähern, und zu diesem Zweck erscheint der Herr und
ist, ergeben sich Halbgöttern und folgen, ihrem eigenen manifestiert Seine wirkliche Gestalt, sac-cid-ānanda-
Wesen entsprechend, bestimmten Regeln und Vorschriften vigraha, so daß wir nicht über Sein Aussehen zu
zur Verehrung." spekulieren brauchen. Um derartige Spekulationen zu
verhindern, erscheint Er Selbst und offenbart Sich, wie Er
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ist, als Śyāmasundara. Unglückseligerweise verspotten Ihn vratāƒ. In ähnlicher Weise kann man auch den höchsten
weniger intelligente Menschen (avajānanti māˆ mūhā; Planeten, KŠaloka, erreichen. Unter all den vielen
Bg. 9.11), da Er wie ein gewöhnlicher Mensch erscheint Planeten in der spirituellen Welt gibt es einen höchsten
und mit uns in menschlicher Gestalt spielt. Wir sollten Planeten, der Goloka Vndāvana genannt wird; dies ist der
daher nicht denken, der Herr sei ein gewöhnlicher Mensch. ursprüngliche Planet im Reich der ursprünglichen
Durch Seine eigene Kraft erscheint Er vor uns in Seiner Persönlichkeit Gottes, Śrī KŠas. All dies erfahren wir aus
wirklichen Gestalt und entfaltet Seine Spiele, die Urbilder der Bhagavad-gītā, und ihre Unterweisung bietet uns die
jener Spiele sind, die in Seinem Reich stattfinden. Gelegenheit, die materielle Welt zu verlassen und unser
In den leuchtenden Strahlen des spirituellen Himmels ewiges Leben im ewigen Königreich zu erlangen.
schweben unzählige Planeten, ebenso wie in unserem Im Fünfzehnten Kapitel der Bhagavad-gītā wird eine
Universum zahllose Planeten in den Strahlen der Sonne treffende Darstellung der materiellen Welt gegeben. Es
schweben. Das brahmajyoti geht vom höchsten Reich, heißt dort:
KŠaloka, aus, und in diesen Strahlen schweben die
ānandamaya-cinmaya-Planeten, die nicht materiell sind. śrī bhagavān uvāca
Der Herr sagt: ūrdhva-mūlam adhaƒ-śākham
aśvatthaˆ prāhur avyayam
na tad bhāsayate sūryo chandāˆsi yasya parŠāni
na śaśā‰ko na pāvakaƒ yas taˆ veda sa veda-vit
yad gatvā na nivartante
tad dhāma paramaˆ mama Der Höchste Herr sprach: "Es gibt einen Banyanbaum,
dessen Wurzeln nach oben und dessen Zweige nach unten
Wer den spirituellen Himmel erreicht, braucht nicht wieder zeigen, und die vedischen Hymnen sind seine Blätter. Wer
in die materielle Welt zurückzukehren. Selbst wenn wir uns diesen Baum kennt, kennt die Veden." (Bg. 15.1)
im materiellen Himmel dem höchsten Planeten Hier wird die materielle Welt als ein Baum beschrieben,
(Brahmaloka) zuwenden, vom Mond ganz zu schweigen, dessen Wurzeln nach oben zeigen (ūrdhva-mūlam). Auch
werden wir die gleichen Leiden des materiellen Lebens, in unserem Erfahrungsbereich gibt es einen Baum, dessen
nämlich Geburt, Tod, Alter und Krankheiten, vorfinden. Wurzeln nach oben zeigen: Wenn man am Ufer eines
Kein Planet im materiellen Universum ist von diesen vier Flusses oder Gewässers steht, kann man sehen, daß die
Prinzipien des materiellen Daseins frei. Deshalb sagt der Bäume im Wasser umgekehrt gespiegelt werden. Die
Herr in der Bhagavad-gītā (8.16): ābrahma-bhuvanāl lokāƒ Zweige zeigen nach unten und die Wurzeln nach oben. In
punar āvartino'rjuna. Die Lebewesen reisen von Planet zu ähnlicher Weise ist die materielle Welt eine Spiegelung der
Planet, jedoch nicht einfach mit mechanischen Mitteln wie spirituellen Welt. Die materielle Welt ist nichts weiter als
Raumschiffen. Jeder, der zu anderen Planeten reisen ein Schatten der Wirklichkeit. Der Schatten hat keine
möchte, kann dies tun. Es gibt hierfür einen Vorgang: yānti Wirklichkeit oder Substanz, doch können wir anhand des
deva-vratā devān pit n yānti pit-vratāƒ (Bg. 9.25). Wenn Schattens verstehen, daß es die Wirklichkeit gibt. In der
jemand zu irgendeinem anderen Planeten reisen möchte, Wüste gibt es kein Wasser, aber eine Luftspiegelung läßt
sagen wir zum Mond, braucht er dies nicht mit einem darauf schließen, daß so etwas wie Wasser existiert. In der
Raumschiff zu versuchen. Die Bhagavad-gītā unterrichtet materiellen Welt gibt es kein Wasser bzw. kein Glück - das
uns: yānti deva-vratā devān. Den Mond, die Sonne und die wirkliche Wasser tatsächlichen Glücks ist in der spirituellen
höheren Planeten bezeichnet man als svargaloka. Es gibt Welt zu finden.
verschiedene Abstufungen unter den Planetensystemen: Der Herr legt uns nahe, die spirituelle Welt auf folgende
Bhūrloka, Bhuvarloka und Svarloka oder untere,- mittlere Weise zu erreichen:
und obere Planetensysteme. Die Bhagavad-gītā teilt uns
mit, wie wir anhand einer sehr einfachen Formel zu den nirmāna-mohā jita-saŠga-doā
höheren Planetensystemen reisen können: yānti-deva-vratā adhyātma-nitya vinivtta-kāmāƒ
devān. Wenn wir einen bestimmten Halbgott verehren, dvandvair vimuktāƒ sukha-duƒkha-saˆjñair
können wir auch den jeweiligen Planeten erreichen. gacchanty amūhāƒ padam avyayaˆ tat
Auf diese Weise können wir den Mond, die Sonne oder
jeden anderen himmlischen Planeten erreichen, doch die "Wer von Illusion, falschem Prestige und falscher
Bhagavad-gītā empfiehlt uns nicht, zu irgendeinem Gemeinschaft frei ist, wer das Ewige versteht, die
Planeten in der materiellen Welt zu gehen, denn selbst materielle Lust hinter sich gelassen hat und von der
wenn wir mit Hilfe einer Art Rakete Brahmaloka, den Dualität von Glück und Leid befreit ist und wer weiß, wie
höchsten Planeten, nach einer vielleicht vierzigtausend man sich der Höchsten Person ergibt, erreicht dieses ewige
Jahre dauernden Reise erreichten, mußten wir die Königreich." (Bg. 15.5)
Wiederholung von Geburt und Tod erleiden. Natürlich ist Dieses padam avyayam oder ewige Königreich kann
es nicht möglich, vierzigtausend Jahre zu leben und so den jemand erreichen, der nirmāna moha ist. Nirmāna bedeutet,
höchsten Planeten dieses materiellen Universums zu daß wir nach Bezeichnungen streben: Jemand möchte
erreichen, aber wenn man sein ganzes Leben der Verehrung Sohn, ein anderer Herr und wieder ein anderer Präsident
eines bestimmten Halbgottes weiht, kann man auf dessen oder ein reicher Mann oder König oder irgend etwas
Planeten gelangen, wie es in der Bhagavad-gītā anderes werden. Solange wir an solchen Bezeichnungen
beschrieben ist: yānti deva-vratā devān pit n yānti pit- haften, sind wir an den Körper gebunden, denn
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Bezeichnungen gehören zum Körper. Wir sind aber nicht


unser Körper, und diese Erkenntnis bildet die erste Stufe "Wer immer sich im Augenblick des Todes, wenn er seinen
spiritueller Verwirklichung. Jita-sa‰ga-doā: Wir sind mit Körper verläßt, an Mich erinnert, erreicht sogleich Mein
den drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur Reich. Darüber besteht kein Zweifel." (Bg. 8.5)
verbunden, müssen uns jedoch durch hingebungsvollen Jeder, der zur Stunde des Todes an KŠa denkt, gelangt zu
Dienst für den Herrn von ihnen lösen. Solange wir uns KŠa. Man muß sich an die Gestalt KŠas erinnern, denn
nicht zum hingebungsvollen Dienst für den Herrn wenn man seinen Körper verläßt und an Seine Gestalt
hingezogen fühlen, können wir uns nicht von den denkt, geht man in das spirituelle Königreich ein. Mad-
Erscheinungsweisen der materiellen Natur lösen. Deshalb bhāvam bezieht sich auf die transzendentale Natur des
sagt der Herr: vinivtta-kāmāƒ. Diese Bezeichnungen und Höchsten Wesens. Wie oben beschrieben wurde, ist das
Anhaftungen sind zurückzuführen auf unsere Lust und Höchste Wesen sac-cid-ānanda-vigraha - ewig, glückselig
unser Begehren, das heißt unser Verlangen, die materielle und voller Wissen. Unser gegenwärtiger Körper jedoch ist
Natur zu beherrschen. Solange wir diese Neigung, die nicht sac-cid-ānanda. Er ist nicht sat, sondern asat - nicht
materielle Natur zu beherrschen, nicht aufgeben, besteht ewig, sondern vergänglich, und er ist nicht cit, voller
keine Möglichkeit, in das Königreich des Höchsten, das Wissen, sondern voller Unwissenheit. Wir haben kein
sanātana-dhāma, zurückzukehren. In dieses ewige Wissen vom spirituellen Königreich - wir besitzen nicht
Königreich, das niemals zerstört wird wie die materielle einmal vollkommenes Wissen von der materiellen Welt, in
Welt, kann jemand eingehen, der von den Verlockungen der uns so viele Dinge unbekannt sind. Auch ist der Körper
falscher Genüsse nicht verwirrt ist (amūhāƒ). Wer im nirānanda - statt voller Glückseligkeit ist er voller Leid.
erhabenen Dienst des Höchsten Herrn verankert ist, kann Alle Leiden, die wir in der materiellen Welt erfahren, haben
sehr leicht in dieses ewige Königreich zurückkehren. ihre Ursache im Körper; doch wer den Körper verläßt und
Dieses ewige Königreich benötigt weder Sonne noch dabei an die Höchste Persönlichkeit Gottes denkt, erlangt,
Mond, noch Elektrizität. Somit haben wir also einen wie uns Śrī KŠa im fünften Vers des Achten Kapitels
kleinen Einblick bekommen, wie man dieses ewige versichert, augenblicklich einen sac-cid-ānanda-Körper.
Königreich erreichen kann. Auf welche Weise man in der materiellen Welt den einen
An einer anderen Stelle in der Bhagavad-gītā heißt es: Körper verläßt und einen neuen bekommt, ist ebenfalls
festgelegt. Ein Mensch stirbt, nachdem entschieden worden
avyakto 'kara ity uktas ist, welche Art von Körper er im nächsten Leben haben
tam āhuƒ paramāˆ gatim wird; aber diese Entscheidung wird von höheren
yaˆ prāpya na nivartante Autoritäten gefällt, ebenso wie wir unseren Tätigkeiten in
tad dhāma paramaˆ mama diesem Leben gemäß aufsteigen oder hinabsinken. Das
gegenwärtige Leben ist eine Vorbereitung auf das nächste
"Dieses höchste Reich wird unmanifestiert und unfehlbar Leben. Wenn wir uns daher in diesem Leben darauf
genannt und ist das höchste Ziel. Geht jemand dorthin, vorbereiten können, zum Königreich Gottes erhoben zu
kehrt er nie wieder zurück. So beschaffen ist Mein höchstes werden, werden wir sicherlich nach dem Verlassen dieses
Reich." (Bg. 8.21) materiellen Körpers einen spirituellen Körper wie der Herr
Avyakta bedeutet unmanifestiert. Nicht einmal in der bekommen.
materiellen Welt ist uns alles sichtbar. Unsere Sinne sind so Wie zuvor erklärt wurde, gibt es verschiedene Arten von
unvollkommen, daß wir nicht einmal alle Sterne und Transzendentalisten (den brahmavādi, den paramātmāvādi
Planeten in diesem einen materiellen Universum sehen und den Gottgeweihten), und wie erwähnt wurde, schweben
können. Die vedischen Schriften geben uns viele Auskünfte im brahmajyoti (im spirituellen Himmel) unzählige
über die verschiedenen Planeten, und es liegt an uns, dieses spirituelle Planeten. Die Zahl dieser Planeten ist weitaus
Wissen anzunehmen oder nicht. Alle wichtigen Planeten größer als die aller Planeten der materiellen Welt. Unsere
werden in den vedischen Schriften, vor allem im Śrīmad- materielle Welt ist auf etwa nur ein Viertel der gesamten
Bhāgavatam, beschrieben; doch die spirituelle Welt, die Schöpfung geschätzt worden. Drei Viertel der Schöpfung
jenseits des materiellen Universums liegt (paras tasmāt tu bildet die spirituelle Welt. In diesem einen Viertel der
bhāvo 'nyo; Bg. 8.20), wird als avyakta (unmanifestiert) Schöpfung gibt es Millionen von Universen, wie das, von
beschrieben, und sie ist das paramaˆ gatim (höchste Ziel). dem wir jetzt Erfahrung haben, und in nur einem dieser
Unser ganzes Wünschen und Sehnen sollte darauf gerichtet Universen schweben schon Millionen und Abermillionen
sein, in dieses höchste Königreich zu gelangen, denn wenn von Planeten, aber diese ganze materielle Welt bildet nur
man es erreicht (yaˆ prāpya), braucht man nicht wieder in ein Viertel der Manifestation der Gesamtschöpfung. Die
die materielle Welt zurückzukehren (na nivartante). anderen drei Viertel der Manifestation befinden sich im
Als nächstes mag man sich die Frage stellen, wie man sich spirituellen Himmel. Kommen wir in diesem
diesem Reich des Höchsten Herrn nähern kann. In der Zusammenhang noch einmal auf die Bedeutung von mad-
Bhagavad-gītā wird in den Versen 5-8 des Achten Kapitels bhāvam zurück. Wer den Wunsch hat, mit der Existenz des
der Vorgang beschrieben. Es heißt dort zum Beispiel: Höchsten Brahman zu verschmelzen, geht in das
brahmajyoti des Höchsten Herrn ein - mad-bhāvam
anta-kāle ca mām eva bedeutet sowohl brahmajyoti als auch die spirituellen
smaran muktvā kalevaram Planeten in diesem brahmajyoti -, und der Gottgeweihte,
yaƒ prayāti sa mad-bhāvaˆ der sich des persönlichen Zusammenseins mit dem Herrn
yāti nāsty atra aˆśayaƒ erfreuen möchte, gelangt auf einen der unzähligen
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VaikuŠ˜ha-Planeten, wo Sich der Höchste Herr, Śrī KŠa, Energie. Zur Stunde des Todes können wir entweder in der
durch Seine vollständigen Erweiterungen als vierarmiger materiellen Welt bleiben oder uns zur spirituellen Welt
NārāyaŠa und unter verschiedenen Namen wie Pradyumna, erheben.
Aniruddha, Mādhava und Govinda zu ihm gesellt. Die Wir denken entweder an die materielle oder an die
Transzendentalisten, die am Ende ihres Lebens entweder an spirituelle Energie. Es gibt viele Schriften, die unsere
das brahmajyoti, den Paramātmā oder die Höchste Gedanken mit materiellen Dingen füllen - Zeitungen,
Persönlichkeit Gottes, Śrī KŠa, denken, gehen in jedem Romane usw. -, doch wir sollten unser Denken, das
Fall in den spirituellen Himmel ein, doch nur der gegenwärtig in solche Literatur vertieft ist, auf die
Gottgeweihte, das heißt derjenige, der eine persönliche vedischen Schriften lenken. Die großen Weisen haben
Beziehung zum Herrn hat, erreicht die VaikuŠ˜ha-Planeten daher viele vedische Schriften, wie zum Beispiel die
oder Goloka Vndāvana. KŠa fügt hinzu: sa mad-bhāvam PurāŠas usw., verfaßt. Die PurāŠas entspringen nicht der
yāti nāsty atra saˆśayah. "Hierüber besteht kein Zweifel." Phantasie irgendwelcher Menschen, sondern sind
Darauf muß man fest vertrauen. Das ist unser Problem. Wir historische Aufzeichnungen.
lesen unser ganzes Leben hindurch die Bhagavad-gītā, aber Im Caitanya-caritāmta finden wir den folgenden Vers:
wenn der Herr etwas sagt, was nicht unserer Vorstellung
entspricht, lehnen wir es ab. So sollte man die Bhagavad- māyā mugdha jivera nāhi svataƒ kŠa-jñāna
gītā nicht lesen. Wir sollten uns an Arjuna ein Beispiel jivere kpāya kailā kŠa veda-purāŠa
nehmen, der sagte: sarvam etad taˆ manye. "Ich glaube
alles, was Du gesagt hast." (Bg. 10.14) Wenn der Herr "Die bedingte Seele kann ihr KŠa-Bewußtsein nicht aus
daher sagt, daß jeder, der zur Stunde des Todes an Ihn eigener Kraft wiederbeleben; doch aus grundloser
entweder als Brahman oder als Paramātmā oder als die Barmherzigkeit verfaßte Śrī KŠa die vedische Literatur
Persönlichkeit Gottes denkt, gewiß den spirituellen Himmel und ihre Zusätze, die PurāŠas." (Cc. M. 20.122)
erreicht und daß hierüber kein Zweifel besteht, sollte man Die vergeßlichen Lebewesen oder bedingten Seelen haben
diesen Worten Glauben schenken. ihre Beziehung zum Höchsten Herrn vergessen und denken
nur an materielle Tätigkeiten. Nur um ihre Denkkraft auf
yaˆ yaˆ vāpi smaran bhāvaˆ den spirituellen Himmel zu lenken, hat uns KŠa-
tyajaty ante kalevaram dvaipāyana Vyāsa eine große Anzahl vedischer Schriften
taˆ tam evaiti kaunteya gegeben. Zunächst unterteilte Er den einen Veda in vier
sadā tad-bhāva-bhāvitaƒ Teile; darauf erklärte Er diese Teile in den PurāŠas, und für
weniger befähigte Menschen schrieb Er das Mahābhārata.
"Den Seinszustand, an dem man sich beim Verlassen seines Im Mahābhārata ist die Bhagavad-gītā enthalten. Dann
Körpers erinnert, wird man ohne Zweifel erreichen." (Bg. faßte Er alle vedischen Schriften im Vedānta-sūtra
8.6) zusammen und gab uns zur zukünftigen Wegweisung einen
Die materielle Natur wird von einer der Energien des natürlichen Kommentar zum Vedānta-sūtra - das Śrīmad-
Höchsten Herrn manifestiert. Im ViŠu PurāŠa werden alle Bhāgavatam. Wir müssen unseren Geist ständig damit
Energien des Höchsten Herrn zusammenfassend beschäftigen, diese vedischen Schriften zu lesen. Ebenso
beschriebene. Es heißt dort: wie Materialisten ständig damit beschäftigt sind, Zeitungen,
Magazine, Erzählungen, Romane, wissenschaftliche
viŠu-śaktiƒ parā proktā Essays, philosophische Abhandlungen und viele andere
ketrajñākhyā tathā parā Arten materialistischer Literatur zu lesen, so müssen wir
avidyā-karma-saˆjñānyā uns dem Lesen der vedischen Schriften widmen, die uns
ttīyā śaktir iyate von Vyāsadeva gütigerweise gegeben wurden; dann wird es
uns durchaus möglich sein, uns zur Stunde des Todes an
"Die Kraft Śrī ViŠus wird in drei Kategorien unterteilt, den Höchsten Herrn zu erinnern. Das ist der einzige Weg,
nämlich die spirituelle Kraft, die Lebewesen und und der Herr garantiert das Ergebnis: asaˆśayaƒ.
Unwissenheit. Die spirituelle Kraft ist voller Wissen; die „Hierüber besteht kein Zweifel." Der Herr rät Arjuna:
Lebewesen, obwohl der spirituellen Kraft zugehörig, tasmāt sarveu kāleu mām anusmara yudhya ca. "Daher, o
unterliegen der Verwirrung, und die dritte Energie, die von Arjuna, solltest du immer an Mich in Meiner Form als
Unwissenheit erfüllt ist, ist immer in fruchtbringenden KŠa denken und zugleich deine vorgeschriebene Pflicht
Tätigkeiten sichtbar." des Kämpfens erfüllen." (Bg. 8.7)
Parāsya śaktir vividhaiva śrūyate (Śvet. U. 6.8). Der Er rät Arjuna nicht, sich einfach nur an Ihn zu erinnern und
Höchste Herr verfügt über unzählige verschiedene seine Tätigkeit aufzugeben. Nein, so lautet der Vorschlag
Energien, die jenseits unseres Vorstellungsvermögens nicht. Der Herr schlägt niemals etwas Unpraktisches vor. In
liegen, doch haben große Weise oder befreite Seelen diese der materiellen Welt muß man arbeiten, um den Körper zu
Energien studiert und sie dreifach unterteilt. Alle Energien erhalten. Die menschliche Gesellschaft wird in
sind viŠu-śakti, das heißt verschiedene Kräfte ViŠus. Entsprechung zu den verschiedenen Beschäftigungen in
ViŠu-śakti ist parā oder transzendental. Die ketrajñas vier soziale Klassen unterteilt: brāhmaŠas, katriyas,
oder Lebewesen gehören ebenfalls zur höheren Energie, vaiśyas und śūdras. Die intelligente Klasse (brāhmaŠas)
wie bereits erklärt wurde. Die andere, materielle Energie ist arbeitet in einer bestimmten Weise; die verwaltende Klasse
avidyā-karma-saˆjñānyā - sie befindet sich in der (katriyas) arbeitet in anderer Weise, und auch der
Erscheinungsweise der Unwissenheit. Das ist die materielle handeltreibenden oder erzeugenden Klasse (vaiśyas) sowie
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den Arbeitern (śūdras) sind bestimmte Pflichten gegeben. cañcalatvāt sthitiˆ sthirām
In der menschlichen Gesellschaft muß man arbeiten, um
seine Existenz zu erhalten, ganz gleich ob man Arbeiter, "Arjuna sagte: O Madhusūdana, das yoga-System, das Du
Kaufmann, Politiker oder Beamter ist oder als gebildeter zusammengefaßt hast, erscheint mir undurchführbar und
Mensch, wie zum Beispiel als Wissenschaftler, der unerträglich, denn der Geist ist ruhelos und unstet." (Bg.
höchsten Klasse angehört. Der Herr sagt daher zu Arjuna: 6.33)
"Du brauchst deine Beschäftigung nicht aufzugeben; aber Doch der Herr sagte:
während du deiner Tätigkeit nachgehst, kannst du dich an
Mich, KŠa, erinnern (mām anusmaran), und das wird dir yoginām api sarveām
helfen, dich auch in der Todesstunde an Mich zu erinnern. mad-gatenāntarātmanā
Wenn du dich nicht darin übst, dich immer an Mich zu śraddhāvān bhajate yo māˆ
erinnern, während du um deine Existenz kämpfst, wird es sa me yuktatamo mataƒ
dir zum Zeitpunkt des Todes nicht möglich sein." Śrī KŠa
Caitanya gibt uns den gleichen Rat: kīrtanīya sadā hariƒ. "Von allen yogīs ist der am engsten mit Mir in yoga vereint,
Er sagt, man solle sich darin üben, sich an den Herrn zu der mit starkem Glauben immer in Mir weilt und Mich im
erinnern, indem man ständig Seine Namen chantet (spricht transzendentalen liebevollen Dienst verehrt, und er ist der
oder singt). Die Namen des Herrn und der Herr Selbst sind höchste von allen." (Bg. 6.47)
nicht voneinander verschieden. Śrī KŠas Unterweisung an Wer also ständig an den Höchsten Herrn denkt, ist
Arjuna "Erinnere dich einfach an Mich" und Śrī Caitanyas gleichzeitig der größte yogī, der hervorragendste jñānī und
Weisung "Chante immer die Namen Śrī KŠas" sind die der größte Gottgeweihte. KŠa teilte Arjuna weiter mit:
gleiche Anweisung. Es besteht kein Unterschied, denn tasmāt sarveu kāleu mām anusmara yudhya ca. "Als
KŠa und KŠas Name sind nicht voneinander katriya kannst du das Kämpfen nicht aufgeben, aber wenn
verschieden. Auf der absoluten Ebene gibt es keinen du dich darin übst, dich zur gleichen Zeit immer an Mich
Unterschied zwischen dem Gesprochenen und dem zu erinnern, wirst du imstande sein, dich auch in der
Sprecher. Deshalb müssen wir uns darin üben, uns immer Todesstunde an Mich zu erinnern." Der Herr sagt, es gebe
(tasmāt sarveu kāleu), vierundzwanzig Stunden am Tag, gar keinen Zweifel, wenn man sich mit völliger
an KŠa zu erinnern, indem wir Seine Namen chanten und Ergebenheit in Seinem transzendentalen liebevollen Dienst
unser Tun in solche Bahnen lenken, daß wir uns ständig an betätige. Denn wir handeln im Grunde nicht mit unserem
Ihn erinnern können. Körper, sondern mit unserem Geist und unserer Intelligenz.
Wie ist dies möglich? Die ācāryas geben das folgende, Wenn also unsere Intelligenz und unser Geist immer in
recht deutliche Beispiel: Wenn sich eine verheiratete Frau Gedanken mit dem Höchsten Herrn beschäftigt sind, dann
zu einem anderen Mann hingezogen fühlt oder ein Mann sind unsere Sinne natürlicherweise ebenfalls in Seinem
eine andere Frau als seine eigene liebt, gilt diese Anziehung Dienst tätig. Das ist das Geheimnis der Bhagavad-gītā.
als sehr stark. In einem solchen Zustand denkt man ständig Man muß diese Kunst erlernen, wie man nämlich mit Geist
an den Geliebten oder die Geliebte. Die Frau, die mit ihren und Intelligenz vierundzwanzig Stunden täglich in
Gedanken ständig bei ihrem Geliebten weilt, denkt immer Gedanken beim Herrn sein kann, und solche Versenkung
daran, mit ihm zusammenzukommen - selbst wenn sie mit wird uns dann, wenn wir den materiellen Körper verlassen,
der Erfüllung ihrer Haushaltspflichten beschäftigt ist, ja sie helfen, uns zum Königreich des Herrn, in die spirituelle
geht ihrer Hausarbeit sogar noch sorgfältiger nach, damit Sphäre, zu erheben.
ihr Ehemann keinen Verdacht schöpft. In ähnlicher Weise Moderne Wissenschaftler haben jahrelang vergeblich
sollten wir uns ständig an den höchsten Gemahl, Śrī KŠa, versucht, den Mond zu erreichen, doch hier erfahren wir
erinnern, doch zur gleichen Zeit unseren materiellen aus der Bhagavad-gītā, daß sich ein Mensch, der vielleicht
Pflichten gewissenhaft nachkommen. Das ist durchaus fünfzig Jahre zu leben hat, besser spirituell erheben sollte.
möglich. Dazu ist nur starke Liebe notwendig. Wenn wir Natürlich versucht heutzutage niemand, sich fünfzig Jahre
für den Höchsten Herrn starke Liebe empfinden, können lang spirituell zu erheben, wenngleich dies ein guter
wir unsere Pflicht erfüllen und uns zur gleichen Zeit an Ihn Gedanke ist; doch selbst wenn man sich nur zehn oder fünf
erinnern. Wir müssen daher diese Liebe entwickeln. Arjuna Jahre ernsthaft in dieser Praxis übt, wird dies einen Nutzen
zum Beispiel dachte immer an den Herrn; er konnte KŠa haben. Der Vorgang der Hingabe besteht aus:
während der vierundzwanzig Stunden des Tages nicht
einmal eine Sekunde vergessen; er war der ständige śravaŠaˆ kīrtanaˆ viŠoƒ
Begleiter KŠas, und gleichzeitig war er Krieger. KŠa smaraŠaˆ pāda-sevanam
gab ihm nicht den Rat, das Kämpfen aufzugeben und in den arcanaˆ vandanaˆ dāsyaˆ
Wald oder den Himalaya zu gehen, um zu meditieren, und sakhyam ātma-nivedanam
als Śrī KŠa Arjuna das yoga-System beschrieb, erklärte
Arjuna, daß es für ihn nicht möglich sei, dieses System zu Dies sind die neun Vorgänge des hingebungsvollen
praktizieren: Dienstes. Der leichteste besteht darin, einfach zu hören.
Wenn man die Bhagavad-gītā oder das Śrīmad
arjuna uvāca Bhāgavatam von einer verwirklichten Seele hört, wird das
yo’yaˆ yogas tvayā proktaƒ dazu führen, daß man vierundzwanzig Stunden am Tag an
sāmyena madhusūdana das Höchste Wesen denken kann, was letztlich bewirken
etasyāhaˆ na paśyāmi wird, daß man sich an den Höchsten Herrn erinnert, und so
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werden wir, wenn wir diesen Körper verlassen, einen niedergelegt sind, kann man sein Leben zur
spirituellen Körper bekommen, der für die Gemeinschaft Vollkommenheit führen und eine endgültige Lösung für
mit dem Höchsten Herrn geeignet ist. Der Herr sagt daher: alle Probleme des Lebens schaffen, die aus dem
vergänglichen Wesen des materiellen Daseins entstehen.
abhyāsa-yoga-yuktena Das ist die Essenz der gesamten Bhagavad-gītā. Die
cetasā nānya-gāminā Schlußfolgerung lautet daher, daß es sich bei der
paramaˆ puruaˆ divyaˆ Bhagavad-gītā um eine transzendentale Schrift handelt, die
yāti pārthānucintayan man sehr sorgfältig lesen sollte (gītā-bhāsyam idaˆ
punyaˆ yat patet vrajata pumān), und wenn man ihren
"O Pārtha, wer sich in diesem Erinnern übt, ohne abzuirren, Anweisungen in rechter Weise nachkommt, so wird dies
und ständig an den Höchsten Gott denkt, erreicht mit zur Folge haben, daß man von allen Leiden, Sorgen und
Sicherheit den Planeten des Göttlichen, der Höchsten Ängsten des Lebens frei wird und im nächsten Leben einen
Persönlichkeit." (Bg. 8.8) spirituellen Körper bekommt.
Ständig nur an den Herrn zu denken - das ist kein allzu
schwieriger Vorgang. Man muß dies jedoch von jemand gitādhyāyana-śīlasya
lernen, der darin bereits erfahren ist. Der Geist wandert prāŠāyama-parasya ca
ständig hin und her; deshalb muß man sich unablässig darin naiva santi hi pāpāni
üben, den Geist auf die Gestalt des Höchsten Herrn, Śrī pūrva-janma-ktāni ca
KŠa, oder den Klang Seines Namens zu richten, wobei
letzteres sehr viel leichter ist. Der Geist ist von Natur aus Ein weiterer Vorteil ergibt sich daraus, daß jemandem, der
ruhelos, doch er kann in der Klangschwingung des Heiligen die Bhagavad-gītā sehr aufrichtig und mit allem Ernst liest,
Namens Ruhe finden. Man muß daher über den paramaˆ durch die Gnade des Herrn die Reaktionen auf seine
puruam, die Höchste Person, meditieren, und auf diese vergangenen Missetaten nichts anhaben können. Im letzten
Weise wird man Ihn erreichen. Die Methoden oder Wege Teil der Bhagavad-gītā versichert Śrī KŠa: ahaˆ tvāˆ
und Mittel zur letztlichen Verwirklichung, zum endgültigen sarva-pāpebhyo mokayiyāmi mā śucaƒ. Der Herr
Ziel, werden alle in der Bhagavad-gītā aufgeführt, und für übernimmt alle Verantwortung für jemand, der sich Ihm
niemand bestehen irgendwelche Schranken. Es ist nicht so, ergibt, und Er nimmt allen Reaktionen auf Sünden die
daß sich nur eine bestimmte Klasse von Menschen an den Wirkung.
Herrn wenden kann. An Śrī KŠa zu denken oder über Ihn
zu hören ist jedem möglich, und der Herr sagt in der
Bhagavad-gītā: maline mocanaˆ puˆsāˆ
jala-snānaˆ dine dine
māˆ hi pārtha vyapāśritya sakd gītāmta-snānaˆ
ye’pi syuƒ pāpa-yonayaƒ saˆsāra-mala-nāśanam
striyo vaiśyās tathā śūdrās
te’pi yānti parāˆ gatim "Man reinigt sich täglich, indem man badet, doch wer nur
einmal ein Bad im heiligen Ga‰gā-Wasser der Bhagavad-
kiˆ punar brāhmaŠāh puŠyā gītā nimmt, wäscht allen Schmutz des materiellen Lebens
bhaktā rājarayas tathā fort."
anityam asukhaˆ lokam Da die Bhagavad-gītā von der Höchsten Persönlichkeit
imaˆ prāpya bhajasva mām Gottes gesprochen ist, braucht man keine andere vedische
Schrift zu lesen. Es genügt, nur die Bhagavad-gītā
"O Sohn Pthās, diejenigen, die bei Mir Zuflucht suchen, aufmerksam und regelmäßig zu hören und zu lesen, und
können das höchste Ziel erreichen - auch wenn sie von man soll sich dieser Methode unter allen Umständen
niederer Geburt sind, wie Frauen, vaiśyas (Kaufleute) oder zuwenden, denn in der heutigen Zeit sind die Menschen so
auch śūdras (Arbeiter). Wieviel vortrefflicher sind dann die sehr von weltlichen Tätigkeiten in Anspruch genommen,
brāhmaŠas, die Rechtschaffenen, die Gottgeweihten und daß es ihnen kaum möglich ist, alle vedischen Schriften zu
die heiligen Könige, die Mir in dieser zeitweiligen, elenden lesen. Aber das ist auch nicht notwendig. Dieses eine Buch,
Welt in Liebe dienen." (Bg. 9.32-33) Bhagavad-gītā, wird ausreichen, denn es ist die Essenz
Der Herr sagt, selbst Menschen auf der untersten aller vedischen Schriften und wurde von der Höchsten
Lebensstufe (Kaufleute, Frauen oder Arbeiter) könnten ihn Persönlichkeit Gottes gesprochen.
erreichen. Kaufleute, Arbeiter und Frauen werden in die
gleiche Kategorie eingereiht, weil ihre Intelligenz nicht so bhāratāmta-sarvasvaˆ
sehr entwickelt ist, doch sagt der Herr, daß auch sie Ihn viŠu-vaktrād viniƒstam
erreichen können. Und nicht nur sie, sondern sogar gītā-ga‰godakaˆ pītvā
Menschen, die noch tiefer stehen, haben diese Möglichkeit. punar janma na vidyate
Jeder, ganz gleich wer es ist, der sich an diesen Grundsatz
des bhakti-yoga hält und den Höchsten Herrn als das Man sagt, wer das Wasser der Ga‰gā trinke, werde
summum bonum des Lebens, das höchste Ziel, anerkennt, ebenfalls erlöst, ganz zu schweigen also von jemand, der
kann den Herrn in der spirituellen Welt erreichen. Wenn den Nektar der Bhagavad-gītā trinkt. Die Gītā ist der
man den Prinzipien folgt, die in der Bhagavad-gītā Nektar des Mahābhārata, das von ViŠu Selbst gesprochen
21

wurde. Śrī KŠa ist der ursprüngliche ViŠu. Die Gītā


stammt aus dem Mund der Höchsten Persönlichkeit Gottes,
und die Ga‰gā geht von den Lotosfüßen des Herrn aus.
Natürlich besteht zwischen dem Mund und den Füßen des
Höchsten Herrn kein Unterschied, doch kommt man bei
einer neutralen Studie zu dem Schluß, daß die Bhagavad-
gītā noch wichtiger ist als die Ga‰gā.

sarvopaniado gāvo
dogdhā gopāla-nandanaƒ
pārtho vatsaƒ su-dhīr bhoktā
dugdhaˆ gītāmtaˆ mahat

Diese Gītopaniad ist genau wie eine Kuh, und Śrī KŠa,
der als Kuhhirtenjunge berühmt ist, melkte diese Kuh. Die
Gītā ist die Essenz aller Upaniaden und wird mit einer
Kuh verglichen, und weil der Herr ein geschickter
Kuhhirtenjunge ist, melkt Er die Kuh; Arjuna (partha-
vatsa), der einem Kalb gleicht, und große Gelehrte und
Gottgeweihte (suri-bhakta) sind dazu ausersehen, die Milch
entgegenzunehmen. Die nektargleiche Milch der
Bhagavad-gītā ist für gelehrte Gottgeweihte bestimmt.

ekaˆ śāstraˆ devakī-putra-gītam


eko devo devakī-putra eva
eko mantras tasya nāmāni yāni
karmāpy ekaˆ tasya devasya sevā
(Gītā-māhātmya 7)

Die Welt sollte aus der Bhagavad-gītā die folgende Lehre


ziehen: ekaˆ śāstraˆ
devakī-putra-gītam. Es gibt nur eine gemeinsame Schrift
für die gesamte Menschheit - die Bhagavad-gītā. Eko devo
devakī-putra eva: es gibt nur einen Gott für die ganze Welt
- Śrī KŠa. Eko mantras tasya nāmāni: Es gibt nur eine
Hymne oder einen mantra, ein Gebet, nämlich Seinen
Namen zu chanten - Hare KŠa, Hare KŠa, KŠa KŠa ,
Hare Hare / Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma Rāma, Hare
Hare, und karmāpy ekaˆ tasya devasya sevā: Es gibt nur
eine Tätigkeit - der Höchsten Persönlichkeit Gottes zu
dienen.

DIE NACHFOLGE DER SPIRITUELLEN MEISTER

Evaˆ paramparā-prāptam imaˆ rājarayo viduƒ (Bg. 4.2).


Diese Bhagavad-gītā Wie Sie Ist wird durch die hier
aufgeführte Nachfolge der spiritueller Meister empfangen:

1) KŠa; 2) Brahmā; 3) Nārada; 4) Vyāsa; 5) Madhva; 6)


Padmanābha; 7) Nhari; 8) Mādhava; 9) Akobhya; 10)
Jayatīrtha; 11) Jñānasindhu; 12) Dayānidhi; 13)
Vidhyānidhi; 14) Rājendra; 15) Jayadharma; 16)
Puruottama; 17) BrahmaŠyatīrtha; 18) Vyāsatīrtha; 19)
Lakmīpati; 20) Mādhavendra Purī; 21) Īśvara Purī
(Nityānanda, Advaita); 22) Śrī Caitanya; 23) Rūpa
(Svarūpa, Sanātana); 24) Raghunātha, Jīva; 25) KŠadāsa;
26) Narottama; 27) Viśvanātha; 28) (Baladeva) Jagannātha;
29) Bhaktivinoda; 30) Gaurakiśora; 31) Bhaktisiddhānta
Sarasvatī; 32) His Divine Grace A.C. Bhaktivedanta Swami
Prabhupāda.
22

ERSTES KAPITEL Das Wort dharma-ketra (ein Ort, an dem religiöse Rituale
vollzogen werden) ist bedeutsam, weil auf dem
Schlachtfeld von Kuruketra die Höchste Persönlichkeit
Arjuna beobachtet die Heere auf dem Gottes auf der Seite Arjunas stand. Dhtarā˜ra, der Vater
Schlachtfeld von Kuruketra der Kurus, hatte am endgültigen Sieg seiner Söhne starke
Zweifel, und so fragte er seinen Sekretär Sañjaya: "Was
VERS 1 taten meine Söhne und die Söhne PāŠus?“ Er war sich
sicher, daß sich sowohl seine Söhne als auch die Söhne
dhtarā˜ra uvāca seines jüngeren Bruders PāŠu auf diesem Feld von
dharma-ketre kuru-ketre Kuruketra versammelt hatten, um sich mit
samavetā yuyutsavaƒ Entschlossenheit zu bekriegen. Er wünschte keinen
māmakāƒ pāŠavāś caiva Kompromiß zwischen den Vettern und Brüdern und wollte
kim akurvata sañjaya über das Schicksal seiner Söhne auf dem Schlachtfeld
Gewißheit haben. Da es so arrangiert war, daß diese
dhtarā˜raƒ—König Dhtarā˜ra; uvāca—sprach; Schlacht bei Kuruketra gekämpft werden sollte, das an
dharma-ketre—an der Pilgerstätte; kuru-ketre—an dem einer anderen Stelle in den Veden als eine Stätte der
Ort, der Kuruketra genannt wird; samavetāƒ—versammelt; Verehrung - selbst für die Bewohner der himmlischen
yuyutsavaƒ—kampflustig; māmakāƒ—meine Partei Planeten - erwähnt wird, war Dhtarā˜ra über den Einfluß
(Söhne); pāŠavāƒ—die Söhne PāŠus; ca—und; eva— des heiligen Ortes auf den Ausgang der Schlacht von
gewiß; kim—was; akurvata—taten sie; sañjaya—o großer Furcht erfüllt. Er wußte sehr wohl, daß dies Arjuna
Sañjaya. und dessen Bruder günstig beeinflussen wurde, da sie alle
von Natur aus tugendhaft waren. Sañjaya war ein Schüler
ÜBERSETZUNG Vyāsas, und daher war er durch die Barmherzigkeit Vyāsas
befähigt, das Schlachtfeld von Kuruketra intuitiv vor sich
Dhtarā˜ra sprach: O Sañjaya, was taten meine Söhne zu sehen, obwohl er sich in Dhtarā˜ras Zimmer aufhielt.
und die Söhne PāŠus, als sie sich an der Pilgerstätte Aus diesem Grunde also befragte ihn Dhtarā˜ra über die
von Kuruketra voll Kampflust versammelt hatten? Lage auf dem Schlachtfeld.
Sowohl die PāŠavas als auch die Söhne Dhtarā˜ras
ERLÄUTERUNG gehören zur selben Familie, doch wird hier Dhtarā˜ras
Denkweise enthüllt. Er erhob mit wohlüberlegter Absicht
Bhagavad-gītā ist die vielgelesene, in der Gītā-māhātmya den Anspruch, nur seine Söhne seien Kurus, und schloß die
(Ruhmpreisung der Gītā) zusammengefaßte, theistische Söhne PāŠus vom Familienerbe aus. Man, kann somit die
Wissenschaft. In der Gītā-māhātmya heißt es, man solle die besondere Stellung Dhtarā˜ras in seiner Beziehung zu
Bhagavad-gītā mit der Hilfe eines Menschen, der ein seinen Neffen, den Söhnen PāŠus, verstehen. Schon jetzt
Geweihter Śrī KŠas ist, genau prüfend lesen und Beginn kann man erwarten, daß ebenso, wie in einem
versuchen, sie frei von subjektiv motivierten Reisfeld die nutzlosen Pflanzen ausgerissen werden, auf
Interpretationen zu verstehen. Das Beispiel klaren dem religiösen Feld von Kuruketra, wo der Vater der
Verständnisses findet man in der Bhagavad-gītā selbst, Religion, Śrī KŠa, anwesend war, die unerwünschten
nämlich in der Weise, wie diese Lehre von Arjuna Pflanzen wie Dhtarā˜ras Sohn Duryodhana und andere
verstanden wurde, der die Gīta unmittelbar vom Herrn vernichtet werden und den wahrhaft religiösen Menschen
hörte. Wenn jemand sich so glücklich schätzen kann, die unter der Führung Yudhi˜hiras vom Herrn die Herrschaft
Bhagavad-gītā in dieser Linie der Schülernachfolge, ohne übertragen wird. Dies ist die Bedeutung der Worte dharma-
motivierte Interpretation, zu verstehen, erhebt er sich über ketre und kuru-ketre, wenn man sie einmal abgesehen
alle Studien vedischer Weisheit und alle Schriften der Welt. von ihrer geschichtlichen und vedischen Bedeutung
Man wird in der Bhagavad-gītā all das finden, was in betrachtet.
anderen Schriften enthalten ist, doch wird der Leser auch
Dinge finden, die andernorts nicht zu finden sind. Das ist VERS 2
das Besondere an der Gītā. Sie ist die vollkommene
Gotteswissenschaft, weil sie unmittelbar von der Höchsten sañjaya uvāca
Persönlichkeit Gottes, Śrī KŠa, gesprochen ist. d˜vā tu pāŠavānīkaˆ
Die von Dhtarā˜ra und Sañjaya besprochenen Themen, vyūhaˆ duryodhanas tadā
die im Mahābhārata schrieben sind, bilden das ācāryam upasa‰gamya
Grundprinzip dieser bedeutenden Philosophie. Es wird rājā vacanam abravīt
berichtet, daß diese Philosophie auf dem Schlachtfeld von
Kuruketra offenbart wurde, das schon seit den längst sañjayaƒ—Sañjaya; uvāca—sagte; d˜vā—nachdem er
vergangenen Zeiten der vedischen Kultur eine heilige gesehen hatte; tu—aber; pāŠava-anīkam—die Soldaten der
Pilgerstätte ist. Sie wurde vom Herrn gesprochen, als Er auf PāŠavas; vyūham—in militärischer Ordnung aufgestellt;
diesem Planeten persönlich erschienen war, um die duryodhanaƒ—König Duryodhana; tadā—da; ācāryam—
Menschheit zu unterweisen. der Lehrer; upasa‰gamya—ging zu ihm, da er in der Nähe
war; rājā—der König; vacanam— Worte; abravīt—sprach.
23

ÜBERSETZUNG haben, der fähig war, DroŠācārya zu töten. DroŠācārya


wußte dies sehr wohl, und doch zögerte er als großmütiger
Sañjaya sagte: O König, nachdem König Duryodhana brāhmaŠa nicht, dem Sohn Drupadas, Dh˜adyumna, alle
über die Armee geblickt hatte, die von den Söhnen seine militärischen Geheimnisse anzuvertrauen, als dieser
PāŠus aufgestellt worden war, ging er zu seinem ihm zur militärischen Ausbildung übergeben wurde. Auf
Lehrer und sprach die folgenden Worte: dem Schlachtfeld von Kuruketra wählte Dh˜adyumna die
Seite der PāŠavas, und er war es, der ihre Schlachtordnung
ERLÄUTERUNG aufstellte, nachdem er die Kunst von DroŠācārya erlernt
hatte. Duryodhana machte DroŠācārya auf diesen Fehler
Dhtarā˜ra war von Geburt an blind, und aufmerksam, damit dieser während des Kampfes wachsam
unglückseligerweise mangelte es ihm auch an spiritueller und unnachgiebig sei. Außerdem wollte er hierdurch darauf
Sicht. Er wußte sehr wohl, daß seine Söhne in bezug auf hinweisen, daß DroŠācārya in der Schlacht gegen die
Religion gleichermaßen blind waren, und er war sicher, daß PāŠavas, die ebenfalls seine ihm lieben Schüler waren,
sie sich niemals mit den PāŠavas einigen konnten, die alle nicht ähnlich milde sein solle. Besonders Arjuna war sein
von Geburt an fromm waren. Dennoch kamen ihm wegen liebster und hervorragendsten Schüler. Duryodhana warnte
des Einflusses der Pilgerstätte Zweifel, und Sañjaya konnte auch davor, daß solche Schonung im Kampf zu einer
verstehen, aus welchem Grund er Fragen über die Lage auf Niederlage führen würde.
dem Schlachtfeld stellte. Er wollte den König daher
ermutigen und machte ihn warnend darauf aufmerksam, VERS 4
daß seine Söhne nicht bereit waren, unter dem Einfluß der
heiligen Stätte irgendeinen Kompromiß zu schließen. atra śūrā mahevāsā
Sañjaya teilte dem König weiter mit, daß sein Sohn bhīmārjuna-samā yudhi
Duryodhana sogleich zu seinem Oberbefehlshaber yuyudhāno virā˜aś ca
DroŠācārya ging, nachdem er die militärische Stärke der drupadaś ca mahā-rathaƒ
PāŠavas gesehen hatte, um ihn über die wirkliche Lage zu
unterrichten. Obwohl Duryodhana hier als der König atra—hier; śūrāƒ—Helden; mahevāsāƒ—mächtige
bezeichnet wird, mußte er dennoch, aufgrund der ernsten Bogenschützen; bhīma-arjuna—Bhīma und Arjuna;
Lage, zum Befehlshaber gehen. Er war daher durchaus samāƒ—ebenbürtig; yudhi—im Kampf; yuyudhānaƒ—
geeignet, Politiker zu sein. Aber Duryodhanas Yuyudhāna; virā˜aƒ—Virā˜a; ca—auch; drupadaƒ—
diplomatische Scheinheiligkeit konnte nicht die Furcht Drupada; ca—auch; mahā-rathaƒ—großer Kämpfer.
verbergen, die er verspürte, als er die militärische
Aufstellung der PāŠavas sah. ÜBERSETZUNG

VERS 3 In diesem Heer gibt es viele heldenhafte Bogenschützen,


die Bhīma und Arjuna im Kampf ebenbürtig sind. Auch
paśyaitāˆ pāŠu-putrāŠām sind dort große Kämpfer wie Yuyudhāna, Virā˜a und
ācārya mahatīˆ camūm Drupada.
vyūhāˆ drupada-putreŠa
tava śiyeŠa dhīmatā ERLÄUTERUNG

paśya—betrachte; etām—diese; pāŠu-putrāŠām—die Obwohl Dh˜adyumna angesichts der hervorragenden


Söhne Panus; ācārya—o Lehrer; mahatīm—große; Fähigkeiten DroŠācāryas auf dem Gebiet der Kriegführung
camūm—Streitmacht; vyūhām—aufgestellt; drupada- kein sehr großes Hindernis war, gab es dennoch viele
putreŠa—von dem Sohn Drupadas; tava—deinem; andere, die Anlaß zu Befürchtungen gaben. Sie werden von
śiyeŠa—Schüler; dhīmatā—sehr intelligent. Duryodhana als große Hindernisse auf dem Weg zum Sieg
bezeichnet, denn jeder einzelne von ihnen war ebenso
ÜBERSETZUNG furchterregend wie Bhīma und Arjuna. Er kannte die Stärke
Bhīmas und Arjunas und verglich daher die anderen mit
O mein Lehrer, betrachte das gewaltige Heer der Söhne ihnen.
PāŠus, das dein intelligenter Schüler, der Sohn
Drupadas, so geschickt aufstellte. VERS 5

ERLÄUTERUNG dhtaketuś cekitānaƒ


kāśirājaś ca vīryavān
Duryodhana, ein geschickter Diplomat, wollte auf die purujit kuntibhojaś ca
Fehler DroŠācāryas, des großen brāhmaŠa- śaibyaś ca nara-pu‰gavaƒ
Oberbefehlshabers, aufmerksam machen. DroŠācārya hatte
mit König Drupada, dem Vater Draupadīs, die Arjunas dh˜aketuƒ—Dh˜aketu; cekitānaƒ—Cekitana;
Gattin war, politische Streitigkeiten gehabt. Als Folge kāśirājaƒ—Kasirāja; ca—auch; vīryavān—sehr mächtig;
dieser Auseinandersetzung vollzog Drupada ein großes purujit—Purujit; kuntibhojaƒ—Kuntibhoja; ca—und;
Opfer, durch das er die Segnung empfing, einen Sohn zu
24

śaibyaƒ—Śaibya; ca—und; nara-pu‰gavaƒ—Helden in der


menschlichen Gesellschaft. ÜBERSETZUNG

ÜBERSETZUNG Es gibt dort Persönlichkeiten wie dich selbst, Bhīma,


KarŠa, Kpa, Aśvatthāmā, VikarŠa und den Sohn
Dort sind auch so bedeutende, heldenhafte und Somadattas mit Namen Bhūriśravā, die in der Schlacht
mächtige Kämpfer wie Dh˜aketu, Cekitāna, Kāśirāja, immer siegreich sind.
Purujit, Kuntibhoja und Śaibya.
ERLÄUTERUNG
VERS 6
Duryodhana erwähnte die herausragenden Helden der
yudhāmanyuś ca vikrānta Schlacht, die alle immer siegreich sind. VikarŠa ist der
uttamaujāś ca vīryavān Bruder Duryodhanas; Aśvatthāmā ist der Sohn
saubhadro draupadeyāś ca DroŠācāryas, und Saumadatti oder Bhūriśravā ist der Sohn
sarva eva mahā-rathāƒ des Königs der Bhālīker. KarŠa ist der Halbbruder Arjunas,
da er von Kuntī geboren wurde, ehe sie König PāŠu
yudhāmanyuƒ—Yudhāmanyu; ca—und; vikrāntaƒ— heiratete. Kpācārya heiratete die Zwillingsschwester
mächtig; uttamaujāƒ—Uttamaujā; ca—und; vīryavān—sehr DroŠācāryas.
mächtig; saubhadraƒ—der Sohn Subhadras;
draupadeyāƒ—die Söhne Draupadīs; ca—und; sarve—alle; VERS 9
eva—gewiß; mahā-rathāƒ—große Wagenkämpfer.
anye ca bahavaƒ śūrā
ÜBERSETZUNG mad-arthe tyakta jīvitāƒ
nānā śastra-praharaŠāƒ
Dort stehen der gewaltige Yudhāmanyu, der machtvolle sarve yuddha-viśāradāƒ
Uttamaujā, der Sohn Subhadrās und die Söhne
Draupadīs. All diese Krieger sind große Wagenkämpfer. anye—viele andere; ca—auch; bahavaƒ—in großer Zahl;
śūrāƒ—Helden; mad-arthe—um meinetwillen;
VERS 7 tyakta-jīvitāƒ—bereit, das Leben zu wagen; nānā—viele;
śastra—Waffen; praharaŠāƒ—ausgerüstet mit; sarve—sie
asmākaˆ tu viśi˜ā ye alle; yuddha—Schlacht; viśāradāƒ—in der militärischen
tān nibodha dvijottama Wissenschaft erfahren.
nāyakā mama sainyasya
saˆjñārthaˆ tān bravīmi te ÜBERSETZUNG

asmākam—unser; tu—aber; viśi˜āƒ—besonders mächtig; Es gibt noch viele andere Helden, die bereit sind, um
ye—diejenigen; tān —ihnen; nibodha—beachte bitte, sei meinetwillen ihr Leben zu wagen. Sie alle sind sehr gut
unterrichtet; dvijottama—der beste der brāhmaŠas: mit verschiedenartigen Waffen ausgerüstet, und alle
nāyakāƒ—Hauptleute; mama—meine; sainyasya—der sind in der militärischen Wissenschaft erfahren.
Soldaten; saˆjñāartham—zur Information; tān—ihnen;
bravīmi—ich spreche; te-deiner. ERLÄUTERUNG

ÜBERSETZUNG Was die anderen betrifft - wie Jayadratha, Ktavarmā oder


Śalya -, so sind alle entschlossen, für Duryodhana ihr
O bester der brāhmaŠas, laß mich dir zu deiner Leben zu opfern. Mit anderen Worten: Es ist bereits klar,
Information mitteilen, welche Hauptleute besonders daß sie alle in der Schlacht von Kuruketra sterben werden,
geeignet sind, meine Streitmacht zu führen. weil sie sich der Partei des sündigen Duryodhana
angeschlossen haben. Aufgrund der oben erwähnten
VERS 8 vereinigten Kräfte seiner Freunde war Duryodhana
natürlich von seinem Sieg überzeugt.
bhavān bhīmaś ca karŠaś ca
kpaś ca samitiñjayaƒ VERS 10
aśvatthāmā vikarŠaś ca
saumadattis tathaiva ca aparyāptaˆ tad asmākaˆ
balaˆ bhīmābhirakitam
bhavān—du selbst; bhīmaƒ—Großvater Bhīma; ca—auch; paryāptaˆ tv idam eteāˆ
karŠaƒ—KarŠa; ca—und; kpaƒ—Kpa; ca—und; balam bhīmābhirakitam
samitiñjayaƒ—in der Schlacht immer siegreich;
aśvatthāmā—Aśvatthamā; vikarŠaƒ—VikarŠa; ca—ebenso aparyāptam—unermeßlich; tat—das; asmākam—unsere;
wie; saumadattiƒ—der Sohn Somadattas; tathā—und wie; balam—Stärke; bhīma—von Großvater Bhīma;
eva—gewiß; ca—und. abhirakitam—vollendet beschützt; paryāptam—begrenzt;
25

tu—aber; idam—all diese; eteām—der PāŠavas; balam— anderen Helden ihre strategischen Stellungen nicht
Stärke; bhīma—von Bhīma; abhirakitam—sorghaltig verlassen und so dem Feind gestatten würden, die
beschützt. Schlachtreihe zu durchbrechen. Duryodhana spürte
deutlich, daß der Sieg der Kurus von der Gegenwart
ÜBERSETZUNG Bhīmadevas abhing. Er war sich der vollen Unterstützung
Bhīmadevas und DroŠācāryas in der Schlacht gewiß, da er
Unsere Stärke ist unermeßlich, und wir werden von sehr wohl wußte, daß sie nicht ein einziges Wort gesagt
Großvater Bhīma vollendet beschützt, wohingegen die hatten, als Arjunas Gattin Draupadī sie um Gerechtigkeit
Stärke der PāŠavas, die von Bhīma sorgfältig angefleht hatte, als sie in völliger Hilflosigkeit gezwungen
beschützt werden, begrenzt ist. wurde, sich vor allen großen Generälen in der
Versammlung zu entkleiden. Obwohl er wußte, daß die
ERLÄUTERUNG beiden Feldherren eine gewisse Zuneigung zu den
PāŠavas hegten, hoffte er, sie würden jetzt solche
Hier wird von Duryodhana das Stärkeverhältnis Zuneigung vollständig aufgeben, ebenso wie sie es
abgeschätzt. Er glaubt, die Stärke seiner Streitkräfte sei während gemeinsamer Glücksspiele getan hatten.
unermeßlich, da sie der erfahrenste General, Großvater
Bhīma, besonders beschütze. Demgegenüber seien die VERS 12
Streitkräfte der PāŠavas begrenzt, da diese ein weniger
erfahrener General, nämlich Bhīma, beschütze, der in der tasya sañjanayan haraˆ
Gegenwart Bhīmas wie ein Zwerg erscheine. Duryodhana kuru-vddhaƒ pitāmahaƒ
hatte Bhīma immer schon beneidet, da er sehr genau wußte, siˆha-nādaˆ vinadyoccaiƒ
daß er nur von Bhīma getötet werden würde, falls er śa‰khaˆ dadhmau pratāpavān
überhaupt sterben sollte; aber gleichzeitig war er durch die
Gegenwart Bhīmas, der ein weitaus überlegenerer Feldherr tasya—sein; sañjanayan—anwachsend; haram—
war, von seinem Sieg überzeugt. Seine Schlußfolgerung, Frohlocken; kuru-vddaƒ—der Ahnherr der Kuru-Dynastie
daß er aus der Schlacht siegreich hervorgehen würde, (Bhīma); pitāmahaƒ—der Großvater; siˆha-nādam—
beruhte auf genauen Überlegungen. Dröhnen, wie das Brüllen eines Löwen; vinadya—ertönen
lassend; uccaiƒ—sehr laut; śa‰kham—Muschelhorn;
VERS 11 dadhmau—blies; pratāpavān—der heldenhafte.

ayaneu ca sarveu ÜBERSETZUNG


yathā-bhāgam avasthitāƒ
bhīmam evābhirakantu Darauf blies Bhīma, der große, heldenhafte Ahnherr
bhavantaƒ sarva eva hi der Kuru-Dynastie, der Großvater der Kämpfer, sehr
laut sein Muschelhorn. Es dröhnte wie das Brüllen eines
ayaneu—an den strategischen Punkten; ca—auch; Löwen und erfüllte Duryodhana mit Freude.
sarveu—überall; yathābhāgam—wie sie auf vielerlei
Weise aufgestellt sind; avasthitāƒ—gelegen; bhīmam— ERLÄUTERUNG
Großvater Bhīma; eva—gewiß; abhirakantu—
Unterstützung möge gewährt werden; bhavantaƒ—ihr alle; Der Ahnherr der Kuru-Dynastie konnte verstehen, was im
sarve—jeweilig; eva—gewiß; hi—und genau. Herzen seines Enkels Duryodhana vorging, und aus
natürlichem Mitgefühl versuchte er, ihn anzuspornen,
ÜBERSETZUNG indem er sehr laut in sein Muschelhorn blies, was seiner
löwengleichen Stellung angemessen war. Durch die
Jetzt müßt ihr Großvater Bhīma volle Unterstützung Symbolik des Muschelhorns gab er aber zugleich seinem
gewähren, indem ihr eure jeweiligen strategischen niedergeschlagenen Enkel indirekt zu verstehen, daß er
Punkte an der Heeresfront einnehmt. keine Chance habe, in der Schlacht siegreich zu sein, da der
Höchste Herr, Śrī KŠa, auf der anderen Seite stehe.
ERLÄUTERUNG Nichtsdestoweniger war es seine Pflicht, den Kampf
durchzuführen, und er würde dabei keine Mühen scheuen.
Nachdem Duryodhana die Tapferkeit Bhīmas gepriesen
hatte, bedachte er, andere könnten glauben, sie seien als VERS 13
weniger wichtig angesehen worden, und so versuchte er in
seiner üblichen diplomatischen Art, die Lage mit den tataƒ śa‰khāś ca bheryaś ca
obigen Worten zu bereinigen. Er betonte, Bhīmadeva sei paŠavānaka-gomukhāƒ
zweifellos der größte Held, doch sei er ein alter Mann, und sahasaivābhyahanyanta
daher solle jeder besonders darauf achten, ihm von allen sa śabdas tumulo 'bhavat
Seiten Deckung zu geben. Er mochte in den Kampf
verwickelt werden, und wenn Bhīma auf einer Seite völlig tataƒ—danach; śa‰khāƒ—Muschelhörner; ca—auch;
in Anspruch genommen sei, könne der Feind dies unter bheryaƒ—Signalhörner; ca—und; paŠava-ānaka—
Umständen ausnutzen. Daher sei es wichtig, daß die Trompeten und Trommeln; go-mukhāƒ—Hörner; sahasā—
26

plötzlich; eva—gewiß; abhyahanyanta—sie ertönten pāñcajanyam—das Muschelhorn namens Pāñcajanya;


gleichzeitig; saƒ—daß; śabdaƒ— gemeinsamer Klang; hīkeśaƒ—Hīkeśa (KŠa, der Herr, der die Sinne der
tumulaƒ—stürmisch; abhavat—wurde. Gottgeweihten lenkt); devadattam—das Muschelhorn
namens Devadatta; dhanañjayaƒ—Dhananjaya (Arjuna, der
ÜBERSETZUNG Gewinner von Reichtum); pauŠram—die Muschel namens
PauŠram; dadhmau—blies; mahā-śa‰kham—das
Da ertönten plötzlich alle Muschelhörner, Signalhörner, furchterregende Muschelhorn; bhīma-karmā—jemand, der
Trompeten, Trommeln und Hörner, und der herkulische Taten vollbringt; vkodaraƒ—der unersättliche
gemeinsame Klang war gewaltig. Esser (Bhīma).

VERS 14 ÜBERSETZUNG

tataƒ śvetair hayair yukte Darauf ließ Śrī KŠa Sein Muschelhorn mit Namen
mahati syandane sthitau Pañcajanya erschallen; Arjuna blies in das seine, das
mādhavaƒ pāŠavaś caiva Devadatta, und Bhīma, der unersättliche Esser und
divyau śa‰khau pradadhmatuƒ Vollbringer herkulischer Taten, blies in sein
furchterregendes Muschelhorn namens PauŠram.
tataƒ—danach; śvetaiƒ—von weißen; hayaiƒ—Pferden;
yukte—angespannt; mahati—in dem großen; syandane— ERLÄUTERUNG
Streitwagen; sthitau—so sich befindend; mādhavaƒ—
KŠa (der Gemahl der Glücksgöttin); pāŠavaƒ—Arjuna Śrī KŠa wird in diesem Vers als Hīkeśa bezeichnet, da
(der Sohn PāŠus); ca— auch; eva—gewiß; divyau— Er der Eigentümer aller Sinne ist. Die Lebewesen sind
transzendentale; śa‰khau—Muschelhörner; pradadhma- winzige Bestandteile von Ihm, und daher sind die Sinne der
tuƒ—ließen erschallen. Lebewesen ebenfalls Bestandteile Seiner Sinne. Die
Unpersönlichkeitsphilosophen wissen die Sinne der
ÜBERSETZUNG Lebewesen nicht zu schätzen und sind deshalb immer
bestrebt, die Lebewesen als ohne Sinne oder unpersönlich
Auf der Gegenseite ließen sowohl KŠa als auch zu beschreiben. Der Herr, der in den Herzen aller
Arjuna, die auf einem großen, von weißen Pferden Lebewesen weilt, lenkt ihre Sinne, doch lenkt Er sie je nach
gezogenen Streitwagen standen, ihre transzendentalen dem Grad der Hingabe des Lebewesens, und im Falle eines
Muschelhörner erschallen. reinen Gottgeweihten lenkt Er die Sinne unmittelbar. Hier
auf dem Schlachtfeld von Kuruketra lenkt der Herr die
ERLÄUTERUNG transzendentalen Sinne Arjunas direkt, und so erklärt es
sich, daß Er in diesem Vers als Hīkeśa bezeichnet wird.
Im Gegensatz zu dem von Bhīmadeva geblasenen Der Herr hat verschiedene Namen, je nach Seinen
Muschelhorn werden die Muschelhörner in den Händen verschiedenen Betätigungen. Zum Beispiel trägt Er den
von KŠa und Arjuna als transzendental bezeichnet. Das Namen Madhusūdana, weil Er den Dämon Madhu tötete;
Erschallen der transzendentalen Muschelhörner deutete an, Sein Name ist Govinda, weil Er den Kühen und den Sinnen
daß es für die andere Seite keine Hoffnung auf Sieg gab, da Freude schenkt; Sein Name ist Vāsudeva, weil Er als der
KŠa auf der Seite der PāŠavas stand. Jayas tu pāŠu- Sohn Vasudevas erschien; Sein Name ist Devakī-nandana,
putrāŠāˆ yeāˆ pake janārdanaƒ. "Sieg ist immer mit weil Er Devakī als Seine Mutter annahm; Sein Name ist
solchen Menschen, die den Söhnen PāŠus gleichen, da Śrī Yaśodā-nandana, weil Er mit den Spielen Seiner Kindheit
KŠa bei ihnen ist." Und wann immer und wo immer der Yaodā in Vndāvana beglückte, und Sein Name lautet
Herr gegenwärtig ist, dort findet man auch die Göttin des Pārtha-sārathi, weil er der Wagenlenker Seines Freundes
Glücks, die niemals allein, ohne ihren Gemahl, lebt. Daher Arjuna war. In ähnlicher Weise trägt Er den Namen
erwarteten Arjuna Sieg und Glück, wie der transzendentale Hīkeśa, weil Er Arjuna auf dem Schlachtfeld von
Klang, der aus dem Muschelhorn KŠas erschallte, Kuruketra Führung gab.
andeutete. Außerdem war der Streitwagen, auf dem die Arjuna wird in diesem Vers als Dhanañjaya bezeichnet,
beiden Freunde saßen, ein Geschenk Agnis, des weil er seinem älteren Bruder dabei half, Reichtum zu
Feuergottes, an Arjuna, was bedeutete, daß man mit diesem erlangen, als der König diesen benötigte, um die Ausgaben
Streitwagen, wo immer er in den drei Welten gezogen für verschiedene Opfer zu bestreiten. In ähnlicher Weise ist
werden würde, alle Himmelsrichtungen erobern konnte. Bhīma als Vkodara bekannt, weil er sowohl ungeheure
Mengen essen als auch herkulische Taten vollbringen
VERS 15 konnte, wie zum Beispiel den Dämon Hiimba töten. Der
Klang der verschiedenen Arten von Muschelhörnern, die
pāñcajanyaˆ hīkeśo die verschiedenen Persönlichkeiten auf seiten der PāŠavas
devadattaˆ dhanañjayaƒ bliesen, angefangen mit dem Muschelhorn des Herrn, war
pauŠraˆ dadhmau mahā-śa‰khaˆ für die kampfbereiten Soldaten sehr ermutigend. Auf der
bhīma-karmā vkodaraƒ anderen Seite gab es keine solche Ermutigung; noch waren
der Herr, der Höchste Lenker, oder die Glücksgöttin
gegenwärtig. Es war den Kurus also vorherbestimmt, die
27

Schlacht zu verlieren - das war die Botschaft, die der Klang Die Vorzeichen deuteten schon jetzt klar darauf hin, daß
der Muschelhörner verkündete. die gesamte Kuru-Dynastie in dieser großen Schlacht
vernichtet werden würde. Angefangen mit dem Ahnherrn,
VERS 16-18 Bhīma, bis hinab zu den Enkeln, wie Abhimanyu und
anderen - Könige aus vielen Reichen der Erde nicht
anantavijayaˆ rājā ausgenommen -, waren alle dort Anwesenden dem
kuntī-putro yudhi˜hiraƒ Untergang geweiht. Die ganze Katastrophe war die Schuld
nakulaƒ sahadevaś ca König Dhtarā˜ras, weil er die Pläne seiner Söhne
sughoa-maŠipupakau unterstützte.

kāśyaś ca paramevāsaƒ VERS 19


śikhaŠī ca mahā-rathaƒ
dh˜adyumno virā˜aś ca sa ghoo dhārtarā˜rāŠāˆ
sātyakiś cāparājitaƒ hdayāni vyadārayat
nabhaś ca pthivīˆ caiva
drupado draupadeyāś ca tumulo 'bhyanunādayan
sarvaśaƒ pthivī-pate
saubhadraś ca mahā-bāhuƒ saƒ—diese; ghoaƒ—Schwingung; dhārtarā˜rāŠām—der
śa‰khān dadhmuƒ pthak pthak Söhne Dhtarā˜ras; hdayāni—Herzen; vyadārayat—
zerriß; nabhaƒ-der Himmel; ca—auch; pthivīm—die
anantavijayam—die Muschel namens Anantavijaya; rājā-er Erdoberfläche; ca—auch; eva—gewiß; tumulaƒ—tosend;
König; kuntī-putraƒ—der Sohn Kuntīs; yudhi˜hiraƒ— abhyanunādayan—durch Widerhall.
Yudhi˜hira; nakulaƒ—Nakula; sahadevaƒ—Sahadeva;
ca—und; sughoa-maŠipupakau-die Muscheln namens ÜBERSETZUNG
Sughoa und MaŠipupaka; kāśyaƒ-der König von Kāśī
oder VārāŠasī; ca—und; paramevāsaƒ-der große Der Klang der verschiedenen Muschelhörner wurde
Bogenschütze; śikhaŠī—ŚikhaŠī; ca—auch; tosend, und da er sowohl im Himmel als auch auf der
mahā-rathaƒ—jemand, der allein gegen Tausende kämpfen Erde widerhallte, zerriß er die Herzen der Söhne
kann; dh˜adyumnaƒ—Dh˜adyumna (der Sohn Dhtarā˜ras.
Drupadas); virā˜aƒ—Virā˜a (der Prinz, der den PāŠavas
Zuflucht gewāhrte, als sie sich verbergen mußten); ca— ERLÄUTERUNG
auch; sātyakiƒ—Sātyaki (auch Yuyudhāna genannt, der
Wagenlenker Śrī KŠas); ca—und; aparājitaƒ-die niemals Als Bhīma und die anderen Krieger auf der Seite
zuvor besiegt worden waren; drupadaƒ—Drupada, der Duryodhanas ihre jeweiligen Muschelhörner ertönen
König von Pāñcāla; draupadeyāƒ-die Söhne Draupadīs; ließen, gab es auf der Seite der PāŠavas kein
ca—auch; sarvaśaƒ—alle; pthivī-pate—o König; Herzzerreißen. Vorkommnisse dieser Art werden nicht
saubhadraƒ-der Sohn Subhadrās (Abhimanyu); ca—auch; erwähnt, doch heißt es in eben diesem Vers, daß die Herzen
mahā-bāhuƒ—mächtig bewaffnet; śa‰khān— der Söhne Dhtarā˜ras von den Klängen zerrissen wurden,
Muschelhörner; dadhmuƒ—bliesen; pthak pthak—jeder die die Partei der PāŠavas erzeugte. Dies ist auf die
für sich. PāŠavas und ihr Vertrauen auf Śrī KŠa zurückzuführen.
Jemand, der beim Höchsten Herrn Zuflucht sucht, hat selbst
ÜBERSETZUNG inmitten des größten Unheils nichts zu fürchten.

König Yudhi˜hira, der Sohn Kuntīs, ließ sein VERS 20


Muschelhorn, das Anantavijaya, ertönen, und Nakula
und Sahadeva bliesen das Sughoa und das atha vyavasthitān d˜vā
MaŠipupaka. Der große Bogenschütze, nämlich der dhārtarā˜rān kapi-dhvajaƒ
König von Kāśī, der große Kämpfer ŚikhaŠī, pravtte śastra-sampāte
Dh˜adyumna, Virā˜a und der unbezwingbare Sātyaki, dhanur udyamya pāŠavaƒ
Drupada, die Söhne Draupadīs und die anderen, o hīkeśaˆ tadā vākyam
König, wie der Sohn Subhadrās, ließen ebenfalls, idam āha mahī-pate
mächtig bewaffnet, ihre jeweiligen Muschelhörner
erschallen. atha—darauf; vyavasthitān—sich befindend; d˜vā—
betrachtend; dhārtarā˜rān—die Söhne Dhtarā˜ras;
ERLÄUTERUNG kapi-dhvajaƒ-jemand, dessen Fahne mit dem Zeichen
Hanumāns versehen ist; pravtte-während er gerade daran
Sañjaya gab König Dhtarā˜ra mit sehr viel Feingefühl zu ging; śastra-sampāte—die Pfeile abzuschießen; dhanuƒ—
verstehen, daß seine unkluge Politik, die Söhne PāŠus zu Bogen; udyamya—nachdem er aufgenommen hatte;
betrügen und sich darum zu bemühen, die eigenen Söhne pāŠavaƒ—der Sohn PāŠus (Arjuna); hīkeśam—zu Śrī
auf den Thron des Königreichs zu bringen, nicht sehr KŠa; tadā—da; vākyam—Worte; idam—diese; āha—
lobenswert sei. sprach; mahī-pate—o König.
28

kann, wer hier anwesend ist, wen es zu kämpfen gelüstet


ÜBERSETZUNG und mit wem ich mich in dieser großen Schlacht zu
messen habe.
O König, da nahm Arjuna, der Sohn PāŠus, der auf
seinem Streitwagen saß und dessen Fahne mit dem ERLÄUTERUNG
Zeichen Hanumāns versehen war, seinen Bogen auf und
machte sich bereit, seine Pfeile abzuschießen, während Obwohl Śrī KŠa die Höchste Persönlichkeit Gottes ist,
er nach den Söhnen Dhtarā˜ras blickte. O König, betätigte Er Sich aus Seiner grundlosen Barmherzigkeit im
daraufhin sprach Arjuna zu Hīkeśa [KŠa] die Dienst Seines Freundes. Er fehlt niemals darin, Seine
folgenden Worte. Geweihten zuneigungsvoll zu behandeln, und deshalb wird
Er hier als unfehlbar bezeichnet. Als Wagenlenker mußte
ERLÄUTERUNG Er Arjunas Befehle ausführen, und da Er nicht zögerte, dies
zu tun, wird Er als unfehlbar bezeichnet. Obwohl Er die
Die Schlacht sollte jeden Augenblick beginnen. Man kann Rolle des Wagenlenkers Seines Geweihten angenommen
aus der obigen Darstellung verstehen, daß die Söhne hatte, war Seine Stellung als der Höchste nicht in Frage
Dhtarā˜ras entmutigt waren, als sie die unerwartete gestellt. Unter allen Umständen ist Er die Höchste
Aufstellung der Streitkräfte der PāŠavas sahen, die durch Persönlichkeit Gottes, Hīkeśa, der Herr der Gesamtheit
die direkten Unterweisungen Śrī KŠas auf dem aller Sinne. Die Beziehung zwischen dem Herrn und
Schlachtfeld geführt wurden. Seinem Diener ist sehr süß und transzendental. Der Diener
Das Emblem Hanumāns auf der Fahne Arjunas ist ein ist immer bereit, dem Herrn einen Dienst zu leisten, und in
weiteres Zeichen des Sieges, denn Hanumān stellte sich in ähnlicher Weise sucht auch der Herr immer nach einer
der Schlacht zwischen Rāma und RāvaŠa auf die Seite Śrī Gelegenheit, Seinem Geweihten irgendeinen Dienst zu
Rāmas, und Śrī Rāma war siegreich. Jetzt waren sowohl erweisen. Er findet größere Freude daran, wenn Sein reiner
Rāma als auch Hanumān auf dem Streitwagen Arjunas Geweihter die vorteilhafte Stellung einnimmt, Ihm zu
anwesend, um Arjuna beizustehen. Śrī KŠa ist Rāma befehlen, als wenn Er es ist, der Befehle erteilt. Da Er der
Selbst, und wo immer Śrī Rāma Sich aufhält, dort sind auch Meister ist, muß jeder Seinen Anordnungen nachkommen -
Sein ewiger Diener Hanumān und Seine ewige Gefährtin niemand steht über Ihm, der Ihm Befehle geben könnte -,
Sītā, die Glücksgöttin, anzutreffen. doch wenn Er sieht, daß ein reiner Gottgeweihter Ihm
Es gab daher für Arjuna keinen Grund, irgendwelche befiehlt, erfährt Er transzendentale Freude, obwohl Er der
Feinde zu fürchten. Und vor allem war der Herr der Sinne, unfehlbare Herr aller Umstände ist.
Śrī KŠa, persönlich gegenwärtig, um ihm Weisungen zu Als ein reiner Geweihter des Herrn hatte Arjuna kein
erteilen. Was also die Durchführung der Schlacht betraf, so Verlangen, mit seinen Vettern und Brüdern zu kämpfen,
standen Arjuna alle guten Ratschläge zur Verfügung. In doch durch den Starrsinn Duryodhanas, der niemals
solch glückverheißenden Umständen, die vom Herrn für irgendeinem Friedensangebot zugestimmt hatte, war er
Seinen Geweihten geschaffen worden waren, lagen die gezwungen, auf das Schlachtfeld zu kommen. Voller
Zeichen sicheren Sieges. Erwartung wollte er deshalb sehen, wer die auf dem
Schlachtfeld versammelten führenden Persönlichkeiten
VERS 21-22 waren. Obwohl eine Friedensbemühung auf dem
Schlachtfeld ausgeschlossen war, wollte er sie dennoch
arjuna uvāca wiedersehen und sehen, wie sehr sie danach drängten,
senayor ubhayor madhye diesen unerwünschten Krieg zu führen.
rathaˆ sthāpaya me'cyuta
yāvad etān nirīke'haˆ VERS 23
yoddhu-kāmān avasthitān
kair mayā saha yoddhavyam yotsyamānān aveke'haˆ
asmin raŠa-samadyame ya ete'tra samāgatāƒ
dhārtarā˜rasya durbuddher
arjunaƒ—Arjuna; uvāca—sagte; senayoƒ—der Heere; yuddhe priya-cikīravaƒ
ubhayoƒ—beider Parteien; madhye—zwischen sie;
ratham—den Streitwagen; sthāpaya—bitte lenke; me— yotsyamānān—diejenigen, die kämpfen werden; aveke—
meinen; acyuta—o Unfehlbarer; yāvat—solange wie; laß mich sehen; aham—ich; ye—die; ete—jene; atra—hier;
etān—alle diese; nirīke—betrachten möge; aham—ich; samāgatāƒ—versammelt; dhārtarā˜rasya—der Sohn
yoddhu-kāmān—kampflustig; avasthitān—auf dem Dhtarā˜ras; durbuddheƒ—bösartig; yuddhe—im Kampf;
Schlachtfeld aufgestellt; kaiƒ—mit wem; mayā—von mir; priya—gut; cikīravaƒ—wünschend.
saha—mit; yoddhavyam—zu kämpfen mit; asmin—in
diesem; raŠa—Kampf; samadyame—bei dem Versuch. ÜBERSETZUNG

ÜBERSETZUNG Laß mich diejenigen sehen, die hierher gekommen sind,


um zu kämpfen und so den bösartigen Sohn
Arjuna sagte: O Unfehlbarer, bitte lenke meinen Dhtarā˜ras zu erfreuen.
Streitwagen zwischen die beiden Heere, damit ich sehen
29

ERLÄUTERUNG sarveāˆ ca mahīkitām


uvāca pārtha paśyaitān
Es war ein offenes Geheimnis, daß Duryodhana in samavetān kurūn iti
Zusammenarbeit mit seinem Vater Dhtarā˜ra durch üble
Machenschaften das Königreich der PāŠavas an sich bhīma—Großvater Bhīma; droŠa—DroŠa, der Lehrer;
reißen wollte. Daher mußten all jene die sich Duryodhana pramukhataƒ—vor; sarveām—allen; ca—auch;
angeschlossen hatten, von gleicher Gesinnung sein. Arjuna mahīkitām—Herrscher der Welt; uvāca—sagte; pārtha—o
wollte sie vor Beginn des Kampfes auf dem Schlachtfeld Partha (Sohn Pthās); paśya—betrachte nur; etān—sie alle;
sehen, nur um zu erfahren, um wen es sich handelte; er samavetān—versammelt; kurūn—alle Mitglieder der
hatte nicht die Absicht, ihnen Friedensverhandlungen Kuru-Dynastie; iti—so.
vorzuschlagen. Es war auch eine Tatsache, daß er sie sehen
wollte, um die Stärke abzuschätzen, der er zu begegnen ÜBERSETZUNG
hatte, obgleich er sich des Sieges völlig sicher war, da
KŠa an seiner Seite saß. In Gegenwart von Bhīma, DroŠa und allen anderen
Herrschern der Welt sprach Hīkeśa, der Herr: O
VERS 24 Pārtha, sieh nur all die Kurus, die sich hier versammelt
haben.
sañjaya uvāca
evam ukto hīkeśo ERLÄUTERUNG
guākeśena bhārata
senayor ubhayor madhye Als die Überseele aller Lebewesen konnte Śrī KŠa
sthāpayitvā rathottamam verstehen, was in Arjunas Geist vorging. Der Gebrauch des
Wortes hīkeśa in diesem Zusammenhang weist darauf
sañjayaƒ-Sañjaya; uvāca—sprach; evam—so; uktaƒ— hin, daß Er alles wußte. Und auch das Wort pārtha, was
angesprochen; hīkeśaƒ—Śrī KŠa; guākeśena—von soviel bedeutet wie "Sohn Kuntīs oder Pthās", ist im
Arjuna; bhārata—o Nachkomme Bhāratas [Dhtarā˜ra]; Zusammenhang mit Arjuna ähnlich wichtig. Als Freund
senayoƒ—der Heere; ubhayoƒ—beider; madhye—in der wollte KŠa Arjuna zu verstehen geben, daß Er
Mitte von; sthāpayitvā—indem Er stellte; ratha-uttamam— eingewilligt hatte, sein Wagenlenker zu sein, weil Arjuna
den höchst vortrefflichen Streitwagen. der Sohn Pthās, der Schwester Seines Vaters Vasudeva,
war. Was aber meinte KŠa nun, als Er zu Arjuna sagte
ÜBERSETZUNG "Betrachte nur die Kurus"? Wollte Arjuna jetzt innehalten
und nicht kämpfen? KŠa erwartete niemals so etwas von
Sañjaya sprach: O Nachkomme Bhāratas, so von dem Sohn Seiner Tante Pthā. Die Geisteshaltung Arjunas
Arjuna angesprochen lenkte Śrī KŠa den wurde so vom Herrn in freundschaftlichem Scherzen
vortrefflichen Streitwagen zwischen die Heere beider vorhergesagt.
Parteien.
VERS 26
ERLÄUTERUNG
tatrāpaśyat sthitān pārthaƒ
In diesem Vers wird Arjuna als Guākeśa bezeichnet. pit n atha pitāmahān
Guāka bedeutet „Schlaf“, und jemand, der den Schlaf ācāryān mātulān bhrāt n
bezwingt, wird guākeśa genannt. Schlaf bedeutet auch putrān pautrān sakhīˆs tathā
Unwissenheit. Also bezwang Arjuna dank seiner śvaśurān suhdaś caiva
Freundschaft mit KŠa sowohl Schlaf als auch senayor ubhayor api
Unwissenheit. Als ein großer Geweihter KŠas konnte er
KŠa nicht einmal für einen Augenblick vergessen, da dies tatra—dort; apaśyat—er konnte sehen; sthitān—stehend;
das Wesen eines Gottgeweihten ist. Ob im Wach- oder im pārthaƒ—Arjuna; pit n—Väter; atha—auch; pitāmahān—
Schlafzustand - ein Geweihter des Herrn kann niemals Großväter; ācāryān—Lehrer; mātulān—Onkel
davon frei sein, an KŠas Namen, Gestalt, Eigenschaften mütterlicherseits; bhrāt n—Brüder; putrān—Söhne;
und Spiele zu denken. So kann ein Geweihter KŠas pautrān—Enkel; sakhīn—Freunde; tathā—auch;
sowohl Schlaf als auch Unwissenheit bezwingen, indem er śvaśurān—Schwiegerväter; suhdaƒ—Gönner; ca—auch;
einfach unablässig an KŠa denkt. Das nennt man KŠa- eva—gewiß; senayoƒ-der Heere; ubhayoƒ—beider Parteien;
Bewußtsein oder samādhi. Als Hīkeśa oder der Lenker api—einschließlich.
der Sinne und des Geistes eines jeden Lebewesens konnte
KŠa Arjunas Absicht verstehen, als dieser Ihm befahl, den ÜBERSETZUNG
Streitwagen zwischen beide Heere zu lenken. Er folgte also
dieser Anweisung und sprach dann wie folgt. Da konnte Arjuna, der mitten zwischen den Heeren
beider Parteien stand, seine Väter, Großväter, Lehrer,
VERS 25 Onkel mütterlicherseits, Brüder, Söhne, Enkel, Freunde
und auch seine Schwiegerväter und seine Gönner
bhīma-droŠa-pramukhataƒ erkennen - alle waren dort versammelt.
30

durch Bildung und Kultur auf dem Gebiet materieller


ERLÄUTERUNG Befähigungen auch noch so fortgeschritten sein. Daher
wurde Arjuna, als er seine Familienangehörigen, seine
Auf dem Schlachtfeld konnte Arjuna alle möglichen Freunde und Verwandten auf dem Schlachtfeld gesehen
Verwandten sehen. Er erkannte Persönlichkeiten wie hatte, sogleich von Mitleid mit ihnen überwältigt, die sie
Bhūriśravā, die Altersgenossen seines Vaters waren, sowie sich entschieden hatten, gegeneinander zu kämpfen. Was
seine Großväter Bhīma und Somadatta, Lehrer wie seine eigenen Soldaten betraf, so hatte er von Anfang an
DroŠācārya und Kpācārya, Onkel mütterlicherseits wie Mitgefühl, doch empfand er jetzt auch Mitleid mit den
Śalya und Śakuni, Brüder wie Duryodhana, Söhne wie Soldaten der gegnerischen Partei, da er ihren
LakmaŠa, Freunde wie Aśvatthāmā, Gönner wie unausweichlichen Tod voraussah. Bei diesen Gedanken
Ktavarmā usw. Auch konnte er in den Heeren viele seiner begannen seine Glieder zu zittern, und sein Mund wurde
Freunde erkennen. trocken. Es verwundene ihn eigentlich, sie so kampflustig
zu sehen. Nahezu die gesamte Gemeinschaft, das heißt alle
VERS 27 Blutsverwandten Arjunas, war gekommen, um gegen ihn zu
kämpfen. Dies überwältigte einen gutherzigen
tān samīkya sa kaunteyaƒ Gottgeweihten wie Arjuna. Obwohl es hier nicht erwähnt
sarvān bandhūn avasthitān wird, kann man sich vorstellen, daß nicht nur Arjunas
kpayā parayāvi˜o Glieder zitterten und sein Mund austrocknete, sondern daß
viīdann idam abravīt er auch aus Mitleid weinte. Solche Merkmale Arjunas
beruhten nicht auf Schwäche, sondern auf Weichherzigkeit,
tān—sie alle; samīkya—nachdem er sie gesehen hatte; einem Merkmal eines reinen Gottgeweihten. Deshalb heißt
saƒ—er; kaunteyaƒ—der Sohn Kuntīs; sarvān—alle es:
möglichen; bandhūn—Verwandten; avasthitān—sich
befindend; kpayā—von Mitleid; parayā—hohen Grades; yasyāsti bhaktir bhagavaty akiñcanā
āvi˜aƒ—überwältigt von; viīdan—während er klagte; sarvair guŠais tatra samāste surāƒ
idam—so; abravīt—sprach. harāv abhaktasya kuto mahad-guŠā
mano-rathenāsati dhāvato bahiƒ
ÜBERSETZUNG
"Wer unerschütterliche Hingabe an die Höchste
Als der Sohn Kuntīs, Arjuna, all diese verschiedenen Persönlichkeit Gottes hat, besitzt alle guten Eigenschaften
Grade von Freunden und Verwandten sah, wurde er der Halbgötter. Wer aber kein Geweihter des Herrn ist,
von Mitleid überwältigt und sprach wie folgt. verfügt nur über materielle Fähigkeiten, die von geringem
Wert sind. Dies ist so, weil er sich auf der Ebene des
VERS 28 Geistes bewegt und mit Sicherheit von der flimmernden
materiellen Energie betört wird." (SB. 5.18.12)
arjuna uvāca
d˜vemaˆ svajanaˆ kŠa VERS 29
yuyutsuˆ samupasthitam
sīdanti mama gātrāŠi vepathuś ca śarīre me
mukhaˆ ca pariśuyati roma-haraś ca jāyate
gāŠīvaˆ sraˆsate hastāt
arjunaƒ—Arjuna; uvāca—sagte; d˜vā—nachdem ich tvak caiva paridahyate
gesehen habe; imam—all diese; svajanam—Verwandten;
kŠa—o KŠa; yuyutsum—alle voll Kampflust; vepathuƒ—Zittern des Körpers; ca—auch; śarīre—auf dem
samupasthitam—alle anwesend; sīdanti—zitternd; mama— Körper; me—meinem; roma-haraƒ—Haarsträuben; ca—
meine; gātrāŠi-Glieder des Körpers; mukham—Mund; ca— auch; jāyate—geschieht; gāŠīvam—der Bogen Arjunas;
auch; pariśuyati—austrocknend. sraˆsate—gleitet; hastāt—aus den Händen; tvak—Haut;
ca—auch; eva— gewiß; paridahyate—brennend.
ÜBERSETZUNG
ÜBERSETZUNG
Arjuna sagte: Mein lieber KŠa, beim Anblick meiner
Freunde und Verwandten, die so kampflustig vor mir Mein ganzer Körper zittert, und meine Haare sträuben
stehen, fühle ich, wie mir die Glieder zittern und mein sich. Mein Bogen GāŠīva gleitet mir aus der Hand und
Mund austrocknet. meine Haut brennt.

ERLÄUTERUNG ERLÄUTERUNG

Jeder, der echte Hingabe an den Herrn besitzt, birgt in sich Es gibt zwei Arten des Körperzitterns und zwei Arten des
alle guten Eigenschaften, die man bei göttlichen Menschen Sichsträubens von Haaren. Solche Phänomene treten
oder bei den Halbgöttern findet, wohingegen dem entweder in großer spiritueller Ekstase oder aus großer
Nichtgottgeweihten göttliche Eigenschaften fehlen, mag er Angst unter materiellen Bedingungen auf. Im Falle
31

transzendentaler Erkenntnis gibt es keine Angst. Arjunas na—noch; ca—auch; śreyaƒ—Gutes; anupaśyāmi—sehe
Merkmale in dieser Lage entspringen materieller Angst, ich voraus, hatvā—durch Töten; svajanam—eigene
nämlich der Befürchtung, das Leben zu verlieren. Diese Verwandte; āhave—im Kampf; na—noch; kā‰ke-wünsche
Tatsache ist auch an anderen Merkmalen erkennbar: so ich mir; vijayam—Sieg; kŠa—o KŠa; na—noch; ca—
wurde er zum Beispiel so ungeduldig, daß ihm sein auch; rājyam—Königreich; sukhāni—Glück durch; ca—
berühmter Bogen GāŠīva aus den Händen glitt, und weil auch.
sein Herz im Innern brannte, spürte er ein Brennen auf der
Haut. All diese Dinge rühren von einer materiellen ÜBERSETZUNG
Lebensauffassung her.
Ich kann nicht sehen, wie etwas Gutes entstehen kann,
VERS 30 wenn ich meine eigenen Verwandten in dieser Schlacht
töte; noch kann ich, mein lieber KŠa,
na ca śaknomy avasthātuˆ Folgeerscheinungen wie Sieg, Königreich oder Glück
bhramatīva ca me manaƒ begehren.
nimittāni ca paśyāmi
viparītāni keśava ERLÄUTERUNG

na—noch; ca—auch; śaknomi—bin ich imstande; Ohne zu wissen, daß ViŠu oder KŠa ihr wahres
avasthātum—zu bleiben; bhramati—vergessend; iva—wie; Selbstinteresse ist, fühlen sich bedingte Seelen zu
ca—und; me—mein; manaƒ—Geist; nimittāni—verursacht; körperlichen Beziehungen hingezogen, in der Hoffnung,
ca—auch; paśyāmi—ich sehe voraus; viparītāni—genau das auf diese Weise glücklich zu werden. In ihrer Verblendung
Gegenteil; keśava—o Vernichter des Dämons Keśī (KŠa). vergessen sie, daß KŠa auch die Ursache materiellen
Glücks ist. Arjuna scheint sogar die für einen katriya
ÜBERSETZUNG geltenden Moralgesetze vergessen zu haben. Man sagt, daß
zwei Arten von Menschen in den Sonnenplaneten eingehen
Ich bin jetzt nicht imstande, hier noch länger können, der so mächtig und gleißend ist, nämlich der
stehenzubleiben. Ich vergesse mich, und mein Geist katriya, der in den vordersten Reihen der Schlachtordnung
taumelt. Ich sehe nur Unheil drohen, o Töter des unter KŠas direkten Befehlen fällt, und der Mensch im
Dämons Keśī. Lebensstand der Entsagung, der spiritueller Kultur absolut
hingegeben ist. Arjuna widerstrebt es sogar, seine Feinde zu
ERLÄUTERUNG töten, von seinen Verwandten ganz zu schweigen. Er
dachte, es gäbe kein Glück in seinem Leben, wenn er seine
Aufgrund seiner Unruhe war es Arjuna nicht möglich, Verwandten tötete, und deshalb wollte er nicht kämpfen,
länger auf dem Schlachtfeld zu bleiben, und er vergaß sich, ebenso wie ein Mensch, der keinen Hunger verspürt, nichts
weil sein Geist schwach war. Wenn jemand zu sehr an kochen möchte. Er hat sich jetzt entschlossen, in den Wald
materiellen Dingen hängt, führt ihn dies in einen zu gehen und ein einsames Leben in Enttäuschung zu
verwirrenden Daseinszustand. Bhayam dvitīyābiniveśataƒ: verbringen. Doch als katriya braucht er ein Königreich für
Solche Furcht und der Verlust des geistigen Gleichgewichts seinen Unterhalt, denn katriyas können nicht irgendeiner
treten bei Menschen auf, die zu sehr von materiellen anderen Beschäftigung nachgehen. Aber Arjuna besaß kein
Umständen beeinflußt werden. Arjuna sah vor seinem Königreich. Arjunas einzige Möglichkeit, ein Königreich
geistigen Auge nur Unglück auf dem Schlachtfeld - er wäre zu gewinnen, bestand darin, mit seinen Vettern und
nicht einmal glücklich, wenn er den Feind besiegte. Das Brüdern zu kämpfen und das Königreich zurückzufordern,
Wort nimitta ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung. das er von seinem Vater geerbt hatte. Aber das möchte er
Wenn ein Mann in seinen Erwartungen nur Enttäuschung nicht. Deshalb hält er es für das beste, in den Wald zu
sieht, denkt er: "Warum bin ich Überhaupt hier?" Jeder ist gehen, um dort ein zurückgezogenes Leben der
an sich selbst und seinem eigenen Wohl interessiert. Enttäuschung zu fristen.
Niemand interessiert sich für das Höchste Selbst. Von
Arjuna wird erwartet, daß er sein Eigeninteresse VERS 32-35
zurückstellt und sich dem Willen KŠas fügt, der
jedermanns wahres Selbstinteresse ist. Die bedingte Seele kiˆ no rājyena govinda
vergißt dies und erleidet deshalb materielle Schmerzen. kiˆ bhogair jīvitena vā
Arjuna dachte, sein Sieg in der Schlacht werde für ihn nur yeām arthe kā‰kitaˆ no
ein Grund zum Klagen sein. rājyaˆ bhogāƒ sukhāni ca

VERS 31 ta ime'vasthitā yuddhe


prāŠāˆs tyaktvā dhanāni ca
na ca śreyo'nupaśyāmi ācāryāƒ pitaraƒ putrās
hatvā svajanam āhave tathaiva ca pitāmahāƒ
na kā‰ke vijayaˆ kŠa
na ca rājyaˆ sukhāni ca mātulāƒ śvaśurāƒ pautrāƒ
śyālāƒ sambandhinas tathā
32

etān na hantum icchāmi jedoch die entgegengesetzte Richtung einschlägt, das heißt
ghnato'pi madhusūdana versucht, die Sinne Govindas zu erfreuen, ohne dabei nach
eigener Sinnenbefriedigung zu trachten, gehen durch die
api trailokya-rājyasya Gnade Govindas alle Wünsche des Lebewesens in
hetoƒ kiˆ nu mahī-kte Erfüllung.
nihatya dhārtarā˜rān naƒ Hier zeigt sich ein wenig von Arjunas tiefer Zuneigung zu
kā prītiƒ syāj janārdana Gemeinschaft und Familienangehörigen, da er natürliches
Mitleid mit ihnen empfindet. Er ist daher nicht bereit zu
kim—welcher Nutzen; naƒ—für uns; rājyena—ist das kämpfen. Jeder will Freunden und Verwandten seinen
Königreich; govinda—o KŠa; kim—was; bhogaiƒ— Reichtum zeigen, aber Arjuna befürchtet, daß alle seine
Genuß; jīvitena—durch Leben; vā—entweder; yeām—für Verwandten und Freunde auf dem Schlachtfeld getötet
wen; arthe—für; kā‰kitam—begehrt; naƒ—unser; werden und daß er nach dem Sieg seinen Reichtum mit
rājyam—Königreich; bhogāƒ—materieller Genuß; ihnen nicht teilen kann. Dies ist eine typische Überlegung
sukhāni—alles Glück; ca—auch; te—sie alle; ime-diese; im materiellen Leben. Das transzendentale Leben ist jedoch
avasthitāƒ—sich befindend; yuddhe-auf diesem anders. Da ein Gottgeweihter die Wünsche des Herrn
Schlachtfeld; prāŠān—Leben; tyaktvā—aufgebend; erfüllen möchte, kann er, wenn der Herr es will, alle Arten
dhanāni—Reichtümer; ca—auch; ācāryāƒ—Lehrer; von Reichtum für den Dienst des Herrn annehmen, und
pitaraƒ—Väter; putrāƒ—Söhne; tathā—ebenso wie; eva— wenn der Herr es nicht will, sollte er keinen Heller
gewiß; ca—auch; pitāmahāƒ—Großväter; mātulāƒ—Onkel annehmen. Arjuna wollte seine Verwandten nicht töten,
mütterlicherseits; śvaśurāƒ—Schwiegerväter; pautrāƒ— und wenn es aus irgendeinem Grunde notwendig war, sie
Enkel; śyālāƒ—Schwäger; sambandhinaƒ—Verwandte; zu töten, wollte er, daß KŠa sie persönlich tötete. Zu
tathā—ebenso wie; etān—alle diese; na—niemals; diesem Zeitpunkt wußte er noch nicht, daß KŠa sie bereits
hantum—um zu töten; icchāmi—möchte ich; ghnataƒ— getötet hatte, bevor sie auf das Schlachtfeld kamen, und daß
getötet werden; api—sogar; madhusūdana—o Töter des er nur ein Werkzeug KŠas werden sollte. Diese Tatsache
Dämons Madhu (KŠa); api—selbst wenn; trailokya—der wird in späteren Kapiteln deutlich werden. Als ein
drei Welten; rājyasya—der Königreiche; hetoƒ—dafür; natürlicher Geweihter des Herrn wollte sich Arjuna an
kim—geschweige denn; nu—nur; mahī-kte—zum Wohle seinen ruchlosen Vettern nicht rächen; doch es war der Plan
der Erde; nihatya—indem ich töte; dhārtarā˜rān—die des Herrn, daß sie alle getötet werden sollten. Der
Söhne Dhtarā˜ras; naƒ—unsere; kā—welche; prītiƒ— Geweihte des Herrn rächt sich nicht an einem Übeltäter;
Freude; syāt—wird es geben; janārdana—o Erhalter aller aber der Herr duldet kein Unrecht, das Seinem Geweihten
Lebewesen. von Halunken zugefügt wurde. Der Herr kann jemand
verzeihen, wenn es Ihn Selbst betrifft, doch vergibt Er
ÜBERSETZUNG niemandem, der Seinen Geweihten Leid zugefügt hat.
Deshalb war der Herr entschlossen, die Halunken zu töten,
O Govinda, was nützen uns Königreiche, Glück oder obwohl Arjuna ihnen verzeihen wollte.
sogar das nackte Leben, wenn all jene, für die wir diese
Dinge begehren mögen, jetzt auf dem Schlachtfeld in VERS 36
Reih und Glied stehen? O Madhusūdana, wenn Lehrer,
Väter, Söhne, Großväter, Onkel mütterlicherseits, pāpam evāśrayed asmān
Schwiegerväter, Enkel, Schwäger und alle Verwandten hatvaitān atatāyinaƒ
bereit sind, ihr Leben und ihre Besitztümer aufzugeben, tasmān nārhā vayaˆ hantuˆ
und vor mir stehen - warum sollte ich da den Wunsch dhārtarā˜rān svabāndhavān
haben, sie zu töten, wenngleich ich selbst überleben svajanaˆ hi kathaˆ hatvā
mag? O Erhalter aller Geschöpfe, ich bin nicht bereit, sukhinaƒ syāma mādhava
mit ihnen zu kämpfen, nicht einmal, wenn ich dafür die
drei Welten bekäme, geschweige denn diese Erde. pāpam—Sünden; eva—gewiß; āśrayet—muß überkommen;
asmān—uns; hatvā—durch das Töten; etān—alle diese;
ERLÄUTERUNG ātatāyinaƒ—Angreifer; tasmāt-daher; na—niemals;
arhāƒ—verdienend; vayam—uns; hantum—zu töten;
Arjuna sprach Śrī KŠa als Govinda an, weil KŠa für die dhārtarā˜rān-die Söhne Dhtarā˜ras; svabāndhavān—
Kühe und die Sinne der Gegenstand aller Freude ist. Indem zusammen mit Freunden; svajanam—Verwandten; hi—
er dieses bedeutungsvolle Wort gebraucht, deutet Arjuna gewiß; katham—wie; hatvā-durch Töten; sukhinaƒ—
an, was seine Sinne zufriedenstellen wird. Obwohl Govinda glücklich; syāma—werden; mādhava—o KŠa, Gemahl
nicht dafür da ist, unsere Sinne zu befriedigen, ist es doch der Glücksgöttin.
so, daß dann, wenn wir die Sinne Govindas erfreuen,
unsere eigenen Sinne von selbst zufrieden sind. Im ÜBERSETZUNG
materiellen Bewußtsein möchte jeder seine eigenen Sinne
befriedigen, und Gott soll der Lieferant für diese Sünde wird über uns kommen, wenn wir solche
Befriedigung sein. Der Herr wird die Sinne der Lebewesen Angreifer erschlagen. Deshalb ist es nicht richtig, die
in dem Maße befriedigen, wie sie es verdienen, doch nicht Söhne Dhtarā˜ras und unsere Freunde zu töten. Was
in dem Maße, wie es sie vielleicht gelüstet. Wenn man können wir schon gewinnen, o KŠa, Gemahl der
33

Glücksgöttin, und wie können wir glücklich sein, wenn kula-kaya-ktaˆ doaˆ
wir unsere eigenen Verwandten erschlagen? prapaśyadbhir janārdana

ERLÄUTERUNG yadi—wenn; api—gewiß; ete—sie; na—nicht; paśyanti—


sehen; lobha—Gier; upahata—überwältigt; cetasaƒ—die
Vedischen Unterweisungen gemäß gibt es sechs Arten von Herzen; kula-kaya—mit dem Töten der Familie; ktam—
Angreifern: (1) jemand, der andere vergiftet; (2) jemand, getan; doam—Fehler; mitra-drohe—Streiten mit Freunden;
der das Haus in Brand setzt; (3) jemand, der mit tödlichen ca—auch; pātakam—sündhafte Reaktionen; katham—
Waffen angreift; (4) jemand, der Besitztum plündert; (5) warum; na—werden nicht; jñeyam—dies wissen;
jemand, der eines anderen Land besetzt, und (6) jemand, asmābhiƒ—von uns; pāpāt—von Sünden; asmāt—wir
der eines anderen Frau entführt. Solche Angreifer müssen selbst; nivartitum—aufhören; kula-kaya—die Zerstörung
sofort getötet werden, und man begeht keine Sünde, wenn einer Dynastie; ktam—wenn man so handelt; doam—
solche Angreifer das Leben verlieren. Für einen Verbrechen; prapaśyadbhiƒ—von denen, die sehen können;
gewöhnlichen Menschen ist es durchaus angebracht, solche janārdana—o KŠa.
Angreifer zu töten; doch Arjuna war kein gewöhnlicher
Mensch. Dem Charakter nach war er ein Heiliger, und ÜBERSETZUNG
deshalb wollte er sich ihnen gegenüber wie ein solcher
verhalten; aber solche Art von Heiligkeit ist nichts für einen O Janārdana, zwar sehen diese Männer, von Gier
katriya. Obwohl es notwendig ist, daß ein verantwortlicher überwältigt, keinen Fehler darin, die eigene Familie zu
Mensch in der Verwaltung eines Staates heilige töten oder mit Freunden zu streiten, aber warum sollten
Eigenschaften hat, sollte er kein Feigling sein. Śrī Rāma wir, im Wissen um diese Sünde, genauso handeln?
zum Beispiel war so fromm, daß sich alle Menschen
wünschten, in Seinem Königreich (Rāma-rājya) zu leben, ERLÄUTERUNG
aber Śrī Rāma zeigte nie auch nur die geringsten Anzeichen
von Feigheit. RāvaŠa griff Rāma an, da er Rāmas Frau, Ein katriya darf sich eigentlich nicht weigern, an einem
Sītā, raubte, doch Rāma erteilte ihm ausreichende Lehren, Kampf oder Glücksspiel teilzunehmen, wenn er von einer
die in der Geschichte der Welt nicht ihresgleichen finden. rivalisierenden Partei dazu aufgefordert wird. Gemäß dieser
In Arjunas Fall sollte man indes die besondere Art der Verpflichtung durfte sich Arjuna also im Grunde nicht
Angreifer bedenken, nämlich sein eigener Großvater, der weigern zu kämpfen, da er von der Partei Duryodhanas
eigene Lehrer, Freunde, Söhne, Enkel usw. Ihretwegen herausgefordert worden war. In diesem Falle jedoch, so
dachte Arjuna, daß er nicht die schweren Schritte überlegte Arjuna, mochte die andere Seite den
unternehmen sollte, die bei gewöhnlichen Angreifern Auswirkungen einer solchen Herausforderung gegenüber
notwendig sind. Außerdem wird heiligen Menschen blind sein. Arjuna hingegen konnte die üblen Folgen
angeraten zu verzeihen. Solche Anweisungen für heilige voraussehen und wollte die Herausforderung deshalb nicht
Menschen sind wichtiger als jeder politische Notstand. annehmen. Eine Verpflichtung ist erst dann wirklich
Arjuna war der Meinung, es sei besser, seinen Verwandten bindend, wenn die Auswirkung gut ist - wenn aber die
aus religiösen Gründen zu verzeihen und ein heiliges Auswirkung anders geartet ist, kann niemand verpflichtet
Verhalten zu bewahren, als sie aus politischen Erwägungen werden. Indem Arjuna so das Für und Wider in Betracht
zu töten. Er hielt daher solches Töten, nur um zeitweiligen, zog, entschloß er sich, nicht zu kämpfen.
körperlichen Glücks willen, nicht für vorteilhaft.
Schließlich sind Königreiche und andere so gewonnene VERS 39
materielle Freuden nicht beständig; warum sollte er also
sein Leben und seine ewige Erlösung aufs Spiel setzen, kula-kaye praŠaśyanti
indem er seine eigenen Verwandten tötete? Daß Arjuna kula-dharmāƒ sanātanāƒ
KŠa als "Mādhava" oder "Gemahl der Glücksgöttin" dharme na˜e kulaˆ ktsnam
ansprach, ist in diesem Zusammenhang ebenfalls von adharmo'bhibhavaty uta
Bedeutung. Er wollte darauf hinweisen, daß KŠa als
Gemahl der Glücksgöttin ihn nicht dazu verleiten sollte, kula-kaye—wenn man die Familie zerstört; praŠaśyanti—
sich mit etwas zu befassen, das letztlich nur Unglück wird vernichtet; kula-dharmāƒ—die Familientradition;
bringen wurde. KŠa jedoch bringt niemandem Unglück, sanātanāƒ—ewig; dharme—in Religion; na˜e-wenn sie
vor allem nicht Seinen Geweihten. zerstört ist; kulam—Familie; ktsnam—gesamte;
adharmaƒ—irreligiös; abhibhavati—wandelt sich; uta—
VERS 37-38 man sagt.

yadyapy ete na paśyanti ÜBERSETZUNG


lobhopahata-cetasaƒ
kula-kaya-ktaˆ doaˆ Mit der Zerstörung der Dynastie wird die ewige
mitra-drohe ca pātakam Familientradition vernichtet, und so wird der Rest der
Familie in irreligiöse Praktiken verwickelt.
kathaˆ na jñeyam asmābhiƒ
pāpād asmān nivartitum ERLÄUTERUNG
34

natürlicherweise die Freiheit, nach Belieben zu handeln und


Im System der varŠāśrama-Einrichtung gibt es viele sich mit Männern einzulassen; dann steht dem Ehebruch
Prinzipien religiöser Traditionen, die den nichts mehr im Wege, wobei man Gefahr läuft, ungewollte
Familienmitgliedern helfen sollen, in rechter Weise Nachkommenschaft zu zeugen. Auch unverantwortliche
aufzuwachsen und spirituelle Werte zu erwerben. Die Männer begünstigen den Ehebruch in der Gesellschaft, und
älteren Mitglieder sind für solche Läuterungsvorgänge in so überschwemmen ungewollte Kinder die menschliche
der Familie, die mit der Geburt beginnen und bis zum Tode Rasse, und es entstehen Gefahren wie Kriege und Seuchen.
angewandt werden, verantwortlich. Wenn aber die älteren
Mitglieder der Familie sterben, kann es geschehen, daß VERS 41
solche traditionsgemäßen Läuterungszeremonien in der
Familie eingestellt werden und die zurückbleibenden sa‰karo narakāyaiva
jüngeren Familienangehörigen irreligiöse Gewohnheiten kula-ghnānāˆ kulasya ca
entwickeln und dadurch ihre Gelegenheit zu spiritueller patanti pitaro hy eāˆ
Erlösung versäumen. Deshalb dürfen die älteren lupta-piŠodaka-kriyāƒ
Familienangehörigen unter keinen Umständen getötet
werden. sa‰karaƒ—solche ungewollten Kinder; narakāya—für
höllisches Leben; eva—gewiß, kula-ghnānām—von denen,
VERS 40 die die Familie zerstören; kulasya—der Familie; ca—auch;
patanti—kommen zu Fall; pitaraƒ—Vorväter; hi—gewiß;
adharmābhibhavāt kŠa eām— von ihnen; lupta—eingestellt; piŠa—Opferung;
praduyanti kula-striyaƒ udaka—Wasser; kriyāƒ—Durchführung.
strīu du˜āsu vārŠeya
jāyate varŠa-sa‰karaƒ ÜBERSETZUNG

adharma—Irreligiosität; abhibhavāt—wenn sie Wenn ungewollte Bevölkerung zunimmt, entsteht


vorherrschend gewesen ist; kŠa—o KŠa; praduyanti— sowohl für die Familie als auch für diejenigen, die die
werden verunreinigt; kula-striyaƒ—Frauen der Familie; Familientradition zerstören, eine höllische Situation. In
strīu—der Frauen; du˜āsu—weil sie verdorben sind; solchen verdorbenen Familien werden den Vorvätern
vārŠeya—o Nachkomme VŠis; jāyate—so entsteht; weder Speise noch Wasser als Opfer dargebracht.
varŠa-sa‰karaƒ—ungewollte Nachkommenschaft.
ERLÄUTERUNG
ÜBERSETZUNG
Nach den Regeln und Vorschriften für fruchtbringende
O KŠa, wenn Irreligiosität in der Familie vorherrscht, Tätigkeiten muß man den Vorvätern der Familie in
verderben die Frauen der Familie, und wenn die Frauen bestimmten Zeitabständen Speise und Wasser opfern. Diese
entarten, o Nachkomme VŠis, entsteht ungewollte Opferung wird durchgeführt, indem man ViŠu verehrt,
Nachkommenschaft. denn wenn man die Reste der Nahrung zu sich nimmt, die
ViŠu geopfert wurde, kann man von allen Arten
ERLÄUTERUNG sündhafter Handlungen befreit werden. Manchmal mögen
die Vorväter unter vielfachen Arten sündhafter Reaktionen
Eine gute Bevölkerung in der menschlichen Gesellschaft ist leiden, und bisweilen können manche von ihnen nicht
das Grundprinzip für Frieden, Wohlstand und spirituellen einmal einen grobstofflichen Körper annehmen und sind
Fortschritt im Leben. Die Grundsätze der varŠāśrama- gezwungen, in feinstofflichen Körpern als Geister zu leben.
Religion waren so angelegt, daß die gute Bevölkerung in Wenn daher die Nachkommen ihren Vorvätern Überreste
der Gesellschaft überwog und so den allgemeinen von prasāda-Speisen opfern, werden die Ahnen von einem
spirituellen Fortschritt des Staates und der Gemeinschaft Leben als Geist oder anderen leidvollen Umständen befreit.
gewährleistete. Eine solche Bevölkerung hängt von der Es ist eine Familientradition, den Vorvätern auf diese
Keuschheit und Treue ihrer Frauen ab. So wie Kinder sehr Weise zu helfen, und jene, die kein gottergebenes Leben
dazu neigen, irregeführt zu werden, so neigen Frauen sehr führen, müssen solche Rituale vollziehen. Jemand, der ein
leicht zu Erniedrigung. Daher müssen sowohl die Kinder gottergebenes Leben führt, braucht solche Handlungen
als auch die Frauen von den älteren Familienmitgliedern nicht zu verrichten. Indem man einfach hingebungsvollen
beschützt werden. Wenn die Frauen mit verschiedenen Dienst ausführt, kann man Hunderte, ja Tausende von
religiösen Praktiken beschäftigt sind, werden sie nicht zum Vorvätern von allen Arten des Elends befreien. Im
Ehebruch verleitet. Nach CāŠakya PaŠita sind Frauen im Bhāgavatam (11.5.41) heißt es:
allgemeinen nicht sehr intelligent und deshalb nicht
vertrauenswürdig. Folglich sollten die verschiedenen devari-bhūtāpta-nŠāˆ pīt Šāˆ
Familientraditionen religiöser Tätigkeiten sie ständig na ki‰karo nāyamŠī ca rājan
beschäftigen; dann wird ihre Keuschheit und Hingabe eine sarvātmanā yaƒ śaraŠaˆ śaraŠyaˆ
gute Bevölkerung hervorbringen, die geeignet ist am gato mukundaˆ parihtya kartam
varŠāśrama-System teilzunehmen. Wenn solches
varŠāśrama-dharma scheitert, bekommen die Frauen
35

"Jeder, der bei den Lotosfüßen Mukundas, der Befreiung ÜBERSETZUNG


gewährt, Zuflucht gesucht und alle Arten von
Verpflichtungen aufgegeben hat und diesem Pfad mit allem O KŠa, Erhalter aller Menschen, ich habe durch die
Ernst folgt, ist weder den Halbgöttern noch den Weisen, Schülernachfolge gehört, daß diejenigen, die die
noch anderen Lebewesen, noch seinen Familienbräuche zerstören, für immer in der Hölle
Familienangehörigen, noch der Menschheit, noch den leiden.
Vorvätern verpflichtet."
Solche Verpflichtungen sind von selbst erfüllt, wenn man ERLÄUTERUNG
im hingebungsvollen Dienst für die Höchste Persönlichkeit
Gottes tätig ist. Arjuna stützt seinen Einwand nicht auf seine eigene,
persönliche Erfahrung, sondern auf das, was er von
VERS 42 Autoritäten gehört hat. Das ist der Weg, wirkliches Wissen
zu empfangen. Man kann nicht zum wirklichen Punkt
doair etaiƒ kula-ghnānāˆ tatsächlichen Wissens gelangen, ohne daß einem von der
varŠa-sa‰kara-kārakaiƒ richtigen Person geholfen wird, die bereits in diesem
utsādyante jāti-dharmāƒ Wissen verankert ist. In der Einrichtung des varŠāśrama
kula-dharmāś ca śāśvatāƒ gibt es ein System, das vorschreibt, daß man sich vor dem
Tod einer bestimmten Zeremonie unterzieht, um von seinen
doaiƒ—durch solche Fehler; etaiƒ—alle diese; sündhaften Handlungen geläutert zu werden. Wer ständig
kula-ghnānām—des Zerstörers einer Familie; sündigt, muß den als prāyaścitta bezeichneten
varŠa-sa‰kara—ungewollte Kinder; kārakaiƒ—von den Läuterungsvorgang nutzen. Wenn man dies nicht tut, wird
Handelnden; utsādyante-verursacht Verwüstung; man mit Sicherheit zu höllischen Planeten gebracht, um als
jāti-dharmāƒ—Gemeinschaftsvorhaben; kula-dharmāƒ— Folge sündiger Handlungen ein jammervolles Leben nach
Familientradition; ca—auch; śāśvatāƒ—ewig. dem anderen zu erleiden.

ÜBERSETZUNG VERS 44

Durch die üblen Machenschaften derer, die die aho bata mahat-pāpaˆ
Familientradition zerstören, werden alle möglichen kartuˆ vyavasitā vayam
gemeinschaftlichen Vorhaben und Tätigkeiten, die dem yad rājya-sukha-lobhena
Wohl der Familie dienen, zunichte gemacht. hantuˆ svajanam udyatāƒ

ERLÄUTERUNG ahaƒ—ach; bata—wie seltsam es ist; mahat—große;


pāpam—Sünden; kartum—zu begehen; vyavasitāƒ—
Die vier Einteilungen der menschlichen Gesellschaft, entschlossen; vayam—wir; yat—so daß; rājya—Königreich;
zusammen mit Tätigkeiten zum Wohl der Familie, wie sie sukha-lobhena—getrieben von der Gier nach königlichem
von der Einrichtung des sanātana-dharma oder Glück; hantum—zu töten; svajanam—Verwandten;
varŠāśrama-dharma vorgesehen sind, sollen es dem udyatāƒ—versuchen.
Menschen ermöglichen, seine endgültige Erlösung zu
erlangen. Wenn daher unverantwortliche Führer der ÜBERSETZUNG
Gesellschaft die Tradition des sanātana-dharma zerstören,
entsteht ein Chaos in dieser Gesellschaft, und als Folge Ach, wie seltsam es ist, daß wir, getrieben von dem
davon vergessen die Menschen das Ziel des Lebens - Wunsch, königliches Glück zu genießen, uns anschicken,
ViŠu. Solche Führer bezeichnet man als blind, und schwere sündhafte Taten zu begehen.
Menschen, die ihnen folgen, werden unweigerlich in ein
Chaos geführt. ERLÄUTERUNG

VERS 43 Wenn man von selbstsüchtigen Beweggründen getrieben


wird, schreckt man unter Umständen nicht einmal vor solch
utsanna-kula-dharmāŠāˆ sündigen Handlungen wie dem Mord an Bruder, Vater oder
manuyāŠāˆ janārdana Mutter zurück. Es gibt hierfür viele Beispiele in der
narake niyataˆ vāso Weltgeschichte. Arjuna aber ist sich als frommer Geweihter
bhavatīty anuśuśruma des Herrn stets moralischer Grundsätze bewußt und daher
bemüht, solche Tätigkeiten zu vermeiden.
utsanna—verdorben; kula-dharmāŠām—von denen, die die
Familienbräuche haben; manuyāŠām—von solchen VERS 45
Menschen; janārdana—o KŠa; narake—in der Hölle;
niyatam—immer; vāsaƒ—Aufenthaltsort; bhavati—es wird; yadi mām apratīkāram
iti—so; anuśuśruma—ich habe durch die Schülernachfolge aśastraˆ śastra-pāŠayaƒ
gehört. dhārtarā˜rā raŠe hanyus
tan me kemataraˆ bhavet
36

„Arjuna beobachtet die Heere auf dem Schlachtfeld von


yadi—selbst wenn; mām—mir; apratīkāram—ohne Kuruketra".
Widerstand zu leisten; aśastram—ohne voll ausgerüstet zu
sein; śastra-pāŠayaƒ—jene, die eine Waffe in der Hand
halten; dhārtarā˜rāƒ—die Söhne Dhtarā˜ras; raŠe—auf
dem Schlachtfeld; hanyuƒ—mögen töten; tat—das; me—
mich; kemataram—besser; bhavet—werden.

ÜBERSETZUNG

Ich hielte es für besser, wenn mich die Söhne


Dhtarā˜ras unbewaffnet und widerstandslos töteten,
als daß ich mit ihnen kämpfte.

ERLÄUTERUNG

Nach den Kampfregeln der katriyas ist es üblich, einen


unbewaffneten und unwilligen Gegner nicht anzugreifen.
Arjuna aber sah sich in einer solch verzwickten Lage, daß
er beschloß, nicht zu kämpfen, wenn der Feind ihn angriffe.
Er bedachte nicht, wie sehr die Gegenseite zum Kampf
drängte. All diese Merkmale sind darauf zurückzuführen,
daß er ein weiches Herz hatte, was von der Tatsache
herrührte, daß er ein großer Geweihter des Herrn war.

VERS 46

sañjaya uvāca
evam uktvārjunaƒ sa‰khye
rathopastha upāviśat
visjya sa-śaraˆ cāpaˆ
śoka-saˆvigna-mānasaƒ

sañjayaƒ—Sañjaya; uvāca—sagte; evam—so; uktvā—


sprechend; arjunaƒ—Arjuna; sa‰khye-auf dem
Schlachtfeld; ratha—Streitwagen; upasthaƒ—sich
befindend auf; upāviśat—setzte sich wieder hin; visjya—
beiseite legend; sa-śaram—zusammen mit Pfeilen; cāpam-
den Bogen; śoka—Klagen; saˆvigna—leidend; mānasaƒ—
im Geist.

ÜBERSETZUNG

Sañjaya sagte: Nachdem Arjuna diese Worte auf dem


Schlachtfeld gesprochen hatte, warf er Bogen und Pfeile
zur Seite und setzte sich, von Schmerz überwältigt, auf
dem Streitwagen nieder.

ERLÄUTERUNG

Während Arjuna seine Feinde beobachtete, stand er


aufrecht auf dem Streitwagen; doch dann wurde er von
solchem Schmerz überwältigt, daß er sich wieder
niedersetzte und Bogen und Pfeile beiseite legte. Wer so
gütig und weichherzig ist und sich zudem im
hingebungsvollen Dienst des Herrn betätigt, ist geeignet,
Wissen vom Selbst zu empfangen.

Hiermit enden die Bhaktivedanta-Erläuterungen zum


Ersten Kapitel der Śrīmad Bhagavad-gītā mit dem Titel:
37

ZWEITES KAPITEL
śrī bhagavān uvāca—die Höchste Persönlichkeit Gottes
sprach; kutaƒ—woher; tvā—zu dir; kaśmalam—Unreinheit;
Inhalt der Gītā zusammengefaßt idam—dieses Klagen; viame—in dieser Stunde der
Entscheidung; samupasthitam—kam; anārya—Menschen,
VERS 1 die den Wert des Lebens nicht kennen; ju˜am—ausgeübt
von; asvargyam—das, was nicht zu höheren Planeten führt;
sañjaya uvāca akīrti—Schande; karam—die Ursache von; arjuna—o
taˆ tathā kpayāvi˜am Arjuna.
aśru-pūrŠākulekaŠam
viīdantam idaˆ vākyam ÜBERSETZUNG
uvāca madhusūdanaƒ
Die Höchste Person [Bhagavān] sprach: Mein lieber
sañjayaƒ uvāca—Sañjaya sagte; tam—zu Arjuna; tathā— Arjuna, wie konnten diese Unreinheiten über dich
so; kpayā—von Mitleid; āvi˜am—überwältigt; kommen? Sie ziemen sich in keiner Weise für einen
aśru-pūrŠa—von Tränen erfüllt; ākula—niedergeschlagen; Mann, der die höheren Werte des Lebens kennt. Sie
īkaŠam—Augen; viīdantam—klagend; idam—diese; führen nicht zu höheren Planeten, sondern zu Schande.
vākyam—Worte; uvāca—sprach; madhusūdanaƒ—der
Töter Madhus. ERLÄUTERUNG

ÜBERSETZUNG KŠa und die Höchste Persönlichkeit Gottes sind identisch.


Deshalb wird Śrī KŠa die ganze Gīta hindurch als
Sañjaya sagte: Als Madhusūdana, KŠa, Arjuna voller "Bhagavān" bezeichnet. Bhagavān ist das endgültige in der
Mitleid und sehr betrübt sah, mit Tränen in den Augen, Absoluten Wahrheit. Die Absolute Wahrheit wird in drei
sprach Er die folgenden Worte. Verständnisphasen erkannt, nämlich als Brahman oder die
unpersönliche, alldurchdringende spirituelle Natur; als
ERLÄUTERUNG Paramātmā oder der lokalisierte Aspekt des Höchsten im
Herzen aller Lebewesen und als Bhagavān oder die Höchste
Materielles Mitleid, Klagen und Tränen sind alles Zeichen Persönlichkeit Gottes, Śrī KŠa. Im Śrīmad-Bhāgavatam
dafür, daß man das wirkliche Selbst nicht kennt. Mitleid (1.2.11) wird dieses Verständnis von der Absoluten
mit der ewigen Seele bedeutet Selbstverwirklichung. Das Wahrheit demgemäß erklärt:
Wort "Madhusūdana" ist in diesem Vers von Bedeutung.
Śrī KŠa tötete den Dämon Madhu, und jetzt wollte vadanti tat tattva-vidas tattvaˆ yaj jñānam advayam
Arjuna, daß KŠa den Dämon des Mißverständnisses brahmeti paramātmeti bhagavān iti śabdyate
vernichtete, der ihn während der Erfüllung seiner Pflicht
überwältigt hatte. Niemand weiß, worauf Mitleid gerichtet "Die Absolute Wahrheit wird von demjenigen, der Sie
werden soll. Mitleid mit der Kleidung eines Ertrinkenden kennt, in drei Aspekten wahrgenommen, die alle
ist sinnlos. Ein Mensch, der in das Meer der Unwissenheit miteinander identisch sind. Diese Aspekte der Absoluten
gefallen ist, kann nicht dadurch gerettet werden, daß man Wahrheit werden als Brahman, Paramātmā und Bhagavān
nur sein äußeres Gewand rettet - den groben materiellen bezeichnet."
Körper. Wer dies nicht weiß und um das äußere Gewand Diese drei göttlichen Aspekte können am Beispiel der
klagt, wird als śūdra bezeichnet oder jemand, der Sonne näher erklärt werden, die ebenfalls drei verschiedene
unnötigerweise jammert. Arjuna war ein katriya, und ein Aspekte hat, nämlich den Sonnenschein, die
solches Verhalten wurde nicht von ihm erwartet. Śrī KŠa Sonnenoberfläche und den Sonnenplaneten selbst. Wer nur
kann jedoch das Klagen des unwissenden Menschen den Sonnenschein studiert, befindet sich auf der ersten
vertreiben, und zu diesem Zweck wurde die Bhagavad-gītā Stufe der Verwirklichung; wer die Oberfläche der Sonne
von Ihm gesungen. Dieses Kapitel unterrichtet uns durch versteht, ist weiter fortgeschritten, und wer in den
ein analytisches Studium des materiellen Körpers und der Sonnenplaneten eingehen kann, befindet sich auf der
Seele, das von der höchsten Autorität, Śrī KŠa, höchsten Stufe. Gewöhnliche Schüler, die zufrieden sind,
vorgenommen wird, in Selbstverwirklichung. Diese wenn sie nur den Sonnenschein verstehen, das heißt seine
Verwirklichung wird möglich, wenn das nach universale Ausbreitung und die gleißende Ausstrahlung
fruchttragenden Ergebnissen strebende Lebewesen in einem seines unpersönlichen Wesens, mögen mit denen
gefestigten Verständnis vom wahren Selbst handelt. verglichen werden, die nur den Brahman-Aspekt der
Absoluten Wahrheit erkennen können. Der Schüler, der
VERS 2 weiter fortgeschritten ist, kann darüber hinaus die
Sonnenscheibe erkennen, was mit dem Wissen um den
śrī bhagavān uvāca Paramātmā-Aspekt der Absoluten Wahrheit verglichen
katas tvā kaśmalam idaˆ wird. Und der Schüler, der in das Herz des Sonnenplaneten
viame samupasthitam eingehen kann, wird mit jemandem verglichen, der die
anārya ju˜am asvargyam persönlichen Merkmale der Höchsten Absoluten Wahrheit
akīrti-karam arjuna erkennt. Daher sind die bhaktas oder jene
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Transzendentalisten, die den Bhagavān-Aspekt der Lebens kennen und eine auf spirituelle Erkenntnis
Absoluten Wahrheit erkannt haben, die höchsten gründende Zivilisation haben. Menschen, die sich von der
Transzendentalisten, wenngleich alle Schüler, die sich dem materiellen Lebensauffassung leiten lassen, wissen nicht,
Studium der Absoluten Wahrheit widmen, mit dem daß das Ziel des Lebens die Erkenntnis der Absoluten
gleichen Thema zu tun haben. Der Sonnenschein, die Wahrheit, das heißt ViŠus oder Bhagavāns, ist. Sie lassen
Sonnenscheibe und das Geschehen im Innern des sich von den äußeren Erscheinungen der materiellen Welt
Sonnenplaneten können nicht voneinander getrennt werden, fesseln und wissen deshalb nicht, was Befreiung ist.
und dennoch gehören die Schüler, die diese drei Menschen, die nicht wissen, was Befreiung aus materieller
verschiedenen Aspekte studieren, nicht zur gleichen Knechtschaft bedeutet, werden als Nicht-Āryas bezeichnet.
Kategorie. Obwohl Arjuna ein katriya war, wich er von seinen
Das Sanskritwort Bhagavān wird von der bedeutenden vorgeschriebenen Pflichten ab, als er sich weigerte, zu
Autorität Parāśara Muni, dem Vater Vyāsadevas, wie folgt kämpfen. Ein solch feiges Verhalten wird eher als für
erklärt: "Die Höchste Persönlichkeit, die allen Reichtum, Nicht-Āryas typisch beschrieben. Ein derartiges Abweichen
alle Stärke, allen Ruhm, alle Schönheit, alles Wissen und von der Pflicht hilft einem nicht, im spirituellen Leben
alle Entsagung in Sich birgt, wird Bhagavān genannt." Es fortzuschreiten; noch verschafft es einem die Möglichkeit,
gibt viele Personen, die sehr reich, sehr mächtig, sehr in dieser Welt zu Ruhm zu kommen. Śrī KŠa billigte
schön, sehr berühmt, sehr gelehrt und sehr entsagungsvoll Arjunas sogenanntes Mitleid mit seinen Verwandten nicht.
sind, aber niemand kann behaupten, er besitze allen
Reichtum, alle Stärke usw. in vollem Umfang. Nur KŠa VERS 3
kann diesen Anspruch erheben, denn Er ist die Höchste
Persönlichkeit Gottes. Kein Lebewesen, nicht einmal klaibyaˆ mā sma gamaƒ pārtha
Brahmā, Śiva oder NārāyaŠa, kann Reichtümer in solcher naitat tvayy upapadyate
Fülle besitzen wie KŠa. Deshalb kommt Brahmā in der kudraˆ hdaya-daurbalyaˆ
Brahma-saˆhitā zu dem Schluß, daß Śrī KŠa die Höchste tyaktvotti˜ha parantapa
Persönlichkeit Gottes ist. Niemand kommt Ihm gleich oder
steht über Ihm. Er ist der urerste Herr, Bhagavān, bekannt klaibyam—Schwäche; mā—nicht; sma—nimm an; gamaƒ—
als Govinda, und Er ist die höchste Ursache aller Ursachen. gehe hinein; pārtha—o Sohn Pthās; na—niemals; etat—
wie dies; tvayi—dir; upapadyate—ist angemessen;
īśvaraƒ paramaƒ kŠaƒ sac-cid-ānanda-vigrahaƒ kudram—sehr wenige hdaya—Herz; daurbalyam—
anādir ādir govindaƒ sarva-kāraŠa-kāraŠam Schwäche; tyaktvā—aufgebend; utti˜ha—erhebe dich;
parantapa—o Züchtiger der Feinde.
"Es gibt viele Persönlichkeiten, die die Eigenschaften
Bhagavāns besitzen, aber KŠa ist die höchste, da niemand ÜBERSETZUNG
Ihn übertreffen kann. Er ist die Höchste Person, und Sein
Körper ist ewig, voller Wissen und voller Glückseligkeit. O Sohn Pthās, gib dieser entwürdigenden Schwachheit
Er ist der urerste Herr, Govinda, und die Ursache aller nicht nach. Es ist dir nicht angemessen. Gib diese
Ursachen." (Bs. 5.1) kleinliche Schwäche des Herzens auf und erhebe dich o
Im Śrīmad-Bhāgavatam findet man auch ein Verzeichnis Bezwinger des Feindes.
vieler Inkarnationen der Höchsten Persönlichkeit Gottes,
doch KŠa wird als die ursprüngliche Persönlichkeit ERLÄUTERUNG
Gottes beschrieben, von der viele Inkarnationen und
Persönlichkeiten Gottes ausgehen: Arjuna wurde als "Sohn Pthās" angesprochen, da Pthā die
Schwester von KŠas Vater Vasudeva war. Arjuna war
ete cāˆśa-kalāƒ puˆsaƒ kŠas tu bhagavān svayam also ein Blutsverwandter KŠas. Wenn sich der Sohn eines
indrāri-vyākulaˆ lokaˆ mayanti yuge yuge katriya weigert, zu kämpfen, ist er nur dem Namen nach
ein katriya, ebenso wie des Sohn eines brāhmaŠa, der
"All die hier aufgeführten Inkarnationen Gottes sind gottlos handelt, nur dem Namen nach ein brāhmaŠa ist.
entweder vollständige Erweiterungen oder Teile der Solche katriyas und brāhmaŠas sind unwürdige Söhne
vollständigen Erweiterungen des Höchsten Gottes, doch ihrer Väter; KŠa wollte daher nicht, daß Arjuna zu einem
KŠa ist die Höchste Persönlichkeit Gottes Selbst." (SB. unwürdigen Sohn eines katriya wurde. Arjuna war KŠas
1.3.28) engster Freund, und KŠa lenkte ihn auf dem Streitwagen;
Somit ist KŠa die ursprüngliche Höchste Persönlichkeit aber wenn sich Arjuna von der Schlacht zurückzog, würde
Gottes, die Absolute Wahrheit, der Ursprung sowohl der er damit, trotz all dieser Vorteile, unehrenhaft handeln;
Überseele als auch des unpersönlichen Brahman. deshalb sagte KŠa, eine solche Haltung sei Arjunas
In Gegenwart der Höchsten Persönlichkeit Gottes war Persönlichkeit nicht angemessen. Arjuna mochte erwidern,
Arjunas Klage um seine Verwandten gewiß unangebracht, er wolle an der Schlacht wegen seiner großmütigen Haltung
und daher gebrauchte KŠa das Wort kutas (woher), um gegenüber dem höchst ehrwürdigen Bhīma und seinen
Seine Überraschung zum Ausdruck zu bringen. Solche Verwandten nicht teilnehmen, doch war KŠa der Ansicht,
unmännlichen Gefühle erwartete man niemals von jemand, diese Art von Großmut werde von Autoritäten nicht
der zur zivilisierten Klasse der Männer, den Āryas gehörte. gebilligt. Deshalb sollte solcher Großmut oder sogenannte
Das Wort ārya trifft auf Menschen zu, die den Wert des
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Gewaltlosigkeit von Menschen wie Arjuna unter der sie dennoch Höhergestellte. Wenn sie getötet werden,
unmittelbaren Führung KŠas aufgegeben werden. wird unser Gewinn mit Blut befleckt sein.

VERS 4 ERLÄUTERUNG

arjuna uvāca Den Unterweisungen der Schriften gemäß soll man einen
kathaˆ bhīmam ahaˆ sa‰khye Lehrer, der eine abscheuliche Handlung begeht und sein
droŠaˆ ca madhusūdana Unterscheidungsvermögen verloren hat, aufgeben. Bhīma
iubhiƒ pratiyotsyāmi und DroŠa waren wegen Duryodhanas finanzieller Hilfe
pūjārhāv arisūdana verpflichtet, sich auf seine Seite zu stellen, wenngleich sie
eine solche Stellung, nur aufgrund finanzieller
arjunaƒ uvāca—Arjuna sagte; katham—wie; bhīmam— Überlegungen, nicht hätten annehmen sollen. Unter diesen
gegen Bhīma; aham—ich; sa‰khye—im Kampf; droŠam— Umständen hatten sie ihr Ansehen als Lehrer verloren.
gegen DroŠa; ca—auch; madhusūdana—o Vernichter des Arjuna glaubte jedoch, daß sie trotzdem seine Vorgesetzten
Madhu; iubhiƒ—mit Pfeilen; pratiyotsyāmi—soll blieben und daß daher, materielle Gewinne zu genießen,
bekämpfen; pūjā-arhau—diejenigen, die verehrungswürdig nachdem man sie getötet hätte, bedeuten würde, sich an
sind; arisūdana—o Vernichter der Feinde. einer mit Blut bedeckten Siegesbeute zu erfreuen.

ÜBERSETZUNG VERS 6

Arjuna sagte: O Vernichter des Madhu [KŠa], wie na caitad vidmaƒ kataran no garīyo
kann ich mit Pfeilen in der Schlacht Männer wie Bhīma yad vā jayema yadi vā no jayeyuƒ
und DroŠa bekämpfen, die meiner Verehrung würdig yān eva hatvā na jijīviāmas
sind? te'vasthitāƒ pramukhe dhārtarā˜rāƒ

ERLÄUTERUNG na—noch; ca—auch; etat—dies; vidmaƒ—wissen;


katarat—was; naƒ—uns; garīyaƒ—besser; yat—was; vā—
Achtbare Höhergestellte, wie Bhīma, der Großvater, und entweder; jayema—uns besiegen; yadi—falls; vā—oder;
DroŠācārya, der Lehrer, sind immer verehrenswert. Selbst naƒ—uns; jayeyuƒ—besiegen; yān—diejenigen; eva—
wenn sie angreifen, sollte man sie nicht bekämpfen. Es gilt gewiß; hatvā—durch Töten; na—niemals; jijīviāmaƒ—
das ungeschriebene Gesetz, daß Höherstehende nicht wollen leben; te—sie alle; avastitāƒ—befinden sich;
einmal in einem Wortgefecht bekämpft werden dürfen. pramukhe—an der Front; dhārtarā˜rāƒ—die Söhne
Selbst wenn sie manchmal grob sein mögen, sollten sie Dhtarā˜ras.
nicht grob behandelt werden. Wie soll es also Arjuna
möglich sein, ihnen entgegenzutreten? Würde KŠa ÜBERSETZUNG
jemals Seinen eigenen Großvater, Ugrasena, oder Seinen
Lehrer, Sāndīpani Muni, angreifen? So lauteten einige der Auch wissen wir nicht, was besser ist - die Söhne
Einwände, die Arjuna KŠa gegenüber vorbrachte. Dhtarā˜ras zu besiegen oder von ihnen besiegt zu
werden. Wenn wir sie töteten, wäre es besser, nicht
VERS 5 mehr zu leben. Nun stehen sie vor uns auf dem
Schlachtfeld.
gurūn ahatvā hi mahānubhāvān
śreyo bhoktuˆ bhaikyam apīha loke ERLÄUTERUNG
hatvārtha-kāmāˆs tu gurūn ihaiva
bhuñjīya bhogān rudhira-pradigdhān Arjuna wußte nicht, ob er kämpfen und damit wagen sollte,
unnötig Gewalt anzuwenden, obwohl Kämpfen die Pflicht
gurūn—die Höhergestellten; ahatvā—durch Töten; hi— der katriyas ist, oder ob es besser sei, sich zurückzuziehen
sicherlich; mahā-anubhāvān—große Seelen; śreyaƒ—es ist und von Betteln zu leben. Falls er den Feind nicht
besser; bhoktum—das Leben zu genießen; bhaikyam— bezwänge, wäre Betteln das einzige Mittel, für seinen
bettelnd; api—sogar; iha—in diesem Leben; loke—in Lebensunterhalt zu sorgen. Auch war der Sieg nicht sicher,
dieser Welt; hatvā—tötend; artha—Gewinn; kāmān—so da jede Seite aus der Schlacht siegreich hervorgehen
begehrend; tu—aber; gurūn—Höhergestellte; iha—in dieser mochte. Selbst wenn Sieg sie erwartete (und ihre Sache war
Welt; eva—gewiß; bhuñjīya—muß genießen; bhogān— gerecht), wäre es dennoch sehr schwer, in der Abwesenheit
angenehme Dinge; rudhira—Blut; pradigdhān—befleckt der Söhne Dhtarā˜ras zu leben, wenn diese in der Schlacht
mit. fielen. Unter diesen Umständen wäre dies eine andere Art
von Niederlage. All diese Überlegungen Arjunas beweisen
ÜBERSETZUNG eindeutig, daß er nicht nur ein großer Geweihter des Herrn
war, sondern daß er auch sehr erleuchtet war und
Es ist besser, in dieser Welt durch Betteln zu leben als vollkommene Herrschaft über seinen Geist und seine Sinne
auf Kosten der Leben großer Seelen, die meine Lehrer besaß. Sein Wunsch, sich durch Betteln am Leben zu
sind. Obwohl sie von Habsucht getrieben werden, sind erhalten, obwohl er in einer königlichen Familie geboren
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worden war, ist ein weiteres Zeichen von Loslösung. Er sondern einen spirituellen Meister aufsuchen. Das ist die
war wahrhaft tugendhaft, wie diese Eigenschaften und sein Bedeutung dieses Verses.
Glauben in die unterweisenden Worte Śrī KŠas (seines Wer ist nun eigentlich materiellen Verwirrungen
spirituellen Meisters) zeigen. Man kann hieraus schließen, ausgesetzt? Es ist derjenige, der die Probleme des Lebens
daß Arjuna durchaus geeignet war, Befreiung zu erlangen. nicht begreift. In der Garga Upaniad wird der verwirrte
Solange die Sinne nicht beherrscht sind, besteht keine Mensch wie folgt beschrieben:
Möglichkeit, auf die Ebene von Wissen erhoben zu werden,
und ohne Wissen und Hingabe ist es nicht möglich, befreit yo vā etad akaraˆ gārgy aviditvāsmāl lokāt praiti sa
zu werden. Arjuna besaß also, noch über seine kpaŠaƒ
hervorragenden materiellen Eigenschaften hinaus, auch all
diese wunderbaren Eigenschaften. "Nur ein Geizhals löst die Probleme des Lebens nicht als
Mensch und verläßt daher diese Welt wie die Katzen und
VERS 7 Hunde, ohne die Wissenschaft der Selbstverwirklichung zu
verstehen."
kārpaŠya-doopahata-svabhāvaƒ Die menschliche Form des Lebens ist ein überaus kostbares
pcchāmi tvāˆ dharma-saˆmūha-cetāƒ Gut für das Lebewesen, denn es kann sie zur Lösung der
yac chreyaƒ syān niścitaˆ brūhi tan me Probleme des Lebens nutzen; wer daher diese Gelegenheit
śiyas te'haˆ śādhi māˆ tvāˆ prapannam nicht richtig nutzt, ist ein Geizhals. Auf der anderen Seite
gibt es den brāhmaŠa oder den Menschen, der intelligent
kārpaŠya—geizige; doa—Schwäche; upahata—beeinflußt genug ist, diesen Körper zur Lösung aller Probleme des
durch; svabhāvaƒ— Kennzeichen; pcchāmi—ich frage; Lebens zu nutzen.
tvām—Dich; dharma—Religion; saˆmūha—verwirrt; Die kpaŠas oder Geizhälse verschwenden ihre Zeit mit
cetāƒ—im Herzen; yat—was; śreyaƒ—absolut gut; syāt— übermäßiger Zuneigung zu Familie, Gesellschaft, Land
mag sein; niścitam—im Vertrauen; brūhi—teile mit; tat— usw. in der materiellen Lebensauffassung. Die meisten
das; me—mir; śiyaƒ—Schüler; te—Dein; aham—ich bin; Menschen haften am Familienleben, an Frau, Kindern und
śādhi—unterweise einfach; mām—mich; tvām—Dir; anderen Angehörigen - und diese Anziehung auf der
prapannam—ergeben. körperlichen Ebene wird "Hautkrankheit" genannt. Der
kpaŠa glaubt, er könne seine Familienangehörigen vor
ÜBERSETZUNG dem Tode schützen, oder der kpaŠa denkt, seine Familie
oder Gesellschaft könne ihn vor dem Rachen des Todes
Ich weiß nicht mehr, was meine Pflicht ist, und ich habe retten. Solche Familienanhaftung kann man selbst bei
aus Schwäche meine Fassung verloren. In diesem Tieren finden, die sich ebenfalls um ihre Kinder sorgen. Da
Zustand bitte ich Dich, mir klar zu sagen, was das beste Arjuna intelligent war, konnte er verstehen, daß seine
für mich ist. Jetzt bin ich Dein Schüler und eine Dir Zuneigung zu Familienangehörigen und sein Wunsch, sie
ergebene Seele. Bitte unterweise mich. vor dem Tode zu schützen, die Ursachen seiner Verwirrung
waren. Obwohl er verstehen konnte, daß es seine Pflicht
ERLÄUTERUNG war zu kämpfen, konnte er dennoch aufgrund geiziger
Schwäche seine Pflichten nicht erfüllen. Er bittet daher Śrī
Es liegt in der Natur der Dinge, daß das ganze System KŠa, den höchsten spirituellen Meister, eine endgültige
materieller Tätigkeiten für jeden eine Quelle der Lösung herbeizuführen. Er bietet sich KŠa als Schüler an.
Verwirrung darstellt. Bei jedem Schritt gibt es Verwirrung, Er möchte freundschaftliche Gespräche beenden.
und deshalb ist es angebracht, sich an einen echten Gespräche zwischen dem Meister und dem Schüler sind
spirituellen Meister zu wenden, der einem die richtige ernst, und jetzt will Arjuna vor dem anerkannten
Führung geben kann, den Sinn des Lebens zu erfüllen. Alle spirituellen Meister sehr ernst sprechen. KŠa ist daher der
vedischen Schriften geben uns den Rat, einen spirituellen ursprüngliche spirituelle Meister der Wissenschaft von der
Meister aufzusuchen, um von den Verwirrungen des Bhagavad-gītā, und Arjuna ist der erste Schüler für das
Lebens frei zu werden, die ohne unseren Wunsch auftreten. Verständnis der Gītā. Wie Arjuna die Bhagavad-gītā
Sie gleichen einem Waldbrand, der wütet, ohne von jemand versteht, wird in der Gīta selbst gesagt. Und dennoch
entfacht worden zu sein. In ähnlicher Weise ist die erklären törichte weltliche Gelehrte, es sei nicht notwendig,
Weltlage so beschaffen, daß Verwirrungen im Leben von sich KŠa als Person zu ergeben, sondern vielmehr dem
selbst entstehen, ohne daß wir uns ein solches "Ungeborenen in KŠa". Es besteht kein Unterschied
Durcheinander wünschen. Niemand will, daß es brennt, zwischen KŠas Innerem und KŠas Äußerem. Wer
aber dennoch geschieht es, und wir geraten außer Fassung. keinen Sinn für dieses Verständnis hat, erweist sich bei dem
Die vedische Weisheit ordnet daher an, daß man sich an Versuch, die Bhagavad-gītā zu verstehen, als der größte
einen spirituellen Meister in der Schülernachfolge wenden Narr.
muß, um die Verwirrungen des Lebens zu lösen und die
Wissenschaft von dieser Loslösung zu verstehen. Von VERS 8
einem Menschen mit einem echten spirituellen Meister
kann man erwarten, daß er alles weiß. Man sollte daher na hi prapaśyāmi mamāpanudyād
nicht in materiellen Verwirrungen verstrickt bleiben, yac chokam ucchoaŠam indriyāŠām
avāpya bhūmāv asapatnam ddhaˆ
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rājyaˆ surāŠām api cādhipatyam der Wissenschaft des KŠa-Bewußtseins nicht auskennt.
Jemand aber, der in einer Familie aus einer niederen Kaste
na—nicht; hi—gewiß; prapaśyāmi—ich sehe; mama— geboren wurde, kann ein spiritueller Meister werden, wenn
mein; apanudyāt—sie können vertreiben; yat—das; er ein VaiŠava oder KŠa-bewußt ist."
śokam—Klagen; ucchoaŠam—austrocknend; indriyā- Den Problemen des materiellen Daseins - Geburt, Alter,
Šām—der Sinne; avāpya—erreichend; bhūmau—auf der Krankheit und Tod kann nicht durch Anhäufung von
Erde; asapatnam—ohne Rivalen; ddham—blühendes; Reichtum und durch wirtschaftlichen Fortschritt
rājyam—Königreich; surāŠām—der Halbgötter; api— entgegengewirkt werden. In vielen Teilen der Welt gibt es
sogar; ca—auch; ādhipatyam—Überlegenheit. Staaten, denen alle Annehmlichkeiten des Lebens zur
Verfügung stehen, die sehr reich und wirtschaftlich
ÜBERSETZUNG fortgeschritten sind und die trotzdem immer noch mit den
Problemen des materiellen Daseins zu kämpfen haben. Sie
Ich kann kein Mittel finden, dieses Leid zu vertreiben, suchen auf verschiedenen Wegen nach Frieden, aber sie
das meine Sinne austrocknet. Ich wäre nicht einmal können wirkliches Glück nur dann erreichen, wenn sie sich
fähig, davon frei zu werden, wenn ich ein KŠa zuwenden oder die Bhagavad-gītā und das Śrīmad-
unangefochtenes Königreich auf der Erde mit einer Bhāgavatam zu Rate ziehen die die Wissenschaft von
Oberherrschaft wie die der Halbgötter im Himmel KŠa beinhalten -, oder wenn sie sich an den echten
gewänne. Vertreter KŠas, den Menschen im KŠa-Bewußtsein,
wenden.
ERLÄUTERUNG Wenn wirtschaftlicher Fortschritt und materielle
Annehmlichkeiten das Gejammer um familiäre, soziale,
Obwohl Arjuna so viele Einwände vorbrachte, die auf nationale oder internationale Trugbilder vertreiben könnten,
Kenntnis der Grundsätze von Religion und Moralgesetzen hätte Arjuna nicht gesagt, daß selbst ein unangefochtenes
beruhten, scheint es, daß er seine eigentlichen Probleme Königreich auf Erden oder Oberherrschaft wie die der
ohne die Hilfe des spirituellen Meisters, Śrī KŠa ,nicht zu Halbgötter auf den himmlischen Planeten nicht imstande
lösen vermochte. Er konnte verstehen, daß sein sogenanntes seien, sein Leid zu vertreiben. Er suchte daher Zuflucht im
Wissen nutzlos war, wenn es darum ging, die Probleme zu KŠa-Bewußtsein, und das ist der richtige Weg zu Frieden
meistern, die seine ganze Existenz austrockneten, und es und Harmonie. Wirtschaftlicher Fortschritt oder Herrschaft
war ihm unmöglich, solche Verwirrungen ohne die Hilfe über die Welt können jeden Augenblick durch die
eines spirituellen Meisters wie KŠa zu lösen. Umwälzungen der materiellen Natur beendet werden.
Akademisches Wissen, Gelehrsamkeit, eine hohe Stellung Selbst der Aufstieg zu höheren Planeten, wie zum Beispiel
usw. sind nutzlos, wenn es darum geht, die Probleme des der Versuch des Menschen, Lebensraum auf dem Mond zu
Lebens zu lösen. Hilfe kann nur ein spiritueller Meister wie suchen, kann ebenfalls mit einem Schlag beendet werden.
KŠa geben. Die Schlußfolgerung lautet daher, daß ein Die Bhagavad-gītā (9.21) bestätigt dies: kīŠe puŠye
spiritueller Meister, der zu einhundert Prozent KŠa- martyalokaˆ viśanti. "Wenn die Früchte frommer Werke
bewußt ist, der echte spirituelle Meister ist, da er die aufgezehrt sind, fällt man vom Gipfel höchsten Glücks
Probleme des Lebens lösen kann. Śrī Caitanya sagte, daß wieder auf die niedrigste Stufe des Lebens zurück." Viele
jemand, der Meister in der Wissenschaft des KŠa- Politiker dieser Welt sind auf diese Weise zu Fall
Bewußtseins ist, ungeachtet seiner sozialen Stellung, der gekommen. Solche Stürze werden nur zu weiteren
wahre spirituelle Meister ist. Im Caitanya-caritāmta Ursachen des Klagens.
(Madhya 8.127) heißt es: Wenn wir daher Klagen ein für allemal bezwingen wollen,
müssen wir bei KŠa Zuflucht suchen, wie es auch Arjuna
kibāvipra, kibā nyāsī, śūdra kene naya erstrebt. Arjuna bat also KŠa, seine Probleme endgültig
yei kŠa-tattva-vettā, sei 'guru' haya zu lösen, und das ist der Weg des KŠa-Bewußtseins.

"Es ist gleichgültig, ob jemand ein vipra [ein großer VERS 9


Gelehrter im vedischen Wissen] ist, ob er in einer niedrigen
Familie geboren wurde oder ob er im Lebensstand der sañjaya uvāca
Entsagung steht - wenn er Meister in der Wissenschaft von evam uktvā hīkeśaˆ
KŠa ist, ist er der vollkommene und echte spirituelle guākeśaƒ parantapaƒ
Meister." na yotsya iti govindam
Ohne ein Meister in der Wissenschaft des KŠa- uktvā tūŠīˆ babhūva ha
Bewußtseins zu sein, ist also niemand ein echter spiritueller
Meister. In den vedischen Schriften wird auch gesagt: sañjayaƒ uvāca—Sanjaya sagte; evam—so; uktvā—
sprechend; hīkeśam—zu KŠa, dem Herrn der Sinne;
a˜-karma-nipuŠo vipro mantra-tantra-viśāradaƒ guākeśaƒ—Arjuna, der Meister im Bezwingen von
avaiŠavo gurur na syād vaiŠavaƒ śvapaco guruƒ Unwissenheit; parantapaƒ—der Bezwinger der Feinde; na
yotsye—ich werde nicht kämpfen; iti—so; govindam—zu
"Ein gelehrter brāhmaŠa, der auf allen Gebieten des KŠa, der Freude schenkt; uktvā—sagend; tūŠīm—
vedischen Wissens bewandert ist, eignet sich nicht als schweigsam; babhūva—wurde; ha—gewiß.
spiritueller Meister, wenn er kein VaiŠava ist oder sich in
42

ÜBERSETZUNG Gesellschaft oder Gemeinschaft gedacht, sondern für alle,


und Freunde wie Feinde haben gleichermaßen das Recht,
Sañjaya sagte: Nachdem Arjuna, der Bezwinger der sie zu hören.
Feinde, so gesprochen hatte, sagte er zu KŠa:
"Govinda, ich werde nicht kämpfen!" und verstummte. VERS 11

ERLÄUTERUNG rī bhagavān uvāca


aścoyān anvaśocas tvaˆ
Dhtarā˜ra muß sehr erfreut gewesen sein, als er hörte, daß prajñā-vādāˆś ca bhāase
Arjuna nicht kämpfen wollte und statt dessen beabsichtigte, gatāsūn agatāsūˆś ca
das Schlachtfeld zu verlassen, um ein Bettler zu werden. nānuśocanti paŠitāƒ
Aber Sañjaya enttäuschte ihn eigentlich zugleich, als er ihm
mitteilte, daß Arjuna befähigt war, seine Feinde zu töten śrī bhagavān uvāca-die Höchste Persönlichkeit Gottes
(parantapaƒ). Obwohl Arjuna aus Zuneigung zu seiner sprach; aśocyān-das, was nicht des Klagens wert ist;
Familie zeitweise von falschem Schmerz überwältigt war, anvaśocaƒ-du beklagst; tvam-du; prajñā-vādāƒ-gelehrte
vertraute er sich KŠa, dem höchsten spirituellen Meister, Reden; ca-auch; bhāase-während du sprichst; gata-
als Schüler an. Dies deutete an, daß er bald von falscher verlorenes; asūn-Leben; agata-nicht vergangenes; asūn-
Klage aus Zuneigung zu seiner Familie frei sein und mit Leben; ca-auch; na-niemals; anuśocanti-beklagen;
vollkommenem Wissen um Selbsterkenntnis oder KŠa- paŠitāƒ-die Gelehrten.
Bewußtsein erleuchtet sein und dann gewiß kämpfen
würde. Auf diese Weise würde Dhtarā˜ras Frohlocken in ÜBERSETZUNG
Enttäuschung enden, da Arjuna von KŠa erleuchtet sein
und bis zum Letzten kämpfen würde. Der Höchste Herr sprach: Während du gelehrte Worte
sprichst, betrauerst du, was des Kummers nicht wert ist.
VERS 10 Die Weisen beklagen weder die Lebenden noch die
Toten.
tam uvāca hīkeśaƒ
prahasann iva bhārata ERLÄUTERUNG
senayor ubhayor madhye
viīdantam idaˆ vacaƒ Der Herr nahm sofort die Stellung des Lehrers ein und
rügte den Schüler, indem Er ihn indirekt einen Toren
tam-zu ihm; uvāca-sagte; hīkeśaƒ-der Herr der Sinne, nannte. Der Herr sagte: "Du sprichst wie ein Gelehrter, aber
KŠa; prahasan-lächelnd; iva-so; bhārata-o Dhtarā˜ra, du weißt nicht, daß jemand, der wirklich gelehrt ist - der
Nachkomme Bhāratas; senayoƒ-der Heere; ubhayoƒ-beider weiß, was Körper und was Seele ist - niemals die
Seiten; madhya-zwischen; viīdantam-zu dem Klagenden; Verfassung des Körpers beklagt, weder im lebendigen noch
idam-die folgenden; vacaƒ-Worte. im toten Zustand." Wie in späteren Kapiteln eindeutig
erklärt werden wird, bedeutet Wissen, die Materie, die
ÜBERSETZUNG spirituelle Seele und den Lenker von beiden zu kennen.
Arjuna wandte ein, religiösen Grundsätzen solle mehr
O Nachfahre Bhāratas [Dhtarā˜ra], da sprach KŠa Bedeutung beigemessen werden als Politik oder Soziologie,
in der Mitte zwischen den beiden Heeren zu dem aber er wußte nicht, daß Wissen von der Materie, der Seele
kummervollen Arjuna lächelnd die folgenden Worte. und dem Höchsten sogar noch wichtiger ist als religiöse
Rituale. Und weil es ihm an diesem Wissen fehlte, hätte er
ERLÄUTERUNG sich nicht als großer Gelehrter ausgeben sollen. Da er nun
tatsächlich kein großer Gelehrter war, jammerte er um
Das Gespräch fand zwischen engen Freunden statt, etwas, was des Klagens überhaupt nicht wert war. Der
zwischen Hīkeśa und Guākeśa. Als Freunde befanden Körper wird geboren und hat das Schicksal, heute oder
sich beide auf der gleichen Ebene, doch einer wurde morgen zu vergehen; deshalb ist der Körper nicht so
freiwillig der Schüler des anderen. KŠa lächelte, weil sich wichtig wie die Seele. Wer dies weiß, ist wahrhaft gelehrt,
ein Freund entschlossen hatte, ein Schüler zu werden. Als und für ihn gibt es keinen Grund zu klagen - ungeachtet des
Herr allen Seins nimmt Er als der Meister eines jeden Zustands, in dem sich der materielle Körper befindet.
immer die übergeordnete Stellung ein, und doch nimmt der
Herr auch jemand an, der Freund, Sohn, Geliebte oder VERS 12
Geweihter sein oder Ihn Selbst in einer solchen Rolle sehen
möchte. Als Er aber als Meister akzeptiert wurde, nahm Er na tv evāhaˆ jātu nāsaˆ
sogleich diese Rolle an und sprach mit dem Schüler wie der na tvaˆ neme janādhipāƒ
Meister - mit Ernst, wie es notwendig ist. Es scheint, daß na caiva na bhaviyāmaƒ
das Gespräch zwischen dem Meister und dem Schüler sarve vayam ataƒ param
öffentlich, vor den beiden Heeren, geführt wurde, so daß
alle ihren Nutzen daraus ziehen konnten. Die Gespräche der na—niemals; tu—aber; eva—gewiß; aham—Ich; jātu—
Bhagavad-gītā sind also nicht für eine bestimmte Person, werde; na—niemals; āsam— existierte; na—es ist nicht so;
43

tvam—du; na—nicht; ime—all diese; janādhipāƒ—Könige; Individualität keine Tatsache wäre, hätte KŠa sie nicht so
na—niemals; ca—auch; eva—gewiß; na—nicht wie dies; sehr betont - sogar für die Zukunft. Die Māyāvādīs mögen
bhaviyāmaƒ—werden existieren; sarve—wir alle; vayam— einwenden, die Individualität, von der KŠa spreche, sei
wir; ataƒ param—hiernach. nicht spirituell, sondern materiell, aber selbst wenn man das
Argument akzeptiert, daß Individualität materiell sei, wie
ÜBERSETZUNG ist dann KŠas Individualität zu verstehen? KŠa
bekräftigt, daß Er in der Vergangenheit Seine Individualität
Niemals gab es eine Zeit, als Ich oder du oder all diese hatte, und versichert, daß Er auch in der Zukunft Seine
Könige nicht existierten, noch wird in der Zukunft einer Individualität haben wird. Er hat Seine Individualität auf
von uns aufhören zu sein. vielerlei Weise bestätigt, und es ist erklärt worden, daß das
unpersönliche Brahman Ihm untergeordnet ist. KŠa hat
ERLÄUTERUNG Seine spirituelle Individualität immer bewahrt. Wenn man
Ihn für eine gewöhnliche bedingte Seele mit individuellem
In den Veden, das heißt sowohl in der Ka˜ha Upaniad als Bewußtsein hält, hat Seine Bhagavad-gītā als maßgebende
auch in der Śvetāśvatara Upaniad, steht geschrieben, daß Schrift keinen Wert. Ein gewöhnlicher Mensch mit den vier
der Herr, die Höchste Persönlichkeit, der Erhalter Mängeln menschlicher Unvollkommenheit ist unfähig,
unzähliger Lebewesen ist und sie versorgt - je nach ihren etwas zu lehren, was es wert ist, gehört zu werden. Die Gītā
unterschiedlichen Lebensumständen, die aus individueller steht über solcher Literatur. Kein weltliches Buch ist mit
Arbeit und der Reaktion auf dieses Tun resultieren. Der der Bhagavad-gītā vergleichbar. Wenn man KŠa für
Herr, die Höchste Persönlichkeit Gottes, lebt auch durch einen gewöhnlichen Menschen hält, verliert die Gītā ihre
Seine vollständigen Teile im Herzen eines jeden ganze Bedeutung. Die Māyāvādīs argumentieren, die in
Lebewesens. Nur heilige Menschen, die sowohl im Innern diesem Vers angesprochene Pluralität sei im
als auch außerhalb den gleichen Höchsten Herrn herkömmlichen Sinne zu verstehen und beziehe sich auf
wahrnehmen können, sind imstande, wahrhaft den Körper. Aber an früherer Stelle, vor diesem Vers, ist
vollkommenen und ewigen Frieden zu erlangen. eine solche körperliche Auffassung bereits verurteilt
worden. Wie konnte also KŠa, nachdem Er das
nityo nityānāˆ cetanaś cetanānām körperliche Verständnis von den Lebewesen verurteilt
eko bahūnāˆ yo vidadhāti kāmān hatte, eine übliche Vorstellung vom Körper vertreten? Die
tam ātmasthaˆ ye 'nupaśyanti dhīrās Auffassung von der Individualität wird daher auf
teāˆ śāntiƒ śāśvatī netareām spiritueller Grundlage aufrechterhalten, wie es von großen
(Ka˜ha Upaniad 2.2.13) ācāryas wie Śrī Rāmānuja und anderen, bestätigt wird. An
vielen Stellen in der Gītā heißt es eindeutig, daß diese
Die gleiche vedische Wahrheit, die Arjuna verkündet spirituelle Individualität nur von denen verstanden wird, die
wurde, wird allen Menschen auf der Weit offenbart, die Geweihte des Herrn sind. Diejenigen, die KŠa als die
sich als sehr gelehrt hinstellen, aber in Wirklichkeit nur Höchste Persönlichkeit Gottes beneiden, haben keinen
über dürftiges Wissen verfügen. Der Herr sagt eindeutig, Zugang zu diesem großartigen Literaturwerk. Ein
daß Er Selbst, Arjuna und all die auf dem Schlachtfeld Nichtgottgeweihter, der sich mit den Lehren der Gītā
versammelten Könige ewig individuelle Wesen sind und befaßt, gleicht einer Biene, die an einem Honigtopf leckt.
daß Er ewig der Erhalter der individuellen Lebewesen Man kann den Geschmack des Honigs nicht erfahren,
sowohl in ihren bedingten als auch in ihren befreiten solange man nicht den Topf öffnet. In ähnlicher Weise
Situationen ist. Die Höchste Persönlichkeit Gottes ist die kann auch das Geheimnis der Bhagavad-gītā nur von
höchste individuelle Person, und Arjuna, der ewige Gottgeweihten verstanden werden, und niemand sonst kann
Gefährte des Herrn, und all die dort versammelten Könige davon einen Geschmack bekommen, wie im Vierten
sind ebenfalls individuelle, ewige Personen. Es ist nicht so, Kapitel des Buches bestätigt wird. Auch ist die Gītā
daß sie in der Vergangenheit nicht als Individuen existiert Menschen nicht zugänglich, die auf die bloße Existenz des
haben, und es ist nicht so, daß sie nicht ewige Personen Herrn neidisch sind. Deshalb ist die Māyāvādī-Auslegung
bleiben werden. Ihre Individualität existierte in der der Gītā eine höchst irreführende Darstellung der ganzen
Vergangenheit, und ihre Individualität wird in der Zukunft Wahrheit. Śrī KŠa Caitanya hat uns verboten,
ohne Unterbrechung weiterbestehen. Deshalb besteht kein Kommentare der Māyāvādīs zu lesen, und Er weist uns
Anlaß, irgend jemand zu beklagen. darauf hin, daß derjenige, der sich der Philosophie der
Die Theorie der Māyāvādīs, die individuelle Seele, getrennt Māyāvādīs zuwende, die Fähigkeit verliere, das eigentliche
durch die Bedeckung māyās oder der Illusion, werde nach Geheimnis der Gītā zu verstehen. Wenn sich Individualität
der Befreiung mit dem unpersönlichen Brahman auf das empirische Universum bezieht, dann ist es nicht
verschmelzen und ihre individuelle Existenz verlieren, wird notwendig, daß der Herr überhaupt lehrt. Die Pluralität der
hier von Śrī KŠa, der höchsten Autorität, nicht unterstützt. individuellen Seele und des Herrn ist eine ewige Tatsache
Noch wird hier die Theorie untermauert, daß wir uns im und wird, wie oben erwähnt, von den Veden bestätigt.
bedingten Zustand Individualität nur einbilden. KŠa sagt
hier deutlich, daß in der Zukunft auch die Individualität des VERS 13
Herrn und anderer, wie in den Upaniaden bestätigt ist,
fortbestehen wird. Diese Erklärung KŠas ist maßgebend, dehino'smin yathā dehe
denn KŠa kann nicht der Illusion unterliegen. Wenn kaumāraˆ yauvanaˆ jarā
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tathā dehāntara-prāptir zusammen mit dem Herrn, der Persönlichkeit Gottes, ein
dhīras tatra na muhyati ewiges Leben in Glückseligkeit und Wissen. Am Beispiel
der Spiegelung kann man die Überseele verstehen, die in
dehinaƒ-des Verkörperten; asmin—in diesem; yathā—wie; jedem einzelnen individuellen Körper anwesend ist und die
dehe—im Körper; kaumāram—Knabenzeit; yauvanam— man als Paramātmā kennt, der vom individuellen
Jugend; jarā—Alter; tathā—in ähnlicher Weise; Lebewesen verschieden ist. Wenn der Himmel im Wasser
dehāntara—Wechsel des Körpers; prāptiƒ—Erlangung; gespiegelt wird, repräsentieren die Spiegelungen sowohl
dhīraƒ—der Besonnene; tatra—diesbezüglich; na— die Sonne und den Mond als auch die Sterne. Die Sterne
niemals; muhyati—getäuscht. können mit den Lebewesen verglichen werden und die
Sonne oder der Mond mit dem Höchsten Herrn. Die
ÜBERSETZUNG individuelle, fragmentarische Seele wird von Arjuna
repräsentiert, und die Höchste Seele ist die Persönlichkeit
So wie die verkörperte Seele in diesem Körper Gottes, Śrī KŠa. Sie befinden sich nicht auf der gleichen
fortgesetzt von Knabenzeit zu Jugend und zu Alter Ebene, wie zu Beginn des Vierten Kapitels deutlich werden
wandert, so geht die Seele beim Tod in ähnlicher Weise wird. Wenn sich Arjuna auf der gleichen Ebene wie KŠa
in einen anderen Körper ein. Die selbstverwirklichte befindet und KŠa nicht über Arjuna steht, dann wird ihre
Seele ist durch einen solchen Wechsel nicht verwirrt. Beziehung als Lehrer und Schüler bedeutungslos. Wenn
beide von der illusionierenden Energie (māyā) getäuscht
ERLÄUTERUNG sind, ist es nicht notwendig, daß der eine Lehrer und der
andere Schüler ist. Solche Unterweisungen wären nutzlos,
Da jedes Lebewesen eine individuelle Seele ist, wechselt es da niemand in der Gewalt māyās ein maßgebender Lehrer
seinen Körper in jedem Augenblick und manifestiert sich sein kann. Hier jedoch wird Śrī KŠa als der Höchste Herr
so manchmal als Kind, manchmal als Jugendlicher und anerkannt, der Sich in einer höheren Stellung befindet als
manchmal als alter Mann. Dennoch handelt es sich um die das Lebewesen, Arjuna, der eine von māyā irregeführte,
gleiche spirituelle Seele, die sich nicht wandelt. Diese vergeßliche Seele ist.
individuelle Seele wechselt den Körper zum Zeitpunkt des
Todes endgültig und geht in einen anderen Körper ein, und VERS 14
da sie mit Sicherheit bei der nächsten Geburt einen anderen
Körper bekommt - entweder einen materiellen oder einen mātrā-sparśās tu kaunteya
spirituellen -, gab es für Arjuna keinen Grund, den Tod zu śītoŠa-sukha-duƒkha-dāƒ
beklagen, auch den Bhīmas oder DroŠas nicht, um die er āgamāpāyino'nityās
sich so sorgte. Vielmehr sollte er sich freuen, daß sie ihre tāˆs titikasva bhārata
alten Körper gegen neue eintauschen und so ihre Energie
erneuern würden. Solche Körperwechsel bedeuten eine mātrā—sinnliche; sparśāƒ—Wahrnehmung; tu—nur;
Vielfalt von Freuden oder Leiden, die sich je nach der kaunteya—o Sohn Kuntīs; śīta—Winter; uŠa—Sommer;
Handlungsweise im Leben richten. Da Bhīma und DroŠa sukha—Glück; duƒkha-dāƒ—Schmerz bereitend; āgama—
edle Seelen waren, wurden sie in ihrem nächsten Leben mit erscheinend; apāyinaƒ—verschwindend; anityāƒ—
Gewißheit entweder spirituelle Körper oder zumindest ein unbeständig; tān—sie alle; titikasva—versuche einfach zu
Leben in himmlischen Körpern erhalten, in denen ein dulden; bhārata—o Nachkomme der Bhārata-Dynastie.
höherer Genuß des materiellen Daseins möglich wäre. In
beiden Fällen gab es also keinen Grund zu klagen. ÜBERSETZUNG
Jeder Mensch, der über vollkommenes Wissen von der
Beschaffenheit der individuellen Seele, der Überseele und O Sohn Kuntīs, das unbeständige Erscheinen von Glück
der Natur - der materiellen wie auch der spirituellen - und Leid und ihr Verschwinden im Laufe der Zeit
verfügt, wird als dhīra oder ein überaus besonnener gleichen dem Kommen und Gehen von Sommer und
Mensch bezeichnet. Ein solcher Mensch läßt sich niemals Winter. Sie entstehen durch Sinneswahrnehmung, o
durch den Wechsel von Körpern täuschen. Die Māyāvādī- Nachkomme Bhāratas, und man muß lernen, sie zu
Theorie des Einsseins der spirituellen Seele kann nicht dulden, ohne gestört zu sein.
damit begründet werden, daß die Seele nicht in
fragmentarische Teile zerlegt werden kann und daß ein ERLÄUTERUNG
solches Zerlegen in verschiedene individuelle Seelen den
Höchsten teilbar und wandelbar machen würde, was dem Wenn man seine Pflicht richtig erfüllen will, muß man
Prinzip widerspräche, daß die Höchste Seele unwandelbar lernen, das unbeständige Erscheinen und Verschwinden
ist. von Glück und Leid zu dulden. Nach vedischer
Wie in der Gītā bestätigt wird, bestehen die Unterweisung muß man sogar im Monat Māgha (Januar-
fragmentarischen Teile des Höchsten ewig (sanātana) und Februar) früh morgens sein Bad nehmen. Zu dieser Zeit ist
werden kara genannt, was bedeutet, daß sie die Neigung es sehr kalt, aber trotzdem zögert ein Mann, der an den
haben, in die materielle Natur zu fallen. Diese religiösen Grundsätzen festhält, nicht, sein Bad zu nehmen.
fragmentarischen Teile sind ewig so beschaffen, und selbst In ähnlicher Weise zögert eine Frau nicht, während der
nach der Befreiung bleibt die individuelle Seele der gleiche Monate Mai und Juni - dem heißesten Teil der Sommerzeit
fragmentarische Teil. Aber einmal befreit, lebt sie - in der Küche zu kochen. Man muß trotz klimabedingter
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Unbequemlichkeiten seine Pflicht erfüllen. In ähnlicher vierundzwanzig Jahren sannyāsa an, und Seine
Weise ist Kämpfen das religiöse Prinzip der katriyas, und Angehörigen, nämlich Seine junge Frau und Seine alte
auch wenn man mit einem Freund oder Verwandten Mutter, hatten außer Ihm niemand, der sich um sie
kämpfen muß, sollte man nicht von seiner kümmerte. Dennoch nahm Er um einer höheren Sache
vorgeschriebenen Pflicht abweichen. Man muß den willen sannyāsa an und erfüllte mit Beständigkeit höhere
vorgeschriebenen Regeln und Regulierungen religiöser Pflichten. Das ist der Weg, Befreiung aus der materiellen
Prinzipien folgen, um zur Ebene von Wissen aufzusteigen, Knechtschaft zu erlangen.
denn nur durch Wissen und Hingabe kann man sich aus den
Klauen māyās befreien. VERS 16
Die beiden Namen, mit denen Arjuna hier bedacht wird,
sind ebenfalls bedeutsam. Die Anrede "Kaunteya" zeigt nāsato vidyate bhāvo
seine bedeutende Blutsverwandtschaft mit der Familie nābhāvo vidyate sataƒ
seiner Mutter an, und die Anrede "Bhārata" deutet auf seine ubhayor api d˜o'ntas
Größe von seiten seines Vaters hin. Man kann also tv anayos tattva-darśibhiƒ
annehmen, daß er von beiden Seiten ein großes Erbe
mitbrachte. Ein großes Erbe bringt in bezug auf die richtige na—niemals; asataƒ—des Inexistenten; vidyate—gibt es;
Erfüllung von Pflichten Verantwortung mit sich, und daher bhāvaƒ—Beständigkeit; na—niemals; abhāvaƒ—
kann er den Kampf nicht vermeiden. wechselnde Eigenschaften; vidyate—gibt es; sataƒ—des
Ewigen; ubhayoƒ—der beiden; api—wahrlich; d˜aƒ—
VERS 15 beobachtet; antaƒ-Schlußfolgerung; tu—aber; anayoƒ—von
ihnen; tattva—Wahrheit; darśibhiƒ—von den Sehern.
yaˆ hi na vyathayanty ete
puruaˆ puruarabha ÜBERSETZUNG
sama-duƒkha-sukhaˆ dhīraˆ
so'mtatvāya kalpate Die Weisen, die die Wahrheit sehen, haben erkannt, daß
das Inexistente ohne Dauer und das Existente ohne
yam—jemand, der; hi—sicherlich; na—niemals; Ende ist. Zu diesem Schluß sind die Weisen gekommen,
vyathayanti—fügen Leid zu; ete— all diese; puruam— nachdem sie das Wesen von beiden studiert hatten.
einem Menschen; puruarabha—ist der Beste unter den
Menschen; sama—unverändert; duƒkha—Leid; sukham— ERLÄUTERUNG
Glück; dhīram—geduldig; saƒ—er; amtatvāya—für
Befreiung; kalpate—gilt als geeignet. Der sich wandelnde Körper ist nicht von Dauer. Daß sich
der Körper in jedem Augenblick durch die Aktionen und
ÜBERSETZUNG Reaktionen der verschiedenen Zellen verändert, wird von
der modernen medizinischen Wissenschaft bestätigt, und so
O Bester unter den Menschen [Arjuna], wer sich durch finden also im Körper Wachstum und Alter statt. Aber die
Glück und Leid nicht stören läßt, sondern in beiden spirituelle Seele besteht fortwährend und bleibt trotz aller
geduldig ist, eignet sich gewiß dazu, Befreiung zu Wandlungen des Körpers und des Geistes dieselbe. Das ist
erlangen. der Unterschied zwischen Materie und spiritueller Natur.
Von Natur aus wandelt sich der Körper ständig, aber die
ERLÄUTERUNG Seele ist ewig. Zu dieser Schlußfolgerung sind alle Arten
von Weisen, sowohl Unpersönlichkeits- als auch
Jeder, der mit fester Entschlossenheit nach der Persönlichkeitsphilosophen, gekommen. Im ViŠu PurāŠa
fortgeschrittenen Stufe spiritueller Erkenntnis strebt und heißt es, daß ViŠu und Seine Reiche alle von
mit Gleichmut die Angriffe von Leid und Glück duldet, ist selbstleuchtender spiritueller Existenz sind -jyotīˆi viŠur
gewiß geeignet, befreit zu werden. In der varŠāśrama- bhavanāni viŠuƒ. Die Wörter "existent" und "inexistent"
Einrichtung stellt die vierte Stufe des Lebens, nämlich der beziehen sich nur auf die spirituelle Natur und die Materie.
Lebensstand der Entsagung (sannyāsa), ein mühevolles Das ist die Ansicht aller Weisen.
Leben dar. Doch wem es ernst ist, sein Leben zu Hier beginnen die Unterweisungen des Herrn an die
vervollkommnen, der tritt mit Sicherheit trotz aller Lebewesen, die durch den Einfluß der Unwissenheit
Schwierigkeiten in den sannyāsa-Stand des Lebens ein. Die verwirrt sind. Eine Beseitigung der Unwissenheit bedeutet
Schwierigkeiten entstehen im allgemeinen daraus, daß man auch, daß die ewige Beziehung zwischen dem Verehrenden
die Beziehung zu seiner Familie abbrechen, das heißt die und dem Verehrten wiederhergestellt und folglich der
Verbindung zu Frau und Kindern, aufgeben muß. Aber Unterschied zwischen den winzigen, teilhaften Lebewesen
wenn jemand fähig ist, solche Schwierigkeiten auf sich zu und der Höchsten Persönlichkeit Gottes verstanden wird.
nehmen, ist sein Weg zur spirituellen Erkenntnis gewiß Man kann das Wesen des Höchsten anhand eines
vollkommen. Ebenso bekommt Arjuna bei seiner eingehenden Studiums seinerselbst verstehen,
Pflichterfüllung als katriya den Rat, standhaft zu bleiben - vorausgesetzt, daß man den Unterschied zwischen sich
auch wenn es schwierig ist, mit seinen selbst und dem Höchsten als die Beziehung zwischen dem
Familienangehörigen oder anderen nahestehenden Teil und dem Ganzen versteht. In den Vedānta-sūtras und
Menschen zu kämpfen. Śrī Caitanya nahm im Alter von ebenso im Śrīmad-Bhāgavatam ist der Höchste als der
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Ursprung aller Inkarnationen anerkannt worden. Diese keśāgra-śata-bhāgasya śatāˆśaƒ sādśātmakaƒ


Inkarnationen kann man anhand der Folgeerscheinungen jīvaƒ sūkma-svarūpo'yam sa‰khyātīto hi cit-kaŠaƒ
höherer und niederer Natur wahrnehmen. Wie im Siebten
Kapitel offenbart werden wird, gehören die Lebewesen zur "Es gibt unzählige Partikel von spirituellen Atomen, und
höheren Natur. Obwohl kein Unterschied zwischen der jedes von ihnen ist so groß wie der zehntausendste Teil
Energie und dem Ursprung der Energie besteht, wird der einer Haarspitze."
Energieursprung als der Höchste und die Energie oder Hiernach ist das individuelle Partikel, das eine spirituelle
Natur als Ihm untergeordnet anerkannt. Deshalb sind die Seele darstellt, ein spirituelles Atom, das kleiner ist als die
Lebewesen dem Höchsten Herrn immer untergeben - wie materiellen Atome, und solche Atome sind unzählbar.
der Diener dem Meister oder der Schüler dem Lehrer. Dieser sehr kleine spirituelle Funken bildet das
Solch klares Wissen ist unter dem Zauber der Unwissenheit Grundprinzip des materiellen Körpers, und der Einfluß
unmöglich zu verstehen, und um solche Unwissenheit zu eines solchen spirituellen Funkens ist über den ganzen
vertreiben, lehrt der Herr die Bhagavad-gītā zur Körper verbreitet, ebenso wie sich der Einfluß des aktiven
Erleuchtung aller Lebewesen für alle Zeiten. Prinzips eines Medikaments im gesamten Körper verbreitet.
Diese Ausbreitung der Seele wird überall im Körper als
VERS 17 Bewußtsein verspürt, und das ist der Beweis für die
Gegenwart der Seele. Jeder Laie kann verstehen, daß der
avināśi tu tad viddhi materielle Körper ohne Bewußtsein ein toter Körper ist und
yena sarvam idaˆ tatam daß dieses Bewußtsein im Körper durch keine materielle
vināśam avyayasyāsya Bemühung wiederbelebt werden kann. Bewußtsein ist
na kaścit kartum arhati daher auf keinerlei Menge materieller Verbindungen
zurückzuführen, sondern auf die spirituelle Seele. In der
avināśi—unvergänglich; tu—aber; tat—jene; viddhi—wisse MuŠaka Upaniad (3.1.9) wird weiter erklärt, wie man die
es; yena—durch die; sarvam—der gesamte Körper; idam— atomische spirituelle Seele mißt.
dies; tatam—verbreitet; vināśam—Zerstörung; avyayasya—
der unvergänglichen; asya—von ihr; na—niemals; kaścit— eo 'Šurātmā cetasā veditavyo
niemand; kartum—zu tun; arhati—fähig. yasmin prāŠaƒ pañcadhā saˆviveśa
prāŠaiś cittam sarvam otam prajānāˆ
ÜBERSETZUNG yasmin viśuddhe vibhavaty ea ātmā

Wisse, das was den gesamten Körper durchdringt, ist "Die Seele ist atomisch klein und kann durch vollkommene
unzerstörbar. Niemand ist imstande, die unvergängliche Intelligenz wahrgenommen werden. Diese atomische Seele
Seele zu zerstören. schwebt in den fünf Luftarten prāŠa, apāna, vyāna,
samāna und udāna, befindet sich im Herzen und verbreitet
ERLÄUTERUNG ihren Einfluß über den gesamten Körper des verkörperten
Lebewesens. Wenn die Seele von der Verunreinigung
Dieser Vers erklärt noch deutlicher das wirkliche Wesen durch die fünf Arten materieller Luft geläutert ist, entfaltet
der Seele, das über den gesamten Körper verbreitet ist. sich ihr spiritueller Einfluß."
Jeder kann verstehen, was über den ganzen Körper Das ha˜ha-yoga-System ist dazu gedacht, die fünf
verbreitet ist: es ist Bewußtsein. Jeder ist sich der Luftarten, die die reine Seele umkreisen, durch
Schmerzen und Freuden bewußt, die entweder in einem verschiedene Sitzstellungen zu meistern - nicht um
Teil des Körpers oder im gesamten Körper empfunden irgendeines materiellen Gewinns willen, sondern um die
werden. Diese Verbreitung von Bewußtsein beschränkt sich winzige Seele aus der Verstrickung in die materielle
auf den eigenen Körper. Die Schmerzen und Freuden des Atmosphäre zu befreien.
einen Körpers sind einem anderen unbekannt. Daher ist Das Wesen der winzigen Seele wird also in allen vedischen
jeder einzelne Körper die Verkörperung einer individuellen Schriften anerkannt und in der praktischen Erfahrung jedes
Seele, und das Symptom für die Anwesenheit der Seele geistig gesunden Menschen tatsächlich empfunden. Nur ein
wird als individuelles Bewußtsein erfahren. Diese Seele Geistesgestörter kann glauben, die winzig kleine Seele sei
wird als so groß wie der zehntausendste Teil einer das alldurchdringende viŠu-tattva.
Haarspitze beschrieben. Die Śvetāśvatara Upaniad (5.9) Der Einfluß der winzigen Seele kann vollständig über einen
bestätigt dies wie folgt: bestimmten Körper verbreitet werden. Wie es in der
MuŠaka Upaniad heißt, befindet sich die atomische Seele
bālāgra-śata-bhāgasya śatadhā kalpitasya ca im Herzen des Lebewesens, und da die Messung der
bhāgo jīvaƒ sa vijñeyaƒ sa cānantyāya kalpate atomischen Seele jenseits der Reichweite der materiellen
Wissenschaftler liegt, behaupten einige von ihnen
"Wenn eine Haarspitze in hundert Teile und jedes dieser törichterweise, es gebe keine Seele. Es besteht kein Zweifel
Teile in weitere hundert Teile zerlegt wird, dann entspricht darüber, daß die individuelle winzige Seele zusammen mit
eines dieser Teile der Größe der Seele." der Überseele im Herzen weilt, und daher kommen alle
Im Bhāgavatam wird diese Tatsache in ähnlicher Weise Energien, die zur Bewegung des Körpers benötigt werden,
erklärt: aus diesem Teil des Körpers. Die roten Blutkörperchen, die
den Sauerstoff aus der Lunge mit sich tragen, bekommen
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Energie von der Seele. Wenn die Seele diese Stellung gesamte Universum erhält, so erhält das Licht der Seele den
verläßt, kommt die Tätigkeit des Blutes, die die materiellen Körper. Sobald die spirituelle Seele den
Verbrennungsvorgänge anregt, zum Stillstand. Die materiellen Körper verlassen hat, beginnt der Körper zu
medizinische Wissenschaft erkennt die Bedeutung der roten zerfallen; daher ist es die spirituelle Seele, die den Körper
Blutkörperchen an, aber sie kann nicht herausfinden, daß erhält. Der Körper selbst ist unwichtig. Arjuna wurde
die Quelle der Energie die Seele ist. Auf der anderen Seite angewiesen, zu kämpfen und den materiellen Körper um
aber räumt die medizinische Wissenschaft ein, daß das der Religion willen zu opfern.
Herz der Sitz aller Energien des Körpers ist.
Diese atomischen Partikel des Spirituellen Ganzen werden VERS 19
mit den Molekülen des Sonnenscheins verglichen. Im
Sonnenschein gibt es unzählige strahlende Moleküle. In ya enaˆ vetti hantāraˆ
ähnlicher Weise sind die fragmentarischen Teile des yaś cainaˆ manyate hatam
Höchsten Herrn atomische Funken der Strahlen des ubhau tau na vijānīto
Höchsten, die als prabhā oder höhere Energie bezeichnet nāyaˆ hanti na hanyate
werden. Weder das vedische Wissen noch die moderne
Wissenschaft verleugnen die Existenz der spirituellen Seele yaƒ—jeder; enam—dies; vetti—weiß; hantāram—der
im Körper, und die Wissenschaft von der Seele wird Töter; yaƒ—jeder; ca—auch; enam—dies; manyate—denkt;
ausführlich von der Höchsten Persönlichkeit Gottes Selbst hatam—getötet; ubhau—sie beide; tau—sie; na—niemals;
in der Bhagavad-gītā erklärt. vijānītaƒ—im Wissen; na—niemals; ayam—diese; hanti—
tötet; na—noch; hanyate-wird getötet.
VERS 18
ÜBERSETZUNG
antavanta ime dehā
nityasyoktāƒ śarīriŠaƒ Wer glaubt, das Lebewesen töte oder werde getötet,
anāśino’prameyasya befindet sich in Unwissenheit. Wer in Wissen gründet,
tasmād yudhyasva bhārata weiß, daß das Lebewesen weder tötet noch getötet wird.

antavantaƒ—vergänglich; ime—all diese; dehā-materiellen ERLÄUTERUNG


Körper; nityasya— ewig bestehend; uktāƒ—es heißt so;
śarīriŠaƒ—die verkörperten Seelen; anāśinaƒ—können Wenn ein verkörpertes Lebewesen durch tödliche Waffen
niemals zerstört werden; aprameyasya—unmeßbar; verletzt wird, muß man wissen, daß das Lebewesen
tasmāt—deshalb; yudhyasva—kämpfe; bhārata—o innerhalb des Körpers nicht getötet wird. Wie aus den
Nachkomme Bhāratas. vorangegangenen Versen deutlich hervorgeht, ist die
spirituelle Seele so klein, daß es unmöglich ist, sie mit
ÜBERSETZUNG irgendeiner materiellen Waffe zu töten. Allein aufgrund
seiner spirituellen Beschaffenheit kann das Lebewesen
Nur der materielle Körper des unzerstörbaren, niemals vernichtet werden. Das, was vernichtet oder
unmeßbaren und ewigen Lebewesens unterliegt der angeblich zerstört wird, ist nur der Körper. Dies soll aber
Zerstörung. Deshalb kämpfe, o Nachkomme Bhāratas. keineswegs dazu auffordern, den Körper zu töten. Die
vedische Unterweisung lautet: māhiˆsyāt sarva-bhūtāni.
ERLÄUTERUNG "Tu niemals irgend jemand Gewalt an." Auch ermutigt das
Verständnis, daß das Lebewesen nicht getötet werden kann,
Der materielle Körper ist von Natur aus vergänglich. Er nicht dazu, Tiere zu schlachten. Den Körper irgendeines
mag sogleich vergehen oder erst nach hundert Jahren. Es ist Lebewesens zu vernichten, ohne dazu befugt zu sein, ist
nur eine Frage der Zeit. Es gibt keine Möglichkeit, ihn verabscheuungswürdig und wird sowohl vom Gesetz des
unbegrenzt zu erhalten. Die spirituelle Seele aber ist so Staates als auch vom Gesetz des Herrn bestraft. Arjuna
winzig, daß sie von einem Feind nicht einmal gesehen, jedoch soll für das Prinzip der Religion töten - nicht aus
geschweige denn getötet werden kann. Wie im vorherigen einer Laune heraus.
Vers erwähnt wurde, ist sie so klein, daß niemand
irgendeine Vorstellung hat, wie man ihre Dimension VERS 20
messen kann. Von beiden Gesichtspunkten aus betrachtet
gibt es also keinen Grund zu klagen, denn weder kann das na jāyate mriyate vā kadācin
Lebewesen, so wie es ist, getötet noch kann der materielle nāyaˆ bhūtvā bhavitā vā na bhūyaƒ
Körper, der nicht einmal eine Sekunde länger als ajo nityaƒ śāśvato’yaˆ purāŠo
vorgesehen erhalten werden kann, bleibend beschützt na hanyate hanyamāne śarīre
werden. Das winzige Partikel des Spirituellen Ganzen
nimmt seinem Tun gemäß einen materiellen Körper an, und na—niemals; jāyate—wird geboren; mriyate—stirbt
daher soll man die Einhaltung religiöser Grundsätze nutzen. niemals; vā—entweder; kadācit—zu irgendeiner Zeit
In den Vedānta-sūtras wird das Lebewesen (Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft); na—niemals;
eigenschaftsmäßig als Licht eingestuft, da es ein ayam—dies; bhūtvā—wurde geboren; bhavitā—wird
Bestandteil des höchsten Lichts ist. So wie Sonnenlicht das entstehen; vā—oder; na—nicht; bhūyaƒ—oder ist
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entstanden; ajaƒ—ungeboren; nityaƒ—ewig; śāśvataƒ— aufhält, kann man die Gegenwart der Seele einfach durch
immerwährend; ayam—dieses; purāŠaƒ—am ältesten; na— die Anwesenheit von Bewußtsein verstehen. Manchmal
niemals; hanyate—wird vernichtet; hanyamāne—vernichtet finden wir die Sonne am Himmel nicht, weil sich Wolken
wird; śarīre-der Körper. davor geschoben haben oder aus irgendeinem anderen
Grund, aber das Licht der Sonne ist immer da, und wir sind
ÜBERSETZUNG überzeugt, daß es deshalb Tag ist. Sobald frühmorgens ein
wenig Licht am Himmel ist, können wir verstehen, daß die
Für die Seele gibt es weder Geburt noch Tod. Auch hört Sonne am Himmel steht. In ähnlicher Weise können wir
sie, da sie einmal war, niemals auf zu sein. Sie ist auch die Gegenwart der Seele verstehen, da in allen
ungeboren, ewig, immerwährend, unsterblich und Körpern - ob Mensch oder Tier - Bewußtsein vorhanden ist.
urerst. Sie wird nicht getötet, wenn der Körper Dieses Bewußtsein der Seele unterscheidet sich jedoch vom
erschlagen wird. Bewußtsein des Höchsten, da das höchste Bewußtsein
Allwissen ist - es umfaßt Vergangenheit, Gegenwart und
ERLÄUTERUNG Zukunft. Das Bewußtsein der individuellen Seele neigt
dazu, vergeßlich zu sein. Wenn sie ihre wahre Natur
Der Qualität nach ist der winzige fragmentarische Teil des vergißt, empfängt sie aus den erhabenen Lehren KŠas
Höchsten Spirituellen Wesens mit dem Höchsten eins. Er Erziehung und Erleuchtung. Aber KŠa ist nicht mit der
unterliegt keinem Wandel wie der Körper. Manchmal wird vergeßlichen Seele zu vergleichen. Wenn dem so wäre,
die Seele als "die Beständige" oder kū˜astha bezeichnet. würden Seine Lehren in der Bhagavad-gītā nutzlos sein. Es
Der Körper unterliegt sechs Arten von Wandlungen: Er gibt zwei Arten von Seelen. die winzig kleine Seele (aŠu-
wird in der Gebärmutter des mütterlichen Körpers geboren, ātmā) und die Überseele (vibhu-ātmā). Dies wird auch in
bleibt dort einige Zeit, wächst heran, zeugt Nachkommen, der Ka˜ha Upaniad (1.2.20) wie folgt bestätigt:
verfällt allmählich und gerät schließlich in Vergessenheit.
Die Seele aber durchläuft nicht solche Wandlungen. Die aŠor aŠīyān mahato mahīyān
Seele selbst wird nicht geboren, aber weil sie einen ātmāsya jantor nihito guhāyām
materiellen Körper annimmt, wird der Körper geboren. Die tam akratuƒ paśyati vīta-śoko
Seele wird nicht geboren, und die Seele stirbt nicht. Alles, dhātuƒ prasādān mahimānam ātmanaƒ
was geboren wird, muß sterben. Und da die Seele nie
geboren wurde, kennt sie weder Vergangenheit noch "Sowohl die Überseele [Paramātmā] als auch die winzig
Gegenwart, noch Zukunft. Sie ist ewig, immerwährend und kleine Seele [jīvātmā] sitzen auf dem gleichen Baum des
urerst - das heißt, es gibt in der Geschichte keine Spur ihrer Körpers, im gleichen Herzen des Lebewesens, und nur
Entstehung. Unter dem Einfluß der körperlichen jemand, der von allen materiellen Wünschen und Klagen
Vorstellung suchen wir nach dem Zeitpunkt der Geburt frei geworden ist, kann durch die Gnade des Höchsten die
usw. der Seele. Die Seele wird zu keiner Zeit alt, wie es der Herrlichkeit der Seele verstehen."
Körper wird. Daher fühlt der sogenannte alte Mann, daß er KŠa ist auch der Ursprung der Überseele, wie in den
der gleiche ist wie in seiner Kindheit oder Jugend. Die folgenden Kapiteln enthüllt werden wird, und Arjuna ist die
Wandlungen des Körpers beeinflussen nicht die Seele. Die winzig kleine Seele, die ihre wahre Natur vergessen hat und
Seele unterliegt nicht dem Zerfall wie ein Baum oder etwas daher von KŠa oder Seinem echten Vertreter (dem
anderes Materielles. Die Seele hat auch keine spirituellen Meister) erleuchtet werden muß.
Nachkommen. Die Nebenprodukte des Körpers, nämlich
Kinder, sind ebenfalls verschiedene individuelle Seelen, VERS 21
und nur im Hinblick auf den Körper erscheinen sie als
Kinder eines bestimmten Mannes. Der Körper entwickelt vedāvināśinaˆ nityaˆ
sich, weil die Seele anwesend ist; aber weder hat die Seele ya enam ajam avyayam
Abkömmlinge, noch unterliegt sie dem Wandel. Folglich ist kathaˆ sa puruaƒ pārtha
die Seele von den sechs Wandlungen des Körpers frei. kaˆ ghātayati hanti kam
Auch in der Ka˜ha Upaniad (1.2.18) finden wir einen
ähnlichen Abschnitt, in dem es heißt: veda—in Wissen; avināśinam—unzerstörbar; nityam—
immer; yaƒ—jemand, der; enam—diese (Seele); ajam—
na jāyate mriyate vā vipaścin ungeboren; avyayam—unveränderlich; katham—wie; saƒ—
nāyaˆ kutaścin na vibhūva kaścit er; puruaƒ—Person; pārtha—o Pārtha (Arjuna); kam—
ajo nityaƒ śāśvato ‘yaˆ purāŠo jemand; ghātayati—verletzt; hanti—tätet; kam—jemand.
na hanyate hanyamāne śarīre
ÜBERSETZUNG
Die Aussage und Bedeutung dieses Verses ist die gleiche
wie in der Bhagavad-gītā, aber hier in diesem Vers gibt es O Pārtha, wie kann ein Mensch, der weiß, daß die Seele
ein besonderes Wort, nämlich vipaścit, was soviel bedeutet unzerstörbar, ungeboren, ewig und unveränderlich ist,
wie "gelehrt" oder "mit Wissen". jemand töten oder einen anderen veranlassen zu töten?
Die Seele ist voll Wissen oder immer von Bewußtsein
erfüllt. Daher ist Bewußtsein das Merkmal der Seele. Selbst ERLÄUTERUNG
wenn man die Seele nicht im Herzen findet, wo sie sich
49

Alles hat seinen bestimmten Nutzen, und ein Mensch, der Das Überwechseln der atomischen individuellen Seele in
in vollkommenem Wissen gründet, weiß, wie und wo ein einen anderen Körper wird durch die Gnade der Überseele
Ding seine richtige Verwendung hat. In ähnlicher Weise hat ermöglicht. Die Überseele erfüllt den Wunsch der
auch Gewalt ihre Nützlichkeit, und wie Gewalt atomischen Seele, ebenso wie ein Freund den Wunsch
anzuwenden ist, liegt bei demjenigen, der über Wissen seines Freundes erfüllt. Die Veden, wie die MuŠaka
verfügt. Obwohl der Friedensrichter über einen Menschen, Upaniad und die ŚVetāśvatara Upaniad, vergleichen die
der wegen Mordes verurteilt ist, die Todesstrafe verhängt, Seele und die Überseele mit zwei befreundeten Vögeln, die
kann gegen ihn kein Vorwurf erhoben werden, da er auf dem gleichen Baum sitzen. Einer der Vögel (die
Gewalt gegen einen anderen in Übereinstimmung mit dem individuelle atomische Seele) ißt von den Früchten des
Gesetz befiehlt. In der Manu-saˆhitā, dem Gesetzbuch der Baumes, während der andere Vogel (KŠa) Seinen Freund
Menschheit, wird bestätigt, daß ein Mörder zum Tode nur beobachtet. Von diesen beiden Vögeln - obwohl sie
verurteilt werden sollte, damit er in seinem nächsten Leben sich eigenschaftsmäßig gleichen - ist der eine von den
für die große Sünde, die er begangen hat, nicht zu leiden Früchten des materiellen Baumes bezaubert, wohingegen
braucht. Deshalb ist die Strafe des Königs, einen Mörder zu der andere einfach nur Zeuge der Tätigkeiten Seines
hängen, durchaus segensreich. In ähnlicher Weise verhält Freundes ist. KŠa ist der bezeugende Vogel, und Arjuna
es sich mit KŠa: Wenn Er den Befehl gibt zu kämpfen, ist der essende Vogel. Obwohl sie Freunde sind, ist
muß man daraus schließen, daß Gewalt um höchster trotzdem der eine Meister und der andere Diener. Daß die
Gerechtigkeit willen stattfindet. Arjuna sollte der atomische Seele diese Beziehung vergißt, ist die Ursache
Anweisung folgen, da er wohl weiß, daß solche Gewalt, die dafür, daß sie von einem Baum zum anderen oder vielmehr
im Kampf für KŠa angewandt wird, keineswegs Gewalt von einem Körper zum anderen wechselt. Die jīva-Seele
ist; denn der Mensch oder vielmehr die Seele kann auf kämpft sehr schwer auf dem Baum des materiellen Körpers;
keinen Fall getötet werden. Um für Gerechtigkeit zu aber sobald sie sich damit einverstanden erklärt, den
sorgen, ist also sogenannte Gewalt gestattet. Ein anderen Vogel als den höchsten spirituellen Meister
chirurgischer Eingriff soll den Patienten nicht töten, anzuerkennen - wie Arjuna einverstanden war, indem er
sondern heilen. Daher findet der Kampf, den Arjuna im sich KŠa freiwillig unterordnete, um sich von Ihm
Auftrag KŠas austragen soll, in vollem Wissen statt, und unterweisen zu lassen -, wird der untergeordnete Vogel
daher kann keine sündhafte Reaktion folgen. sogleich von allem Klagen frei. Sowohl die Ka˜ha
Upaniad als auch die ŚVetāśvatara Upaniad bestätigen
VERS 22 dies:

vāsāˆsi jīrŠāni yathā vihāya samāne vke puruo nimagno


navāni ghŠāti naro’parāŠi ‘nīśayā śocati muhyamānaƒ
tathā śarīrāŠi vihāya jīrŠāny ju˜aˆ yadā paśyaty anyam īśam asva
anyāni saˆyāti navāni dehī mahimānam iti vīta-śokaƒ

vāsāmsi—Kleidungsstücke; jīrŠāni—alt und abgetragen; "Obwohl die beiden Vögel im gleichen Baum sitzen, wird
yathā—wie es ist; vihāya—aufgebend; navāni—neue der essende Vogel von Angst und Unzufriedenheit geplagt,
Kleidungsstücke; ghŠāti—nimmt an; naraƒ—ein Mensch; weil er die Fruchte des Baumes genießen will. Aber wenn
aparāŠi—andere; tathā—in gleicher Weise; śarīrāŠi— er sich auf diese oder jene Weise seinem Freund, der der
Körper; vihāya—aufgebend; jīrŠāni—alte und nutzlose; Herr ist, zuwendet und dessen Herrlichkeit erkennt, wird
anyāni—verschiedene; saˆyāti—nimmt wahrlich an; der leidende Vogel sogleich von allen Ängsten frei."
navāni—neue Garnituren; dehī—die Verkörperte. Arjuna hat sich jetzt seinem ewigen Freund, KŠa,
zugewandt und läßt sich von Ihm in der Bhagavad-gītā
ÜBERSETZUNG unterrichten. Indem er so von KŠa hört, kann er die
erhabene Herrlichkeit des Herrn verstehen und von aller
Wie ein Mensch alte Kleider ablegt und neue anlegt, so Klage frei werden. Arjuna wird hier vom Herrn
gibt die Seele alt und unbrauchbar gewordene Körper unterwiesen, den Körperwechsel seines alten Großvaters
auf und nimmt neue an. und seines Lehrers nicht zu beklagen. Er sollte vielmehr
froh darüber sein, ihre Körper in einem gerechten Kampf
ERLÄUTERUNG zu töten, so daß sie sogleich von allen Reaktionen auf
verschiedene körperliche Tätigkeiten gereinigt werden
Daß die atomische individuelle Seele den Körper wechselt, mögen. Wer sein Leben auf dem Opferaltar oder auf dem
ist eine anerkannte Tatsache. Selbst einige moderne geeigneten Schlachtfeld läßt, wird auf der Stelle von
Wissenschaftler, die nicht an die Existenz der Seele körperlichen Reaktionen gereinigt und auf eine höhere
glauben, aber zur gleichen Zeit die Energiequelle im Stufe des Lebens erhoben. Es gab also für Arjuna keinen
Herzens nicht erklären können, müssen die fortwährenden Grund zu klagen.
Wandlungen des Körpers von Kindheit zu Knabenzeit, von
Knabenzeit zu Jugend und von Jugend zu Alter VERS 23
anerkennen. Vom Alter aus wird die Wandlung auf einen
anderen Körper übertragen. Dies ist schon im nainaˆ chindanti śastrāŠi
vorangegangenen Vers erklärt worden. nainaˆ dahati pāvakaƒ
50

na cainaˆ kledayanty āpo acchedyaƒ—unzerbrechlich; ayam—diese Seele; adāhyaƒ—


na śoayati mārutaƒ kann nicht verbrannt werden; ayam—diese Seele;
akledyaƒ—unauflöslich; aśoyaƒ—kann nicht getrocknet
na—niemals; enam—diese Seele; chindanti—können in werden; eva—gewiß; ca—und; nityaƒ—immerwährend;
Stücke schneiden; śastrāŠi—alle Waffen; na—niemals; sarva-gataƒ—alldurchdringend; sthāŠuƒ—unwandelbar;
enam—diese Seele; dahati—verbrennt; pāvakaƒ—Feuer; acalaƒ—unbeweglich; ayam—diese Seele; sanātanaƒ—
na—niemals; ca—auch; enam—diese Seele; kledayanti— ewig dieselbe.
benetzt; āpaƒ—Wasser; na—niemals; śoayati—trocknet;
mārutaƒ—Wind. ÜBERSETZUNG

ÜBERSETZUNG Diese individuelle Seele ist unzerbrechlich und


unauflöslich und kann weder verbrannt noch
Die Seele kann weder von Waffen in Stücke geschnitten, ausgetrocknet werden. Sie ist immerwährend,
noch kann sie von Feuer verbrannt, von Wasser benetzt alldurchdringend, unwandelbar, unbeweglich und ewig
oder vom Wind verdorrt werden. dieselbe.

ERLÄUTERUNG ERLÄUTERUNG

Alle Arten von Waffen, wie Schwerter, Flammen, Alle diese Eigenschaften der winzigen Seele beweisen
Regenfälle, Wirbelstürme usw., sind nicht imstande, die eindeutig, daß die individuelle Seele ewig der winzige
spirituelle Seele zu vernichten. Es scheint, daß es damals Bestandteil des spirituellen Ganzen ist und ewig, ohne
außer den modernen Feuerwaffen noch viele andere Arten Veränderung, dasselbe Atom bleibt. Es ist sehr schwierig,
von Waffen gab, die aus Erde, Wasser, Luft, Äther usw. in diesem Falle die Theorie des Monismus anzuwenden,
bestanden. Selbst die Kernwaffen der heutigen Zeit werden denn es ist niemals zu erwarten, daß die individuelle Seele
als Feuerwaffen eingestuft. Vormals gab es noch andere mit allem anderen eins und gleich wird. Nach der Befreiung
Waffen, die aus allen möglichen materiellen Elementen von der materiellen Verunreinigung mag es die winzige
hergestellt waren. Feuerwaffen bekämpfte man mit Seele vorziehen, als ein spiritueller Funken in den
Wasserwaffen, die jetzt der modernen Wissenschaft leuchtenden Strahlen der Höchsten Persönlichkeit Gottes zu
unbekannt sind. Auch wissen moderne Wissenschaftler verbleiben, aber die intelligenten Seelen gehen in die
nichts von Wirbelsturmwaffen. Nichtsdestoweniger kann spirituellen Planeten ein, um mit der Persönlichkeit Gottes
die Seele, ungeachtet wissenschaftlicher Erfindungen, zusammenzusein.
niemals in Stücke geschnitten oder durch irgendeine Das Wort sarva-gataƒ (alldurchdringend) ist bedeutsam, da
Anzahl von Waffen vernichtet werden. kein Zweifel darüber besteht, daß es überall in Gottes
Es war niemals möglich, die individuelle Seele von der Schöpfung Lebewesen gibt. Sie leben auf dem Land, im
ursprünglichen Seele abzutrennen. Die Māyāvādīs Wasser, in der Luft, unter der Erde und sogar im Feuer. Die
versuchen zu beschreiben, wie die individuelle Seele aus Ansicht, Lebewesen würden im Feuer vernichtet werden,
Unwissenheit hervorging und folglich von der täuschenden ist nicht annehmbar, da es hier unmißverständlich heißt,
Energie bedeckt wurde. Weil die Lebewesen ewig daß die Seele durch Feuer nicht verbrannt werden kann.
(sanātana) atomische individuelle Seelen sind, neigen sie Deshalb besteht kein Zweifel darüber, daß es auch im
dazu, von der täuschenden Energie bedeckt zu werden, und Sonnenplaneten Lebewesen gibt, die dort mit einem
so werden sie von der Gemeinschaft des Höchsten Herrn geeigneten Körper leben. Wäre die Sonne unbewohnt, dann
getrennt, ebenso wie die Funken eines Feuers, obwohl der wurde das Wort sarva-gataƒ (überall gibt es Leben) seine
Eigenschaft nach eins mit dem Feuer, zum Verlöschen Bedeutung verlieren.
neigen, wenn sie aus dem Feuer herausfallen. Im Varāha
PurāŠa werden die Lebewesen als abgesonderte winzige VERS 25
Bestandteile des Höchsten beschrieben. Sie sind dies ewig,
wie auch von der Bhagavad-gītā bestätigt wird. Wie aus avyakto’yam acintyo’yam
den Lehren des Herrn zu Arjuna ersichtlich ist, behält das avikāryo’yam ucyate
Lebewesen also, selbst nachdem es von der Illusion befreit tasmād evaˆ viditvainaˆ
ist, seine gesonderte Identität. Arjuna wurde durch das nānuśocitum arhasi
Wissen, das er von KŠa empfing, zwar befreit, doch
wurde er niemals eins mit KŠa. avyaktaƒ—unsichtbar; ayam—diese Seele; acintyaƒ—
unbegreiflich; ayam—diese Seele; avikāryaƒ—
VERS 24 unveränderlich; ayam—diese Seele; ucyate—es wird
gesagt; tasmāt—daher; evam—wie dies; viditvā—es wohl
acchedyo'yam adāhyo’yam wissend; enam—diese Seele; na—nicht; anuśocitum—
akledyo'śoya eva ca magst beklagen; arhasi—du verdienst.
nityaƒ sarva-gataƒ sthāŠur
acalo'yaˆ sanātanaƒ ÜBERSETZUNG
51

Es heißt, daß die Seele unsichtbar, unbegreiflich, Es gibt immer eine Klasse von Philosophen, die fast mit
unveränderlich und unwandelbar ist. Da du dies weißt, den Buddhisten gleichzusetzen ist und die nicht an eine
solltest du um den Körper nicht trauern. vom Körper gesonderte Existenz der Seele glaubt. Als Śrī
KŠa die Bhagavad-gītā sprach, gab es Philosophen dieser
ERLÄUTERUNG Art, die als Lokāyatikas oder Vaibhāikas bekannt waren.
Diese Philosophen vertraten die Auffassung,
Wie zuvor beschrieben wurde, ist die Größe der Seele für Lebenssymptome oder die Seele entstünden in einem
unsere materielle Berechnung so klein, daß sie nicht einmal gewissen Reifestadium materieller Verbindungen. Die
mit dem stärksten Mikroskop gesehen werden kann; modernen materialistischen Wissenschaftler und
deshalb ist sie unsichtbar. Was die Existenz der Seele Philosophen des Materialismus denken ähnlich. Ihrer
betrifft, so kann niemand, über den Beweis von śruti oder Ansicht nach ist der Körper eine Kombination
der vedischen Weisheit hinaus, ihre Existenz experimentell physikalischer Elemente und sie glauben, die
nachweisen. Wir müssen diese Wahrheit akzeptieren, weil Lebenssymptome entwickelten sich auf einer gewissen
es keine andere Quelle gibt, die Existenz der Seele zu Stufe durch sie Wechselwirkung physikalischer und
verstehen, wenngleich sie tatsächlich wahrgenommen chemischer Elemente. Die Wissenschaft der Anthropologie
werden kann. Es gibt viele Dinge, die wir allein auf der stützt sich auf diese Philosophie. In neuerer Zeit gibt es
Grundlage höherer Autorität akzeptieren müssen. Niemand viele Pseudo-Religionen - die jetzt vor allem in Amerika
kann die auf die Autorität der Mutter gestützte Existenz Mode werden -, die sich ebenfalls an diese Philosophie
seines Vaters leugnen. Außer der Autorität der Mutter gibt sowie an die nihilistischen, sich nicht hingebenden
es keine andere Quelle, die Identität des Vaters zu buddhistischen Sekten anschließen.
verstehen. In ähnlicher Weise gibt es keine andere Selbst wenn Arjuna nicht an die Existenz der Seele glaubte
Möglichkeit, die Seele zu verstehen, als die Veden zu - wie es bei den Vertretern der Vaibhāika-Philosophie der
studieren. Mit anderen Worten: Die Seele ist durch Fall ist -, hätte dennoch kein Grund zur Klage bestanden.
menschliches experimentelles Wissen nicht zu begreifen. Niemand jammert um den Verlust einer Masse chemischer
Die Seele ist Bewußtsein und bewußt - so lautet auch die Stoffe und hört auf, seine vorgeschriebene Pflicht zu
Aussage der Veden, und wir haben die zu akzeptieren. erfüllen. In der modernen Wissenschaft und
Anders als der Körper, der sich wandelt, vollzieht sich in wissenschaftlichen Kriegsführung werden so viele Tonnen
der Seele keine Wandlung. Da die Seele unveränderlich ist, chemischer Substanzen verschwendet, um den Feind zu
ist sie im Vergleich zur unendlichen Höchsten Seele immer besiegen. Nach der Vaibhāika-Philosophie vergeht die
atomisch klein. Die Höchste Seele ist unendlich, und die sogenannte Seele (ātmā) mit der Auflösung des Körpers. In
atomische Seele ist unendlich klein. Folglich kann die jedem Fall also - ob Arjuna die vedische Schlußfolgerung
unendlich kleine Seele, da unwandelbar, niemals der akzeptierte, daß es eine winzige Seele gibt, oder ob er nicht
unendlichen Seele oder der Höchsten Persönlichkeit Gottes an die Existenz der Seele glaubte -, hatte er keinen Grund
gleichkommen. Diese Auffassung wird in den Veden auf zu klagen. Da nach der Theorie der Vaibhāikas in jedem
verschiedene Weise wiederholt, nur um die Augenblick unendlich viele Lebewesen aus der Materie
Unveränderlichkeit der Konzeption von der Seele zu erzeugt werden und unendlich viele sterben, braucht man
untermauern. Wiederholung ist notwendig, damit wir etwas um ein solches Ereignis nicht zu trauern. Da nun Arjuna
fehlerfrei und eingehend verstehen. eine Wiedergeburt der Seele nicht in Betracht zog, gab es
für ihn keinen Grund, sich vor sündhaften Reaktionen zu
VERS 26 fürchten, die entstehen würden, wenn er seinen Großvater
und seinen Lehrer tötete. KŠa redete Arjuna hier spöttisch
atha cainaˆ nitya-jātaˆ mit mahā-bāhu (Starkarmiger) an, da zumindest Er die
nityaˆ vā manyase mtam Theorie der Vaibhāikas nicht akzeptierte, die das vedische
tathāpi tvaˆ mahā-bāho Wissen außer acht läßt. Als katriya gehörte Arjuna der
nainaˆ śocitum arhasi vedischen Kultur an, und daher war es seine Pflicht, weiter
ihren Prinzipien zu folgen.
atha—wenn jedoch; ca—auch; enam—diese Seele;
nitya-jātam—immer geboren; nityam—für immer; vā— VERS 27
entweder; manyase—so denkst; mtam—tot; tathāpi—
trotzdem; tvam—du; mahā-bāho-Starkarmiger; na— jātasya hi dhruvo mtyur
niemals; enam—von der Seele; śocitum—zu wehklagen; dhruvaˆ janma mtasya ca
arhasi—verdienst es. tasmād aparihārye'rthe
na tvaˆ śocitum arhasi
ÜBERSETZUNG
jātasya-jemand, der geboren wurde; hi—sicherlich;
Wenn du jedoch glaubst, die Seele werde ständig aufs dhruvaƒ—eine Tatsache; mtyuƒ—Tod; dhruvam—es ist
neue geboren und sterbe immer wieder, gibt es für dich auch eine Tatsache; janma—Geburt; mtasya—des Toten;
dennoch keinen Grund zu klagen, o Starkarmiger. ca—auch; tasmāt—daher; aparihārye—für das, was
unvermeidlich ist; arthe—in der Angelegenheit; na—nicht;
ERLÄUTERUNG tvam—du; śocitum—zu klagen; arhasi—verdienst.
52

ÜBERSETZUNG Weisheit als Atheisten bezeichnet. Selbst wenn wir, um der


Beweisführung willen, die atheistische Theorie akzeptieren,
Einem, der geboren wurde, ist der Tod sicher, und gibt es dennoch keinen Grund zur Klage. Abgesehen von
einem, der gestorben ist, ist die Geburt gewiß. Deshalb der gesonderten Existenz der Seele, bleiben die materiellen
solltest du bei der unvermeidlichen Erfüllung deiner Elemente vor der Schöpfung unmanifestiert. Aus diesem
Pflicht nicht klagen. feinen Zustand der Nichtmanifestation geht Manifestation
hervor, ähnlich wie aus Äther Luft, aus Luft Feuer, aus
ERLÄUTERUNG Feuer Wasser und aus Wasser Erde entsteht. Aus der Erde
gehen viele verschiedene Manifestationen hervor. Nehmen
Die Tätigkeiten im Leben bestimmen die Geburt. Und wir zum Beispiel einen riesigen Wolkenkratzer, der aus
nachdem man einen Kreis von Tätigkeiten beendet hat, Erde besteht. Wenn man ihn zerstört, löst sich die
muß man sterben, um für den nächsten geboren zu werden. Manifestation wieder auf, und letzten Endes bleiben nur
Auf diese Weise dreht sich das Rad von Geburt und Tod, Atome übrig. Das Gesetz der Energieerhaltung gilt immer,
eine Umdrehung nach der anderen, ohne Befreiung. Dieser nur sind die Dinge im Laufe der Zeit einmal manifestiert
Kreislauf von Geburt und Tod rechtfertigt jedoch nicht und ein anderes Mal unmanifestiert - darin liegt der
unnötiges Morden, Schlachten oder Krieg. Aber zugleich Unterschied. Welchen Grund gibt es also, entweder den
sind Gewalt und Krieg in der menschlichen Gesellschaft Zustand der Manifestation oder den der Nichtmanifestation
unvermeidliche Faktoren, um Gesetz und Ordnung zu beklagen? Auf irgendeine Weise sind die Dinge selbst
aufrechtzuerhalten. im unmanifestierten Zustand nicht verloren. Sowohl am
Die Schlacht von Kuruketra war ein unvermeidliches Anfang als auch am Ende bleiben alle materiellen Elemente
Ereignis, da sie der Wille des Höchsten war, und es ist die unmanifestiert, und nur in ihrem Zwischenstadium sind sie
Pflicht des katriya, für die rechte Sache zu kämpfen. manifestiert, und das macht keinen wirklichen materiellen
Warum sollte Arjuna den Tod seiner Verwandten fürchten Unterschied.
oder darüber bekümmert sein, wenn er doch nur seine Wenn wir die vedische Schlußfolgerung akzeptieren, wie
eigentliche Pflicht erfüllte? Es paßte nicht zu ihm, das man sie in der Bhagavad-gītā (2.18) findet, daß nämlich die
Gesetz zu brechen und dadurch den Reaktionen sündiger materiellen Körper im Laufe der Zeit vergehen (antavanta
Handlungen unterworfen zu werden, wovor er sich sehr ime dehāƒ), daß aber die Seele ewig ist (nityasyoktāƒ
fürchtete. Auch wenn er seine eigentliche Pflicht nicht śarīriŠaƒ), dann sollten wir uns immer daran erinnern, daß
erfüllte, könnte er den Tod seiner Verwandten nicht der Körper wie ein Gewand ist und warum sollte man den
verhindern, und da er falsch gehandelt hätte, würde er sein Wechsel eines Kleidungsstücks beklagen? Der materielle
Ansehen verlieren. Körper hat im Verhältnis zur ewigen Seele keine wirkliche
Existenz. Er ist so etwas wie ein Traum. Im Traum glauben
VERS 28 wir vielleicht, daß wir in der Luft fliegen oder als König in
einer Karosse sitzen; doch wenn wir erwachen, sehen wir,
avyaktādīni bhūtāni daß wir weder fliegen noch in einer Karosse sitzen. Die
vyakta-madhyāni bhārata Veden fordern zur Selbstverwirklichung auf, wobei sie
avyakta-nidhanāny eva davon ausgehen, daß der materielle Körper im Grunde
tatra kā paridevanā nicht existiert. Daher gibt es in keinem Fall - ob man an die
Existenz der Seele glaubt oder ob man an die Existenz der
avyaktādīni—am Anfang unmanifestiert; bhūtāni—alle, die Seele nicht glaubt - einen Grund, den Verlust des Körpers
erschaffen worden sind; vyakta—manifestiert; madhyāni— zu beklagen.
in der Mitte; bhārata—o Nachkomme Bhāratas; avyakta—
unmanifestiert; nidhanāni—alle, die vernichtet worden VERS 29
sind; eva—es verhält sich alles so; tatra—daher; kā—was;
paridevanā—Klage. āścaryavat paśyati kaścit enam-
āścaryavad vadati tathaiva cānyaƒ
ÜBERSETZUNG āścaryavac cainam anyaƒ śŠoti
śrutvāpy enaˆ veda na caiva kaścit
Alle erschaffenen Wesen sind am Anfang
unmanifestiert, in ihrem Zwischenzustand manifestiert āścaryavat—wunderbar; paśyati—sehen; kaścit—einige;
und wieder unmanifestiert, wenn sie vernichtet sind. enam—diese Seele; āscaryavat—wunderbar; vadati—
Warum soll man also klagen? sprechen; tathā—dort; eva—gewiß; ca—auch; anyaƒ—
andere; āścaryavat—wunderbar; ca—auch; enam—diese
ERLÄUTERUNG Seele; anyaƒ—andere; śŠoti—hören; śrutvā—gehört
habend; api—selbst; enam—diese Seele; veda—kennen;
Geht man einmal davon aus, daß es zwei Gruppen von na—niemals; ca—und; eva—gewiß; kaścit—irgend jemand.
Philosophen gibt - die einen, die an die Existenz der Seele
glauben, und die anderen, die nicht an die Existenz der ÜBERSETZUNG
Seele glauben -, so gibt es in beiden Fällen keinen Grund
zur Klage. Diejenigen, die nicht an die Existenz der Seele Einige betrachten die Seele als wunderbar; einige
glauben, werden von den Nachfolgern der vedischen beschreiben sie als wunderbar, und einige hören, sie sei
53

wunderbar, wohingegen andere, selbst nachdem sie von vorangegangenen, bevor man fähig ist, KŠa als die
ihr gehört haben, sie überhaupt nicht verstehen können. Höchste Persönlichkeit Gottes anzuerkennen. KŠa kann
jedoch durch die grundlose Barmherzigkeit des reinen
ERLÄUTERUNG Gottgeweihten, und auf keine andere Weise, in dieser
Eigenschaft erkannt werden.
Da die Gītopaniad weitgehend auf den Prinzipien der
Upaniaden beruht, ist es nicht überraschend, in der Ka˜ha VERS 30
Upaniad den folgenden Abschnitt zu finden:
dehī nityam avadhyo’yaˆ
śravaŠāyāpi bahubhir yo na labhyaƒ dehe sarvasya bhārata
śŠvanto 'pi bahavo yaƒ na vidyuƒ tasmāt sarvāŠi bhūtāni
āścaryo vaktā kuśalo 'sya labdhā na tvaˆ śocitum arhasi
āścaryo jñātā kuśalānuśi˜aƒ
dehī—der Besitzer des materiellen Körpers; nityam—ewig;
Die Tatsache, daß sich die winzig kleine Seele im Körper avadhyaƒ—kann nicht getötet werden; ayam—diese Seele;
eines riesigen Tieres, im Körper eines mächtigen dehe—im Körper; sarvasya—von jedem; bhārata—o
Banyanbaums und sogar in winzigen Bakterien befindet Nachkomme Bhāratas; tasmāt—daher; sarvāŠi—alle;
von denen Millionen und Abermillionen nur einen bhūtāni—Lebewesen (die geboren sind); na—niemals;
Zentimeter Raum einnehmen ist zweifellos sehr erstaunlich. tvam—du selbst; śocitum—zu klagen; arhasi—verdienst.
Menschen mit geringem Wissen und Menschen, die nicht
enthaltsam sind, können die Wunder des individuellen ÜBERSETZUNG
winzigen Funkens spiritueller Natur nicht verstehen,
obwohl diese Dinge von der größten Autorität des Wissens O Nachkomme Bhāratas, die Seele, die im Körper
erklärt werden, die sogar Brahma, dem ersten Lebewesen wohnt, ist ewig und kann niemals getötet werden. Daher
im Universum Unterweisung erteilte. Aufgrund einer grob- brauchst du um kein Geschöpf zu trauern.
materiellen Auffassung von den Dingen können sich die
meisten Menschen in diesem Zeitalter nicht vorstellen, wie ERLÄUTERUNG
ein solch kleines Teilchen einmal so groß und ein anderes
Mal so klein werden kann. Sie sehen daher die Seele als Hiermit beschließt der Herr Seine Unterweisungen über die
etwas Wunderbares an, entweder weil sie ihre unveränderliche spirituelle Seele. Indem Śrī KŠa die
Beschaffenheit kennen oder weil sie ihnen beschrieben unsterbliche Seele auf verschiedene Weise beschreibt,
worden ist. Getäuscht von der materielle Energie, befassen erhärtet Er die Tatsache, daß die Seele unsterblich und der
sich die meisten Menschen so sehr mit Dingen für die Körper vergänglich ist. Arjuna war ein katriya, und
Befriedigung ihrer Sinne, daß sie nur sehr wenig Zeit deshalb sollte er nicht aus Furcht, daß sein Großvater und
haben, die Frage nach dem Verständnis des eigenen Selbst sein Lehrer - Bhīma und DroŠa - in der Schlacht sterben
zu begreifen, obwohl es eine Tatsache ist, daß ohne dieses wurden, seine Pflicht aufgeben. Man muß aufgrund der
Selbstverständnis alle Handlungen im Kampf ums Dasein Autorität Śrī KŠas glauben, daß es eine Seele gibt und
letzten Endes zum Scheitern verurteilt sind. Vielleicht weiß daß diese Seele vom materiellen Körper verschieden ist,
niemand, daß man über die Seele nachdenken und und nicht, daß es so etwas wie die Seele nicht gibt oder daß
außerdem eine Lösung für die materiellen Leiden finden Lebenssymptome auf einer gewissen Stufe materieller
muß. Reife aus der Wechselwirkung chemischer Stoffe
Manche Menschen, die daran interessiert sind, etwas über entstehen. Obwohl die Seele unsterblich ist, wird Gewalt
die Seele zu erfahren, mögen Vorträge von autorisierten nicht befürwortet; doch in Kriegszeiten wird davon nicht
Sprechern hören, doch werden sie oft aufgrund von abgeraten, wenn es wirklich notwendig ist. Diese
Unwissenheit irregeführt und glauben, die Überseele und Notwendigkeit muß durch den Willen des Herrn
die winzige Seele seien ohne Größenunterschied eins. Es ist gerechtfertigt sein, nicht durch unser Gutdünken.
sehr schwer, einen Menschen zu finden, der die Stellung
der Seele, die Überseele, die winzige Seele, ihre jeweiligen VERS 31
Funktionen, Beziehungen und alle anderen größeren und
kleineren Einzelheiten vollkommen versteht. Und es ist svadharmam api cāvekya
noch schwieriger, einen Menschen zu finden, der aus dem na vikampitum arhasi
Wissen über die Seele tatsächlich vollen Nutzen gewonnen dharmyāddhi yuddhāc chreyo'nyat
hat und die Stellung der Seele in verschiedenen Aspekten katriyasya na vidyate
beschreiben kann. Aber wenn jemand irgendwie imstande
ist, das Thema Seele zu verstehen, ist sein Leben svadbarmam—die eigenen religiösen Prinzipien; api—
erfolgreich. Der einfachste Vorgang, das Selbst zu auch; ca—tatsächlich; avekya—angesichts; na—niemals;
verstehen, besteht indes darin; die Aussagen der Bhagavad- vikampitum—zu zögern; arhasi—du verdienst; dharmyāt—
gītā die von der größten Autorität, Śrī KŠa, gesprochen von religiösen Prinzipien; hi—tatsächlich; yuddhāt—von
wurde, anzunehmen, ohne sich von anderen Theorien Kämpfen; śreyaƒ—bessere Beschäftigungen; anyat—irgend
ablenken zu lassen. Aber es erfordert auch ein hohes Maß etwas anderes; katriyasya—des katriya; na—nicht;
an tapasya und Opfer, entweder in diesem Leben oder in vidyate—existiert.
54

und befindet sich nicht mehr auf der Ebene des materiellen
ÜBERSETZUNG Körpers. In der körperlichen Auffassung vom Leben gibt es
sowohl für die brāhmaŠas als auch für die katriyas
Im Hinblick auf deine besondere Pflicht als katriya bestimmte Pflichten, und diese Pflichten sind
solltest du wissen, daß es für dich keine bessere unvermeidlich. Sva-dharma ist vom Herrn festgelegt, und
Beschäftigung gibt, als auf der Grundlage religiöser dies wird im Vierten Kapitel näher erklärt werden. Auf der
Prinzipien zu kämpfen. Daher ist es nicht notwendig zu körperlichen Ebene wird sva-dharma als varŠāśrama-
zögern. dharma bezeichnet oder das Sprungbrett des Menschen zu
spirituellem Verstehen. Menschliche Zivilisation beginnt
ERLÄUTERUNG erst auf der Stufe des varŠāśrama-dharma, das heißt dann,
wenn die bestimmten Pflichten erfüllt werden, die sich nach
Von den vier Einteilungen gesellschaftlicher den jeweilige Erscheinungsweisen der Natur richten, die
Administration wird die zweite Stufe, die für eine gute den Körper beeinflussen. Erfüllt man in irgendeinem
Verwaltung zuständig ist, katriya genannt. Kat bedeutet Bereich des Handelns seine jeweilige Pflicht in
verletzen, und jemand, der vor Schaden beschützt, wird als Übereinstimmung mit dem varŠāśrama-dharma, wird man
katriya bezeichnet (trayate bedeutet Schutz gewähren). auf eine höhere Stufe des Lebens gehoben.
Katriyas werden im Wald darin ausgebildet, zu töten.
Früher ging ein katriya in den Wald und forderte einen VERS 32
Tiger zum Zweikampf heraus und kämpfte dann mit dem
Tiger mit dem bloßen Schwert in der Hand. Wenn der Tiger yadcchayā copapannaˆ
getötet war, wurde er auf Anordnung des Königs verbrannt. svarga-dvāram apāvtam
Dieser Brauch wird bis zum heutigen Tage von den sukhinaƒ katriyāƒ pārtha
katriya-Königen des Staates Jaipur gepflegt. Weil religiöse labhante yuddham īdśam
Gewalt manchmal notwendig ist, werden die katriyas
besonders darin ausgebildet, herauszufordern und zu töten. yadcchayā—von sich aus; ca—auch; upapannam—
Deshalb ist es für katriyas niemals vorgesehen, direkt in angekommen an; svarga— himmlischer Planet; dvāram—
den Stand des sannyāsa oder der Entsagung einzutreten. Tor; apāvtam—weit offen; sukhinaƒ—sehr glücklich;
Gewaltlosigkeit mag in der Politik ein diplomatisches katriyāƒ—die Mitglieder des königlichen Standes;
Vorgehen sein, aber sie ist niemals ein entscheidender pārtha—o Sohn Pthās; labhante—erreichen; yuddham—
Faktor oder ein Grundsatz. In den religiösen Gesetzbüchern Krieg; īdśam—wie dieser.
heißt es:
ÜBERSETZUNG
āhaveu mitho 'nyonyaˆ jighāˆsanto mahīkitaƒ
yuddhamamānāƒ paraˆ śaktyā svargaˆ yānty O Pārtha, glücklich sind die katriyas, denen sich
aparāŠmukhāƒ unverhofft solche Gelegenheiten zum Kampf bieten, da
yajñeu paśavo brahman hanyante satataˆ dvijaiƒ sie ihnen die Tore der himmlischen Planeten öffnen.
saˆsktāƒ kila mantraiś ca te 'pi svargam avāpnuvan
ERLÄUTERUNG
"Während ein König oder katriya auf dem Schlachtfeld
mit einem anderen König kämpft, der ihn beneidet, ist er Als höchster Lehrer der Welt verurteilt Śrī KŠa die
geeignet, nach dem Tod die himmlisch Planeten zu Haltung Arjunas, der sagte: "Ich sehe in diesem Kampf
erreichen, ebenso wie die brāhmaŠas ebenfalls die nichts Gutes. Ewiger Aufenthalt in der Hölle wird die Folge
himmlischen Plane erreichen, indem sie Tiere im sein." Solche Äußerungen Arjunas waren nur auf
Opferfeuer opfern." Unwissenheit zurückzuführen. Er wollte bei der Erfüllung
Wenn daher in einer Schlacht auf der Grundlage religiöser seiner bestimmten Pflicht gewaltlos werden. Auf dem
Prinzipien getötet wird oder wenn Tiere im Opferfeuer Schlachtfeld zu stehen und gewaltlos zu werden ist für
getötet werden, gilt dies keinesfalls als Gewalttat; denn einen katriya die Philosophie der Narren. In der Parāśara-
jeder der Beteiligten zieht aus den miteinbezogenen smti, den religiösen Gesetzen, die von Parāśara, dem
religiösen Prinzip seinen Nutzen. Das geopferte Tier großen Weisen und Vater Vyāsadevas, verfaßt wurden,
bekommt augenblicklich die menschliche Form des Lebens, heißt es:
ohne sich dem allmählichen Evolutionsprozeß von einer
Lebensform zur anderen unterziehen zu müssen, und die katriyo hi prajā rakan śastra-pāŠiƒ pradaŠayan
auf dem Schlachtfeld getöteten katriyas erreichen die nirjitya parasainyādi kitiˆ dharmeŠa pālayet
himmlischen Planeten, ebenso wie die brāhmaŠas, die
Opfer darbringen. "Es ist die Pflicht des katriya, die Bürger vor allen
Es gibt zwei Arten von sva-dharmas oder bestimmten auftretenden Schwierigkeiten zu schützen, und aus diesem
Pflichten. Solange man nicht befreit ist, muß man, um Grund muß er in manchen Fällen Gewalt anwenden, um
Befreiung zu erlangen, die Pflichten des jeweiligen Gesetz und Ordnung aufrechtzuerhalten. Daher hat er die
Körpers, in dem man sich befindet, in Übereinstimmung Pflicht, die Soldaten feindlicher Könige zu besiegen, um
mit den religiösen Prinzipien erfüllen. Wenn man befreit dann, auf der Grundlage religiöser Prinzipien, die Welt zu
ist, wird der sva-dharma - die bestimmte Pflicht - spirituell regieren."
55

Wenn man alle Gesichtspunkte in Betracht zieht, hatte einen ehrbaren Mann; ca—auch; akīrtiƒ—Schmach;
Arjuna keinen Grund, sich vom Kampf zurückzuziehen. maraŠāt—als der Tod; atiricyate—wird mehr als.
Wenn er seine Feinde besiegte, wurde er sich des
Königreichs erfreuen können, und wenn er in der Schlacht ÜBERSETZUNG
sterben sollte, würde er zu den himmlischen Planeten
erhoben werden, deren Tore ihm weit offenstanden. Zu Für alle Zeiten wird man von deiner Schmach sprechen,
kämpfen würde ihm also in jedem Fall nützen. und für jemand, der einmal geehrt wurde, ist Schande
schlimmer als der Tod.
VERS 33
ERLÄUTERUNG
atha cet tvam imaˆ dharmyaˆ
sa‰grāmam-na kariyasi Sowohl als Freund wie auch als Philosoph fällt Śrī KŠa
tataƒ svadharmam kīrtiˆ ca jetzt Sein endgültiges Urteil über Arjunas Absicht, nicht zu
hitvā pāpam avāpsyasi kämpfen. Der Herr sagt: "Arjuna, wenn du das Schlachtfeld
verläßt, werden dich die Menschen schon vor deiner
atha—daher; cet—wenn; tvam—du; imam—diese; eigentlichen Flucht einen Feigling nennen. Und wenn du
dharmyam—religiöse Pflicht; sa‰grāmam—Kämpfen; na— meinst, daß die Menschen dich ruhig beschimpfen könnten,
nicht; kariyasi—ausführst; tataƒ—dann; svadharmam— du aber lieber dein Leben retten möchtest, indem du vom
deine religiöse pnicht; kīrtim—Ruf; ca—auch; hitvā— Schlachtfeld fliehst, so rate Ich dir, lieber in der Schlacht zu
verlierend; pāpam—sündhafte Reaktion; avāpsyasi— sterben. Für einen ehrbaren Mann wie dich ist Schande
bekommst. schlimmer als der Tod. Deshalb solltest du nicht aus Angst
um dein Leben fliehen, sondern lieber in der Schlacht
ÜBERSETZUNG sterben. Das wird dich vor der Schande bewahren, Meine
Freundschaft mißbraucht zu haben, und dein Ansehen in
Wenn du jedoch in diesem religiösen Krieg nicht der Gesellschaft retten."
kämpfst, wirst du gewiß Sünden auf dich laden, weil du Das endgültige Urteil des Herrn sah für Arjuna also vor, in
deine Pflichten vernachlässigst, und so deinen Ruf als der Schlacht zu sterben, und nicht, sich zurückzuziehen.
Kämpfer verlieren.
VERS 35
ERLÄUTERUNG
bhayād raŠād uparataˆ
Arjuna war ein berühmter Krieger, und er hatte Ruhm maˆsyante tvāˆ mahā-rathāƒ
erworben, indem er mit vielen mächtigen Halbgöttern - yeāˆ ca tvaˆ bahu-mato
selbst Śiva - kämpfte. Als er gegen den als Jäger bhūtvā yāsyasi lāghavam
verkleideten Śiva im Kampf siegreich war, fand der große
Halbgott Wohlgefallen an ihm und gab ihm als Belohnung bhayāt—aus Furcht; raŠāt—von dem Schlachtfeld;
eine Waffe, die als pāśupata-astra bekannt war. Jeder uparatam—beendet; maˆsyante—werden denken; tvām—
wußte, daß Arjuna ein großer Krieger war. Selbst von dir; mahā-rathāƒ—die großen Generäle; yeām—von
DroŠācārya gab ihm seinen Segen und schenkte ihm eine denen, die; ca—auch; tvam—du; bahu-mataƒ—in hoher
besondere Waffe, mit der er sogar seinen Lehrer töten Wertschätzung; bhūtvā—wird werden; yāsyasi—werden
konnte. Er war also von vielen Autoritäten, auch von gehen; lāghavam—an Wert verloren.
seinem Vater, Indra, dem Himmelskönig, mit so vielen
militärischen Auszeichnungen geehrt worden; aber wenn er ÜBERSETZUNG
die Schlacht verließe, würde er nicht nur seine bestimmte
Pflicht als katriya vernachlässigen, sondern er würde auch Die großen Generäle, die deinen Namen und Ruhm hoch
all seinen Ruhm und seinen guten Namen verlieren und so ehrten, werden denken, du habest das Schlachtfeld nur
seinen Abstieg in die Hölle vorbereiten. Mit anderen aus Furcht verlassen, und so werden sie dich für einen
Worten: Nicht wenn Arjuna kämpft, sondern wenn er sich Feigling halten.
von der Schlacht zurückzieht, fährt er in die Hölle.
ERLÄUTERUNG
VERS 34
Śrī KŠa fährt fort, Arjuna Seine Entscheidung zu
akīrtiˆ cāpi bhūtāni erklären: "Glaube nicht, die großen Generäle, wie
kathayiyanti te'vyayām Duryodhana, KarŠa und andere, werden denken, du habest
sambhāvitasya cākīrtir das Schlachtfeld aus Mitleid mit deinen Brüdern und
maraŠād atiricyate deinem Großvater verlassen. Sie werden glauben, du seiest
aus Angst um dein Leben geflohen, und so wird ihrer hohe
akīrtim—Schmach; ca—auch; api—darüber hinaus; Wertschätzung deiner Persönlichkeit ins Gegenteil
bhūtāni—alle Menschen; kathayiyanti—werden sprechen; umschlagen."
te—von dir; avyayām—für alle Zeiten; sambhāvitasya—für
VERS 36
56

avācya-vādāˆś ca bahūn sukha—Glück; duƒkhe—in Leid; same—in Gleichmut;


vadiyanti tavāhitāƒ ktvā—so handelnd; lābhālābhau—sowohl bei Verlust als
nindantas tava sāmarthyaˆ auch bei Gewinn; jayājayau—sowohl bei einer Niederlage
tato duƒkhataraˆ nu kim als auch bei einem Sieg; tataƒ—danach; yuddhāya—um des
Kampfes willen; yujyasva—kämpfe; na—niemals; evam—
avācya—unfreundliche; vādān—ersonnene Worte; ca— auf diese Weise; pāpam—sündhafte Reaktion; avāpsyasi—
auch; bahūn—viele; vadiyanti—werden sagen; tava— du wirst bekommen.
deine; ahitāƒ—Feinde; nindantaƒ—während sie
herabwürdigen; tava—deine; sāmarthyam—Fähigkeiten; ÜBERSETZUNG
tataƒ—danach; duƒkhataram—schmerzlicher; nu—
selbstverständlich; kim—was gibt es. Kämpfe um des Kampfes willen, ohne Glück oder Leid,
Verlust oder Gewinn, Sieg oder Niederlage zu beachten.
ÜBERSETZUNG Wenn du so handelst, wirst du niemals Sünde auf dich
laden.
Deine Feinde werden schlecht über dich reden und deine
Fähigkeit verspotten. Was könnte schmerzlicher für ERLÄUTERUNG
dich sein?
Śrī KŠa sagt jetzt unmittelbar, daß Arjuna um des
ERLÄUTERUNG Kampfes willen kämpfen solle, da Er die Schlacht wünsche.
Bei Tätigkeiten im KŠa-Bewußtsein achtet man nicht auf
Śrī KŠa war zu Anfang über Arjunas ungerufenes Mitleid Glück oder Leid, Verlust oder Gewinn, Sieg oder
verwundert sagte, sein Mitleid sei den Nicht-Āryas Niederlage. Transzendentales Bewußtsein bedeutet, daß
angemessen. Mit vielen Worten hat Er Seine Einwände alles für KŠa getan werden sollte; es folgt dann keine
gegen Arjunas sogenanntes Mitleid erläutert. Reaktion auf materielle Tätigkeiten. Jemand, der um der
Befriedigung seiner eigenen Sinne willen handelt, entweder
VERS 37 in Tugend oder in Leidenschaft, ist der Reaktion
unterworfen, sei diese gut oder schlecht. Aber jemand, der
hato vā prāpsyasi svargaˆ sich völlig den Tätigkeiten im KŠa-Bewußtsein ergeben
jitvā vā bhokyase mahīm hat, ist nicht länger irgend jemand verpflichtet, noch ist er
tasmād utti˜ha kaunteya irgend jemand etwas schuldig, wie man es im
yuddhāya kta niścayaƒ gewöhnlichen Verlauf von Tätigkeiten ist. Es wird gesagt:

hataƒ—getötet sein; vā—entweder; prāpsyasi—du erlangst; devari-bhūtāpta-nnāˆ pit Šāˆ


svargam—das himmlische Königreich; jitvā—indem du na ki‰karo nāyamŠī ca rājan
besiegst; vā—oder; bhokyase—du genießt; mahīm—die sarvātmanā yaƒ śaraŠaˆ śaraŠyaˆ
Welt; tasmāt—daher; utti˜ha—erhebe dich; kaunteya—o gato mukundaˆ parihtya kartam
Sohn Kuntīs; yuddhāya—zu kämpfen; kta—
Entschlossenheit; niścayaƒ—Ungewißheit. "Jeder, der sich KŠa, Mukunda, völlig ergeben und alle
anderen Pflichten aufgeben hat, ist niemandem mehr
ÜBERSETZUNG verpflichtet oder irgend jemandem etwas schuldig - weder
den Halbgöttern noch den Weisen, noch den Mitmenschen,
O Sohn Kuntīs, entweder wirst du auf dem Schlachtfeld noch den Verwandten, noch der Menschheit, noch den
getötet werden und die himmlischen Planeten erreichen, Vorvätern." (SB. 11.5.41)
oder du wirst siegen und so das irdische Königreich Das ist der indirekte Hinweis, den KŠa Arjuna in diesem
genießen. Erhebe dich daher, und kämpfe mit Vers gibt. In den folgenden Versen wird diese Sache
Entschlossenheit. eingehender erklärt werden.

ERLÄUTERUNG VERS 39

Obwohl es nicht sicher war, daß Arjunas Seite siegen eā te'bhihitā sā‰khye
wurde, mußte er dennoch kämpfen; denn selbst wenn er buddhir yoge tv imāˆ śŠu
den Tod fände, konnte er zumindest zu den himmlischen buddhyā yukto yayā pārtha
Planeten erhoben werden. karma-bandhaˆ prahāsyasi

VERS 38 eā—all diese; te—dir; abhihitā—beschrieben; sā‰khye—


durch analytisches Studium; buddhiƒ—Intelligenz; yoge—
sukha-duƒkhe same ktvā Arbeit ohne fruchttragendes Ergebnis; tu—aber; imām-dies;
lābhālābhau jayājayau śŠu—höre einfach; buddhyā—durch Intelligenz; yuktaƒ—
tato yuddhāya yujyasva in Einklang gebracht; yayā—wodurch; pārtha—o Sohn
naivaˆ pāpam avāpsyasi
57

Pthās; karma-bandham—Fessel der Reaktion; materiellen Welt, um ihre Sinne zu befriedigen, und unter
prahāsyasi—du kannst befreit werden von. dem Zauber der materiellen Energie halten sie sich für
Genießer. Diese Geisteshaltung findet ihren Höhepunkt in
ÜBERSETZUNG dem Wunsch nach Befreiung, wenn das Lebewesen mit
dem Höchsten Herrn eins werden will. Das ist die letzte
Bisher habe Ich dir das analytische Wissen der sā‰khya- Falle māyās oder der Illusion, die Sinne befriedigen zu
Philosophie erklärt. Höre jetzt von dem Wissen um können, und nur nach vielen, vielen Leben solcher
jenen yoga, durch den man ohne fruchttragendes sinnenbefriedigender Tätigkeiten geschieht es, daß sich
Ergebnis arbeitet. O Sohn Pthās, wenn du mit solcher eine große Seele Vāsudeva, KŠa, ergibt und so an das
Intelligenz handelst, kannst du dich von der Fessel der Ende ihrer Suche nach der endgültigen Wahrheit gelangt.
Werke befreien. Arjuna hat KŠa bereits als seinen spirituellen Meister
angenommen, als er sich Ihm ergab: śiyas te 'haˆ śādhi
ERLÄUTERUNG māˆ tvāˆ prapannam. Folglich will KŠa ihm jetzt etwas
über die Prinzipien des buddhi-yoga oder karma-yoga
Nach dem vedischen Wörterbuch Nirukti bedeutet sā‰khya sagen, das heißt, mit anderen Worten, über die Praxis
"das, was die Erscheinungen in allen Einzelheiten hingebungsvollen Dienstes ausschließlich für die
beschreibt", während sich sā‰khya auf jene Philosophie Befriedigung der Sinne des Herrn. Im zehnten Vers des
bezieht, die die wahre Natur der Seele beschreibt. Zu yoga Zehnten Kapitels wird klar gesagt, daß buddhi-yoga die
gehört auch die Meisterung der Sinne. Arjunas Entschluß, Gemeinschaft mit dem Herrn bedeutet, der als Paramātmā
nicht zu kämpfen, hatte seine Ursache in dem Verlangen im Herzen eines jeden weilt. Aber solche Gemeinschaft
nach Sinnenbefriedigung. Seine vornehmste Pflicht kommt nicht ohne hingebungsvollen Dienst zustande. Wer
vergessend, wollte er aufhören zu kämpfen, da er glaubte, daher im hingebungsvollen oder transzendentalen
glücklicher zu sein, wenn er seine Familienangehörigen liebenden Dienst des Herrn oder, mit anderen Worten, im
und Verwandten nicht tötete, als wenn er sich des KŠa-Bewußtsein verankert ist, erreicht diese Stufe des
Königreiches erfreute, indem er seine Vettern und Brüder - buddhi-yoga durch die besondere Gnade des Herrn. Der
die Söhne Dhtarā˜ras - tötete. In beiden Fällen würde er Herr sagt deshalb, daß Er nur diejenigen mit dem reinen
mit dem Beweggrund der Sinnenbefriedigung handeln. Wissen der liebenden Hingabe beschenkt, die sich immer
Sowohl Glück, das man erfährt, wenn man die Verwandten aus transzendentaler Liebe im hingebungsvollen Dienst
besiegt, als auch Glück, das man verspürt, wenn man sie betätigen. Auf diese Weise kann der Gottgeweihte Ihn sehr
lebend sieht, befinden sich auf der Ebene persönlicher leicht im ewig-glückseligen Königreich Gottes erreichen.
Sinnenbefriedigung, da man dabei weises Handeln und die Der in diesem Vers erwähnte buddhi-yoga ist also der
Erfüllung der Pflicht aufgibt. KŠa wollte daher Arjuna hingebungsvolle Dienst für den Herrn, und das hier
erklären, daß er die Seele selbst nicht töten würde, wenn er erwähnte Wort sā‰khya hat nichts mit dem atheistischen
den Körper seines Großvaters erschlugen und Er machte sā‰khya-yoga zu tun, den der Betrüger Kapila verkündete.
ihm klar, daß alle individuellen Personen, einschließlich Man sollte daher den sā‰khya-yoga, der hier erwähnt wird,
des Herrn Selbst, ewige Individuen sind. Sie waren auf keinen Fall mit dem atheistischen sā‰khya verwechseln.
Individuen in der Vergangenheit, sie sind Individuen in der Auch hatte diese Philosophie in der damaligen Zeit
Gegenwart, und sie werden auch in der Zukunft Individuen überhaupt keinen Einfluß, und Śrī KŠa hätte niemals
bleiben, denn wir alle sind ewig individuelle Seelen und solch gottlose philosophische Spekulationen erwähnt.
wechseln nur unser körperliches Gewand auf verschiedene Wirkliche sā‰khya-Philosophie wird von Kapila, dem
Weise. Aber selbst nachdem wir von den Fesseln des Herrn, im Śrīmad Bhāgavatam beschrieben, aber selbst
materiellen Körpers befreit sind, behalten wir unsere dieser sā‰khya hat nichts mit den hier behandelten Themen
Individualität. In einem analytischen Studium ist das Wesen zu tun. Hier ist mit sā‰khya die analytische Beschreibung
der Seele und des Körpers von Śrī KŠa bereits sehr des Körpers und der Seele gemeint. Śrī KŠa gab eine
sorgfältig erklärt worden. Und dieses anschauliche Wissen, analytische Beschreibung der Seele, nur um Arjuna zur
das die Seele und den Körper von verschiedenen Stufe des buddhi-yoga oder bhakti-yoga hinzuführen.
Gesichtspunkten aus beschreibt, ist mit Bezugnahme auf Deshalb ist Śrī KŠas sā‰khya und Kapilas sā‰khya, wie er
das Nirukti-Wörterbuch hier als sā‰khya bezeichnet im Bhāgavatam beschrieben wird, ein und dasselbe. Beides
worden. Dieser sā‰khya hat mit der sā‰khya-Philosophie ist bhakti-yoga. KŠa sagte daher, nur die weniger
des Atheisten Kapila nichts zu tun. Lange bevor der intelligenten Menschen unterschieden zwischen sā‰khya-
Betrüger Kapila seine sā‰khya-Philosophie aufstellte, war yoga und bhakti-yoga.
die sā‰khya-Philosophie, wie sie im Śrīmad-Bhāgavatam Natürlich hat atheistischer sā‰khya-yoga nichts mit bhakti-
beschrieben wird, von dem wirklichen Kapila, einer yoga zu tun, aber dennoch behaupten unintelligente
Inkarnation Śrī KŠas, Seiner Mutter Devahūti erklärt Menschen, die Bhagavad-gītā beziehe sich auf den,
worden. Es wird von Ihm eindeutig erklärt, daß der purua atheistischen sā‰khya-yoga. Man soll daher verstehen, daß
oder der Höchste Herr aktiv ist und daß Er erschafft, indem buddhi-yoga bedeutet, im KŠa-Bewußtsein, das heißt in
Er über die prakti oder die materielle Natur blickt. Diese der vollkommenen Glückseligkeit und im allumfassenden
Tatsache wird in den Veden und in der Gīta anerkannt. Die Wissen des hingebungsvollen Dienstes, zu arbeiten. Wer
Beschreibung in den Veden deutet darauf hin, daß der Herr ausschließlich für die Zufriedenstellung des Herrn arbeitet,
über die prakti blickte und sie mit winzigen individuellen ganz gleich wie schwierig solche Arbeit sein mag, arbeitet
Seelen schwängerte. Alle diese Individuen arbeiten in der nach den Prinzipien des buddhi-yoga und ist immer in
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transzendentale Glückseligkeit eingetaucht. Durch solche yatra kva vābhadram abhūd amuya kiˆ
transzendentale Betätigung entwickelt man, dank der ko vārtha āpto ‘bhajatāˆ sva-dharmataƒ
Gnade des Herrn, alle transzendentalen Eigenschaften von
selbst, und so ist die erlangte Befreiung in sich selbst "Wenn jemand es aufgibt, der Befriedigung seiner Sinne
vollkommen, ohne daß man sich gesondert darum bemühen nachzujagen, im KŠa-Bewußtsein arbeitet und dann zu
muß, Wissen zu erwerben. Es besteht ein großer Fall kommt, weil er seine Arbeit nicht vollendet, was
Unterschied zwischen Arbeit im KŠa-Bewußtsein und verliert er dabei? Und was kann jemand gewinnen, wenn er
Arbeit um fruchttragender Ergebnisse willen, insbesondere seine materiellen Tätigkeiten in vollkommener Weise
für Sinnenbefriedigung, wenn man nach Ergebnissen in ausführt?"
Form von Familie oder materiellem Glück strebt. Buddhi- Oder wie es die Christen ausdrucken: "Was nützte es einem
yoga ist daher die transzendentale Qualität der Arbeit, die Menschen, wenn er die ganze Welt gewänne, aber an seiner
wir verrichten. ewigen Seele Schaden nähme?"
Materielle Tätigkeiten und ihre Ergebnisse enden mit dem
VERS 40 Körper. Arbeit im KŠa-Bewußtsein aber trägt einen
Menschen, selbst nach dem Verlust des Körpers, erneut
nehābhikrama-nāśo'sti zum KŠa-Bewußtsein. Zumindest ist es sicher, daß man
pratyavāyo na vidyate im nächsten Leben eine Möglichkeit hat, entweder in der
svalpam apy asya dharmasya Familie eines hochgebildeten brāhmaŠa oder in einer
trāyate mahato bhayāt reichen aristokratischen Familie wieder als Mensch geboren
zu werden, wodurch man eine weitere Gelegenheit zur
na—es gibt nicht; iha—in dieser Welt; abhikrama—sich Erhebung bekommt. Das ist die einzigartige Qualität der
bemühend; nāśaƒ—Verlust; asti—es gibt; pratyavāyaƒ— Arbeit, die im KŠa-Bewußtsein verrichtet wird.
Minderung; na—niemals; vidyate-es gibt; svalpam—wenig;
api—obwohl; asya—von diesem; dharmasya—von dieser VERS 41
Beschäftigung; trāyate—befreit; mahataƒ—von sehr
großer; bhayāt—von Gefahr. vyavasāyātmikā buddhir
ekeha kuru-nandana
ÜBERSETZUNG bahu-śākhā hy anantāś ca
buddhayo'vyavasāyinām
Bei diesem Bemühen gibt es weder Verlust noch
Minderung, und schon ein wenig Fortschritt auf diesem vyavasāyatmika—entschlossenes KŠa-Bewußtsein;
Pfad kann einen vor der größten Gefahr bewahren. buddhiƒ—Intelligenz; ekā— nur eines; iha—in dieser Welt;
kuru-nandana—o geliebtes Kind der Kurus; bahu-śākhāƒ—
ERLÄUTERUNG verschiedene Zweige; hi—tatsächlich; anantāƒ—
unbegrenzt; ca—auch; buddhayaƒ—Intelligenz;
Handeln im KŠa-Bewußtsein oder zum Nutzen KŠas zu avyavasāyinām—von denen, die nicht KŠa-bewußt sind.
handeln, ohne Sinnenbefriedigung zu erwarten, ist die
höchste transzendentale Art von Arbeit. Selbst ein kleiner ÜBERSETZUNG
Anfang solcher Tätigkeit findet kein Hindernis, noch kann
dieser kleine Anfang auf irgendeiner Stufe verloren gehen. Diejenigen, die diesen Pfad beschreiten, sind
Jede auf der materiellen Ebene begonnene Arbeit muß entschlossen in ihrem Vorhaben, und ihr Ziel ist eins. O
vollendet werden; sonst ist der ganze Versuch ein geliebtes Kind der Kurus, die Intelligenz der
Fehlschlag. Aber jede Arbeit, die man im KŠa- Unentschlossenen jedoch ist vielverzweigt.
Bewußtsein beginnt, hat eine dauernde Wirkung, selbst
wenn sie nicht zu Ende geführt wird. Wer solche Arbeit ERLÄUTERUNG
verrichtet, verliert daher nichts, auch wenn seine Arbeit im
KŠa-Bewußtsein unvollendet bleibt. Selbst wenn man ein Starker Glaube im KŠa-Bewußtsein, daß man zur
Prozent der Tätigkeiten im KŠa-Bewußtsein ausführt, höchsten Vollkommenheit des Lebens erhoben werden
sind bleibende Ergebnisse die Folge, so daß man das sollte, bezeichnet man als vyavasāyātmikā-Intelligenz. Im
nächste Mal bei zwei Prozent weitermachen kann, Caitanya-caritāmta (Madhya 22.62) heißt es:
wohingegen es bei materieller Tätigkeit ohne einen
hundertprozentigen Erfolg keinen Gewinn gibt. Ajāmila ‘śraddhā'-śabde viśvāsa kahe sudha niścaya
erfüllte seine Pflicht zu einem gewissen Prozentsatz im kŠe bhakti kaile sarva-karma kta haya
KŠa-Bewußtsein, aber das Ergebnis, das ihm am Ende
zuteil wurde, war durch die Gnade des Herrn ein
hundertprozentiger Erfolg. In diesem Zusammenhang Glaube bedeutet unerschütterliches Vertrauen in etwas
findet man im Śrīmad-Bhāgavatam (1.5.17) einen schönen Erhabenes. Wenn man die Pflichten im KŠa-Bewußtsein
Vers: erfüllt, braucht man den Verpflichtungen, die man in der
materiellen Weit gegenüber der Familie, der Menschheit
tyaktvā sva-dharmaˆ caraŠāmbujaˆ harer oder der Nation haben mag, nicht nachzukommen.
bhajan na pakko ‘tha patet tato yadi Fruchtbringende Tätigkeiten sind die Handlungen, die aus
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den Reaktionen auf vergangene gute oder schlechte Taten kāmātmānaƒ svarga-parā
hervorgehen. Wenn man im KŠa-Bewußtsein wach ist, janma-karma-phala-pradām
braucht man sich bei seinem Tun nicht länger um gute kriyā-viśea-bahulāˆ
Ergebnisse zu bemühen. Wenn man im KŠa-Bewußtsein bhogaiśvarya-gatiˆ prati
verankert ist, befinden sich alle Handlungen auf der
absoluten Ebene, da sie nicht länger Dualitäten wie gut und yām imām—all diese; puspitām—blumenreichen; vācam—
schlecht unterworfen sind. Die höchste Vollkommenheit Worte; pravadanti—sagen; avipaścitaƒ—Menschen mit
des KŠa-Bewußtseins ist die Entsagung der materiellen einem geringen Maß an Wissen; veda-vāda-ratāƒ—
Auffassung vom Leben. Diese Stufe wird mit vorgebliche Nachfolger der Veden; pārtha—o Sohn Pthās;
fortschreitendem KŠa-Bewußtsein von selbst erreicht. Die na—niemals; anyat—irgend etwas anderes; asti—gibt es;
Entschlossenheit eines Menschen im KŠa-Bewußtsein iti—diese; vādinaƒ—Befürworter; kāmātmānaƒ—begierig
beruht auf der Erkenntnis, daß Vāsudeva oder KŠa die nach Sinnenbefriedigung; svarga-parāƒ-danach strebend,
Wurzel aller manifestierten Ursachen ist (vāsudevaƒ himmlische Planeten zu erreichen;
sarvam iti sa mahātmā sudurlabhaƒ; Bg. 7.19). So wie man janma-karma-phala-pradām—mit dem Ergebnis
den Blättern und Zweigen eines Baumes dient, indem man fruchtbringender Handlungen, einer guten Geburt usw.;
die Wurzel begießt, so kann man jedem - sich selbst, der kriyā-viśea—pompöse Zeremonien; bahulām—
Familie, der Gesellschaft, dem Land, der Menschheit usw. - verschiedene; bhoga—Sinnengenuß; aiśvarya—Reichtum;
den höchsten Dienst erweisen, indem man im KŠa- gatim—Fortschritt; prati—entgegen.
Bewußtsein handelt. Wenn man durch sein Tun KŠa
zufriedenstellt, dann wird jeder zufrieden sein. ÜBERSETZUNG
Dienst im KŠa-Bewußtsein wird jedoch am besten unter
der kundigen Führung eines spirituellen Meisters Menschen mit geringem Wissen hängen sehr an den
ausgeführt, der ein echter Vertreter KŠas ist, der das blumenreichen Worten der Vedas, die ihnen
Wesen des Schülers kennt und der ihn so anleiten kann, daß verschiedene fruchtbringende Tätigkeiten zur Erhebung
er im KŠa-Bewußtsein handelt. Um daher im KŠa- zu himmlischen Planeten empfehlen, wo eine gute
Bewußtsein wirklich fortzuschreiten, muß man fest Geburt, Macht und so fort auf sie warten. Da sie nach
entschlossen handeln und dem Stellvertreter KŠas Sinnenbefriedigung und einem Leben in Hülle und Fülle
gehorchen, und man sollte die Anweisung des echten begehren, sagen sie, es gebe nichts, was darüber
spirituellen Meisters als seine Lebensaufgabe ansehen. Śrīla hinausgehe.
Viśvanātha Cakravartī µhākura lehrt uns in seinen
berühmten Gebeten zum spirituellen Meister: ERLÄUTERUNG

yasya prasādād bhagavat-prasādo Die meisten Menschen sind nicht sehr intelligent, und
yasyāprasādānna gatiƒ kuto 'pi aufgrund ihrer Unwissenheit haften sie sehr stark an den im
dhyāyam stuvams tasya yaśas tri-sandhyam karma-kāŠa-Teil der Veden empfohlenen
vande guroƒ śrī-caraŠāravindam fruchtbringenden Tätigkeiten. Sie wünschen sich nichts
mehr als Vorschläge für Sinnenbefriedigung, wie man das
"Wenn man den spirituellen Meister zufriedenstellt, wird Leben auf himmlischen Planeten genießen kann, wo Wein
die Höchste Persönlichkeit Gottes zufrieden. Und wenn und Frauen zur Verfügung stehen und materieller Reichtum
man den spirituellen Meister nicht zufriedenstellt, ist es sehr üblich ist. In den Veden werden viele Opfer, besonders
nicht möglich, auf die Ebene des KŠa-Bewußtseins die jyoti˜oma-Opferung, für die Erhebung zu den
erhoben zu werden. Ich sollte daher dreimal täglich über himmlischen Planeten empfohlen. Ja, es heißt sogar, daß
meinen spirituellen Meister meditieren, um seine jeder, der zu den himmlischen Planeten erhoben werden
Barmherzigkeit bitten und ihm meine achtungsvollen will, diese Opfer ausführen muß, und Menschen mit
Ehrerbietungen erweisen. " geringem Wissen glauben, dies sei der ganze Sinn und
Der ganze Vorgang hängt jedoch davon ab, daß man Zweck der vedischen Weisheit. Solch unerfahrenen
vollkommen verstanden hat, daß sich die Seele jenseits der Menschen fällt es sehr schwer, sich das entschlossene
körperlichen Auffassung befindet - nicht nur theoretisch, Handeln im KŠa-Bewußtsein zu eigen zu machen. So wie
sondern auch praktisch, indem man nicht mehr versucht, Toren sich zu den Blüten giftiger Bäume hingezogen
seine Sinne durch fruchtbringende Handlungen zu fühlen, ohne die Folgen solcher Reize zu kennen, so
befriedigen. Jemand, der im Geiste nicht wahrhaft gefestigt werden Menschen, die nicht erleuchtet sind, von solch
ist, wird von verschiedenen fruchtbringenden Handlungen himmlischem Reichtum und der damit verbundenen
abgelenkt. Sinnenfreude betört.
Im karma-kāŠa-Teil der Veden heißt es, daß diejenigen,
VERS 42-43 die sich die vier monatlichen Bußen auferlegen, die
Eignung erwerben, den soma-rasa-Trank zu trinken, um für
yām imāˆ pupitāˆ vācaˆ immer unsterblich und glücklich zu werden. Selbst auf der
pravadanty avipaścitaƒ Erde sind einige Menschen sehr begierig, diesen soma-
veda-vāda-ratāƒ pārtha rasa-Trank zu bekommen, um stark und gesund zu werden
nānyad astīti vādinaƒ und Sinnenbefriedigung genießen zu können. Solche
Menschen glauben nicht an die Befreiung aus der
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materiellen Knechtschaft und haften sehr an den pompösen bleibst; niryoga-kemaƒ—frei von (dem Gedanken an)
Zeremonien der vedischen Opfer. Sie sind im allgemeinen Aneignung und Bewahrung; ātmavān—im Selbst verankert.
sinnlich und trachten nach nichts anderem als den
himmlischen Freuden des Lebens. Es ist bekannt, daß es ÜBERSETZUNG
auf den himmlischen Planeten Gärten gibt, nandana-
kānana genannt, in denen sich genügend Gelegenheiten Die Veden handeln hauptsächlich von den drei
bieten, mit engelgleich-schönen Frauen zusammenzusein Erscheinungsweisen der materiellen Natur. Erhebe dich
und reichlich soma-rasa-Wein zu trinken. Solch über diese Erscheinungsweisen, o Arjuna; Sei
körperliches Glück ist zweifellos sinnlich; daher sind dort transzendental zu ihnen allen. Sei frei von allen
diejenigen anzutreffen, die - als "Herren der materiellen Dualitäten und aller Sorge um Gewinn und Sicherheit,
Welt" - nichts anderem als materiellem, zeitweiligem Glück und sei im Selbst verankert.
verhaftet sind.
ERLÄUTERUNG
VERS 44
Alle materiellen Tätigkeiten beinhalten Aktionen und
bhogaiśvarya-prasaktānāˆ Reaktionen in den drei Erscheinungsweisen der materiellen
tayāpahta-cetasām Natur. Sie werden mit der Absicht ausgeführt,
vyavasāyātmika buddhiƒ fruchtbringende Ergebnisse zu bekommen, die ihrerseits
samādhau na vidhīyate Knechtschaft in der materiellen Welt verursachen. Die
Veden handeln hauptsächlich von fruchtbringenden
bhoga—materieller Genuß; aiśvarya—Reichtum; Tätigkeiten, um die allgemeine Masse der Menschen
prasaktānām—Menschen, die in dieser Weise angehaftet allmählich aus dem Bereich der Sinnenbefriedigung zu
sind; tayā—durch solche Dinge; apahta-cetasām— einer Stellung auf der transzendentalen Ebene zu erheben.
verwirrt im Geist; vyavasāyātmika—feste Entschlossenheit; Arjuna bekommt als Schüler und Freund KŠas den Rat,
buddhiƒ—hingebungsvoller Dienst für den Herrn; sich auf die transzendentale Ebene der Vedānta-Philosophie
samādhau—im beherrschten Geist; na—niemals; vidhīyate- zu erheben, die am Anfang brahma-jijñāsā oder Fragen
findet statt. über die Höchste Transzendenz aufwirft. Alle Lebewesen,
die sich in der materiellen Welt aufhalten, kämpfen sehr
ÜBERSETZUNG schwer um ihre Existenz. Für sie gab der Herr nach der
Schöpfung der materiellen Welt die vedische Weisheit, die
Im Geist derer, die zu sehr an Sinnengenuß und Rat erteilt, wie man leben soll und sich aus der materiellen
materiellem Reichtum haften und von solchen Dingen Verstrickung befreien kann. Wenn die Tätigkeiten für
verwirrt sind, kommt es nicht zu dem festen Entschluß, Sinnenbefriedigung, nämlich das karma-kāŠa-Kapitel,
dem Höchsten Herrn in Hingabe zu dienen. abgeschlossen sind, wird die Möglichkeit spiritueller
Erkenntnis in Form der Upaniaden angeboten, die Teile
ERLÄUTERUNG verschiedener Veden sind, ebenso wie die Bhagavad-gītā
ein Teil des fünften Veda, des Mahābhārata, ist. Die
Samādhi bedeutet "festverankerter Geist". Das vedische Upaniaden beschreiben den Beginn transzendentalen
Wörterbuch Nirukti erklärt hierzu: samyag ādhīyate 'sminn Lebens.
ātmatattva-yāthātmyam. "Wenn der Geist fest darauf Solange der materielle Körper existiert, gibt es Aktionen
gerichtet ist, das Selbst zu verstehen, nennt man dies und Reaktionen in den materiellen Erscheinungsweisen.
samādhi." Samādhi ist niemals möglich für Menschen, Man muß lernen, Dualitäten wie Glück und Leid oder Kälte
denen es um materiellen Sinnengenuß geht, auch nicht für und Hitze zu ertragen, und indem man solche Dualität
diejenigen, die von solch zeitweiligen Dingen verwirrt sind. duldet, wird man frei von aller Sorge um Gewinn oder
Sie sind durch die Wirkungsweise der materiellen Energie Verlust. Diese transzendentale Stellung wird in vollem
mehr oder minder verdammt. KŠa-Bewußtsein erreicht, wenn man völlig von KŠas
Wohlwollen abhängig ist.
VERS 45
VERS 46
traiguŠya-viayā vedā
nistraiguŠyo bhavārjuna yāvān artha udapāne
nirdvandvo nitya-sattva-stho sarvataƒ samplutodake
niryoga-kema ātmavān tāvān sarveu vedeu
brāhmaŠasya vijānataƒ
traiguŠya—sich auf die drei Erscheinungsweisen der
materiellen Natur beziehend; viayāƒ—über das Thema; yāvān—all das; artaƒ—ist dafür bestimmt; udapāne—in
vedāƒ—vedische Schriften; nistraiguŠyaƒ—in einem reinen einem Brunnen; sarvataƒ—in jeder Hinsicht;
Zustand spiritueller Existenz; bhava—sei; arjuna—o sampluta-udake—in einem großen Gewässer; tāvān—in
Arjuna; nirdvandvaƒ—frei von den Qualen der Gegensätze; ähnlicher Weise; sarveu—in allen; vedeu—vedischen
nitya-sattvasthaƒ—indem du immer in sattva (Tugend) Schriften; brāhmaŠasya—von dem Menschen, der das
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Höchste Brahman kennt; vijānataƒ—von jemand, der über Sein spiritueller Meister habe Ihn für einen großen Narren
vollkommenes Wissen verfügt. befunden und Ihn daher angewiesen, den Heiligen Namen
Śrī KŠas zu chanten. Er tat dies und befand sich von da an
ÜBERSETZUNG in ständiger Ekstase, so daß Ihn die Menschen für verrückt
hielten. Im Zeitalter des Kali ist der größte Teil der
Alle Zwecke, die ein kleiner Teich nach und nach erfüllt, Bevölkerung töricht und nicht genügend gebildet, die
können große Gewässer sofort erfüllen. In ähnlicher Vedānta-Philosophie zu verstehen; doch der Sinn und
Weise kann alle Früchte der Veden erreichen, wer das Zweck der Vedānta-Philosophie wird erfüllt, wenn man den
Ziel der Veden kennt. Heiligen Namen des Herrn ohne Vergehen chantet. Der
Vedānta bildet die letzte Stufe des vedischen Wissens, und
ERLÄUTERUNG der Verfasser und Kenner der Vedānta-Philosophie ist Śrī
KŠa Selbst. Und ein Meister des Vedānta ist jene große
Die im karma-kāŠa-Teil der vedischen Literatur Seele, die Freude daran findet, den Heiligen Namen des
erwähnten Rituale und Opfer sollen dazu ermutigen, Herrn zu chanten. Das ist der letztliche Sinn aller vedischen
allmählich Selbstverwirklichung zu erlangen. Und der Sinn Mystik.
von Selbstverwirklichung wird im Fünfzehnten Kapitel der
Bhagavad-gītā (15.15) deutlich erklärt: Der Zweck des VERS 47
Studiums der Veden ist es, Śrī KŠa, die urerste Ursache
aller Dinge, zu erkennen. Selbstverwirklichung bedeutet karmaŠy evādhikāras te
also, KŠa und unsere ewige Beziehung zu Ihm zu mā phaleu kadācana
verstehen. Die Beziehung der Lebewesen zu KŠa wird mā karma-phala-hetur bhūr
ebenfalls im Fünfzehnten Kapitel der Bhagavad-gītā (15.7) mā te sa‰go'stv akarmaŠi
erwähnt. Die Lebewesen sind winzige Teile KŠas;
deshalb ist die Wiederbelebung von KŠa-Bewußtsein karmaŠi—vorgeschriebene Pflichten; eva—gewiß;
durch das individuelle Lebewesen die am höchsten adhikāraƒ—Recht; te—dein; mā—niemals; phaleu—an
vervollkommnete Stufe vedischen Wissens. Dies wird im den Früchten; kadācana—zu irgendeiner Zeit; mā—nie-
Śrīmad-Bhāgavatam (3.33.7) wie folgt bestätigt: mals; karma-phala—auf das Ergebnis der Arbeit; hetuƒ—
Ursache; bhūƒ—werden; mā—niemals; te—von dir;
aho bata śva-paco 'to garīyān sa‰gaƒ—Anhaftung; astu—sei da; akarmaŠi—indem du
yaj-jihvāgre vartate nāma tubhyam nicht tust.
tepus tapas juhuvuƒ sasnur āryā
brahmānūcur nāma gŠanti ye te ÜBERSETZUNG

"O mein Herr, ein Mensch, der Deinen Heiligen Namen Du hast das Recht, deine vorgeschriebene Pflicht zu
chantet, befindet sich auf der höchsten Ebene der erfüllen, aber du hast keinen Anspruch auf die Früchte
Selbstverwirklichung, selbst wenn er in einer niedrigen des Handelns. Halte dich niemals für die Ursache der
Familie wie der eines cāŠāla (Hundeessers) geboren Ergebnisse deiner Tätigkeiten, und hafte niemals daran,
wurde. Ein solcher Mensch muß alle Arten von tapasya deine Pflicht nicht zu erfüllen.
und Opfern in Übereinstimmung mit den vedischen
Ritualen ausgeführt und viele, viele Male die vedischen ERLÄUTERUNG
Schriften studiert haben, nachdem er an allen heiligen
Pilgerstätten gebadet hatte. Daher muß er als der Hier wird von drei Dingen gesprochen, nämlich von
vortrefflichste der Ārya-Familie angesehen werden." vorgeschriebenen Pflichten, launenhafter Arbeit und
Man muß deshalb intelligent genug sein, den Zweck der Untätigkeit. Unter vorgeschriebenen Pflichten versteht man
Veden zu verstehen, ohne nur an den Ritualen zu haften, Tätigkeiten, die ausgeführt werden müssen, solange man
und man darf nicht danach trachten, zu den himmlischen sich unter dem Einfluß der Erscheinungsweisen der
Königreichen erhoben zu werden, um eine höhere Form der materiellen Natur befindet. Unter launenhafter Arbeit
Sinnenbefriedigung zu genießen. Es ist in diesem Zeitalter versteht man Handlungen, die ohne Einwilligung einer
dem gewöhnlichen Menschen nicht möglich, alle Regeln Autorität ausgeführt werden, und Untätigkeit bedeutet,
und Vorschriften der vedischen Rituale und die seine vorgeschriebenen Pflichten nicht zu erfüllen. Der
Anweisungen des Vedānta und der Upaniaden zu Herr gab Arjuna den Rat, nicht untätig zu sein, sondern
befolgen. Es erfordert viel Zeit, Energie, Wissen und seine vorgeschriebene Pflicht zu erfüllen, ohne am
Mittel, die Forderungen der Veden zu erfüllen. Dies ist im Ergebnis zu haften. Wer am Ergebnis seiner Arbeit haftet,
gegenwärtigen Zeitalter kaum möglich. ist auch die Ursache der Handlung und muß daher das
Das höchste Ziel der vedischen Kultur wird jedoch erreicht, Ergebnis genießen oder erleiden.
wenn man den Heiligen Namen des Herrn chantet, wie es Was vorgeschriebene Pflichten betrifft, so können sie in
Śrī Caitanya, der Befreier aller gefallenen Seelen, empfahl. drei Unterteilungen gegliedert werden, nämlich
Als Śrī Caitanya von dem großen vedischen Gelehrten Routinearbeit, Arbeit im Notfall und wunschgemäße
Prakāśānanda Sarasvatī gefragt wurde, warum Er, anstatt Tätigkeiten. Routinearbeit nach den Anordnungen der
die Veden zu studieren, wie ein mentaler Träumer den Schriften wird ohne Verlangen nach Ergebnissen
Heiligen Namen des Herrn chante, entgegnete der Herr, ausgeführt. Obligatorische Arbeit befindet sich in der
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Erscheinungsweise der Tugend, da man zu ihrer selbst zufriedenstellen, wie es in der materiellen Welt die
Ausführung genötigt ist. Arbeit um der Ergebnisse willen Regel ist, sondern man soll KŠa erfreuen. Solange man
wird die Ursache von Bindung; deshalb ist solche Arbeit also nicht KŠa zufriedenstellt, kann man die Prinzipien
nicht vorteilhaft. Jeder hat ein Anrecht auf die Erfüllung des varŠāśrama-dharma nicht richtig befolgen. Indirekt
vorgeschriebener Pflichten, doch sollte er ohne Anhaftung wurde Arjuna nahegelegt, so zu handeln, wie KŠa es ihm
an das Ergebnis handeln. Solch uneigennützige, sagte.
obligatorische Pflichten führen einen ohne Zweifel auf den
Pfad der Befreiung. VERS 49
KŠa gab deshalb Arjuna den Rat, aus reiner
Pflichterfüllung zu kämpfen, ohne am Ergebnis zu haften. dūreŠa hy avaraˆ karma
Würde er an der Schlacht nicht teilnehmen, wäre dies eine buddhi-yogād dhanañjaya
andere Form der Anhaftung. Solches Anhaften führt einen buddhau śaraŠam anviccha
niemals auf den Pfad der Erlösung. Jedes Anhaften - ob kpaŠāƒ phala-hetavaƒ
positiv oder negativ - ist die Ursache für Bindung.
Untätigkeit ist sündhaft. Daher war Kämpfen aus reiner dūreŠa—indem man es bis auf weiteres aufgibt; hi—
Pflichterfüllung der einzig glückverheißende Pfad der sicherlich; avaram—verabscheuenswerte; karma—
Erlösung für Arjuna. Tätigkeiten; buddhi-yogāt—im Vertrauen auf die Stärke des
KŠa-Bewußtseins; dhanañjaya—o Eroberer von
VERS 48 Reichtum; buddhau—in solchem Bewußtsein; śaraŠam—
volle Ergebung; anviccha—Wunsch; kpaŠāƒ—die
yoga-sthaƒ kuru karmāŠi Geizhälse; phala-hetavaƒ—diejenigen, die nach
sangaˆ tyaktvā dhanañjaya fruchtbringendem Handeln streben.
siddhy-asiddhyoƒ samo bhūtvā
samatvaˆ yoga ucyate ÜBERSETZUNG

yoga-sthaƒ—standhaft im yoga; kuru-erfülle; karmāŠi— O Dhanañjaya, befreie dich von allen fruchtbringenden
deine Pflicht; sa‰gam—Anhaftung; tyaktvā—aufgegeben Tätigkeiten durch hingebungsvollen Dienst, und ergib
habend; dhanañjaya—o Dhanañjaya; siddhiasiddhyoƒ—bei dich völlig in dieses Bewußtsein. Diejenigen, die die
Erfolg und Mißerfolg; samaƒ—der gleiche; bhūtvā— Früchte ihrer Arbeit genießen wollen, sind Geizhälse.
geworden seiend; samatvam—Ausgeglichenheit des
Geistes; yogaƒ—yoga; ucyate—wird genannt. ERLÄUTERUNG

ÜBERSETZUNG Wer seine wesensgemäße Stellung als ewiger Diener des


Herrn wirklich verstanden hat, gibt alle anderen
Sei fest im yoga verankert, o Arjuna. Erfülle deine Beschäftigungen außer den Tätigkeiten im KŠa-
Pflicht, und gib alle Anhaftung an Erfolg oder Bewußtsein auf. Wie schon erklärt wurde, bedeutet buddhi-
Mißerfolg auf. Solche Ausgeglichenheit des Geistes wird yoga transzendentaler liebender Dienst für den Herrn.
yoga genannt. Solch hingebungsvoller Dienst ist die richtige
Handlungsweise für das Lebewesen. Nur Geizhälse wollen
ERLÄUTERUNG die Frucht ihrer Arbeit genießen, wodurch sie nur noch
mehr in die materielle Knechtschaft verstrickt werden.
KŠa sagt zu Arjuna, er solle in yoga handeln. Was ist nun Außer Arbeit im KŠa-Bewußtsein sind alle Tätigkeiten
dieser yoga? Yoga bedeutet, den Geist auf den Höchsten zu verabscheuenswert, da sie den Handelnden fortgesetzt an
richten, indem man die ständig störenden Sinne meistert. den Kreislauf von Geburt und Tod binden. Man sollte daher
Und wer ist der Höchste? Der Höchste ist der Herr. Und da niemals den Wunsch haben, selbst die Ursache von Arbeit
Er Selbst Arjuna anweist zu kämpfen, hat Arjuna mit den zu sein. Alles sollte im KŠa-Bewußtsein getan werden,
Ergebnissen des Kampfes nichts zu tun. Gewinn oder Sieg um KŠa zu erfreuen. Geizhälse wissen nicht, wie sie
sind KŠas Sache; Arjuna ist nur angewiesen, nach dem Besitztümer verwenden sollen, die sie durch glückliche
Gebot KŠas zu handeln. Umstände oder harte Arbeit erwerben. Man sollte alle
KŠas Gebot zu folgen ist wirklicher yoga, und dies wird Energien verwenden, um im KŠa-Bewußtsein zu arbeiten;
in dem Vorgang praktiziert, den man KŠa-Bewußtsein das wird unser Leben erfolgreich machen. Unglückselige
nennt. Allein durch KŠa-Bewußtsein kann man die Menschen stellen, wie die Geizhälse, ihre menschliche
Vorstellung, irgend etwas zu besitzen, aufgeben. Man muß Energie nicht in den Dienst des Herrn.
der Diener KŠas oder der Diener des Dieners von KŠa
werden. Das ist der richtige Weg, seine Pflicht im KŠa- VERS 50
Bewußtsein zu erfüllen, das einem helfen kann, in yoga zu
handeln. buddhi-yukto jahātīha
Arjuna ist ein katriya und gehört als solcher zur ubhe sukta-dukte
Einrichtung des varŠāśrama-dharma. Im ViŠu PurāŠa tasmād yogāya yujyasva
(3.8.9) heißt es, daß im varŠāśrama-dharma das ganze Ziel yogaƒ karmasu kauśalam
darin besteht, ViŠu zufriedenzustellen. Niemand soll sich
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buddhi-yaktaƒ—jemand, der im hingebungsvollen Dienst bhāvambudhir vatsa-padaˆ paraˆ padaˆ


tätig ist; jahāti—kann sich befreien von; iha—in diesem paraˆ padaˆ yad vipadāˆ na teām
Leben; ubhe-in beiden; sukta-dukte-in guten und
schlechten Ergebnissen; tasmāt—deshalb; yogāya—um des "Für jemand, der das Boot der Lotosfüße des Herrn
hingebungsvollen Dienstes willen; yujyasva—sei so tätig; bestiegen hat - welcher der kosmischen Manifestation
yogaƒ—KŠa-Bewußtsein; karmasu—in allen Tätigkeiten; Zuflucht gewährt und welcher berühmt ist als Mukunda
kauśalam—Kunst. oder derjenige, der mukti gewährt -, für ihn ist der Ozean
der materiellen Welt wie das Wasser im Hufabdruck eines
ÜBERSETZUNG Kalbes. Paraˆ padam oder VaikuŠ˜ha, wo es keine
materiellen Leiden gibt, ist sein Ziel, und nicht der Ort, an
Jemand, der im hingebungsvollen Dienst tätig ist, dem auf Schritt und Tritt Gefahr lauert."
befreit sich schon in diesem Leben sowohl von guten als Aufgrund von Unwissenheit weiß man nicht, daß die
auch von schlechten Reaktionen. Deshalb strebe nach materielle Welt ein leidvoller Ort ist, wo auf Schritt und
yoga, o Arjuna, der Kunst aller Arbeit. Tritt Gefahren drohen. Nur aus Unwissenheit versuchen
weniger intelligente Menschen, sich durch fruchtbringende
ERLÄUTERUNG Tätigkeiten der Situation anzupassen, in dem Glauben, die
sich ergebenden Handlungen würden sie glücklich machen.
Seit unvordenklicher Zeit hat jedes Lebewesen die Sie wissen nicht, daß ihnen keine Art von materiellem
verschiedenen Reaktionen auf seine gute und schlechte Körper irgendwo im Universum ein Leben ohne Leiden
Arbeit angesammelt. So ist es zu erklären, daß es sich geben kann. Die Leiden des Lebens, nämlich Geburt, Tod,
fortgesetzt in Unwissenheit über seine eigentliche, Alter und Krankheiten, treten überall in der materiellen
wesensgemäße Stellung befindet. Diese Unwissenheit kann Welt auf. Wer aber seine wirkliche, wesensgemäße Stellung
durch die Unterweisung der Bhagavad-gītā beseitigt als der ewige Diener des Herrn versteht und somit die
werden, die uns lehrt, sich Śrī KŠa in jeder Hinsicht zu Position der Persönlichkeit Gottes kennt, betätigt sich im
ergeben und so von der Geburt für Geburt drohenden transzendentalen liebenden Dienst des Herrn. Folglich wird
Preisgabe an Aktion und Reaktion frei zu werden. Arjuna er befähigt, in die VaikuŠ˜ha-Planeten einzugehen, wo es
wird daher der Rat gegeben, im KŠa-Bewußtsein zu weder ein materielles, leidvolles Leben noch den Einfluß
handeln, dem Vorgang, durch den man sich von Reaktionen von Zeit und Tod gibt. Seine wesensgemäße Stellung zu
auf vergangene Handlungen befreien kann. kennen bedeutet, auch die erhabene Position des Herrn zu
kennen. Wer fälschlich glaubt, die Stellung des Lebewesens
VERS 51 und die des Herrn befänden sich auf der gleichen Ebene, ist
von Dunkelheit umgeben und daher nicht imstande, sich im
karma-jaˆ buddhi-yuktā hi hingebungsvollen Dienst des Herrn zu betätigen. Er wird
phalaˆ tyaktvā manīiŠaƒ selbst zu einem "Herrn" und ebnet sich so den Weg zur
janma-bandha-vinirmuktāƒ Wiederholung von Geburt und Tod. Wer aber versteht, daß
padaˆ gacchanty anāmayam es seine Position ist zu dienen, stellt sich in den Dienst des
Herrn und wird sofort geeignet, nach VaikuŠ˜haloka zu
karma-jam—aufgrund fruchtbringender Tätigkeiten; gehen. Dienst im Interesse des Herrn wird karma-yoga
buddhi-yaktāƒ—im hingebungsvollen Dienst ausgeführt; bzw. buddhi-yoga oder, in einfachen Worten,
hi—gewiß; phalam—Ergebnisse; tyaktvā—indem sie hingebungsvoller Dienst für den Herrn genannt.
aufgeben; manīiŠaƒ—Gottgeweihte, die große Weise sind;
janma-bandha—die Fessel von Geburt und Tod; VERS 52
vinirmuktāƒ—befreite Seelen; padam—Stellung;
gacchanti—erreichen; anāmayam—ohne Leiden. yadā te moha-kalilaˆ
buddhir vyatitariyati
ÜBERSETZUNG tadā gantāsi nirvedaˆ
śrotavyasya śrutasya ca
Die Weisen, die im hingebungsvollen Dienst tätig sind,
suchen Zuflucht beim Herrn und befreien sich aus dem yadā—wenn; te—deine; moha—trügerisch; kalilam—
Kreislauf von Geburt und Tod, indem sie den Früchten dichter Wald; buddhiƒ— transzendentaler Dienst mit
des Handelns in der materiellen Welt entsagen. Auf Intelligenz; vyatitariyati—überwindet; tadā—zu dieser
diese Weise können sie jenen Ort erreichen, der jenseits Zeit; gantāsi—du wirst gehen; nirvedam—Gleichgültigkeit;
aller Leiden liegt. śrotavyasya—alles, was noch zu hören ist; śrutasya—alles,
was bereits gehört worden ist; ca—auch.
ERLÄUTERUNG
ÜBERSETZUNG
Die befreiten Lebewesen suchen jenen Ort auf, an dem es
keine mat. Leiden gibt. Im Bhāgavatam (10.14.58) heißt es: Wenn deine Intelligenz aus dem dichten Wald der
Täuschung herausgetreten ist, wirst du gleichgültig
samāśritā ye padapallava-plavaˆ werden gegenüber allem, was gehört worden und was
mahat-padaˆ puŠya-yaśo murāreƒ noch zu hören ist.
64

buddhiƒ—Intelligenz; tadā—zu dieser Zeit; yogam—


ERLÄUTERUNG Selbstverwirklichung; avāpsyasi—du wirst erreichen.

Es gibt viele gute Beispiele aus dem Leben großer ÜBERSETZUNG


Geweihter des Herrn, denen die Rituale der Veden einfach
durch hingebungsvollen Dienst für den Herrn gleichgültig Wenn dein Geist nicht länger von der blumigen Sprache
wurden. Wenn jemand KŠa und seine Beziehung zu der Veden verwirrt ist und fest in der Trance der
KŠa wirklich versteht, werden ihm, selbst wenn er ein Selbstverwirklichung verankert bleibt, dann wirst du
erfahrener brāhmaŠa ist, natürlicherweise die Rituale das göttliche Bewußtsein erreicht haben.
fruchtbringender Tätigkeiten völlig gleichgültig. Śrī
Mādhavendra Purī, ein großer Gottgeweihter und ācārya in ERLÄUTERUNG
der Nachfolge der Gottgeweihten, sagt:
Wenn man sagt, jemand sei in samādhi, bedeutet dies, daß
sandhyā-vandana bhadram astu bhavato bhoƒ snāna er KŠa-Bewußtsein vollständig verwirklicht hat; das
tubhyaˆ namo heißt: Wer völlig in samādhi versunken ist, hat Brahman,
bho devāƒ pitaraś ca tapaŠa-vidhau nāhaˆ kamaƒ Paramātmā und Bhagavān erkannt. Die höchste
kamyatām Vollkommenheit der Selbstverwirklichung ist die
yatra kvāpi niadya yādava-kulottamasya kaˆsa-dviaƒ Erkenntnis, daß man ewig KŠas Diener ist und daß man
smāraˆ smāram aghaˆ harāmi tad alaˆ manye kim nur die eine Aufgabe hat, seine Pflichten im KŠa-
anyena me Bewußtsein zu erfüllen. Ein KŠa-bewußter Mensch, das
heißt ein unerschütterlicher Gottgeweihter, sollte sich nicht
"O Herr, in meinen Gebeten preise ich dreimal täglich durch die blumige Sprache der Veden stören lassen, noch
Deinen höchsten Ruhm. Während ich mein Bad nehme, sollte er fruchtbringenden Tätigkeiten nachgehen, um sich
erweise ich Dir meine Ehrerbietungen. O Halbgötter! O zum himmlischen Königreich zu erheben. Im KŠa -
Vorväter! Bitte entschuldigt meine Unfähigkeit, euch meine Bewußtsein kommt man unmittelbar mit KŠa in
Achtung zu erweisen. Wo immer ich jetzt sitze, kann ich Verbindung, und so können auf dieser transzendentalen
mich an den großen Nachfahren der Yadu-Dynastie Ebene alle Weisungen KŠas verstanden werden. Es ist
[KŠa], den Feind Kaˆsas, erinnern, und so kann ich mich sicher, daß man durch solches Tun Ergebnisse erreicht und
von allen sündhaften Bindungen befreien. Ich denke, daß schlüssiges Wissen erlangt. Man braucht nur die
dies für mich ausreicht." Anweisungen KŠa oder Seines Stellvertreters, des
Die vedischen Riten und Rituale sind für Neulinge spirituellen Meisters, ausführen.
unbedingt erforderlich: dreimal täglich alle möglichen
Gebete sprechen, frühmorgens ein Bad nehmen, den VERS 54
Vorvätern Achtung erweisen usw. Wenn man aber völlig
im KŠa-Bewußtsein verankert und im transzendentalen arjuna uvāca
liebenden Dienst des Herrn tätig ist, werden einem all diese sthita-prajñasya kā bhāā
regulierenden Prinzipien gleichgültig, da man die samādhi-sthasya keśava
Vollkommenheit bereits erreicht hat. Wenn man die Ebene sthita-dhīƒ kiˆ prabhāeta
des Verstehens durch Dienst für den Höchsten Herrn, Śrī kim āsīta vrajeta kiˆ
KŠa, erreichen kann, braucht man nicht länger
verschiedene Arten von tapasya und Opfern auszuführen, arjunaƒ uvāca—Arjuna sprach; sthita-prajñasya—von
wie in den offenbarten Schriften empfohlen wird. Und jemand, der in festem KŠa-Bewußtsein verankert ist; kā—
wenn man auf der anderen Seite nicht verstanden hat, daß was; bhāā—Sprache; samādhi-sthasya—von jemand, der
der Zweck der Veden darin besteht, KŠa zu erreichen, und sich in Trance befindet; keśava—o KŠa; sthita-dhīƒ—
einfach nur Rituale usw. vollzieht, verschwendet man mit jemand, der im KŠa-Bewußtsein gefestigt ist; kim—was;
solchen Beschäftigungen nutzlos seine Zeit. Menschen im prabhāeta—sprechen; kim—wie; āsīta—bleibt; vrajeta—
KŠa-Bewußtsein überschreiten die Grenze des śabda- gehen; kim—wie.
brahma oder des Bereichs der Veden und Upaniaden.
ÜBERSETZUNG
VERS 53
Arjuna sprach: O Keśava, welche Merkmale weist
śruti-vipralipannā te jemand auf, dessen Bewußtsein in die Transzendenz
yadā sthāsyati niścalā eingegangen ist? Wie und worüber spricht er? Wie sitzt
samādhāv acalā buddhis er und wie geht er?
tadā yogam avāpsyasi
ERLÄUTERUNG
śruti—vedische Offenbarung; vipratipannā—ohne von den
fruchttragenden Ergebnissen der Veden beeinflußt zu sein; So wie jeder Mensch seiner jeweiligen Lage gemäß
te—dein; yadā—wenn; sthāsyati—bleibt; niścalā— besondere, ihn kennzeichnende Züge aufweist, so hat in
unbewegt; samādhau—in transzendentalem Bewußtsein ähnlicher Weise auch jemand, der KŠa-bewußt ist, sein
oder KŠa-Bewußtsein; acalā—unerschütterliche; besonderes Wesen - Reden, Gehen, Denken, Fühlen usw.
65

So wie ein reicher Mann bestimmte Merkmale hat, durch betätigen, denn solch hingebungsvoller Dienst wird einem
die man ihn als Reichen kennt; so wie ein Kranker gewisse augenblicklich helfen, auf die Ebene transzendentalen
Symptome hat, die ihn als krank kennzeichnen, oder wie Bewußtseins zu gelangen. Die hochentwickelte Seele bleibt
ein Gelehrter seine Besonderheiten hat, so hat ein Mann im immer in sich selbst zufrieden, da sie sich als der ewige
transzendentalen Bewußtsein von KŠa besondere Diener des Höchsten Herrn erkennt. Eine auf diese Weise
Merkmale in seinen verschiedenen Verhaltensweisen. Man in der Transzendenz verankerte Seele hat keine
kann seine besonderen Merkmale aus der Bhagavad-gītā Sinnenwünsche, die niedrigem Materialismus entspringen;
erfahren. Am wichtigsten ist, wie der Mann im KŠa- vielmehr bleibt sie immer glücklich in ihrer natürlichen
Bewußtsein spricht, denn Sprache ist die wichtigste Stellung, ewig dem Höchsten Herrn zu dienen.
Eigenschaft jedes Menschen. Man sagt, ein Esel bleibe
unentdeckt, solange er nicht rede, und gewiß kann man VERS 56
einen gutgekleideten Esel nicht erkennen, solange er nicht
spricht; doch sobald er den Mund öffnet, zeigt er sein duƒkhev anudvigna-manāƒ
wahres Gesicht. Das unmittelbare Merkmal eines KŠa- sukheu vigata-sphaƒ
bewußten Menschen ist, daß er nur über KŠa und mit vīta-rāga-bhaya-krodhaƒ
KŠa verbundene Themen spricht. Andere Kennzeichen sthita-dhīr munir ucyate
folgen dann von selbst, wie in den folgenden Versen
beschrieben wird. duƒkheu—in den dreifachen Leiden; anudvigna-manāƒ—
ohne im Geist erregt zu sein; sukheu—in Glück;
VERS 55 vigata-sprhaƒ—ohne zu sehr interessiert zu sein; vīta—frei
von; rāga—Anhaftung; bhaya—Angst; krodhaƒ—Zorn;
śrī bhagavān uvāca sthita-dhīƒ—jemand, der stetig ist; muniƒ—Weiser;
prajahāti yadā kāmān ucyate—wird genannt.
sarvān pārtha mano-gatān
ātmany evātmanā tu˜aƒ ÜBERSETZUNG
sthita-prajñas tadocyate
Wer trotz der dreifachen Leiden nicht verwirrt ist, nicht
śrī bhagavān uvāca—die Höchste Persönlichkeit Gottes von Freude überwältigt wird, wenn er Glück erfährt,
sprach; prajahāti—gibt auf; yadā—wenn; kāmān— und frei von Anhaftung, Angst und Zorn ist, wird ein
Wünsche nach Sinnenbefriedigung; sarvān—aller Arten; Weiser mit stetigem Geist genannt.
pārtha—o Sohn Pthās; manaƒ-gatān—gedanklicher
Überlegung; ātmani—im reinen Zustand der Seele; eva— ERLÄUTERUNG
gewiß; ātmanā-durch den geläuterten Geist; tu˜aƒ—
zufrieden; sthita-prajñaƒ—in der Transzendenz verankert; Das Wort muni bezeichnet einen Menschen, der seinen
tadā—zu dieser Zeit; ucyate—man sagt. Geist mit den verschiedensten gedanklichen Spekulationen
aufrührt, ohne zu einer tatsächlichen Schlußfolgerung zu
ÜBERSETZUNG kommen. Man sagt, jeder muni habe eine andere
Betrachtungsweise, und solange sich ein muni nicht von
Der Höchste Herr sprach: O Pārtha, wenn ein Mensch anderen munis unterscheide, könne man ihn
alle Arten von Sinnesbegierden aufgibt, die strenggenommen nicht als muni bezeichnen. Nāsau munir
gedanklicher Überlegung entspringen, und wenn sein yasya mataˆ na binnam. Aber ein sthita-dhī-muni, wie er
Geist im Selbst allein Befriedigung findet, dann sagt hier vom Herrn erwähnt wird, unterscheidet sich von einem
man von ihm, er sei in reinem transzendentalem gewöhnlichen muni. Der sthita-dhī-muni ist immer im
Bewußtsein verankert. KŠa-Bewußtsein verankert, denn seine Versuche kreativer
Spekulation haben sich erschöpft. Er hat die Stufe
ERLÄUTERUNG gedanklicher Spekulationen hinter sich gelassen und ist zu
dem Schluß gekommen, daß der Herr, Śrī KŠa oder
Das Bhāgavatam bestätigt, daß jeder, der völlig im KŠa- Vāsudeva, alles ist. Ihn nennt man einen muni mit
Bewußtsein oder hingebungsvollen Dienst des Herrn gefestigtem Geist. Ein solch völlig KŠa-bewußter Mensch
verankert ist, alle guten Eigenschaften der großen Weisen fühlt sich durch die Angriffe der dreifachen Leiden
besitzt, wohingegen jemand, der nicht auf solch keineswegs gestört, denn er betrachtet alle Leiden als die
transzendentale Weise verankert ist, keine guten Barmherzigkeit des Herrn. Er findet es angemessen,
Eigenschaften hat, weil er sich mit Sicherheit in seine aufgrund seiner vergangenen schlechten Taten mehr
eigenen gedanklichen Überlegungen flüchtet. Folglich wird Unannehmlichkeiten zu bekommen, und er sieht, daß seine
hier ganz richtig gesagt, daß man alle Arten von Leiden durch die Gnade des Herrn bis auf ein Mindestmaß
Sinnenwünschen, die gedanklichen Überlegungen verringert sind. In ähnlicher Weise dankt er, wenn er
entspringen, aufgeben muß. Künstlich kann man solche glücklich ist, dem Herrn für solche Güte und denkt, daß er
Sinnenwünsche nicht einstellen. Wenn man aber im KŠa- dieses Glück nicht verdient habe. Er erkennt, daß er sich
Bewußtsein beschäftigt ist, dann lassen Sinnenwünsche nur durch die Gnade des Herrn in einer solch angenehmen
ohne zusätzliche Bemühungen von selbst nach. Deshalb Lage befindet und imstande ist, dem Herrn besser zu
muß man sich ohne Zögern im KŠa-Bewußtsein dienen. Und um dem Herrn zu dienen, ist er immer
66

unerschrocken und aktiv und läßt sich nicht von Anhaftung


oder Ablehnung beeinflußen. Anhaftung bedeutet, Dinge Wer imstande ist, seine Sinne von den Sinnesobjekten
für seine eigene Sinnenbefriedigung anzunehmen, und zurückzuziehen, so wie die Schildkröte ihre Glieder in
Losgelöstsein bedeutet das Fehlen einer solch sinnlichen den Panzer einzieht, gründet in wirklichem Wissen.
Anhaftung. Wer aber im KŠa-Bewußtsein verankert ist,
kennt weder Anhaftung noch Loslösung, da er sein Leben ERLÄUTERUNG
dem Dienst des Herrn geweiht hat. Folglich ist er niemals
ärgerlich - auch dann nicht, wenn seine Versuche erfolglos Der Prüfstein für einen yogī, einen Gottgeweihten oder eine
sind. Ein KŠa-bewußter Mensch ist in seiner selbstverwirklichte Seele ist die Fähigkeit, die Sinne nach
Entschlossenheit immer beständig. Plan zu beherrschen. Die meisten Menschen jedoch sind
Diener der Sinne und werden vom Diktat der Sinne gelenkt.
VERS 57 Das ist die Antwort auf die Frage nach der Stellung des
yogī. Die Sinne werden mit giftigen Schlangen verglichen.
yaƒ sarvatrānabhisnehas Sie wollen zügellos und ohne Einschränkung tätig sein. Der
tat tat prāpya śubhāśubham yogī oder Gottgeweihte muß daher sehr stark sein, um die
nābhinandati na dve˜i Schlangen - wie ein Schlangenbeschwörer - beherrschen zu
tasya prajñā prati˜hitā können. Er gestattet ihnen niemals, unabhängig zu handeln.
Die offenbarten Schriften beinhalten viele Unterweisungen:
yaƒ—jemand, der; sarvatra—überall; anabhisnehaƒ-ohne einige sind Verbote und andere sind Gebote. Solange man
Zuneigung; tat—dieses; tat—dieses; prāpya—erreichend; nicht fähig ist, den Geboten und Verboten zu folgen und
śubha-Gutes; aśubham—Schlechtes; na—niemals; sich von Sinnengenuß zurückzuhalten, ist es nicht möglich,
abhinandati—frohlockt; na—niemals; dve˜i—beneidet; fest im KŠa-Bewußtsein verankert zu sein. Das beste
tasya—sein; prajñā— vollkommenes Wissen; prati˜hita— Beispiel in diesem Zusammenhang ist die Schildkröte. Die
gefestigt. Schildkröte kann augenblicklich ihre Sinne zurückziehen
und diese zu jeder Zeit für bestimmte Zwecke wieder nach
ÜBERSETZUNG außen richten. In ähnlicher Weise werden die Sinne KŠa-
bewußter Menschen nur für einen bestimmten Zweck im
Wer frei von Anhaftung ist und nicht frohlockt, wenn Dienste des Herrn benutzt und sind sonst zurückgezogen.
ihm Gutes widerfährt, noch jammert, wenn ihm Übles Wie man die Sinne immer im Dienst des Herrn
geschieht, ist fest in vollkommenem Wissen verankert. beschäftigen kann, wird an dem Vergleich der Schildkröte
deutlich, die ihre Gliedmaßen im Panzer zurückhalten kann.
ERLÄUTERUNG
VERS 59
In der materiellen Welt finden ständig Veränderungen statt,
die gut oder schlecht sein mögen. Wer durch solche viayā vinivartante
materiellen Veränderungen nicht beunruhigt wird, das nirāhārasya dehinaƒ
heißt, wer sich von Gut und Schlecht nicht beeinflussen rasa-varjaˆ raso ‘py asya
läßt, gilt als im KŠa-Bewußtsein gefestigt. Solange man paraˆ d˜vā nivartate
sich in der materiellen Welt befindet, wird es immer Gutes
und Schlechtes geben, denn diese Welt ist voller Dualität. viayāƒ-Objekte für Sinnengenuß; vinivartante—werden
Wer jedoch im KŠa-Bewußtsein gefestigt ist, wird von durch Übung vermieden; nirāhārasya—durch negative
Gut und Schlecht nicht beeinflußt, da es ihm nur um KŠa Einschränkungen; dehinaƒ—für die verkörperte Seele;
geht, der absolut und allgut ist. Ein solches in KŠa rasa-varjam—den Geschmack aufgebend; rasaƒ—der Sinn
ruhendes Bewußtsein versetzt einen in eine vollkommene, für Genuß; api—obwohl es gibt; asya—ihr; param—
transzendentale Stellung, die man technisch als samādhi weitaus höhere Dinge; d˜vā—indem sie erfährt;
bezeichnet. nivartate—läßt ab von.

VERS 58 ÜBERSETZUNG

yadā saˆharate cāyaˆ Die verkörperte Seele mag zwar von Sinnenfreuden
kūrmo'‰gānīva sarvaśaƒ zurückgehalten werden, doch der Geschmack für
indriyāŠīndriyārthebhyas Sinnesobjekte bleibt; wenn sie jedoch solche Neigungen
tasya prajñā prati˜hitā aufgibt, da sie einen höheren Geschmack erfährt, ist sie
im Bewußtsein gefestigt.
yadā—wenn; saˆharate—zurückzieht; ca—auch; ayam—
alle diese; kūrmaƒ—Schildkröte; a‰gāni—Gliedmaßen; ERLÄUTERUNG
iva—wie; sarvaśaƒ—zusammen; indriyāni—Sinne;
indriya-arthebhyaƒ—von den Sinnesobjekten; tasya—sein; Solange man nicht in der Transzendenz verankert ist, ist es
prajñā—Bewußtsein; prati˜hitā—gefestigt. nicht möglich, von Sinnengenuß abzulassen. Den Genuß
der Sinne durch Regeln und Regulierungen
ÜBERSETZUNG einzuschränken, ist so etwas, wie einem Kranken den
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Genuß bestimmter Speisen einzuschränken. Der Patient KŠa-Bewußtsein ist solch eine transzendental-wunderbare
jedoch liebt solche Einschränkungen nicht, noch verliert er Sache, daß materieller Genuß von selbst widerwärtig wird.
seinen Geschmack für diese Speisen. In ähnlicher Weise Es ist so, als hätte ein Hungriger seinen Hunger mit einer
wird die Einschränkung der Sinne durch einen spirituellen ausreichenden Menge nahrhafter Speisen gestillt. Mahārāja
Vorgang wie a˜ā‰ga-yoga, im Sinne von yama, niyama, Ambarīa besiegte ebenfalls einen großen yogī, Durvāsā
āsana, prāŠāyāma, pratyāhāra, dharaŠā, dhyāna usw., Muni, einfach dadurch, daß sein Geist im KŠa-
weniger intelligenten Menschen empfohlen, die über kein Bewußtsein tätig war.
besseres Wissen verfügen. Wer aber im Verlauf seines
Fortschritts im KŠa-Bewußtsein die Schönheit des VERS 61
Höchsten Herrn Śrī KŠa gekostet hat, findet nicht länger
Geschmack an toten materiellen Dingen. Einschränkungen tāni sarvāŠi saˆyamya
sind daher für die weniger intelligenten Neulinge im yukta āsīta mat-paraƒ
spirituellen Leben gedacht, doch sind solche vaśe hi yasyendriyāŠi
Einschränkungen nur gut, wer man tatsächlich den tasya prajñā prati˜hitā
Geschmack am KŠa-Bewußtsein hat. Wenn man
tatsächlich KŠa-bewußt ist, verliert man von selbst den tāni—diese Sinne; sarvāŠi—alle; saˆyamya—unter
Geschmack an faden Dingen. Kontrolle haltend; yuktaƒ—beschäftigt sein; āsīta—so
VERS 60 verankert sein; mat-paraƒ—in Beziehung zu Mir; vaśe—in
völliger Unterwerfung; hi—sicherlich; yasya—jemand,
yatato hy api kaunteya dessen; indriyāŠi—Sinne; tasya—sein; prajñā—
puruasya vipaścitaƒ Bewußtsein; prati˜hitā—gefestigt.
indriyāŠi pramāthīni
haranti prasabhaˆ manaƒ ÜBERSETZUNG

yatataƒ—während er sich bemüht; hi—gewiß; api— Wer seine Sinne zurückhält und sein Bewußtsein fest
trotzdem; kaunteya—o Sohn Kuntīs; puruasya—des auf Mich richtet, ist bekannt als ein Mensch von stetiger
Menschen; vipaścitaƒ—voll unterscheidenden Wissens; Intelligenz.
indriyāŠi—die Sinne; pramāthīni—erregt; haranti—
schleudern gewaltsam; prasabhaˆ—durch Zwang; ERLÄUTERUNG
manaƒ—den Geist.
In diesem Vers wird eindeutig erklärt, daß KŠa-
ÜBERSETZUNG Bewußtsein die höchste Stufe in der Vollendung des yoga
ist. Ohne KŠa-bewußt zu sein, ist es keinesfalls möglich,
Die Sinne sind so stark und ungestüm, o Arjuna, daß sie die Sinne zu meistern. Wie oben erwähnt wurde, fing der
sogar den Geist eines Mannes gewaltsam fortreißen, der große Weise Durvāsā Muni mit Mahārāja Ambarīa einen
Unterscheidungsvermögen besitzt und bemüht ist, sie zu Streit an, und weil Durvāsā Muni aus Stolz unnötigerweise
beherrschen. zornig wurde, konnte er seine Sinne nicht beherrschen. Der
König dagegen, der kein so mächtiger yogī wie der Weise,
ERLÄUTERUNG sondern ein Geweihter des Herrn war, ertrug geduldig alle
Ungerechtigkeiten des Weisen und ging dadurch siegreich
Es gibt viele gelehrte Weise, Philosophen und aus dem Streit hervor. Der König vermochte seine Sinne zu
Transzendentalisten, die die Sinne zu meistern versuchen; beherrschen, weil er die folgenden Qualifikationen besaß,
doch trotz ihrer Bemühungen fallen selbst die größten von die im Śrīmad-Bhāgavatam (9.4.18-20) erwähnt werden:
ihnen manchmal dem materiellen Sinnengenuß zum Opfer,
da ihr Geist erregt wurde. Selbst Viśvāmitra, ein großer sa vai manaƒ kŠa-padāravindayor
Weiser und vollkommener yogī, wurde von Menakā zu vacāˆsi vaikuŠ˜ha-guŠānuvarŠane
sexuellem Genuß verleitet, obwohl er sich bemühte, mittels karau harer mandira-mārjanādiu
schwerer tapasya und durch yoga-Übungen seine Sinne zu śrutiˆ cakārācyuta-sat-kathodaye
beherrschen. Selbstverständlich gibt es noch viele andere,
ähnliche Beispiele in der Weltgeschichte. Es ist also sehr mukunda-liŠgālaya-darśane dśau
schwierig, den Geist und die Sinne zu beherrschen, wenn tad-bhtya-gātra-sparśe '‰ga-sa‰gamam
man nicht völlig KŠa-bewußt ist. Ohne den Geist mit ghrāŠaˆ ca tat-pāda-saroja-saurabhe
KŠa zu beschäftigen, kann man von solch materiellen śrīmat-tulasyā rasanāˆ tad-arpite
Betätigungen nicht ablassen. Ein praktisches Beispiel wird
von Śrī Yāmunācārya, einem großen Heiligen und pādau hareƒ ketra-padānusarpaŠe
Gottgeweihten, gegeben, der sagt: "Seitdem mein Geist im śiro hīkea-padābhivandane
Dienst der Lotosfüße KŠas beschäftigt ist und ich eine kāmaˆ ca dāsye na tu kāma-kāmyayā
immer neue transzendentale Gemütsstimmung genieße, yathottamaśloka-janāśrayā ratiƒ
wende ich mich augenblicklich ab, sobald ich an sexuelle
Beziehungen zu einer Frau denke, und ich speie auf den "König Ambarīa richtete seinen Geist fest auf die
Gedanken." Lotosfüße Śrī KŠas; mit seinen Worten beschrieb er das
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Reich des Herrn; mit seinen Händen reinigte er den Tempel transzendentalen liebenden Dienst des Herrn beschäftigt
des Herrn; mit seinen Ohren hörte er über die Spiele des sind, werden sie sich mit Sicherheit eine Beschäftigung im
Herrn; mit seinen Augen sah er die Gestalt des Herrn; mit Dienst des Materialismus suchen. In der materiellen Welt
seinem Körper berührte er die Körper der Gottgeweihten; ist jeder, selbst Śiva und Brahmā - von anderen Halbgöttern
mit seiner Nase atmete er den Duft der Blumen ein, die den auf den himmlischen Planeten ganz zu schweigen - dem
Lotosfüßen des Herrn geopfert waren; mit seiner Zunge Einfluß der Sinnesobjekte unterworfen, und die einzige
schmeckte er die tulasī-Blätter, die dem Herrn geopfert Möglichkeit, dieser Verwirrung des materiellen Daseins zu
waren; mit seinen Beinen pilgerte er zu den heiligen entkommen, besteht darin, KŠa-bewußt zu werden. Śiva
Stätten, an denen Tempel des Herrn errichtet waren; mit befand sich in tiefer Meditation, doch als Pārvatī ihn reizte,
seinem Haupt brachte er dem Herrn Ehrerbietungen dar, mit ihr Sinnenfreude zu genießen, war er mit dem
und mit seinen Wünschen erfüllte er die Wünsche des Vorschlag einverstanden, und als Ergebnis wurde
Herrn. All diese Qualifikationen machten ihn geeignet, ein Kārttikeya geboren. Als Haridāsa µhākura noch ein junger
mat-paraƒ-Geweihter des Herrn zu werden." Geweihter des Herrn war, wurde er von der Inkarnation
Das Wort mat-paraƒ ist in diesem Zusammenhang von Māyā Devīs in ähnlicher Weise in Versuchung geführt,
größter Bedeutung. Wie man ein mat-paraƒ werden kann, aber Haridāsa bestand die Prüfung mit Leichtigkeit dank
wird am Leben Mahārāja Ambarīas deutlich. Śrī Baladeva seiner unverfälschten Hingabe an Śrī KŠa. Wie in dem
VidyābhūaŠa, ein großer Gelehrter und ācārya in der oben erwähnten Vers von Śrī Yāmunācārya deutlich wird,
Linie der mat-paraƒ, bemerkt hierzu: verabscheut ein aufrichtiger Geweihter des Herrn jeden
materiellen Sinnengenuß, da er durch den spirituellen
mad-bhakti-prabhāvena sarvendriya-vijaya- Genuß der Gemeinschaft des Herrn einen höheren
pūrvikā svātma d˜iƒ sulabheti bhāvaƒ Geschmack erfährt. Das ist das Geheimnis des Erfolges.
Wer daher nicht KŠa-bewußt ist, wird letztlich mit
"Die Sinne können nur durch die Kraft des Sicherheit scheitern - gleichgültig wie er seine Sinne durch
hingebungsvollen Dienstes für KŠa vollständig gemeistert künstliche Verdrängung beherrschen mag -, denn schon der
werden." geringste Gedanke an Sinnenfreude wird ihn dazu treiben,
Manchmal wird auch das Beispiel des Feuers angeführt: seine Begierden zu befriedigen.
"So wie kleine Flammen alles in einem Zimmer
verbrennen, so verbrennt Śrī ViŠu, der im Herzen des yogī VERS 63
weilt, alle Arten von Unreinheiten." Auch das Yoga-sūtra
schreibt die Meditation über ViŠu, und nicht über die krodhād bhavati saˆmohaƒ
Leere, vor. Die sogenannten yogīs, die über etwas anderes saˆmohāt smti-vibhramaƒ
als die Form ViŠus meditieren, verschwenden nur ihre Zeit smti-bhraˆśād buddhi-nāśo
mit der vergeblichen Suche nach einem Trugbild. Wir buddhi-nāśāt praŠaśyati
müssen KŠa-bewußt sein - der Persönlichkeit Gottes
geweiht. Das ist das Ziel des wirklichen yoga. krodhāt—aus Zorn; bhavati-entsteht; saˆmohaƒ—völlige
Illusion; saˆmohāt—aus Illusion; smti—der Erinnerung;
VERS 62 vibhramaƒ—Verwirrung; smti-brahˆśāt—nach
Verwirrung der Erinnerung; buddhi-nāśat—Verlust der
dhyāyato viayān puˆsaƒ Intelligenz; buddhināśat—und durch Verlust der
sa‰gas teūpajāyate Intelligenz; praŠaśyati—kommt zu Fall.
sa‰gāt sañjāyate kāmaƒ
kāmāt krodho'bhijāyate ÜBERSETZUNG

dhyāyataƒ—während er betrachtet; viayān— Aus Zorn entsteht Täuschung, und der Täuschung folgt
Sinnesobjekte; puˆsaƒ—der Mensch; sa‰gaƒ—Anhaftung; die Verwirrung der Erinnerung. Wenn die Erinnerung
teu—an die Sinnesobjekte; upajāyate—entwickelt; verwirrt ist, geht die Intelligenz verloren, und wenn die
sa‰gāt—aus Anhaftung; sañjāyate—entwickelt sich; Intelligenz verloren ist, fällt man wieder in den
kāmaƒ—Begierde; kāmāt—aus Begierde; krodhaƒ—Zorn; materiellen Sumpf zurück.
abhijāyate—entsteht.
ERLÄUTERUNG
ÜBERSETZUNG
Durch die Entwicklung von KŠa-Bewußtsein kann man
Beim Betrachten der Sinnesobjekte entwickelt der erkennen, daß alles seine Verwendung im Dienst des Herrn
Mensch Anhaftung an sie; aus solcher Anhaftung hat. Diejenigen, die kein Wissen vom KŠa-Bewußtsein
entwickelt sich Lust, und aus Lust geht Zorn hervor. haben, versuchen auf künstliche Weise, materielle Objekte
zu vermeiden, und erreichen folglich, obwohl sie nach
ERLÄUTERUNG Befreiung aus der materiellen Knechtschaft streben, nicht
die vollkommene Stufe der Entsagung. Im Gegensatz dazu
Wer nicht KŠa-bewußt ist, wird materielle Wünsche weiß ein KŠa-bewußter Mensch, wie man alles im
entwickeln, während er die Sinnesobjekte betrachtet. Die Dienste KŠas verwenden kann; deshalb fällt er dem
Sinne brauchen richtige Betätigung, und wenn sie nicht im materiellen Bewußtsein nicht zum Opfer. Für einen
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Unpersönlichkeitsphilosophen zum Beispiel kann der Herr Bewußtsein ist die grundlose Barmherzigkeit des Herrn, die
oder das Absolute, da unpersönlich, nicht essen. Während der Gottgeweihte trotz seiner Anhaftung an die sinnliche
ein Unpersönlichkeitsanhänger bemüht ist, Ebene erlangen kann.
wohlschmeckende Speisen zu vermeiden, weiß der
Gottgeweihte, daß KŠa der höchste Genießer ist und daß VERS 65
Er alles ißt, was Ihm mit Hingabe geopfert wird. Nachdem
also der Gottgeweihte dem Herrn schmackhafte Speisen prasāde sarva-duƒkhānāˆ
geopfert hat, ißt er die Überreste, die man prasāda nennt. hānir asyopajāyate
Auf diese Weise wird alles spiritualisiert, und es besteht prasanna-cetaso hy āśu
nicht die Gefahr, zu Fall zu kommen. Der Gottgeweihte ißt buddhiƒ paryavati˜hate
prasāda im KŠa-Bewußtsein, was der Nichtgottgeweihte
als etwas Materielles ablehnt. Der prasāde-wenn man die grundlose Barmherzigkeit des Herrn
Unpersönlichkeitsanhänger kann daher wegen seiner erlangt; sarva—alle; duƒkhānām—materiellen Leiden;
künstlichen Entsagung das Leben nicht genießen, und aus hāniƒ—Zerstörung; asya—seine; upajāyate—findet statt;
diesem Grund zieht ihn schon die geringste Erregung des prasanna-cetasaƒ—des Glücklichen; hi—gewiß; āśu—sehr
Geistes wieder in den Sumpf des materiellen Daseins hinab. bald; buddhiƒ—Intelligenz; pari—ausreichend;
Es heißt, daß eine solche Seele, obwohl sie sogar bis zur avati˜hate—gefestigt.
Stufe der Befreiung aufsteigen mag, wieder zu Fall kommt,
da sie nicht durch hingebungsvollen Dienst gestützt wird. ÜBERSETZUNG

VERS 64 Für jemand, der so im göttlichen Bewußtsein gründet,


existieren die dreifachen Leiden des materiellen Daseins
rāga-dvea-vimuktais tu nicht länger, und in einem solch glücklichen Zustand
viayān indriyaiś caran wird seine Intelligenz sehr bald stetig.
ātma-vaśyair vidheyātmā
prasādam adhigacchati VERS 66

rāga—Anhaftung; dvea—Loslösung; vimuktaiƒ—von nāsti buddhir ayuktasya


jemand, der von solchen Dingen frei gewesen ist; tu—aber; na cāyaktasya bhāvanā
viayān—Sinnesobjekte; indriyaiƒ-durch die Sinne; na cābhāvayataƒ śāntir
caran—handelnd; ātma-vaśyaiƒ—jemand, der Kontrolle aśāntasya kutaƒ sukham
hat über; vidheyātmā—jemand, der geregelter Freiheit folgt;
prasādam—die Barmherzigkeit des Herrn; adhigacchati- na asti—dort kann es nicht geben; buddhiƒ—
erlangt. transzendentale Intelligenz; ayuktasya—von jemand, der
nicht verbunden ist (mit KŠa-Bewußtsein); na—noch;
ÜBERSETZUNG ca—und; ayaktasya—von jemand, der nicht KŠa-bewußt
ist; bhāvanā—in Glück verankerter Geist; na—noch; ca—
Wer seine Sinne meistern kann, indem er den und; abhāvayataƒ—jemand, der nicht gefestigt ist; śāntiƒ—
regulierenden Prinzipien der Freiheit folgt, kann die Frieden; aśāntasya—von jemand, der keinen Frieden hat;
volle Barmherzigkeit des Herrn erlangen und so von kutaƒ—wo ist; sukham—Glück.
aller Anhaftung und Abneigung frei werden.
ÜBERSETZUNG
ERLÄUTERUNG
Wer nicht im transzendentalen Bewußtsein gründet,
Es wurde bereits erklärt, daß man die Sinne durch einen kann weder einen beherrschten Geist noch stetige
künstlichen Vorgang zwar oberflächlich beherrschen mag, Intelligenz besitzen, ohne die keine Möglichkeit zum
daß aber, solange die Sinne nicht im transzendentalen Frieden besteht. Und wie kann es Glück ohne Frieden
Dienst des Herrn beschäftigt sind, immer die Möglichkeit geben?
besteht, wieder zu Fall zu kommen. Auch wenn es so
erscheinen mag, als befinde sich ein völlig KŠa-bewußter ERLÄUTERUNG
Mensch auf der sinnlichen Ebene, ist er dennoch, dank
seines KŠa-Bewußtseins, sinnlichen Tätigkeiten nicht Solange man nicht KŠa-bewußt ist, besteht keine
verhaftet. Dem KŠa-bewußten Menschen geht es nur Möglichkeit zum Frieden. Im neunundzwanzigsten Vers
darum, KŠa zufriedenzustellen, um nichts anderes. des Fünften Kapitels wird bestätigt, daß man nur dann
Deshalb steht er zu aller Anhaftung in transzendentaler wirklichen Frieden finden kann, wenn man versteht, daß
Stellung. Wenn KŠa es wünscht, kann der Gottgeweihte KŠa der einzige Genießer aller guten Ergebnisse von
alles tun, was gewöhnlich unangenehm wäre, und wenn Opfern und tapasya, der Eigentümer aller universalen
KŠa es nicht wünscht, wird er nicht das tun, was er Manifestationen und der wirkliche Freund aller Lebewesen
gewöhnlich zu seiner eigenen Befriedigung getan hätte. ist. Daher kann es, wenn man nicht KŠa-bewußt ist, kein
Deshalb wacht er darüber, was er tut und was er nicht tut, endgültiges Ziel für den Geist geben. Störung ist auf das
denn er handelt nur unter der Führung KŠas. Dieses Fehlen eines endgültigen Ziels zurückzuführen, und wenn
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man die Gewißheit hat, daß KŠa der Genießer,


Eigentümer und Freund jedes Wesens und aller Dinge ist, So wie Feinde nur durch überlegene Stärke bezwungen
kann man mit stetigem Geist Frieden finden. Wer daher werden können, so können die Sinne durch keine
ohne eine Beziehung zu KŠa tätig ist, muß sicherlich menschliche Bemühung bezwungen werden, sondern nur,
immerzu leiden und kennt keinen Frieden, mag er auch indem man sie ständig im Dienst des Herrn beschäftigt.
noch so bemüht sein, Frieden und spirituellen Fortschritt im Wer dies verstanden hat, daß man nämlich nur durch
Leben zur Schau zu stellen. Im KŠa-Bewußtsein KŠa-Bewußtsein auf der Ebene der Intelligenz wirklich
manifestiert sich von selbst ein friedvoller Zustand, der nur gefestigt ist und daß man diese Kunst unter der Führung
in Beziehung zu KŠa erreicht werden kann. eines echten spirituellen Meisters erlernen sollte, wird als
sādhaka bezeichnet oder jemand, der geeignet ist, befreit zu
VERS 67 werden.

indriyāŠāˆ hi caratāˆ VERS 69


yan mano'nuvidhīyate
tad asya harati prajñāˆ yā niśā sarva-bhūtānāˆ
vāyur nāvam ivāmbhasi tasyāˆ jāgarti saˆyamī
yasyāˆ jāgrati bhūtāni
indriyāŠām—der Sinne; hi—gewiß; caratām—während sā niśā paśyato muneƒ
man darüber wacht; yat— dieser; manaƒ—Geist;
anuvidhīyate—wird ständig beschäftigt; tat—das; asya— yā—was; niśā—Nacht ist; sarva—alle; bhūtānām—der
seine; harati—trägt fort; prajñām—Intelligenz; vāyuƒ— Lebewesen; tasyām—in diesem; jāgarti—wach; saˆyamī—
Wind; nāvam—ein Boot; iva—wie; ambhasi—auf dem der Selbstbeherrschte; yasyām—worin; jāgrati— wach;
Wasser. bhūtāni—alle Wesen; sā—das ist; niśā—Nacht; paśyataƒ—
für den nach innen gewandten; muneƒ—Weisen.
ÜBERSETZUNG
ÜBERSETZUNG
Gleich einem Boot auf dem Wasser, das von einem
Sturm hinweggerissen wird, kann die Intelligenz des Was Nacht ist für alle Wesen, ist die Zeit des Erwachens
Menschen schon von einem der Sinne davongetragen für den Selbstbeherrschten, und die Zeit des Erwachens
werden, auf den der Geist sich richtet. für alle Wesen ist Nacht für den nach innen gekehrten
Weisen.
ERLÄUTERUNG
ERLÄUTERUNG
Solange nicht alle Sinne im Dienst des Herrn beschäftigt
sind, kann schon ein einziger von ihnen, der nach seiner Es gibt zwei Arten von intelligenten Menschen. Der eine ist
eigenen Befriedigung trachtet, den Gottgeweihten vom intelligent, soweit es materielle Tätigkeiten für
Pfad des transzendentalen Fortschritts abbringen. Wie am Sinnenbefriedigung betrifft, und der andere ist nach innen
Leben Mahārāja Ambarīas deutlich wurde, müssen alle gewandt und sich der Notwendigkeit bewußt,
Sinne im KŠa-Bewußtsein beschäftigt sein, das ist die Selbsterkenntnis zu kultivieren. Tätigkeiten des nach innen
richtige Methode, den Geist zu beherrschen. gekehrten Weisen oder nachdenklichen Mannes sind
"Nacht" für Menschen, die nur an materielle Dinge denken.
VERS 68 Materialistische Menschen schlafen in einer solchen
"Nacht", da sie von Selbstverwirklichung nichts wissen.
tasmād yasya mahā-bāho Der nach innen gewandte Weise bleibt in der "Nacht" der
nighītāni sarvaśaƒ materialistischen Menschen wach. Der Weise empfindet
indriyāŠīndriyārthebhyas transzendentale Freude bei seinem allmählichen Fortschritt
tasya prajñā prati˜hitā spiritueller Kultur, wohingegen jemand, der
materialistischen Tätigkeiten nachgeht, von Sinnenfreuden
tasmāt—deshalb; yasya—von sich; mahā-bāho—o aller Art träumt, da er seine Selbstverwirklichung verschläft
Starkarmiger; nighītani—so bezwungen; sarvaśaƒ—alle; und sich in seinem Schlafzustand manchmal glücklich und
indriyāŠi—die Sinne; indriya-arthebhyaƒ—um der Sinnes- manchmal unglücklich fühlt. Der nach innen gekehrte
objekte willen; tasya—seine; prajñā—Intelligenz; Mensch steht materialistischem Glück und Leid immer
prati˜hitā—gefestigt. gleichgültig gegenüber. Ungestört von materieller
Reaktion, geht er seinen Tätigkeiten nach, die ihn zur
ÜBERSETZUNG Selbstverwirklichung führen.

Daher, o Starkarmiger, verfügt jemand, dessen Sinne VERS 70


von ihren Objekte zurückgezogen sind, über stetige
Intelligenz. āpūryamāŠam acala-prati˜haˆ
samudram āpaƒ praviśanti yadvat
ERLÄUTERUNG tadvat kāmā yaˆ praviśanti sarve
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sa śāntim āpnoti na kāma-kāmī sa śāntim adhigacchati

āpūryamāŠam—immer gefüllt; acala-prati˜ham— vihāya—nachdem er aufgegeben hat; kāmān—alle


beständig an einem Ort; samudram—der Ozean; āpaƒ— materiellen Wünsche nach Sinnenbefriedigung; yaƒ—der
Wasser; praviśanti—münden; yadvat—wie; tadvat—so; Mensch; sarvān—alle; pumān—ein Mensch; carati— lebt;
kāmāƒ—Wünsche; yam—in jemand; praviśanti—münden; nihphaƒ—wunschlos; nirmamaƒ—ohne einen Anspruch
sarve—alle; saƒ—dieser Mensch; śāntim—Frieden; auf Eigentum; niraha‰kāraƒ—ohne falsches Ego; saƒ—
āpnoti—erreicht; na—nicht; kāma-kāmī—jemand, der alle; śāntim—vollkommenen Frieden; adhigacchati—
Wünsche erfüllen mochte. erreicht.

ÜBERSETZUNG ÜBERSETZUNG

Nur wer durch die unaufhörliche Flut von Wünschen Jemand, der alle Wünsche nach Sinnenbefriedigung
nicht gestört ist - die wie Flüsse in den Ozean münden, aufgegeben hat, der frei von Wünschen ist, allen
der ständig gefüllt wird, doch immer ruhig bleibt -, Anspruch auf Besitz aufgegeben hat und frei von
kann Frieden erlangen, und nicht derjenige, der danach falschem Ego ist - er allein kann wirklichen Frieden
trachtet, solche Wünsche zu befriedigen. erlangen.

ERLÄUTERUNG ERLÄUTERUNG

Obwohl der weite Ozean immer mit Wasser gefüllt ist, wird Wunschlos zu werden bedeutet, nicht das geringste für die
er, vor allem während der Regenzeit, mit noch viel mehr Befriedigung der eigenen Sinne zu begehren. Mit anderen
Wasser gefüllt. Aber der Ozean bleibt der gleiche - Worten: Der Wunsch, KŠa-bewußt zu werden, ist wahre
unbewegt; er wird nicht beunruhigt, noch tritt er jemals Wunschlosigkeit. Seine eigentliche Stellung als der ewige
über seine Ufer. Dieses Beispiel trifft auch auf einen Diener KŠas zu verstehen, ohne sich irrtümlich für den
Menschen zu, der im KŠa-Bewußtsein gefestigt ist. materiellen Körper zu halten und ohne fälschlich auf irgend
Solange man den materiellen Körper hat, werden die etwas in der Welt einen Besitzanspruch zu erheben, ist die
Forderungen des Körpers nach Sinnenbefriedigung vollkommene Stufe des KŠa-Bewußtseins. Wer auf dieser
bestehenbleiben, doch der Gottgeweihte ist durch solche vollkommenen Stufe verankert ist, weiß, daß KŠa der
Wünsche nicht gestört, da er in sich selbst zufrieden ist. Ein Besitzer aller Dinge ist und daß daher alles verwendet
KŠa-bewußter Mensch kennt keinen Mangel, denn der werden muß, um KŠa zufriedenzustellen. Arjuna weigerte
Herr sorgt für all seine materiellen Bedürfnisse. Daher ist er sich zu kämpfen, weil er an seine eigene Befriedigung
wie der Ozean - immer in sich selbst erfüllt. Wünsche dachte, aber als er völlig KŠa-bewußt wurde, kämpfte er,
mögen zu ihm kommen wie das Wasser der Flüsse, die in weil KŠa es von ihm verlangte. Für sich selbst hatte er
den Ozean strömen, doch er bleibt stetig in seinen kein Verlangen zu kämpfen, aber für KŠa kämpfte der
Tätigkeiten und ist durch Wünsche nach gleiche Arjuna nach besten Kräften. Der Wunsch, KŠa
Sinnenbefriedigung nicht im geringsten gestört. Das ist der zufriedenzustellen, ist tatsächlich Wunschlosigkeit; es ist
Beweis dafür, daß jemand KŠa-bewußt ist: daß er alle kein künstlicher Versuch, Wünsche zu verdrängen. Das
Neigungen zu materieller Sinnenbefriedigung verloren hat, Lebewesen kann nicht wunschlos oder sinnenlos sein; aber
obwohl die Wünsche vorhanden sind. Da er im es muß die Qualität seiner Wünsche ändern. Jemand, der
transzendentalen liebenden Dienst des Herrn zufrieden ist, keine materiellen Wünsche mehr hat, weiß zweifellos, daß
kann er stetig bleiben wie der Ozean und daher alles KŠa gehört (īśāvāsyam idaˆ sarvam), und erhebt
vollständigen Frieden genießen. Andere dagegen, die ihre daher nicht fälschlich einen Besitzanspruch auf irgend
Wünsche bis zur Grenze der Befreiung erfüllen, erlangen, etwas. Dieses transzendentale Wissen gründet auf
ganz zu schweigen von materiellem Erfolg, niemals Selbsterkenntnis, nämlich dem unzweifelhaften
Frieden. Die fruchtbringenden Arbeiter, die nach Erlösung Verständnis, daß jedes Lebewesen seiner spirituellen
Suchenden und auch die yogīs, die nach mystischen Kräften Identität nach ein ewiges Teilchen KŠas ist und daß daher
trachten, sind alle unglücklich, weil ihre Wünsche nicht die ewige Stellung des Lebewesens niemals auf der Ebene
erfüllt werden. Der Mensch im KŠa-Bewußtsein hingegen KŠas oder höher als Er ist. Dieses Verständnis vom
ist im Dienst des Herrn glücklich, und er hat keine KŠa-Bewußtsein bildet die Grundlage wahren Friedens.
Wünsche, die zu erfüllen wären. Ja, er wünscht sich nicht
einmal Befreiung aus der sogenannten materiellen VERS 72
Knechtschaft. Die Geweihten KŠas haben keine
materiellen Wünsche, und daher leben sie in eā brāhmī sthitiƒ pārtha
vollkommenem Frieden. naināˆ prāpya vimuhyati
sthitvāsyām anta-kāle’pi
VERS 71 brahma-nirvāŠam cchati

vihāya kāmān yaƒ sarvān eā—diese; brāhmī—spirituelle; sthitiƒ—Situation;


pumāˆś carati niƒsphaƒ pārtha—o Sohn Pthās; na— niemals; enām—dies;
nirmamo niraha‰kāraƒ prāpya—nachdem er erreicht hat; vimuhyati—verwirrt;
72

sthitvā—so verankert; asyām—so seiend; anta-kāle—am


Ende des Lebens; api—auch; brahma-nirvāŠam—das
spirituelle Königreich Gottes; cchati—erreicht.

ÜBERSETZUNG

Das ist der Weg des spirituellen und gottgefälligen


Lebens. Nachdem man es erreicht hat, ist man nicht
mehr verwirrt. Ist man selbst zur Stunde des Todes in
diesem Bewußtsein verankert, kann man in das
Königreich Gottes eintreten.

ERLÄUTERUNG

Man kann KŠa-Bewußtsein oder göttliches Leben


augenblicklich erlangen - innerhalb einer Sekunde - oder
nicht einmal nach Millionen von Geburten. Es hängt nur
davon ab, ob man es versteht und annimmt. Kha˜vā‰ga
Mahārāja erreichte diese Stufe des Lebens erst Minuten vor
seinem Tod, indem er sich KŠa ergab. NirvāŠa bedeutet,
das materialistische Leben zu beenden. Der buddhistischen
Philosophie gemäß gibt es nach Beendigung des
materiellen Lebens nur Leere; aber die Bhagavad-gītā lehrt
etwas anderes. Nach Beendigung des materiellen Lebens
beginnt erst das wirkliche Leben. Für den groben
Materialisten genügt es zu wissen, daß man die
materialistische Lebensweise beenden muß; doch für
Menschen, die spirituell fortgeschritten sind, gibt es nach
diesem materialistischen Leben noch ein anderes Leben.
Wenn man vor Beendigung dieses Lebens das Glück hat,
KŠa-bewußt zu werden, erreicht man sogleich die Stufe
des brahma-nirvāŠa. Es besteht kein Unterschied zwischen
dem Königreich Gottes und dem hingebungsvollen Dienst
des Herrn. Da sich beide auf der absoluten Ebene befinden,
hat man das spirituelle Königreich bereits erreicht, wenn
man im transzendentalen liebenden Dienst des Herrn tätig
ist. In der materiellen Welt gibt es Tätigkeiten der
Sinnenbefriedigung, wohingegen es in der spirituellen Welt
Tätigkeiten des KŠa-Bewußtseins gibt. KŠa-Bewußtsein
zu erreichen bedeutet, sogar noch während dieses Lebens,
unmittelbar das Brahman zu erreichen. Ein im KŠa-
Bewußtsein verankerter Mensch ist mit Sicherheit bereits in
das Königreich Gottes eingetreten.
Brahman ist genau das Gegenteil von Materie. Daher
bedeutet brāhmī sthitiƒ: "nicht auf der Ebene materieller
Tätigkeiten". Der hingebungsvolle Dienst des Herrn wird in
der Bhagavad-gītā als die befreite Stufe anerkannt. Folglich
bedeutet brāhmī sthitiƒ Befreiung aus der materiellen
Knechtschaft.
Śrīla Bhaktivinoda µhākura hat erklärt, daß dieses Zweite
Kapitel der Bhagavad-gītā die Zusammenfassung des
gesamten Textes ist. In der Bhagavad-gītā werden karma-
yoga, jñāna-yoga und bhakti-yoga behandelt. Im Zweiten
Kapitel sind karma-yoga und jñāna-yoga ausführlich
besprochen worden, und als Zusammenfassung des
gesamten Textes wurde auch bhakti-yoga kurz erwähnt.

Hiermit enden die Bhaktivedanta-Erläuterungen zum


Zweiten Kapitel der Śrīmad-Bhagavad-gītā mit dem Titel:
"Inhalt der Gītā zusammengefaßt".
73

DRITTES KAPITEL yena śreyo 'ham āpnuyām

vyāmiśreŠa—durch zweideutige; iva—wie; vākyena—


Karma-yoga Worte; buddhim—Intelligenz; mohayasi—verwirrend;
iva—wie; me-meine; tat—deshalb; ekam—nur eines;
VERS 1 vada—bitte sage; niścitya—festlegend; yena—durch was;
śreyaƒ—wirklicher Nutzen; aham—ich; āpnuyām—mag es
arjuna uvāca bekommen.
jyāyasī cet karmaŠas te
matā buddhir janārdana ÜBERSETZUNG
tat kiˆ karmaŠi ghore māˆ
niyojayasi keśava Meine Intelligenz ist durch Deine zweideutigen
Unterweisungen verwirrt. Sage mir deshalb bitte
arjunaƒ—Arjuna; uvāca—sprach; jyāyasī—sehr gehoben eindeutig, was das beste für mich ist.
sprechend; cet—obwohl; karmaŠaƒ—als fruchtbringende
Handlung; te—deine; matā—Meinung; buddhiƒ— ERLÄUTERUNG
Intelligenz; janārdana—o KŠa; tat—daher; kiˆ—warum;
karmaŠi—in Handlung; ghore—abscheulich; mām—mich; Im vorherigen Kapitel wurden als Einleitung zur
niyojayasi—beschäftigst mich; keśava—o KŠa. Bhagavad-gītā viele verschiedene Pfade erklärt, so zum
Beispiel sā‰khya-yoga, buddhi-yoga, die Beherrschung der
ÜBERSETZUNG Sinne durch Intelligenz, Handeln ohne den Wunsch nach
fruchttragenden Ergebnissen und die Stellung des Neulings.
Arjuna sprach: O Janārdana, o Keśava, warum drängst All dies wurde unsystematisch vorgetragen. Um danach zu
Du mich, an diesem schrecklichen Kriegshandwerk handeln und es zu verstehen, wäre eine geordnetere
teilzunehmen, wenn Du glaubst, daß Intelligenz besser Beschreibung der Pfade notwendig. Arjuna wollte daher
sei als fruchtbringende Arbeit? diese offenbar verwirrenden Unterweisungen klären, damit
jeder gewöhnliche Mensch sie ohne Fehlinterpretation
ERLÄUTERUNG annehmen könnte. Obwohl KŠa nicht die Absicht hatte,
Arjuna durch Wortspielereien zu verwirren, vermochte
Der Herr, die Höchste Persönlichkeit Gottes, Śrī KŠa, hat Arjuna dem Vorgang des KŠa-Bewußtseins nicht zu
im vorangegangenen Kapitel die Beschaffenheit der Seele folgen - weder durch Untätigkeit noch durch aktiven
sehr ausführlich beschrieben, um Seinen vertrauten Freund Dienst. Mit anderen Worten: Durch seine Fragen erhellt er
Arjuna aus dem Ozean des materiellen Elends zu erretten. den Pfad des KŠa-Bewußtseins für alle Schüler, die
Als Pfad der Erkenntnis wurde buddhi-yoga oder KŠa- ernsthaft bemüht sind, das Mysterium der Bhagavad-gītā
Bewußtsein empfohlen. Manchmal wird KŠa-Bewußtsein zu verstehen.
als Untätigkeit mißverstanden, und oft zieht sich jemand,
der einem solchen Irrtum unterliegt, an einen einsamen Ort VERS 3
zurück, um dort durch das Chanten von Śrī KŠas
Heiligem Namen völlig KŠa-bewußt zu werden. Doch śrī bhagavān uvāca
ohne in der Philosophie des KŠa-Bewußtseins geschult zu loke 'smin dvi-vidhā ni˜hā
sein, ist es nicht ratsam, den Heiligen Namen KŠas an purā proktā mayānagha
einem abgelegenen Ort zu chanten, wo man nichts weiter jñāna-yogena sā‰khyānāˆ
als die billige Bewunderung der unschuldigen karma-yogena yoginām
Öffentlichkeit gewinnen mag. Auch Arjuna hielt KŠa-
Bewußtsein oder buddhi-yoga, das heißt Intelligenz, um im śrī bhagavān uvāca—die Höchste Persönlichkeit Gottes
spirituellen Wissen fortzuschreiten, für so etwas wie sprach; loke—in der Welt; asmin—dieser; dvi-vidhā—zwei
Sichzurückziehen vom aktiven Leben und die Auferlegung Arten von; ni˜hā—Glauben; purā—früher; proktā—
von Buße und Enthaltung an einem abgelegenen Ort. Mit wurden gesagt; mayā—von Mir; anagha—o Sündloser;
anderen Worten: Er wollte geschickt den Kampf jñāna-yogena—durch den Verbindungsvorgang des
vermeiden, indem er KŠa-Bewußtsein als Entschuldigung Wissens; sā‰khyānām—der empirischen Philosophen;
benutzte; doch als ernsthafter Schüler brachte er die karma-yogena—durch den Verbindungsvorgang der
Angelegenheit vor seinen Meister und fragte KŠa, wie er Hingabe; yoginām—der Gottgeweihten.
am besten handeln solle. Als Antwort erklärte Śrī KŠa in
diesem Dritten Kapitel ausführlich karma-yoga oder Arbeit ÜBERSETZUNG
im KŠa-Bewußtsein.
Der Höchste Herr sprach: O sündloser Arjuna, Ich habe
VERS 2 bereits erklärt, daß es zwei Gruppen von Menschen
gibt, die den Herrn, das Höchste Selbst, erkennen.
vyāmiśreŠeva vākyena Einige neigen dazu, Ihn durch empirische,
buddhiˆ mohayasīva me philosophische Spekulation zu verstehen, und andere
tad ekaˆ vada niścitya
74

sind geneigt, Ihn durch hingebungsvolle Arbeit zu noch kann man durch Entsagung allein
erkennen. Vollkommenheit erreichen.

ERLÄUTERUNG ERLÄUTERUNG

Im Zweiten Kapitel, Vers 39, erklärte der Herr zwei Den Lebensstand der Entsagung kann man annehmen,
Vorgänge: sā‰khya-yoga und karma-yoga oder buddhi- wenn man durch die Erfüllung der vorgeschriebenen
yoga. Im vorliegenden Vers erklärt der Herr das gleiche Pflichten, die nur festgelegt sind, um die Herzen
etwas deutlicher. Mit sā‰khya-yoga oder dem analytischen materialistischer Menschen zu reinigen, geläutert worden
Studium der spirituellen und materiellen Natur befassen ist. Ohne geläutert zu sein, kann man keinen Erfolg haben,
sich solche Menschen, die geneigt sind, zu spekulieren und indem man unvermittelt die vierte Stufe des Lebens
Dinge durch experimentelles Wissen und Philosophie zu (sannyāsa) annimmt. Nach Meinung der empirischen
verstehen. Die anderen arbeiten im KŠa-Bewußtsein, wie Philosophen wird man dadurch, daß man einfach sannyāsa
in Vers 61 des Zweiten Kapitels erklärt wird. In Vers 39 hat annimmt oder sich von fruchtbringenden Tätigkeiten
der Herr erklärt, daß man von den Fesseln des Handelns zurückzieht, sogleich so gut wie NārāyaŠa. Śrī KŠa
befreit werden kann, wenn man nach den Grundsätzen des jedoch billigt diese Auffassung nicht. Ohne eine Läuterung
buddhi-yoga oder KŠa-Bewußtseins arbeitet; außerdem des Herzens ist sannyāsa nur eine Störung für die soziale
ist dieser Vorgang fehlerlos. Das gleiche Prinzip wird in Ordnung. Wenn sich aber jemand dem transzendentalen
Vers 61 noch deutlicher erklärt, daß nämlich dieser buddhi- Dienst des Herrn widmet, auch ohne seine
yoga bedeutet, vollständig vom Höchsten (oder genauer vorgeschriebenen Pflichten zu erfüllen, nimmt der Herr
von KŠa) abhängig zu sein, und daß auf diese Weise alle entgegen, was immer derjenige imstande sein mag zu tun
Sinne sehr leicht unter Kontrolle gebracht werden können. (buddhi-yoga). Svalpam apy asya dharmasya trāyate
Deshalb sind beide yogas, genau wie Religion und mahato bhayāt. "Auch wenn man diesem Prinzip nur in
Philosophie, voneinander abhängig. Religion ohne geringem Maße nachkommt, wird man befähigt, große
Philosophie ist sentimental oder zuweilen sogar Schwierigkeiten zu überwinden." (Bg. 2.40)
Fanatismus, wohingegen Philosophie ohne Religion nichts
weiter als gedankliche Spekulation ist. Das endgültige Ziel VERS 5
ist KŠa, denn auch die Philosophen, die ernsthaft nach der
Absoluten Wahrheit suchen, kommen letztlich zum KŠa- na hi kaścit kaŠam api
Bewußtsein. Dies wird ebenfalls in der Bhagavad-gītā jātu ti˜haty akarmakt
bestätigt. Der ganze Vorgang besteht darin, die wirkliche kāryate hy avaśaƒ karma
Stellung des Selbst in Beziehung zum Überselbst zu sarvaƒ prakti-jair guŠaiƒ
verstehen. Der indirekte Vorgang ist philosophische
Spekulation, wodurch man allmählich zur Stufe des KŠa- na—noch; hi—gewiß; kaścit—irgend jemand; kaŠam—
Bewußtseins kommen mag, und der andere Vorgang selbst einen Augenblick; api—auch; jātu—selbst; ti˜hati—
besteht darin, durch KŠa-Bewußtsein zu allem eine steht; akarma-kt—ohne etwas zu tun; kāryate-gezwungen
direkte Beziehung herzustellen. Von diesen beiden ist der zu arbeiten; hi—gewiß; avaśaƒ—hilflos; karma—Arbeit;
Pfad des KŠa-Bewußtseins der bessere, da er nicht davon sarvaƒ—alles; prakti-jaiƒ—aus den Erscheinungsweisen
abhängt, die Sinne durch einen philosophischen Vorgang der materiellen Natur; guŠaiƒ—durch die Eigenschaften.
zu läutern. KŠa-Bewußtsein selbst ist der
Läuterungsvorgang, und durch die direkte Methode des ÜBERSETZUNG
hingebungsvollen Dienens ist es einfach und erhaben
zugleich. Alle Menschen sind gezwungen, hilflos nach den
Drängen zu handeln, die von den Erscheinungsweisen
VERS 4 der materiellen Natur hervorgerufen werden; deshalb
kann niemand auch nur für einen Augenblick aufhören,
na karmaŠām anārambhān etwas zu tun.
naikarmyaˆ puruo 'śnute
na ca sannyasanād eva ERLÄUTERUNG
siddhiˆ samadhigacchati
Das Lebewesen ist nicht nur im verkörperten Leben aktiv;
na-ohne; karmaŠām—der vorgeschriebenen Pflichten; vielmehr ist es das Wesen der Seele, immer aktiv zu sein.
anārambhāt—Nichtausführung; naikarmyam—Freiheit Ohne die Gegenwart der spirituellen Seele kann sich der
von Reaktionen; puruaƒ—Mensch; aśnute—erreicht; na— materielle Körper nicht bewegen. Der Körper ist nur ein
noch; ca—auch; sannyasanāt—durch Entsagung; eva— totes Fahrzeug, das von der spirituellen Seele bewegt
einfach; siddhim—Erfolg; samadhigacchati—erlangt. werden muß, die immer aktiv ist und nicht einmal für einen
Augenblick innehalten kann. Infolgedessen muß die Seele
ÜBERSETZUNG mit den positiven Tätigkeiten des KŠa-Bewußtseins
beschäftigt werden; andernfalls wird sie in Tätigkeiten
Nicht dadurch, daß man sich einfach von Arbeit beschäftigt, die ihr die illusionierende Energie diktiert. In
fernhält, kann man Freiheit von Reaktionen erlangen; Berührung mit der materiellen Energie nimmt die
75

spirituelle Seele materielle Erscheinungsweisen an, und um Wirklichkeit nach Objekten der Sinnenbefriedigung
die Seele von diesen Verbindungen zu reinigen, ist es Ausschau hält, muß als der größte Betrüger bezeichnet
notwendig, die in den śāstras niedergelegten werden, auch wenn er manchmal über Philosophie spricht.
vorgeschriebenen Pflichten zu erfüllen. Wenn die Seele Sein Wissen hat keinen Wert, weil dem Wissen eines solch
sich in ihrer natürlichen Funktion des KŠa-Bewußtseins sündigen Menschen von der illusionierenden Energie des
betätigt, ist alles, was sie zu tun imstande ist, gut für sie. Herrn die Wirkung genommen wird. Der Geist eines
Dies wird im Śrīmad-Bhāgavatam (1.5.17) wie folgt solchen Heuchlers ist immer unrein, und daher hat seine
bestätigt: Zurschaustellung yogischer Meditation nicht den geringsten
Wert.
tyaktvā sva-dharmaˆ caraŠāmbujaˆ harer
bhajann apakvo 'tha patet tato yadi VERS 7
yatra kva vābhadram abhūd amuya kiˆ
ko vārtha āpto 'bhajatāˆ sva-dharmataƒ yas tv indriyāŠi manasā
niyamyārabhate'rjuna
"Wenn sich jemand dem KŠa-Bewußtsein zuwendet, karmendriyaiƒ karma-yogam
entsteht niemals für ihn ein Verlust oder Nachteil - selbst asaktaƒ sa viśiyate
wenn er den vorgeschriebenen Pflichten, die in den śāstras
niedergelegt sind, nicht folgt noch seinen hingebungsvollen yaƒ—jemand, der; tu—aber; indriyāŠi—Sinne; manasā—
Dienst richtig ausführt oder sogar von seiner Stufe durch den Geist; niyamya—regulierend; ārabhate—
herabfallen mag. Doch was nutzt es ihm, wenn er zwar alle beginnt; arjuna—o Arjuna; karma-indriyaiƒ—durch die
in den śāstras angegebenen Vorschriften zur Läuterung aktiven Sinnesorgane; karma-yogam—Hingabe; asaktaƒ—
befolgt, aber nicht KŠa-bewußt ist?" ohne Anhaftung; saƒ—er; viśiyate-bei weitem der Bessere.
Der Läuterungsvorgang ist also notwendig, um die Stufe
des KŠa-Bewußtseins zu erreichen. Daher ist sannyāsa ÜBERSETZUNG
oder jeder andere Läuterungsvorgang dafür bestimmt, dem
Menschen zu helfen, das endgültige Ziel zu erreichen, Dagegen ist derjenige, der die Sinne durch den Geist
nämlich KŠa-bewußt zu werden; andernfalls ist das ganze beherrscht und seine aktiven Organe, ohne anzuhaften,
Leben ein Fehlschlag. in Werken der Hingabe beschäftigt, weitaus höher
einzustufen.
VERS 6
ERLÄUTERUNG
karmendriyāŠi saˆyamya
ya āste manasā smaran Anstatt ein Pseudo-Transzendentalist zu werden und nach
indriyārthān vimūhātmā einem ausschweifenden Leben und Sinnengenuß zu
mithyācāraƒ sa ucyate trachten, ist es weitaus besser, in seinem jeweiligen
Aufgabenbereich zu bleiben und den Sinn des Lebens zu
karma-indriyāŠi—die fünf aktiven Sinnesorgane; erfüllen, der darin besteht, aus der materiellen Knechtschaft
saˆyamya—beherrschend; yaƒ—jeder, der; āste-bleibt; frei zu werden und in das Königreich Gottes einzugehen.
manasā—mit dem Geist; smaran—denkend; indriya-ar- Das vornehmlichste svārtha-gati oder Ziel des
thān—Sinnesobjekte; vimūha—törichte; ātmā—Seele; Selbstinteresses besteht darin, ViŠu zu erreichen. Die
mithyā-ācāraƒ—Heuchler; saƒ—er; ucyate-wird genannt. gesamte Einrichtung des varŠa und āśrama ist so angelegt,
daß sie uns hilft, dieses Lebensziel zu erreichen. Auch ein
ÜBERSETZUNG Haushälter kann dieses Ziel durch geregelten Dienst im
KŠa-Bewußtsein erreichen. Um selbstverwirklicht zu
Wer seine Sinne und seine aktiven Organe zurückhält, werden, sollte man ein gezügeltes Leben führen, so wie es
aber in Gedanken bei Sinnesobjekten weilt, betrügt sich in den śāstras vorgeschrieben wird, und fortfahren, seiner
gewiß selbst und ist ein Heuchler. Beschäftigung ohne Anhaftung nachzugehen, um auf diese
Weise Fortschritte zu machen. Ein aufrichtiger Mensch, der
ERLÄUTERUNG dieser Methode folgt, ist weitaus besser als ein falscher
Heuchler, der fadenscheinigen Spiritualismus zur Schau
Es gibt viele Heuchler, die es ablehnen, im KŠa- stellt, um die unschuldige Öffentlichkeit zu betrügen. Ein
Bewußtsein tätig zu sein, aber vorgeben zu meditieren, ehrlicher Straßenfeger ist weitaus besser als ein Scharlatan,
während sie tatsächlich in Gedanken in Sinnengenuß der nur meditiert, um sich seinen Lebensunterhalt zu
schwelgen. Solche Heuchler mögen auch über trockene verdienen.
Philosophie sprechen, um ihre pseudointellektuellen
Anhänger zu bluffen; doch nach der Aussage dieses Verses VERS 8
sind sie die größten Betrüger. Für Sinnengenuß kann man
jeden beliebigen Beruf in der Gesellschaft ausüben, doch niyataˆ kuru karma tvaˆ
kann man, wenn man den Regeln und Regulierungen seines karma jyāyo hy akarmaŠaƒ
bestimmten Standes folgt, seine Existenz allmählich śarīra-yātrāpi ca te
läutern. Wer jedoch vorgibt, ein yogī zu sein, während er in na prasiddhyed akarmaŠaƒ
76

gebunden; o Sohn Kuntīs, erfülle daher deine


niyatam—vorgeschriebene; kuru—tu; karma—Pflichten; vorgeschriebenen Pflichten zu Seiner Zufriedenstellung;
tvam—du; karma—Arbeit; jyāyaƒ—besser; hi—als; auf diese Weise wirst du immer unangehaftet und frei
akarmaŠaƒ—ohne Arbeit; śarīra—körperliche; yātrā— von Knechtschaft bleiben.
Erhaltung; api—selbst; ca—auch; te-deine; na—niemals;
prasiddhyet—bewirkt; akarmaŠaƒ—ohne Arbeit. ERLÄUTERUNG

ÜBERSETZUNG Man muß sogar für die bloße Erhaltung des Körpers
arbeiten. Deshalb muß ein Mensch seiner sozialen Stellung
Erfülle deine vorgeschriebene Pflicht, denn es ist besser und seinen Eigenschaften entsprechend bestimmte Pflichten
zu handeln, als untätig zu sein. Ohne Arbeit kann ein erfüllen, so daß er seinen Körper erhalten kann. Yajña
Mensch nicht einmal seinen physischen Körper bedeutet Śrī ViŠu oder Opferdarbringungen. Alle
erhalten. Opferhandlungen sind auch für die Zufriedenstellung Śrī
ViŠus bestimmt. Die Veden schreiben vor: yajño vai
ERLÄUTERUNG viŠuƒ. Mit anderen Worten: Ob man die vorgeschriebenen
yajñas ausführt oder Śrī ViŠu unmittelbar dient - es wird
Es gibt viele Pseudo-Meditierende, die vorgeben, von einer der gleiche Zweck erfüllt. KŠa-Bewußtsein bedeutet
hohen Familie abzustammen, und überaus berufstüchtige daher, yajñas durchzuführen, wie es in diesem Vers
Personen, die sich den Anschein geben, alles für den vorgeschrieben wird. Die varŠāśrama-Einrichtung hat
Fortschritt im spirituellen Leben geopfert zu haben. Śrī ebenfalls dieses Ziel, um ViŠu zufriedenzustellen.
KŠa wollte nicht, daß Arjuna zum Heuchler wurde, VarŠāśramācāra-vatā purueŠa paraƒ pumān / viŠur
sondern daß er seine vorgeschriebenen Pflichten so erfüllte, ārādhyate ... (ViŠu PurāŠa 3.8.8). Deshalb muß man für
wie sie für katriyas festgelegt sind. Arjuna war Haushälter die Zufriedenstellung ViŠus arbeiten. Jede andere Arbeit,
und General, und deshalb war es für ihn besser, dies zu die man in der materiellen Welt verrichtet, ist die Ursache
bleiben und seine religiösen Pflichten zu erfüllen, wie sie von Knechtschaft, denn sowohl gute als auch schlechte
einem Haushälter-katriya vorgeschrieben sind. Solche Werke haben ihre Reaktionen, und jede Reaktion bindet
Tätigkeiten läutern allmählich das Herz eines weltlichen den Handelnden. Daher muß man im KŠa-Bewußtsein
Menschen und befreien ihn von materieller handeln, um KŠa oder ViŠu zufriedenzustellen, und
Verunreinigung. Sogenannte Entsagung, mit dem Ziel, für während man solchen Tätigkeiten nachgeht, befindet man
den eigenen Lebensunterhalt zu sorgen, wird weder vom sich auf der Stufe der Befreiung. Das ist die große Kunst
Herrn noch von irgendeiner religiösen Schrift gebilligt. des Handelns, und am Anfang erfordert dieser Vorgang
Schließlich muß man Körper und Seele durch irgendeine sehr kundige Führung. Daher sollte man sehr besonnen
Arbeit zusammenhalten. Man sollte seine Arbeit nicht handeln und sich entweder von einem Geweihten KŠas
launenhaft, ohne von materialistischen Neigungen geläutert führen lassen oder direkt den Unterweisungen Śrī KŠas
zu sein, aufgeben. Jeder, der sich in der materiellen Welt folgen (Arjuna hatte die Gelegenheit dazu). Nichts sollte
aufhält, hat mit Sicherheit die unreine Neigung, die für Sinnenbefriedigung, sondern alles sollte für KŠas
materielle Natur zu beherrschen, das heißt, nach Befriedigung getan werden. Diese Handlungsweise wird
Sinnenbefriedigung zu streben. Diese unreinen Neigungen einen nicht nur vor den Reaktionen bewahren, die auf die
müssen geläutert werden. Ohne dies zu tun, und zwar durch eigenen Handlungen folgen, sondern wird einen auch
vorgeschriebene Pflichten, sollte man niemals versuchen, allmählich auf die Ebene des transzendentalen liebevollen
ein sogenannter Transzendentalist zu werden, seiner Arbeit Dienstes für den Herrn erheben. Nur durch
zu entsagen und auf Kosten anderer zu leben. hingebungsvolles Dienen kann man in das Königreich
Gottes zurückkehren.
VERS 9
VERS 10
yajñārthāt karmaŠo'nyatra
loko'yaˆ karma-bandhanaƒ saha-yajñāƒ prajāƒ s˜vā
tad-arthaˆ karma kaunteya purovāca prajāpatiƒ
mukta-sa‰gaƒ samācara anena prasaviyadhvam
ea vo'stv i˜a-kāma-dhuk
yajña-arthāt—nur für Yajna oder ViŠu; karmaŠaƒ—
Arbeit, die getan wird; anyatra—sonst; lokaƒ—diese Welt; saha—zusammen mit; yajñāƒ—Opfern; prajāƒ—
ayam—diese; karma-bandhanaƒ—Knechtschaft durch Generationen; srs˜vā—durch Erschaffen; purā—vor langer
Arbeit; tat—Ihn; artham—für; karma—Arbeit; kaunteya—o Zeit; uvāca—sprach; prajā-patiƒ—der Herr der Geschöpfe;
Sohn Kuntīs; mukta-sa‰gaƒ—befreit von der Gemeinschaft; anena—dadurch; prasaviyadhvam—möget ihr immer
samācara—führe es vollkommen aus. wohlhabender werden; eaƒ—gewiß; vaƒ—eure; astu—es
möge geschehen; i˜a—alles Wünschenswerte; kāma
ÜBERSETZUNG -dhuk—Versorger.

Man muß seine Arbeit ViŠu als Opfer darbringen, ÜBERSETZUNG


denn sonst wird man durch sie an die materielle Welt
77

Am Anfang der Schöpfung sandte der Herr aller


Geschöpfe Generationen von Menschen und kŠa-varŠaˆ tviākŠāˆ sā‰gopā‰gāstra-pāradam
Halbgöttern zusammen mit Opfern für ViŠu aus und yajñaiƒ sa‰kīrtana-prāyair yajanti hi su-medhasaƒ
segnete sie, indem Er sprach: Möget ihr durch diesen
yajña [Opfer] glücklich werden, denn seine "Im Zeitalter des Kali werden die Menschen, die mit
Durchführung wird euch alle wünschenswerten Dinge genügend Intelligenz ausgestattet sind, den Herrn, der von
bescheren. Seinen Gefährten begleitet wird, durch die Ausführung des
sa‰kīrtana-yajña verehren."
ERLÄUTERUNG Andere in den vedischen Schriften vorgeschriebene yajñas
sind in diesem Zeitalter des Kali nicht so leicht
Der Herr aller Geschöpfe (ViŠu) bietet den bedingten durchzuführen, doch der sa‰kīrtana-yajña ist in jeder
Seelen durch die materielle Schöpfung eine Möglichkeit, Hinsicht einfach und erhaben.
nach Hause, zu Gott, zurückzukehren. Alle Lebewesen in
der materiellen Schöpfung sind durch die materielle Natur VERS 11
bedingt, weil sie ihre Beziehung zu KŠa, der Höchsten
Persönlichkeit Gottes, vergessen haben. Die vedischen devān bhāvayatānena
Prinzipien sollen uns helfen, diese ewige Beziehung zu te devā bhāvayantu vaƒ
verstehen, wie es in der Bhagavad-gītā (15.15) heißt: parasparaˆ bhāvayantaƒ
vedaiś ca sarvair aham eva vedyaƒ. Der Herr sagt, daß es śreyaƒ param avāpsyatha
der Zweck der Veden ist, Ihn zu verstehen. In den
vedischen Hymnen heißt es: patim viśvasyātmeśvaram. devān—Halbgötter; bhāvayata—erfreut worden sein;
Daher ist der Herr der Lebewesen die Höchste anena—durch dieses Opfer; te—jene; devāƒ—die
Persönlichkeit Gottes, ViŠu. Auch im Śrīmad-Bhāgavatam Halbgötter; bhāvayantu—werden erfreuen; vaƒ—euch;
(2.4.20) beschreibt Śrīla Śukadeva Gosvāmī den Herrn als parasparam—gegenseitig; bhāvayantaƒ-einander
pati: erfreuend; śreyaƒ—Segnung; param—die höchste;
avāpsyatha—wird euch zuteil werden.
śriyaƒ-patir yajña-patiƒ prajā-patir
dhiyāˆ patir loka-patir dharā-patiƒ ÜBERSETZUNG
patir gatiś cāndhaka-vŠi-sātvatāˆ
prasīdatāˆ me bhagavān satāˆ patiƒ Wenn die Halbgötter durch Opfer zufriedengestellt
sind, werden sie auch euch erfreuen, und wenn somit ein
"Möge Śrī KŠa, der Herr, mit mir Erbarmen haben - Er ist gegenseitiger Austausch stattfindet, wird allgemeiner
der verehrenswerte Herr aller Geweihten, der Schutzherr Wohlstand für alle herrschen.
und Ruhm aller Könige, wie Andhaka und VŠi aus der
Yadu-Dynastie, der Gemahl aller Glücksgöttinnen, der ERLÄUTERUNG
Leiter aller Opfer und daher der Führer aller Lebewesen,
der Lenker aller Intelligenz, der Besitzer aller Planeten, der Die Halbgötter sind bevollmächtigte Verwalter, die sich um
spirituellen sowie der materiellen, und die höchste materielle Angelegenheiten kümmern. Die Versorgung mit
Inkarnation auf Erden (das Höchste Alles-in-Allem)." Luft, Licht, Wasser und allen anderen Segnungen für die
Śrī ViŠu ist der prajā-pati, und Er ist der Herr aller Erhaltung des Körpers und der Seele eines jeden
lebenden Geschöpfe, aller Welten, aller Schönheiten und Lebewesens ist den Halbgöttern anvertraut, die unzählige
der Beschützer eines jeden. Der Herr erschuf die materielle Helfer in verschiedenen Teilen des Körpers der Höchsten
Welt für die bedingten Seelen, damit sie lernen, wie man Persönlichkeit Gottes sind. Ihr Wohlgefallen und ihr
yajñas oder Opfer für die Zufriedenstellung ViŠus Mißfallen hängt davon ab, ob die Menschen yajñas
darbringt, so daß sie während ihres Aufenthalts in der durchführen. Einige der yajñas sind dafür gedacht,
materiellen Welt bequem und sorglos leben können. Dann bestimmte Halbgötter zufriedenzustellen; aber dennoch
können sie nach Verlassen des gegenwärtigen materiellen wird Śrī ViŠu in allen yajñas als der höchste Nutznießer
Körpers in das Königreich Gottes eingehen. Das ist der verehrt. In der Bhagavad-gītā (5.29) wird ebenfalls gesagt,
ganze Plan für die bedingte Seele. Durch die Darbringung daß KŠa Selbst der Nutznießer aller Arten von yajñas ist:
von yajñas werden die bedingten Seelen allmählich KŠa- bhoktāraˆ yajña-tapasām. Deshalb ist die letztliche
bewußt und nehmen so in jeder Hinsicht göttliche Zufriedenstellung des yajña-pati der Hauptzweck aller
Eigenschaften an. Für das jetzige Zeitalter des Kali wird yajñas. Wenn diese yajñas vollendet ausgeführt werden,
von den vedischen Schriften der sa‰kīrtana-yajña (das sind natürlicherweise auch die Halbgötter erfreut, die für
Chanten der Namen Gottes) empfohlen, und Śrī Caitanya die verschiedenen Abteilungen der Versorgung
hat diesen transzendentalen Vorgang zur Befreiung aller verantwortlich sind, und so herrscht keine Knappheit in der
Menschen in unserem Zeitalter eingeführt. Sa‰kīrtana- Versorgung mit Naturprodukten.
yajña und KŠa-Bewußtsein lassen sich gut miteinander Die Ausführung von yajñas hat viele Nebenvorteile, die
vereinbaren. Śrī KŠa in Seiner hingebungsvollen Form letztlich zur Befreiung aus der materiellen Knechtschaft
(als Śrī Caitanya) wird im Śrīmad-Bhāgavatam (11.5.29) führen. Wie es in den Veden heißt, werden durch die
mit einem besonderen Hinweis auf den sa‰kīrtana-yajña Ausführung von yajñas alle Tätigkeiten geläutert:
erwähnt. Es heißt dort:
78

āhāra-śuddhau sattva-śuddhiƒ sattva-śuddhau allmählich auf die transzendentale Ebene zu erheben. Für
dhruvā sˆtiƒ smti-lambhe sarva-granthīnāˆ vipra- gewöhnliche Menschen sind zumindest fünf yajñas
mokaƒ notwendig, die man als pañca-mahāyajña kennt.
Man sollte wissen, daß es die Beauftragten des Herrn, die
Wie in dem folgenden Vers erklärt wird, werden durch die Halbgötter, sind, die für alles sorgen, was für die
Ausführung von yajña die Speisen geheiligt, und wenn man menschliche Gesellschaft zum Leben notwendig ist.
geheiligte Nahrung zu sich nimmt, läutert man sein Niemand kann irgend etwas selbst herstellen. Nehmen wir
gesamtes Dasein; durch eine Läuterung des Daseins werden zum Beispiel die Nahrungsmittel der menschlichen
die feineren Gewebe des Erinnerungsvermögens geheiligt, Gesellschaft; dazu gehören Getreide, Früchte, Gemüse,
und wenn das Gedächtnis geweiht ist, kann man an den Milch, Zucker usw. für die Menschen in der
Pfad der Befreiung denken, und all dies zusammen führt zu Erscheinungsweise der Tugend sowie Fleisch usw. für die
KŠa-Bewußtsein, der großen Notwendigkeit für die Nichtvegetarier, und all dies kann nicht von der
heutige Gesellschaft. menschlichen Gesellschaft hergestellt werden. Oder
nehmen wir beispielsweise Wärme, Licht, Wasser und Luft,
VERS 12 die ebenfalls zum Leben notwendig sind - nichts davon
kann von der menschlichen Gesellschaft produziert werden.
i˜ān bhogān hi vo devā Ohne den Höchsten Herrn kann es kein Sonnenlicht, kein
dāsyante yajña-bhāvitāƒ Mondlicht, keinen Regen und keinen Wind geben, ohne die
tair dattān apradāyaibhyo niemand leben kann. Offensichtlich hängt unser Leben von
yo bhu‰kte stena eva saƒ der Versorgung durch den Herrn ab. Selbst für unsere
Fabriken benötigen wir so viele Rohstoffe, wie Metall,
i˜ān—gewünschte; bhogān—Notwendigkeiten des Lebens; Schwefel, Quecksilber, Mangan und eine Menge anderer
hi—gewiß; vaƒ—euch; devāƒ—die Halbgötter; dāsyante— unentbehrlicher Dinge, die uns alle von den Beauftragten
gewähren; yajña-bhāvitāƒ—da durch Opferdarbringungen des Herrn zur Verfügung gestellt werden, damit wir
zufriedengestellt; taiƒ—von ihnen; dattān—gegebene richtigen Gebrauch davon machen und uns gesund erhalten,
Dinge; apradāya—ohne sie darzubringen; ebhyaƒ—den um Selbsterkenntnis zu erlangen, die zum endgültigen Ziel
Halbgöttern; yaƒ—derjenige, der; bhu‰kte—genießt; des Lebens, nämlich zur Befreiung vom materiellen Kampf
stenaƒ—Dieb; eva—gewiß; saƒ—ist er. ums Dasein, führt. Dieses Ziel des Lebens wird erreicht,
wenn man yajñas ausführt. Wenn wir den Sinn des
ÜBERSETZUNG menschlichen Lebens vergessen und uns von den
Beauftragten des Herrn nur für die Befriedigung unserer
Die Halbgötter, die für die verschiedenen Sinne versorgen lassen und immer mehr in die materielle
Notwendigkeiten des Lebens verantwortlich sind, Existenz verstrickt werden, was nicht der Zweck der
versorgen den Menschen mit allem, was er braucht, Schöpfung ist, werden wir ohne Zweifel zu Dieben und
wenn sie durch yajña [Opfer] zufriedengestellt sind. werden daher von den Gesetzen der materiellen Natur
Wer jedoch diese Gaben genießt, ohne sie zuvor den bestraft. Eine Gesellschaft von Dieben kann niemals
Halbgöttern als Opfer darzubringen, ist gewiß ein Dieb. glücklich sein, denn sie hat kein Ziel im Leben. Die
grobmaterialistischen Diebe haben kein endgültiges Ziel im
ERLÄUTERUNG Leben. Ihr Interesse gilt einzig und allein der Befriedigung
ihrer Sinne; auch wissen sie nicht, wie man yajñas
Die Halbgötter sind eingesetzte Bevollmächtigte, die im darbringt. Śrī Caitanya jedoch führte den einfachsten yajña
Auftrag ViŠus, der Höchsten Persönlichkeit Gottes, für die ein, den sa‰kīrtana-yajña, der von jedem, der die
Versorgung zuständig sind. Deshalb müssen sie durch Prinzipien des KŠa-Bewußtseins annimmt, ausgeführt
Darbringung vorgeschriebener yajñas zufriedengestellt werden kann.
werden. In den Veden werden verschiedenartige yajñas für
verschiedenartige Halbgötter vorgeschrieben, doch werden VERS 13
alle Opfer letztlich der Höchsten Persönlichkeit Gottes
dargebracht. Jemandem, der nicht verstehen kann, was die yajña-śi˜āśinaƒ santo
Persönlichkeit Gottes ist, werden Opfer zu den Halbgöttern mucyante sarva-kilbiaiƒ
empfohlen. Je nach ihren verschiedenen materiellen bhuñjate te tv agham pāpā
Eigenschaften werden den Menschen in den Veden ye pacanty ātma-kāraŠāt
verschiedene Arten von yajñas empfohlen. Die Verehrung
verschiedener Halbgötter findet ebenfalls auf dieser yajña-śi˜a—Nahrung, die nach der Darbringung eines
Grundlage statt - nämlich gemäß den verschiedenen yajña gegessen wird; aśinaƒ—Esser; santaƒ-die
Eigenschaften. Zum Beispiel wird den Fleischessern Gottgeweihten; mucyante-werden befreit von; sarva—allen
empfohlen, die Göttin Kali, die grausige Form der Arten von; kilbiaiƒ—Sünden; bhuñjate-genießen; te—sie;
materiellen Natur, zu verehren und ihr Tieropfer tu—aber; agham— schwere Sünden; pāpāƒ—Sünder; ye-
darzubringen. Denen aber, die sich in der diejenigen; pacanti—bereiten Essen zu; ātmākāraŠāt—für
Erscheinungsweise der Tugend befinden, wird die Sinnengenuß.
transzendentale Verehrung ViŠus empfohlen. Letztlich
jedoch sind alle yajñas dafür bestimmt, den Menschen ÜBERSETZUNG
79

Śrīla Baladeva VidyābhūaŠa ein großer Kommentator der


Die Geweihten des Herrn werden von allen Arten von Bhagavad-gītā, schreibt: ye indrādy-a‰ga-tayāvasthitaˆ
Sünden befreit, da sie Nahrung essen, die zunächst als yajñaˆ sarveśvaraˆ viŠum abhyarccya taccheam aśnanti
Opfer dargebracht wurde. Andere, die Nahrung für tena taddeha-yāntrāˆ sampādayanti, te santaƒ
ihren eigenen Sinnengenuß zubereiten, essen wahrlich sarveśvarasya bhaktāƒ sarva-kilviair anādi-kāla-
nur Sünde. vivddhair ātmānubhava-pratibandhakair nikhilaiƒ pāpair
vimucyante.
ERLÄUTERUNG Der Höchste Herr, der als yajña-puruaƒ oder der
persönliche Nutznießer aller Opfer bekannt ist, ist das
Die Geweihten des Höchsten Herrn, das heißt diejenigen, Oberhaupt aller Halbgötter, die Ihm dienen wie die
die im KŠa-Bewußtsein leben, werden santas genannt, verschiedenen Teile des Körpers dem Ganzen. Halbgötter
und wie in der Brahma-saˆhitā (5.38) beschrieben wird, wie Indra, Candra und Varuna sind vom Höchsten Herrn
sind sie immer in Liebe mit dem Herrn verbunden: ernannte Verwalter, die materielle Angelegenheiten regeln,
premāñjana-cchurita-bhakti-vilocanena santaƒ sadaiva und die Veden ordnen Opfer an, um diese Halbgötter
hdayeu vilokayanti. Die santas, die mit der Höchsten zufriedenzustellen, damit es ihnen gefallen möge, für
Persönlichkeit Gottes, Govinda (dem Quell aller Freuden) genügend Luft, Licht und Wasser zu sorgen, so daß
oder Mukunda (demjenigen, der Befreiung gewährt) oder Getreide wachsen kann. Wenn man Śrī KŠa verehrt,
KŠa (der allanziehenden Person), immer in Liebe werden die Halbgötter, die verschiedene Glieder des Herrn
verbunden sind, können nichts annehmen, ohne es zuvor sind, von selbst ebenfalls verehrt, und so ist es nicht
der Höchsten Person zu opfern. Daher führen solche notwendig, die Halbgötter gesondert vom Herrn zu
Gottgeweihten ständig yajñas in den verschiedenen verehren. Aus diesem Grunde opfern die Geweihten des
Erscheinungsformen des hingebungsvollen Dienstes aus Herrn, die im KŠa-Bewußtsein leben, ihre Nahrung
wie śravaŠam, kīrtanam, smaraŠam oder arcanam, und zunächst KŠa und essen dann - ein Vorgang, der den
diese Darbringungen von yajñas halten sie stets fern von Körper spirituell ernährt. Auf diese Weise werden nicht nur
allen Arten der Verunreinigung durch sündhaften Umgang alle vergangenen sündhaften Reaktionen im Körper
in der materiellen Welt. Andere, die Nahrung für sich selbst vernichtet, sondern der Körper wird auch vor allen
oder für die Befriedigung ihrer Sinne zubereiten, sind nicht Verunreinigungen der materiellen Natur geschützt. Wenn
nur Diebe, sondern essen auch alle Arten von Sünde. Wie eine ansteckende Krankheit um sich greift, kann man durch
kann ein Mensch glücklich sein, wenn er sowohl ein Dieb einen antiseptischen Impfstoff vor dem Angriff einer
als auch ein Sünder ist? Das ist nicht möglich. Damit daher solchen Epidemie geschützt werden. In ähnlicher Weise
die Menschen in jeder Hinsicht glücklich werden können, macht uns Nahrung, die zuerst ViŠu geopfert und dann
müssen sie darin unterwiesen werden, wie der einfache von uns gegessen wird, gegen alle materiellen
sa‰kīrtana-yajña in vollem KŠa-Bewußtsein ausgeführt Einwirkungen ausreichend immun, und jemand, der sich
werden kann. Sonst kann es keinen Frieden und kein Glück diese Handlungsweise zur Gewohnheit gemacht hat, wird
auf der Welt geben. als ein Geweihter des Herrn bezeichnet. Deshalb kann ein
Mensch im KŠa-Bewußtsein, der nur Nahrung ißt, die
VERS 14 KŠa geopfert wurde, allen Reaktionen auf vergangene
materielle Infektionen entgegenwirken, die den Fortschritt
annād bhavanti bhūtāni auf dem Pfad der Selbsterkenntnis behindern. Ein Mensch
parjanyād anna-sambhavaƒ hingegen, der dies nicht tut, vergrößert weiter die Anzahl
yajñād bhavati parjanyo seiner sündigen Handlungen, und das bereitet den nächsten
yajñaƒ karma-samudbhavaƒ Körper darauf vor, Hunden und Schweinen zu gleichen, um
die resultierenden Reaktionen auf alle Sünden zu erleiden.
annāt—durch Getreide; bhavanti—wachsen; bhūtāni—die Die materielle Welt ist voller Verunreinigungen, und
materiellen Körper; parjanyāt—durch Regen; anna— jemand, der immun geworden ist, da er nur das prasāda des
Getreide; sambhavaƒ—werden ermöglicht; yajñāt— durch Herrn (zu ViŠu geopferte Speise) ißt, wird vor diesen
die Darbringung von Opfer; bhavati—wird ermöglicht; Angriffen bewahrt, wohingegen ein anderer, der kein
parjanyaƒ—Regen; yajñaƒ—Darbringung von yajña; prasāda zu sich nimmt, der Verunreinigung ausgesetzt ist.
karma—vorgeschriebene Pflichten; samudbhavaƒ— Getreide und Gemüse sind wahrhaft Nahrungsmittel. Der
geboren aus. Mensch ißt verschiedene Arten von Getreide, Gemüse,
Früchten usw., und die Tiere fressen die Abfallprodukte des
ÜBERSETZUNG Getreides sowie Gemüse, Gras, Pflanzen usw. Menschen,
die es gewohnt sind, Fleisch zu essen, sind letztlich
Alle lebenden Körper erhalten sich durch Getreide, das ebenfalls von der Erzeugung von Pflanzen abhängig, um
nur wachsen kann, wenn Regen fällt. Regen entsteht Tiere essen zu können. Daher sind wir letzten Endes auf
durch die Darbringung von yajña [Opfer], und yajña das angewiesen, was auf den Feldern wächst, und nicht auf
wird aus vorgeschriebenen Pflichten geboren. das, was in großen Fabriken produziert wird. Die Ernte auf
den Feldern wiederum richtet sich danach, ob ausreichend
ERLÄUTERUNG Regen vom Himmel fällt, und dieser Regen wird von
Halbgöttern wie Indra, der Sonne und dem Mond
beherrscht, die alle Diener des Herrn sind. Der Herr kann
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durch Opfer zufriedengestellt werden; deshalb wird den Schoß der materiellen Natur gezeugt hatte, gab Er
jemand, der Ihm nichts darbringt, Mangel leiden - so lautet Seine Weisungen in Form der vedischen Weisheit, um zu
das Gesetz der Natur. Yajñas, besonders der für dieses zeigen, wie diese bedingten Seelen nach Hause, zu Gott,
Zeitalter empfohlene sa‰kīrtana-yajña, müssen daher zurückkehren können. Wir sollten uns immer daran
ausgeführt werden, um uns zumindest vor erinnern, daß die bedingten Seelen in der materiellen Natur
Nahrungsknappheit zu bewahren. alle nach materiellem Genuß gieren. Aber die vedischen
Weisungen sind so beschaffen, daß man seine pervertierten
VERS 15 Wünsche befriedigen kann, um dann, nachdem man seinen
sogenannten Genuß beendet hat, zu Gott zurückzukehren.
karma brahmodbhavaˆ viddhi Das vedische Wissen bietet den bedingten Seelen eine
brahmākara-samudbhavam Möglichkeit zur Befreiung; deshalb müssen sie versuchen,
tasmāt sarva-gataˆ brahma dem Vorgang des yajña zu folgen, indem sie KŠa-bewußt
nityaˆ yajñe prati˜hitam werden. Selbst jene, die den vedischen Anweisungen nicht
folgen können, mögen die Prinzipien des KŠa-
karma—Arbeit; brahma—Veden; udbhavam—erzeugt aus; Bewußtseins annehmen, und das wird die Durchführung
viddhi—man sollte kennen; brahma—die Veden; akara— vedischer yajñas oder karmas ersetzen.
das Höchste Brahman (die Persönlichkeit Gottes);
samudbhavam—direkt manifestiert; tasmāt—daher; VERS 16
sarva-gatam—alldurchdringende; brahma—Transzendenz;
nityam-ewig; yajñe—in Opfer; prati˜hitam—befindet sich. evaˆ pravartitaˆ cakraˆ
nānuvartayatīha yaƒ
ÜBERSETZUNG aghāyur indriyārāmo
moghaˆ pārtha sa jīvati
Geregelte Tätigkeiten werden in den Veden
vorgeschrieben, und die Veden sind unmittelbar von der evam—so vorgeschrieben; pravartitam—von den Veden
Höchsten Persönlichkeit Gottes manifestiert. Folglich ist festgelegt; cakram—Zyklus; na—nicht; anuvartayati—
die alldurchdringende Transzendenz für ewig in nimmt an; iha—in diesem Leben; yaƒ—jemand, der;
Opferhandlungen gegenwärtig. aghāyuƒ—ein Leben voller Sünde; indriya-ārāmaƒ—
zufrieden mit Sinnenbefriedigung; mogham—nutzlos;
ERLÄUTERUNG pārtha—o Sohn Pthās (Arjuna); saƒ—jemand, der so
handelt; jīvati—lebt.
Yajñārtha karma oder die Notwendigkeit von Arbeit für die
Zufriedenstellung KŠas allein wird in diesem Vers noch ÜBERSETZUNG
deutlicher hervorgehoben. Wenn wir also für die
Zufriedenstellung des yajña-purua oder ViŠus handeln Mein lieber Arjuna, ein Mensch, der diesem
sollen, müssen wir die Anweisung für das Handeln im vorgeschriebenen vedischen System des Opfers nicht
Brahman herausfinden, das heißt, wir müssen die folgt, führt ein Leben der Sünde, da einer, der nur in
transzendentalen Veden zu Rate ziehen. Die Veden sind den Sinnen Freude findet, vergeblich lebt.
also Gesetze, die bestimmen, wie man handeln muß. Alles,
was ohne die Anleitung der Veden getan wird, nennt man ERLÄUTERUNG
vikarma, das heißt unautorisiertes oder sündiges Handeln.
Man sollte sich daher immer von den Veden führen lassen, Die Philosophie jener Menschen, die dem Mammon frönen,
um vor der Reaktion auf sein Handeln bewahrt zu werden. nämlich sehr schwer zu arbeiten und die Befriedigung der
So wie man im gewöhnlichen Leben nach der Weisung des Sinne zu genießen, wird hier vom Herrn verurteilt. Deshalb
Staates handeln muß, so muß man unter der Leitung des ist es für diejenigen, die die materielle Welt genießen
höchsten Staates des Herrn tätig sein. Solche Weisungen in wollen, absolut notwendig, den oben erwähnten Zyklus von
den Veden sind unmittelbar durch den Atem der Höchsten yajñas durchzuführen. Wer sich an solche Vorschriften
Persönlichkeit Gottes manifestiert. Es heißt: asya mahato nicht hält, lebt ein sehr gefährliches Leben, da er mehr und
bhūtasya naśvasitam etad yad g-vedo yajur-vedaƒ sāma- mehr in die Verdammnis geht. Durch das Gesetz der Natur
vedo 'tharvā‰ girasaƒ. "Die vier Veden, nämlich ¬g Veda, ist diese menschliche Form des Lebens besonders zur
Yajur Veda, Sāma Veda und Atharva Veda, sind alles Selbstverwirklichung bestimmt, die auf drei Wegen erreicht
Emanationen aus dem Atem der erhabenen Persönlichkeit werden kann, nämlich durch karma-yoga, jñāna-yoga oder
Gottes. bhakti-yoga. Für die Transzendentalisten, die über Laster
Wie in der Brahma-saˆhitā bestätigt wird, kann der Herr, und Tugend stehen, ist es nicht notwendig, streng die
da allmächtig, sprechen, indem Er ausatmet; denn der Herr vorgeschriebenen yajñas auszufahren, doch diejenigen, die
besitzt die Allmacht, durch jeden Seiner Sinne die ihre Sinne befriedigen, müssen sich durch den oben
Tätigkeiten aller anderen Sinne auszuführen. Mit anderen erwähnten Zyklus von yajña-Darbringungen läutern. Es
Worten: Der Herr kann durch Seinen Atem sprechen, und gibt verschiedene Arten von Tätigkeiten. Menschen, die
Er kann mit Seinen Augen befruchten. In der Tat heißt es, nicht KŠa-bewußt sind, haben mit Sicherheit ein
daß Er über die materielle Natur blickte und so alle sinnliches Bewußtsein, und daher ist die Ausführung
Lebewesen zeugte. Nachdem Er die bedingten Seelen in frommer Werke für sie notwendig. Das yajña-System ist in
81

solcher Weise geplant, daß Menschen mit einem sinnlichen na cāsya sarva-bhūteu
Bewußtsein ihre Begierden befriedigen können, ohne in die kaścid artha-vyapāśrayaƒ
Reaktionen auf sinnenbefriedigende Handlungen verstrickt
zu werden. Der Wohlstand der Welt hängt nicht von na—niemals; eva—gewiß; tasya—seine; ktena—durch
unseren eigenen Anstrengungen ab, sondern von den im Pflichterfüllung; arthaƒ—Zweck; na—noch; aktena—ohne
Hintergrund stattfindenden Vorkehrungen des Höchsten Pflichterfüllung; iha—in dieser Welt; kaścana—was
Herrn, die unmittelbar von den Halbgöttern ausgeführt immer; na—niemals; ca—und; asya—von ihm;
werden. Deshalb sind die yajñas unmittelbar an den sarva-bhūteu—in allen Lebewesen; kaścit—irgendein;
jeweiligen, in den Veden erwähnten Halbgott gerichtet. artha—Zweck; vyapa-āśrayaƒ—Zuflucht nehmend bei.
Indirekt ist auch dies KŠa-Bewußtsein, denn wenn man
die Durchführung der yajñas beherrscht, ist es sicher, daß ÜBERSETZUNG
man KŠa-bewußt wird. Wenn man aber durch die
Darbringung von yajñas nicht KŠa-bewußt wird, sind Ein selbstverwirklichter Mensch verfolgt bei der
solche Prinzipien nichts weiter als moralische Erfüllung seiner vorgeschriebenen Pflichten keine
Verhaltensregeln. Man sollte daher seinen Fortschritt nicht Absicht; weder hat er einen Grund, solche Arbeit nicht
begrenzen und bei moralischen Regeln stehenbleiben, zu verrichten, noch ist es für ihn notwendig, von
sondern diese transzendieren, um KŠa-Bewußtsein zu irgendeinem anderen Lebewesen abhängig zu sein.
erreichen.
ERLÄUTERUNG
VERS 17
Ein selbstverwirklichter Mensch ist nicht länger gehalten,
yas tv ātma-ratir eva syād irgendeine vorgeschriebene Pflicht zu erfüllen - außer
ātma-tptaś ca mānavaƒ Tätigkeiten im KŠa-Bewußtsein. KŠa-Bewußtsein
ātmany eva ca santu˜as bedeutet keineswegs Untätigkeit, wie in den folgenden
tasya kāryaˆ na vidyate Versen erklärt wird. Ein KŠa-bewußter Mensch sucht bei
niemandem Schutz - weder bei einem Menschen noch bei
yaƒ—jemand, der; tu—aber; ātma-ratiƒ—sich erfreut; einem Halbgott. Was immer er im KŠa-Bewußtsein tut,
eva—gewiß; syāt—bleibt; ātma-tptaƒ—im Selbst reicht aus, seine Verpflichtungen zu erfüllen.
erleuchtet; ca—und; mānavaƒ—ein Mensch; ātmani—in
sich selbst; eva—nur; ca—und; santu˜aƒ—völlig VERS 19
zufriedengestellt; tasya—seine; kāryam—Pflicht; na—
nicht; vidyate—existiert. tasmād asaktaƒ satataˆ
kāryaˆ karma samācara
ÜBERSETZUNG asakto hy ācaran karma
param āpnoti pūruaƒ
Wer jedoch im Selbst Freude findet, im Selbst erleuchtet
ist, allein im Selbst erfreut und nur im Selbst befriedigt tasmāt—daher; asaktaƒ—ohne Anhaftung; satatam—
ist - für ihn gibt es keine Pflicht. ständig; kāryam—als Pflicht; karma—Arbeit; samācara—
ausführen; asaktaƒ—ohne Anhaftung; hi—gewiß; ācaran—
ERLÄUTERUNG ausführend; karma—Arbeit; param—das Höchste; āpnoti—
erreicht; pūruaƒ—ein Mensch.
Ein Mensch, der völlig KŠa-bewußt und durch seine
Handlungen im KŠa-Bewußtsein vollauf zufrieden ist, hat ÜBERSETZUNG
keine Pflicht mehr zu erfüllen. Da er KŠa-bewußt ist, ist
alle Unreinheit in seinem Innern augenblicklich Daher sollte man, ohne an den Früchten der Tätigkeiten
fortgewaschen - eine Wirkung, die sonst nur durch viele zu haften, aus Pflichtgefühl handeln; denn wenn man
Tausende von yajñas erzielt werden kann. Durch eine ohne Anhaftung arbeitet, erreicht man das Höchste.
solche Klärung des Bewußtseins entwickelt man starkes
Vertrauen in seine ewige Stellung in Beziehung zum ERLÄUTERUNG
Höchsten. Durch die Gnade des Herrn wird daraufhin die
Pflicht von innen her deutlich, und daher hat man nicht Das Höchste ist die Persönlichkeit Gottes für die
länger irgendwelche Verpflichtungen den vedischen Gottgeweihten und Befreiung für den
Unterweisungen gegenüber. Ein solcher KŠa-bewußter Unpersönlichkeitsanhänger. Daher wird jemand, der unter
Mensch ist nicht mehr an materiellen Tätigkeiten der richtigen Führung und ohne am Ergebnis der Arbeit zu
interessiert und findet keine Freude mehr an materiellen haften, für KŠa bzw. im KŠa-Bewußtsein handelt, mit
Genüssen wie Wein, Frauen und ähnlichen Verlockungen. Sicherheit Fortschritte auf dem Pfad zum höchsten Ziel des
Lebens machen. Arjuna ist gesagt worden, er solle in der
VERS 18 Schlacht von Kuruketra für KŠas Interesse kämpfen,
weil KŠa wollte, daß er kämpfte. Ein guter Mensch oder
naiva tasya ktenārtho ein gewaltloser Mensch zu sein ist eine persönliche
nākteneha kaścana Anhaftung; wenn man aber im Auftrag des Höchsten
82

handelt, handelt man, ohne am Ergebnis zu haften. Das ist


vollkommenes Handeln; es befindet sich auf der höchsten VERS 21
Stufe und wird deshalb von Śrī KŠa, der Höchsten
Persönlichkeit Gottes, empfohlen. Vedische Rituale, wie yad yad ācarati śre˜has
zum Beispiel vorgeschriebene Opfer, werden vollzogen, tat tad evetaro janaƒ
um sich von gottlosen Tätigkeiten zu reinigen, die im sa yat pramāŠaˆ kurute
Bereich der Sinnenbefriedigung ausgeführt wurden. Aber lokas tad anuvartate
Handeln im KŠa-Bewußtsein ist transzendental zu den
Reaktionen auf gute oder schlechte Werke. Ein KŠa- yat—was immer; yat—und welche auch immer; ācarati—er
bewußter Mensch haftet nicht am Ergebnis, sondern handelt; śre˜haƒ—angesehener Führer; tat—das; tat—und
handelt nur für KŠa. Er verrichtet die unterschiedlichsten das allein; eva—gewiß; itaraƒ—gewöhnlicher; janaƒ—
Tätigkeiten, bleibt aber völlig unangehaftet. Mensch; saƒ—er; yat—welchen auch immer; pramāŠam—
Beweis; kurute—erbringt; lokaƒ—alle Welt; tat—diesem;
VERS 20 anuvartate—folgt den Fußspuren.

karmaŠaiva hi saˆsiddhim ÜBERSETZUNG


āsthitā janakādayaƒ
loka-sa‰graham evāpi Was immer ein bedeutender Mensch tut - gewöhnliche
sampaśyan kartum arhasi Menschen folgen seinen Fußspuren. Und welche
Maßstäbe auch immer er durch sein beispielhaftes
karmaŠā—durch Arbeit; eva—sogar; hi—gewiß; Verhalten setzt - alle Welt folgt ihm nach.
saˆsiddhim—Vollkommenheit; āsthitāƒ—befindlich;
janaka-ādayaƒ—Könige wie Janaka; loka-sa‰graham—um ERLÄUTERUNG
die Menschen zu erziehen; eva—auch; api—für;
sampaśyan—überlegend; kartum—zu handeln; arhasi— Die Masse der Menschen braucht immer einen Führer, der
verdienst es. die Öffentlichkeit durch praktisches Verhalten lehren kann.
Ein Führer kann die Öffentlichkeit nicht lehren, mit dem
ÜBERSETZUNG Rauchen aufzuhören, wenn er selbst raucht. Śrī Caitanya
sagte, ein Lehrer solle sich schon richtig verhalten, bevor er
Selbst Könige wie Janaka und andere erreichten die zu lehren beginnt. Wer auf diese Weise lehrt, wird als
Stufe der Vollkommenheit, indem sie vorgeschriebene ācārya oder beispielhafter Lehrer bezeichnet. Deshalb muß
Pflichten erfüllten. Daher solltest du, nur um die ein Lehrer den Prinzipien der śāstras (Schriften) folgen, um
Allgemeinheit zu erziehen, deine Arbeit verrichten. den gewöhnlichen Menschen zu erreichen. Er darf keine
Regeln aufstellen, die gegen die Prinzipien der offenbarten
ERLÄUTERUNG Schriften verstoßen. Die offenbarten Schriften, wie die
Manu-saˆhitā und ähnliche andere, gelten als die
Könige wie Janaka und andere waren alle maßgebenden Bücher, denen die menschliche Gesellschaft
selbstverwirklichte Seelen, und so waren sie nicht folgen sollte. Somit sollte die Lehre des Führers auf die
verpflichtet, die in den Veden vorgeschriebenen Pflichten Grundsätze der Standardregeln gestützt sein, wie sie von
zu erfüllen. Dennoch führten sie alle vorgeschriebenen den großen Lehrern praktiziert werden. Auch das Śrīmad-
Tätigkeiten aus, um der Allgemeinheit ein Beispiel zu Bhāgavatam bestätigt, daß man den Fußspuren großer
geben. Janaka war der Vater Sītās und der Schwiegervater Gottgeweihter folgen sollte, und das ist der Weg,
Śrī Rāmas. Als großer Geweihter des Höchsten Herrn war Fortschritte auf dem Pfad der spirituellen Erkenntnis zu
er in der Transzendenz verankert, doch weil er zur gleichen machen. Der König oder das Oberhaupt eines Staates, der
Zeit König von Mithilā war (einem Bezirk der Provinz Vater und der Schullehrer werden alle als natürliche Führer
Behar in Indien), mußte er seine Untertanen lehren, wie der unschuldigen Menschen im allgemeinen angesehen. All
man in einer Schlacht ehrenhaft kämpft. Er und seine diese natürlichen Führer tragen eine große Verantwortung
Untertanen kämpften, um die Menschen im allgemeinen zu für ihre Abhängigen; daher müssen sie mit den
lehren, daß in einer Situation, wo gute Argumente nichts maßgebenden Büchern der moralischen und spirituellen
nutzen, Gewalt ebenfalls notwendig ist. Vor der Schlacht Gesetze vertraut sein.
von Kuruketra war, selbst von der Höchsten Persönlichkeit
Gottes, jede Anstrengung unternommen worden, die VERS 22
Schlacht zu vermeiden, doch die Gegenseite war
entschlossen zu kämpfen. In solch einem Fall ist es also na me pārthāsti kartavyaˆ
notwendig, für die gerechte Sache zu kämpfen. Obwohl triu lokeu kiñcana
jemand, der sich im KŠa-Bewußtsein befindet, kein nānavāptam avāptavyaˆ
Interesse an der materiellen Welt hat, arbeitet er dennoch, varta eva ca karmaŠi
um die Öffentlichkeit zu lehren, wie man leben und
handeln soll. Erfahrene Menschen im KŠa-Bewußtsein na—keine; me—Meine; pārtha—o Sohn Pthās; asti—es
können in einer Weise handeln, daß andere ihnen folgen gibt; kartavyam—irgendeine vorgeschriebene Pflicht;
werden, und dies wird im folgenden Vers erklärt. triu—in den drei; lokeu—Planetensystemen; kiñcana—
83

irgend etwas; na—keine; anavāptam—benötigen; jātu karmaŠy atandritaƒ


avāptavyam—zu erlangen; varte—beschäftigt; eva—gewiß; mama vartmānuvartante
ca—auch; karmaŠi—in seiner vorgeschriebenen Pflicht. manuyāƒ pārtha sarvaśaƒ

ÜBERSETZUNG yadi—wenn; hi—gewiß; aham—Ich; na—nicht;


varteyam—in dieser Weise Mich beschäftige; jātu—jemals;
O Sohn Pthās, in allen drei Planetensystemen gibt es karmaŠi—in der Erfüllung vorgeschriebener Pflichten;
keine Arbeit, die Mir vorgeschrieben ist. Weder mangelt atandritaƒ—mit großer Sorgfalt; mama—Meinem;
es Mir an etwas, noch muß Ich irgend etwas erreichen - vartma—Pfad; anuvartante—würde folgen; manuyāƒ—
und dennoch bin ich mit Arbeit beschäftigt. alle Menschen; pārtha—o Sohn Pthās; sarvaśaƒ—in jeder
Hinsicht.
ERLÄUTERUNG
ÜBERSETZUNG
Die Höchste Persönlichkeit Gottes wird in den Veden wie
folgt beschrieben: Denn würde Ich keine Arbeit verrichten, o Pārtha,
folgten gewiß alle Menschen Meinem Pfad.
tam iśvarāŠāˆ paramaˆ maheśvaraˆ
taˆ devatānāˆ paramaˆ ca daivatam ERLÄUTERUNG
patiˆ patīnāˆ paramaˆ parastād
vidāma devaˆ bhuvaneśam īyam Um den sozialen Frieden für den Fortschritt im spirituellen
Leben aufrechtzuerhalten, gibt es traditionelle
na tasya kāryaˆ karaŠaˆ ca vidyate Familiengebräuche, die für jeden zivilisierten Menschen
na tat-samaś cābhyadhikaś ca dśyate bestimmt sind. Obwohl solche Regeln und Vorschriften nur
parāsya śaktir vividhaiva śrūyate für die bedingten Seelen, und nicht für Śrī KŠa, gelten,
svā-bhāvikī jñāna-bala-kriyā ca folgte Er dennoch diesen vorgeschriebenen Regeln, da Er
erschien, um die Prinzipien der Religion festzulegen.
"Der Höchste Herr ist der Herrscher aller anderen Andernfalls würden gewöhnliche Menschen Seinen
Herrscher, und Er ist der größte von all den verschiedenen Fußspuren folgen, da Er die größte Autorität ist. Aus dem
planetarischen Führern. Jeder untersteht Seiner Herrschaft. Śrīmad-Bhāgavatam erfahren wir, daß Śrī KŠa sowohl zu
Alle Lebewesen werden allein vom Höchsten Herrn mit Hause als auch außerhalb Seines Hauses alle religiösen
bestimmter Macht ausgestattet; sie sind nicht selbst die Pflichten erfüllte, die einem Haushälter vorgeschrieben
Höchsten. Er ist auch für alle Halbgötter verehrenswert und sind.
ist der höchste Lenker unter allen Lenkern. Deshalb steht
Er in transzendentaler Stellung zu allen Arten von VERS 24
materiellen Führern und Herrschern und ist für alle
verehrenswert. Es gibt niemanden, der größer ist als Er, und utsīdeyur ime lokā
Er ist die höchste Ursache aller Ursachen. Er besitzt keine na kuryāˆ karma ced aham
körperliche Form wie die eines gewöhnlichen Lebewesens. sa‰karasya ca kartā syām
Es besteht kein Unterschied zwischen Seinem Körper und upahanyām imāƒ prajāƒ
Seiner Seele. Er ist absolut. All Seine Sinne sind
transzendental. Jeder Seiner Sinne kann die Funktion jedes utsīdeyuƒ—würde zugrunde richten; ime—alle diese;
anderen Sinnes erfüllen. Daher ist niemand größer als Er lokāƒ—Welten; na—nicht; kuryām-erfülle; karma—
oder kommt Ihm gleich. Seine Kräfte sind mannigfaltig, vorgeschriebene Pflichten; cet—wenn; aham—Ich;
und so werden all Seine Taten in einem natürlichen Ablauf sa‰karasya—unerwünschte Bevölkerung; ca—und; kartā—
von selbst ausgeführt." (Śvetāśvatara Upaniad 6.7-8) Schöpfer; syām—werde sein; upahanyām—zerstören;
Da alles in vollem Reichtum in der Persönlichkeit Gottes imāƒ—all diese; prajāƒ—Lebewesen.
vorhanden ist und in voller Wahrheit existiert, gibt es für
die Höchste Persönlichkeit Gottes keine Pflicht zu erfüllen. ÜBERSETZUNG
Jemand, der die Ergebnisse der Arbeit empfangen muß, hat
eine bestimmte Pflicht, aber jemand, für den es innerhalb Würde Ich aufhören zu arbeiten, gingen alle Welten
der drei Planetensysteme nichts zu erreichen gibt, hat gewiß zugrunde. Auch wäre Ich die Ursache für die
keine Pflicht. Und trotzdem tritt Śrī KŠa auf dem Entstehung unerwünschter Bevölkerung und würde
Schlachtfeld von Kuruketra als Führer der katriyas auf, dadurch den Frieden aller fühlenden Wesen zerstören.
da die katriyas verpflichtet sind, die Leidenden zu
beschützen. Obwohl Er über allen Regulierungen der ERLÄUTERUNG
offenbarten Schriften steht, tut Er nichts, was die
offenbarten Schriften verletzt. VarŠa-sa‰kara ist unerwünschte Bevölkerung, die den
Frieden der allgemeinen Gesellschaft stört. Um diese
VERS 23 soziale Störung zu vermeiden, gibt es vorgeschriebene
Regeln und Regulierungen, durch die die Gesellschaft von
yadi hy ahaˆ na varteyaˆ selbst friedlich und geordnet werden kann, so daß
84

spiritueller Fortschritt im Leben möglich ist. Wenn Śrī


KŠa erscheint, richtet Er Sich natürlich nach solchen saktāƒ-angehaftet sein; karmaŠi-vorgeschriebenen
Regeln und Regulierungen, um das Ansehen und die Pflichten; avidvāˆsaƒ-die Unwissenden; yathā-soviel wie;
Notwendigkeit dieser wichtigen Vorschriften zu erhalten. kurvanti-tun es; bhārata-o Nachkomme Bhāratas; kuryāt-
Der Herr ist der Vater aller Lebewesen, und wenn die müssen tun; vidvān-die Gelehrten; tathā-so; asaktaƒ-ohne
Lebewesen irregeführt werden, fällt die Verantwortung Anhaftung; cikīruƒ-wünschend zu; loka-sa‰graham-die
indirekt auf den Herrn. Wann immer daher regulierende Masse der Menschen zu führen.
Prinzipien allgemein mißachtet werden, erscheint der Herr
Selbst und berichtigt die Gesellschaft. Wir sollten jedoch ÜBERSETZUNG
sorgsam zur Kenntnis nehmen, daß wir, obwohl wir den
Fußspuren des Herrn folgen müssen, uns dennoch stets Im Gegensatz zu den Unwissenden, die ihre Pflichten
daran zu erinnern haben, daß wir Ihn nicht nachahmen mit Anhaftung an Ergebnisse erfüllen, sollten die
können. Folgen und Imitieren befinden sich nicht auf der Gelehrten ohne jede Anhaftung handeln, um somit die
gleichen Ebene. Wir können den Herrn nicht nachahmen, Menschen auf den rechten Pfad zu führen.
indem wir den Govardhana-Hügel hochheben, wie es der
Herr in Seiner Kindheit tat. Das ist für jeden Menschen ERLÄUTERUNG
unmöglich. Wir müssen Seinen Anweisungen folgen, doch
dürfen wir Ihn niemals imitieren. Das Śrīmad-Bhāgavatam Ein KŠa-bewußter Mensch und jemand, der nicht KŠa-
(10.33.30) bestätigt dies: bewußt ist, unterscheiden sich durch ihre unterschiedlichen
Wünsche. Ein KŠa-bewußter Mensch tut nichts, was nicht
naitat samācarej jātu manasāpi hy anīśvaraƒ für die Entwicklung von KŠa-Bewußtsein förderlich ist.
vinaśyaty ācaran mauhyād yathā 'rudro 'bdhijaˆ viam Er mag sogar genauso handeln wie der Unwissende, der zu
sehr an materiellen Tätigkeiten haftet, aber der eine
īvarāŠāˆ vacaƒ satyaˆ tathaivācaritaˆ kvacit verrichtet solche Tätigkeiten, um seine Sinne zu
teāˆ yat sva-vaco yuktaˆ buddhimāˆs tat samācaret befriedigen, während der andere tätig ist, um KŠa zu
erfreuen. Folglich muß der KŠa-bewußte Mensch seinen
"Man sollte einfach den Anweisungen des Herrn und Seiner Mitmenschen zeigen, wie man handelt und die Ergebnisse
ermächtigten Diener folgen. Ihre Anweisungen sind für alle des Tuns für den Zweck des KŠa-Bewußtseins verwendet.
gut, und jeder intelligente Mensch wird sich genau nach
ihnen richten. Man sollte sich jedoch vor dem Versuch VERS 26
hüten, ihre Taten nachzuahmen. Man sollte nicht
versuchen, einen Ozean von Gift zu trinken, weil man Śiva na buddhi-bhedaˆ janayed
imitieren will." ajñānāˆ karma-sa‰ginām
Wir sollten immer die Stellung der īśvaras oder derjenigen, joayet sarva-karmāŠi
die tatsächlich die Bewegung der Sonne und des Mondes vidvān yuktaƒ samācaran
lenken können, als uns übergeordnet betrachten. Ohne
selbst solche Macht zu besitzen, kann man die īśvaras, die na-tun nicht; buddhi-bhedam-die Intelligenz zerspalten;
übermächtig sind, nicht nachahmen. Śiva trank einen janayet-tun; ajñānām-der Törichten; karma-sa‰ginām-
ganzen Ozean von Gift, aber wenn ein gewöhnlicher fruchtbringender Arbeit verhaftet; joayet-verbunden;
Mensch versucht, auch nur eine kleine Menge solchen sarva-alle; karmāŠi-Arbeit; vidvān-die Gelehrten; yuktaƒ-
Giftes zu trinken, wird er den Tod finden. Es gibt viele alle beschäftigt; samācaran-zu praktizieren.
Pseudo-Geweihte Śivas, die gāñjā (Marihuana) und
ähnliche berauschende Drogen rauchen, jedoch dabei ÜBERSETZUNG
vergessen, daß sie den Tod sehr nah zu sich rufen, wenn sie
so Śivas Taten imitieren. In ähnlicher Weise gibt es einige Die Weisen sollten den Geist der Unwissenden, die an
Pseudo-Geweihte Śrī KŠas, die mit Vorliebe den Herrn in fruchtbringendem Tun haften, nicht verwirren. Sie
Seinem rāsa-līlā, Seinem Liebestanz, nachahmen, aber sollten nicht dazu ermutigt werden, sich von ihrer
vergessen, daß sie unfähig sind, den Govardhana-Hügel Arbeit zurückzuziehen, sondern Arbeit im Geist der
hochzuheben. Es ist daher das beste, nicht zu versuchen, Hingabe zu verrichten.
die Mächtigen nachzuahmen, sondern einfach ihren
Anweisungen zu folgen; auch sollte man nicht versuchen, ERLÄUTERUNG
ohne Qualifikation ihre Posten zu besetzen. Es gibt so viele
"Inkarnationen" Gottes, die die Macht des Höchsten Herrn Vedaiś ca sarvair aham eva vedyaƒ: Das ist das Ziel aller
nicht besitzen. vedischen Rituale. Alle Rituale, alle Opferdarbringungen
und alles, was sonst noch in den Veden niedergelegt ist,
VERS 25 einschließlich aller Anleitungen zu materiellen Tätigkeiten,
sollen dazu beitragen, KŠa, das endgültige Ziel des
saktāƒ karmaŠy avidvāˆso Lebens, zu verstehen. Weil aber die bedingten Seelen nichts
yathā kurvanti bhārata außer Sinnenbefriedigung kennen, studieren sie die Veden
kuryād vidvāˆs tathāsaktaś mit dieser Absicht. Durch Regulierung der Sinne wird man
cikīrur loka-saŠgraham jedoch allmählich auf die Stufe des KŠa-Bewußtseins
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erhoben. Deshalb sollte eine verwirklichte Seele im KŠa- der Sinne bekannt ist, denn durch den langen Mißbrauch
Bewußtsein andere bei ihren Tätigkeiten oder in ihrem seiner Sinne für Sinnenbefriedigung ist er einfach verwirrt
Verständnis nicht stören, sondern sie sollte handeln, um zu durch das falsche Ego, das ihn seine ewige Beziehung zu
zeigen, wie die Ergebnisse aller Arbeit in den Dienst KŠa vergessen läßt.
KŠas gestellt werden können. Der gelehrte, KŠa-
bewußte Mensch sollte so handeln, daß der unwissende VERS 28
Mensch, der für die Befriedigung seiner Sinne arbeitet,
lernen kann, wie man handeln und sich verhalten soll. tattvavit tu mahā-bāho
Wenn auch der Unwissende bei seinem Tun nicht gestört guŠa-karma-vibhāgayoƒ
werden soll, so kann doch jemand, der ein wenig KŠa- guŠā guŠeu vartanta
Bewußtsein entwickelt hat, unmittelbar im Dienst des Herrn iti matvā na sajjate
beschäftigt werden, ohne anderen vedischen Vorschriften
folgen zu müssen. Für einen solchen, vom Glück tattvavit-der Kenner der Absoluten Wahrheit; tu-aber;
begünstigten Menschen ist es nicht notwendig, die mahā-bāho-o Starkarmiger; guŠa-karma-Arbeiten unter
vedischen Rituale zu beachten, denn in direktem KŠa- materiellem Einfluß; vibhā-gayoƒ-Unterschiede; guŠāƒ-
Bewußtsein kann man alle Ergebnisse bekommen, indem Sinne; guŠeu-mit Sinnenbefriedigung; vartante-
man einfach seine jeweiligen vorgeschriebenen Pflichten beschäftigt; iti-so; matvā-denkend; na-niemals; sajjate-wird
erfüllt. angehaftet.

VERS 27 ÜBERSETZUNG

prakteƒ kriyamāŠāni Wer die Absolute Wahrheit kennt, o Starkarmiger,


guŠaiƒ karmāŠi sarvaśaƒ befaßt sich nicht mit den Sinnen und mit
aha‰kāra-vimūhātmā Sinnenbefriedigung, da er sehr wohl den Unterschied
kartāham iti manyate zwischen Arbeit in Hingabe und Arbeit für
fruchtbringende Ergebnisse kennt.
prakteƒ—von der materiellen Natur; kriyamāŠāni—werden
alle ausgeführt; guŠaiƒ-durch die Erscheinungsweisen; ERLÄUTERUNG
karmāŠi—Tätigkeiten; sarvaśaƒ—alle Arten von;
aha‰kāra-vimūha—durch falsches Ego verwirrt; ātmā— Wer die Absolute Wahrheit kennt, ist sich seiner
die spirituelle Seele; kartā—Handelnder; aham—ich; iti— fürchterlichen Lage in der materiellen Welt bewußt. Er
so; manyate-denkt. weiß, daß er ein winziger Teil der Höchsten Persönlichkeit
Gottes, KŠas, ist und daß er sich eigentlich nicht in der
ÜBERSETZUNG materiellen Schöpfung aufhalten sollte. Er kennt seine
wirkliche Identität als ein Teilchen des Höchsten, der ewige
Die verwirrte Seele hält sich, unter dem Einfluß der drei Glückseligkeit und ewiges Wissen ist, und er erkennt, daß
Erscheinungsweisen der materiellen Natur, für den er auf irgendeine Weise von der materiellen
Ausführenden von Tätigkeiten, die in Wirklichkeit von Lebensauffassung gefangen ist. In seinem reinen
der Natur verrichtet werden. Seinszustand ist er dafür bestimmt, seine Tätigkeiten in den
hingebungsvollen Dienst der Höchsten Persönlichkeit
ERLÄUTERUNG Gottes, KŠas, zu stellen. Er beschäftigt sich daher mit den
Tätigkeiten des KŠa-Bewußtseins und löst sich so auf
Zwei Menschen, die die gleiche Arbeit verrichten - der eine natürliche Weise von den umstandsbedingten und
im KŠa-Bewußtsein und der andere im materiellen zeitweiligen Tätigkeiten der materiellen Sinne. Er weiß,
Bewußtsein -, scheinen auf der gleichen Ebene zu handeln, daß seine materiellen Lebensumstände der höchsten
doch liegt zwischen ihren jeweiligen Positionen ein Kontrolle des Herrn unterstehen, und folglich fühlt er sich
gewaltiger Unterschied. Der Mensch im materiellen durch materielle Reaktionen, gleich welcher Art, nicht
Bewußtsein ist aufgrund von falschem Ego davon gestört, da er sie als die Barmherzigkeit des Herrn
überzeugt, alles selbst zu tun. Er weiß nicht, daß der betrachtet. Dem Śrīmad-Bhāgavatam zufolge wird jemand,
Mechanismus des Körpers ein Produkt der materiellen der die Absolute Wahrheit in Ihren drei verschiedenen
Natur ist, die unter der Aufsicht des Höchsten Herrn Aspekten kennt, nämlich als Brahman, als Paramātmā und
arbeitet. Der Materialist weiß nicht, daß er letztlich unter als die Höchste Persönlichkeit Gottes, tattvavit genannt, da
KŠas Kontrolle steht. Der Mensch unter dem Einfluß des er auch seine eigene tatsächliche Stellung in Beziehung
falschen Ego bildet sich ein, alles unabhängig zu tun, und zum Höchsten kennt.
daran erkennt man seine Unwissenheit. Er weiß nicht, daß
sein grob- und feinstofflicher Körper auf Anordnung der VERS 29
Höchsten Persönlichkeit Gottes von der materiellen Natur
geschaffen wurden und daß er daher seinen Körper und prakter guŠa-saˆmūhāƒ
seinen Geist im Dienste KŠas, im KŠa-Bewußtsein, sajjante guŠa-karmasu
beschäftigen sollte. Der Unwissende vergißt, daß die tān aktsna-vido mandān
Höchste Persönlichkeit Gottes als Hīkeśa oder der Meister ktsna-vin na vicālayet
86

nirāśīr nirmamo bhūtvā


prakteƒ—getrieben von den materiellen yudhyasva vigata-jvaraƒ
Erscheinungsweisen; guna-saˆmūhāƒ—getäuscht durch
Identifizierung mit der Materie; sajjante-werden beschäf- mayi—Mir; sarvāŠi—alle Arten von; karmāŠi—
tigt; guŠa-karmasu—mit materiellen Tätigkeiten; tān—all Tätigkeiten; sannyasya—vollständig hingebend;
jene; aktsna-vidaƒ— Menschen mit einem geringen Maß adhyātma—mit vollkommenem Wissen vom Selbst;
an Wissen; mandān—zu träge, um Selbstverwirklichung zu cetasā—Bewußtsein; nirāśīƒ—ohne Verlangen nach
verstehen; ktsna-vit—jemand, der in wahrem Wissen Gewinn; nirmamaƒ—ohne Besitzanspruch; bhūtvā—so
gründet; na—sollen nicht; vicālayet—versuchen zu erregen. seiend; yudhyasva—kämpfe; vigata-jvaraƒ—ohne
gleichgültig zu sein.
ÜBERSETZUNG
ÜBERSETZUNG
Verwirrt durch die Erscheinungsweisen der materiellen
Natur, gehen die Unwissenden ausschließlich Deshalb kämpfe, o Arjuna, indem du all deine
materiellen Tätigkeiten nach und entwickeln somit Handlungen Mir hingibst und deinen Geist auf Mich
Anhaftung. Aber der Weise sollte sie nicht beunruhigen, richtest, ohne Verlangen nach Gewinn und frei von
obwohl diese Pflichten aufgrund des Mangels an Wissen Egoismus und Gleichgültigkeit.
seitens der Ausführenden von niederer Natur sind.
ERLÄUTERUNG
ERLÄUTERUNG
Dieser Vers deutet klar den Zweck der Bhagavad-gītā an.
Menschen, die nicht intelligent sind, identifizieren sich Der Herr unterweist uns, daß man, um völlig KŠa-bewußt
fälschlich mit dem groben materiellen Bewußtsein und sind zu werden, seine Pflichten wie in militärischer Disziplin
voller materieller Bezeichnungen. Unser Körper ist ein erfüllen muß. Eine solche Unterweisung mag die Dinge ein
Geschenk der materiellen Natur, und jemand, der zu sehr wenig schwierig machen; aber trotzdem müssen Pflichten
am körperlichen Bewußtsein haftet, wird als mandān in Abhängigkeit von KŠa ausgeführt werden, weil das die
bezeichnet oder einer, der träge ist und kein Verständnis wesensgemäße Stellung des Lebewesens ist. Das
von der spirituellen Seele hat. Unwissende halten den Lebewesen kann nicht unabhängig von der
Körper für das Selbst; körperliche Verbindungen mit Zusammenarbeit mit dem Höchsten Herrn glücklich sein,
anderen werden für Verwandtschaft gehalten, das Land, in da es die ewige, wesensgemäße Stellung des Lebewesens
dem der Körper geboren wurde, ist das Objekt der ist, sich den Wünschen des Herrn unterzuordnen. Arjuna
Verehrung, und die formellen religiösen Rituale werden als bekam daher von Śrī KŠa den Befehl zu kämpfen, als
Selbstzweck betrachtet. Sozialarbeit, Nationalismus und wäre der Herr sein militärischer Befehlshaber. Man muß
Altruismus sind einige der Tätigkeiten für solche Menschen alles opfern, um das Wohlwollen des Höchsten Herrn zu
mit materiellen Bezeichnungen. Im Banne solcher erlangen, und zur gleichen Zeit muß man seine
Bezeichnungen sind sie auf der materiellen Ebene immer vorgeschriebenen Pflichten erfüllen, ohne irgendwelchen
sehr geschäftig; für sie ist spirituelle Verwirklichung ein Besitzanspruch zu erheben. Arjuna brauchte sich über den
Mythos, und daher sind sie nicht daran interessiert. Befehl des Herrn keine Gedanken zu machen; er brauchte
Verwirrte Menschen dieser Art mögen sich sogar mit solch Seinen Befehl nur auszuführen. Der Höchste Herr ist die
grundlegenden Moralprinzipien wie Gewaltlosigkeit und Seele aller Seelen; wer sich daher voll und ganz, ohne
ähnlichen, in materieller Hinsicht wohltätigen Werken persönlichen Vorbehalt, vom Höchsten Herrn abhängig
beschäftigen. Diejenigen, die dagegen im spirituellen macht, oder mit anderen Worten, wer völlig KŠa-bewußt
Leben erleuchtet sind, sollten nicht versuchen, solche von ist, wird als adhyātma-cetasā bezeichnet. Nirāśīƒ bedeutet,
der Materie gefesselten Menschen zu beunruhigen. Besser, daß man nach der Anweisung des Meisters handeln muß.
man geht seinen eigenen spirituellen Tätigkeiten in aller Auch sollte man niemals fruchttragende Ergebnisse
Stille nach. erwarten. Der Kassierer mag für seinen Arbeitgeber
Menschen, die unwissend sind, können Tätigkeiten im Millionen von Mark zählen, doch beansprucht er keinen
KŠa-Bewußtsein nicht wertschätzen, und daher rät uns Śrī einzigen Pfennig für sich selbst. In ähnlicher Weise muß
KŠa, sie nicht zu stören und damit kostbare Zeit zu man erkennen, daß nichts auf der Welt einem bestimmten
verschwenden. Aber die Geweihten des Herrn sind gütiger Menschen gehört, sondern daß alles das Eigentum des
als der Herr Selbst, weil sie die Absicht des Herrn Höchsten Herrn ist. Das ist die wirkliche Bedeutung von
verstehen. Folglich nehmen sie alle möglichen Wagnisse mayi oder "Mir". Wenn man in solchem KŠa-Bewußtsein
auf sich und gehen sogar so weit, daß sie unwissende handelt, beansprucht man sicherlich nichts als sein
Menschen ansprechen, um zu versuchen, sie in den Eigentum. Dieses Bewußtsein nennt man nirmama oder
Tätigkeiten des KŠa-Bewußtseins zu beschäftigen, die für "nichts gehört mir". Und wenn gegen einen solch strengen
den Menschen absolut notwendig sind. Befehl, der keine Rücksicht auf sogenannte Verwandte
oder körperliche Beziehungen nimmt, irgendein Widerwille
VERS 30 besteht, sollte man diese Abneigung von sich werfen; auf
diese Weise kann man vigata-jvara, das heißt frei von
mayi sarvāŠi karmāŠi fiebriger Mentalität oder Lethargie werden. Jeder muß,
sannyasyādhyātma-cetasā seinen Eigenschaften und seiner Stellung gemäß, eine
87

bestimmte Tätigkeit ausüben, und all diese Pflichten tān—sie sind; viddhi—wisse wohl; na˜ān—alle zugrunde
mögen, wie oben beschrieben wurde, im KŠa-Bewußtsein gerichtet; acetasaƒ—ohne KŠa-Bewußtsein.
erfüllt werden. Das wird einen auf den Pfad der Befreiung
führen. ÜBERSETZUNG

VERS 31 Diejenigen aber, die aus Neid diese Lehren mißachten


und nicht regelmäßig danach handeln, sind allen
ye me matam idaˆ nityam Wissens beraubt, getäuscht und zu Unwissenheit und
anuti˜hanti mānavāƒ Knechtschaft verdammt.
śraddhāvanto'nasūyanto
mucyante te'pi karmabhiƒ ERLÄUTERUNG

ye-diejenigen; me—Meine; matam—Unterweisungen; Der Fehler, nicht KŠa-bewußt zu sein, wird hier klar zum
idam—diese; nityam—ewige Funktion; anuti˜hanti— Ausdruck gebracht. So wie Ungehorsam gegenüber einer
regelmäßig ausführen; mānavāƒ—Menschheit; Verfügung des Staatspräsidenten bestraft wird, so wird
śraddhāvantaƒ—mit Glauben und Hingabe; anasūyantaƒ- auch mit Gewißheit Ungehorsam gegenüber der Anordnung
ohne Neid; mucyante—werden frei; te-sie alle; api—sogar; der Höchsten Persönlichkeit Gottes bestraft. Ein
karmabhiƒ—von der Fessel an das Gesetz fruchtbringenden ungehorsamer Mensch - er mag noch so bedeutend sein -
Tuns. weiß nichts von seinem Selbst, vom Höchsten Brahman,
vom Paramātmā und von der Persönlichkeit Gottes, weil
ÜBERSETZUNG sein Herz leer ist. Daher gibt es für ihn keine Hoffnung,
sein Leben zur Vollkommenheit zu führen.
Wer seine Pflichten nach Meinen Unterweisungen
erfüllt und dieser Lehre mit Glauben und Hingabe folgt, VERS 33
ohne neidisch zu sein, wird von der Fessel
fruchtbringender Werke befreit. sadśaˆ ce˜ate svasyāƒ
prakter jñānavān api
ERLÄUTERUNG praktiˆ yānti bhūtāni
nigrahah kiˆ kariyati
Die Unterweisung der Höchsten Persönlichkeit Gottes,
KŠas, ist die Essenz aller vedischen Weisheit und ist sadśam—entsprechend; ce˜ate—versucht; svasyāƒ—nach
daher ausnahmslos ewiglich wahr. So, wie die Veden ewig seiner eigenen Natur; prakteƒ—Erscheinungsweisen;
sind, so ist auch diese Wahrheit des KŠa-Bewußtseins jñānavān—der Gelehrte; api—obwohl; praktim— Natur;
ewig. Man sollte festes Vertrauen in diese Unterweisung yānti—unterziehen sich; bhūtāni—alle Lebewesen;
haben und den Herrn nicht beneiden. Es gibt viele nigrahaƒ—Unterdrückung; kim—was; kariyati—kann tun.
Philosophen, die Kommentare zur Bhagavad-gītā
schreiben, aber nicht an KŠa glauben. Sie werden niemals ÜBERSETZUNG
von der Fessel des fruchtbringenden Tuns befreit werden.
Aber ein gewöhnlicher Mensch mit festem Glauben an die Selbst ein Mensch des Wissens handelt seinem Wesen
ewigen Unterweisungen des Herrn wird, selbst wenn er gemäß, denn jeder folgt seiner Natur. Was kann
unfähig ist, solchen Anweisungen zu folgen, von der Fessel Unterdrückung ausrichten?
des Gesetzes des karma befreit. Zu Beginn des KŠa-
Bewußtseins mag man die Anweisungen des Herrn nicht ERLÄUTERUNG
vollständig ausführen, aber weil man sich diesem Prinzip
nicht widersetzt und ernsthaft handelt, ohne Niederlage und Solange man sich nicht auf der transzendentalen Ebene des
Hoffnungslosigkeit zu beachten, wird man mit Sicherheit KŠa-Bewußtseins befindet, kann man nicht vom Einfluß
auf die Ebene des reinen KŠa-Bewußtseins erhoben der Erscheinungsweisen der materiellen Natur frei werden,
werden. wie vom Herrn im Siebten Kapitel (7.14) bestätigt wird.
Daher ist es selbst dem gebildetsten Menschen auf der
VERS 32 weltlichen Ebene unmöglich, durch theoretisches Wissen
oder durch Unterscheidung der Seele vom Körper aus der
ye tv etad abhyasūyanto Verstrickung māyās herauszukommen. Es gibt viele
nānuti˜hanti me matam sogenannte Spiritualisten, die nach außen hin so tun, als
sarva-jñāna-vimūhāˆs tān seien sie in dieser Wissenschaft fortgeschritten, aber
viddhi na˜ān acetasaƒ innerlich oder im stillen völlig unter dem Einfluß der
jeweiligen Erscheinungsweisen der Natur stehen, die sie
ye-diejenigen; tu—jedoch; etat—dieses; abhyasūyantaƒ— nicht überwinden können. Akademisch mag man sehr
aus Neid; na—nicht; anuti˜hanti—regelmäßig ausführen, gelehrt sein, doch aufgrund der langen Gemeinschaft mit
me—Meine; matam—Unterweisung; sarva-jñāna—alle der materiellen Natur lebt man in Gefangenschaft. KŠa-
Arten von Wissen; vimūhān—vollkommen getäuscht; Bewußtsein hilft einem, sich aus der materiellen
Verstrickung zu lösen, auch wenn man weiter seinen
88

vorgeschriebenen Pflichten nachkommen mag. Deshalb materieller Gemeinschaft schon seit sehr, sehr langer Zeit
sollte niemand, ohne völlig KŠa-bewußt zu sein, plötzlich in uns. Es besteht daher trotz geregelten Sinnengenusses
seine vorgeschriebenen Pflichten aufgeben und künstlich immer die Möglichkeit, zu Fall zu kommen; deshalb muß
ein sogenannter yogī oder Transzendentalist werden. Es ist auch jede Anhaftung an geregelten Sinnengenuß unter allen
besser, in seiner Position zu bleiben und zu versuchen, Umständen vermieden werden. Aber das Handeln im
unter höherer Anleitung KŠa-Bewußtsein zu erreichen. So liebevollen Dienst für KŠa löst einen von allen Arten
mag man aus der Gewalt māyās befreit werden. sinnlicher Tätigkeiten. Niemand sollte daher auf
irgendeiner Stufe des Lebens versuchen, vom KŠa-
VERS 34 Bewußtsein losgelöst zu sein. Der ganze Sinn der
Loslösung von allen Arten der sinnlichen Anhaftung
indriyasyendriyasyārthe besteht letztlich darin, auf der Ebene des KŠa-
rāga-dveau vyavasthitau Bewußtseins verankert zu werden.
tayor na vaśam āgacchet
tau hy asya paripanthinau VERS 35

indriyasya—der Sinne; indriyasya arthe—in den śreyān sva-dharmo viguŠaƒ


Sinnesobjekten; rāga—Anhaftung; dveau—auch in para-dharmāt svanu˜hitāt
Loslösung; vyavasthitau—unter Regulierungen gestellt; sva-dharme nidhanaˆ śreyaƒ
tayoƒ—von innen; na—niemals; vaśam—Herrschaft; para-dharmo bhayāvahaƒ
āgacchet—man sollte kommen; tau—diejenigen; hi—sind
gewiß; asya—seine; paripanthinau—Hindernisse. śreyān—weit besser; sva-dharmaƒ—seine
vorgeschriebenen Pflichten; viguŠaƒ-sogar fehlerhaft;
ÜBERSETZUNG para-dharmāt—von Pflichten, die für andere bestimmt
sind; svanu˜hitāt—als vollkommen ausgeführt;
Verkörperte Wesen empfinden gegenüber sva-dharme—in seinen vorgeschriebenen Pflichten;
Sinnesobjekten Anziehung und Abneigung, doch sollte nidhanam—Zerstörung; śreyaƒ—besser; para-dharmaƒ—
man nicht unter die Herrschaft von Sinnen und Pflichten, die anderen vorgeschrieben sind;
Sinnesobjekten geraten, denn sie sind Hindernisse auf bhaya-āvahaƒ—gefährlich.
dem Pfad der Selbstverwirklichung.
ÜBERSETZUNG
ERLÄUTERUNG
Es ist weit besser, die eigenen vorgeschriebenen
Denen, die KŠa-bewußt sind, widerstrebt es Pflichten zu erfüllen, auch wenn sie fehlerhaft sein
natürlicherweise, sich materieller Sinnenbefriedigung zu mögen, als die Pflichten eines anderen. Es ist besser, bei
ergeben. Aber diejenigen, die nicht mit diesem Bewußtsein der Erfüllung der eigenen Pflicht ins Verderben zu
leben, sollten den Regeln und Regulierungen der stürzen, als den Pflichten eines anderen
offenbarten Schriften folgen. Ungezügelter Sinnengenuß ist nachzukommen; denn dem Pfad eines anderen zu folgen
die Ursache für Gefangenschaft in der Materie, doch wird ist gefährlich.
jemand, der den Regeln und Regulierungen der offenbarten
Schriften folgt, durch die Sinnesobjekte nicht verstrickt. ERLÄUTERUNG
Sexueller Genuß zum Beispiel ist ein Bedürfnis der
bedingten Seele, und in einer ehelichen Verbindung ist Man sollte daher lieber seine vorgeschriebenen Pflichten in
Sexualität gestattet. Die Anweisungen der Schriften völligem KŠa-Bewußtsein erfüllen, als Pflichten
verbieten beispielsweise sexuelle Beziehungen mit jeder nachzukommen, die anderen vorgeschrieben sind.
Frau außer der eigenen. Jede andere Frau sollte man als Vorgeschriebene Pflichten ergänzen unseren
seine Mutter ansehen. Aber trotz solcher Vorschriften neigt psychosomatischen Zustand im Bann der
ein Mann dazu, sexuelle Beziehungen mit anderen Frauen Erscheinungsweisen der materiellen Natur. Spirituelle
zu unterhalten. Diese Neigungen müssen bezwungen Pflichten sind Pflichten, die der spirituelle Meister für den
werden; sie werden sonst zu Hindernissen auf dem Pfad der transzendentalen Dienst KŠas anordnet. Aber ganz gleich,
Selbstverwirklichung. Solange der materielle Körper da ist, ob im materiellen oder spirituellen Bereich, man sollte
dürfen die Bedürfnisse des materiellen Körpers befriedigt selbst angesichts des Todes lieber zu seinen Pflichten
werden, jedoch nach Regeln und Vorschriften. Dennoch stehen als die Pflichten eines anderen nachahmen. Pflichten
sollten wir nicht auf die Kontrolle solcher Bewilligungen auf der materiellen Ebene und Pflichten auf der spirituellen
bauen. Man muß diesen Regeln und Regulierungen folgen, Ebene mögen voneinander verschieden sein, doch das
ohne an ihnen zu haften, denn auch Sinnenbefriedigung Prinzip, der autorisierten Weisung zu folgen, ist für den
unter Regulierungen kann einen vom rechten Weg Ausführenden immer vorteilhaft. Wenn man im Bann der
abbringen, ebenso wie selbst auf Hauptstraßen immer die Erscheinungsweisen der materiellen Natur steht, sollte man
Möglichkeit eines Unfalls besteht. Obwohl solche Straßen den für bestimmte Situationen vorgeschriebenen Regeln
sorgsam in gutem Zustand gehalten werden, kann doch folgen, und nicht andere imitieren. Zum Beispiel ist ein
niemand garantieren, daß nicht auch auf der sichersten brāhmaŠa, der sich in der Erscheinungsweise der Tugend
Straße Gefahr lauert. Der Geist des Genießens ist aufgrund befindet, gewaltlos, wohingegen es einem katriya, der sich
89

in der Erscheinungsweise der Leidenschaft befindet, erlaubt VERS 37


ist, Gewalt anzuwenden. Für einen katriya ist es daher
besser, getötet zu werden, während er den Regeln der śrī bhagavān uvāca
Gewalt folgt, als einen brāhmaŠa nachzuahmen, der den kāma ea krodha ea
Prinzipien der Gewaltlosigkeit folgt. Jeder muß sein Herz rajoguŠa-samudbhavaƒ
durch einen allmählichen Vorgang läutern, nicht abrupt. mahā-śano mahā-pāpmā
Wenn jemand jedoch die Erscheinungsweisen der viddhy enam iha vairiŠam
materiellen Natur transzendiert und völlig im KŠa-
Bewußtsein verankert ist, kann er unter der Führung des śrī bhagavān uvāca—die Persönlichkeit Gottes sprach;
echten spirituellen Meisters alles und jedes tun. Auf dieser kāmaƒ—Lust; eaƒ—all diese; krodhaƒ—Zorn; eaƒ—all
vollkommenen Stufe des KŠa-Bewußtseins mag ein diese; rajo-guŠa—die Erscheinungsweise der Leidenschaft;
katriya als brāhmaŠa oder ein brāhmaŠa als katriya samudbhavaƒ—geboren aus; mahā-śanaƒ—
handeln. Auf der transzendentalen Ebene gelten die alles-verschlingend; mahāpāpmā—überaus sündig;
Unterschiede der materiellen Welt nicht. Zum Beispiel war viddhi—wisse; enam—dieses; iha—in der materiellen Welt;
Viśvāmitra ursprünglich ein katriya, doch handelte er vairiŠam—größter Feind.
später als brāhmaŠa, während Paraśurāma ein brāhmaŠa
war und später als katriya handelte. Da sie in der ÜBERSETZUNG
Transzendenz verankert waren, konnten sie dies tun, doch
solange man sich auf der materiellen Ebene befindet, muß Der Segenspendende Herr sprach: Es ist Lust allein,
man seine Pflichten in Entsprechung zu den Arjuna, die aus Berührung mit den materiellen
Erscheinungsweisen der materiellen Natur erfüllen. Zur Erscheinungsweisen der Leidenschaft geboren und
gleichen Zeit muß man sich über KŠa-Bewußtsein voll im später in Zorn umgewandelt wird. Sie ist der alles-
klaren sein. verschlingende, sündige Feind dieser Welt.

VERS 36 ERLÄUTERUNG

arjuna uvāca Wenn ein Lebewesen mit der materiellen Schöpfung in


atha kena prayukto’yaˆ Berührung kommt, wird seine ewige Liebe zu KŠa durch
pāpaˆ carati pūruaƒ die Verbindung mit der Erscheinungsweise der
anicchann api vārŠeya Leidenschaft in Lust umgewandelt. Oder mit anderen
balād iva niyojitaƒ Worten: Die Empfindung der Liebe zu Gott wird in Lust
umgewandelt, ebenso wie Milch in Berührung mit saurer
arjunaƒ uvāca—Arjuna sagte; atha—hiernach; kena— Tamarinde zu Yoghurt wird. Wenn dann die Lust
durch was; prayuktaƒ—getrieben; ayam—man; pāpam— unbefriedigt bleibt, wandelt sie sich in Zorn; aus Zorn
Sünden; carati—handelt; pūruaƒ—ein Mensch; entsteht Illusion, und aufgrund von Illusion ist man
anicchan—ohne es zu wollen; api—obwohl; vārŠeya—o gezwungen, das materielle Dasein weiter fortzusetzen.
Nachkomme VŠis; balāt—durch Gewalt; iva—als ob; Folglich ist Lust der größte Feind des Lebewesens. Und es
niyojitaƒ—beschäftigt. ist Lust allein, die das reine Lebewesen veranlaßt, in der
materiellen Welt verstrickt zu bleiben. Zorn ist eine
ÜBERSETZUNG Manifestation der Erscheinungsweise der Unwissenheit -
diese Erscheinungsweise äußert sich durch Zorn und andere
Arjuna sagte: O Nachkomme VŠis, durch was wird Folgeerscheinungen. Wenn man daher nach der
man getrieben, sündig zu handeln - sogar wider Willen, vorgeschriebenen Methode lebt und handelt und somit von
wie unter Zwang? der Erscheinungsweise der Leidenschaft zur
Erscheinungsweise der Tugend erhoben wird, anstatt zur
ERLÄUTERUNG Erscheinungsweise der Unwissenheit abzusinken, kann man
durch spirituelle Anhaftung vor der Entartung durch den
Ein Lebewesen ist, als winziger Teil des Höchsten, Zorn gerettet werden.
ursprünglich spirituell, rein und frei von allen materiellen Der Herr, die Höchste Persönlichkeit Gottes, erweiterte
Verunreinigungen. Deshalb ist es von Natur aus den Sich in viele, um Sich Seiner ewig anwachsenden
Sünden der materiellen Natur nicht ausgesetzt. Doch wenn spirituellen Glückseligkeit zu erfreuen, und die Lebewesen
es mit der materiellen Natur in Berührung ist, begeht es, sind Teile dieser spirituellen Glückseligkeit. Auch besitzen
ohne zu zögern, viele Sünden - manchmal sogar gegen sie eine bedingte Unabhängigkeit, doch durch den
seinen Willen. Deshalb ist Arjunas Frage an KŠa nach der Mißbrauch ihrer Unabhängigkeit - wenn die dienende
pervertierten Natur der Lebewesen sehr dringlich. Obwohl Haltung in die Neigung zu Sinnengenuß umgewandelt wird
das Lebewesen manchmal nicht sündig handeln will, ist es -, geraten sie unter die Herrschaft der Lust. Die materielle
dennoch dazu gezwungen. Sündhafte Handlungen werden Schöpfung ist vom Herrn geschaffen worden, um den
jedoch nicht von der Überseele im Innern veranlaßt, bedingten Seelen die Möglichkeit zu geben, diese
sondern haben eine andere Ursache, wie der Herr im lustvollen Neigungen zu befriedigen, und wenn sie von
nächsten Vers erklärt. ihren anhaltenden lustvollen Tätigkeiten völlig enttäuscht
90

sind, beginnen die Lebewesen, nach ihrer eigentlichen der Bäume verglichen werden. Die Bäume sind ebenfalls
Stellung zu fragen. Lebewesen, aber aufgrund ihrer sehr starken Äußerung von
Mit dieser Frage beginnen die Vedānta-sūtras, wo es heißt: Lust sind sie in einen solchen Lebensumstand versetzt
athāto brahma-jijñāsā. "Man soll nach dem Höchsten worden, daß sie beinahe ohne jedes Bewußtsein sind. Der
fragen." Und das Höchste wird im Śrīmad Bhāgavatam bedeckte Spiegel wird mit den Vögeln und Säugetieren und
definiert als janmādyasya yato 'nvayād itarataś ca, das das von Rauch bedeckte Feuer mit dem Menschen
heißt: "Der Ursprung allen Seins ist das Höchste Brahman." verglichen. In der Form eines Menschen mag das
Folglich hat auch die Lust ihren Ursprung im Höchsten. Lebewesen sein KŠa-Bewußtsein ein wenig
Wenn deshalb die Lust in Liebe zum Höchsten wiederbeleben, und wenn es sich weiter entwickelt, kann
umgewandelt wird, das heißt in KŠa-Bewußtsein, oder das Feuer des spirituellen Lebens in der menschlichen Form
mit anderen Worten, wenn man alle Wünsche auf KŠa entfacht werden. Wenn man mit dem Rauch im Feuer
richtet, dann können sowohl Lust als auch Zorn sorgfältig umgeht, kann das Feuer zum Lodern gebracht
spiritualisiert werden. Hanumān, der große Diener Śrī werden. Deshalb ist die menschliche Lebensform eine
Rāmas, richtete seine Zorn gegen seine Feinde, um den Gelegenheit für das Lebewesen, der Verstrickung des
Herrn zu erfreuen. Deshalb werden Lust und Zorn, wenn materiellen Daseins zu entkommen. In der menschlichen
sie im KŠa-Bewußtsein beschäftigt werden, zu unseren Lebensform kann man den Feind, die Lust, besiegen, indem
Freunden statt zu unseren Feinden. man unter kundiger Führung KŠa-Bewußtsein kultiviert.

VERS 38 VERS 39

dhūmenāvriyate vahnir āvtaˆ jñānam etena


yathādarśo malena ca jñānino nitya-vairiŠā
yatholbenāvto garbhas kāma-rūpeŠa kaunteya
tathā tenedam āvtam dupūreŠānalena ca

dhūmena—von Rauch; āvriyate—bedeckt; vahniƒ—Feuer; āvtam—bedeckt; jñānam—reines Bewußtsein; etena—


yathā—so wie; ādarśaƒ—Spiegel; malena—von Staub, durch dieses; jñāni-naƒ—des Kenners; nitya-vairiŠā—
ca—auch; yathā—so wie; ulbena—vom Mutterleib; ewige Feindin; kāma-rūpeŠa—in Form von Lust;
āvtaƒ—ist bedeckt; garbhaƒ—Embryo; tathā—so; tena— kaunteya—o Sohn Kuntīs; dupūreŠa—niemals zu
von dieser Lust; idam—dieses; āvtam—ist bedeckt. befriedigen; analena—durch das Feuer; ca—auch.

ÜBERSETZUNG ÜBERSETZUNG

Wie Feuer von Rauch, ein Spiegel von Staub und ein So wird das reine Bewußtsein eines Menschen von seiner
Embryo vom Mutterleib bedeckt ist, so wird das ewigen Feindin in der Form von Lust bedeckt, die
Lebewesen von verschiedenen Graden dieser Lust niemals befriedigt werden kann und die wie Feuer
bedeckt. brennt.

ERLÄUTERUNG ERLÄUTERUNG

Es gibt drei Grade von Bedeckung des Lebewesens, durch In der Manu-smti heißt es, daß Lust durch kein noch so
die sein reines Bewußtsein verfinstert wird. Diese großes Ausmaß an Sinnengenuß befriedigt werden kann,
Bedeckung ist nichts anderes als Lust in verschiedenen ebenso wie Feuer niemals durch eine ständige Zufuhr von
Manifestationen und wird mit Rauch im Feuer, Staub auf Öl gelöscht wird. In der materiellen Welt ist der
dem Spiegel und dem Mutterleib über einem Embryo Mittelpunkt aller Tätigkeiten Sex, und daher wird die
verglichen. Wenn Lust mit Rauch verglichen wird, bedeutet materielle Welt als maithuŠya-āgāra oder die Ketten des
dies, daß das Feuer des lebendigen Funkens ein wenig Geschlechtslebens bezeichnet. In einem gewöhnlichen
wahrgenommen werden kann. Mit anderen Worten: Wenn Gefängnis werden Verbrecher hinter Gittern festgehalten;
das Lebewesen sein KŠa-Bewußtsein ein wenig entfaltet, in ähnlicher Weise werden die Verbrecher, die gegen die
mag es mit dem von Rauch bedeckten Feuer verglichen Gesetze des Herrn verstoßen, durch Sexualität in Ketten
werden. Obwohl dort, wo Rauch ist, notwendigerweise gelegt. Fortschritt der materiellen Zivilisation auf der
Feuer sein muß, gibt es auf der frühen Stufe keine Grundlage von Sinnenbefriedigung bedeutet, die Dauer der
offenkundige Manifestation von Feuer. Diese Stufe materiellen Existenz eines Lebewesens zu verlängern.
entspricht dem Beginn des KŠa-Bewußtseins. Der Staub Daher ist die Lust das Symbol der Unwissenheit, durch die
auf dem Spiegel bezieht sich auf einen Reinigungsvorgang das Lebewesen in der materiellen Welt gehalten wird.
des Spiegels des Geistes durch vielfältige spirituelle Während des Genusses sinnlicher Befriedigung mag es so
Methoden. Der beste Vorgang ist das Chanten der Heiligen etwas wie ein Glücksgefühl geben, doch in Wirklichkeit ist
Namen des Herrn. Der vom Mutterleib bedeckte Embryo ist dieses sogenannte Glücksgefühl der eigentliche Feind des
ein Vergleich, der eine hilflose Lage illustrieren soll, denn Sinnengenießers.
das Kind im Mutterschoß ist so hilflos, daß es sich nicht
einmal bewegen kann. Dieser Lebenszustand kann mit dem VERS 40
91

gewiß; enam—dieses; jñāna—Wissen; vijñāna—


indriyāŠi mano buddhir wissenschaftliches Wissen der reinen Seele; nāśanam—
asyādhi˜hānam ucyate Zerstörerin.
etair vimohayaty ea
jñānam āvtya dehinam ÜBERSETZUNG

indriyāŠi—die Sinne; manaƒ—der Geist; buddhiƒ—die Deshalb, o Arjuna, bester der Bhāratas, bezwinge gleich
Intelligenz; asya—der Lust; adhi˜hānam—Aufenthaltsort; zu Anfang dieses große Symbol der Sünde [die Lust],
ucyate—genannt; etaiƒ—von all diesen; vimohayati— indem du die Sinne regulierst, und erschlage diese
verwirrt; eaƒ—von diesem; jñānam—Wissen; āvtya— Zerstörerin des Wissens und der Selbstverwirklichung.
bedeckend; dehinam—des Verkörperten.
ERLÄUTERUNG
ÜBERSETZUNG
Der Herr gab Arjuna den Rat, die Sinne von Anfang an zu
Die Sinne, der Geist und die Intelligenz sind die regulieren, so daß er die größte sündige Feindin, die Lust,
Wohnstätten dieser Lust, die das wirkliche Wissen des bezwingen könne, die den Drang nach
Lebewesens verschleiert und das Lebewesen verwirrt. Selbstverwirklichung und besonders das Wissen vom Selbst
zerstört. Jñānam bezieht sich auf das Wissen, das das Selbst
ERLÄUTERUNG vom Nicht-Selbst unterscheidet, oder mit anderen Worten,
auf das Wissen darum, daß die spirituelle Seele nicht der
Der Feind hat verschiedene strategische Punkte im Körper Körper ist. Vijñānam bezieht sich auf spezifisches Wissen
der bedingten Seele besetzt, und daher weist Śrī KŠa auf von der spirituellen Seele, ihrer wesensgemäßen Stellung
diese Stellen hin, damit derjenige, der den Feind besiegen und ihrer Beziehung zur Höchsten Seele. Dies wird im
will, weiß, wo er ihn finden kann. Der Geist ist das Śrīmad Bhāgavatam wie folgt erklärt:
Zentrum aller Tätigkeiten der Sinne, und somit ist der Geist
das Behältnis aller Pläne für Sinnenbefriedigung; als Folge jñānaˆ parama-guhyaˆ me
werden Geist und Sinne zu Sammelplätzen der Lust. Als yad-vijñāna-samanvitam
nächstes wird die Intelligenz-Abteilung zum Hauptort solch sarahasyaˆ tad-a‰gaˆ ca
lustvoller Neigungen. Die Intelligenz ist die unmittelbare ghāna gaditaˆ mayā
Nachbarin der Seele. Die lustvolle Intelligenz beeinflußt die
Seele, das falsche Ego anzunehmen und sich mit Materie "Das Wissen vom Selbst und vom Höchsten Selbst ist sehr
und folglich mit Geist und Sinnen zu identifizieren. Die vertraulich und geheimnisvoll, da es von māyā verschleiert
Seele verfällt dem Genuß der materiellen Sinne und hält wird, doch solches Wissen und besonders die
dies fälschlich für wahres Glück. Diese falsche Verwirklichung können verstanden werden, wenn sie vom
Identifizierung der Seele wird sehr schön im Śrīmad- Herrn Selbst erklärt werden."
Bhāgavatam erklärt. Die Bhagavad-gītā gibt uns dieses Wissen, besonders
Wissen vom Selbst. Die Lebewesen sind winzige Teile des
yasyātma-buddhiƒ kuŠāpe tri-dhātuke Herrn, und daher besteht ihre Aufgabe einfach darin, dem
sva-dhīƒ kalatrādiu bhauma idyadhīƒ Herrn zu dienen. Dieses Bewußtsein nennt man KŠa-
yat-tīrtha-buddhiƒ salite na karhicij Bewußtsein. Man muß also vom Beginn des Lebens an
janev abhijñeu sa eva gokharaƒ dieses KŠa-Bewußtsein erlernen, und so mag man völlig
KŠa-bewußt werden und dementsprechend handeln.
"Ein Mensch, der den Körper, der aus drei Elementen Lust ist nur die verzerrte Spiegelung der Liebe zu Gott, die
geschaffen ist, mit seinem Selbst identifiziert, die für jedes Lebewesen natürlich ist. Wenn man aber gleich
Nebenprodukte des Körpers für seine Verwandten hält, sein von Anfang an im KŠa-Bewußtsein erzogen wird, kann
Geburtsland als verehrungswürdig betrachtet und einen diese natürliche Gottesliebe nicht zu Lust entarten. Wenn
Pilgerort besucht, um dort nur ein Bad zu nehmen, statt Gottesliebe zu Lust entartet, ist es sehr schwierig, zum
Weise mit transzendentalem Wissen aufzusuchen, muß als normalen Zustand zurückzukehren. Nichtsdestoweniger ist
Esel oder Kuh betrachtet werden." KŠa-Bewußtsein so mächtig, daß sogar ein Mensch, der
spät beginnt, lernen kann, Gott zu lieben, indem er den
VERS 41 regulierenden Prinzipien des hingebungsvollen Dienstes
folgt. Man kann also von jeder Stufe des Lebens aus, bzw.
tasmāt tvam indriyāŠy ādau dann, wenn man die dringende Notwendigkeit einsieht,
niyamya bharatarabha beginnen, seine Sinne im hingebungsvollen Dienst des
pāpmānaˆ prajahi hy enaˆ Herrn zu regulieren, und so die Lust in Liebe zu Gott
jñāna-vijñāna-nāśanam umwandeln - der höchsten Vollkommenheit des
menschlichen Lebens.
tasmāt—deshalb; tvam—du; indriyāŠi—Sinne; ādau—am
Anfang; niyamya—durch Regulierungen; bharatarabha— VERS 42
o Oberhaupt unter den Nachkommen Bhāratas; pāpmānam-
das große Symbol der Sünde; prajahi—bezwinge; hi— indriyāŠi parāŠy āhur
92

indriyebhyaƒ paraˆ manaƒ KŠa-Bewußtsein beschäftigt, indem man sich völlig der
manasas tu parā buddhir Höchsten Persönlichkeit Gottes ergibt, dann wird der Geist
yo buddheƒ paratas tu saƒ von selbst stärker, und obwohl die Sinne sehr stark sind,
wie Schlangen, werden sie nicht wirksamer sein als
indriyāŠī—Sinne; parāŠi—höher; āhuƒ—man sagt; Schlangen mit herausgebrochenen Giftzähnen. Aber
indriyebhyaƒ—mehr als die Sinne; param—höher; manaƒ— obwohl die Seele Herr über die Intelligenz und den Geist
der Geist; manasaƒ—mehr als der Geist; tu—auch; parā— und auch die Sinne ist, besteht doch immer die Gefahr,
höher; buddhiƒ—Intelligenz; yaƒ—einer, der; bhuddheƒ— durch den in Erregung geratenen Geist zu Fall zu kommen,
mehr als die Intelligenz; parataƒ—höher; tu—aber; saƒ— solange die Seele nicht durch Gemeinschaft mit KŠa im
er. KŠa-Bewußtsein gestärkt ist.

ÜBERSETZUNG VERS 43

Die aktiven Sinne sind der leblosen Materie überlegen; evaˆ buddheƒ paraˆ buddhvā
der Geist steht über den Sinnen; die Intelligenz steht saˆstabhyātmānam ātmanā
über dem Geist, und sie [die Seele] steht sogar noch jahi śatruˆ mahā-bāho
über der Intelligenz. kāma-rūpaˆ durāsadam

ERLÄUTERUNG evam—so; bhuddheƒ—der Intelligenz; param—höher;


buddhvā—dies wissend; saˆstabhya-durch Festigen;
Die Sinne sind verschiedene Ventile für die Tätigkeit der ātmānam—den Geist; ātmanā—durch überlegende
Lust. Die Lust sammelt sich im Körper, aber durch die Intelligenz; jahi—besiege; śatrum—den Feind;
Sinne ist ihr ein Ventil geschaffen. Daher stehen die Sinne mahā-bāho—o Starkarmiger; kāmarūpam—in Form von
über dem Körper als Ganzes. Diese Ventile sind nicht in Lust; durāsadam—furchtbar.
Gebrauch, wenn ein höheres Bewußtsein, das heißt KŠa-
Bewußtsein, vorhanden ist. Im KŠa-Bewußtsein stellt die ÜBERSETZUNG
Seele eine direkte Verbindung mit der Höchsten
Persönlichkeit Gottes her. Deshalb enden die Wenn man also weiß, daß man transzendental zu den
Körperfunktionen, wie hier beschrieben wird, letztlich in materiellen Sinnen, dem Geist und der Intelligenz ist,
der Höchsten Seele. Mit körperlicher Tätigkeit sind die sollte man das niedere Selbst durch das höhere Selbst
Funktionen der Sinne gemeint, und die Funktionen der beherrschen und so - kraft spiritueller Stärke - diese
Sinne einzustellen bedeutet, alle körperlichen Tätigkeiten unersättliche Feindin, die Lust, bezwingen.
zu beenden. Aber weil der Geist tätig ist, wird er auch dann
handeln, wenn der Körper still und in Ruhe ist, wie es ERLÄUTERUNG
während des Träumens geschieht. Über dem Geist aber
steht die Entschlossenheit der Intelligenz, und über der Dieses Dritte Kapitel der Bhagavad-gītā lenkt schlüssig
Intelligenz befindet sich die Seele. Wenn daher die Seele zum KŠa-Bewußtsein hin, indem man sich als der ewige
direkt mit dem Höchsten beschäftigt ist, werden Diener der Höchsten Persönlichkeit Gottes erkennt, ohne
natürlicherweise alle anderen Untergeordneten, nämlich die die unpersönliche Leere als das endgültige Ziel zu
Intelligenz, der Geist und die Sinne, von selbst beschäftigt betrachten. Im materiellen Leben wird man mit Sicherheit
sein. In der Ka˜ha Upaniad gibt es einen Abschnitt, wo es von Neigungen zu Lust und dem Wunsch nach Herrschaft
heißt, daß die Objekte der Sinnenbefriedigung den Sinnen über die Schätze der materiellen Natur beeinflußt. Das
überlegen sind und daß der Geist über den Sinnesobjekten Begehren nach Herrschaft und die Begierde nach
steht. Wenn daher der Geist ständig direkt im Dienst des Sinnenbefriedigung sind die größten Feinde der bedingten
Herrn tätig ist, gibt es für die Sinne keine Möglichkeit, in Seele; doch durch die Stärke des KŠa-Bewußtseins kann
anderer Weise aktiv zu werden. Diese Geisteshaltung man die materiellen Sinne, den Geist und die Intelligenz
wurde schon erklärt. Wenn der Geist im transzendentalen beherrschen. Man sollte seine Arbeit und seine
Dienst des Herrn beschäftigt ist, hat er keine Möglichkeit, vorgeschriebenen Pflichten nicht plötzlich aufgeben, doch
niedrigen Neigungen nachzugehen. In der Ka˜ha Upaniad wenn man allmählich KŠa-Bewußtsein entwickelt, kann
wurde die Seele als mahān oder die Große beschrieben. man durch stetige Intelligenz, die auf die reine Identität
Folglich steht die Seele über allem, das heißt den gerichtet ist, in einer transzendentalen Stellung verankert
Sinnesobjekten, den Sinnen, dem Geist und der Intelligenz. werden, ohne von den materiellen Sinnen und dem Geist
Die wesensgemäße Stellung der Seele zu verstehen ist beeinflußt zu sein. Das ist die Essenz dieses Kapitels. Auf
daher die Lösung des ganzen Problems. der unreifen Stufe materieller Existenz können
Mit Intelligenz muß man die wesensgemäße Stellung der philosophische Spekulationen und künstliche Versuche, die
Seele herausfinden und dann den Geist immer im KŠa- Sinne durch die sogenannte Übung von yoga-Stellungen zu
Bewußtsein beschäftigen. Das löst das ganze Problem. kontrollieren, einem Menschen nicht helfen, spirituelles
Einem Spiritualisten, der neu ist, wird im allgemeinen Leben zu erlangen. Er muß durch höhere Intelligenz im
geraten, sich von den Objekten der Sinne fernzuhalten. KŠa-Bewußtsein geschult werden.
Man muß den Geist stärken, indem man die Intelligenz
benutzt. Wenn man kraft seiner Intelligenz den Geist im
93

Hiermit enden die Bhaktivedanta-Erläuterungen zum


Dritten Kapitel der Śrīmad Bhagavad-gītā mit dem Titel:
"Karma-yoga".
94

VIERTES KAPITEL "Laßt mich", sprach Brahmā, "Govinda [KŠa], die


Höchste Persönlichkeit Gottes, verehren, der die
ursprüngliche Person ist und unter dessen Anweisung die
Transzendentales Wissen Sonne, der König aller Planeten, unermeßliche Kraft und
Hitze annimmt. Die Sonne repräsentiert das Auge des
VERS 1 Herrn und folgt, Seinem Befehl gehorchend, ihrem Lauf."
Die Sonne ist der König aller Planeten, und der Sonnengott
śrī bhagavān uvāca (zur Zeit ist es Vivasvān) regiert den Sonnenplaneten, der
imaˆ vivasvate yogaˆ alle anderen Planeten beherrscht, indem er sie mit Wärme
proktavān aham avyayam und Licht versorgt. Die Sonne rotiert unter dem Befehl
vivasvān manave prāha KŠas, und Śrī KŠa machte ursprünglich Vivasvān zu
manur ikvākave'bravīt Seinem ersten Schüler, der die Wissenschaft von der
Bhagavad-gītā verstehen sollte. Die Gītā ist daher keine
śrī bhagavān uvāca—die Höchste Persönlichkeit Gottes spekulative Abhandlung für den unbedeutenden weltlichen
sprach; imam—dieses; vivasvate-den Sonnengott; yogam— Gelehrten, sondern ein Standardbuch des Wissens, das uns
die Wissenschaft von der Beziehung zum Höchsten; seit unvordenklichen Zeiten überliefert wird. Im Mahā-
proktavān—unterwies; aham—Ich; avyayam— bhārata (Śānti-parva 348.5l-52) können wir die
unvergängliche; vivasvān— Vivasvān (der Name des Geschichte der Gītā zurückverfolgen:
Sonnengottes); manave—dem Vater der Menschheit
(namens Vaivasvata); prāha—teilte mit; manuƒ—der Vater tretā-yugādau ca tato vivasvān manave dadau
der Menschheit; ikvākave-zu König Ikvāku; abravīt— manuś ca loka-bhty-arthaˆ sutāyekvākave dadau
sagte. ikvākuŠā ca kathito vyāpya lokān avasthitāƒ

ÜBERSETZUNG „Zu Beginn des Tretā-yuga wurde diese Wissenschaft von


der Beziehung zum Höchsten von Vivasvān an Manu
Der Segenspendende Herr sprach: Ich unterwies den weitergegeben. Manu, der Vater der Menschheit, lehrte sie
Sonnengott, Vivasvān, in dieser unvergänglichen seinem Sohn, Mahārāja Ikvāku, dem König der Erde und
Wissenschaft des yoga; Vivasvān unterwies Manu, den Vorvater der Raghu-Dynastie, in der Śrī Rāmacandra
Vater der Menschheit, darin, und Manu seinerseits erschien. In der menschlichen Gesellschaft gab es die
unterwies Ikvāku. Bhagavad-gītā also seit der Zeit Mahārāja Ikvākus."
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind erst 5 000 Jahre von
ERLÄUTERUNG den insgesamt 432 000 Jahren des Kali-yuga vergangen.
Vor diesem Zeitalter gab es das Dvāpara-yuga (864 000
Hier finden wir die Geschichte der Bhagavad-gītā, die sich Jahre) und davor das Tretā-yuga (l 296 000 Jahre). Manu
bis in ferne Zeiten zurückverfolgen läßt, als sie dem sprach die Bhagavad-gītā also vor etwa 2 165 000 Jahren
königlichen Stand, das heißt den Königen aller Planeten, zu seinem Sohn und Schüler Mahārāja Ikvāku, dem König
verkündet wurde. Diese Wissenschaft ist besonders für den des Planeten Erde. Das Zeitalter des gegenwenigen Manu
Schutz der Bevölkerung bestimmt, und daher sollte der wird auf eine Länge von etwa 305 300 000 Jahre geschätzt,
königliche Stand sie verstehen, um fähig zu sein, die von denen bisher 120 400 000 vergangen sind. Wenn man
Bürger zu regieren und vor der materiellen Fessel der Lust akzeptiert, daß die Gītā vor der Geburt Manus vom Herrn
zu beschützen. Das menschliche Leben ist dafür bestimmt, zu Seinem Schüler, dem Sonnengott Vivasvān, gesprochen
spirituelles Wissen in ewiger Beziehung zur Höchsten wurde, dann wurde die Gītā, nach einer groben Schätzung,
Persönlichkeit Gottes zu kultivieren, und die Oberhäupter vor mindestens 120 400 000 Jahren verkündet, und in der
aller Staaten und aller Planeten sind dazu verpflichtet, menschlichen Gesellschaft gab es sie für 2 000 000 Jahre.
dieses Wissen den Bürgern durch Erziehung, Kultur und Vor 5 000 Jahren sprach der Herr die Bhagavad-gītā erneut
Hingabe zu vermitteln. Mit anderen Worten: Die zu Arjuna. Das ist in groben Zügen die Geschichte der
Oberhäupter aller Staaten sollten die Wissenschaft des Gītā, nach den Aussagen der Gītā selbst und nach der
KŠa-Bewußtseins verbreiten, so daß die Menschen diese Version Śrī KŠas, des Sprechers. Sie wurde zum Sonnen-
große Wissenschaft nutzen und einem erfolgreichen Pfad gott Vivasvān gesprochen, da dieser ebenfalls ein katriya
folgen, indem sie die Gelegenheit der menschlichen Form und der Vater aller katriyas ist, die Nachkommen des
des Lebens wahrnehmen. Sonnengottes und damit sūrya-vaˆśa-katriyas sind. Weil
In diesem Zeitalter ist der Sonnengott als Vivasvān die Bhagavad-gītā den Veden gleichwertig ist, da sie von
bekannt, der König der Sonne, die der Ursprung aller der Höchsten Persönlichkeit Gottes gesprochen wurde,
Planeten im Sonnensystem ist. In der Brahmasaˆhitā wird ihr Wissen als apaurueya oder übermenschlich
(5.52) heißt es: bezeichnet. Und da die vedischen Unterweisungen ohne
menschliche Interpretation so akzeptiert werden, wie sie
yac-cakur ea savitā sakala-grahāŠāˆ sind, muß auch die Gītā ohne weltliche Interpretation
rājā samasta-sura-mūrttir aśea-tejāƒ akzeptiert werden. Weltliche Streithähne mögen über die
yasyājñayā bhramati sambhta-kālacakro Gītā in ihrer eigenen Weise spekulieren, aber was dabei
govindam ādi-puruaˆ tam ahaˆ bhajāmi herauskommt, ist nicht die Bhagavad-gītā, wie sie ist.
Daher muß die Bhagavad-gītā so akzeptiert werden, wie
95

sie ist, von der Schülernachfolge, und es ist hier VERS 3


beschrieben, daß der Herr zum Sonnengott sprach; der
Sonnengott sprach zu seinem Sohn Manu und Manu sprach sa evāyaˆ mayā te'dya
zu seinem Sohn Ikvāku. yogaƒ proktaƒ purātanaƒ
bhakto'si me sakhā ceti
VERS 2 rahasyaˆ hy etad uttamam

evaˆ paramparā-prāptam saƒ—die gleiche uralte; eva—gewiß; ayam—dieses;


imaˆ rājarayo viduƒ mayā—von Mir; te—zu dir; adya—heute; yogaƒ—die
sa kāleneha mahatā Wissenschaft des yoga; proktaƒ—gesprochen; purātanaƒ—
yogo na˜aƒ parantapa sehr alt; bhaktaƒ—Geweihter; asi—du bist; me—Mein;
sakhā—Freund; ca—auch; iti—daher; rahasyam—
evam—so; paramparā—Schülernachfolge; prāptam— Mysterium; hi—gewiß; etat—dieses; uttamam—
empfangen; imam—diese Wissenschaft; rājarayaƒ—die transzendentale.
heiligen Könige; viduƒ—verstanden; saƒ—dieses Wissen;
kālena—im Laufe der Zeit; iha—in dieser Welt; mahatā— ÜBERSETZUNG
von großen; yogaƒ—die Wissenschaft von der Beziehung
zum Höchsten; na˜aƒ—verstreut; parantapa—o Arjuna, Diese uralte Wissenschaft von der Beziehung zum
Bezwinger der Feinde. Höchsten wird dir heute von Mir mitgeteilt, weil du
Mein Geweihter und auch Mein Freund bist; deshalb
ÜBERSETZUNG kannst du das transzendentale Mysterium dieser
Wissenschaft verstehen.
Diese erhabene Wissenschaft wurde so durch die Kette
der Schülernachfolge empfangen, und die heiligen ERLÄUTERUNG
Könige verstanden sie auf diese Weise. Aber im Laufe
der Zeit wurde die Nachfolge unterbrochen, und daher Es gibt zwei Klassen von Menschen, nämlich den
scheint die Wissenschaft, wie sie ist, verloren zu sein. Gottgeweihten und den Dämon. Der Herr wählte Arjuna
zum Empfänger dieser großen Wissenschaft, weil Arjuna
ERLÄUTERUNG auf dem Wege war, ein Geweihter des Herrn zu werden;
für einen Dämonen ist es nicht möglich, diese große
Es heißt hier eindeutig, daß die Gītā besonders für die Geheimwissenschaft zu verstehen. Es gibt zahlreiche
heiligen Könige bestimmt war, da diese durch die Ausgaben dieses großen Buches des Wissens; einige sind
Herrschaft über die Bürger den Zweck der Gītā zu erfüllen von Gottgeweihten kommentiert und andere von Dämonen.
hatten. Die Bhagavad-gītā war niemals für dämonische Die Kommentare der Gottgeweihten sind autorisiert und
Menschen bestimmt, die ihren Wert zu niemandes Nutzen daher vorteilhaft, wohingegen die Kommentare der
zerstören und alle möglichen Interpretationen je nach Dämonen wertlos sind. Arjuna erkennt Śrī KŠa als die
Laune erfinden würden. Sobald der ursprüngliche Sinn Höchste Persönlichkeit Gottes an, und jeder Kommentar
durch die Motive skrupelloser Kommentatoren entstellt zur Gītā, der in die Fußstapfen Arjunas tritt, ist wirklicher
war, entstand die Notwendigkeit, die Schülernachfolge zu hingebungsvoller Dienst im Interesse dieser bedeutenden
erneuern. Vor 5000 Jahren bemerkte der Herr Selbst, daß Wissenschaft. Dämonische Menschen dagegen erfinden
die Schulernachfolge unterbrochen war, und erklärte daher, etwas über KŠa und bringen die öffentlichen und
daß der Zweck der Bhagavad-gītā verloren zu sein schien. allgemeinen Leser vom Pfad der Unterweisungen KŠas
In ähnlicher Weise gibt es auch heutzutage so viele ab. Man sollte versuchen, der von Arjuna ausgehenden
Ausgaben der Gītā (besonders im Englischen), aber fast Schülernachfolge zu folgen, und so einen großen Nutzen
alle stimmten nicht mit den Lehren der autorisierten gewinnen.
Schülernachfolge überein. Es gibt zahllose Interpretationen
der verschiedensten weltlichen Gelehrten, doch fast alle VERS 4
akzeptieren die Höchste Persönlichkeit Gottes, KŠa,
nicht, wenngleich sie mit den Worten Śrī KŠas ein gutes arjuna uvāca
Geschäft machen. Dieser Geist ist dämonisch, denn aparaˆ bhavato janma
Dämonen glauben nicht an Gott, aber genießen das paraˆ janma vivasvataƒ
Eigentum des Höchsten. Da für eine Ausgabe der Gītā, so katham etad vijānīyāˆ
wie sie durch das paramparā-System (die tvam ādau proktavān iti
Schülernachfolge) empfangen worden ist, eine dringende
Notwendigkeit besteht, wird hiermit der Versuch arjunaƒ uvāca—Arjuna sagte; aparam—jünger;
unternommen, diesem großen Mangel abzuhelfen. Die bhavataƒ—Deine; janma—Geburt; param—älter; janma—
Bhagavad-gītā — so akzeptiert, wie sie ist — ist ein großer Geburt; vivasvataƒ—des Sonnengottes; katham—wie;
Segen für die Menschheit; wenn sie aber als eine etat—dieses; vijānīyām—soll ich verstehen; tvam—Du;
Abhandlung philosophischer Spekulationen verstanden ādau—am Anfang; proktavān—unterwiesest; iti—so.
wird, ist sie nur eine Zeitverschwendung.
ÜBERSETZUNG
96

Arjuna sagte: Der Sonnengott Vivasvān ist von Geburt śrī bhagavān uvāca
her älter als Du. Wie ist es zu verstehen, daß Du ihn am bahūni me vyatītāni
Anfang in dieser Wissenschah unterwiesen hast? janmāni tava cārjuna
tāny ahaˆ veda sarvāŠi
ERLÄUTERUNG na tvaˆ vettha parantapa

Arjuna ist ein anerkannter Geweihter des Herrn, wie śrī bhagavān uvāca—die Persönlichkeit Gottes sprach;
konnte er also KŠas Worten keinen Glauben schenken? bahūni—viele; me—Meiner; vyatītāni—sind vergangen;
Tatsache ist, daß Arjuna nicht für sich selbst fragte, janmāni—Geburten; tava—deiner; ca—und auch; arjuna—
sondern für diejenigen, die nicht an die Höchste o Arjuna; tāni—all diese; aham—Ich; veda—weiß;
Persönlichkeit Gottes glauben, oder die Dämonen, denen sarvāŠi—alle; na—nicht; tvam—du selbst; vettha—weißt;
die Vorstellung nicht behagt, daß KŠa als die Höchste parantapa—o Bezwinger des Feindes.
Persönlichkeit Gottes anerkannt werden soll. Nur für sie
fragt Arjuna so, als wäre er sich selbst nicht der ÜBERSETZUNG
Persönlichkeit Gottes oder KŠas bewußt. Wie im Zehnten
Kapitel deutlich wird, wußte Arjuna sehr wohl, daß KŠa Der Segenspendende Herr sprach: Viele, viele Geburten
die Höchste Persönlichkeit Gottes, der Urquell allen Seins haben sowohl du als auch Ich hinter uns. Ich kann Mich
und das höchste Prinzip in der Transzendenz ist. Natürlich an sie alle erinnern, doch du kannst es nicht, o
erschien KŠa auch als der Sohn Devakīs auf dieser Erde. Bezwinger des Feindes.
Wie KŠa dieselbe Höchste Persönlichkeit Gottes, die
ewige, ursprüngliche Person, blieb, ist für einen ERLÄUTERUNG
gewöhnlichen Menschen sehr schwer zu verstehen. Um
daher diesen Punkt zu klären, stellte Arjuna KŠa diese Die Brahma-saˆhitā gibt uns über sehr viele Inkarnationen
Frage, so daß der Herr Selbst als Autorität darüber des Herrn Auskunft. Es heißt dort (Bs. 5.33):
sprechen konnte. Daß KŠa die höchste Autorität ist, wird
von der ganzen Welt akzeptiert — nicht nur heute, sondern advaitam acyutam anādim ananta-rūpam
seit unvordenklichen Zeiten —, und nur die Dämonen ādyaˆ purāŠa-puruaˆ nava-yauvanaˆ ca
lehnen Ihn ab. Wie dem auch sei, da KŠa die von allen vedeu durllabham adurllabham ātma-bhaktau
anerkannte Autorität ist, stellte Arjuna Ihm diese Frage, govindam ādi-puruaˆ tam aham bhajāmi
damit KŠa Sich Selbst beschreiben konnte, ohne von den
Dämonen beschrieben zu werden, die Ihn so zu verzerren "Ich verehre Govinda [KŠa], die Höchste Persönlichkeit
versuchen, daß Er den Dämonen und ihren Anhängern Gottes, der die ursprüngliche Person ist — absolut,
verständlich ist. Es ist für jeden in seinem eigenen unfehlbar, ohne Anfang, obwohl in unzählige Formen
Interesse notwendig, die Wissenschaft von KŠa zu erweitert, dennoch der gleiche Ursprüngliche, der Älteste
kennen. Es ist daher für alle Welten segensreich, wenn und die Person, die immer in blühender Jugend erscheint.
KŠa Selbst über Sich spricht. Den Dämonen mögen Solch ewige, glückselige, allwissende Formen des Herrn
solche Erklärungen von KŠa Selbst fremd erscheinen, da werden gewöhnlich nicht einmal von den besten vedischen
die Dämonen KŠa immer nur von ihrem eigenen Gelehrten verstanden, doch reinen, unverfälschten
Standpunkt aus betrachten; aber die Gottgeweihten Gottgeweihten sind sie immer sichtbar."
begrüßen die Erklärungen KŠas, wenn sie von Ihm Selbst
gesprochen werden, mit großer Freude. Die Gottgeweihten In der Brahma-saˆhitā (5.39) heißt es auch:
werden solche autoritativen Aussagen KŠas stets
verehren, weil sie immer begierig sind, mehr und mehr rāmādi mūrttiu kalā-niyamena ti˜han
über Ihn zu erfahren. Die Atheisten, die KŠa für einen nānāvatāram akarod bhuvaneu kintu
gewöhnlichen Menschen halten, mögen auf diese Weise zu kŠaƒ svayaˆ samabhavat paramaƒ pumān yo
dem Verständnis kommen, daß KŠa übermenschlich ist, govindam ādi-puruaˆ tam ahaˆ bhajāmi
daß Er sac-cid-ānanda-vigraha ist — die ewige Gestalt der
Glückseligkeit und des Wissens —, daß Er transzendental "Ich verehre Govinda [KŠa], die Höchste Persönlichkeit
ist und daß Er über dem Herrschaftsbereich der Gottes, der Sich immer in vielfachen Inkarnationen wie
Erscheinungsweisen der materiellen Natur und über dem Rāma und Nsiˆha und auch vielen Sub-Inkarnationen
Einfluß von Raum und Zeit steht. Ein Geweihter KŠas; befindet, der aber die ursprüngliche Persönlichkeit Gottes,
wie Arjuna, steht zweifellos über jedem Mißverständnis bekannt als KŠa, ist und der Sich auch persönlich
der transzendentwen Stellung KŠas. inkarniert."
Daß Arjuna dem Herrn diese Frage stellt, ist nichts weiter Auch in den Veden wird gesagt, daß Sich der Herr, obwohl
als ein Versuch des Gottgeweihten, der atheistischen Einer ohne einen Zweiten, in unzähligen Formen
Haltung jener Menschen zu begegnen, die KŠa für einen manifestiert. Er ist wie der vaidurya-Stein, der seine Farbe
gewöhnlichen Menschen halten, der den wechselt, aber dennoch der gleiche bleibt. All diese
Erscheinungsweisen der materiellen Natur unterworfen ist. vielfaltigen Formen werden von den reinen, unverfälschten
Gottgeweihten verstanden, jedoch nicht durch ein
VERS 5 einfaches Studium der Veden: vedeu durllabham
97

adurllabham ātmabhaktau. Gottgeweihte wie Arjuna sind ajaƒ—ungeboren; api—obwohl; san—so beschaffen sein;
ständige Gefährten des Herrn, und wann immer Sich der avyaya—ohne Verfall; ātmā—Körper; bhūtānām—all jene,
Herr inkarniert, inkarnieren sich auch Seine Ihm die geboren sind; īśvaraƒ—der Höchste Herr; api—
beigesellten Geweihten, um dem Herrn in verschiedenen obwohl; san—so beschaffen; praktim—transzendentale
Eigenschaften zu dienen. Arjuna ist einer dieser Gestalt; svām—von Mir; adhi˜hāya—weil Ich so bin;
Gottgeweihten, und aus diesem Vers läßt sich ersehen, daß sambhavāmi—Ich inkarniere Mich; ātma-māyayā—durch
vor einigen Millionen von Jahren, als Śrī KŠa die Meine innere Energie.
Bhagavad-gītā zum Sonnengott Vivasvān sprach, auch
Arjuna, in einer anderen Form, gegenwärtig war. Der ÜBERSETZUNG
Unterschied zwischen dem Herrn und Arjuna besteht darin,
daß der Herr Sich an dieses Ereignis erinnerte, wohingegen Obgleich Ich ungeboren bin und Mein transzendentaler
Arjuna sich nicht daran erinnern konnte. Das ist der Unter- Körper niemals vergeht und obwohl Ich der Herr aller
schied zwischen dem winzigen, teilhaften Lebewesen und fühlenden Wesen bin, erscheine Ich in jedem Zeitalter
dem Höchsten Herrn. Obwohl Arjuna hier als mächtiger in Meiner ursprünglichen transzendentalen Gestalt.
Held bezeichnet wird, der die Feinde bezwingen konnte,
vermag er sich nicht an das zu erinnern, was sich in seinen ERLÄUTERUNG
verschiedenen vergangenen Geburten ereignet hatte. Ein
Lebewesen kann daher, ganz gleich, wie bedeutend es nach Der Herr hat über die Besonderheit Seiner Geburt
materiellen Maßstäben sein mag, dem Höchsten Herrn gesprochen: Obwohl Er wie ein gewöhnlicher Mensch
niemals gleichkommen. Jeder, der ein ständiger Begleiter erscheinen mag, erinnert Er Sich an alles, was während
des Herrn ist, ist gewiß eine befreite Seele, doch kann er Seiner vielen, vielen vergangenen "Geburten" geschah,
dem Herrn nicht ebenbürtig sein. In der Brahma-saˆhitā wohingegen sich ein gewöhnlicher Mensch nicht einmal an
(5.33) wird der Herr als unfehlbar (acyuta) beschrieben, das erinnern kann, was er vor ein paar Stunden getan hat.
was bedeutet, daß Er Sich Selbst niemals vergißt, auch Wenn jemand gefragt wird, womit er vor einem Tag zu
dann nicht, wenn Er mit der Materie in Berührung kommt. genau der gleichen Zeit beschäftigt war, würde es einem
Deshalb können der Herr und das Lebewesen niemals in gewöhnlichen Menschen sehr schwerfallen, sofort eine
jeder Hinsicht gleich sein, selbst wenn das Lebewesen so Antwort zu geben. Er müßte sicherlich sein Gedächtnis
befreit ist wie Arjuna. Obwohl Arjuna ein Geweihter des durchforschen, um sich zu erinnern, was er vor einem Tag
Herrn ist, vergißt er manchmal das Wesen des Herrn; aber zu genau der gleichen Zeit getan hat. Und dennoch wagen
durch die göttliche Gnade KŠas kann ein Gottgeweihter viele Menschen zu behaupten, sie seien Gott bzw. KŠa.
sogleich das unfehlbare Wesen des Höchsten verstehen, Man sollte sich von solch bedeutungslosen Behauptungen
wohingegen ein Nichtgottgeweihter oder Dämon dieses nicht irreführen lassen.
transzendentale Wesen nicht verstehen kann. Folglich Als nächstes erklärt der Herr Seine prakti oder Gestalt.
können diese Beschreibungen in der Gītā von dämonischen Prakti bedeutet sowohl Natur als auch svarūpa oder
Gehirnen nicht verstanden werden. KŠa erinnerte Sich an Gestalt. Der Herr sagt, daß Er in Seinem Ihm eigenen
Handlungen, die von Ihm vor Millionen von Jahren ausge- Körper erscheint. Er wechselt Seinen Körper nicht wie das
führt wurden, doch Arjuna konnte es nicht, obgleich gewöhnliche Lebewesen, das von einem Körper zum
sowohl KŠa als auch Arjuna dem Wesen nach ewig sind. anderen wandert. Die bedingte Seele mag im jetzigen
Hieraus können wir ebenfalls ersehen, daß ein Lebewesen Leben eine bestimmte Form des Körpers haben, doch hat
alles vergißt, weil es seinen Körper wechselt, der Herr Sich sie im nächsten Leben einen anderen Körper. In der
jedoch an alles erinnert, weil sich Sein materiellen Welt besitzt das Lebewesen keinen festen
sac-cid-ānanada-Körper niemals wandelt. Er ist advaita, Körper, sondern wandert von einem Körper zum anderen.
was bedeutet, daß kein Unterschied zwischen Seinem Der Herr jedoch tut dies nicht. Wann immer Er erscheint,
Körper und Ihm Selbst besteht. Alles mit Ihm Verbundene erscheint Er durch Seine innere Kraft in dem gleichen
ist spirituell, während die bedingte Seele von ihrem ursprünglichen Körper. Mit anderen Worten: KŠa
materiellen Körper verschieden ist. Und weil der Körper erscheint in dieser materiellen Welt in Seiner
und das Selbst des Herrn identisch sind, unterscheidet sich ursprünglichen, ewigen Gestalt, mit zwei Händen, eine
Seine Stellung immer von der des gewöhnlichen Flöte haltend. Er erscheint genau so, wie Er ist, in Seinem
Lebewesens, auch wenn Er auf die materielle Ebene ewigen Körper, unberührt von der materiellen Welt.
herabsteigt. Die Dämonen können sich auf dieses Obwohl Er in dem gleichen transzendentalen Körper
transzendentale Wesen des Herrn nicht einstellen, wie der erscheint und der Herr des Universums ist, scheint es
Herr im folgenden Vers erklärt. dennoch, als werde Er wie ein gewöhnliches Lebewesen
geboren. Trotz der Tatsache, daß Śrī KŠa vom Kind zum
VERS 6 Knaben und vom Knaben zum Jüngling heranwächst, wird
Er doch erstaunlicherweise niemals älter als ein Jüngling.
ajo'pi sann avyayātmā Als die Schlacht von Kuruketra stattfand, hatte Er daheim
bhūtānām īśvaro'pi san viele Enkel, das heißt, nach materieller Berechnung hatte
praktiˆ svām adhi˜hāya Er bereits ein hohes Alter erreicht. Dennoch sah Er aus wie
sambhavāmy ātma-māyayā ein Jüngling von zwanzig oder fünfundzwanzig Jahren.
Wir sehen niemals ein Bild, das KŠa als alten Mann
zeigt, da Er niemals alt wird wie wir, obwohl Er — in
98

Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft — der Älteste in


der ganzen Schöpfung ist. Weder Sein Körper noch Seine Wann immer und wo immer das religiöse Leben verfällt
Intelligenz vergehen oder wandeln sich jemals. Daher ist es und Irreligiosität überhandnimmt, o Nachkomme
klar, daß Er, obwohl in der materiellen Welt, immer Bhāratas, zu der Zeit erscheine Ich.
dieselbe ungeborene, ewige Gestalt der Glückseligkeit und
des Wissens ist, unwandelbar in Seinem transzendentalen ERLÄUTERUNG
Körper und Seiner transzendentalen Intelligenz. Er ähnelte
in Seinem Erscheinen und Fortgehen der Sonne, die Das Wort sjāmi ist hier von Bedeutung. Sjāmi kann nicht
aufgeht, vor uns am Himmel wandert und dann wieder im Sinne von "Schöpfung" verstanden werden, denn dem
unserer Sicht entschwindet. Wenn die Sonne außer Sicht vorherigen Vers zufolge wird die Form oder der Körper
ist, denken wir, daß die Sonne untergegangen sei, und des Herrn niemals erschaffen, da all Seine Formen ewig
wenn die Sonne unseren Augen sichtbar wird, denken wir, bestehen. Deshalb bedeutet sjāmi, daß Sich der Herr so
die Sonne erscheine am Horizont. In Wirklichkeit jedoch manifestiert, wie Er ist. Obwohl der Herr nach Plan
befindet sich die Sonne immer in ihrer festen Position, aber erscheint, nämlich am Ende des Dvāpara-yuga des
weil unsere Sinne fehlerhaft und unzureichend sind, glau- achtundzwanzigsten Zeitalters des achten Manu, das heißt
ben wir, die Sonne am Himmel erscheine und verschwinde. einmal an einem Tag Brahmās, ist Er nicht verpflichtet,
Weil sich nun das Erscheinen und Fortgehen KŠas von solche Regeln und Regulierungen einzuhalten, denn es
dem eines gewöhnlichen Lebewesens grundsätzlich steht Ihm völlig frei, nach Seinem Willen in vieler Weise
unterscheidet, ist es offensichtlich, daß Er durch Seine zu handeln. Er erscheint daher nach Seinem Willen immer
innere Kraft ewiges, glückseliges Wissen ist — Er wird dann, wenn Irreligiosität zunimmt und wahre Religion
daher niemals von der materiellen Natur verunreinigt. verschwindet. Die Prinzipien der Religion sind in den
Auch die Veden bestätigen, daß der Herr, die Höchste Veden festgelegt, und jede Abweichung von der richtigen
Persönlichkeit Gottes, ungeboren ist, aber dennoch Ausführung der vedischen Regeln macht einen Menschen
erscheint es, als werde Er in vielfältigen Manifestationen irreligiös. Im Bhāgavatam wird erklärt, daß solche
geboren. Auch die Schriften, welche die Veden ergänzen, Prinzipien die Gesetze des Herrn sind. Allein der Herr
bestätigen, daß der Herr niemals Seinen Körper wechselt, kann ein System der Religion schaffen. Es wird ebenfalls
obwohl Er anscheinend geboren wird. Im anerkannt, daß der Herr die Veden ursprünglich Brahmā
Śrīmad-Bhāgavatam wird beschrieben, wie Er vor Seiner durch dessen Herz offenbarte. Deshalb sind die Prinzipien
Mutter als NārāyaŠa erscheint, mit vier Händen und den des dharma oder der Religion die direkten Anweisungen
Schmuckstücken der sechs Arten umfassender Reichtumer. der Höchsten Persönlichkeit Gottes (dharmaˆ tu
Nach dem Viśvakośa-Wörterbuch ist Sein Erscheinen in sākāt-bhagavat-praŠītam; SB. 6.3.19). Auf diese
Seiner ursprünglichen ewigen Gestalt Seine grundlose Prinzipien wird überall in der Bhagavad-gītā klar
Barmherzigkeit. Der Herr ist Sich all Seines hingewiesen. Es ist der Zweck der Veden, solche
vorangegangenen Erscheinens und Fortgehens bewußt, Prinzipien nach Anweisung des Herrn festzulegen, und der
während ein gewöhnliches Lebewesen alles vergißt, was Herr erklärt am Schluß der Gītā, daß das höchste Prinzip
mit seinem vergangenen Körper zu tun hat, sobald es einen der Religion darin besteht, sich Ihm allein zu ergeben. Die
neuen Körper bekommt. Er ist der Herr aller Lebewesen, vedischen Prinzipien führen einen zur Ergebung gegenüber
weil Er wunderbare und übermenschliche Taten vollbringt, dem Herrn, und wann immer diese Prinzipien von
während Er auf dieser Erde weilt. Daher ist der Herr immer dämonischen Menschen gestört werden, erscheint der Herr.
die gleiche Absolute Wahrheit, und es besteht kein Aus dem Bhāgavatam erfahren wir, daß Buddha eine
Unterschied zwischen Seiner Gestalt und Ihm Selbst oder Inkarnation KŠas ist, die erschien, als der Materialismus
zwischen Seinen Eigenschaften und Seinem Körper. Es überhandnahm und die Materialisten die Autorität der
mag sich nun die Frage stellen, weshalb der Herr in dieser Veden zum Vorwand nahmen, unschuldige Tiere zu
Welt erscheint und wieder fortgeht. Dies wird im nächsten schlachten. Obwohl es in den Veden gewisse
Vers erklärt. einschränkende Regeln und Vorschriften gibt, die sich auf
Tieropfer beziehen, die nur für bestimmte Zwecke
VERS 7 durchgeführt werden, brachten Menschen mit dämonischen
Neigungen diese Tieropfer dar, ohne sich nach den
yadā yadā hi dharmasya vedischen Prinzipien zu richten. Buddha erschien daher,
glānir bhavati bhārata um diesem unsinnigen Tun ein Ende zu bereiten und die
abhyutthānam adharmasya vedischen Grundsätze der Gewaltlosigkeit einzuführen.
tadātmānaˆ sjāmyaham Jeder einzelne avatāra (Inkarnation des Herrn) hat also
eine bestimmte Mission, und sie werden alle in den
yadā—wann immer; yadā—wo immer; hi—gewiß; offenbarten Schriften beschrieben. Niemand sollte als
dharmasya—der Religion; glāniƒ—Abweichung; bhavati— avatāra anerkannt werden, wenn er nicht in den Schriften
sich manifestiert; bhārata—o Nachkomme Bhāratas; erwähnt wird. Es ist nicht so, daß der Herr nur in Indien
abhyutthānam—Vorherrschaft; adharmasya—der erscheint. Er kann überall und zu jeder Zeit erscheinen. In
Irreligiosität; tadā—dieser Zeit; ātmānam—Selbst; jeder Inkarnation offenbart Er so viel über Religion, wie es
sjāmi—manifestiert; aham—Ich. von bestimmten Menschen unter ihren bestimmten
Umständen verstanden werden kann. Aber die Mission ist
ÜBERSETZUNG immer dieselbe, nämlich die Menschen zum
99

Gottesbewußtsein und zum Gehorsam gegenüber den vernichten, wie Er es bei den Dämonen Rāvana und Kaˆsa
Prinzipien der Religion zu führen. Manchmal steigt der tat. Der Herr hat viele Helfer, die durchaus imstande sind,
Herr persönlich herab, und manchmal schickt Er Seinen Dämonen zu töten. Er steigt jedoch besonders herab, um
echten Stellvertreter in der Form Seines Sohnes oder Seinen reinen Geweihten, die immer von den dämonischen
Dieners, und manchmal erscheint Er Selbst in einer Menschen verfolgt werden, Erleichterung zu verschaffen.
verkleideten Form. Der Dämon verfolgt den Gottgeweihten, selbst wenn der
Die Prinzipien der Bhagavad-gītā wurden Arjuna und letztere ein naher Verwandter ist. Obwohl Prahlāda
damit auch anderen hochstehenden Menschen verkündet, Mahārāja der Sohn HiraŠyakaśipus war, wurde er von
weil Arjuna, im Vergleich zu gewöhnlichen Menschen in seinem Vater verfolgt, und obwohl Devakī, KŠas Mutter,
anderen Teilen der Welt, weit fortgeschritten war. Daß die Schwester Kaˆsas war, wurden sie und ihr Ehemann
zwei und zwei gleich vier ist, ist ein mathematisches Vasudeva verfolgt, nur weil KŠa von ihnen geboren
Prinzip, das sowohl beim einfachen Rechnen als auch in werden sollte. Śrī KŠa erschien also hauptsächlich, um
der höheren Arithmetik gilt; dennoch gibt es höhere und Devakī zu retten, und weniger, um Kaˆsa zu töten, doch
niedere Mathematik. Alle Inkarnationen des Herrn lehren tat Er beides gleichzeitig. Deshalb heißt es hier, daß der
daher die gleichen Prinzipien, doch den verschiedenen Herr in verschiedenen Inkarnationen erscheint, um die
Umständen entsprechend erscheinen ihre Lehren auf einer Gottgeweihten zu erretten und die dämonischen Halunken
höheren oder niederen Ebene. Wie später noch erklärt zu vernichten.
werden wird, beginnen die höheren Prinzipien der Im Caitanya-caritāmta von KŠadāsa Kavirāja fassen die
Religion, wenn man die vier Unterteilungen und Stufen des folgenden Verse diese Grundsätze hinsichtlich der
sozialen Lebens akzeptiert. Die einzige Aufgabe einer Inkarnationen zusammen:
Inkarnation besteht darin, überall KŠa-Bewußtsein zu
erwecken. Daß dieses Bewußtsein einmal sichtbar und ein s˜i-hetu yei mūrti prapañce avatare
anderes Mal nicht sichtbar ist, liegt allein an den jeweiligen sei īśvara-mūrti 'avatāra' nāma dhare
Umständen.
māyātita paravyome savāra avasthāna
VERS 8 viśve 'avatāri' dhare 'avatāra' nāma

paritrāŠāya sādhūnāˆ "Eine Form des Herrn, die in die materielle Welt
vināśāya ca duktām hinabsteigt, um zu erschaffen, wird als avatāra oder
dharma-saˆsthāpanārthāya Inkarnation bezeichnet. Alle Erweiterungen Śrī KŠas sind
sambhavāmi yuge yuge eigentlich Bewohner der spirituellen Welt. Wenn sie
jedoch in die materielle Welt hinabsteigen, nennt man sie
paritrāŠāya—zur Errettung; sādhūnām—der Inkarnationen [avatāras]." (Cc. Madhya 20.263-264)
Gottgeweihten; vināśāya—zur Vernichtung; ca—auch; Es gibt verschiedene Arten von avatāras, wie zum Beispiel
duktām—der Schurken; dharma—Prinzipien der purua-avatāras, guŠa-avatāras, līla-avatāras,
Religion; saˆsthāpana-arthāya—um zu erneuern; śaktyāveśa-avatāras, manvantara-avatāras und
sambhavāmi—Ich erscheine; yuge—Zeitalter; yuge—nach yuga-avatāras, die alle in einer bestimmten Reihenfolge
Zeitalter. überall im Universum erscheinen. KŠa aber ist der urerste
Herr, der Ursprung aller avatāras. Śrī KŠa erscheint mit
ÜBERSETZUNG der besonderen Absicht, die begierige Erwartung der
reinen Gottgeweihten zu erfüllen, die sich sehr danach
Um die Frommen zu erretten und die Schurken zu sehnen, Ihn bei Seinen ursprünglichen Spielen in
vernichten und um die Prinzipien der Religion wieder Vndavana zu sehen. Daher ist es der Hauptzweck des
einzuführen, erscheine Ich Zeitalter nach Zeitalter. KŠa-avatāra, Seine reinen Geweihten zu erfreuen.
Der Herr sagt, daß Er Sich in jedem Zeitalter inkarniert.
ERLÄUTERUNG Dies deutet darauf hin, daß Er Sich auch im Zeitalter des
Kali inkarniert. Wie es im Śrīmad-Bhāgavatam heißt, ist
Nach den Lehren der Bhagavad-gītā ist ein sādhu oder die Inkarnation im Zeitalter des Kali Śrī Caitanya
Heiliger ein Mensch im KŠa-Bewußtsein. Ein Mensch Mahāprabhu, der die Verehrung KŠas durch die
mag irreligiös erscheinen, doch wenn er voll und ganz die sa‰kīrtana-Bewegung predigte und KŠa-Bewußtsein in
Qualifikationen eines KŠa-bewußten Menschen hat, muß ganz Indien verbreitete. Er sagte voraus, daß sich die
er als sādhu angesehen werden. Duktam bezieht sich auf Kultur des sa‰kīrtana überall auf der Welt, von Stadt zu
jemand, der für KŠa-Bewußtsein nichts übrig hat. Selbst Stadt und von Dorf zu Dorf, verbreiten werde. In den
wenn solche Halunken (duktam) mit weltlicher Bildung vertraulichen Teilen der offenbarten Schriften, wie den
dekoriert sein mögen, werden sie als Dummköpfe und die Upaniaden, dem Mahābhārata und dem Bhāgavatam, ist
Niedrigsten der Menschheit bezeichnet, wohingegen Śrī Caitanya geheim, nicht direkt als die Inkarnation
jemand anders, der hundertprozentig im KŠa-Bewußtsein KŠas, der Persönlichkeit Gottes, beschrieben. Die
tätig ist, als sādhu angesehen wird, auch wenn ein solcher Geweihten Śrī KŠas fühlen sich zur
Mensch weder gelehrt noch sehr gebildet sein mag. Was saŠkīrtana-Bewegung Śrī Caitanyas sehr hingezogen.
die Atheisten betrifft, so ist es für den Höchsten Herrn Dieser avatāra des Herrn tötete die Halunken nicht,
nicht notwendig, persönlich zu erscheinen, um sie zu
100

sondern erlöst sie durch die grundlose Barmherzigkeit des Diese vedische Aussage wird in dem vorliegenden Vers
Herrn. der Gīta vom Herrn persönlich bestätigt. Wer diese
Wahrheit aufgrund der Autorität der Veden und der
VERS 9 Höchsten Persönlichkeit Gottes akzeptiert und seine Zeit
nicht mit philosophischen Spekulationen verschwendet,
janma karma ca me divyam erreicht die am höchsten vervollkommnete Stufe der
evaˆ yo vetti tattvataƒ Befreiung. Indem man diese Wahrheit einfach
tyaktvā dehaˆ punar janma vertrauensvoll akzeptiert, kann man ohne Zweifel
naiti mām eti so'rjuna Befreiung erlangen. In diesem Falle läßt sich das "tat tvam
asi" der Veden wirklich anwenden. Jeder, der versteht, daß
janma—Geburt; karma—Tun; ca—auch; me—von Mir; Śrī KŠa der Höchste ist, oder zum Herrn sagt "Du bist
divyam—transzendental; evam—wie dieses; yaƒ—jeder, das Höchste Brahman, die Persönlichkeit Gottes", ist gewiß
der; vetti—kennt; tattvataƒ—in Wirklichkeit; tyaktvā— augenblicklich befreit, und folglich ist sein Eintritt in die
beiseite lassend; deham—diesen Körper; punaƒ—wieder; transzendentale Gemeinschaft des Herrn garantiert. Mit
janma—Geburt; na—niemals; eti—erlangt; mām—zu Mir; anderen Worten: Solch ein gläubiger Geweihter des Herrn
eti—gelangt; saƒ—er; arjuna—o Arjuna. erreicht die Vollkommenheit, und das wird durch die
folgende vedische Erklärung bestätigt:
ÜBERSETZUNG
tam eva viditvātimtyumeti nānyaƒ panthā vidyate ayanāya
Wer die transzendentale Natur Meines Erscheinens und
Meiner Taten kennt, wird nach Verlassen des Körpers Man kann die vollkommene Stufe der Befreiung von
nicht wieder in dieser materiellen Welt geboren, Geburt und Tod erreichen, indem man einfach den Herrn,
sondern gelangt in Mein ewiges Reich, o Arjuna. die Höchste Persönlichkeit Gottes, kennt. Es gibt keine
andere Möglichkeit, denn jeder, der Śrī KŠa nicht als die
ERLÄUTERUNG Höchste Persönlichkeit Gottes versteht, befindet sich mit
Sicherheit in der Erscheinungsweise der Unwissenheit.
Das Herabkommen des Herrn aus Seinem transzendentalen Folglich wird er keine Erlösung erlangen, wenn er nur
Reich wurde schon im sechsten Vers erklärt. Wer die sozusagen von außen am Honigtopf leckt, das heißt die
Wahrheit des Erscheinens der Persönlichkeit Gottes Bhagavad-gītā im Licht weltlicher Gelehrsamkeit
verstehen kann, ist damit bereits aus der materiellen interpretiert. Solche empirischen Philosophen mögen in der
Knechtschaft befreit und kehrt daher sogleich nach materiellen Welt sehr wichtige Rollen spielen, doch macht
Verlassen dieses gegenwärtigen materiellen Körpers in das sie das noch lange nicht geeignet, befreit zu werden. Solch
Königreich Gottes zurück. Eine solche Befreiung des blasierte weltliche Gelehrte müssen auf die grundlose
Lebewesens aus der materiellen Gefangenschaft ist Barmherzigkeit des Gottgeweihten warten. Man sollte
keineswegs einfach. Die Unpersönlichkeitsphilosophen daher KŠa-Bewußtsein mit Glauben und Wissen
und die yogīs erreichen Befreiung nur nach vielen kultivieren und auf diese Weise die Vollkommenheit errei-
Schwierigkeiten und vielen, vielen Geburten. Aber selbst chen.
dann ist die Befreiung, die sie erreichen — sie
verschmelzen mit dem unpersönlichen brahmajyoti des VERS 10
Herrn — nur teilhaft, und es besteht die Gefahr, daß sie
wieder in die materielle Welt zurückkehren. Der vīta-rāga-bhaya-krodhā
Gottgeweihte jedoch gelangt nach Verlassen des man-mayā mām upāśritāƒ
materiellen Körpers in das Reich des Herrn, indem er bahavo jñāna-tapasā
einfach die transzendentale Natur des Körpers und der pūtā mad-bhāvam āgatāƒ
Taten des Herrn versteht, und so läuft er nicht Gefahr,
wieder in die materielle Welt zurückzukehren. In der vīta—befreit von; rāga—Anhaftung; bhaya—Angst;
Brahma-saˆhitā (5.33) wird gesagt, daß der Herr zahllose krodhāƒ—Zorn; mat-mayā— völlig in Mir; mām—Mich;
Formen und Inkarnationen hat: advaitam acyutam anādim upāśritāƒ—völlig verankert; bahavaƒ—viele; jñāna—
ananta-rūpam. Obwohl es viele transzendentale Formen Wissen; tapasā—durch tapasya; pūtāƒ—geläutert;
des Herrn gibt, sind sie alle ein und dieselbe Höchste mat-bhāvam—transzendentale Liebe zu Mir; āgātāƒ—
Persönlichkeit Gottes. Man muß diese Tatsache mit erlangten.
Überzeugung verstehen, obwohl sie weltlichen Gelehrten
und empirischen Philosophen unbegreiflich ist. In den ÜBERSETZUNG
Veden heißt es:
Befreit von Anhaftung, Angst und Zorn, völlig in
eko devo nitya-līlānurakto bhakta-vyāpī hdy antarātmā Gedanken an Mich versunken und bei Mir Zuflucht
suchend, wurden viele, viele Menschen in der
"Der eine Herr, die Höchste Persönlichkeit Gottes, tauscht Vergangenheit durch Wissen über Mich geläutert —
ewig in vielen, vielen transzendentalen Formen mit Seinen und so erlangten sie alle transzendentale Liebe zu Mir.
reinen Geweihten Beziehungen aus."
ERLÄUTERUNG
101

tato 'nartha-nivttiƒ syāt tato ni˜hā rucis tataƒ


Wie oben beschrieben, ist es für einen Menschen, der zu athāsaktis tato bhāvas tataƒ premābhyudañcati
sehr an materiellen Dingen hängt, sehr schwierig, das sādhakānām ayaˆ premŠaƒ prādurbhāve bhavet kramaƒ
persönliche Wesen der Höchsten Absoluten Wahrheit zu
verstehen. Im allgemeinen sind Menschen, die an der "Am Anfang muß ein vorbereitender Wunsch nach
körperlichen Auffassung vom Leben haften, so sehr in Selbstverwirklichung vorhanden sein. Dies wird einen auf
Materialismus versunken, daß es für sie fast unmöglich ist die Stufe führen, den Versuch zu unternehmen, mit
zu verstehen, daß es einen transzendentalen Körper gibt, spirituell fortgeschrittenen Menschen zusammenzusein.
der unvergänglich, voller Wissen und ewig glückselig ist. Auf der nächsten Stufe wird man von einem echten
Der materialistischen Auffassung zufolge ist der Körper spirituellen Meister eingeweiht, und unter seiner Leitung
vergänglich, voller Unwissenheit und voller Leid. Deshalb beginnt der neue Gottgeweihte mit dem Vorgang des
behalten die Menschen im allgemeinen diese gleiche hingebungsvollen Dienstes. Durch die Ausübung
Vorstellung vom Körper bei, wenn sie über die persönliche hingebungsvollen Dienstes unter der Führung des
Gestalt des Herrn hören. Für solch materialistische spirituellen Meisters wird man von aller materiellen
Menschen ist die Form der gigantischen materiellen Anhaftung frei, erreicht Beständigkeit in der
Manifestation das Höchste. Folglich halten sie das Höchste Selbstverwirklichung und findet Geschmack daran, über
für unpersönlich. Und weil sie zu sehr in Gedanken an Śrī KŠa, die Absolute Persönlichkeit Gottes, zu hören.
materielle Dinge versunken sind, erschreckt sie die Dieser Geschmack führt einen weiter vorwärts zur
Vorstellung, auch nach der Befreiung von der Materie ihre Anhaftung ans KŠa-Bewußtsein, was im gereiften
Persönlichkeit zu behalten. Wenn sie darüber informiert Zustand zu bhāva oder der Vorstufe transzendentaler Liebe
werden, daß spirituelles Leben ebenfalls individuell und zu Gott wird. Wirkliche Liebe zu Gott nennt man prema
persönlich ist, bekommen sie Angst, erneut Personen zu oder die am höchsten vervollkommnete Stufe des Lebens."
werden, und so ziehen sie es vor, mit der unpersönlichen Auf der prema-Stufe ist man ständig im transzendentalen
Leere zu verschmelzen. Im allgemeinen vergleichen sie die liebevollen Dienst des Herrn tätig. Durch den allmählichen
Lebewesen mit den Schaumbläschen im Ozean, die sich im Vorgang des hingebungsvollen Dienstes kann man unter
Ozean auflösen. Dies ist die höchste Vollkommenheit der Führung eines echten spirituellen Meisters die höchste
spiritueller Existenz, die ohne individuelle Persönlichkeit Stufe erreichen, frei von allen materiellen Anhaftungen,
erreicht werden kann. Es ist ein angstvoller Lebenszustand, von der Angst vor einer individuellen spirituellen
in dem es an vollkommenem Wissen über spirituelle Persönlichkeit und frei von den Frustrationen, die aus der
Existenz mangelt. Darüber hinaus gibt es viele Menschen, Philosophie von der Leere entstehen. Dann kann man
die spirituelles Dasein überhaupt nicht verstehen können. letztlich in das Reich des Höchsten Herrn gelangen.
Verwirrt durch so viele Theorien und durch Widersprüche
verschiedener Arten philosophischer Spekulation, fühlen VERS 11
sie sich abgestoßen oder werden ärgerlich und kommen
törichterweise zur Schlußfolgerung, es gebe keine höchste ye yathā māˆ prapadyante
Ursache und letztlich sei alles leer. Solche Menschen tāˆs tathaiva bhajāmy aham
befinden sich in einem krankhaften Zustand des Lebens. mama vartmānuvartante
Manche Menschen haften zu stark an materiellen Dingen manuyāƒ pārtha sarvaśaƒ
und schenken daher dem spirituellen Leben keine
Aufmerksamkeit; andere wollen mit der höchsten ye—sie alle; yathā—wie; mām—Mir; prapadyante—sich
spirituellen Ursache verschmelzen, und wieder andere ergeben; tān—ihnen; tathā—so; eva—gewiß; bhajāmi—
zweifeln an allem, weil sie aus Hoffnungslosigkeit über vergelte Ich; aham—Ich; mama—Meinem; vartma—Pfad;
jede spirituelle Spekulation ärgerlich sind. Letztere nehmen anuvartante—folgen; manuyāƒ—alle Menschen; pārtha—
bei einer bestimmten Art von Rauschmittel Zuflucht, und o Sohn Pthās; sarvaśaƒ—in jeder Hinsicht.
ihre Gefühlshalluzinationen werden manchmal für
spirituelle Visionen gehalten. Man muß sich von diesen ÜBERSETZUNG
drei Stufen der Anhaftung an die materielle Welt lösen:
von Gleichgültigkeit gegenüber spirituellem Leben, von Alle belohne Ich in dem Maße, wie sie sich Mir ergeben.
Angst vor einer spirituellen persönlichen Identität und von Jeder folgt Meinem Pfad in jeder Hinsicht, o Sohn
der Vorstellung der "Leere", die zu Frustration im Leben Pthās.
führt. Um von diesen drei Stufen der materiellen
Lebensauffassung frei zu werden, muß man unter der ERLÄUTERUNG
Leitung eines echten spirituellen Meisters beim Herrn
vollständige Zuflucht suchen und den Vorschriften und Jeder sucht KŠa in den verschiedenen Aspekten Seiner
regulierenden Prinzipien des hingebungsvollen Dienstes Manifestationen. KŠa, die Höchste Persönlichkeit Gottes,
folgen. Die letzte Stufe des hingebungsvollen Lebens wird wird teilweise in Seiner unpersönlichen
prema (transzendentale Liebe zu Gott) genannt. Im brahmajyoti-Ausstrahlung erkannt und teilweise als die
Bhakti-rasāmta-sindhu (1.4.15) wird die Wissenschaft alldurchdringende Überseele, die in allem, einschließlich
vom hingebungsvollen Dienst wie folgt erklärt: der Atome, gegenwärtig ist. Vollständig kann KŠa jedoch
nur von Seinen reinen Geweihten erkannt werden. Folglich
ādau śraddhā tataƒ sādhu-sa‰go 'tha bhajana-kriyā ist KŠa das Objekt der Erkenntnis eines jeden, und daher
102

ist jeder — je nach seinem Wunsch, Ihn zu haben — kā‰kantaƒ karmaŠāˆ siddhiˆ
zufrieden. Auch in der transzendentalen Welt tauscht yajanta iha devatāƒ
KŠa mit Seinen reinen Geweihten Beziehungen aus in kipraˆ hi mānue loke
der transzendentalen Haltung, in der der Gottgeweihte sich siddhir bhavati karmajā
Ihn wünscht. Ein Gottgeweihter mag sich KŠa als
höchsten Meister wünschen, ein anderer als seinen kā‰kantaƒ—sich wünschend; karmaŠām—von
persönlichen Freund, wieder ein anderer als seinen Sohn fruchtbringenden Tätigkeiten; siddhim—Vollkommenheit;
und noch ein anderer als seinen Geliebten. KŠa belohnt yajante—Verehrung durch Opfer; iha—in der materiellen
alle Gottgeweihten in gleichem Maße, das heißt Welt; devatāƒ—die Halbgötter; kipram—sehr schnell;
entsprechend ihrer verschiedenen Intensitäten der Liebe zu hi—gewiß; mānue—in der menschlichen Gesellschaft;
Ihm. In der materiellen Welt gibt es die gleichen loke—in dieser Welt; siddhiƒ bhavati—wird erfolgreich;
Erwiderungen von Gefühlen, und sie werden vom Herrn karmajā—der fruchtbringende Arbeiter.
mit den verschiedenen Arten von Verehrern in gleichem
Maße ausgetauscht. Die reinen Gottgeweihten sind sowohl ÜBERSETZUNG
hier als auch im transzendentalen Reich mit Ihm persönlich
zusammen und sind fähig, dem Herrn persönlich zu Menschen dieser Welt wünschen sich Erfolg in
dienen; auf diese Weise erfahren sie transzendentale fruchtbringenden Tätigkeiten, und daher verehren sie
Glückseligkeit in Seinem liebevollen Dienst. Was die die Halbgötter. Schon nach kurzer Zeit bekommen
Unpersönlichkeitsphilosophen betrifft, die spirituellen solche Menschen natürlich die Ergebnisse ihrer
Selbstmord begehen wollen, indem sie die individuelle fruchtbringenden Arbeit in dieser Welt.
Existenz des Lebewesens vernichten, so hilft KŠa auch
ihnen, indem Er sie in Seinen Strahlenglanz aufnimmt. ERLÄUTERUNG
Diese Unpersönlichkeitsanhänger sind nicht bereit, die
ewige glückselige Persönlichkeit Gottes anzuerkennen; Es herrscht ein großes Mißverständnis bezüglich der
folglich können sie die Glückseligkeit des transzendentalen Halbgötter oder Götter dieser materiellen Welt, und
persönlichen Dienstes für den Herrn nicht kosten, da sie Menschen mit weniger Intelligenz, obwohl als große
ihre Individualität ausgelöscht haben. Einige von ihnen, die Gelehrte angesehen, halten diese Halbgötter für
nicht einmal in der unpersönlichen Existenz verankert sind, verschiedene Formen des Höchsten Herrn. In Wirklichkeit
kehren wieder zu diesem materiellen Feld zurück, um ihre sind die Halbgötter nicht verschiedene Formen Gottes,
schlummernden Wünsche nach Betätigung zu erfüllen. sondern Gottes verschiedene Bestandteile. Gott ist Einer,
Ihnen wird kein Zutritt zu den spirituellen Planeten und die Teile sind viele. Die Veden sagen: nityo nityānām.
gewährt, sondern ihnen wird erneut eine Möglichkeit gege- Gott ist Einer. Und: īśvaraƒ paramaƒ kŠaƒ. Der Höchste
ben, auf den materiellen Planeten zu handeln. Den Herrscher ist KŠa. Der Höchste Gott ist Einer — KŠa
fruchtbringenden Arbeitern gewährt der Herr die —, und die Halbgötter sind mit verschiedenen Kräften
gewünschten Ergebnisse ihrer vorgeschriebenen Pflichten versehen, um die materielle Welt zu verwalten. Diese
in Seiner Eigenschaft als yajñeśvara, und auch den yogīs, Halbgötter sind alles Lebewesen (nityānām) mit
die nach mystischen Kräften trachten, werden solche unterschiedlichen Graden von Macht. Sie können dem
Kräfte gewährt. Mit anderen Worten: Um erfolgreich zu Höchsten Gott — NārāyaŠa, ViŠu oder KŠa — nicht
sein, ist jeder allein von Seiner Barmherzigkeit abhängig, gleichgestellt werden. Jeder, der glaubt, Gott und die
und alle Arten von spirituellen Vorgängen sind nichts Halbgötter befänden sich auf der gleichen Ebene, ist ein
anderes als verschiedene Stufen des Erfolges auf dem Atheist oder pāaŠī. Selbst so mächtige Halbgötter wie
gleichen Weg. Solange man daher nicht zur höchsten Brahmā und Śiva können nicht mit dem Höchsten Herrn
Vollkommenheit des KŠa-Bewußtseins gelangt, bleiben, verglichen werden. Vielmehr wird der Herr von
wie im Śrīmad-Bhāgavatam (2.3.10) gesagt wird, alle Halbgöttern wie Brahmā und Śiva verehrt (śiva-viriñci-nu-
Versuche unvollkommen. tam). Aber seltsamerweise gibt es dennoch verblendete
Menschen, die ihre Führer aus anthropomorphischen oder
akāmaƒ sarva-kāmo vā zoomorphischen Mißverständnissen verehren. Iha devatāƒ
moka-kāma udāradhīƒ bezieht sich auf einen mächtigen Menschen oder Halbgott
tīvreŠa bhakti-yogena der materiellen Welt. Aber NārāyaŠa, ViŠu, oder KŠa,
yajeta puruaˆ param die Höchste Persönlichkeit Gottes, gehört nicht zu dieser
Welt. Der Herr steht über oder vielmehr in transzendentaler
"Ob man keinerlei Wünsche hat [der Zustand der Stellung zu der materiellen Schöpfung. Sogar Śrīpāda
Gottgeweihten] oder ob man nach fruchtbringenden Śa‰karācārya, der Führer der
Ergebnissen trachtet oder nach Befreiung strebt — man Unpersönlichkeitsphilosophen, ist der Meinung, daß Sich
sollte mit seiner ganzen Kraft versuchen, die Höchste NārāyaŠa oder KŠa jenseits der materiellen Schöpfung
Persönlichkeit Gottes zu verehren, um die höchste befindet. Dennoch verehren törichte Menschen (ht-añja-
Vollkommenheit zu erreichen, die im KŠa-Bewußtsein na) die Halbgötter, weil sie sofortige Ergebnisse möchten.
gipfelt." Sie bekommen die Ergebnisse auch, wissen aber nicht, daß
die so erhaltenen Ergebnisse zeitweilig und für weniger
VERS 12 intelligente Menschen gedacht sind. Der intelligente
Mensch befindet sich im KŠa-Bewußtsein, und er hat es
103

nicht nötig, für einen sofortigen und zeitweiligen Nutzen Erscheinungsweise der Tugend befinden. Als nächstes
die armseligen Halbgötter zu verehren. Die Halbgötter der kommt die verwaltende Klasse, die man als katriyas
materiellen Welt samt ihren Verehrern werden mit der bezeichnet, da sie sich in der Erscheinungsweise der
Vernichtung der materiellen Welt vergehen. Die Leidenschaft befinden. Die gewerbetreibenden Menschen,
Segnungen der Halbgötter sind materiell und zeitweilig. vaiśyas genannt, befinden sich in den gemischten
Sowohl die materiellen Welten als auch ihre Bewohner — Erscheinungsweisen der Leidenschaft und Unwissenheit,
einschließlich der Halbgötter und ihrer Verehrer — sind und die śūdras, die Arbeiterklasse, befinden sich in der
wie Blasen im kosmischen Ozean. In dieser Welt jedoch unwissenden Erscheinungsweise der materiellen Natur.
trachtet die menschliche Gesellschaft wie von Sinnen nach Obwohl Śrī KŠa die vier Einteilungen der menschlichen
zeitweiligem Besitz wie materiellem Reichtum, Land, Gesellschaft geschaffen hat, gehört Er zu keiner dieser
Familie und anderen Annehmlichkeiten. Um solche Einteilungen, denn Er ist nicht eine der bedingten Seelen,
vergänglichen Dinge zu bekommen, verehren sie von denen ein Teil die menschliche Gesellschaft bildet. Die
Halbgötter oder mächtige Männer in der menschlichen menschliche Gesellschaft gleicht jeder anderen Tiergesell-
Gesellschaft. Wenn ein Mann einen Ministersessel schaft, doch um die Menschen von der tierischen Stufe zu
bekommt, da er einen politischen Führer verehrt hat, glaubt erheben, sind die oben erwähnten Einteilungen zur
er, etwas Großes erreicht zu haben. Daher kriechen sie alle systematischen Entwicklung von KŠa-Bewußtsein vom
vor den sogenannten Führern oder "hohen Tieren", um Herrn geschaffen worden. Die Neigung eines bestimmten
zeitweilige Vorteile zu erlangen, und sie bekommen Menschen zu einer bestimmten Arbeit ist durch die
tatsächlich solche Dinge. Solch törichte Menschen haben Erscheinungsweisen der materiellen Natur festgelegt, die er
kein Interesse am KŠa-Bewußtsein, das eine bleibende erworben hat. Solche Lebenssymptome, in Entsprechung
Lösung für die Beschwerlichkeiten des materiellen Daseins zu verschiedenen Erscheinungsweisen der materieüen
anbietet. Sie trachten alle nach Sinnengenuß, und um Natur, werden im Achtzehnten Kapitel dieses Buches
Möglichkeiten zum Sinnengenuß zu bekommen, zieht es beschrieben. Ein Mensch im KŠa-Bewußtsein jedoch
sie zur Verehrung ermächtigter Lebewesen, die als steht sogar noch über den brāhmaŠas, da von einem
Halbgötter bekannt sind. Dieser Vers deutet darauf hin, daß brāhmaŠa der Eigenschaft nach erwartet wird, Wissen über
Menschen nur selten am KŠa-Bewußtsein Interesse das Brahman, die Höchste Absolute Wahrheit, zu besitzen.
finden. Sie sind meistens an materiellem Genuß interessiert Die meisten von ihnen wenden sich der unpersönlichen
und verehren daher irgendein mächtiges Lebewesen. Brahman-Manifestation Śrī KŠas zu; doch nur ein
Mensch, der das begrenzte Wesen eines brāhmaŠas
VERS 13 transzendiert und Wissen über die Höchste Persönlichkeit
Gottes, Śrī KŠa, erlangt, wird im KŠa-Bewußtsein
cātur-varŠyaˆ mayā-s˜aˆ verankert oder, mit anderen Worten, ein VaiŠava.
guŠa-karma-vibhāgaśaƒ KŠa-Bewußtsein umfaßt Wissen von allen vollständigen
tasya kartāram api māˆ Erweiterungen KŠas wie Rāma, Nsiˆha und Varāha.
viddhy akartāram avyayam Jedoch so, wie KŠa zu diesem System der vier
Einteilungen der menschlichen Gesellschaft in
cātur-varŠyam—die vier Einteilungen der menschlichen transzendentaler Stellung steht, so steht auch ein Mensch
Gesellschaft; mayā—von Mir; s˜am—geschaffen; guŠa— im KŠa-Bewußtsein zu allen Einteilungen der
Eigenschaft; karma—Arbeit; vibhāgaśaƒ—im Sinne von; menschlichen Gesellschaft, ob auf Gemeinschaft, Nation
tasya—von diesem; kartāram—der Vater; api—obwohl; oder Lebensform bezogen, in transzendentaler Stellung.
mām—Mich; viddhi—du sollst kennen; akartāram—als der
Nicht-Handelnde; avyayam—da unwandelbar. VERS 14

ÜBERSETZUNG na māˆ karmāŠi limpanti


na me karma-phale sphā
In Entsprechung zu den drei Erscheinungsweisen der iti māˆ yo 'bhijānāti
materiellen Natur und der Arbeit, die ihnen zugeordnet karmabhir na sa badhyate
ist, wurden die vier Einteilungen der menschlichen
Gesellschaft von Mir geschaffen. Und obwohl Ich der na—niemals; mām—Mich; karmāŠi—alle Arten von
Schöpfer dieses Systems bin, solltest du wissen, daß Ich Arbeit; limpanti—beeinflussen; na—auch nicht; me—
dennoch der Nichthandelnde bin, denn Ich bin Meine; karma-phale—bei fruchtbringender Handlung;
unwandelbar. sphā—Streben; iti—so; mām—Mich; yaƒ—jemand, der;
abhilānāti—kennt; karmabhiƒ—durch die Reaktion solcher
ERLÄUTERUNG Arbeit; na—niemals; saƒ—er; badhyate—wird verstrickt.

Der Herr ist der Schöpfer alles Existierenden. Alles ist von ÜBERSETZUNG
Ihm geboren; alles wird von Ihm erhalten, und alles ruht
nach der Vernichtung in Ihm. Folglich ist Er auch der Es gibt keine Arbeit, die Mich beeinflußt; auch strebe
Schöpfer der vier Einteilungen der Gesellschaftsordnung, Ich nicht nach den Früchten des Handelns. Wer diese
angefangen mit der intelligenten Klasse von Menschen, die Wahrheit über Mich versteht, wird ebenfalls nicht in
man als brāhmaŠas bezeichnet, da sie sich in der die fruchttragenden Reaktionen des Tuns verstrickt.
104

unterworfen. Wer das transzendentale Wesen des Herrn


ERLÄUTERUNG nicht kennt und glaubt, die Werke des Herrn hätten
fruchttragende Ergebnisse zum Ziel, wie es bei den
Wie es in der materiellen Welt konstitutionelle Gesetze Tätigkeiten der gewöhnlichen Lebewesen der Fall ist,
gibt, die besagen, daß der König unfehlbar ist oder daß der verstrickt sich mit Sicherheit in fruchttragende Reaktionen.
König nicht den Gesetzen des Staates untersteht, so wird Jemand aber, der die Höchste Wahrheit kennt, ist eine
auch der Herr, obwohl Er der Schöpfer der materiellen befreite, fest im KŠa-Bewußtsein verankerte Seele.
Welt ist, von den Tätigkeiten der materieüen Welt nicht
beeinflußt. Er erschafft und bleibt unberührt von der VERS 15
Schöpfung, wohingegen die Lebewesen aufgrund ihrer
Neigung, über die materiellen Reichtümer zu herrschen, in evaˆ jñātvā ktaˆ karma
die fruchttragenden Ergebnisse materieller Tätigkeiten pūrvair api mumukubhiƒ
verstrickt werden. Der Besitzer eines Unternehmens ist für kuru karmaiva tasmāt tvaˆ
die richtigen und falschen Tätigkeiten der Angestellten pūrvaiƒ pūrvataraˆ ktam
nicht verantwortlich, sondern die Angestellten sind selbst
verantwortlich. Die Lebewesen gehen ihren jeweiligen evam—so; jñātvā—wohl wissend; ktam—ausgeführt;
Tätigkeiten für Sinnenbefriedigung nach, doch sind ihnen karma—Arbeit; pūrvaiƒ—von vergangenen Autoritäten;
diese Tätigkeiten nicht vom Herrn aufgetragen worden. api—obwohl; mumukubhiƒ—die Befreiung erlangten;
Um Fortschritte auf dem Gebiet der Sinnenbefriedigung zu kuru—führen einfach aus; karma—vorgeschriebenen
machen, gehen die Lebewesen der Arbeit dieser Welt nach Pflicht; eva—gewiß; tasmāt— deshalb; tvam—du;
und erstreben himmlisches Glück nach dem Tod. Weil der pūrvaiƒ—von den Vorfahren; pūrvataram—Urahnen;
Herr in Sich Selbst vollkommen ist, verspürt Er keinerlei ktam—wie sie ausführten.
Anziehung zu sogenanntem himmlischem Glück. Die
himmlischen Halbgötter sind nur Seine beauftragten ÜBERSETZUNG
Diener. Der Besitzer begehrt niemals das niedrige Glück,
wie es die Arbeiter erstreben mögen. Der Herr bleibt von Alle befreiten Seelen in längst vergangenen Zeiten
den materiellen Aktionen und Reaktionen unberührt. Zum handelten mit diesem Verständnis und erlangten so
Beispiel ist der Regen für die verschiedenen Arten der Befreiung. Daher solltest du, wie die Alten, deine Pflicht
Vegetation, die auf der Erde erscheinen, nicht in diesem göttlichen Bewußtsein erfüllen.
verantwortlich, obwohl es ohne Regen keine Vegetation
geben kann. Die vedische smti bestätigt diese Tatsache ERLÄUTERUNG
wie folgt:
Es gibt zwei Klassen von Menschen. Einige von ihnen
nimitta-mātram evāsau haben ihr Herz voll vergifteter materieller Dinge, und
sjyānāˆ sarga-karmaŠi manche sind frei von materieller Verunreinigung.
pradhāna-kāraŠī-bhūtā KŠa-Bewußtsein ist für beide gleichermaßen segensreich.
yato vai sjya-śaktayaƒ Diejenigen, die voll schmutziger Dinge sind, können sich
dem KŠa-Bewußtsein zuwenden, um einen allmählichen
"In den materiellen Schöpfungen ist der Herr nur die Läuterungsvorgang zu beginnen, in dem sie den
höchste Ursache. Die unmittelbare Ursache ist die regulierenden Prinzipien des hingebungsvollen Dienstes
materielle Natur, durch welche die kosmische Mani- folgen, und diejenigen, die bereits von allen Unreinheiten
festation sichtbar wird." frei sind, mögen fortfahren, im gleichen KŠa-Bewußtsein
Die geschaffenen Wesen sind von großer Vielfalt, wie zum zu handeln, so daß andere Menschen ihrem beispielhaften
Beispiel die Halbgötter, Menschen und niederen Tiere, und Verhalten folgen und daraus ihren Nutzen ziehen. Törichte
sie alle sind den Reaktionen ihrer vergangenen guten oder Menschen oder Neulinge im KŠa-Bewußtsein wollen
schlechten Tätigkeiten unterworfen. Der Herr gibt ihnen sich oft von allen Tätigkeiten zurückziehen, ohne
nur die geeigneten Möglichkeiten für solche Tätigkeiten KŠa-Bewußtsein zu kennen. Arjunas Wunsch, sich von
und dazu die Regulierungen der Erscheinungsweisen der Taten auf dem Schlachtfeld zurückzuziehen, wurde vom
Natur, doch Er ist niemals für ihre vergangenen und gegen- Herrn nicht gutgeheißen. Man muß nur wissen, wie man zu
wärtigen Handlungen verantwortlich. In den handeln hat. Sich von den Tätigkeiten des
Vedānta-sūtras wird bestätigt, daß der Herr niemals KŠa-Bewußtseins zurückzuziehen, abseits zu sitzen und
irgendein Lebewesen bevorzugt oder benachteiligt. Das KŠa-Bewußtsein vorzutäuschen, ist weniger bedeutsam
Lebewesen ist für seine Handlungen selbst verantwortlich. als sich für KŠa tatsächlich im Bereich der Tätigkeiten zu
Der Herr gibt ihm nur mit Hilfe der materiellen Natur, der beschäftigen. Arjuna wird hier der Rat gegeben, im
äußeren Energie, die Möglichkeiten zum Handeln. Jemand, KŠa-Bewußtsein zu handeln und den Fußspuren
der mit all den Kompliziertheiten dieses Gesetzes des vorangegangener Schüler des Herrn zu folgen, wie zum
karma oder der fruchtbringenden Tätigkeiten vertraut ist, Beispiel dem Sonnengott Vivasvān, von dem bereits zuvor
wird von den Ergebnissen seines Tuns nicht beeinflußt. die Rede war. Der Höchste Herr kennt sowohl Seine
Mit anderen Worten: Wer das transzendentale Wesen des eigenen vergangenen Taten als auch die derjenigen, die in
Herrn versteht, ist ein im KŠa-Bewußtsein erfahrener der Vergangenheit im KŠa-Bewußtsein handelten. Des-
Mensch und wird daher niemals den Gesetzen des karma halb empfiehlt Er die Handlungsweise des Sonnengottes,
105

der diese Kunst vom Herrn vor einigen Millionen von Selbstverwirklichung ist. Deshalb erklärt der Herr aus
Jahren erlernte. Alle Schüler Śrī KŠas, die die Pflichten Seiner grundlosen Barmherzigkeit mit Seinen Geweihten
erfüllten, die ihnen von KŠa gegeben wurden, werden Arjuna direkt, was Handeln und was Nichthandeln ist. Nur
hier als befreite Seelen erwähnt. Handeln im KŠa-Bewußtsein kann einen Menschen aus
der Verstrickung des materiellen Daseins befreien.
VERS 16
VERS 17
kiˆ karma kim akarmeti
kavayo'py atra mohitāƒ karmaŠo hy api boddhavyaˆ
tat te karma pravakyāmi boddhavyaˆ ca vikarmaŠaƒ
yaj jñātvā mokyase'śubhāt akarmaŠaś ca boddhavyaˆ
gahanā karmaŠo gatiƒ
kim—was ist; karma—Handlung; kim—was ist; akarma—
Nichthandeln; iti—so; kavayaƒ—die Intelligenten; api— karmaŠaƒ—Gesetze des Handelns; hi—gewiß; api—auch;
auch; atra—in dieser Angelegenheit; mohitāƒ—verwirrt; boddhavyam—sollten verstanden werden; boddhavyam—
tat—dieses; te—dir; karma—Arbeit; pravakyāmi—Ich sind zu verstehen; ca—auch; vikarmaŠah—verbotenes
werde erklären; yat—was; jñātvā—wissend; mokyase—sei Handeln; akarmaŠaƒ—Nicht-Handeln; ca—auch;
befreit; aśubhāt—von Unglück. boddhavyam—sollte verstanden werden; gahanā—sehr
schwer; karmaŠaƒ—Gesetze des Handelns; gatiƒ—genau
ÜBERSETZUNG zu verstehen.

Selbst die Intelligenten sind verwirrt, wenn sie ÜBERSETZUNG


bestimmen sollen, was Handeln und was Nichthandeln
ist. Ich werde dir jetzt erklären, was Handeln ist, und Die Kompliziertheit des Handelns ist sehr schwer zu
wenn du dies weißt, wirst du von allen Sünden befreit verstehen. Deshalb sollte man genau wissen, was
sein. Handeln, was verbotenes Handeln und was
Nichthandeln ist.
ERLÄUTERUNG
ERLÄUTERUNG
Handeln im KŠa-Bewußtsein muß mit den Beispielen
vorangegangener echter Gottgeweihter in Einklang stehen. Wenn es einem mit der Befreiung aus der materiellen
Dies wird in Vers 15 empfohlen. Warum solches Handeln Knechtschaft ernst ist, muß man die Unterschiede
nicht unabhängig sein soll, wird im Folgenden erklärt. zwischen Handeln, Nichthandeln und unautorisiertem
Um im KŠa-Bewußtsein zu handeln, muß man sich der Handeln verstehen. Man muß Handeln, Reaktion und
Führung autorisierter Personen anvertrauen, die einer pervertiertes Handeln eingehend analysieren, denn dies ist
Schülernachfolge angehören, wie zu Beginn dieses ein sehr schwieriges Thema. Um KŠa-Bewußtsein und
Kapitels erklärt wurde. Das System des KŠa-Bewußtseins Handeln gemäß den Erscheinungsweisen der materiellen
wurde zuerst dem Sonnengott gelehrt; der Sonnengott Natur zu verstehen, muß man seine Beziehung zum
erklärte es seinem Sohn Manu; Manu gab es an seinen Höchsten verstehen lernen; das heißt, jemand, der
Sohn Ikvāku weiter, und seit dieser fernen Zeit ist dieses vollkommen gelernt hat, weiß, daß jedes Lebewesen der
System auch auf unserem Planeten bekannt. Deshalb muß ewige Diener des Herrn ist und daß man folglich im
man in die Fußstapfen vorangegangener Autoritäten in der KŠa-Bewußtsein handeln muß. Die gesamte Bhagavad-
Linie einer Schülernachfolge treten. Andernfalls werden gītā ist auf diese Schlußfolgerung ausgerichtet. Alle
selbst die intelligentesten Menschen hinsichtlich der anderen Schlußfolgerungen, die sich gegen dieses
Standard-Handlungen im KŠa-Bewußtsein verwirrt sein. Bewußtsein und seine Begleiterscheinungen richten, sind
Aus diesem Grund beschloß der Herr, Arjuna unmittelbar vikarma, oder verbotene Handlungen. Um all das zu
im KŠa-Bewußtsein zu unterweisen. Dank der verstehen, muß man mit Autoritäten im KŠa-Bewußtsein
unmittelbaren Unterweisung des Herrn an Arjuna wird Gemeinschaft pflegen und von ihnen das Geheimnis
jeder, der Arjunas Fußspuren folgt, mit Sicherheit nicht lernen; das ist so gut, wie vom Herrn direkt zu lernen.
verwirrt werden. Andernfalls wird selbst der intelligenteste Mensch verwirrt
Es heißt, daß man nicht einfach durch unvollkommenes, sein.
experimentelles Wissen bestimmen kann, was Religion ist.
Im Grunde können die Grundsätze der Religion nur vom VERS 18
Herrn Selbst festgelegt werden: dharmaˆ tu
sākāt-bhagavat-praŠītam (SB. 6.3.19). Niemand kann karmaŠy akarma yaƒ paśyed
durch unvollkommene Spekulation ein religiöses Prinzip akarmaŠi ca karma yaƒ
schaffen. Man muß den Fußspuren großer Autoritäten sa buddhimān manuyeu
folgen wie Brahmā, Śiva, Narada, Kumāra, Kapila, sa yuktaƒ ktsna-karma-kt
Prahlāda, Bhīma, Śukadeva Gosvāmī, Yamarāja, Janaka
und Bali Mahārāja. Durch gedankliche Spekulation kann karmaŠi—in Handeln; akarma—Nichthandeln; yaƒ—
man nicht herausfinden, was Religion oder jemand, der; paśyet—sieht; akarmaŠi—in Nichthandeln;
106

ca—auch; karma—fruchtbringendes Handeln; yaƒ—


jemand, der; saƒ—er; buddhimān—ist intelligent; ERLÄUTERUNG
manuyeu—in der menschlichen Gesellschaft; saƒ-er;
yuktaƒ—befindet sich in der transzendentalen Stellung; Nur ein Mensch in vollem Wissen kann die Tätigkeiten
ktsna-karma-kt—obwohl mit allen möglichen Tätigkeiten eines Menschen im KŠa-Bewußtsein verstehen. Weil der
beschäftigt. Mensch im KŠa-Bewußtsein frei von allen Arten
sinnenbefriedigender Neigungen ist, kann man verstehen,
ÜBERSETZUNG daß er die Reaktionen seiner Arbeit durch vollkommenes
Wissen um seine wesensgemäße Stellung als ewiger
Wer Nichthandeln in Handeln und Handeln in Diener der Höchsten Persönlichkeit Gottes verbrannt hat.
Nichthandeln sieht, ist intelligent unter den Menschen, Wer diese Vollkommenheit des Wissens erlangt hat, ist
und er steht in der transzendentalen Stellung, obgleich wahrhaft gelehrt. Die Entwicklung dieses Wissens, der
er allen möglichen Tätigkeiten nachgehen mag. ewige Diener KŠas zu sein, wird mit Feuer verglichen. Ist
ein solches Feuer einmal entzündet, kann es alle Arten von
ERLÄUTERUNG Reaktionen verbrennen.

Jemand, der im KŠa-Bewußtsein handelt, ist VERS 20


natürlicherweise von den Fesseln des karma frei. Seine
Tätigkeiten werden alle für KŠa ausgeführt, und daher tyaktvā karma-phalāsa‰gaˆ
genießt oder erleidet er nicht die Auswirkungen der Arbeit. nitya-tpto nirāśrayaƒ
Folglich zählt er zu den Intelligenten der menschlichen karmaŠy abhipravtto'pi
Gesellschaft, obwohl er alle möglichen Tätigkeiten für naiva kiñcit karoti saƒ
KŠa verrichtet. Akarma bedeutet "Arbeit, auf die keine
Reaktion folgt“. Der Unpersönlichkeitsphilosoph hört mit tyaktvā—nachdem er aufgegeben hat;
fruchtbringenden Tätigkeiten auf, weil er befürchtet, die karma-phala-āsa‰gam—Anhaftung an fruchtbringende
entstehenden Reaktionen könnten Hindernisse auf dem Ergebnisse; nitya—immer; tptaƒ—zufrieden; nirāśrayaƒ—
Pfad der Selbstverwirklichung sein, doch der Anhänger des ohne einen Mittelpunkt zu haben; karmaŠi—beim
Persönlichen kennt sehr wohl seine Stellung als der ewige Handeln; abhipravttaƒ—voll beschäftigt; api—trotzdem;
Diener der Höchsten Persönlichkeit Gottes. Aus diesem na—nicht; eva—gewiß; kiñcit—irgend etwas; karoti—tut;
Grund geht er den Tätigkeiten des KŠa-Bewußtseins saƒ—er.
nach. Weil alles für KŠa getan wird, genießt er bei der
Ausführung dieses Dienstes nur transzendentales Glück. ÜBERSETZUNG
Von denen, die in dieser Weise beschäftigt sind, weiß man,
daß sie keinen Wunsch nach persönlicher Indem er alle Anhaftung an die Ergebnisse seiner
Sinnenbefriedigung haben. Das Bewußtsein, der ewige Tätigkeiten aufgibt, immer zufrieden und unabhängig
Diener KŠas zu sein, macht einen immun gegen alle ist, führt er keine fruchtbringende Handlung aus,
Arten reaktionsbringender Elemente des Handelns. obwohl er mit allen möglichen Unternehmungen
beschäftigt ist.
VERS 19
ERLÄUTERUNG
yasya sarve samārambhāƒ
kāma-sa‰kalpa-varjitāƒ Diese Freiheit von der Fessel der Handlungen ist nur im
jñānāgni-dagdha-karmāŠaˆ KŠa-Bewußtsein möglich, wenn man alles für KŠa tut.
tam āhuƒ paŠitaˆ budhāƒ Ein KŠa-bewußter Mensch handelt aus reiner Liebe zur
Höchsten Persönlichkeit Gottes, und daher verspürt er
yasya—jemand, dessen; sarve—alle Arten von; keinerlei Anziehung zu den Ergebnissen des Handelns. Er
samārambhāƒ—bei allen Versuchen; kāma—Wunsch nach sorgt sich nicht einmal um seinen Unterhalt, denn alles ist
Sinnenbefriedigung; sa‰kalpa—Entschlossenheit; varji- KŠa überlassen. Er ist auch nicht bestrebt, sich Dinge an-
tāƒ—sind ohne; jñāna—vollkommenes Wissen; āgni— zueignen oder Dinge zu behüten, die bereits in seinem
Feuer; dagdha—verbrannt durch; karmāŠam—den Besitz sind. Er tut seine Pflicht nach besten Kräften und
Ausführenden; tam—ihn; āhuƒ—erklären als; paŠitam— überläßt alles KŠa. Solch ein unangehafteter Mensch ist
gelehrt; budhāƒ—diejenigen, die wissen. immer frei von allen guten und schlechten Reaktionen; es
ist, als handle er überhaupt nicht. Das ist das Merkmal von
ÜBERSETZUNG akarma oder Handlungen ohne fruchttragende Reaktionen.
Jede andere Handlung, die nicht im KŠa-Bewußtsein
Jemanden, der im vollem Wissen gründet, erkennt man ausgeführt wird, bindet den Handelnden, und wie zuvor
daran, daß jede seiner Handlungen frei ist von dem erklärt wurde, ist das die eigentliche Bedeutung von
Wunsch nach Sinnenbefriedigung. Von ihm sagen die vikarma.
Weisen, er sei ein Handelnder, dessen fruchtbringendes
Tun durch das Feuer vollkommenen Wissens verbrannt VERS 21
sei.
107

nirāśīr yata-cittātmā
tyakta-sarva-parigrahaƒ yadcchā—von sich aus; lābha—Gewinn; santu˜aƒ—
śārīraˆ kevalaˆ karma zufrieden; dvandva—Dualität; atītaƒ—überwunden;
kurvan nāpnoti kilbiam vimatsaraƒ—frei von Neid; samaƒ—stetig; siddhau—bei
Erfolg; asiddhau—Mißerfolg; ca—auch; ktvā—tuend;
nirāśīƒ—ohne Verlangen nach den Ergebnissen; yata— api—obwohl; na—niemals; nibadhyate—wird beeinflußt.
beherrscht; citta-ātmā— Geist und Intelligenz; tyakta—
aufgebend; sarva—jeden; parigrahaƒ—Anspruch auf alles ÜBERSETZUNG
Eigentum; śārīram—um Körper und Seele
zusammenzuhalten; kevalam—nur; karma—Arbeit; Wer mit Gewinn zufrieden ist, der von selbst kommt;
kurvan—so tuend; na—niemals; āpnoti—lädt nicht auf wer frei von Dualität ist und keinen Neid kennt und wer
sich; kilbiam—sündhafte Reaktionen. sowohl bei Erfolg wie auch Mißerfolg stetig ist, wird
niemals verstrickt, obwohl er handelt.
ÜBERSETZUNG
ERLÄUTERUNG
Ein Mensch mit einem solchem Verständnis handelt mit
vollkommen beherrschtem Geist und vollkommen Ein KŠa-bewußter Mensch unternimmt nicht einmal
beherrschter Intelligenz, gibt jeden Anspruch auf Besitz große Anstrengungen, um seinen Körper zu erhalten. Er ist
auf und handelt nur für die zum Leben mit Gewinnen zufrieden, die ihm von selbst zufallen. Er
allernotwendigsten Dinge. Aus diesem Grunde wird er bettelt und borgt nicht, sondern arbeitet ehrlich, soweit es
von sündhaften Reaktionen nicht berührt. in seinen Kräften steht, und ist mit dem zufrieden, was er
durch seine eigene ehrliche Arbeit verdient. Er ist daher,
ERLÄUTERUNG was seinen Lebensunterhalt betrifft, unabhängig. Er läßt es
nicht zu, daß der Dienst für jemand anders seinen Dienst
Ein KŠa-bewußter Mensch erwartet bei seinen im KŠa-Bewußtsein behindert. Doch um dem Herrn zu
Tätigkeiten keine guten oder schlechten Ergebnisse. Sein dienen, kann er in jeder Weise handeln, ohne dabei von der
Geist und seine Intelligenz sind völlig beherrscht. Er weiß, Dualität der materiellen Welt gestört zu sein. Die Dualität
daß er ein winziger Teil des Höchsten ist und daß deshalb der materiellen Welt wird als Hitze und Kälte, Leid und
die Rolle, die er als Teil des Ganzen spielt, nicht in seiner Glück oder ähnliche Gegensätze erfahren. Ein
Wahl liegt, sondern vom Höchsten für ihn gewählt wurde KŠa-bewußter Mensch steht über der Dualität, da er nicht
und nur mit Seiner Hilfe gespielt werden kann. Wenn sich zögert, auf jede nur erdenkliche Weise für die
die Hand bewegt, so bewegt sie sich nicht nach ihrem Zufriedenstellung KŠas zu handeln. Deshalb ist er
eigenen Willen, sondern nach dem Willen des ganzen sowohl bei Erfolg als auch bei Mißerfolg stetig. Diese
Körpers. Ein KŠa-bewußter Mensch steht immer in Zeichen werden sichtbar, wenn man völlig im
Einklang mit dem höchsten Wunsch, denn er hat kein transzendentalen Wissen verankert ist.
Verlangen nach eigener Sinnenbefriedigung. Er bewegt
sich genau wie ein Teil einer Maschine. So wie ein VERS 23
Maschinenteil geölt und gereinigt werden muß, um
funktionsfähig zu bleiben, so erhält sich ein gata-sa‰gasya muktasya
KŠa-bewußter Mensch durch seine Arbeit, nur um fähig jñānāvasthita-cetasaƒ
zu bleiben, im transzendentalen liebevollen Dienst des yajñāyācarataƒ karma
Herrn zu handeln. Er ist daher gegen alle Reaktionen seiner samagraˆ pravilīyate
Bemühungen gefeit. Wie ein Tier hat er nicht einmal ein
Besitzrecht auf seinen eigenen Körper. Ein grausamer gata-sa‰gasya—unangehaftet gegenüber den
Tierhalter tötet manchmal das Tier in seinem Besitz, doch Erscheinungsweisen der materiellen Natur; muktasya—von
das Tier protestiert nicht. Es hat auch keine wirkliche demjenigen, der befreit ist; jñāna-avasthita—in der
Unabhängigkeit. Ein KŠa-bewußter Mensch, der voll mit Transzendenz verankert; cetasaƒ—von solcher Weisheit;
Selbstverwirklichung beschäftigt ist, hat sehr wenig Zeit, yajñāya—für Yajña (KŠa); ācarataƒ—so handelnd;
irgendeinen materiellen Gegenstand fälschlich zu besitzen. karma—Arbeit, samagram—in ihrer Gesamtheit; pravi-
Um für Körper und Seele zu sorgen, hat er es nicht nötig, līyate—verschmilzt vollständig.
durch üble Machenschaften Geld anzuhäufen. Folglich
wird er auch nicht durch solch materielle Sünden ÜBERSETZUNG
verunreinigt. Er ist frei von allen Reaktionen auf seine
Handlungen. Die Arbeit eines Menschen, der unangehaftet gegenüber
den Erscheinungeweisen der materiellen Natur ist und
VERS 22 der völlig in transzendentalem Wissen verankert ist,
geht vollständig in die Transzendenz ein.
yadcchā-lābha-santu˜o
dvandvātīto vimatsaraƒ ERLÄUTERUNG
samaƒ siddhāv asiddhau ca
ktvāpi na nibadhyate
108

Wenn man völlig KŠa-bewußt wird, ist man von allen Versenkung spiritualisiert. Brahman bedeutet spirituell.
Dualitäten befreit und daher frei von den Der Herr ist spirituell, und die Strahlen Seines
Verunreinigungen der materiellen Erscheinungsweisen. transzendentalen Körpers werden brahmajyoti oder Seine
Man kann befreit werden, weil man seine wesensgemäße spirituelle Ausstrahlung genannt. Alles, was existiert,
Stellung in Beziehung zu KŠa kennt, und so kann der befindet sich in diesem brahmajyoti. Aber wenn das
Geist nicht vom KŠa-Bewußtsein abgelenkt werden. Was brahmajyoti von Illusion (māyā), das heißt
immer man daher tut, tut man für Śrī KŠa, den Sinnenbefriedigung, bedeckt ist, wird es als materiell
ursprünglichen ViŠu. Deshalb sind alle Werke eigentlich bezeichnet. Dieser materielle Schleier kann durch
Opfer, denn Opfer bedeutet, die Höchste Person, KŠa, zu KŠa-Bewußtsein augenblicklich entfernt werden; das
erfreuen. Die Reaktionen auf solche Werke gehen mit Opfer für die Sache des KŠa-Bewußtseins, das Mittel zur
Gewißheit in der Transzendenz auf, und man erleidet keine Ausführung eines solchen Opfers oder Beitrags, der
materiellen Auswirkungen. Vorgang der Ausführung, der Beitragende und das
Ergebnis — sie alle zusammengenommen sind Brahman
VERS 24 oder die Absolute Wahrheit. Die Absolute Wahrheit, die
von māyā bedeckt ist, wird Materie genannt. Materie, die
brahmārpaŠaˆ brahma havir in den Dienst der Absoluten Wahrheit gestellt wird,
brahmāgnau brahmaŠā hutam gewinnt ihre spirituelle Eigenschaft zurück. KŠa--
brahmaiva tena gantavyaˆ Bewußtsein ist der Vorgang, das verblendete Bewußtsein
brahma-karma-samādhinā in Brahman, das Höchste, umzuwandeln. Wenn der Geist
völlig im KŠa-Bewußtsein verankert ist, befindet er sich
brahma—spirituelle Natur; arpaŠam—Beitrag; brahma— in samādhi oder Trance. Alles, was man in solch
das Höchste; haviƒ—Butter; brahma—spirituell; agnau— transzendentalem Bewußtsein tut, wird als yajña oder
im Feuer der Vollziehung; brahmaŠā—von der spirituellen Opfer für das Absolute bezeichnet. In diesem Zustand
Seele; hutam—dargebracht; brahma—spirituelles spirituellen Bewußtseins wird der Beitragleistende, der
Königreich; eva—gewiß; tena—von ihr; gantavyam— Beitrag, die Ausführung, der Vollzieher oder Leiter des
erreicht zu werden; brahma—spirituelle; karma— Opfers und das Ergebnis oder der letztliche Gewinn eins
Tätigkeiten; samādhinā—durch vollständige Versenkung. im Absoluten, dem Höchsten Brahman. Das ist der
Vorgang des KŠa-Bewußtseins.
ÜBERSETZUNG
VERS 25
Jemand, der völlig im KŠa-Bewußtsein vertieft ist,
erreicht mit Sicherheit das spirituelle Königreich, denn daivam evāpare yajñaˆ
er widmet sich voll und ganz spirituellen Tätigkeiten, yoginaƒ paryupāsate
bei denen die Ausführung absolut ist und das, was brahmāgnāv apare yajñaˆ
dargebracht wird, von der gleichen spirituellen Natur yajñenaivopajuhvati
ist.
daivam—bei der Verehrung der Halbgötter; eva—wie
ERLÄUTERUNG dieses; apare—einige; yajñam—Opfer; yoginaƒ—die
Mystiker; paryupāsate—verehren in vollkommener Weise;
Hier wird beschrieben, wie Tätigkeiten im brahma—die Absolute Wahrheit; agnau—im Feuer von;
KŠa-Bewußtsein einen Menschen letztlich zum apare—andere; yajñam—Opfer; yajñena—durch Opfer,
spirituellen Ziel führen können. Es gibt verschiedene eva—somit; upajuhvati—verehren.
Tätigkeiten im KŠa-Bewußtsein, die alle in den
folgenden Versen beschrieben werden. Zunächst wird ÜBERSETZUNG
jedoch nur das Prinzip des KŠa-Bewußtseins erklärt. Eine
bedingte Seele, die in materielle Verunreinigung verstrickt Einige yogīs verehren die Halbgötter in vollendeter
ist, handelt mit Sicherheit in der materiellen Atmosphäre; Weise, indem sie ihnen verschiedene Opfer darbringen,
sie muß sich aber aus einer solchen Umgebung befreien. und manche von ihnen bringen Opfer im Feuer des
Der Vorgang, durch den die bedingte Seele aus der Höchsten Brahman dar.
materiellen Atmosphäre herausgelangen kann, ist
KŠa-Bewußtsein. Ein Patient zum Beispiel, der an einer ERLÄUTERUNG
Darmkrankheit leidet, weil er zu viele Milchprodukte zu
sich genommen hat, kann durch ein anderes Milchprodukt, Wie oben beschrieben wird, nennt man einen Menschen,
nämlich Quark, geheilt werden. Wie hier in der Gītā erklärt der seine Pflichten im KŠa-Bewußtsein erfüllt, einen
wird, kann die in die Materie versunkene Seele durch vollkommenen yogī oder erstklassigen Mystiker. Doch es
KŠa-Bewußtsein geheilt werden. Dieser Vorgang ist im gibt auch andere, die ähnliche Opfer zur Verehrung von
allgemeinen bekannt als yajña (Opfer) oder Tätigkeiten, Halbgöttern darbringen, und noch andere, die dem
die einfach für die Zufriedenstellung ViŠus oder KŠas Höchsten Brahman, dem unpersönlichen Aspekt des
ausgeführt werden. Je mehr die Tätigkeiten der materiellen Höchsten Herrn, opfern. Es gibt also verschiedene Arten
Welt im KŠa-Bewußtsein oder nur für ViŠu verrichtet von Opfern im Sinne unterschiedlicher Kategorien. Solch
werden, desto mehr wird die Atmosphäre durch völlige verschiedene Kategorien von Opfern seitens verschiedener
109

Arten von Ausführenden zeugen nur oberflächlich von Einige opfern den Vorgang des Hörens und die Sinne
einer Vielfalt von Opfern. Wirkliches Opfer bedeutet, den im Feuer des beherrschten Geistes, und andere bringen
Höchsten Herrn, ViŠu, der auch als Yajña bekannt ist, die Sinnesobjekte, wie zum Beispiel Klang, im Feuer des
zufriedenzustellen. All die verschiedenen Arten von Opfers dar.
Opfern können in zwei Hauptkategorien unterteilt werden,
nämlich Opfer weltlicher Güter und Opfer, die ausgeführt ERLÄUTERUNG
werden, um transzendentales Wissen zu erlangen.
KŠa-bewußte Menschen opfern alle materiellen Die vier Abschnitte des menschlichen Lebens, nämlich
Besitztümer für die Zufriedenstellung des Höchsten Herrn, brahmacarya, ghastha, vānaprastha und sannyāsa, sollen
wohingegen andere, die nach zeitweiligem, materiellem den Menschen helfen, vollkommene yogīs oder
Glück streben, ihren materiellen Besitz opfern, um Transzendentalisten zu werden. Weil das menschliche
Halbgötter wie Indra und den Sonnengott zu befriedigen. Leben nicht dafür bestimmt ist, Sinnenbefriedigung wie die
Unpersönlichkeitsphilosophen opfern ihre Identität, indem Tiere zu genießen, sind die vier Stufen des menschlichen
sie mit dem unpersönlichen Brahman verschmelzen. Die Lebens so eingerichtet, daß man im spirituellen Leben die
Halbgötter sind mächtige Lebewesen, die vom Höchsten Vollkommenheit erreichen kann.
Herrn beauftragt sind, für alle materiellen Funktionen wie Die brahmacārīs, das heißt die Schüler unter der Obhut
Beheizung, Bewässerung und Beleuchtung des Universums eines echten spirituellen Meisters, beherrschen den Geist,
zu sorgen und darüber zu wachen. Diejenigen, die an indem sie sich von Sinnenbefriedigung fernhalten. Sie
materiellen Vorteilen interessiert sind, verehren die werden in diesem Vers als diejenigen erwähnt, die den
Halbgötter durch verschiedene Opfer, wie sie den Vorgang des Hörens und die Sinne im Feuer des
vedischen Ritualen gemäß vollzogen werden. Solche beherrschten Geistes opfern. Ein brahmacārī hört nur
Menschen bezeichnet man als bahv-īśvara-vādī (oder Worte, die mit KŠa-Bewußtsein zu tun haben. Hören ist
solche, die an viele Götter glauben). Andere, die den das Grundprinzip des Verstehens, und daher beschäftigt
unpersönlichen Aspekt der Absoluten Wahrheit verehren sich der reine brahmacārī voll im harer nāmānukīrtanam
und die Formen der Halbgötter als zeitweilig betrachten, — im Chanten und Hören von der Herrlichkeit des Herrn.
opfern ihr individuelles Selbst im höchsten Feuer und Er hält sich von materiellen Klangschwingungen fern und
beenden so ihr individuelles Dasein, indem sie mit der ist ständig damit beschäftigt, die transzendentale
Existenz des Höchsten verschmelzen. Solche Klangschwingung Hare KŠa, Hare KŠa zu hören.
Unpersönlichkeitsanhänger verbringen ihre Zeit mit In ähnlicher Weise führen die Haushälter, die eine gewisse
philosophischen Spekulationen, um das transzendentale Erlaubnis zu Sinnenbefriedigung haben, solche
Wesen des Höchsten zu verstehen. Mit anderen Worten: Handlungen mit großer Einschränkung aus. Sexualität,
Die fruchtbringenden Arbeiter opfern ihre materiellen Berauschung und das Essen von Fleisch sind allgemeine
Besitztümer für materiellen Genuß, wohingegen die Tendenzen der menschlichen Gesellschaft, doch ein
Unpersönlichkeitsanhänger ihre materiellen Namen und regulierter Haushälter gibt sich nicht einem zügellosen
Beziehungen opfern, mit dem Ziel, in die Existenz des Geschlechtsleben und anderen Sinnenfreuden hin. Eine
Höchsten einzugehen. Für den Unpersönlichkeitsanhänger eheliche Gemeinschaft nach den Grundsätzen religiösen
ist der Feueraltar des Opfers das Höchste Brahman, und als Lebens ist daher in jeder zivilisierten menschlichen Ge-
Opfer bringen sie ihr Selbst dar, das vom Feuer des sellschaft üblich, da dies der Weg zu gezügelter Sexualität
Brahman verzehrt wird. Der KŠa-bewußte Mensch wie ist. Diese gezügelte, unangehaftete Sexualität ist auch eine
Arjuna jedoch opfert alles für die Zufriedenstellung Art von yajña, denn der regulierte Haushälter opfert seine
KŠas, und so werden sowohl all seine materiellen Güter allgemeine Neigung zur Sinnenbefriedigung für ein
als auch sein Selbst — alles — für KŠa geopfert. Damit höheres, transzendentales Leben.
ist er der yogī ersten Ranges, jedoch verliert er nicht seine
individuelle Existenz. VERS 27

VERS 26 sarvāŠīndriya-karmāŠi
prāŠa-karmāŠi-cāpare
śrotrādīnīndriyāŠy anye ātma-saˆyama-yogāgnau
saˆyamāgniu juhvati juhvati jñāna-dīpite
śabdādīn viayān anya
indriyāgniu juhvati sarvāŠi—alle; indriya—Sinne; karmāŠi—Funktionen;
prāŠa-karmāŠi—Funktionen des Lebensatems; ca—auch;
śrotra-ādīni—der Vorgang des Hörens; indriyāŠi—Sinne; apare—andere; ātmā-saˆyama—indem sie den Geist
anye—andere; saˆyama—der Zurückhaltung; agniu—im beherrschen; yoga—Verbindungsvorgang; agnau—im
Feuer; juhvati—opfern; śabda-ādīn— Klangschwingung Feuer des; juhvati—opfert; jñāna-dīpite—aufgrund des
usw.; viayān—Objekte der Sinnenbefriedigung; anye— Dranges nach Selbstverwirklichung.
andere; indriya—der Sinnesorgane; agniu—im Feuer;
juhvati—opfern. ÜBERSETZUNG

ÜBERSETZUNG Diejenigen, die an Selbstverwirklichung durch


Meisterung von Geist und Sinnen interessiert sind,
110

bringen sowohl die Funktionen all ihrer Sinne wie auch Wohlfahrtseinrichtungen wie dharmaśālā, anna-ketra,
ihre Lebenskraft [Atem] als Opfergaben im Feuer des atithi-śālā, anathalaya und vidyāpī˜ha. Auch in anderen
beherrschten Geistes dar. Ländern gibt es viele Krankenhäuser, Altersheime und
ähnliche gemeinnützige Stiftungen, die dafür bestimmt
ERLÄUTERUNG sind, den Armen durch freies Essen, kostenlose, Erziehung
und freie ärztliche Behandlung zu helfen. All diese
Hier wird auf das von Patañjali entworfene yoga-System wohltätigen Bemühungen werden dravyamaya-yajña
Bezug genommen. Im yoga-sūtra des Patanjali wird die genannt. Es gibt andere, die freiwillig verschiedene Arten
Seele als pratyag-ātmā und parag-ātmā bezeichnet. von tapasya wie candrāyana und cāturmāsya auf sich
Solange die Seele an Sinnengenuß haftet, wird sie nehmen, um eine höhere Stufe im Leben zu erlangen oder
parag-ātmā genannt. Die Seele ist den Wirkungsweisen zu höheren Planeten im Universum erhoben zu werden.
von zehn Luftarten ausgesetzt, die im Körper wirken und Diese Vorgänge beinhalten strenge Gelübde, unter denen
durch den Atemvorgang erfahren werden. Das man sein Leben nach bestimmten strikten Regeln führt.
yoga-System des Patañjali unterweist uns, wie man die Wenn sich jemand zum Beispiel das cāturmāsya-Gelübde
Funktionen der Körperluft auf technische Weise meistern auferlegt, rasiert er sich vier Monate lang nicht (Juli -
kann, so daß letztlich alle Funktionen der Luft im Innern Oktober), ißt nur einmal am Tag bestimmte Speisen und
dazu benutzt werden können, die Seele von materieller verläßt das Haus nicht. Ein solcher Verzicht auf die
Anhaftung zu reinigen. Nach diesem yoga-System ist Annehmlichkeiten des Lebens wird tapomaya-yajña
pratyag-ātmā das endgültige Ziel. Dieses pratyag-ātmā genannt. Wieder andere beschäftigen sich mit
bedeutet, sich von Tätigkeiten in der Materie verschiedenen Arten mystischen yogas. wie dem Patañjali-
zurückzuziehen. Die Sinne stehen mit den Sinnesobjekten System, um mit der Existenz des Absoluten zu
in einer Wechselbeziehung, das heißt, die Ohren hören, die verschmelzen, oder ha˜ha-yoga bzw. a˜ā‰ga-yoga, um
Augen sehen, die Nase riecht, die Zunge schmeckt, die bestimmte Vollkommenheiten zu erlangen. Und manche
Hand berührt, und so sind alle Sinne mit Tätigkeiten reisen zu allen heiligen Pilgerorten. All diese Praktiken
außerhalb des Selbst beschäftigt. Das sind Funktionen der bezeichnet man als yoga-yajña oder Opfer, um eine
prāna-vāyu. Die apāna-vāyu strömt nach unten; die bestimmte Art von Vollkommenheit in der materiellen
vyāna-vāyu hat die Aufgabe, zusammenzuziehen und zu Welt zu erreichen. Noch andere widmen sich dem Studium
erweitern; die samāna-vāyu sorgt für Ausgeglichenheit, verschiedener vedischer Schriften, besonders den
und die udāna-vāyu strömt nach oben. Wenn man Upaniaden und den Vedānta-sūtras oder der sā‰khya-
erleuchtet ist, benutzt man all diese Luftarten auf der Suche Philosophie. All dies nennt man svādhyāya-yajña oder
nach Selbstverwirklichung. Opfer durch das Studieren der Veden. All diese yogīs
beschäftigen sich gläubig mit verschiedenen Arten von
VERS 28 Opfern und streben nach einer höheren Stufe des Lebens.
KŠa-Bewußtsein jedoch unterscheidet sich von all diesen
dravya-yajñās tapo-yajñā Opfern, denn es ist direkter Dienst für den Höchsten Herrn.
yoga-yajñās tathāpare KŠa-Bewußtsein kann man nicht durch eines der oben
svādhyāya-jñāna-yajñāś ca erwähnten Arten von Opfern erlangen, sondern allein
yatayaƒ saˆśita-vratāƒ durch die Barmherzigkeit des Herrn und Seines reinen
Geweihten. Daher ist KŠa-Bewußtsein transzendental.
dravya-yajñāƒ—seine Besitztümer opfernd; tapo-yajñāƒ—
Opfer in tapasya; yoga-yajñāƒ—Opfer in achtfacher VERS 29
Mystik; tathā—so; apare—andere; svādhyāya—Opfer im
Studium der Veden; jñāna-yajñāƒ—Opfer im Fortschritt apāne juhvati prāŠaˆ
transzendentalen Wissens; ca—auch; yatayaƒ—erleuchtet; prāŠe’pānaˆ tathāpare
saˆśita—auf sich nehmend strenge; vratāƒ—Gelübde. prāŠāpāna-gatī ruddhvā
prāŠāyāma-parāyaŠāƒ
ÜBERSETZUNG apare niyatāhārāƒ
prāŠān prāŠeu juhvati
Es gibt andere, die — erleuchtet durch das Opfer ihrer
materiellen Besitztümer in schwerer tapasya — strenge apāne—Luft, die nach unten strömt; juhvati—opfert;
Gelübde auf sich nehmen und den yoga der achtfachen prāŠam—Luft, die nach außen strömt; prāŠe—in der Luft,
Mystik praktizieren, und wieder andere studieren die die nach außen strömt; apānam—Luft, die nach unten
Veden, um im transzendentalen Wissen Fortschritte zu strömt; tathā—wie auch; apare—andere; prāŠa—Luft, die
machen. nach außen strömt; apāna—Luft, die nach unten strömt;
gatī—Bewegung; ruddhvā—Anhalten; prāŠāyama—
ERLÄUTERUNG Trance, die dadurch hervorgerufen wird, daß man den
Atem anhält; parāyaŠāƒ—dazu neigen; apare—andere;
Diese Opfer können in verschiedene Gruppen eingeteilt niyata—beherrscht; āhārāƒ—Essen; prāŠān—Luft, die
werden. Es gibt Menschen, die ihren Besitz in Form nach außen strömt; prāŠeu—in die nach außen strömende
verschiedener Spenden opfern. In Indien eröffnen reiche Luft; juhvati—opfert.
Kaufleute oder Prinzen verschiedene
111

ÜBERSETZUNG vertraut; yajña—Opfer; kapita—vom Ergebnis solcher


Ausführungen gereinigt sein; kalmaāƒ—sündhafte
Und es gibt sogar noch andere, die dazu neigen, den Reaktionen; yajña-śi˜a—als Ergebnis solcher
Vorgang der Atembeherrschung zu praktizieren, um in Ausführungen von yajña; amta-bhujaƒ—diejenigen, die
Trance zu bleiben. Sie üben sich darin, den solchen Nektar gekostet haben; yānti—nähern sich;
ausströmenden Atem im einströmenden und den brahma—der höchsten; sanātanam—ewigen Atmosphäre.
einströmenden Atem im ausströmenden anzuhalten,
und bleiben so letztlich in Trance, indem sie alles ÜBERSETZUNG
Atmen einstellen. Einige von ihnen bringen, indem sie
das Essen einschränken, den ausströmenden Atem sich Diejenigen, die diese Opfer ausführen und deren
selbst als Opfer dar. Bedeutung kennen, werden von sündhaften Reaktionen
gereinigt, und weil sie den Nektar der Überreste solcher
ERLÄUTERUNG Opfer gekostet haben, gelangen sie in die höchste ewige
Sphäre.
Dieses yoga-System, durch das man die Atmung
beherrschen kann, nennt man prāŠāyāma, und es wird zu ERLÄUTERUNG
Beginn im ha˜ha-yoga-System durch verschiedene
Sitzstellungen geübt. All diese Vorgänge werden Aus der vorangegangenen Erklärung verschiedener Arten
empfohlen, um die Sinne zu meistern und in der von Opfern (nämlich Opfer des Besitzes, Studium der
spirituellen Verwirklichung fortzuschreiten. Zu dieser Veden oder philosophischer Lehren und Ausübung des
Technik gehört, daß die Luft im Körper beherrscht wird, yoga-Systems) kann man ersehen, daß es das gemeinsame
um ein gleichzeitiges Strömen in entgegengesetzte Ziel aller ist, die Sinne zu beherrschen. Sinnenbefriedigung
Richtungen zu ermöglichen. Die apāna-Luft strömt nach ist die eigentliche Ursache des materiellen Daseins;
unten, und die prāŠa-Luft strömt nach oben. Der solange man sich daher nicht auf einer Ebene befindet, auf
prāŠāyāma-yogī übt solange, in entgegengesetzter der es keine Sinnenbefriedigung gibt, ist es nicht möglich,
Richtung zu atmen, bis sich die beiden Luftströme auf die ewige Ebene allumfassenden Wissens,
gegenseitig aufheben und pūraka oder Ausgeglichenheit vollkommener Glückseligkeit und vollkommenen Lebens
herrscht. Wenn man den ausströmenden Atem im erhoben zu werden. Diese Ebene liegt in der ewigen der
einströmenden Atem opfert, wird das recaka genannt, und Brahman-Sphäre. Alle obenerwähnten Opfer helfen einem,
wenn beide Luftströme völlig zur Ruhe kommen, nennt von den sündhaften Reaktionen des materiellen Daseins
man dies kumbhaka-yoga. Durch kumbhaka-yoga geläutert zu werden. Durch diesen Fortschritt wird man
verlängern die yogīs ihre Lebensdauer um viele Jahre. Ein nicht nur in diesem Leben glücklich und reich, sondern
KŠa-bewußter Mensch jedoch wird dadurch, daß er geht auch letztlich in das ewige Königreich Gottes ein,
immer im transzendentalen liebevollen Dienst des Herrn indem man entweder mit dem unpersönlichen Brahman
verankert ist, von selbst der Meister seiner Sinne. Da seine verschmilzt oder mit der Höchsten Persönlichkeit Gottes,
Sinne immer in KŠas Dienst tätig sind, gibt es für sie KŠa, zusammenkommt.
keine Möglichkeit auf andere Weise beschäftigt zu werden.
Am Ende seines Lebens wird er natürlicherweise auf die VERS 31
transzendentale Ebene Śrī KŠas versetzt; folglich
versucht er nicht, seine Lebensdauer zu verlängern. Er wird nāyaˆ loko'sty ayajñasya
sogleich auf die Ebene der Befreiung gehoben. Ein kuto'nyaƒ kuru-sattama
KŠa-bewußter Mensch beginnt auf der transzendentalen
Stufe, und er befindet sich ständig in diesem Bewußtsein. na—niemals; ayam—dieser; lokaƒ—Planet; asti—es gibt;
Er kommt daher nicht zu Fall, und letztlich geht er ohne ayajñasya—der Toren; kutaƒ—wo es gibt; anyaƒ—das
Verzug in das Reich des Herrn ein. Das Verfahren, das andere; kuru-sattama—o Bester der Kurus.
Essen einzuschränken, wird von selbst praktiziert, wenn
man nur KŠa-prasāda ißt, das heißt Speise, die zuerst ÜBERSETZUNG
dem Herrn geopfert wurde. Um die Sinne zu beherrschen,
ist es sehr hilfreich, das Essen einzuschränken. Und ohne O Bester der Kuru-Dynastie,ohne Opfer kann man auf
die Sinne zu beherrschen, ist es nicht möglich, sich aus der diesem Planeten oder in diesem Leben niemals glücklich
materiellen Verstrickung zu lösen. leben — vom nächsten ganz zu schweigen.

VERS 30 ERLÄUTERUNG

sarve'py ete yajña-vido In welcher Form des materiellen Daseins man sich auch
yajña-kapita-kalmaāƒ befinden mag, man weiß jedenfalls nichts von seiner
yajña-śi˜āmta-bhujo wirklichen Situation. Anders ausgedrückt: Das Dasein in
yānti brahma sanātanam der materieüen Welt hat seine Ursache in den vielfachen
Reaktionen auf unser sündhaftes Leben. Unwissenheit ist
sarve—alle; api—obwohl offensichtlich verschieden; ete— die Ursache eines sündigen Lebens, und ein sündiges
all diese; yajña-vidaƒ—mit dem Zweck der Ausführung Leben ist die Ursache dafür, daß man sich weiter im
112

materiellen Dasein dahinschleppt. Die menschliche Form Weil die Menschen so tief in die körperliche Auffassung
des Lebens ist das einzige Schlupfloch, durch das man vom Leben versunken sind, sind diese Opfer so
dieser Verstrickung entkommen kann. Die Veden geben eingerichtet, daß man entweder mit dem Körper, mit dem
uns deshalb eine Möglichkeit zur Flucht, indem sie uns die Geist oder mit der Intelligenz tätig sein kann. Aber sie alle
Pfade der Religion, des wirtschaftlichen Wohlstands und werden empfohlen, um letztlich Befreiung vom Körper
der regulierten Sinnenbefriedigung zeigen und schließlich herbeizuführen. Dies wird hier vom Herrn aus Seinem
das Mittel, aus diesem erbärmlichen Zustand gänzlich eigenen Mund bestätigt.
herauszukommen. Der Pfad der Religion, das heißt die
verschiedenen Arten von Opfer, die oben empfohlen VERS 33
wurden, löst von selbst unsere wirtschaftlichen Probleme.
Wenn yajñas oder Opfer ausgeführt werden, können wir śreyān dravyamayād yajñāj
genug Nahrungsmittel, genug Milch usw. bekommen — jñāna-yajñaƒ parantapa
auch wenn die Bevölkerung in starkem Maße zunimmt. sarvaˆ karmākhilaˆ pārtha
Wenn der Körper mit allem versorgt wird, ist jñāne parisamāpyate
natürlicherweise die nächste Stufe, daß man seine Sinne
befriedigt. Die Veden schreiben daher eine heilige Heirat śreyān—größer; dravyamayād—als das Opfer materieller
vor, um die Befriedigung der Sinne zu regulieren. Auf Besitztümer; yajñāt— Wissen; jñāna-yajñaƒ—Opfer in
diese Weise wird man allmählich zu der Ebene gehoben, Wissen; parantapa—o Bezwinger des Feindes; sarvam—
auf der man aus der materiellen Knechtschaft befreit ist, alle; karma—Tätigkeiten; akhilam—in ihrer Gesamtheit;
und die höchste Vollkommenheit des befreiten Lebens pārtha—o Sohn Pthās; jñāne—im Wissen;
besteht darin, mit dem Höchsten Herrn zusammenzusein. parisamāpyate—endet in.
Diese Vollkommenheit wird durch die Darbringung von
yajña (Opfer) erreicht, wie schon oben erklärt wurde. ÜBERSETZUNG
Wenn nun jemand nicht geneigt ist, yajñas nach den Un-
terweisungen der Veden auszuführen, wie kann er dann ein O Bezwinger des Feindes, das Opfer in Wissen ist
glückliches Leben erwarten? Es gibt verschiedene Grade größer als das Opfer materieller Besitztümer. O Sohn
materieller Annehmlichkeiten auf verschiedenen Pthās, letztlich gipfelt das Opfer von Arbeit in
himmlischen Planeten, und in jedem Fall erwartet transzendentalem Wissen.
diejenigen, die verschiedene Arten von yajñas darbringen,
unermeßliches Glück. Aber das höchste Glück, das ein ERLÄUTERUNG
Mensch erreichen kann, besteht darin, durch das
Praktizieren von KŠa-Bewußtsein zu den spirituellen Der Zweck aller Opfer besteht darin, die Stufe
Planeten zu gelangen. Ein Leben im KŠa-Bewußtsein ist vollständigen Wissens zu erreichen, sodann von allen
daher die Lösung für alle Probleme des materiellen materiellen Leiden frei zu werden und schließlich sich im
Daseins. liebevollen transzendentalen Dienst des Herrn
(KŠa-Bewußtsein) zu beschäftigen. Trotzdem liegt in all
VERS 32 diesen verschiedenen Opferhandlungen ein Geheimnis, und
man sollte dieses Geheimnis kennen. Opfer nehmen
evaˆ bahu-vidhā yajñā manchmal je nach dem Glauben des Ausführenden
vitatā brahmaŠo mukhe unterschiedliche Formen an. Wenn der Glaube die Stufe
karma-jān viddhi tān sarvān transzendentalen Wissens erreicht, sollte der Ausführende
evaˆ jñātvā vimokyase von Opfern als weiter fortgeschritten betrachtet werden als
diejenigen, die nur materielle Besitztümer ohne solches
evam—so; bahu-vidhāƒ—verschiedene Arten von; Wissen opfern; denn ohne Wissen bleiben Opfer auf der
yajñaƒ—Opfern; vitatāƒ—weitverbreitet; brahmaŠaƒ—der materiellen Ebene und bringen keinen spirituellen Nutzen.
Veden; mukhe—angesichts; karma-jān—aus Arbeit Wirkliches Wissen gipfelt in KŠa-Bewußtsein, der
geboren; viddhi—du solltest wissen; tān—sie; sarvān—alle; höchsten Stufe transzendentalen Wissens. Ohne durch
evam—so; jñātvā—kennend; vimokyase—sei befreit. Wissen eine höhere Ebene zu erreichen, sind Opfer nichts
weiter als materielle Tätigkeiten. Wenn sie jedoch zur
ÜBERSETZUNG Ebene transzendentalen Wissens erhoben werden, gelangen
all diese Tätigkeiten auf die spirituelle Ebene. Je nach
All diese verschiedenen Arten von Opfern werden in Unterschieden im Bewußtsein werden Opferhandlungen
den Veden gebilligt, und sie alle werden aus manchmal als karma-kāŠa (fruchtbringende Tätigkeiten)
verschiedenen Arten von Handlung geboren. Wenn du und manchmal als jñāna-kāŠa (Wissen auf der Suche
sie als solche kennst, wirst du befreit werden. nach der Absoluten Wahrheit) bezeichnet. Es ist besser,
wenn Wissen das Endziel ist.
ERLÄUTERUNG
VERS 34
In den Veden werden verschiedene Arten von Opfern
erwähnt, wie wir sie oben erörtert haben, um den tad viddhi praŠipātena
verschiedenen Arten von Handelnden gerecht zu werden. paripraśnena sevayā
113

upadekyanti te jñānaˆ
jñāninas tattva-darśinaƒ VERS 35

yaj jñātvā na punar moham


tat—dieses Wissen um verschiedene Opfer; viddhi— evaˆ yāsyasi pāŠava
versuche zu verstehen; praŠipātena—indem du dich an yena bhūtāny aśeāŠi
einen spirituellen Meister wendest; paripraśnena—durch drakyasy ātmany atho mayi
ergebenes Fragen; sevayā—durch Dienen; upadekyanti—
zuteil werden lassen; te—dir; jñānam—Wissen; jñāninaƒ— yat—das; jñātvā—wissend; na—niemals; punaƒ—wieder;
die selbstverwirklichten; tattva—Wahrheit; darsinaƒ—die moham—Illusion; evam—wie diese; yāsyasi—du wirst
Weisen. gehen; pāŠava—o Sohn PāŠus; yena—durch das;
bhūtāni—alle Lebewesen; aśeāŠi—in ihrer Gesamtheit;
ÜBERSETZUNG drakyasi—du wirst sehen; ātmani—in der Höchsten Seele;
atho—oder mit anderen Worten; mayi—in Mir.
Versuche die Wahrheit zu erfahren, indem du dich an
einen spirituellen Meister wendest. Stelle ihm in ÜBERSETZUNG
ergebener Haltung Fragen, und diene ihm. Die
selbstverwirklichte Seele kann dir Wissen offenbaren, Und wenn du so die Wahrheit erfahren hast, wirst du
weil sie die Wahrheit gesehen hat. wissen, daß alle Lebewesen Meine Teile sind — und daß
sie in Mir ruhen und Mein eigen sind.
ERLÄUTERUNG
ERLÄUTERUNG
Der Pfad der spirituellen Erkenntnis ist zweifellos
schwierig. Der Herr gibt uns daher den Rat, einen echten Empfängt man Wissen von einer selbstverwirklichten
spirituellen Meister aufzusuchen, der einer Schülernach- Seele, das heißt von jemandem, der die Dinge so kennt,
folge angehört, die vom Herrn Selbst ausgeht. Niemand wie sie sind, erfährt man, daß alle Lebewesen winzige
kann ein echter spiritueller Meister sein, ohne sich an Bestandteile der Höchsten Persönlichkeit Gottes Śrī KŠa
diesen Grundsatz der Schülernachfolge zu halten. Der Herr sind. Die Vorstellung, etwas existiere getrennt von KŠa,
ist der ursprüngliche spirituelle Meister, und jemand in der wird māyā genannt (mā—nicht, yā—dieses). Einige
Schülernachfolge kann die Botschaft des Herrn, so wie sie Menschen glauben, wir hätten mit KŠa nichts zu tun;
ist, an seinen Schüler weitergeben. Niemand kann spirituell KŠa sei nur eine bedeutende historische Persönlichkeit,
verwirklicht sein, indem er sich seinen eigenen Weg fabri- und das Absolute sei das unpersönliche Brahman. In
ziert, wie es heute bei törichten Heuchlern Mode geworden Wirklichkeit aber ist dieses unpersönliche Brahman, wie in
ist. Das Bhāgavatam (6.3.19) sagt: dharmaˆ tu der Bhagavad-gītā bestätigt wird, KŠas leuchtende
sākād-bhagavat-praŠītam. "Der Pfad der Religion ist Ausstrahlung. KŠa, als die Höchste Persönlichkeit
direkt vom Herrn festgelegt worden." Deshalb können Gottes, ist die Ursache allen Seins. In der Brahma-saˆhitā
einem gedankliche Spekulationen oder trockene (5.1) wird unmißverständlich gesagt, daß KŠa, die
Argumente nicht helfen, im spirituellen Leben Höchste Persönlichkeit Gottes, die Ursache aller Ursachen
fortzuschreiten. Man muß sich an einen echten spirituellen ist. Selbst die Millionen von Inkarnationen sind nur Seine
Meister wenden, um Wissen zu empfangen. Solch ein verschiedenen Erweiterungen. In ähnlicher Weise sind die
spiritueller Meister sollte in voller Ergebenheit akzeptiert Lebewesen ebenfalls Erweiterungen KŠas. Die
werden, und man sollte ihm wie ein unterwürfiger Diener, Māyāvādī-Philosophen glauben fälschlich, KŠa verliere
ohne falschen Stolz, dienen. Die Zufriedenheit des in Seinen vielen Erweiterungen Sein gesondertes Dasein.
selbstverwirklichten spirituellen Meisters ist das Geheimnis Dieser Gedanke ist dem Wesen nach materiell. In der
des Fortschritts im spirituellen Leben. Fragen und materiellen Welt machen wir die Erfahrung, daß ein Ding
Ergebenheit sind die geeignete Kombination für seine ursprüngliche Identität verliert, wenn es in mehrere
spirituelles Verständnis. Wenn Ergebenheit und Dienst Teile zerlegt wird. Doch die Māyāvādī-Philosophen
nicht vorhanden sind, werden Fragen an den gelehrten können die Bedeutung von "absolut" nicht verstehen: Eins
spirituellen Meister keine Wirkung haben. Man muß plus eins gleich eins, und eins minus eins ebenfalls gleich
imstande sein, die Prüfung des spirituellen Meisters zu eins. Dies ist in der absoluten Welt der Fall.
bestehen, und wenn er den aufrichtigen Wunsch des Aus Mangel an ausreichendem Wissen von der absoluten
Schülers sieht, segnet er ihn von selbst mit echtem Wissenschaft sind wir im Augenblick von Illusion bedeckt
spirituellem Verständnis. In diesem Vers werden sowohl und glauben daher, wir seien von KŠa getrennt. Obwohl
blindes Folgen als auch absurdes Fragen verurteilt. Man gesonderte Teile KŠas, sind wir doch niemals von Ihm
sollte von dem spirituellen Meister nicht nur in ergebener verschieden. Der körperliche Unterschied zwischen den
Haltung hören, sondern man muß von ihm auch durch Lebewesen ist māyā oder keine eigentliche Tatsache. Wir
Ergebenheit, Dienst und Fragen ein klares Verständnis sind alle dafür bestimmt, KŠa zufriedenzustellen. Nur
bekommen. Ein echter spiritueller Meister ist von Natur weil Arjuna von māyā verwirrt war, dachte er, die
aus zu seinem Schüler sehr gütig. Wenn der Schüler daher zeitweilige körperliche Beziehung zu seinen Verwandten
ergeben ist und immer bereit zu dienen, wird der sei wichtiger als seine ewige spirituelle Beziehung zu
Austausch von Wissen und Fragen vollkommen. KŠa. Die ganze Lehre der Gītā ist auf dieses eine Ziel
114

ausgerichtet: Ein Lebewesen kann als der ewige Diener Persönlichkeit Gottes empfangen, ist der Pfad der
KŠas niemals von Ihm getrennt sein. Die Vorstellung, Befreiung. Das Boot des KŠa-Bewußtseins ist sehr
eine von KŠa getrennte Identität zu besitzen, wird māyā einfach, aber zugleich sehr erhaben.
genannt. Die Lebewesen haben als gesonderte Bestandteile
des Höchsten eine Aufgabe zu erfüllen. Weil sie diese VERS 37
Aufgabe vergessen haben, befinden sie sich seit
unvordenklichen Zeiten als Menschen, Tiere, Halbgötter yathaidhāˆsi samiddho'gnir
usw. in verschiedenen Körpern. Solch körperliche Unter- bhasmasāt kurute'rjuna
schiede entstehen, weil die Lebewesen den jñānāgniƒ sarva-karmāŠi
transzendentalen Dienst des Herrn vergessen haben. Wenn bhasmasāt kurute tathā
man aber durch KŠa-Bewußtsein in transzendentalem
Dienst tätig ist, wird man sogleich von dieser Illusion yathā—so wie; edhāˆsi—Brennholz; samiddhaƒ—
befreit. Man kann solch reines Wissen nur von einem loderndes; agniƒ—Feuer; bhasmasāt—verwandelt in
echten spirituellen Meister erwerben und so den Irrtum Asche; kurute—so auch; arjuna—o Arjuna; jnāna-agniƒ—
vermeiden, das Lebewesen sei KŠa ebenbürtig. das Feuer des Wissens; sarva-karmāŠi—alle Reaktionen
Vollkommenes Wissen bedeutet zu verstehen, daß die auf materielle Tätigkeiten; bhasmasāt—zu Asche; kurute—
Höchste Seele, KŠa, die höchste Zuflucht für alle es auch; tathā—in ähnlicher Weise.
Lebewesen ist und daß die Lebewesen, die diesen Schutz
aufgeben, von der materiellen Energie getäuscht werden ÜBERSETZUNG
und sich einbilden, eine getrennte Identität zu besitzen. So
vergessen sie KŠa in den verschiedenen Formen So wie loderndes Feuer Brennholz zu Asche verwandelt,
materieller Identität. Wenn diese irregeführten Lebewesen o Arjuna, so verbrennt das Feuer des Wissens alle
jedoch im KŠa-Bewußtsein verankert werden, muß man Reaktionen auf materielle Tätigkeiten.
verstehen, wie im Bhāgavatam bestätigt wird, daß sie sich
auf dem Pfad der Befreiung befinden: muktir hitvānyathā ERLÄUTERUNG
rūpaˆ svarūpeŠa vyavasthitiƒ. Befreiung bedeutet, in sei-
ner wesensgemäßen Stellung als ewiger Diener KŠas im Vollkommenes Wissen vom Selbst, vom Überselbst und
KŠa-Bewußtsein verankert zu sein. ihrer Beziehung zueinander wird hier mit Feuer verglichen.
Dieses Feuer verbrennt nicht nur alle Reaktionen auf
VERS 36 gottlose Tätigkeiten, sondern auch alle Reaktionen auf
fromme Werke und verwandelt sie zu Asche. Es gibt viele
api ced asi pāpebhyaƒ Stufen von Reaktion: Reaktion, die gerade entsteht;
sarvebhyaƒ pāpa-kttamaƒ Reaktion, die gerade Früchte trägt; Reaktion, die bereits
sarvaˆ jñāna-plavenaiva eingetroffen ist, und Reaktion a priori. Doch Wissen um
vjinaˆ santariyasi die wesensgemäße Stellung des Lebewesens verbrennt
alles zu Asche. Wenn man über vollständiges Wissen
api—sogar; cet—wenn; asi—du bist; pāpebhyaƒ—von verfügt, werden alle Reaktionen —sowohl a priori als auch
Sündern: sarvebhyaƒ—von allen; pāpa-kttamaƒ—der a posteriori — verzehrt. In den Veden heißt es: ubhe
größte Sünder; sarvam—all diese sündhaften Handlungen; uhaivaia ete taraty amtaƒ sādhv-asādhūnī. "Man
jñāna-plavena—mit dem Boot transzendentalen Wissens; überwindet sowohl die frommen als auch die gottlosen
eva—gewiß; vjinam—den Ozean der Leiden; Wechselwirkungen des Tuns."
santariyasi—du wirst ganz überqueren.
VERS 38
ÜBERSETZUNG
na hi jñānena sadśaˆ
Selbst wenn du der sündigste aller Sünder bist, wirst du pavitram iha vidyate
fähig sein, den Ozean der Leiden zu überqueren, wenn tat svayaˆ yoga-saˆsiddhaƒ
du im Boot transzendentalen Wissens sitzt. kālenātmani vindati

ERLÄUTERUNG na—niemals; hi—gewiß; jñānena—mit Wissen; sadśam—


im Vergleich zu; pavitram—geheiligt; iha—in dieser Welt;
Ein richtiges Verständnis seiner wesensgemäßen Stellung vidyate—existiert; tat—dieses; svayam—es selbst; yoga—
in Beziehung zu KŠa ist so schön, daß es einen sogleich Hingabe; saˆsiddhaƒ—gereifte; kālena—im Laufe der
aus dem Kampf ums Dasein herausheben kann, der im Zeit; ātmani—in sich selbst; vindati—genießt.
Ozean der Unwissenheit ausgefochten wird. Die materielle
Welt wird manchmal als ein Ozean der Unwissenheit und ÜBERSETZUNG
manchmal als ein brennender Wald betrachtet. Im Ozean
ist der Kampf ums Dasein sehr hart, ganz gleich wie geübt In dieser Welt gibt es nichts, was so erhaben und rein
man als Schwimmer sein mag. Wenn jemand kommt und ist wie transzendentales Wissen. Solches Wissen ist die
den Schwimmer aus dem Ozean zieht, ist er der größte reife Frucht aller Mystik, und wer es erreicht hat, wird
Retter. Vollkommenes Wissen, von der Höchsten sehr bald das Selbst in sich genießen können.
115

ajñaƒ—Toren, die kein Wissen von maßgeblichen


ERLÄUTERUNG Schriften haben; ca—und; aśraddadhānaƒ—ohne Glauben
an die offenbarten Schriften; ca—auch; saˆśaya—
Wenn wir von transzendentalem Wissen sprechen, so Zweifel; ātmā—Person; vinaśyati—fällt zurück; na—
meinen wir damit spirituelles Verständnis. Es gibt nichts, niemals; ayam—diese; lokaƒ—Welt; asti—es gibt; na—
was so erhaben und rein ist wie transzendentales Wissen. weder; paraƒ—im nächsten Leben; na—nicht; sukham—
Unwissenheit ist die Ursache unserer Knechtschaft, und Glück; saˆśaya—zweifelhaft; ātmanaƒ—der Person.
Wissen ist die Ursache unserer Befreiung. Dieses Wissen
ist die reife Frucht hingebungsvollen Dienstes, und wenn ÜBERSETZUNG
man im transzendentalen Wissen verankert ist, braucht
man nicht woanders nach Frieden zu suchen, denn man Unwissende und ungläubige Menschen aber, die an den
genießt Frieden im Innern. Mit anderen Worten: Dieses offenharten Schriften zweifeln, erreichen kein
Wissen und dieser Friede finden ihre Vollendung im Gottesbewußtsein. Für die zweifelnde Seele gibt es
KŠa-Bewußtsein. Das ist die letztliche Schlußfolgerung Glück weder in dieser Welt noch in der nächsten.
der Bhagavad-gītā.
ERLÄUTERUNG
VERS 39
Von vielen maßgeblichen und autoritativen offenbarten
śraddhāvāl labhate jñānaˆ Schriften ist die Bhagavad-gītā die beste. Menschen, die
tat-paraƒ saˆyatendriyaƒ fast Tieren gleichen, glauben nicht an die maßgeblichen
jñānaˆ labdhvā-parāˆ śāntim offenbarten Schriften oder kennen sie nicht, und obwohl
acireŠādhigacchati einige diese Schriften kennen und aus ihnen zitieren
können, glauben sie im Grunde nicht an diese Worte. Und
śraddhāvān—ein gläubiger Mensch; labhate—erreicht; obwohl andere auf Schriften wie die Bhagavad-gītā
jñānam—Wissen; tat-paraƒ—sehr daran angehaftet; vertrauen mögen, glauben sie doch nicht an die
saˆyata—beherrschte; indriyaƒ—Sinne; jñānam— Persönlichkeit Gottes, Śrī KŠa, noch verehren sie Ihn.
Wissen; labdhvā—erreicht habend; parām— Solche Menschen können sich im KŠa-Bewußtsein nicht
transzendentales; śāntim—Frieden; acireŠa—sehr bald; halten. Sie kommen zu Fall. Von all den oben erwähnten
adhigacchati—erlangt. Menschen machen diejenigen, die keinen Glauben haben
und immer zweifeln, keinerlei Fortschritte. Menschen ohne
ÜBERSETZUNG Glauben an Gott und Sein offenbartes Wort finden weder
in dieser noch in der nächsten Welt etwas Gutes. Für sie
Ein gläubiger Mensch, der sich in transzendentales gibt es nicht das geringste Glück. Man sollte daher den
Wissen vertieft und seine Sinne beherrscht, erlangt sehr Prinzipien der offenbarten Schriften mit Glauben folgen
schnell den höchsten spirituellen Frieden. und dadurch auf die Ebene von Wissen erhoben werden.
Nur dieses Wissen wird einem helfen, auf die
ERLÄUTERUNG transzendentale Ebene spirituellen Verständnisses zu
gelangen. Anders ausgedrückt: Zweifelnde Menschen sind
Solches Wissen im KŠa-Bewußtsein kann von einem von spiritueller Befreiung weit entfernt. Man sollte daher
gläubigen Menschen erreicht werden, der fest an KŠa den Fußspuren großer ācāryas folgen, die der
glaubt. Jemand wird als gläubiger Mensch bezeichnet, Schülernachfolge angehören, und so erfolgreich sein.
wenn der denkt, daß einfach dadurch, daß er im
KŠa-Bewußtsein handelt, die höchste Vollkommenheit VERS 41
erreichen kann. Diesen Glauben erreicht man durch
hingebungsvollen Dienst und das Chanten von Hare yoga-sannyasta-karmāŠaˆ
KŠa, Hare KŠa, KŠa KŠa, Hare Hare / Hare Rāma, jñāna-sañchinna-saˆśayam
Hare Rāma, Rāma Rāma, Hare Hare, welches das Herz ātma-vantaˆ na karmāŠi
von allem materiellem Schmutz säubert. Darüber hinaus nibadhnanti dhanañjaya
sollte man die Sinne beherrschen. Ein Mensch, der auf
KŠa vertraut und die Sinne meistert, kann sehr leicht yoga—hingebungsvoller Dienst in karma-yoga;
unverzüglich Vollkommenheit im Wissen des KŠa- sannyasta—entsagungsvoll; karmāŠam—der
Bewußtseins erlangen. Ausführenden; jñāna—Wissen; sañchinna—durch
Fortschritte im Wissen zerschnitten; saˆśayam—Zweifel;
VERS 40 ātma-vantam—im Selbst verankert; na—niemals;
karmāŠi—Arbeit; nibadhnanti—bindet; dhanañjaya—o
ajñaś cāśraddadhānaś ca Eroberer von Reichtümern.
saˆśayātmā vinaśyati
nāyaˆ loko'sti na paro ÜBERSETZUNG
na sukhaˆ saˆśayātmanaƒ
Wer daher auf die Früchte seiner Handlungen
verzichtet, wessen Zweifel durch transzendenbles
116

Wissen zerstört sind und wer fest im Selbst verankert des Herrn vom Höchsten Herrn Selbst erörtert. Wer die
ist, wird von Werken nicht gebunden, o Eroberer von Unterweisungen der Gītā nicht versteht, ist ungläubig und
Reichtümern. mißbraucht die winzige Unabhängikeit, die ihm vom Herrn
gewährt wird. Wer trotz dieser Unterweisungen die wahre
ERLÄUTERUNG Natur Śrī KŠas als die ewige, glückselige, allwissende
Persönlichkeit Gottes nicht versteht, ist zweifellos der
Wer sich an die Unterweisung der Gītā hält, wie sie vom größte Tor. Unwissenheit kann beseitigt werden, indem
Herrn, der Persönlichkeit Gottes, Selbst gegeben ist, wird man nach und nach die Prinzipien des KŠa-Bewußtseins
durch die Gnade transzendentalen Wissens von allen akzeptiert. KŠa-Bewußtsein wird durch verschiedene
Zweifeln frei. Er ist, als winziger Bestandteil des Herrn, in Arten von Opfern wiedererweckt: durch Opfer zu den
völligem KŠa-Bewußtsein bereits in Selbsterkenntnis Halbgöttern, zum Brahman, im Zölibat, im
verankert. Folglich steht er zweifellos über der Bindung an Haushälterleben, bei der Beherrschung der Sinne, bei der
seine Handlung. Ausübung mystischen yogas, bei der Auferlegung von
tapasya, beim Verzicht auf materielle Besitztümer, beim
VERS 42 Studium der Veden und bei der Teilnahme an der sozialen
Einrichtung des varŠāśrama-dharma. All diese Tätigkeiten
tasmād ajñāna-sambhūtaˆ sind als Opfer bekannt und beruhen auf einer geregelten
ht-sthaˆ jñānāsinātmanaƒ Handlungsweise. Doch bei all diesen Tätigkeiten steht
chittvainaˆ saˆśayaˆ yogam Selbstverwirklichung im Vordergrund. Wer dieses Ziel
āti˜hotti˜ha bhārata anstrebt, ist der wirkliche Schüler der Bhagavad-gītā, doch
wer an der Autorität Śrī KŠas zweifelt, fällt zurück. Es
tasmāt—deshalb; ajñāna-sambhūtam—Folge von wird daher geraten, die Bhagavad-gītā oder jede andere
Unwissenheit; ht-stham—im Herzen befindlich; jñāna— Schrift unter der Führung eines spirituellen Meisters mit
Wissen; asinā—durch die Waffe des; ātmanaƒ—des Selbst; Dienst und Ergebenheit zu studieren. Ein echter spiritueller
chittvā—zerschneidend; enam—diesen; aˆśayam— Meister gehört seit ewigen Zeiten der Schülernachfolge an
Zweifel; yogam—in yoga; āti˜ha—sei verankert; und weicht niemals von den Unterweisungen des Höchsten
utti˜ha—erhebe dich, um zu kämpfen; bhārata—o Nach- Herrn ab, wie sie vor Millionen von Jahren dem
komme Bhāratas. Sonnengott gegeben wurden, der die Lehren der
Bhagavad-gītā in das irdische Königreich überlieferte.
ÜBERSETZUNG Man sollte daher dem Pfad der Bhagavad-gītā folgen, so
wie er in der Gītā selbst beschrieben wird, und sich vor
Daher sollten die Zweifel, die in deinem Herzen aus selbstsüchtigen Menschen hüten, die nur nach
Unwissenheit entstanden sind, mit der Waffe des persönlichem Prestige streben und andere vom rechten
Wissens zerschlagen werden. Bewaffne dich mit yoga, o Pfad abbringen. Der Herr ist zweifellos die höchste Person,
Bhārata, steh auf und kämpfe. und Seine Taten sind transzendental. Wer das versteht, ist
schon zu Beginn seines Studiums der Gītā eine befreite
ERLÄUTERUNG Seele.

Das yoga-System, das in diesem Kapitel erklärt wird, heißt Hiermit enden die Bhaktivedanta-Erläuterungen zum
sanātana-yoga oder die ewige Tätigkeit des Lebewesens. Vierten Kapitel der Śrīmad-Bhagavad-gītā mit dem Titel:
Dieser yoga wird in zwei Arten von Opferhandlungen "Transzendentales Wissen".
unterteilt: die eine ist das Opfer materieller Besitztümer
und die andere ist Wissen vom Selbst, das heißt rein
spirituelle Tätigkeit. Wenn das Opfer materieller
Besitztümer nicht mit spiritueller Verwirklichung
verbunden ist, wird ein solches Opfer materiell. Doch wer
solche Opfer mit einem spirituellen Ziel bzw. im hinge-
bungsvollen Dienst ausführt, bringt ein vollkommenes
Opfer dar. Wenn wir zu spirituellen Tätigkeiten kommen,
sehen wir, daß diese ebenfalls zweifach unterteilt sind,
nämlich in das Verständnis des eigenen Selbst oder seiner
wesensgemäßen Stellung und in die Wahrheit bezüglich
der Höchsten Persönlichkeit Gottes. Wer dem Pfad der
Gītā, wie sie ist, folgt, kann diese beiden wichtigen
Unterteilungen spirituellen Wissens sehr leicht verstehen.
Ihm fällt es nicht schwer, vollkommenes Wissen vom
Selbst als einem winzigen Bestandteil des Herrn zu
erlangen. Und ein solches Verständnis ist nützlich für einen
solchen Menschen, der dann auch die transzendentalen
Taten und Spiele des Herrn leicht verstehen kann. Zu
Beginn dieses Kapitels wurden die transzendentalen Taten
117

FÜNFTES KAPITEL deshalb, ob er ganz aufhören soll zu handeln oder ob es


besser sei, in vollkommenem Wissen zu handeln.

Karma-yoga - Handeln im VERS 2


KŠa-Bewußtsein
śrī bhagavān uvāca
VERS 1 sannyāsaƒ karma-yogaś ca
niƒśreyasa-karāv ubhau
arjuna uvjāca tayos tu karma-sannyāsāt
sannyāsaˆ karmaŠāˆ kŠa karma-yogo viśiyate
punar yogaˆ ca śaˆsasi
yac chreya etayor ekaˆ śrī bhagavān uvāca—die Persönlichkeit Gottes sprach;
tan me brūhi suniścitam sannyāsaƒ—Entsagung der Arbeit; karma-yogaƒ—Arbeit in
Hingabe; ca—auch; niƒśreyasa-karau—beide führen zum
arjunaƒ uvāca—Arjuna sagte; sannyāsam—Entsagung; Pfad der Befreiung; ubhau—beide; tayoƒ—von beiden;
karmaŠām—aller Tätigkeiten; kŠa—o KŠa; punaƒ— tu—aber: karma-sannyāsāt—im Vergleich zu Entsagung
wieder; yogam—hingebungsvollen Dienst; ca—auch; fruchtbringender Arbeit; karma-yogaƒ—Arbeit in Hingabe;
śaˆsasi—Du lobst; yat-was; śreyaƒ—ist segensreich; viśiyate—ist besser.
etayaƒ—von diesen beiden; ekam—eines; tat—dieses; me-
mir; brūhi—bitte sage; suniścitam—endgültig. ÜBERSETZUNG

ÜBERSETZUNG Der Segenspendende Herr sprach: Sowohl Entsagung


der Arbeit als auch Handeln in Hingabe führen zu
Arjuna sagte: O KŠa, zuerst bittest Du mich, allem Befreiung. Doch von den beiden ist hingebungsvoller
Tun zu entsagen, und dann wieder empfiehlst Du mir, in Dienst besser als die Entsagung aller Arbeit.
Hingabe zu handeln. Würdest Du mir bitte eindeutig
sagen, was von beiden segensreicher ist. ERLÄUTERUNG

ERLÄUTERUNG Fruchtbringende Tätigkeiten (auf der Suche nach


Sinnenbefriedigung) sind die Ursache für materielle
In diesem Fünften Kapitel der Bhagavad-gītā sagt der Herr, Knechtschaft. Solange man Tätigkeiten nachgeht, die das
daß Arbeit im hingebungsvollen Dienst besser ist als Ziel haben, die körperlichen Annehmlichkeiten zu
trockene gedankliche Spekulation. Hingebungsvoller verbessern, muß man unweigerlich von einem Körper zum
Dienst ist einfacher als Spekulation, weil er, da dem Wesen anderen wandern und damit seine Gefangenschaft in der
nach transzendental, einen von Reaktionen befreit. Im Materie unaufhörlich fortsetzen. Das Śrīmad-Bhāgavatam
Zweiten Kapitel wurde das einleitende Wissen von der (5.5.4-6) bestätigt dies wie folgt:
Seele und ihrer Verstrickung mit dem materiellen Körper
erklärt. Wie man sich durch buddhi-yoga oder nūnaˆ pramattaƒ kurute vikarma
hingebungsvollen Dienst aus dieser materiellen Gefangen- yad indriya-prītaya āpŠoti
schaft befreien kann, wurde dort ebenfalls beschrieben. Im na sādhu manye yata ātmano ‘yam
Dritten Kapitel wurde erklärt, daß jemand, der sich auf der asann api kleśada āsa dehaƒ
Ebene von Wissen befindet, nicht länger irgendwelche
Pflichten zu erfüllen hat. Und im Vierten Kapitel sagte der parābhavas tāvad abodha-jāto
Herr zu Arjuna, daß alle Arten von Opfern in Wissen yāvanna jijñāsata ātma-tattvam
gipfeln. Am Ende des Vierten Kapitels jedoch gab der Herr yāvat kriyās tāvad idaˆ mano vai
Arjuna den Rat, aufzuwachen und zu kämpfen, da er jetzt karmātmakaˆ yena śarīra-bandhaƒ
über vollkommenes Wissen verfüge. Weil KŠa
gleichzeitig die Wichtigkeit von hingebungsvollem Dienst evaˆ manaƒ karma vaśaˆ prayu‰kte
und Nichthandeln in Wissen betonte, wurde Arjuna avidyayātmany upadhīyamāne
verwirrt, und seine Entschlossenheit geriet ins Wanken. prītir na yāvan mayi vāsudeve
Arjuna versteht, daß Entsagung in Wissen bedeutet, alle na mucyate deha-yogena tāvat
Arten von Arbeit, die als Sinnestätigkeiten ausgeführt
werden, einzustellen. Aber wie kann man aufhören zu "Die Menschen sind verrückt nach Sinnenbefriedigung, und
handeln, wenn man Arbeit im hingebungsvollen Dienst sie wissen nicht, daß ihr gegenwärtiger, von Leid erfüllter
verrichtet? Mit anderen Worten: Er glaubt, sannyāsam oder Körper das Ergebnis fruchtbringender Tätigkeiten der
Entsagung in Wissen müsse völlig frei sein von jeglicher Vergangenheit ist. Obwohl dieser Körper zeitweilig ist,
Aktivität, weil ihm Handeln und Entsagung unvereinbar bereitet er uns ständig in vieler Hinsicht Schwierigkeiten.
erscheinen. Er scheint nicht verstanden zu haben, daß Deshalb ist es nicht gut, für Sinnenbefriedigung zu handeln.
Handeln in völligem Wissen keine Reaktionen zur Folge Man hat im Leben versagt, solange man nicht nach der
hat und daher das gleiche ist wie Nichthandeln. Er fragt Natur von Arbeit für fruchttragende Ergebnisse fragt, denn
solange man in das Bewußtsein der Sinnenbefriedigung
118

vertieft ist, muß man von einem Körper zum anderen Starkarmiger; sukham—glücklich; bandhāt—aus
wandern. Obwohl der Geist in fruchtbringende Tätigkeiten Knechtschaft; pramucyate—völlig befreit.
versunken und von Unwissenheit beeinflußt sein mag, muß
man Liebe für den hingebungsvollen Dienst Vasudevas ÜBERSETZUNG
entwickeln. Nur dann kann man die Möglichkeit haben,
von der Fessel des materiellen Daseins frei zu werden." Wer die Früchte seiner Tätigkeiten weder haßt noch
Deshalb reicht jñāna (das Wissen, daß man nicht der begehrt, ist immer entsagungsvoll. Solch ein Mensch,
materielle Körper, sondern spirituelle Seele ist) für befreit von allen Dualitäten, überwindet leicht die
Befreiung nicht aus. Man muß als spirituelle Seele handeln, materielle Knechtschaft und ist völlig befreit, o
sonst gibt es kein Entkommen aus der materiellen starkarmiger Arjuna.
Knechtschaft. Handeln im KŠa-Bewußtsein bedeutet
jedoch nicht Handeln auf der fruchtbringenden Ebene. In ERLÄUTERUNG
vollkommenem Wissen ausgeführte Tätigkeiten stärken den
Fortschritt eines Menschen in wirklichem Wissen. Bloße Wer im KŠa-Bewußtsein fest verankert ist, ist immer
Entsagung fruchtbringender Tätigkeiten, ohne KŠa-- entsagungsvoll, weil er die Ergebnisse seines Handelns
Bewußtsein, läutert das Herz einer bedingten Seele im weder haßt noch begehrt. Solch ein entsagungsvoller
Grunde nicht. Solange das Herz nicht geläutert ist, muß Mensch, der sich dem transzendentalen liebevollen Dienst
man auf der fruchtbringenden Ebene handeln. Aber des Herrn weiht, verfügt über vollkommenes Wissen, da er
Handeln im KŠa-Bewußtsein hilft einem von selbst, dem seine wesensgemäße Stellung in Beziehung zu KŠa kennt.
Ergebnis fruchtbringenden Tuns zu entgehen, so daß man Er weiß sehr wohl, daß KŠa das Ganze und daß er ein
nicht auf die materielle Ebene hinabzusteigen braucht. winziger Bestandteil KŠas ist. Solches Wissen ist
Daher ist Handeln im KŠa-Bewußtsein stets höher vollkommen, da es qualitativ und quantitativ richtig ist. Die
einzustufen als Entsagung, denn Entsagung ist immer mit Vorstellung des Einsseins mit KŠa ist inkorrekt, weil der
der Gefahr verbunden, zu Fall zu kommen. Entsagung ohne Teil dem Ganzen nicht ebenbürtig sein kann. Das Wissen,
KŠa-Bewußtsein ist unvollkommen, wie Śrīla Rūpa qualitativ mit KŠa eins, quantitativ jedoch verschieden
Gosvāmī in seinem Bhakti-rasāmta-sindhu bestätigt: von Ihm zu sein, ist korrektes transzendentales Wissen, das
einen Menschen zu innerer Erfüllung führt, so daß er nach
prāpañcikatayā buddhyā nichts mehr strebt und nichts mehr beklagt. In seinem Geist
hari-sambandhi-vastunaƒ gibt es keine Dualität, da er alles, was er tut, für KŠa tut.
mumukubhiƒ parityāgo Wenn er auf diese Weise von der Ebene der Dualitäten frei
vairāgyaˆ phalgu kathyate geworden ist, ist er befreit—sogar in der materiellen Welt.

"Wenn Menschen danach streben, von Dingen befreit zu VERS 4


werden, die, obwohl materiell, zur Höchsten Persönlichkeit
Gottes in Beziehung stehen, nennt man dies unvollständige sā‰khya-yogau pthag bālāƒ
Entsagung." pravadanti na paŠitāƒ
Entsagung ist vollständig, wenn sie in dem Wissen geübt ekam apy āsthitaƒ samyag
wird, daß alles Existierende dem Herrn gehört und daß ubhayor vindate phalam
daher niemand irgend etwas als sein Eigentum
beanspruchen sollte. Man sollte verstehen, daß eigentlich sā‰khya—analytisches Studium der materiellen Welt;
niemandem etwas gehört. Wie kann dann überhaupt die yogau—Arbeit im hingebungsvollen Dienst; pthak—
Frage der Entsagung aufkommen? Jemand, der weiß, daß verschieden; bālāƒ—weniger Intelligente; pravadanti—
alles KŠas Eigentum ist, übt sich immer in Entsagung. Da reden; na—niemals; paŠitāƒ—die Gelehrten; ekam—in
alles KŠa gehört, sollte alles in KŠas Dienst gestellt einem; api-obwohl; āsthitaƒ—sich befindend; samyak—
werden. Diese vollkommene Handlungsweise im vollständig; ubhayoƒ—von beiden; vindate—genießt;
KŠa-Bewußtsein ist weitaus besser als jedes Maß an phalam—Ergebnis.
künstlicher Entsagung durch einen sannyāsī der
Māyāvādī-Schule. ÜBERSETZUNG

VERS 3 Nur die Unwissenden sagen, karma-yoga und


hingebungsvoller Dienst seien etwas anderes als das
jñeyaƒ sa nitya-sannyāsī analytische Studium der materiellen Welt [sā‰khya].
yo na dve˜i na kā‰kati Diejenigen, die wahrhaft gelehrt sind, erklären, daß
nirdvandvo hi mahā-bāho jemand, der sich einem dieser Pfade eingehend widmet,
sukhaˆ bandhāt pramucyate die Ergebnisse beider erreicht.

jñeyaƒ—sollte gekannt werden; saƒ—er; nitya—immer; ERLÄUTERUNG


sannyāsī—Entsagung Übender; yaƒ—der; na—niemals;
dve˜i—haßt; na—noch; kā‰kati—begehrt; nirdvandvaƒ— Das Ziel des analytischen Studiums der materiellen Welt
frei von allen Dualitäten; hi—gewiß; mahā-bāho—o besteht darin, die Seele der Existenz zu finden. Die Seele
der materiellen Welt ist ViŠu, die Überseele. Hin-
119

gebungsvoller Dienst für den Herrn umfaßt Dienst für die VERS 6
Überseele. Der erste Schritt besteht darin, die Wurzel des sannyāsas tu mahā-bāho
Baumes zu finden, und der nächste ist, sie zu bewässern. duƒkham āptum ayogataƒ
Der wirkliche Student der sā‰khya-Philosophie findet die yoga-yukto munir brahma
Wurzel der materiellen Welt, ViŠu, und betätigt sich dann, na cireŠādhigacchati
in vollkommenem Wissen, im Dienst des Herrn. Daher
besteht im wesentlichen kein Unterschied zwischen diesen sannyāsaƒ—der Lebenstand der Entsagung; tu—aber;
beiden Pfaden, denn das Ziel beider ist ViŠu. Diejenigen, mahā-bāho—o Starkarmiger; duƒkham—Leid; āptum—zu
die das Endziel nicht kennen, sagen, die Ziele von sā‰khya- leiden an; ayogatah—ohne hingebungsvollen Dienst;
und karma-yoga seien nicht die gleichen, doch jemand, der yoga-yuktaƒ—jemand, der im hingebungsvollen Dienst
gelehrt ist, kennt das gemeinsame Ziel dieser verschiedenen beschäftigt ist; muniƒ—Denker; brahma—das Höchste;
Vorgänge. na—ohne; cireŠa—Verzug; adhigacchati—erreicht.

VERS 5 ÜBERSETZUNG

yat sā‰khyaiƒ prāpyate sthānaˆ Solange man nicht im hingebungsvollen Dienst des
tad yogair api gamyate Herrn beschäftigt ist, kann man durch bloße Entsagung
ekaˆ sā‰khyaˆ ca yogaˆ ca der Tätigkeiten nicht glücklich werden. Die Weisen, die
yaƒ paśyati sa paśyati durch Werke der Hingabe geläutert sind, erreichen den
Höchsten ohne Verzögerung.
yat—was; sā‰khyaiƒ—mittels sā‰khya-Philosophie;
prāpyate—wird erreicht; sthānam—Stelle; tat—diese; ERLÄUTERUNG
yogaiƒ—durch hingebungsvollen Dienst; api—auch;
gamyate—kann man erreichen; ekam-jemand; sā‰khyam— Es gibt zwei Klassen von sannyāsīs, das heißt Menschen im
analytisches Studium; ca-und; yogam—Handeln in Lebensstand der Entsagung. Die Māyāvādī-sannyāsīs sind
Hingabe; ca—und; yaƒ—jemand, der; paśyati—sieht; saƒ— mit dem Studium der sā‰khya-Philosophie beschäftigt,
er; paśyati—sieht wirklich. während die VaiŠava-sannyāsīs die
Bhāgavatam-Philosophie studieren, die den richtigen
ÜBERSETZUNG Kommentar zu den Vedānta-sūtras liefert. Auch die Māyā-
vādī-sannyāsīs studieren die Vedānta-sūtras, doch benutzen
Wer versteht, daß die Stellung, die man durch sie ihren eigenen Kommentar, den Śārīraka-bhāya, der
Entsagung erreicht, auch durch Tätigkeiten im von Śa‰karācārya verfaßt wurde. Die Studenten der
hingebungsvollen Dienst erlangt werden kann, und wer Bhāgavata-Schule betätigen sich den
daher erkennt, daß der Pfad des Handelns und der Pfad pāñcarātrikī-Regulierungen gemäß im hingebungsvollen
der Entsagung eins sind, sieht die Dinge so, wie sie Dienst des Herrn, und daher gehen die VaiŠava-sannyāsīs
wirklich sind. im transzendentalen Dienst des Herrn vielfältigen
Beschäftigungen nach. Die VaiŠava-sannyāsīs haben mit
ERLÄUTERUNG materiellen Tätigkeiten nichts zu tun, und dennoch ver-
richten sie verschiedenartige Tätigkeiten in ihrem
Der eigentliche Zweck philosophischen Forschens besteht hingebungsvollen Dienst für den Herrn. Die
darin, das endgültige Ziel des Lebens zu finden. Da das Māyāvādī-sannyāsīs hingegen, die sich mit dem Studium
endgültige Ziel des Lebens Selbstverwirklichung ist, gibt es von sā‰khya-Philosophie, Vedānta und Spekulation
keinen Unterschied zwischen den beiden befassen, können den transzendentalen Dienst des Herrn
Schlußfolgerungen, zu denen man durch die beiden nicht kosten. Weil ihre Studien mit der Zeit sehr langweilig
Vorgänge kommt. Durch die philosophische Forschung des werden, werden sie es leid, über das Brahman zu
sā‰khya gelangt man zu der Schlußfolgerung, daß ein spekulieren, und suchen deshalb beim Bhāgavatam
Lebewesen nicht Bestandteil der materiellen Welt, sondern Zuflucht, ohne es richtig zu verstehen. Folglich wird es für
ein Teil des Höchsten Spirituellen Ganzen ist. Folglich hat sie sehr schwierig, das Śrīmad-Bhāgavatam zu studieren.
die spirituelle Seele nichts mit der materiellen Welt zu tun; Trockene Spekulationen und unpersönliche Interpretationen
ihre Handlungen müssen in irgendeiner Weise in mit künstlichen Mitteln helfen den Māyāvādī-sannyāsīs
Beziehung zum Höchsten stehen. Erst wenn sie im nicht weiter. Die VaiŠava-sannyāsīs, die sich im
KŠa-Bewußtsein handelt, nimmt sie ihre wesensgemäße hingebungsvollen Dienst betätigen, sind bei der Erfüllung
Stellung ein. Durch den ersten Vorgang, sā‰khya, muß man ihrer transzendentalen Pflichten glücklich und haben die
sich von der Materie lösen, und durch den Vorgang des Garantie, schließlich in das Königreich Gottes einzutreten.
hingebungsvollen yoga muß man Anhaftung an den Dienst Die Māyāvādī-sannyāsīs fallen manchmal vom Pfad der
KŠas entwickeln. Im Grunde sind beide Vorgänge gleich, Selbstverwirklichung ab und wenden sich wieder
obwohl oberflächlich betrachtet der eine Loslösung und der materiellen Tätigkeiten philanthropischer und altruistischer
andere Anhaftung mit sich bringt. Loslösung von Materie Natur zu, die nichts weiter als materielle Beschäftigungen
und Anhaftung an KŠa sind jedoch das gleiche. Wer das sind. Man kann daher den Schluß ziehen, daß diejenigen,
verstehen kann, sieht die Dinge, wie sie sind. die im KŠa-Bewußtsein tätig sind, besser gestellt sind als
die sannyāsīs, die nur über das Brahman spekulieren,
120

obgleich auch sie nach vielen Geburten zum während er auf dem Schlachtteld von Kuruketra kämpfte;
KŠa-Bewußtsein kommen. er führte nur in völligem KŠa-Bewußtsein KŠas Befehle
aus. Ein solcher Mensch ist niemals in die Reaktionen der
VERS 7 Handlungen verstrickt.

yoga-yukto viśuddhātmā VERS 8-9


vijitātmā jitendriyaƒ
sarvabhūtātmabhūtātmā naiva kiñcit karomīti
kurvann api na lipyate yukto manyeta tattva-vit
paśyañ śŠvan spśañ jighrann
yoga-yuktaƒ—im hingebungsvollen Dienst tätig; aśnan gacchan svapan śvasan
viśuddha-ātmā—eine geläuterte Seele; vijita-ātmā—
selbstbeherrscht; jita-indriyaƒ—nachdem sie die Sinne pralapan visjan ghŠann
besiegt hat; sarvabhūta-ātmabhūta-ātmā—mitleidig mit unmian nimiann api
allen Lebewesen; kurvan api—obwohl mit Arbeit indriyāŠīndriyārtheu
beschäftigt; na—niemals; lipyate—ist verstrickt. vartanta iti dhārayan

ÜBERSETZUNG na—niemals; eva—gewiß; kiñcit—irgend etwas; karomi—tu


ich; iti—so; yuktaƒ—in göttlichem Bewußtsein beschäftigt;
Wer in Hingabe handelt, wer eine reine Seele ist und manyeta—denkt; tattvavit—jemand, der die Wahrheit
wer Geist und Sinne beherrscht, ist jedem lieb, und kennt; paśyan—durch Sehen; śŠvan—durch Hören;
jeder ist ihm lieb. Obwohl ein solcher Mensch stets spsan—durch Berühren; jighran—durch Riechen; aśnan—
handelt, ist er niemals verstrickt. durch Essen; gacchan—durch Gehen; svapan—durch
Träumen; śvasan—durch Atmen; pralapan—durch Reden;
ERLÄUTERUNG visjan— durch Aufgeben; ghŠan—durch Annehmen;
unmian—Öffnen; nimian—Schließen; api—trotz;
Jemand, der sich durch KŠa-Bewußtsein auf dem Pfad der indriyāŠi—die Sinne; indriya-artheu—mit
Befreiung befindet, ist jedem Lebewesen sehr lieb, und Sinnenbefriedigung; vartante—mögen sie so beschäftigt
jedes Lebewesen ist ihm lieb. Dies ist auf sein sein; iti—so; dhārayan—überlegend.
KŠa-Bewußtsein zurückzuführen. Ein solcher Mensch
sieht kein Lebewesen getrennt von KŠa, geradeso wie die ÜBERSETZUNG
Blätter und Zweige eines Baumes nicht vom Baum getrennt
sind. Er weiß sehr wohl, daß dann, wenn man Wasser auf Ein Mensch im göttlichen Bewußtsein weiß im Innern
die Wurzel des Baumes gießt, das Wasser an alle Blätter stets, daß er in Wirklichkeit nicht handelt, obwohl er
und Zweige weitergeleitet wird, oder daß dann, wenn man sieht, hört, berührt, riecht, ißt, sich bewegt, schläft und
den Magen mit Nahrung versorgt, die Energie von selbst im atmet. Denn während er spricht, sich entleert, etwas zu
ganzen Körper verteilt wird. Weil jemand, der im sich nimmt, seine Augen öffnet oder schließt, weiß er
KŠa-Bewußtsein handelt, allen Wesen dient, ist er jedem immer, daß nur die materiellen Sinne mit ihren
sehr lieb. Und weil er jeden mit seinem Tun zufriedenstellt, Objekten beschäftigt sind und daß er damit nichts zu
lebt er in reinem Bewußtsein. Weil sein Bewußtsein rein ist, tun hat.
ist sein Geist völlig beherrscht. Und weil sein Geist
beherrscht ist, sind auch seine Sinne beherrscht. Weil sein ERLÄUTERUNG
Geist stets auf KŠa gerichtet ist, besteht weder die
Möglichkeit, daß er von KŠa abgelenkt wird, noch daß er Die Existenz eines Menschen im KŠa-Bewußtsein ist rein,
seine Sinne mit anderen Dingen als dem Dienst des Herrn folglich hat er nichts mit Handlungen zu tun, die von fünf
beschäftigen wird. Er möchte über nichts anderes hören als direkten und indirekten Ursachen abhängig sind: dem
Themen, die mit KŠa zu tun haben; er möchte nichts Handelnden, der Handlung, der Situation, der Bemühung
essen, was nicht KŠa geopfert ist, und er möchte und dem Glück. Das ist so, weil er im liebevollen
nirgendwo hingehen, wenn KŠa nicht mit einbezogen ist. transzendentalen Dienst KŠas beschäftigt ist. Obwohl er
Deshalb sind seine Sinne beherrscht. Ein Mensch mit mit seinem Körper und seinen Sinnen zu handeln scheint,
beherrschten Sinnen kann niemanden verletzen. Man mag ist er sich immer seiner eigentlichen Stellung bewußt, die
fragen: "Warum griff dann Arjuna (in der Schlacht) andere darin besteht, spirituell tätig zu sein. Im materiellen
an? War er nicht KŠa-bewußt?" Es schien nur so, daß Bewußtsein sind die Sinne mit Sinnenbefriedigung
Arjuna angriff, denn (wie bereits im Zweiten Kapitel erklärt beschäftigt, doch im KŠa-Bewußtsein sind die Sinne
worden ist) alle auf dem Schlachtfeld versammelten damit beschäftigt, KŠas Sinne zufriedenzustellen.
Personen lebten individuell weiter, da die Seele niemals Deshalb ist ein KŠa-bewußter Mensch stets frei, obwohl
erschlagen werden kann. Spirituell gesehen wurde also es so scheint, als sei er mit den Sinnesobjekten beschäftigt.
niemand auf dem Schlachtield von Kuruketra getötet. Es Tätigkeiten wie Sehen, Hören, Sprechen, Sichentleeren
wurden nur die äußerlichen Gewänder gewechselt, wie es usw. sind Handlungen der aktiven Sinne. Ein Mensch im
KŠa, der persönlich anwesend war, befohlen hatte. KŠa-Bewußtsein wird niemals von den Handlungen der
Deshalb kämpfte Arjuna in Wirklichkeit überhaupt nicht, Sinne beeinflußt. Er kann nichts anderes tun als im Dienste
121

des Herrn handeln, da er weiß, daß er der ewige Diener des kevalair indriyair api
Herrn ist. yoginaƒ karma kurvanti
sa‰gaˆ tyaktvātma-śuddhaye
VERS 10
kāyena—mit dem Körper; manasā—mit dem Geist;
brahmaŠy ādhāya karmāŠi buddhyā—mit der Intelligenz; kevalaiƒ—geläutert;
sa‰gaˆ tyaktvā karoti yaƒ indriyaiƒ—mit den Sinnen; api—sogar mit; yoginaƒ—die
lipyate na sa pāpena KŠa-bewußten Menschen; karma—Handlungen;
padma-patram ivāmbhasā kurvanti—sie handeln; sa‰gam—Anhaftung; tyaktvā—
aufgebend; ātma—Selbst; śuddhaye—um der Läuterung
brahmaŠi—die Höchste Persönlichkeit Gottes; ādhāya— willen.
hingeben zu; karmāŠi-alle Werke; sa‰gam—Anhaftung;
tyaktvā—aufgebend; karoti—führt aus; yaƒ—der; lipyate— ÜBERSETZUNG
wird beeinflußt; na—niemals; saƒ—er; pāpena—durch
Sünde; padmapatram—Lotosblatt; iva—wie; ambhasā—im Indem die yogīs Anhaftung aufgeben, handeln sie mit
Wasser. Körper, Geist, Intelligenz und sogar den Sinnen nur, um
geläutert zu werden.
ÜBERSETZUNG
ERLÄUTERUNG
Wer seine Pflicht ohne Anhaftung erfüllt und die
Ergebnisse dem Höchsten Gott hingibt, wird von Wenn man im KŠa-Bewußtsein für die Zufriedenstellung
sündhafter Handlung nicht beeinflußt, ebenso wie ein der Sinne KŠas handelt, wird jede Handlung des Körpers,
Lotosblatt vom Wasser nicht berührt wird. des Geistes, der Intelligenz oder sogar der Sinne von
materieller Verunreinigung geläutert. Auf die Tätigkeiten
ERLÄUTERUNG eines KŠa-bewußten Menschen folgen keine materiellen
Reaktionen. Deshalb kann man geläuterte Tätigkeiten, die
BrahmaŠi bedeutet hier "im KŠa-Bewußtsein". Die man im allgemeinen als sadācāra bezeichnet, sehr leicht
materielle Welt ist eine Gesamtmanifestation der drei ausführen, wenn man im KŠa-Bewußtsein handelt. Śrīla
Erscheinungsweisen der materiellen Natur, genau ge- Rūpa Gosvāmī beschreibt dies im Bhakti-rasāmta-sindhu
nommen wird es pradhāna genannt. Die vedischen wie folgt:
Hymnen (sarvam etad brahma, tasmād etad brahma
nāma-rūpam annaˆ ca jāyate) und die Bhagavad-gītā īhā yasya harer dāsye
(mama yonir mahad brahma) deuten darauf hin, daß alles karmaŠā manasā girā
in der materiellen Welt eine Manifestation des Brahman ist, nikhilāsv apy avasthāsu
und obwohl die Auswirkungen unterschiedlich manifestiert jīvanmuktaƒ sa ucyate
sind, unterscheiden sie sich nicht von der Ursache. In der
Iśopaniad wird gesagt, daß alles mit dem Höchsten "Jemand, der mit Körper, Geist, Intelligenz und Worten im
Brahman oder KŠa verbunden ist und daß daher alles Ihm KŠa-Bewußtsein (oder mit anderen Worten, im Dienste
allein gehört. Wer sich voll und ganz der Tatsache bewußt KŠas) handelt, ist sogar schon in der materiellen Welt
ist, daß alles KŠa gehört, daß Er der Besitzer alles befreit, wenngleich er vielen sogenannten materiellen
Existierenden ist und daß deshalb alles im Dienst des Herrn Tätigkeiten nachgehen mag."
beschäftigt werden muß, hat nichts mit den Ergebnissen Er hat weder ein falsches Ego, noch glaubt er, daß er der
seiner Tätigkeiten — seien diese tugendhaft oder sündhaft materielle Körper ist, noch, daß er den Körper besitzt. Er
— zu tun. Sogar der materielle Körper kann im weiß, daß er nicht der Körper ist und daß ihm der Körper
KŠa-Bewußtsein beschäftigt werden, denn er ist ein nicht gehört. Er selbst gehört KŠa, und auch der Körper
Geschenk des Herrn, um eine bestimmte Art von Arbeit zu gehört KŠa. Wenn er alles, was von Körper, Geist,
verrichten. Er wird dann nicht von sündhaften Reaktionen Intelligenz, Worten, Leben, Reichtum usw. hervorgebracht
verunreinigt, genau wie ein Lotosblatt nicht benetzt wird, wird — nämlich alles, was sich in seinem Besitz befinden
obwohl es im Wasser wächst. Der Herr sagt in der Gīta mag — in KŠas Dienst stellt, ist er sogleich mit KŠa
auch: mayi sarvāŠi karmāŠi sannyasya — "Gib all dein Tun verbunden. Er ist eins mit KŠa und frei vom falschen
Mir hin." Ego, das einen glauben macht, man sei der Körper. Das ist
Die Schlußfolgerung lautet, daß ein Mensch ohne die vollendete Stufe des KŠa-Bewußtseins.
KŠa-Bewußtsein auf der Ebene des materiellen Körpers
und der Sinne aktiv ist, wohingegen ein KŠa-bewußter VERS 12
Mensch in dem Wissen handelt, daß der Körper das
Eigentum KŠas ist und deshalb in KŠas Dienst yuktaƒ karma-phalaˆ tyaktvā
beschäftigt werden sollte. śāntim āpnoti nai˜hikīm
ayuktaƒ kāma-kāreŠa
VERS 11 phale sakto nibadhyate

kāyena manasā buddhyā


122

yuktaƒ—wer im hingebungsvollen Dienst tätig ist; materiellen Körper], und weder arbeitet es, noch wird
karma-phalam—die Ergebnisse aller Tätigkeiten; tyaktvā— es zur Ursache von Arbeit, die zu tun ist.
aufgebend; śāntim—vollkommenen Frieden; āpnoti—
erreicht; nai˜hikīm—unerschütterlichen; ayuktaƒ—jemand, ERLÄUTERUNG
der nicht KŠa-bewußt ist; kāma-kāreŠa—um das Ergebnis
der Arbeit zu genießen; phale—als Ergebnis; saktaƒ— Die verkörperte Seele lebt in der Stadt der neun Tore. Die
angehaftet; nibadhyate—wird verstrickt. Tätigkeiten des Körpers (oder sinnbildlich: der Stadt des
Körpers) werden wie von selbst von den jeweiligen
ÜBERSETZUNG Erscheinungsweisen der Natur ausgeführt. Obwohl sich die
Seele den Bedingungen des Körpers unterwirft, kann sie,
Die fortwährend hingegebene Seele erlangt wenn sie es wünscht, diese Bedingungen überwinden. Nur
unverfälschten Frieden, weil sie das Ergebnis aller weil sie ihre höhere Natur vergessen hat, identifiziert sie
Tätigkeiten Mir opfert, während jemand, der nicht mit sich mit dem materiellen Körper und leidet daher. Durch
dem Göttlichen verbunden ist und gierig nach den KŠa-Bewußtsein kann sie ihre wirkliche Stellung
Früchten seiner Arbeit strebt, verstrickt ist. wiederbeleben und so aus ihrer Verkörperung heraus-
kommen. Wenn man sich deshalb dem KŠa-Bewußtsein
ERLÄUTERUNG zuwendet, löst man sich sogleich von allen körperlichen
Tätigkeiten. In einem solch beherrschten Leben, in dem
Der Unterschied zwischen einem Menschen im man seine Vorstellungen gewandelt hat, lebt man glücklich
KŠa-Bewußtsein und einem Menschen im körperlichen in der Stadt der neun Tore. Die neun Tore werden wie folgt
Bewußtsein liegt darin, daß der erstere an KŠa hängt, beschrieben:
während der letztere an den Ergebnissen seiner Tätigkeiten
haftet. Derjenige, der an KŠa hängt und für Ihn allein nava-dvāre pure dehī
arbeitet, ist gewiß befreit und begehrt nicht nach haˆso lelāyate bahiƒ
fruchttragenden Belohnungen. Im Bhāgavatam wird erklärt, vaśī sarvasya lokasya
daß man sich um das Ergebnis seiner Tätigkeit sorgt, weil sthāvarasya carasya ca
man in der Auffassung von Dualität handelt, das heißt,
ohne Wissen von der Absoluten Wahrheit. KŠa ist die "Der Herr, die Höchste Persönlichkeit Gottes, der im
Höchste Absolute Wahrheit, die Persönlichkeit Gottes. Im Körper eines Lebewesens lebt, ist der Herrscher aller
KŠa-Bewußtsein gibt es keine Dualität. Alles Existierende Lebewesen überall im Universum. Der Körper besteht aus
ist ein Produkt der Energie KŠas, und KŠa ist absolut neun Toren: zwei Augen, zwei Nasenlöchern, zwei Ohren,
gut. Deshalb befinden sich Tätigkeiten im einem Mund, dem Anus und dem Genital. Im bedingten
KŠa-Bewußtsein auf der absoluten Ebene; sie sind Zustand identifiziert sich das Lebewesen mit dem Körper,
transzendental und haben keine materiellen Auswirkungen. doch wenn es sich mit dem Herrn in seinem Innern
Daher ist man im KŠa-Bewußtsein von Frieden erfüllt. identifiziert, wird es ebenso frei wie der Herr, selbst wenn
Wer jedoch in Profitkalkulationen für Sinnenbefriedigung es sich noch in diesem Körper befindet." (Śvet. Up. 3.18)
verstrickt ist, kann diesen Frieden nicht finden. Das ist das Deshalb ist ein KŠa-bewußter Mensch von den äußeren
Geheimnis des KŠa-Bewußtseins — die Erkenntnis, daß und inneren Tätigkeiten des materiellen Körpers frei.
es nichts außerhalb von KŠa gibt, ist die Ebene von
Frieden und Furchtlosigkeit. VERS 14

VERS 13 na karttvaˆ na karmāŠi


lokasya sjati prabhuƒ
sarva karmāŠi manasā na karma-phala-saˆyogaˆ
sannyasyāste sukhaˆ vaśī svabhāvas tu pravartate
nava-dvāre pure dehī
naiva kurvan na kārayan na—niemals; karttvam—Eigentumsrecht; na—noch;
karmāŠi—Tätigkeiten; lokasya—der Menschen; sjati—
sarva—alle; karmāŠi—Tätigkeiten; manasā—durch den erschafft; prabhuƒ—der Herr der Stadt des Körpers; na—
Geist; sannyasya—wenn man aufgibt; āste—bleibt man; noch; karma-phala—Ergebnisse von Tätigkeiten;
sukham—in Glück; vaśī—jemand, der beherrscht ist; saˆyogam—Verbindung; svabhāvaƒ—Erscheinungsweisen
nava-dvāre—an dem Ort, wo es neun Tore gibt; pure—in der materiellen Natur; tu—aber; pravartate—handelt.
der Stadt; dehī—die verkörperte Seele; na—niemals; eva—
gewiß; kurvan—irgend etwas tuend; na—nicht; kārayan— ÜBERSETZUNG
veranlassend zu tun.
Das verkörperte spirituelle Lebewesen, der Herr in der
ÜBERSETZUNG Stadt seines Körpers, verrichtet weder Tätigkeiten, noch
veranlaßt es andere zu handeln, noch erzeugt es die
Wenn das verkörperte Lebewesen seine Natur Früchte des Tuns. All dies wird von den
beherrscht und im Geist allen Handlungen entsagt, Erscheinungsweisen der materiellen Natur bewirkt.
wohnt es glücklich in der Stadt der neun Tore [dem
123

ERLÄUTERUNG Kette von Aktion und Reaktion. Ein Lebewesen ist


aufgrund seiner höheren Natur voller Wissen. Trotzdem
Wie im Siebten Kapitel erklärt werden wird, ist das neigt es aufgrund seiner begrenzten Kraft dazu, von
Lebewesen dem Wesen nach eins mit dem Höchsten Herrn; Unwissenheit beeinflußt zu werden. Der Herr ist
es unterscheidet sich von der Materie, die eine andere, allmächtig, aber das Lebewesen ist dies nicht. Der Herr ist
niedere Natur des Herrn ist. Auf irgendeine Weise hat die vibhu (allwissend), aber das Lebewesen ist aŠu (winzig
höhere Natur, das Lebewesen, seit unvordenklicher Zeit mit klein). Weil es eine lebendige Seele ist, hat es die Fähigkeit,
der materiellen Natur Kontakt aufgenommen. Der nach seinem freien Willen Wünsche zu haben. Solche
zeitweilige Körper, das heißt der materielle Aufenthaltsort, Wünsche werden nur vom allmächtigen Herrn erfüllt, und
den das Lebewesen bekommt, ist die Ursache einer Vielfalt wenn das Lebewesen bei seinen Wünschen verwirrt ist,
von Tätigkeiten und der sich daraus ergebenden erlaubt der Herr es ihm, diese Wünsche zu erfüllen, doch ist
Reaktionen. Wenn man in solch einer bedingten Er niemals für die Aktionen und Reaktionen der
Atmosphäre lebt, erleidet man die Ergebnisse der bestimmten Situation verantwortlich, die gewünscht
Tätigkeiten des Körpers, da man sich (aus Unwissenheit) worden sein mag. Da sich die verkörperte Seele in einem
mit dem Körper identifiziert. Es ist die seit undenklicher verwirrten Zustand befindet, identifiziert sie sich mit dem
Zeit erworbene Unwissenheit, die die Ursache körperlicher umständebedingten materiellen Körper und wird so dem
Leiden und Nöte ist. Sobald sich das Lebewesen von den zeitweiligen Leid und Glück des Lebens unterworfen. Der
Tätigkeiten des Körpers löst, wird es auch von den Herr ist als Paramātmā, als Überseele, der ständige
Reaktionen frei. Solange es sich in der Stadt des Körpers Begleiter des Lebewesens und kann deshalb die Wünsche
aufhält, scheint es Herr über sie zu sein, doch es ist der individuellen Seele verstehen, ebenso wie man den Duft
tatsächlich weder ihr Besitzer, noch beherrscht es ihre einer Blume riechen kann, wenn man sich in ihrer Nähe
Aktionen und Reaktionen. Es befindet sich einfach inmitten befindet. Durch Wünsche wird das Lebewesen auf subtile
des materiellen Ozeans und kämpft um seine Existenz. Art und Weise bedingt. Der Herr erfüllt seine Wünsche in
Die Wogen des Ozeans werfen es hin und her, und es hat dem Maße, wie es das Lebewesen verdient. Der Mensch
keine Kontrolle über sie. Die beste Lösung besteht darin, denkt, Gott lenkt. Das Individuum besitzt daher nicht die
durch transzendentales KŠa-Bewußtsein aus dem Wasser Allmacht, seine Wünsche zu erfüllen. Der Herr jedoch kann
herauszugelangen. Das allein wird es vor aller Unruhe alle Wünsche erfüllen, und weil Er Sich jedem gegenüber
bewahren. neutral verhält, mischt Er Sich nicht in die Wünsche der
winzigen unabhängigen Lebewesen ein. Wenn jemand sich
VERS 15 jedoch KŠa wünscht, kümmert Sich der Herr in
besonderer Weise um ihn und ermutigt ihn so, daß dieser
nādatte kasyacit pāpaˆ Ihn erreichen und ewig glücklich sein kann. Die vedischen
na caiva suktaˆ vibhuƒ Hymnen verkünden daher:
ajñānenāvtaˆ jñānaˆ
tena muhyanti jantavaƒ ea u hy eva sādhu karma kārayati taˆ yamebhyo lokebhya
unninīate
na—niemals; ādatte—nimmt an; kasyacit—irgend ea u evāsādhu karma kārayati yamadho ninīate
jemandes; pāpam—Sünde; na—noch; ca—auch; eva—
gewiß; suktam—fromme Werke; vibhuƒ—der Höchste ajño jantur anīo'yam ātmanaƒ sukha-duƒkhayoƒ
Herr; ajñānena—von Unwissenheit; āvtam—bedeckt; īśvara-prerito gacchet svargaˆ vāśvabhram eva ca
jñānam—Wissen; tena—durch dieses; muhyanti—verwirrt;
jantavaƒ—die Lebewesen. "Der Herr beschäftigt das Lebewesen mit frommen
Tätigkeiten, damit es erhoben werden mag. Der Herr
ÜBERSETZUNG beschäftigt es mit gottlosen Tätigkeiten, damit es in die
Hölle gehen kann. Das Lebewesen ist in seinem Leid und
Auch nimmt das höchste spirituelle Wesen nicht Glück völlig abhängig. Durch den Willen des Höchsten
jedermanns sündhafte oder fromme Tätigkeiten auf kann es in den Himmel oder in die Hölle gehen, geradeso
Sich. Die verkörperten Wesen jedoch sind verwirrt, da wie eine Wolke vom Wind getrieben wird."
Unwissenheit ihr wahres Wissen bedeckt. Somit verursacht die verkörperte Seele durch ihren seit
undenklicher Zeit bestehenden Wunsch, KŠa-Bewußtsein
ERLÄUTERUNG zu meiden, ihre eigene Verwirrung. Folglich vergißt sie,
obwohl sie dem Wesen nach ewig, glückselig und wissend
Das Sanskritwort vibhuƒ bezeichnet den Höchsten Herrn, ist, aufgrund der Winzigkeit ihres Daseins, ihre
der voll unbegrenzten Wissens, unbegrenzter Reichtümer, wesensgemäße Stellung als Diener des Herrn und gerät
unbegrenzter Stärke, unbegrenzten Ruhms, unbegrenzter somit in die Falle der Unwissenheit. Und im Bann der
Schönheit und unbegrenzter Entsagung ist. Er ist immer in Unwissenheit macht das Lebewesen den Herrn für sein
Sich Selbst zufrieden und wird von sündigen oder frommen bedingtes Dasein verantwortlich. Auch die Vedānta-sūtras
Tätigkeiten nicht gestört. Für kein Lebewesen schafft Er bestätigen dies:
eine besondere Situation, doch das durch Unwissenheit
verwirrte Lebewesen entwickelt den Wunsch, in bestimmte vaiamya-nairghŠye na sāpekatvāt tathā hi darśayati
Lebensumstände versetzt zu werden, und damit beginnt die
124

"Der Herr haßt oder liebt niemanden, obwohl es so Ehre erwiesen wird, die man gewöhnlich nur Gott erweist,
erscheint." weil er Wissen von Gott hat. Man muß lernen, worin der
Unterschied zwischen Gott und dem Lebewesen besteht. Śrī
VERS 16 KŠa sagt daher im Zweiten Kapitel (Bg. 2.12), daß jedes
Lebewesen ein Individuum und daß der Herr ebenfalls ein
jñānena tu tad ajñānaˆ Individuum ist. Sie waren alle Individuen in der
yeāˆ nāśitam ātmanaƒ Vergangenheit; sie sind Individuen in der Gegenwart, und
teām ādityavaj jñānaˆ sie werden auch in der Zukunft — selbst nach der
prakāśayati tat param Befreiung — weiter Individuen bleiben. In der Dunkelheit
der Nacht erscheint uns alles eins zu sein, doch am Tage,
jñānena—durch Wissen; tu—aber; tat—diese; ajñānam— wenn die Sonne scheint, sehen wir alles in seiner
Unwissenheit; yesām— jener; nāśitam—ist zerstört; wirklichen Identität. Wenn man seine Identität kennt und
ātmanaƒ—des Lebewesens; teām—ihres; ādityavat—wie versteht, daß man auch im spirituellen Leben ein
die aufgehende Sonne; jñānam—Wissen; prakāśayati— Individuum ist, besitzt man wirkliches Wissen.
enthüllt; tat param—im KŠa-Bewußtsein.
VERS 17
ÜBERSETZUNG
tad-buddhayas tad-ātmānas
Wenn aber jemand mit dem Wissen erleuchtet ist, durch tan-ni˜hās tat-parāyaŠāƒ
das Unwissenheit zerstört wird, dann enthüllt sein gacchanty apunar-āvttiˆ
Wissen alles, ebenso wie die Sonne am Tage alles jñāna-nirdhūta-kalmaāƒ
erleuchtet.
tad-buddhayaƒ—jemand, dessen Intelligenz stets im
ERLÄUTERUNG Höchsten verankert ist; tad-ātmānaƒ—jemand, dessen Geist
stets im Höchsten verankert ist; tat-ni˜hāƒ—jemand,
Diejenigen, die KŠa vergessen haben, müssen zweifellos dessen Geist nur für den Höchsten bestimmt ist;
verwirrt sein, aber diejenigen, die sich im tat-parāyaŠāƒ—jemand, der völlig bei Ihm Zuflucht
KŠa-Bewußtsein befinden, sind nicht im geringsten gesucht hat; gacchanti—gehen; apunaƒ-āvttim—
verwirrt. In der Bhagavad-gītā heißt es: "sarvaˆ Befreiung; jñāna—Wissen; nirdhūta—läutert; kalmaāƒ—
jñāna-plavena", "jñānāgniƒ sarva-karmāŠi“ und "na hi unheilvolle Dinge.
jñānena sadśam." Wissen wird immer hoch geschätzt. Und
was ist dieses Wissen? Vollkommenes Wissen ist erreicht, ÜBERSETZUNG
wenn man sich KŠa ergibt, wie es in Vers 19 des Siebten
Kapitels heißt: bahūnāˆ janmanām ante jñānavān māˆ Wenn Intelligenz, Geist, Glaube und Zuflucht im
prapadyate. Wenn man sich also nach vielen, vielen Höchsten verankert sind, wird man durch vollständiges
Geburten in vollkommenem Wissen KŠa ergibt, das heißt Wissen von allem Schlechten geläutert und kann so auf
wenn man KŠa-Bewußtsein erreicht, dann wird einem dem Pfad der Befreiung unbeirrt fortschreiten.
alles enthüllt, ebenso wie die Sonne am Tage alles enthüllt.
Das Lebewesen ist in so vieler Hinsicht verwirrt. Wenn es ERLÄUTERUNG
zum Beispiel glaubt, selbst Gott zu sein, geht es in
Wirklichkeit in die letzte Falle der Unwissenheit. Wenn ein Die Höchste Transzendentale Wahrheit ist Śrī KŠa. Die
Lebewesen Gott ist, wie kann es dann von Unwissenheit ganze Bhagavad-gītā dreht sich um die Erklärung, daß Śrī
verwirrt werden? Wird Gott von Unwissenheit verwirrt? KŠa die Höchste Persönlichkeit Gottes ist. So lautet die
Würde dies der Fall sein, wäre Unwissenheit oder Satan Aussage aller vedischen Schriften. Paratattva bedeutet die
größer als Gott. Wirkliches Wissen kann man von einem Höchste Wirklichkeit, die von den Kennern des Höchsten
Menschen empfangen, der über vollkommenes als Brahman, Paramātamā und Bhagavān verstanden wird.
KŠa-Bewußtsein verfügt. Deshalb muß man einen Bhagavān oder die Höchste Persönlichkeit Gottes ist der
solchen echten spirituellen Meister finden und unter seiner höchste Aspekt des Absoluten. Es gibt nichts Höheres. Der
Anleitung lernen, was KŠa-Bewußtsein ist. Der spirituelle Herr sagt: mattaƒ parataraˆ nānyat kiñcit asti dhanañjaya.
Meister kann alle Unwissenheit vertreiben, ebenso wie die Das unpersönliche Brahman wird ebenfalls von KŠa
Sonne Dunkelheit vertreibt. Obwohl ein Mensch völlig unterstützt: brahmaŠo hi prati˜hāham. Deshalb ist KŠa
erkannt haben mag, daß er nicht der Körper ist, sondern in in jeder Hinsicht die Höchste Wirklichkeit. Jemand, dessen
transzendentaler Stellung dazu steht, mag er trotzdem nicht Geist, Intelligenz, Glaube und Zuflucht immer in KŠa
imstande sein, zwischen der Seele und der Überseele zu verankert sind, das heißt, jemand, der völlig KŠa-bewußt
unterscheiden. Er kann jedoch vollkommene Erkenntnis ist, wird zweifellos von allem Schlechten reingewaschen
erlangen, wenn er sich darum bemüht, bei einem und verfügt über vollkommenes Wissen, was die
vollkommenen, echten, KŠa-bewußten spirituellen Transzendenz betrifft. Ein KŠa-bewußter Mensch kann
Meister Zuflucht zu suchen. Man kann Gott und seine voll und ganz verstehen, daß es in KŠa Dualität gibt
Beziehung zu Ihm nur dann kennen, wenn man tatsächlich (nämlich gleichzeitig Identität und Individualität), und
einen Stellvertreter Gottes trifft. Ein Stellvertreter Gottes wenn man solch transzendentales Wissen besitzt, kann man
behauptet niemals, selbst Gott zu sein, obwohl ihm alle stetigen Fortschritt auf dem Pfad der Befreiung machen.
125

VERS 19
VERS 18
ihaiva tair jitaƒ sargo
vidyā-vinaya-sampanne yeāˆ sāmye sthitaˆ manaƒ
brāhmaŠe gavi hastini nirdoaˆ hi samaˆ brahma
śuni caiva śvapāke ca tasmād brahmaŠi te sthitāƒ
paŠitāƒ sama-darśinaƒ
iha—in diesem Leben; eva—gewiß; taiƒ—von ihnen;
vidyā—Bildung; vinaya—Zuvorkommenheit; sampanne— jitaƒ—überwunden; sargaƒ—Geburt und Tod; yeām—von
voll ausgestattet; brāhmaŠe—im brāhmaŠa; gavi—in der denen; sāmye—in Ausgeglichenheit; sthitam—sich so
Kuh; hastini—im Elefanten; śuni—im Hund; ca—und; befindend; manaƒ—Geist; nirdoam—makellos; hi—
eva—gewiß; śvapāke—in dem Hundeesser (dem gewiß; samam—in Ausgeglichenheit; brahma—das
Unberührbaren); ca—jeweils; paŠitāƒ—diejenigen, die Höchste; tasmāt—daher; brahmaŠi—im Höchsten; te—sie;
weise sind; sama-darśinaƒ—sehen mit gleichen Augen. sthitāƒ—befinden sich.

ÜBERSETZUNG ÜBERSETZUNG

Der demütige Weise sieht kraft wahren Wissens einen Diejenigen, deren Geist in Gleichmut und
gelehrten und zuvorkommenden brāhmaŠa, eine Kuh, Ausgeglichenheit ruht, haben bereits die Bedingungen
einen Elefanten, einen Hund und einen Hundeesser von Geburt und Tod überwunden. Sie sind unbefleckt
[Unberührbaren] mit gleicher Sicht. wie das Brahman, und daher sind sie bereits im
Brahman verankert.
ERLÄUTERUNG
ERLÄUTERUNG
Ein KŠa-bewußter Mensch macht keinen Unterschied
zwischen Lebensformen oder Kasten. Der brāhmaŠa und Gleichmut des Geistes, wie oben erwähnt, ist das Zeichen
der Unberührbare mögen vom sozialen Standpunkt aus von Selbstverwirklichung. Diejenigen, die solch eine Stufe
betrachtet verschieden sein, oder ein Hund, eine Kuh oder tatsächlich erreicht haben, sollten als Seelen betrachtet
ein Elefant mögen vom Standpunkt der Lebensformen aus werden, die die materiellen Bedingungen, insbesondere
betrachtet verschieden sein, doch diese Unterschiede des Geburt und Tod überwunden haben. Solange man sich mit
Körpers sind in den Augen eines gelehrten seinem Körper identifiziert, gilt man als bedingte Seele,
Transzendentalisten bedeutungslos. Das hat seinen Grund doch sobald man durch Erkenntnis des Selbst zur Stufe des
in ihrer Beziehung zum Höchsten, denn der Höchste Herr Gleichmuts erhoben wird, ist man vom bedingten Leben
ist durch Seine vollständige Erweiterung als Paramātmā im befreit. Mit anderen Worten: Man ist nicht länger
Herzen eines jeden gegenwärtig. Solch ein Verständnis gezwungen, in der materiellen Welt geboren zu werden,
vom Höchsten ist wirkliches Wissen. Soweit es die Körper sondern kann nach dem Tod in den spirituellen Himmel
in den verschiedenen Kasten oder Lebensarten betrifft, ist eingehen. Der Herr ist makellos, weil Er frei von
der Herr zu jedem in gleichem Maße gütig, da Er jedes Anziehung oder Haß ist. Wenn ein Lebewesen frei von
Lebewesen als Freund behandelt, aber dennoch Seine Anziehung oder Haß ist, wird es ebenso makellos und
Stellung als Paramātmā beibehält, ungeachtet der Umstände damit geeignet, in den spirituellen Himmel einzugehen.
der Lebewesen. Der Herr als Paramātmā ist sowohl im Solche Seelen sind als bereits befreit anzusehen, und ihre
Unberührbaren als auch im brāhmaŠa gegenwärtig, obwohl Merkmale werden im nächsten Vers beschrieben.
der Körper eines brāhmaŠa und der eines Unberührbaren
nicht gleich sind. Die Körper sind materielle Erzeugnisse VERS 20
der verschiedenen Erscheinungsweisen der materiellen
Natur, doch die Seele und die Überseele im Körper sind na prahyet priyaˆ prāpya
von der gleichen spirituellen Qualität. Daß sich die Seele nodvijet prāpya cāpriyam
und die Überseele qualitativ ähnlich sind, bedeutet jedoch sthira-buddhir asammūho
nicht, daß sie auch in der Quantität gleich sind, denn die brahma-vid brahmaŠi sthitaƒ
individuelle Seele ist nur in ihrem jeweiligen Körper
anwesend, wohingegen der Paramātmā in jedem einzelnen na—niemals; prahyet—sich freut; priyam—Angenehmes;
Körper gegenwärtig ist. Ein KŠa-bewußter Mensch ist prāpya—erreichend; na—nicht; udvijet—erregt; prāpya—
sich dessen völlig bewußt, und daher ist er wahrhaft gelehrt erlangend; ca—auch; apriyam—Unangenehmes;
und sieht mit gleichen Augen. Die gemeinsamen Merkmale sthira-buddhiƒ—selbst-intelligent; asammūdhaƒ—nicht
der Seele und der Überseele bestehen darin, daß sie beide verwirrt; brahmavit—jemand, der das Höchste in
bewußt, ewig und glückselig sind. Der Unterschied jedoch vollkommener Weise kennt; brahmaŠi—in der Transzen-
liegt darin, daß die individuelle Seele nur innerhalb der denz; sthitaƒ—verankert.
Grenzen ihres eigenen Körpers bewußt ist, während Sich
die Überseele aller Körper bewußt ist. Die Überssele ist ÜBERSETZUNG
ohne Ausnahme in allen Körpern gegenwärtig.
126

Wer weder frohlockt, wenn er etwas Angenehmes


erreicht, noch klagt, wenn ihm etwas Unangenehmes "Seitdem ich im transzendentalen liebevollen Dienst KŠas
widerfährt, wer selbst-intelligent ist, nicht verwirrt und tätig bin, erfahre ich immer neue Freude, und immer wenn
die Wissenschaft von Gott kennt, ist als jemand zu ich an sexuelle Freude denke, speie ich auf den Gedanken,
verstehen, der sich bereits in der Transzendenz befindet. und meine Lippen verziehen sich vor Abscheu."
Ein Mensch im brahma-yoga oder KŠa-Bewußtsein ist so
ERLÄUTERUNG sehr in den liebevollen Dienst des Herrn vertieft, daß er den
Geschmack an materieller Sinnenfreude verliert. Die
Hier werden die Merkmale eines selbstverwirklichten höchste materielle Freude ist sexuelle Freude. Die ganze
Menschen aufgeführt. Das erste Merkmal ist, daß er nicht Welt bewegt sich unter ihrem Zauber, und ein Materialist
durch die falsche Identifizierung des Körpers mit seinem kann ohne diesen Beweggrund nicht arbeiten. Aber ein
wahren Selbst in Illusion ist. Er weiß sehr wohl, daß er Mensch, der im KŠa-Bewußtsein tätig ist, kann ohne
nicht der Körper ist, sondern ein fragmentarischer Teil der sexuelle Freude, die er vermeidet, mit größerer Energie
Höchsten Persönlichkeit Gottes. Er ist daher weder voller arbeiten. Das ist der Prüfstein für spirituelle
Freude, wenn er etwas bekommt, noch klagt er, wenn er Verwirklichung. Spirituelle Verwirklichung und sexuelle
etwas verliert, was in Beziehung zu seinem Körper steht. Freude sind unvereinbar. Ein KŠa-bewußter Mensch wird
Diese Beständigkeit des Geistes wird als sthira-buddhi oder von keinerlei Sinnenfreude angezogen, da er eine befreite
Selbst-Intelligenz bezeichnet. Er ist daher weder verwirrt, Seele ist.
weil er fälschlicherweise den grobstofflichen Körper für die
Seele hält, noch sieht er den Körper als ewig an und VERS 22
mißachtet die Existenz der Seele. Dieses Wissen hebt ihn
auf die Stufe, auf der er die vollständige Wissenschaft von ye hi saˆsparśajā bhogā
der Absoluten Wahrheit, nämlich Brahman, Paramātmā und duƒkha-yonaya eva te
Bhagavān, versteht. Er kennt daher seine wesensgemäße ādy-antavantaƒ kaunteya
Stellung sehr genau und versucht nicht fälschlich, mit dem na teu ramate budhaƒ
Höchsten in jeder Hinsicht eins zu werden. Das nennt man
Brahman-Erkenntnis oder Selbstverwirklichung. Ein solch ye—diejenigen; hi—gewiß; saˆsparśajāƒ—durch
stetiges Bewußtsein bezeichnet man als KŠa-Bewußtsein. Berührung mit den materiellen Sinnen; bhogāƒ—Genuß;
duƒkha—Leid; yonayaƒ—Quellen des; eva—gewiß; te—sie
VERS 21 sind; ādi—am Anfang; antavantaƒ—unterworfen;
kaunteya—o Sohn Kuntīs; na—niemals; teu—an diesen;
bāhya-sparśev asaktātmā ramate—finden Freude; budhaƒ—die Intelligenten.
vindaty ātmani yat sukham
sa brahma-yoga-yuktātmā ÜBERSETZUNG
sukham akayam aśnute
Ein intelligenter Mensch schöpft nicht aus den Quellen
bāhya-sparśeu—in äußerer Sinnenfreude; asakta-ātmā— des Leids, die aus der Berührung mit den materiellen
jemand, der nicht auf diese Weise angehafte ist; vindati— Sinnen entstehen. O Sohn Kuntīs, solche Freuden haben
genießt; ātmani—im Selbst; yat—das, was; sukham— einen Anfang und ein Ende, und daher erfreut sich der
Glück; saƒ—das; brahma-yoga—im Brahman konzentriert; Weise nicht an ihnen.
yukta-ātmā—mit dem Selbst verbunden; sukham—Glück;
akayam—unbegrenztes; aśnute—genießt. ERLÄUTERUNG

ÜBERSETZUNG Materielle Sinnenfreuden entstehen aus Kontakt mit den


materiellen Sinnen, die alle zeitweilig sind, weil der Körper
Solch ein befreiter Mensch fühlt sich weder zu selbst zeitweilig ist. Eine befreite Seele ist an nichts
materieller Sinnenfreude noch zu äußeren Obiekten Zeitweiligem interessiert. Wie könnte sie dem Genuß
hingezogen, sondern befindet sich immer in Trance und falscher Freude zustimmen, wenn sie die Glückseligkeit
genießt die Freude im Innern. Auf diese Weise genießt transzendentaler Freuden kennt? Im Padma PurāŠa heißt
der Selbstverwirklichte unbegrenztes Glück, denn er es:
konzentriert sich auf den Höchsten.
ramante yogino 'nante
ERLÄUTERUNG satyānanda-cid-ātmani
iti rāma-padenāsau
Śrī Yāmunācārya, ein großer Gottgeweihter im paraˆ brahmābhidhīyate
KŠa-Bewußtsein, sagte:
"Die Mystiker schöpfen unbegrenzte transzendentale
yadāvadhi mama cetaƒ kŠa-padāravinde Freuden aus der Absoluten Wahrheit, und daher ist die
nava-nava-rasa-dhāmanudyata rantum āsīt Höchste Absolute Wahrheit, die Persönlichkeit Gottes, auch
tadāvadhi bata nārī-sa‰game smaryamāne als Rāma bekannt."
bhavati mukha-vikāraƒ su˜u ni˜hīvanaˆ ca Auch im Śrīmad-Bhāgavatam (5.5.1) wird gesagt:
127

VERS 24
nāyaˆ deho deha-bhājāˆ n-loke
ka˜ān kāmānarhate vi-bhujāˆ ye yo'ntaƒ-sukho'ntarārāmas
tapo divyaˆ putrakā yena sattvaˆ tathāntar-jyotir eva yaƒ
śuddhyed yasmād brahma-saukhyaˆ tv anantam sa yogī brahma-nirvāŠaˆ
brahma-bhūto'dhigacchati
"Meine lieben Söhne, es gibt keinen Grund, in dieser
menschlichen Form des Lebens sehr schwer für yaƒ—jemand, der; antaƒ-sukhaƒ—glücklich aus dem
Sinnenfreude zu arbeiten; solche Freuden sind auch den Innern; antaƒ-ārāmaƒ—im Innern aktiv; tathā—wie auch;
Kotessern (Schweinen) zugänglich. Ihr solltet euch statt antaƒ-jyotiƒ—nach innen zielend; eva—gewiß; yaƒ—
dessen in diesem Leben tapasya auferlegen, durch die euer jemand; saƒ—er; yogī—Mystiker; brahma-nirvāŠam—
Dasein geläutert werden wird, und als Ergebnis werdet ihr befreit im Höchsten; brahma-bhūtaƒ—selbstverwirklicht;
imstande sein, grenzenlose transzendentale Glückseligkeit adhigacchati—erlangt.
zu genießen."
Deshalb verspüren diejenigen, die wahre yogīs oder ÜBERSETZUNG
gelehrte Transzendentalisten sind, keinerlei Anziehung zu
Sinnenfreuden, die die Ursachen fortgesetzten materiellen Jemand, dessen Glück im Innern liegt, wer im Innern
Daseins sind. Je mehr man an materiellen Freuden hängt, tätig ist, sich im Innern erfreut und im Innern
desto mehr ist man von materiellen Leiden gefangen. erleuchtet ist, ist der wahrhaft vollkommene Mystiker.
Er ist im Höchsten befreit, und letztlich erreicht er den
VERS 23 Höchsten.

śaknotīhaiva yaƒ sohuˆ ERLÄUTERUNG


prāk śarīra-vimokaŠāt
kāma-krodhodbhavaˆ vegam Solange man nicht fähig ist, Glück im Innern zu kosten,
sa yuktaƒ sa sukhī naraƒ wie kann man von äußeren Beschäftigungen ablassen, die
oberflächliches Glück bewirken sollen? Ein befreiter
śaknoti—imstande sein zu tun; iha eva—im gegenwärtigen Mensch genießt Glück durch tatsächliche Erfahrung. Er
Körper; yaƒ—jemand, der; sohum—zu dulden; prāk— kann sich daher an jedem beliebigen Ort schweigend
bevor; śarīra—Körper; vimokaŠāt—aufgebend; kāma— niederlassen und die Tätigkeiten des Lebens von innen her
Wunsch; krodha—Zorn; udbhavam—erzeugt von; vegam— genießen. Solch ein befreiter Mensch begehrt nicht länger
Drang; saƒ—er; yuktaƒ—in Trance; saƒ—er; sukhī— nach äußerem materiellen Glück. Diesen Zustand nennt
glücklich; naraƒ—Mensch. man brahma-bhūta, und wenn man ihn erreicht, ist es
sicher, daß man zu Gott, nach Hause, zurückkehrt.
ÜBERSETZUNG
VERS 25
Wenn jemand, bevor er den gegenwärtigen Körper
aufgibt, dem Drang der materiellen Sinne widerstehen labhante brahma-nirvāŠam
und die Macht von Begierde und Zorn bezwingen kann, ayaƒ kīŠa-kalmaāƒ
ist er ein yogī und lebt glücklich in dieser Welt. chinna-dvaidhā yatātmānaƒ
sarva-bhūta-hite ratāƒ
ERLÄUTERUNG
labhante—erreichen; brahma-nirvāŠam—Befreiung im
Wenn man auf dem Pfad der Selbstverwirklichung stetig Höchsten; ayah—diejenigen, die im Innern tätig sind;
fortschreiten will, muß man versuchen, die Kräfte der kīŠa-kalmaāƒ—die frei von allen Sünden sind; chinna—
materiellen Sinne zu beherrschen. Es gibt den Drang des durchtrennt; dvaidhāƒ—Dualität; yata-ātmānaƒ—mit
Redens, des Zorns, des Geistes, des Magens, der Genitalien Selbstverwirklichung beschäftigt; sarva-bhūta—in allen
und der Zunge. Wer fähig ist, die Dränge all dieser Lebewesen; hite—in Wohltätigkeitsarbeit; ratāƒ—
verschiedenen Sinne und den Geist zu beherrschen, wird als beschäftigt.
gosvāmī oder svāmī bezeichnet. Solche gosvāmīs leben ein
streng beherrschtes Leben und gehen den Drängen der ÜBERSETZUNG
Sinne ganz aus dem Wege. Wenn materielle Wünsche
unbefriedigt bleiben, erzeugen sie Zorn, und so werden der Wer sich jenseits von Dualität und Zweifel befindet,
Geist, die Augen und die Brust erregt. Deshalb muß man wessen Geist im Innern tätig ist, wer ständig für das
sich darin üben, sie zu beherrschen, bevor man den Wohl aller fühlenden Wesen arbeitet und wer frei von
materiellen Körper aufgibt. Wer dazu fähig ist, wird als allen Sünden ist, erreicht Befreiung im Höchsten.
selbstverwirklicht angesehen, und ist so im Zustand der
Selbstverwirklichung glücklich. Es ist die Pflicht des ERLÄUTERUNG
Transzendentalisten, mit aller Kraft zu versuchen, Begierde
und Zorn zu beherrschen. Nur von einem völlig KŠa-bewußten Menschen kann man
sagen, daß er zum Wohl aller Lebewesen handelt. Wenn
128

jemand wirklich weiß, daß KŠa der Urquell allen Seins ist Herrn dienen und so den tiefverwurzelten Wunsch nach
und auch in diesem Geiste handelt, handelt er zum Wohl fruchtbringenden Tätigkeiten entwurzeln."
aller. Die Menschheit leidet, weil sie vergessen hat, daß In der bedingten Seele ist der Wunsch, die
KŠa der höchste Genießer, der höchste Besitzer und der fruchtbringenden Ergebnisse ihrer Arbeit zu genießen, so
höchste Freund ist. Zu handeln, um dieses Bewußtsein in tief verwurzelt, daß es selbst für die großen Weisen — trotz
der menschlichen Gesellschaft wiederzubeleben, ist daher großer Bemühung — sehr schwer ist, solche Wünsche zu
die höchste Wohltätigkeitsarbeit. Man kann keine beherrschen. Ein Geweihter des Herrn, der ständig in
erstklassige Wohltätigkeitsarbeit leisten, ohne im Höchsten hingebungsvollem Dienst im KŠa-Bewußtsein beschäftigt
befreit zu sein. Ein KŠa-bewußter Mensch zweifelt nicht ist und vollkommene Selbstverwirklichung erlangt hat,
an der Oberhoheit KŠas. Er hegt keinen Zweifel, weil er erreicht sehr schnell Befreiung im Höchsten. Dank seinem
völlig frei von allen Sünden ist. Das ist die Stufe göttlicher vollständigen Wissen in Selbstverwirklichung bleibt er
Liebe. immer in Trance. Ein Beispiel hierfür lautet:
Jemand, der nur das körperliche Wohlergehen der
menschlichen Gesellschaft fördert, kann im Grunde darśana-dhyāna-saˆsparśair
niemandem helfen. Zeitweilige Erleichterung für den matsya-kūrma viha‰gamāƒ
äußeren Körper und den Geist führt zu keiner svānya patyāni puŠanti
befriedigenden Lösung. Die eigentliche Ursache der tathāham api padmaja
Schwierigkeiten im harten Lebenskampf liegt darin, daß
man seine Beziehung zum Höchsten Herrn vergessen hat. "Allein durch Anblicken, Meditation und Berührung sorgen
Wenn sich ein Mensch seiner Beziehung zu KŠa völlig die Fische, Schildkröten und Vögel für ihre Nachkommen.
bewußt ist, ist er tatsächlich eine befreite Seele, obwohl er In ähnlicher Weise verhalte auch Ich mich, o Padmaja!"
sich noch in einem materiellen Körper befinden mag. Der Fisch zieht seine Brut auf, indem er sie einfach
anblickt. Die Schildkröte zieht ihre Nachkommen einfach
VERS 26 durch Meditation auf. Sie legt ihre Eier auf dem Land ab
und meditiert über sie, während sie im Wasser bleibt. In
kāma-krodha-vimuktānāˆ ähnlicher Weise kann ein Gottgeweihter im
yatīnāˆ yata-cetasām KŠa-Bewußtsein, obwohl weit entfernt vom Reich des
abhito brahma-nirvāŠaˆ Herrn, sich zu diesem Reich erheben, indem er einfach,
vartate viditātmanām durch Betätigung im KŠa-Bewußtsein, ständig an den
Herrn denkt. Er fühlt nicht die Qualen materieller Leiden;
kāma—Wünsche; krodha—Zorn; vimuktānām—von denen, diesen Lebenszustand bezeichnet man als brahma-nirvāŠa
die so befreit sind; yatīnām—von heiligen Menschen; oder die Abwesenheit materieller Leiden, weil man ständig
yata-cetasām—von Menschen, die den Geist völlig in Gedanken an den Höchsten versunken ist.
beherrschen; abhitaƒ—in naher Zukunft zugesichert;
brahma-nirvāŠam—Befreiung im Höchsten; vartate—gibt VERS 27-28
es; vidita-ātmanām—von denen, die selbstverwirklicht sind.
sparśān ktvā bahir bāhyāˆś
ÜBERSETZUNG cakuś caivāntare bhruvoƒ
prāŠāpānau samau ktvā
Wer frei von Zorn und allen materiellen Wünschen ist, nāsābhyantara-cāriŠau
selbstverwirklicht, selbstdiszipliniert und ständig um
Vollkommenheit bemüht, wird mit Sicherheit in sehr yatendriya-mano-buddhir
naher Zukunft im Höchsten befreit. munir moka-parāyaŠaƒ
vigatecchā-bhaya-krodho
ERLÄUTERUNG yaƒ sadā mukta eva saƒ

Von allen heiligen Menschen, die ständig nach Erlösung sparśān—äußere Sinnesobjekte wie Klang usw.; ktvā—so
streben, ist derjenige der beste, der sich im handelnd; bahiƒ—äußere; bāhyān—unnötig; cakuƒ—
KŠa-Bewußtsein befindet. Das Bhāgavatam (4.22.39) Augen; ca—auch; eva—gewiß; antare—innen; bhruvoƒ—
bestätigt diese Tatsache wie folgt: der Augenbrauen; prāŠa-apānau—auf- und
abwärtsströmende Luft; samau—angehalten; ktvā—so
yat-pāda-pa‰kaja-palāśa-vilāsa-bhaktyā handelnd; nāsā-abhyantara—in den Nasenlöchern;
karmāśayaˆ grathitam udgrathayanti santaƒ cāriŠau—blasend; yata—beherrschte; indriya—Sinne;
tadvan na rikta-matayo yatayo 'pi ruddha manaƒ—Geist; buddhiƒ—Intelligenz; muniƒ—der
srotogaŠās tam araŠaˆ bhaja vāsudevam Transzendentalist; moka—Befreiung; parāyaŠaƒ—so
bestimmt; vigata—aufgegebene; icchā—Wünsche;
"Versuche einfach, Vāsudeva, die Höchste Persönlichkeit bhaya—Angst; krodhaƒ—Ärger; yaƒ—jemand, der; sadā—
Gottes, durch hingebungsvollen Dienst zu verehren. Selbst immer; muktaƒ—befreit; eva—gewiß; saƒ—er ist.
große Weise sind nicht fähig, die Dränge der Sinne so
wirksam zu meistern wie diejenigen, die transzendentale ÜBERSETZUNG
Glückseligkeit erfahren, indem sie den Lotosfüßen des
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Indem der Transzendentalist alle äußeren Sinnesobjekte bhoktāram—Nutznießer; yajña-Opfer; tapasām—von


ausschließt, die Augen und den Blick zwischen die Bußen und Enthaltungen; sarva-loka—alle Planeten und die
Augenbrauen richtet, den ein- und ausströmenden Atem Halbgötter auf ihnen; maheśvaram—der Höchste Herr;
in den Nasenöffnungen anhält und so Geist, Sinne und suhdam—Wohltäter; sarva—alle; bhūtānām—der
Intelligenz beherrscht, wird er von Begehren, Angst und Lebewesen; jñātvā—wenn man dies weiß; mām—Mich (Śrī
Zorn frei. Wer sich immer in diesem Zustand befindet, KŠa); śāntim—Erleichterung von materiellen Qualen;
ist gewiß befreit. cchati—erreicht.

ERLÄUTERUNG ÜBERSETZUNG

Wenn man im KŠa-Bewußtsein tätig ist, kann man Da die Weisen Mich als das endgültige Ziel aller Opfer
sogleich seine spirituelle Identität erkennen und mit Hilfe und Bußen kennen, den Höchsten Herrn aller Planeten
des hingebungsvollen Dienstes den Höchsten Herrn und Halbgötter und den Wohltäter und wohlmeinenden
verstehen. Wenn man im hingebungsvollen Dienst gut Freund aller Lebewesen, erlangen sie Frieden von den
gestellt ist, gelangt man auf die transzendentale Ebene, auf Qualen des materiellen Daseins.
der man qualifziert ist, die Gegenwart des Herrn in seinem
Tätigkeitsbereich zu spüren. Diese besondere Ebene wird ERLÄUTERUNG
Befreiung im Höchsten genannt.
Nachdem der Herr die obengenannten Prinzipien der Die bedingten Seelen, die sich in den Klauen der
Befreiung im Höchsten erklärt hat, unterweist Er Arjuna, illusionierenden Energie befinden, sind alle bestrebt, in der
wie man diese Stellung durch yoga-Mystik, bekannt als materiellen Welt Frieden zu finden. Aber sie kennen nicht
a˜ā‰ga-yoga, erreichen kann. Dieser yoga ist achtfach die Friedensformel, die in diesem Teil der Bhagavad-gītā
gegliedert in: yama, niyama, āsana, prāŠāyāma, erklärt wird. Die größte Friedensformel lautet einfach: Śrī
pratyāhāra, dhāraŠā, dhyāna und samādhi. Hier, am Ende KŠa ist der Nutznießer aller menschlichen Tätigkeiten.
des Fünften Kapitels, wird dieses Thema nur vorbereitend Die Menschen sollten alles für den transzendentalen Dienst
erklärt; im Sechsten Kapitel wird dieser yoga ausführlich des Herrn opfern, da Er der Besitzer aller Planeten und der
und in allen Einzelheiten beschrieben. Man muß die Halbgötter auf ihnen ist. Niemand ist größer als Er. Er ist
Sinnesobjekte, wie Klang, Berührung, Form, Geschmack größer als die Größten der Halbgötter wie Siva und
und Geruch, durch den pratyāhāra- (Atmungs-) Vorgang Brahmā. In den Veden wird der Höchste Herr als tam
im yoga vertreiben und dann den Blick zwischen die beiden īśvarāŠāˆ paramam maheśvaram beschrieben. Im Banne
Augenbrauen richten und sich mit halbgeschlossenen der Illusion versuchen die Lebewesen, alles in ihrem
Lidern auf die Nasenspitze konzentrieren. Es nützt nichts, Umkreis zu beherrschen; in Wirklichkeit aber werden sie
die Augen ganz zu schließen, da dann immer die von der materiellen Energie des Herrn beherrscht. Der Herr
Möglichkeit besteht, einzuschlafen. Auch nützt es nichts, ist der Meister der materiellen Natur, und die bedingten
die Augen vollständig zu öffnen, da dann die Gefahr Seelen unterstehen ihren strengen Regeln. Solange man
besteht, von Sinnesobjekten angezogen zu werden. Die diese einfachen Tatsachen nicht versteht, ist es weder
Atembewegung wird in den Nasenöffnungen angehalten, individuell noch kollektiv möglich, auf der Welt Frieden zu
indem man die auf- und abströmende Luft im Körper erreichen. Der Grundgedanke des KŠa-Bewußtseins
neutralisiert. Durch die Ausübung solchen yogas ist man lautet: Śrī KŠa ist der höchste Herrscher, und alle
fähig, die Sinne zu meistern, sich von äußeren Lebewesen, einschließlich der großen Halbgötter, sind
Sinnesobjekten zurückzuhalten und sich so auf die Seine Untergebenen. Vollkommener Friede läßt sich nur im
Befreiung im Höchsten vorzubereiten. völligen KŠa-Bewußtsein finden.
Dieser yoga-Vorgang hilft einem, von allen Ängsten und Dieses Fünfte Kapitel ist eine praktische Erklärung des
allem Zorn frei zu werden und so die Gegenwart der KŠa-Bewußtseins, die allgemein als karma-yoga bekannt
Überseele in der transzendentalen Situation zu spüren. Mit ist. Die gedanklicher Spekulation entspringende Frage, wie
anderen Worten: KŠa-Bewußtsein ist der einfachste karma-yoga zur Befreiung führen kann, ist hiermit
Vorgang, die Prinzipien des yoga auszuführen. Dies wird beantwortet. Im KŠa-Bewußtsein tätig zu sein bedeutet, in
im nächsten Kapitel ausführlich erklärt werden. Ein dem vollständigen Wissen zu arbeiten, daß der Herr der
KŠa-bewußter Mensch läuft nicht Gefahr, seine Sinne an Herrscher ist. Solche Arbeit unterscheidet sich nicht von
andere Beschäftigungen zu verlieren, weil er immer im transzendentalem Wissen. Direktes KŠa-Bewußtsein ist
hingebungsvollen Dienst tätig ist. Durch diese Methode bhakti-yoga, und jñāna-yoga ist ein Pfad, der zu
kann man seine Sinne besser beherrschen als durch bhakti-yoga führt. KŠa-Bewußtsein bedeutet, im
a˜ā‰ga-yoga. vollständigen Wissen um seine Beziehung zum Höchsten
Absoluten zu arbeiten, und die Vollkommenheit dieses
VERS 29 Bewußtseins ist umfassendes Wissen über KŠa oder die
Höchste Persönlichkeit Gottes. Eine reine Seele ist als
bhoktāraˆ yajña-tapasāˆ fragmentarisches winziges Bestandteil Gottes Sein ewiger
sarva-loka-maheśvaram Diener. Sie kommt mit māyā (Illusion) in Berührung, weil
suhdaˆ sarva-bhūtānāˆ sie den Wunsch hat, über māyā zu herrschen, und das ist die
jñātvā māˆ śāntim cchati Ursache ihrer vielen Leiden. Solange die bedingte Seele mit
Materie in Berührung ist, muß sie entsprechend materiellen
130

Notwendigkeiten tätig sein. KŠa-Bewußtsein jedoch


bringt sie in das spirituelle Leben zurück, selbst wenn sie
sich noch im Einflußbereich der Materie befindet, denn
KŠa-Bewußtsein bedeutet, durch praktisches Handeln in
der materiellen Welt das spirituelle Dasein wiederzuerwek-
ken. Je weiter jemand fortschreitet, desto mehr wird er aus
der Gewalt der Materie befreit. Der Herr bevorzugt oder
benachteiligt niemanden. Alles hängt davon ab, inwieweit
man seine Pflichten praktisch erfüllt und sich bemüht, die
Sinne zu beherrschen und den Einfluß von Begierde und
Zorn zu bezwingen. Und wenn man durch die Meisterung
der obenerwähnten Leidenschaften KŠa-Bewußtsein
erlangt, wird man auf der transzendentalen Ebene oder im
brahma-nirvāŠa verankert. Der achtfache mystische yoga
wird im KŠa-Bewußtsein von selbst praktiziert, denn es
wird das gleiche endgültige Ziel erreicht. Durch die
Ausübung von yama, niyama, āsana, pratyāhāra, dhyāna,
dhāraŠā, prāŠāyāma und samādhi wird man allmählich
erhoben. Aber dieser achtfache yoga-Pfad ist nur die
Einführung in den hingebungsvollen Dienst, der allein dem
Menschen Frieden bringen kann. Er ist die höchste
Vollkommenheit des Lebens.

Hiermit enden die Bhaktivedanta-Erläuterungen zum


Fünften Kapitel der Śrīmad-Bhagavad-gītā mit dem Titel:
"Karma-yoga — Handeln im KŠa-Bewußtsein".
131

SECHSTES KAPITEL werden. Ein solcher Wunsch ist erhabener als jeder
materieller Wunsch, doch ist er nicht ohne Selbstinteresse.
In ähnlicher Weise trachtet der mystische yogī, der mit
Dhyāna-yoga halbgeöffneten Augen das yoga-System praktiziert und alle
materiellen Tätigkeiten einstellt, nach irgendeiner
VERS 1 Befriedigung für sich persönlich. Jemand aber, der im
KŠa-Bewußtsein handelt, arbeitet für die Zufrie-
śrī bhagavān uvāca denstellung des Ganzen, ohne Selbstinteresse. Ein
anāśritaƒ karma-phalaˆ KŠa-bewußter Mensch hat kein Verlangen nach eigener
kāryaˆ karma karoti yaƒ Befriedigung. Sein Kriterium für Erfolg ist die Zufrieden-
sa sannyāsī ca yogī ca heit KŠas, und daher ist er der vollkommene sannyāsī
na niragnir na cākriyaƒ oder vollkommene yogī. Śrī KŠa Caitanya, das
vollkommenste Beispiel für Entsagung, betet:
śrī bhagavān uvāca—der Herr sprach; anāśritaƒ—ohne
Zuflucht; karma-phalaˆ—das Ergebnis der Arbeit; na dhanaˆ na janaˆ na sundarīˆ
kāryam—pflichtgemäße; karma—Arbeit; karoti— kavitāˆ vā jagadīśa kāmaye
verrichtet; yaƒ-jemand, der; saƒ—er; sannyāsī—im mama janmani janmanīśvare
Lebensstand der Entsagung; ca—auch; yogī—Mystiker; bhavatād bhaktir ahaitukī tvayi
ca—auch; na—nicht; nir—ohne; agniƒ—Feuer; na—noch;
ca—auch; akriyaƒ—ohne Pflicht. "O Allmächtiger Herr, Ich begehre weder Reichtum noch
schöne Frauen, noch wünsche Ich Mir Anhänger. Alles,
ÜBERSETZUNG was Ich Mir in Meinem Leben wünsche, ist die grundlose
Barmherzigkeit Deines hingebungsvollen Dienstes —
Der Segenspendende Herr sprach: Wer an den Früchten Geburt für Geburt."
seiner Arbeit nicht haftet und so arbeitet, wie es seine
Pflicht vorschreibt, befindet sich im Lebensstand der VERS 2
Entsagung. Er ist der wahre Mystiker, und nicht der,
der kein Feuer entzündet und keine Arbeit verrichtet. yaˆ sannyāsam iti prāhur
yogaˆ taˆ viddhi pāŠava
ERLÄUTERUNG na hy asannyasta-sa‰kalpo
yogī bhavati kaścana
In diesem Kapitel erklärt der Herr, daß der Vorgang des
achtfachen yoga-Systems ein Mittel ist, den Geist und die yam—was; sannyāsam—Entsagung; iti—so; prāhuƒ—sie
Sinne zu beherrschen. Dies ist jedoch für die meisten sagen; yogam—Sich verbinden mit dem Höchsten; tam—
Menschen sehr schwierig, besonders im Zeitalter des Kali. dieses; viddhi—du mußt wissen; pāŠava—o Sohn PāŠus;
Obwohl das achtfache yoga-System in diesem Kapitel na—niemals; hi—gewiß; asannyasta—ohne aufzugeben;
empfohlen wird, betont der Herr, daß der Vorgang des sa‰kalpaƒ— Selbstzufriedenheit; yogī—ein mystischer
karma-yoga oder des Handelns im KŠa-Bewußtsein Transzendentalist; bhavati—wird; kaścana—irgend jemand.
besser ist. Jeder auf dieser Welt ist tätig, um seine Familie
mit allem, was dazu gehört, zu unterhalten; niemand ÜBERSETZUNG
handelt ohne irgendein Selbstinteresse oder irgendeine
persöniche Befriedigung — ob nun konzentriert oder Was man als Entsagung bezeichnet, ist das gleiche wie
ausgedehnt. Das Kriterium von Vollkommenheit besteht yoga oder Sichverbinden mit dem Höchsten, denn
darin, im KŠa-Bewußtsein zu handeln, anstatt mit dem niemand kann ein yogī werden, solange er nicht dem
Gedanken, die Früchte der Arbeit zu genießen. Im Wunsch nach Sinnenbefriedigung entsagt.
KŠa-Bewußtsein zu handeln, ist die Pflicht aller
Lebewesen, da alle von Natur aus winzige Bestandteile des ERLÄUTERUNG
Höchsten sind. Die Teile des Körpers arbeiten für die
Zufriedenstellung des ganzen Körpers. Die einzelnen Wirklicher sannyāsa-yoga oder wahre bhakti bedeutet, daß
Glieder des Körpers handeln nicht für ihre eigene man seine wesensgemäße Stellung als Lebewesen kennen
Befriedigung, sondern für die Zufriedenstellung des und dementsprechend handeln sollte. Das Lebewesen hat
Vollständigen Ganzen. In ähnlicher Weise ist das keine gesonderte, unabhängige Identität. Es ist die
Lebewesen, das für die Zufriedenstellung des Höchsten marginale Energie des Höchsten. Wenn es von der
Ganzen, und nicht für persönliche Befriedigung, handelt, materiellen Energie gefangen ist, ist es bedingt, und wenn
der vollkommene sannyāsī, der vollkommene yogī. es KŠa-bewußt, das heißt sich der spirituellen Energie
Manche sannyāsīs denken künstlich, sie seien allen bewußt ist, befindet es sich in seinem wirklichen und
materiellen Pflichten enthoben, und hören deshalb auf, natürlichen Zustand des Lebens. Wenn man daher über
agnihotra-yajñas (Feueropfer) darzubringen. In Wirk- umfassendes Wissen verfügt, beendet man alle materielle
lichkeit aber sind sie nur an sich selbst interessiert, da sie Sinnenbefriedigung, das heißt, man entsagt allen Arten
das Ziel haben, mit dem unpersönlichen Brahman eins zu sinnenbefriedigender Tätigkeiten. Dies wird von yogīs
praktiziert, die ihre Sinne von materieller Anhaftung
132

zurückhalten. Ein Mensch im KŠa-Bewußtsein aber hat körperliche Übungen sind) in Meditation zu versinken, als
gar keine Gelegenheit, seine Sinne mit irgendetwas zu fruchtbringende, materielle Tätigkeiten angesehen. All
beschäftigen, was nicht im Interesse KŠas ist. Daher ist diese Tätigkeiten führen zu vollkommener geistiger
ein KŠa-bewußter Mensch gleichzeitig ein sannyāsī und Ausgeglichenheit, so daß man die Sinne beherrschen kann.
ein yogī. Der Zweck von Wissen und Sinnenbeherrschung, Wenn man die Praxis der Meditation vollendet beherrscht,
wie es in den jñāna- und yoga-Vorgängen vorgeschrieben beendet man alle störenden Tätigkeiten des Geistes.
ist, wird im KŠa-Bewußtsein von selbst erfüllt. Wenn Ein KŠa-bewußter Mensch jedoch befindet sich von
man nicht imstande ist, die Tätigkeiten seiner selbstischen Anfang an auf der Ebene von Meditation, weil er immer an
Natur aufzugeben, sind jñāna und yoga nutzlos. Das KŠa denkt. Und da er ständig im Dienste KŠas
wirkliche Ziel für das Lebewesen besteht darin, jede beschäftigt ist, kann man sagen, daß er alle materiellen
selbstsüchtige Befriedigung aufzugeben und bereit zu sein, Tätigkeiten beendet hat.
den Höchsten zufriedenzustellen. Ein KŠa-bewußter
Mensch trachtet nach keinerlei persönlichem Genuß. Er ist VERS 4
immer damit beschäftigt, den Höchsten zu erfreuen. Wer
vom Höchsten nichts weiß, muß deshalb damit beschäftigt yadā hi nendriyārtheu
sein, sich selbst zufriedenzustellen, denn niemand kann sich na karmasv anuajjate
in einem Zustand der Untätigkeit halten. All diese Zwecke sarva-sa‰kalpa-sannyāsī
werden in vollkommener Weise erfüllt, wenn man yogārūhas tadocyate
KŠa-Bewußtsein praktiziert.
yadā—wenn; hi—gewiß; na—nicht; indriya-artheu—mit
VERS 3 Sinnenbefriedigung; na—niemals; karmasu—mit
fruchtbringenden Tätigkeiten; anuajjate—beschäftigt sich
ārurukor muner yogaˆ unbedingt; sarva-sa‰kalpa—alle materiellen Wünsche;
karma kāraŠam ucyate sannyāsī—in Entsagung Lebender; yoga-ārūhaƒ—in yoga
yogārūhasya tasyaiva fortgeschritten; tadā—zu dieser Zeit; ucyate—man sagt, er
śamaƒ kāraŠam ucyate sei.

ārurukoƒ—von jemandem, der gerade mit yoga begonnen ÜBERSETZUNG


hat; muneƒ—des Weisen; yogam—das achtfache
yoga-System; karma—Arbeit; kāraŠam—die Ursache; Man sagt, ein Mensch habe yoga erreicht, wenn er, da
ucyate—man sagt, es sei; yoga—achtfacher yoga; er alle materiellen Wünsche aufgegeben hat, weder für
ārūhasya-jemand, der erreicht hat; tasya—sein; eva— Sinnenbefriedigung handelt noch fruchtbringende
gewiß; śamaƒ—Beendigung aller materiellen Tätigkeiten; Tätigkeiten verrichtet.
kāraŠam—die Ursache; ucyate—man sagt, es sei.
ERLÄUTERUNG
ÜBERSETZUNG
Wenn jemand im transzendentalen liebevollen Dienst des
Einem Neuling im achtfachen yoga-System wird Arbeit Herrn voll beschäftigt ist, ist er im Selbst zufrieden und
als Weg empfohlen, und die Einstellung aller daher nicht länger an Sinnenbefriedigung oder
materiellen Tätigkeiten gilt als Weg für jemanden, der fruchtbringenden Tätigkeiten interessiert. Sonst muß man
yoga bereits erreicht hat. mit Sinnenbefriedigung beschäftigt sein, da man nicht
leben kann, ohne tätig zu sein. Ohne KŠa-Bewußtsein
ERLÄUTERUNG muß man sich immer ichbezogene oder auf andere
ausgedehnte selbstische Tätigkeiten suchen. Aber ein
Der Vorgang, sich mit dem Höchsten zu verbinden, wird KŠa-bewußter Mensch kann alles tun, um KŠa zu
yoga genannt. Yoga kann mit einer Leiter verglichen erfreuen, und so von Sinnenbefriedigung in vollkommener
werden, mit deren Hilfe man die höchste spirituelle Weise losgelöst sein. Wer das nicht erkennt, muß auf
Verwirklichung erreichen kann. Diese Leiter beginnt von mechanische Weise versuchen, materiellen Wünschen zu
der niedrigsten materiellen Bedingung des Lebewesens und entkommen, bevor er auf die höchste Sprosse der
steigt auf bis zur vollkommenen Selbstverwirklichung im yoga-Leiter erhoben werden kann.
reinen spirituellen Leben. Je nach den verschiedenen
Graden spirituellen Fortschritts sind die verschiedenen VERS 5
Stufen der Leiter unter verschiedenen Bezeichnungen
bekannt. Die vollständige Leiter wird yoga genannt und uddhared ātmanātmānaˆ
kann in jñāna-yoga, dhyāna-yoga und bhakti-yoga nātmānam avasādayet
unterteilt werden. Der Anfang der Leiter wird als die ātmaiva hy ātmano bandhur
yogāruruka-Stufe bezeichnet, und die höchste Sprosse ātmaiva ripur ātmanaƒ
wird yogārūha genannt.
Was das achtfache yoga-System betrifft, so werden uddharet—man muß befreien; ātmanā—durch den Geist;
Versuche am Anfang, durch regulierende Prinzipien und ātmānam—die bedingte Seele; na—niemals; ātmānam—die
verschiedene Sitzstellungen (die mehr oder weniger bedingte Seele; avasādayet—auf eine niedrige Stufe
133

zurückfallen; ātmā—Geist; eva—gewiß; hi—tatsächlich; eva—gewiß; ātmanā—vom Lebewesen; jitaƒ—bezwungen;


ātmanaƒ—der bedingten Seele; bandhuƒ—Freund; ātmā— anātmanaƒ—von jemandem, der es versäumt hat, den Geist
Geist; eva—gewiß; ripuƒ—Feind; ātmanaƒ—der bedingten zu beherrschen; tu—aber; śatrutve—aus Feindschaft;
Seele. varteta—bleibt; ātmā eva—dieser gleiche Geist; śatruvat—
als Feind.
ÜBERSETZUNG
ÜBERSETZUNG
Ein Mensch muß sich durch seinen Geist erheben, nicht
erniedrigen. Der Geist ist der Freund der bedingten Für den, der den Geist bezwungen hat, ist der Geist der
Seele, aber auch ihr Feind. beste Freund; doch für den, der dies versäumt hat, wird
der gleiche Geist zum größten Feind.
ERLÄUTERUNG
ERLÄUTERUNG
Verschiedenen Umständen entsprechend bezeichnet das
Wort ātmā Körper, Geist oder Seele. Im yoga-System sind Es ist das Ziel des achtfachen yoga, den Geist zu
der Geist und die bedingte Seele von besonderer beherrschen, um ihn zu einem Freund zu machen, der hilft,
Bedeutung. Da der Geist der Mittelpunkt der yoga-Praxis die Mission des menschlichen Lebens zu erfüllen. Solange
ist, bezieht sich ātmā hier auf den Geist. Es ist das Ziel des man den Geist nicht beherrscht, ist das Praktizieren von
yoga-Systems, den Geist zu beherrschen und von der yoga (als Show) nichts als Zeitverschwendung. Wer seinen
Anhaftung an die Sinnesobjekte zurückzuziehen. Es wird Geist nicht beherrschen kann, lebt ständig mit dem größten
hier betont, daß der Geist so geschult werden muß, daß er Feind zusammen, und so wird sein Leben und seine
die bedingte Seele aus dem Sumpf der Unwissenheit retten Mission ruiniert. Es ist die wesensgemäße Stellung des
kann. Im materiellen Dasein unterliegt man dem Einfluß Lebewesens, die Anordnungen eines Höheren auszuführen.
des Geistes und der Sinne. Ja, die reine Seele ist in die Solange der Geist ein unbesiegter Feind bleibt, muß man
materielle Welt verstrickt, weil das Ego des Geistes dem Diktat von Lust, Zorn, Illusion usw. folgen. Wenn aber
verlangt, über die materielle Natur zu herrschen. Deshalb der Geist bezwungen ist, folgt man freiwillig den
sollte der Geist geschult werden, so daß er nicht vom Anweisungen des Herrn, der Persönlichkeit Gottes, der im
Geflimmer der materiellen Natur angezogen wird; auf diese Herzen eines jeden als Paramātmā gegenwärtig ist.
Weise kann die bedingte Seele gerettet werden. Man sollte Wirkliche yoga-Praxis läuft darauf hinaus, dem Paramātmā
sich nicht durch die Anziehung an die Sinnesobjekte im Herzen zu begegnen und dann Seinen Anweisungen zu
erniedrigen. Je mehr man von den Sinnesobjekten folgen. Wer sich dem KŠa-Bewußtsein direkt zuwendet,
angezogen wird, desto mehr wird man ins materielle Dasein ergibt sich den Anweisungen des Herrn völlig automatisch.
verstrickt. Der beste Weg, sich aus dieser Verstrickung zu
lösen, besteht darin, den Geist ständig im VERS 7
KŠa-Bewußtsein zu beschäftigen. Das Wort hi wird hier
gebraucht, um diesen Punkt hervorzuheben; es bedeutet, jitātmanaƒ praśāntasya
daß man in dieser Weise handeln muß. Es wird auch paramātmā samāhitaƒ
gesagt: śītoŠa-sukha-duƒkheu
tathā mānāpamānayoƒ
mana eva manuyāŠāˆ
kāraŠaˆ bandha-mokayoƒ jita-ātmanaƒ—von einem, der seinen Geist bezwungen hat;
bandhāya viayāsa‰go praśāntasya—von einem, der durch solche Herrschaft über
muktyai nirviayaˆ manaƒ den Geist Ausgeglichenheit erreicht hat; paramātmā—die
Überseele; samāhitaƒ—vollständig erreicht; śīta—Kälte;
"Für den Menschen ist der Geist sowohl die Ursache von una—Hitze; sukha—in Glück; duƒkheu—in Leid; tathā—
Knechtschaft als auch die Ursache von Befreiung. Der bei auch; māna—Ehre; apamānayoƒ—in Schmach.
Sinnesobjekten weilende Geist ist die Ursache von
Knechtschaft, und der von den Sinnesobjekten losgelöste ÜBERSETZUNG
Geist ist die Ursache von Befreiung."
Deshalb ist der Geist, der immer im KŠa-Bewußtsein tätig Für jemand, der den Geist bezwungen hat, ist die
ist, die Ursache höchster Befreiung. Überssele bereits erreicht, denn er hat Ausgeglichenheit
erlangt. Für einen solchen Menschen sind Glück und
VERS 6 Leid, Hitze und Kälte, Ehre und Schmach das gleiche.

bandhur ātmātmanas tasya ERLÄUTERUNG


yenātmaivātmanā jitaƒ
anātmanas tu śatrutve Eigentlich wird von jedem Lebewesen erwartet, daß es den
vartetātmaiva śatruvat Anweisungen des Herrn, der Höchsten Persönlichkeit
Gottes, folgt, der als Paramātmā im Herzen eines jeden
bandhuƒ—Freund; ātmā—Geist; ātmanaƒ—des weilt. Wenn der Geist durch die äußere, illusionierende
Lebewesens; tasya—sein; yena—durch den; ātmā—Geist; Energie irregeführt ist, wird man in materielle Tätigkeiten
134

verstrickt. Solange daher der Geist durch eines der reinem Bewußtsein verankert ist. Ein KŠa-bewußter
yoga-Systeme gemeistert wird, muß man als jemand gelten, Mensch verfügt durch die Gnade KŠas über
der das Ziel bereits erreicht hat. Man hat den Anweisungen verwirklichtes Wissen, da er mit reinem hingebungsvollen
eines Höheren zu folgen. Wenn der Geist fest auf die Dienen zufrieden ist. Durch verwirklichtes Wissen erreicht
höhere Natur gerichtet ist, hat er keine andere Möglichkeit, man die Vollkommenheit. Durch transzendentales Wissen
als den Weisungen des Höchsten zu folgen. Der Geist muß kann man in seinen Überzeugungen beständig bleiben —
eine höhere Weisung anerkennen und ihr folgen. Wenn durch bloßes akademisches Wissen jedoch kann man leicht
man den Geist beherrscht, folgt man von selbst den durch vermeintliche Widersprüche getäuscht und verwirrt
Anweisungen des Paramātmā, der Überseele. Weil diese werden. Es ist die verwirklichte Seele, die tatsächlich
transzendentale Position sogleich von jemandem erreicht selbstbeherrscht ist, weil sie sich KŠa ergeben hat. Sie ist
wird, der sich im KŠa-Bewußtsein befindet, wird der transzendental, da sie nichts mit weltlicher Gelehrsamkeit
Geweihte des Herrn von den Dualitäten des materiellen zu tun hat. Für sie sind weltliche Gelehrsamkeit und
Daseins, wie Leid und Glück, Kälte und Hitze usw., nicht gedankliche Spekulation, die anderen so gut wie Gold
beeinflußt. Diese Stufe ist praktischer samādhi oder erscheinen mögen, nicht mehr wert als Kiesel oder Steine.
Versenkung in den Höchsten.
VERS 9
VERS 8
suhn-mitrāry-udāsīna-
jñāna-vijñāna-tptātmā madhyastha-dveya-bandhuu
kū˜astho vijitendriyaƒ sādhuv api ca pāpeu
yukta ity ucyate yogī sama-buddhir viśiyate
sama-lo˜rāśma-kāñcanaƒ
suht—von Natur aus ein wohlmeinender Freund; mitra—
jñāna—erworbenes Wissen; vijñāna—verwirklichtes Wohltäter mit Zuneigung; ari—Feind; udāsīna—neutral
Wissen; tpta—zufrieden; ātmā—Lebewesen; kūtasthah— zwischen den Gegnern; madhyastha—Mittelsmann
spirituell situiert; vijita-indriyah—die Sinne beherrscht; zwischen den Gegnern; dveya—neidisch; bandhuu—
yuktaƒ—für Selbstverwirklichung geeignet; iti—so; unter den Verwandten oder wohlmeinenden Freunden;
ucyate—man sagt; yogī—der Mystiker; sama—sieht als sādhuu—zu den Frommen; api—wie auch; ca—und;
gleich an; lo˜ra—Kiesel; aśma—Stein; kāñcanaƒ—Gold. pāpeu—zu den Sündern; sama-buddhiƒ—ausgeglichene
Intelligenz habend; viśiyate—ist weit fortgeschritten.
ÜBERSETZUNG
ÜBERSETZUNG
Ein Mensch gilt als selbstverwirklicht und wird als yogī
[oder Mystiker] bezeichnet, wenn er kraft erworbenen Man sagt, ein Mensch sei noch weiter fortgeschritten,
Wissens und Verwirklichung völlig zufrieden ist. Ein wenn er sowohl Freunde als auch Feinde, Neidische und
solcher Mensch ist in der Transzendenz verankert und Wohlgesinnte, die Frommen, die Sünder und die, die
selbstbeherrscht. Er sieht alles — ob Kiesel, Steine oder gleichgültig und unparteiisch sind, mit gleichen Augen
Gold — als gleich an. sieht.

ERLÄUTERUNG VERS 10

Buchwissen ohne Verwirklichung der Höchsten Wahrheit yogī yuñjīta satatam


ist nutzlos. Dies wird wie folgt bestätigt: ātmānaˆ rahasi sthitaƒ
ekākī yata-cittātmā
ataƒ śrī-kŠa-nāmādi nirāśīr aparigrahaƒ
na bhaved grāhyam indriyaiƒ
sevonmukhe hi jihvādau yogī—ein Transzendentalist; yuñjīta—muß sich im
svayam eva sphuraty adaƒ KŠa-Bewußtsein konzentrieren; satatam—ständig;
ātmānam—sich (durch Körper, Geist und Selbst); rahasi—
"Niemand kann das transzendentale Wesen des Namens, an einem einsamen Ort; sthitaƒ—sich so befindend; ekākī—
der Gestalt, der Eigenschaften und der Spiele Śrī KŠas allein; yata-cittātmā—immer achtsam im Geist; nirāśīƒ—
mit seinen materiell verunreinigten Sinnen verstehen. Nur ohne von irgendetwas anderem angezogen zu sein;
wenn jemand durch den transzendentalen Dienst für den aparigrahaƒ—frei von dem Gefühl der Besitzgier.
Herrn von spiritueller Energie durchdrungen wird, werden
ihm der transzendentale Name, die transzendentale Gestalt, ÜBERSETZUNG
die transzendentalen Eigenschaften und die transzendenta-
len Spiele des Herrn offenbart." (Padma PurāŠa) Ein Transzendentalist sollte immer versuchen, seinen
Die Bhagavad-gītā ist die Wissenschaft des Geist auf das Höchste Selbst zu richten; er sollte allein
KŠa-Bewußtseins. Niemand kann einfach durch weltliche an einem einsamen Ort leben und seinen Geist stets
Gelehrtheit KŠa-bewußt werden. Man muß das Glück sorgfältig beherrschen. Er sollte von Wünschen und
haben, mit einem Menschen zusammenzukommen, der in Gefühlen der Besitzgier frei sein.
135

etwas persönlich zu besitzen. Er begehrt daher nichts für


ERLÄUTERUNG sich selbst. Er weiß die Dinge anzunehmen, die für sein
KŠa-Bewußtsein vorteilhaft sind, und die Dinge
KŠa wird in verschiedenen Stufen als Brahman, abzulehnen, die für seinen spirituellen Fortschritt ungünstig
Paramātmā und die Höchste Persönlichkeit Gottes erkannt. sind. Er steht immer über materiellen Dingen, weil er
KŠa-Bewußtsein bedeutet, kurz gesagt, immer im immer in transzendentaler Stellung steht, und er ist immer
transzendentalen liebevollen Dienst des Herrn beschäftigt allein, da er nichts zu tun hat mit Menschen, die nicht
zu sein. Aber auch diejenigen, die am unpersönlichen KŠa-bewußt sind. Deshalb ist ein Mensch im KŠa--
Brahman oder der lokalisierten Überseele haften, sind Bewußtsein der vollendete yogī.
teilweise KŠa-bewußt, denn das unpersönliche Brahman
ist die spirituelle Ausstrahlung KŠas, und die Überseele VERS 11-12
ist die alldurchdringende Teil-Erweiterung KŠas. Folglich
sind auch der Anhänger der Unpersönlichkeitslehre und der śucau deśe prati˜hāpya
Meditierende indirekt KŠa-bewußt. Der direkt sthiram āsanam ātmanaƒ
KŠa-bewußte Mensch ist der Transzendentalist höchsten nāty-ucchritaˆ nātinīcaˆ
Ranges, da solch ein Gottgeweihter weiß, was mit Brahman cailājina-kuśottaram
oder Paramātmā gemeint ist. Sein Wissen von der
Absoluten Wahrheit ist vollkommen, wohingegen der tatraikāgraˆ manaƒ ktvā
Unpersönlichkeitsanhänger und der meditierende yogī nur yata-cittendriya-kriyaƒ
unvollkommen KŠa-bewußt sind. upaviśyāsane yuñjyād
Nichtsdestoweniger wird ihnen allen hiermit geraten, yogam ātma-viśuddhaye
ständig ihre jeweiligen Ziele zu verfolgen, auf daß sie
früher oder später die höchste Vollkommenheit erreichen śucau—in geheiligtem; deśe—in dem Land; prati˜hāpya—
mögen. Das oberste Gebot für einen Transzendentalisten aufstellend; sthiram— fest; āsanam—Sitz; ātmanaƒ—auf
lautet, seinen Geist immer auf KŠa zu richten. Man sollte sich selbst gestellt; na—nicht; ati—zu; ucchritam—hoch;
immer an KŠa denken und Ihn nicht einmal für einen na—noch; ati—zu; nīcam—niedrig; caila-ajna—weiches
Augenblick vergessen. Die Konzentration des Geistes auf Tuch und Rehfell; kuśottaram—kuśa-Gras; tatra—darüber;
den Höchsten wird samādhi oder Trance genannt. Um den ekāgram—Aufmerksamkeit; manaƒ—Geist; ktvā—wenn
Geist zu konzentrieren, sollte man immer an einem man so handelt; yata-citta—den Geist beherrschend;
einsamen Ort bleiben und jede Störung durch äußere indriya—Sinne; kriyaƒ—Tätigkeiten; upaviśya—sitzend
Objekte vermeiden. Man sollte daher sehr darauf achten, auf; āsane—auf dem Sitz; yuñjyāt—ausüben; yogam—
Bedingungen, die die Verwirklichung günstig beeinflussen, yoga-Praxis; ātmā—Herz; viśuddhaye—um zu läutern.
anzunehmen, und ungünstige Bedingungen abzulehnen.
Mit vollkommener Entschlossenheit sollte man dann nicht ÜBERSETZUNG
nach unnötigen materiellen Dingen begehren, die einen
durch Gefühle der Besitzgier verstricken würden. Um yoga zu praktizieren, sollte man an einen einsamen
All diese Vervollkommnungen und Vorsichtsmaßnahmen Ort gehen, kuśa-Gras auf den Boden legen und es mit
werden in vollkommener Weise in die Tat umgesetzt, wenn einem Rehfell und einem weichen Tuch bedecken. Der
man sich direkt im KŠa-Bewußtsein befindet, denn Sitz sollte weder zu hoch noch zu niedrig sein und an
direktes KŠa-Bewußtsein bedeutet Selbst-Verzicht, bei einem heiligen Ort liegen. Der yogī sollte sehr fest
dem kaum eine Möglichkeit für materielle Besitzgier darauf sitzen und sich im yoga üben, indem er den Geist
besteht. Śrīla Rūpa Gosvāmī charakterisiert und die Sinne beherrscht, das Herz reinigt und den
KŠa-Bewußtsein so: Geist auf einen Punkt fixiert.

anāsaktasya viayān ERLÄUTERUNG


yathārham upayuñjataƒ
nirbandhaƒ kŠa-sambandhe "Heiliger Ort" bezieht sich auf Pilgerorte. In Indien
yuktaˆ vairāgyam ucyate verlassen die yogīs, Transzendentalisten und Gottgeweihten
alle ihr Zuhause und wohnen an heiligen Orten, wie Prayāg,
prāpañcikatayā buddhyā Mathurā, Vndāvana, Hīkeśa und Hardwar, und
hari-sambandhi-vastunaƒ praktizieren dort, wo die heiligen Flüsse, wie die Yamunā
mumukubhiƒ parityāgo und die Ga‰gā fließen, in Einsamkeit yoga. Oft aber ist
vairāgyaˆ phalgu kathyate das — besonders für westliche Menschen — nicht möglich.
Die sogenannten yoga-Gesellschaften in den großen
"Wenn man an nichts haftet, aber zugleich alles in Städten mögen zwar erfolgreich darin sein, einen
Beziehung zu KŠa annimmt, handelt man richtig, frei von materiellen Nutzen zu bewirken, doch sind sie für die
jeglicher Besitzgier. Wer jedoch alles zurückweist, ohne die eigentliche Praxis von yoga nicht geeignet. Wer nicht
Beziehung der Dinge zu KŠa zu kennen, ist in seiner selbstbeherrscht und wessen Geist nicht ungestört ist, kann
Entsagung nicht so vollkommen." (Bh.r.s. 2.255-256) nicht meditieren. Deshalb wird im Bhan-Nāradīya PurāŠa
Ein KŠa-bewußter Mensch weiß sehr wohl, daß alles gesagt, daß im Kali-yuga (dem gegenwärtigen yuga oder
KŠa gehört, und daher ist er stets frei von dem Gefühl, Zeitalter), wenn die meisten Menschen kurzlebig, langsam
136

in spiritueller Verwirklichung und ständig von weilt, ist das Ziel der yoga-Praxis. Um diese ViŠu-mūrti
verschiedenen Ängsten verfolgt sind, das beste Mittel für im Herzen zu erkennen, muß man sich der Sexualität
spirituelle Verwirklichung das Chanten der Heiligen gänzlich enthalten; daher muß man sein Heim verlassen
Namen des Herrn ist. und allein an einem einsamen Ort leben, indem man in der
oben beschriebenen Sitzstellung verharrt. Man kann nicht
harer nāma harer nāma täglich zu Hause oder anderswo Sexualität genießen, an
harer nāmaiva kevalam einem sogenannten yoga-Kursus teilnehmen und so zu
kalau nāsty eva nāsty eva einem yogī werden. Man muß sich darin üben, den Geist zu
nāsty eva gatir anyathā beherrschen und alle Arten von Sinnenbefriedigung zu
vermeiden, von denen Sexualität an erster Stelle steht. In
"In diesem Zeitalter des Streites und der Heuchelei ist das den Regeln des Zölibats, die von dem großen Weisen
einzige Mittel der Befreiung das Chanten der Heiligen Yājñavalkya zusammengestellt wurden, heißt es:
Namen des Herrn. Es gibt keinen anderen Weg. Es gibt
keinen anderen Weg. Es gibt keinen anderen Weg." karmaŠā manasā vācā
sarvāvasthāsu sarvadā
VERS 13-14 sarvatra maithuŠa-tyāgo
brahmacaryaˆ pracakate
samaˆ kāya-śiro-grīvaˆ
dhārayann acalaˆ sthiraƒ "Das Gelübde des brahmacarya soll einem helfen, sich in
samprekya nāsikāgraˆ svaˆ Taten, Worten und Gedanken — zu allen Zeiten, unter allen
diśaś cānavalokayan Umständen und an allen Orten — der Sexualität ganz und
gar zu enthalten.“
praśāntātmā vigata-bhīr Niemand kann echten yoga praktizieren und zugleich
brahmacāri-vrate sthitaƒ seinem Geschlechtstrieb freien Lauf lassen. Brahmacarya
manaƒ saˆyamya mac-citto wird deshalb von Kindheit an gelehrt, wenn man noch
yukta āsīta mat-paraƒ nichts von Sexualität weiß. Im Alter von fünf Jahren
werden die Kinder zum guru-kula (dem Ort, an dem der
samam—gerade; kāya-śiraƒ—Körper und Kopf; grīvam— spirituelle Meister lebt) geschickt, und der Meister erzieht
Hals; dhārayan—haltend; acalam—unbewegt; sthiraƒ— die kleinen Jungen in der strengen Disziplin, brahmacārīs
ruhig; samprekya—sehend; nāsikā—Nase; agram—Spitze; zu werden. Ohne solche Praxis kann niemand Fortschritte
svam—eigene; diśaƒ—alle Seiten; ca—auch; in irgendeinem yoga machen, sei es dhyāna, jñāna oder
anavalokayan—nicht sehend; praśānta—ungestört; ātmā— bhakti. Wer aber nach den Regeln und Regulierungen des
Geist; vigata-bhīƒ—frei von Furcht; brahmacāri-vrate—im verheirateten Lebens lebt und nur mit seiner Frau eine
Gelübde des Zölibats; sthitaƒ—befindlich; manaƒ—Geist; sexuelle Beziehung unterhält (und auch das nur unter
saˆyamya—völlig bezwungen; mat—auf Mich (KŠa); Regulierungen), wird ebenfalls als brahmacārī bezeichnet.
cittaƒ—konzentriert; yuktaƒ—wirklicher yogī; āsīta—so Solch ein gezügelter Haushälter-brahmacārī wird in der
seiend; mat—Mich; paraƒ—endgültiges Ziel. bhakti-Schule akzeptiert, doch die jñāna- und die
dhyāna-Schule erkennen nicht einmal einen
ÜBERSETZUNG Haushälter-brahmacārī an. Sie fordern kompromißlos
völlige Enthaltsamkeit. In der bhakti-Schule ist einem
Man sollte Körper, Hals und Kopf aufrecht in einer Haushälter-brahmacārī ein beherrschtes Geschlechtsleben
geraden Linie halten und fortwährend auf die erlaubt, denn der Kult des bhakti-yoga ist so mächtig, daß
Nasenspitze starren. Auf diese Weise sollte man mit man von selbst die Anziehung zur Sexualitat verliert, da
ungestörtem, beherrschtem Geist, ohne Furcht und man im höherstehenden Dienst des Herrn beschäftigt ist. In
völlig frei von Sexualität über Mich im Herzen der Bhagavad-gītā (2.59) heißt es:
meditieren und Mich zum endgültigen Ziel des Lebens
machen. viayā vinivartante
nirāhārasya dehinaƒ
ERLÄUTERUNG rasa-varjaˆ raso 'py asya
paraˆ d˜vā nivartate
Das Ziel des Lebens besteht darin, KŠa zu kennen, der als
Paramātmā, die vierhändige ViŠu-Form, im Herzen eines "Die verkörperte Seele kann zwar von Sinnenfreuden
jeden Lebewesens weilt. Der yogaVorgang wird praktiziert, zurückgehalten werden, doch der Geschmack für die
um diese lokalisierte Form ViŠus zu entdecken und zu Sinnesobjekte bleibt; wenn sie jedoch solche Neigungen
sehen — und für keinen anderen Zweck. Die lokalisierte aufgibt, da sie einen höheren Geschmack erfährt, ist sie im
ViŠu-mūrti ist die vollständige Repräsentation KŠas, die transzendentalen Bewußtsein gefestigt."
im Herzen eines jeden gegenwärtig ist. Ein Mensch, der Während andere gezwungen sind, sich von
nicht die Absicht hat, diese ViŠu-mūrti zu erkennen, ist Sinnenbefriedigung zurückzuhalten, verzichtet ein
nur mit nutzlosem Schein-yoga beschäftigt und Geweihter des Herrn von selbst, da er einen höheren
verschwendet gewiß seine Zeit. KŠa ist das endgültige Geschmack erfährt. Außer dem Gottgeweihten hat niemand
Ziel des Lebens, und die ViŠu-mūrti, die in jedem Herzen von diesem höheren Geschmack Kenntnis.
137

Vigatabhīƒ. Man kann nicht furchtlos sein, solange man Brahma-saˆhitā wird eindeutig gesagt (goloka eva
nicht völlig KŠa-bewußt ist. Eine bedingte Seele ist voller nivasaty akhilātma-bhūtaƒ), daß der Herr, obwohl Er Sich
Furcht, weil ihr Gedächtnis pervertiert ist, das heißt, weil ständig in Seinem Reich Goloka aufhält, kraft Seiner
sie ihre ewige Beziehung zu KŠa vergessen hat. Das höheren, spirituellen Energien das alldurchdringende
Bhāgavatam sagt: bhayaˆ dvitīyābhiniveśataƒ syād īśād Brahman wie auch der lokalisierte Paramātmā ist. Niemand
apetasya viparyayo 'smtiƒ. KŠa-Bewußtsein ist die kann den spirituellen Himmel erreichen oder in das ewige
einzige Grundlage für Furchtlosigkeit. Deshalb ist es nur Reich des Herrn (VaikuŠ˜ha, Goloka Vndāvana) eingehen,
einem KŠa-bewußten Menschen möglich, yoga in ohne KŠa und Seine vollständige Erweiterung ViŠu
Vollendung zu praktizieren. Und da es das endgültige Ziel richtig zu verstehen. Deshalb ist jemand, der im
des yoga ist, den Herrn im Innern zu sehen, ist ein KŠa-- KŠa-Bewußtsein tätig ist, der vollkommene yogī, da sein
bewußter Mensch bereits der beste aller yogīs. Die hier Geist immer bei KŠas Taten ist. Sa vai manaƒ
erwähnten Prinzipien des yoga-Systems unterscheiden sich kŠa-padāravindayoƒ. Auch lernen wir aus den Veden:
von denen der populären sogenannten yoga-Gesellschaften. tam eva viditvātimtyum eti. "Man kann den Pfad von
Geburt und Tod nur überwinden, wenn man die Höchste
VERS 15 Persönlichkeit Gottes, KŠa, versteht." Mit anderen
Worten: Die Vollkommenheit des yoga-Systems besteht in
yuñjann evaˆ sadātmānaˆ der Befreiung vom materiellen Dasein und nicht in ir-
yogī niyata-mānasaƒ gendwelchen magischen Spielereien oder gymnastischen
śāntim nirvāŠa-paramām Kunststücken, die nur dazu dienen, unschuldige Menschen
mat-saˆsthām adhigacchati zum Narren zu halten.

yuñjan—so sich übend; evam—wie oben erwähnt; sadā— VERS 16


ständig; ātmānam—Körper, Geist und Seele; yogī—der
mystische Transzendentalist; niyata-mānasah—regulierter nātyaśnatas tu yogo'sti
Geist; śāntim—Frieden; nirvāŠa-paramām—Beendigung na caikāntam anaśnataƒ
des materiellen Daseins; mat-saˆsthām—den spirituellen na cāti svapna-śīlasya
Himmel (das Königreich Gottes); adhigacchati—erreicht. jāgrato naiva cārjuna

ÜBERSETZUNG na—niemals; ati—zuviel; aśnataƒ—von jemandem, der so


ißt; tu—aber; yogaƒ— Verbindung mit dem Höchsten; asti-
Während sich der mystische Transzendentalist so darin es gibt; na—noch; ca—auch; ekāntam—sehr gering;
übt, Körper, Geist und Tätigkeiten zu beherrschen, anaśnataƒ—sich vom Essen zurückhalten; na—noch; ca—
erreicht er das Königreich Gottes [das Reich KŠas], auch; ati—zuviel; svapna-śīlasya—von einem, der zuviel
indem er das materielle Dasein beendet. schläft; jāgrataƒ—oder einem, der nachts zu lange wach ist;
na—nicht; eva—jemals; ca—und; arjuna—o Arjuna.
ERLÄUTERUNG
ÜBERSETZUNG
Das endgültige Ziel der Praxis von yoga ist nun eindeutig
erklärt. Yoga ist nicht dafür gedacht, irgendwelche O Arjuna, es ist nicht möglich, ein yogī zu werden, wenn
materiellen Annehmlichkeiten zu erlangen; es soll dazu man zuviel ißt oder zuwenig ißt, wenn man zuviel
befähigen, das materielle Dasein zu beenden. Wer seine schläft oder nicht genug schläft.
Gesundheit verbessern will und nach materieller
Vollkommenheit strebt, ist nach der Bhagavad-gītā kein ERLÄUTERUNG
yogī. Auch bedeutet die Beendigung des materiellen
Daseins nicht, daß man in "die Leere" eingeht, die nur ein Hier wird den yogīs empfohlen, Essen und Schlafen zu
Mythos ist. Nirgendwo in der Schöpfung des Herrn gibt es regulieren. Zuviel zu essen bedeutet, mehr zu essen als
Leere. Vielmehr befähigt einen die Beendigung des notwendig ist, um Körper und Seele zusammenzuhalten.
materiellen Daseins, in den transzendentalen Himmel, das Für die Menschen ist es nicht notwendig, Tiere zu essen, da
Reich des Herrn, einzutreten. Das Reich des Herrn wird ausreichend für Getreide, Gemüse, Früchte und Milch
ebenfalls in der Bhagavad-gītā klar beschrieben, und zwar gesorgt ist. Nach den Aussagen der Bhagavad-gītā
als der Ort, an dem weder Sonne noch Mond, noch befinden sich solch einfache Nahrungsmittel in der
Elektrizität notwendig sind. Alle Planeten im spirituellen Erscheinungsweise der Tugend. Tierische Nahrung ist für
Königreich leuchten aus sich selbst heraus, wie die Sonne Menschen in der Erscheinungsweise der Unwissenheit.
am materiellen Himmel. Das Königreich Gottes ist überall, Daher werden diejenigen, die tierische Nahrung zu sich
doch der spirituelle Himmel und seine Planeten werden als nehmen, die trinken, rauchen und Nahrung essen, die nicht
paraˆ-dhāma oder höhere Reiche bezeichnet. zuerst KŠa geopfert wurde, sündhafte Reaktionen
Wie hier vom Herrn Selbst eindeutig erklärt wird erleiden, da sie nur verunreinigte Dinge essen. Bhuñjate te
(mat-cittaƒ, mat-paraƒ, mat-sthānam), kann ein vollendeter tv aghaˆ papa ye pacanty ātma-kāraŠāt. Jeder, der zur
yogī, der Śrī KŠa vollkommen erkennt, wahren Frieden Sinnenfreude ißt oder für sich selbst kocht, ohne seine
finden und schließlich sein höchstes Reich, das als Goloka Nahrung KŠa zu opfern, ißt nur Sünde. Wer Sünde ißt
Vndāvana bekannte KŠaloka, erreichen. In der und mehr ißt als ihm zusteht, kann keinen vollendeten yoga
138

praktizieren. Das beste ist, nur die Überreste von Speisen beschäftigt zu sein. Deshalb beschränkt er seinen Schlaf auf
zu essen, die KŠa geopfert wurden. Ein Mensch im ein Mindestmaß. Sein Vorbild in dieser Hinsicht ist Śrīla
KŠa-Bewußtsein ißt nichts, was nicht zuerst KŠa Rūpa Gosvāmī, der ständig im Dienste KŠas beschäftigt
geopfert wurde. Deshalb kann nur ein KŠa-bewußter war und nicht länger als zwei Stunden täglich schlafen
Mensch Vollkommenheit im yoga erreichen. Auch kann konnte, und manchmal nicht einmal das. Bevor µhakūra
niemand yoga praktizieren, der sich künstlich vom Essen Haridāsa nicht täglich dreihundertausendmal den Heiligen
zurückhält und nach eigenem Gutdünken fastet. Der Namen auf seiner Gebetskette gechantet hatte, nahm er
KŠa-bewußte Mensch fastet, wie es in den Schriften nicht einmal prasāda zu sich oder schlief auch nur für einen
empfohlen wird. Er fastet nicht länger oder ißt nicht mehr Augenblick. Was Arbeit betrifft, so tut ein KŠa-bewußter
als notwendig, und daher ist er geeignet, yoga zu Mensch nichts, was nicht mit dem Interesse KŠas
praktizieren. Wer mehr ißt, als er braucht, wird während verbunden ist, und daher ist seine Arbeit immer reguliert
des Schlafes sehr viel träumen und muß folglich länger und unberührt von Sinnenbefriedigung. Da ein Mensch im
schlafen als notwendig. Man sollte täglich nicht mehr als KŠa-Bewußtsein mit Sinnenbefriedigung nichts zu tun
sechs Stunden schlafen. Wer von den vierundzwanzig hat, gibt es für ihn keinen materiellen Müßiggang. Und da
Stunden mehr als sechs Stunden schläft, wird zweifellos er bei all seinem Tun, Sprechen, Schlafen, Wachsein und
von der Erscheinungsweise der Unwissenheit beeinflußt. allen anderen körperlichen Tätigkeiten reguliert ist, gibt es
Ein Mensch in der Erscheinungsweise der Unwissenheit ist für ihn kein materielles Leid.
träge und neigt dazu, viel zu schlafen. Ein solcher Mensch
kann nicht yoga praktizieren. VERS 18

VERS 17 yadā viniyataˆ cittam


ātmany evāvati˜hate
yuktāhāra-vihārasya nisphaƒ sarva-kāmebhyo
yukta-ce˜asya karmasu yukta ity ucyate tadā
yukta-svapnāvabodhasya
yogo bhavati duƒkha-hā yadā—wenn; viniyatam—besonders gezügelt; cittam—der
Geist und seine Tätigkeiten; ātmani—in der Transzendenz;
yukta—geregelt; āhāra—Essen; vihārasya—Erholung; eva—gewiß; avati˜hate—wird verankert; nisphaƒ—frei
yukta—geregelt; ce˜asya—von einem, der für seinen von; sarva—alle Arten von; kāmebhyaƒ—materiellen
Lebensunterhalt arbeitet; karmasu—bei der Erfüllung von Wünschen; yuktaƒ—gut im yoga verankert; iti—so;
Pflichten; yukta—geregelt; svapna-avabodhasya— ucyate—man sagt, er sei; tadā—zu dieser Zeit.
geregelter Schlaf und geregeltes Wachsein; yogaƒ—Praxis
von yoga; bhavati-wird; duƒkha-hā—Schmerzen ÜBERSETZUNG
Verringerad.
Wenn der yogī durch das Praktizieren von yoga seine
ÜBERSETZUNG geistigen Tätigkeiten zügelt und in der Transzendenz
verankert wird — frei von materiellen Wünschen —,
Wer in seinen Gewohnheiten des Essens, Schlafens, sagt man von ihm, er habe yoga erreicht.
Arbeitens und Sicherholens maßvoll ist, kann alle
materiellen Leiden lindern, indem er das yoga-System ERLÄUTERUNG
praktiziert.
Die Tätigkeiten eines yogī unterscheiden sich von denen
ERLÄUTERUNG eines gewöhnlichen Menschen dadurch, daß er
bezeichnenderweise alle Arten materieller Wünsche, von
Extravaganz im Essen, Schlafen, Sichverteidigen und im denen Sexualität an erster Stelle steht, aufgegeben hat. Ein
Sichpaaren — was Bedürfnisse des Körpers sind — kann vollkommener yogī beherrscht die Tätigkeit seines Geistes
den Fortschritt im yoga aufhalten. Was das Essen betrifft, so gut, daß er nicht länger von irgendeinem materiellen
so kann es nur reguliert sein, wenn man es gewohnt ist, Wunsch gestört werden kann. Wie es im
prasāda oder geheiligte Nahrung zu sich zu nehmen. Nach Śrīmad-Bhāgavatam (9.4.18-20) heißt, kann diese Stufe der
den Aussagen der Bhagavad-gītā (9.26) werden Śrī KŠa Vollkommenheit von selbst von Menschen im KŠa-
Gemüse, Blumen, Früchte, Getreide, Milch usw. geopfert. Bewußtsein erreicht werden:
Auf diese Weise wird ein Mensch im KŠa-Bewußtsein
von selbst geschult, keine Nahrung anzunehmen, die nicht sa vai manaƒ kŠa-padāravindayor
für die Ernährung des Menschen bestimmt ist oder die sich vacāˆsi vaikuŠ˜ha-guŠānuvarŠane
nicht in der Erscheinungsweise der Tugend befindet. Was karau harer mandira-mārjanādiu
das Schlafen betrifft, so ist ein KŠa-bewußter Mensch bei śrutiˆ cakārācyuta-sat-kathodaye
der Erfüllung seiner Pflichten im KŠa-Bewußtsein immer
wach, und deshalb sieht er jede unnötig verschlafene Zeit mukunda-li‰gālaya-darśane dśau
als großen Verlust an. Für einen KŠa-bewußten tad-bhtyagātra-sparśe '‰ga-sa‰gamam
Menschen ist es unerträglich, auch nur eine Minute seines ghrāŠaˆ ca tat-pāda-saroja-saurabhe
Lebens verstreichen zu lassen, ohne im Dienste KŠas śrīmat-tulasyā rasanāˆ tad-arpite
139

beherrscht ist, in seiner Meditation über das


pādau hareƒ ketra-padānusarpaŠe transzendentale Selbst immer stetig.
śiro hīkeśa-padābhivandane
kāmaˆ ca dāsye na tu kāma-kāmyayā ERLÄUTERUNG
yathottama-śloka-janāśrayā ratiƒ
Ein wahrhaft KŠa-bewußter Mensch, der immer in der
"König Ambarīa richtete als erstes seinen Geist auf die Transzendenz verankert und in eine ständige, ungestörte
Lotosfüße Śrī KŠas; als nächstes beschäftigte er seine Meditation über seinen verehrungswürdigen Herrn
Worte damit, die transzendentalen Eigenschaften des Herrn versunken ist, ist so beständig wie ein Licht an einem
zu beschreiben; mit seinen Händen wischte er den Tempel windstillen Ort.
des Herrn; mit seinen Ohren hörte er über die Taten und
Spiele des Herrn; mit seinen Augen betrachtete er die VERS 20-23
transzendentalen Formen des Herrn; mit seinem Körper
berührte er die Körper der Gottgeweihten; mit seinem yatoparamate cittaˆ
Geruchssinn roch er den Duft des Lotos, der dem Herrn niruddhaˆ yoga-sevayā
dargebracht war; mit seiner Zunge schmeckte er das tulasī- yatra caivātmanātmānaˆ
Blatt, das den Lotosfüßen des Herrn geopfert war; mit paśyann ātmani tuyati
seinen Beinen ging er zu Pilgerstätten und zu den Tempeln
des Herrn; er neigte sein Haupt, um dem Herrn sukham ātyantikaˆ yat tad
Ehrerbietungen darzubringen, und beschäftigte seine buddhi-grāhyam atīndriyam
Wünsche darin, die Mission des Herrn zu erfüllen. All diese vetti yatra na caivāyaˆ
transzendentalen Tätigkeiten sind einem reinen sthitaś calati tattvataƒ
Gottgeweihten angemessen."
Den Anhängern des Unpersönlichkeitspfads mag diese yaˆ labdhvā cāparaˆ lābhaˆ
transzendentale Stufe mit Worten nicht faßbar erscheinen, manyate nādhikaˆ tataƒ
doch wie aus der obigen Beschreibung der Beschäftigungen yasmin sthito na duƒkhena
Mahārāja Ambarīas eindeutig hervorgeht, wird sie für guruŠāpi vicālyate
einen Menschen im KŠa-Bewußtsein sehr einfach und taˆ vidyād duƒkha-saˆyoga-
praktisch. Solange nicht der Geist durch ständige viyogaˆ yoga-saˆjñitam
Erinnerung fest auf die Lotosfüße des Herrn gerichtet ist,
sind solche transzendentalen Beschäftigungen nicht yatra—in diesem Zustand der Dinge; uparamate—wenn
praktisch. Im hingebungsvollen Dienst des Herrn werden man transzendentales Glück fühlt; cittam—geistige
diese vorgeschriebenen Tätigkeiten daher arcanā genannt Tätigkeiten; niruddham—von Materie zurückgehalten;
oder die Betätigung aller Sinne im Dienste des Herrn. Die yoga-sevayā—durch Praktizieren von yoga; yatra—in
Sinne und der Geist brauchen Beschäftigung. Sie einfach zu diesem; ca—auch; eva—gewiß; ātmanā—durch den reinen
verleugnen ist nicht praktisch. Deshalb ist für die Menschen Geist; ātmānam—Selbst; paśyan—wenn man die Stellung
im allgemeinen — besonders für diejenigen, die nicht im erkennt; ātmani—im Selbst; tuyati—wird zufrieden;
Lebensstand der Entsagung stehen — die transzendentale sukham—Glück; ātyantikam—höchstes; yat—in welchem;
Betätigung der Sinne und des Geistes, wie oben tat—dieses; buddhi—Intelligenz; grāhyam—annehmbar;
beschrieben, der vollkommene Vorgang, um die atīndriyam—transzendental; vetti—kennt; yatra—worin;
transzendentale Stufe zu erreichen, die in der na—niemals; ca—auch; eva—gewiß; ayam—in diesem;
Bhagavad-gītā als yukta bezeichnet wird. sthitaƒ—befindlich; calati—bewegt sich; tattvataƒ—von
der Wahrheit; yam—das, was; labdhvā—durch Erlangen;
VERS 19 ca—auch; aparam—irgendeinen anderen; lābham—
Gewinn; manyate—beachtet nicht; na—niemals; adhikam—
yathā dīpo nivātastho mehr als das; tataƒ—davon; yasmin—in welchem; sthitaƒ—
ne‰gate sopamā smtā befindlich; na—niemals; duƒkhena—durch Leiden;
yogino yata-cittasya guruŠāpi—obwohl sehr schwierig; vicālyate—wird
yuñjato yogam ātmanaƒ erschüttert; tam—dieses; vidyāt—du mußt wissen;
duƒkha-saˆyoga—Leiden, die aus der Berührung mit
yathā—wie; dīpaƒ—eine Lampe; nivātasthaƒ—an einem Materie entstehen; viyogam—Beendigung; yoga-
Ort ohne Wind; na—nicht; i‰gate—flackert; sā upamā— saˆjñitam—Trance in yoga.
damit verglichen; smtā—verglichen; yoginaƒ—des yogī;
yata-cittasya—dessen Geist beherrscht ist; yuñjataƒ— ÜBERSETZUNG
ständig beschäftigt mit; yogam—Meditation; ātmanaƒ—
über die Transzendenz. Die Stufe der Vollkommenheit wird als Trance oder
samādhi bezeichnet, wenn der Geist durch das
ÜBERSETZUNG Praktizieren von yoga von materiellen mentalen
Tätigkeiten vollständig zurückgezogen ist. Dies wird
Wie ein Licht an einem windstillen Ort nicht flackert, so dadurch charakterisiert, daß man die Fähigkeit erlangt,
bleibt auch der Transzendentalist, dessen Geist das Selbst durch den reinen Geist zu sehen und im
140

Selbst zu genießen und sich zu freuen. In diesem Zerstörung der ursprünglichen, ewigen Stellung des
freudigen Zustand erfährt man grenzenloses Lebewesens. Auch Patañjali akzeptiert dies mit seinen
transzendentales Glück und genießt in sich selbst durch Worten kaivalyam svarūpa-prati˜hā vā citi śaktir iti. Diese
transzendentale Sinne. So verankert weicht man citi-śakti oder transzendentale Freude ist wahres Leben. In
niemals von der Wahrheit ab, und wenn man diese Stufe den Vedānta-sūtras wird dies mit den Worten ānanda-mayo
erreicht hat, denkt man, daß es keinen größeren Gewinn 'bhyāsāt bestätigt. Diese natürliche transzendentale Freude
gibt. In einer solchen Stellung gerät man niemals, nicht ist das endgültige Ziel des yoga, und sie wird leicht durch
einmal inmitten der größten Schwierigkeit, ins Wanken. hingebungsvollen Dienst oder bhakti-yoga erreicht.
Das ist in der Tat wirkliche Freiheit von allen Leiden, Bhakti-yoga wird im Siebten Kapitel der Bhagavad-gītā
die aus der Berührung mit der Materie entstehen. eingehend beschrieben.
In dem yoga-System, wie es in diesem Kapitel beschrieben
ERLÄUTERUNG wird, gibt es zwei Arten von samādhi:
samprajñāta-samādhi und asamprajñāta-samādhi. Wenn
Durch das Praktizieren von yoga löst man sich allmählich man durch verschiedene philosophische Forschungen in der
von materiellen Vorstellungen. Das ist das Hauptmerkmal transzendentalen Position verankert wird, wird dies
des yoga-Prinzips. Und danach erreicht man die Stufe der samprajñata-samādhi genannt. Im samprajñāta-samādhi
Trance oder des samādhi, was bedeutet, daß der yogī die hat man keine Verbindung mehr mit weltlichen Freuden,
Überseele durch den transzendentalen Geist und die denn man steht dann zu allem Glück, das durch die Sinne
transzendentale Intelligenz erkennt, ohne dem Irrtum zu erfahren wird, in transzendentaler Stellung. Wenn der yogī
unterliegen, das Selbst sei mit dem Überselbst identisch. einmal in dieser transzendentalen Position verankert ist,
Yoga basiert mehr oder weniger auf den Prinzipien des kann er niemals darin erschüttert werden. Solange der yogī
Patañjali-Systems. Einige unautorisierte Kommentatoren nicht imstande ist, dieses Position zu erreichen, ist er
versuchen, die individuelle Seele mit der Überseele erfolglos. Der sogenannte yoga, der heutzutage praktiziert
gleichzusetzen, und die Monisten halten das für Befreiung, wird und zu dem verschiedenartige Sinnenfreuden gehören,
doch verstehen sie nicht den eigentlichen Zweck des ist widersprüchlich. Ein yogī, der Sex und Drogen frönt, ist
Patañjali-yoga-Systems. Im Patañjali-System wird eine Witzfigur. Selbst jene yogīs, die von den siddhis (Voll-
akzeptiert, daß es transzendentale Freude gibt, doch die kommenheiten) im yoga angezogen werden, haben nicht
Monisten erkennen diese transzendentale Freude nicht an, die Vollkommenheit erreicht. Wenn die yogīs von den
weil sie befürchten, die Theorie des Einsseins zu gefährden. Nebenerscheinungen des yoga angezogen werden, können
Die Dualität von Erkenntnis und Erkennendem wird von sie die Stufe der Vollkommenheit, wie sie in diesem Vers
den Nichtdualisten nicht akzeptiert, doch in diesem Vers beschrieben wird, nicht erreichen. Menschen, die ihre Zeit
wird transzendentale Freude — erfahren durch mit der Zurschaustellung gymnastischer Kunststücke oder
transzendentale Sinne — akzeptiert. Und das wird auch von siddhis vergeuden, sollten daher wissen, daß das Ziel des
Patañjali Muni, dem berühmten Vertreter des yoga auf diese Weise verlorengeht.
yoga-Systems, bestätigt. Der große Weise erklärt in seinen Der beste Weg, in diesem Zeitalter yoga zu praktizieren, ist
Yoga-sūtras: puruārtha-śūnyānāˆ guŠānāˆ KŠa-Bewußtsein, denn dort wird niemand zum Narren
pratiprasavaƒ kaivalyaˆ svarūpa-prati˜hā vā citi-śaktir gehalten. Ein KŠa-bewußter Mensch ist in seiner
iti. Diese citi-śakti oder innere Energie ist transzendental. Beschäftigung so glücklich, daß er nach keinem anderen
Puruārtha bedeutet materielle Religiosität, wirtschaftliche Glück begehrt. Beim Praktizieren von ha˜ha-yoga,
Entwicklung, Sinnenbefriedigung und am Ende den dhyāna-yoga und jñāna-yoga gibt es gerade im gegen-
Versuch, mit dem Höchsten eins zu werden. Dieses wärtigen Zeitalter der Heuchelei viele Hindernisse, doch
"Einssein mit dem Höchsten" wird von den Monisten gibt es kein solches Problem bei der Ausübung von
kaivalyam genannt. Nach Patañjali aber ist dieses karma-yoga oder bhakti-yoga.
kaivalyam eine innere oder transzendentale Energie, durch Solange der materielle Körper existiert, muß man sich auch
die sich das Lebewesen seiner wesensgemäßen Stellung mit den Bedürfnissen des Körpers, das heißt mit Essen,
bewußt wird. Śrī KŠa Caitanya nannte diesen Vorgang Schlafen, Sichverteidigen und Sichpaaren aus-
ceto-darpaŠa-mārjanam oder das Reinigen des unreinen einandersetzen. Doch ein Mensch in reinem bhakti-yoga
Spiegels des Geistes. Dieses "Reinigen" ist eigentlich oder KŠa-Bewußtsein erregt die Sinne nicht, während er
Befreiung oder bhava-mahādāvāgni-nirvāpaŠam. Die die Bedürfnisse des Körpers befriedigt. Vielmehr erfüllt er
Theorie des nirvāŠa — ebenfalls eine vorbereitende Stufe die bloßen Lebensnotwendigkeiten, indem er das beste aus
der Erkenntnis — stimmt mit diesem Prinzip überein. Im einem schlechten Geschäft macht, und genießt
Bhāgavatam wird dies svarūpeŠa vyavasthitiƒ genannt. transzendentales Glück im KŠa-Bewußtsein. Er wird von
Auch die Bhagavad-gītā bestätigt das in diesem Vers. unverhofften Ereignissen, wie Unfällen, Krankheit,
Nach dem nirvāŠa oder der Beendigung des materiellen Knappheit und selbst dem Tod eines geliebten Verwandten,
Daseins kommt die Manifestation spiritueller Tätigkeiten, nicht berührt, sondern ist immer bereit, seine Pflichten im
das heißt hingebungsvoller Dienst für den Herrn oder KŠa-Bewußtsein oder bhakti-yoga zu erfüllen.
KŠa-Bewußtsein. Mit den Worten des Bhāgavatam Unglücksfälle hindern ihn niemals an der Erfüllung seiner
ausgedrückt: svarūpeŠa vyavasthitiƒ. Das ist das "wirkliche Pflicht. In der Bhagavad-gītā wird dazu gesagt:
Leben des Lebewesens". Māyā oder Illusion ist spirituelles āgamāpāyino 'nityās tāˆs titikasva bhārata. Er erduldet
Leben, durch materielle Infektion verunreinigt. Befreiung all diese unerwarteten Ereignisse, weil er weiß, daß sie
von dieser materiellen Infektion bedeutet nicht die kommen und gehen und seine Pflichten nicht beeinflussen.
141

Auf diese Weise erreicht er die höchste Vollkommenheit im und schließlich hörte auch Garua, der gigantische,
yoga. gefiederte Träger ViŠus, davon. Er bekam Mitleid mit
seiner kleinen Vogelschwester, und so kam er, um das
VERS 24 Sperlingsweibchen zu besuchen. Garua war über die
Entschlossenheit des kleinen Sperlings sehr erfreut und
sa niścayena yoktavyo versprach zu helfen. Garua befahl dem Ozean sogleich,
yogo 'nirviŠŠa-cetasā die Eier zurückzugeben, und drohte, andernfalls selbst die
sa‰kalpa-prabhavān kāmāˆs Arbeit des Sperlings zu übernehmen. Der Ozean war sehr
tyaktvā sarvān aśeataƒ erschrocken und gab die Eier zurück. So wurde der
manasaivendriya-grāmaˆ Sperling durch die Gnade Garuas glücklich.
viniyamya samantataƒ In ähnlicher Weise mag das Praktizieren von yoga,
besonders von bhakti-yoga im KŠa-Bewußtsein, sehr
saƒ—dieses yoga-System; niścayena—mit fester schwierig erscheinen, doch wenn jemand den Prinzipien
Entschlossenheit; yoktavyaƒ—muß praktiziert werden; mit großer Entschlossenheit folgt, wird ihm der Herr mit
yogaƒ—in solcher Praxis; anirviŠŠa-cetasā—ohne Sicherheit helfen, denn: Hilf dir selbst, so hilft dir Gott.
Abweichung; sa‰kalpa—materielle Wünsche; prabhavān—
geboren aus; kāmān— Sinnenbefriedigung; tyaktvā—wenn VERS 25
man aufgibt; sarvān—alle; aśeataƒ—vollständig;
manasā—durch den Geist; eva—gewiß; indriya-grāmam— śanaiƒ śanair uparamed
alle Sinne; viniyamya—regulierend; samantataƒ—von allen buddhyā dhti-ghītayā
Seiten. ātma-saˆsthaˆ manaƒ ktvā
na kiñcid api cintayet
ÜBERSETZUNG
śanaiƒ—allmählich; śanaiƒ—Schritt für Schritt;
Man sollte yoga mit fester Entschlossenheit und uparamet—verzögert; buddhyā— durch Intelligenz;
unerschütterlichem Glauben praktizieren. Man sollte dhti-ghītayā—mit der Überzeugung; ātma-saˆstham—in
alle aus falschem Ego geborenen materiellen Wünsche der Transzendenz verankert; manaƒ—Geist; ktvā—so
ohne Ausnahme aufgeben und so in jeder Hinsicht alle handelnd; na—nichts; kiñcit—irgend etwas anderes; api—
Sinne durch den Geist beherrschen. sogar; cintayet-denken an.

ERLÄUTERUNG ÜBERSETZUNG

Der yoga-Praktiker sollte entschlossen sein und geduldig, Allmählich, Schritt für Schritt, mit voller Überzeugung,
ohne abzuweichen, mit der Praxis fortfahren. Man sollte sollte man mit Hilfe der Intelligenz in Trance versinken,
vom letztlichen Erfolg überzeugt sein und diesem Pfad mit und so sollte der Geist allein auf das Selbst gerichtet
großer Ausdauer folgen, ohne sich entmutigen zu lassen, werden und an nichts anderes mehr denken.
wenn es etwas länger dauert, bis man erfolgreich ist. Dem
strengen Praktiker ist der Erfolg sicher. Rūpa Gosvāmī sagt ERLÄUTERUNG
über bhakti-yoga:
Durch echte Überzeugung und Intelligenz sollte man
utsāhān niścayād dhairyāt allmählich die Tätigkeiten der Sinne einstellen. Das nennt
tat tat karma-pravartanāt man pratyāhāra. Der Geist, der durch Überzeugung,
sa‰ga-tyāgāt satovtteƒ Meditation und Beendigung der Sinnestätigkeiten
abhir bhaktiƒ prasidhyati beherrscht ist, sollte in Trance oder samādhi versenkt
werden. Dann besteht nicht länger die Gefahr, in der
"Bhakti-yoga kann mit voller Begeisterung, Ausdauer und materiellen Auffassung vom Leben tätig zu werden. Mit
Entschlossenheit erfolgreich praktiziert werden, wenn man anderen Worten: Obgleich man mit der Materie zu tun hat,
den vorgeschriebenen Pflichten in der Gemeinschaft von solange der materielle Körper existiert, sollte man nicht an
Gottgeweihten folgt und vollständig in Tätigkeiten der Sinnenbefriedigung denken. Man sollte an keine andere
Tugend beschäftigt ist." Freude denken als die Freude des Höchsten Selbst. Dieser
Was Entschlossenheit betrifft, so sollte man dem Beispiel Zustand wird leicht erreicht, wenn man KŠa-Bewußtsein
des Sperlingweibchens folgen, das seine Eier in den Wellen direkt praktiziert.
des Ozeans verlor. Ein Sperlingsweibchen hatte seine Eier
an den Strand gelegt, aber der große Ozean trug die Eier VERS 26
auf seinen Wellen davon. Der kleine Vogel wurde sehr
aufgeregt und bat den Ozean, die Eier zurückzugeben. Der yato yato niścalati
Ozean jedoch beachtete ihn nicht einmal. Darauf entschloß manaś cañcalam asthiram
sich das Sperlingsweibchen, den Ozean auszutrocknen. Es tatas tato niyamyaitad
begann, mit seinem kleinen Schnabel Wasser zu schöpfen, ātmany eva vaśaˆ nayet
und jeder lachte über seine unmögliche Entschlossenheit.
Die Nachricht von seinem Vorhaben verbreitete sich rasch,
142

yataƒ—was immer; yataƒ—wo immer; niścalati—stark Eigenschaften des Brahman, des Absoluten, nicht
erregt; manaƒ—der Geist; cañcalam—flackernd; beibehalten, solange der Geist nicht fest auf die Lotosfüße
asthiram—unstet; tataƒ—von dort; tataƒ—und danach; des Herrn gerichtet ist. Sa vai manaƒ
niyamya—indem man reguliert; etat—dieses; ātmani—im kŠa-padāravindayoƒ. Immer im transzendentalen
Selbst; eva—gewiß; vaśam—Herrschaft; nayet—muß man liebevollen Dienst des Herrn beschäftigt zu sein, das heißt
bringen unter. im KŠa-Bewußtsein zu bleiben, bedeutet, daß man von
der Erscheinungsweise der Leidenschaft und aller
ÜBERSETZUNG materiellen Verunreinigung tatsächlich befreit ist.

Wohin auch immer der Geist aufgrund seiner VERS 28


flackernden und unsteten Natur wandert — man muß
ihn auf jeden Fall zurückziehen und wieder unter die yuñjann evaˆ sadātmānaˆ
Herrschaft des Selbst bringen. yogī vigata-kalmaaƒ
sukhena brahma-saˆsparśam
ERLÄUTERUNG atyantaˆ sukham aśnute

Der Geist ist von Natur aus flackernd und unstet. Ein yuñjan—wenn man so yoga praktiziert; evam—so; sadā—
selbstverwirklichter yogī jedoch muß den Geist immer; ātmānam—Selbst; yogī—jemand, der mit dem
beherrschen; der Geist sollte nicht ihn beherrschen. Wer Höchsten Selbst in Berührung ist; vigata—ist befreit von;
den Geist beherrscht (und damit auch die Sinne), wird kalmaaƒ—aller materiellen Verunreinigung, sukhena—in
gosvāmī oder svāmī genannt, und wer vom Geist beherrscht transzendentalem Glück; brahma-saˆsparśam—da er in
wird, wird godāsa oder Diener der Sinne genannt. Ein ständiger Berührung mit dem Höchsten ist; atyantam—
gosvāmī kennt den Standard von Sinnenfreude. höchstes; sukham—Glück; aśnute—erlangt.
Transzendentale Sinnenfreude erfährt man, wenn die Sinne
im Dienste Hīkesas (KŠas), des Höchsten Besitzers der ÜBERSETZUNG
Sinne, beschäftigt sind. KŠa mit gereinigten Sinnen zu
dienen wird KŠa-Bewußtsein genannt. Das ist der Weg, Fest verankert im Selbst und befreit von aller
die Sinne völlig zu beherrschen. Gibt es darüber hinaus materiellen Verunreinigung, erreicht der yogī, der mit
noch etwas, was die höchste Vollkommenheit der dem Höchsten Bewußtsein in Berührung ist, die am
yoga-Praxis ist? höchsten vervollkommnete Stufe des Glücks.

VERS 27 ERLÄUTERUNG

praśānta-manasaˆ hy enaˆ Selbsterkenntnis bedeutet, seine wesensgemäße Stellung in


yoginaˆ sukham uttamam Beziehung zum Höchsten zu kennen. Die individuelle Seele
upaiti śānta-rajasaˆ ist ein winziger Bestandteil des Höchsten, und es ist ihre
brahma-bhūtam akalmaam Position, dem Herrn transzendentalen Dienst zu leisten.
Dieser transzendentale Kontakt mit dem Höchsten wird
praśānta—der Geist, der fest auf die Lotosfüße KŠas brahma-saˆsparśa genannt.
gerichtet ist; manasam—von jemand, dessen Geist so
fixiert ist; hi—gewiß; enam—dieses; yoginam—der yogī; VERS 29
sukham—Glück; uttamam—das höchste; upaiti—erreicht;
śānta-rajasam—befriedigte Leidenschaft; sarva-bhūta-stham ātmānaˆ
brahma-bhūtam—befreit durch Identifizierung mit dem sarva-bhūtāni cātmani
Absoluten; akalmaam—befreit von allen vergangenen īkate yoga-yukta-ātmā
sündigen Reaktionen. sarvatra sama-darśanaƒ

ÜBERSETZUNG sarva-bhūta-stham—in allen Wesen weilend; ātmānam—


die Überseele; sarva—alle; bhūtāni—Lebewesen; ca—
Der yogī, dessen Geist fest auf Mich gerichtet ist, auch; ātmani—im Selbst; īkate—sieht; yoga-yukta-ātmā—
erreicht das höchste Glück. Kraft seiner Identität mit jemand, der sich im KŠa-Bewußtsein befindet; sarvatra—
dem Brahman ist er befreit; sein Geist ist friedvoll; überall; sama-darśanaƒ—mit gleichen Augen sehend.
seine Leidenschaften sind zur Ruhe gekommen, und er
ist befreit von Sünde. ÜBERSETZUNG

ERLÄUTERUNG Ein wahrer yogī sieht Mich in allen Wesen und sieht
auch jedes Wesen in Mir. Wahrlich, die
Brahma-bhūta ist der Zustand, in dem man von materieller selbstverwirklichte Seele sieht Mich überall.
Verunreinigung frei ist und bei dem man im
transzendentalen Dienst des Herrn verankert ist. Mad ERLÄUTERUNG
bhaktim labhate parām (Bg. 18.54). Man kann die
143

Ein KŠa-bewußter yogī hat die vollkommene Sicht, da er


KŠa, den Höchsten, im Herzen eines jeden als Überseele ERLÄUTERUNG
(Paramātmā) sieht. Īśvaraƒ sarva-bhūtānāˆ hd-deśe 'rjuna
ti˜hati. (Bg. 18.61) Der Herr in Seinem Paramātmā-Aspekt Ein Mensch im KŠa-Bewußtsein sieht Śrī KŠa gewiß
befindet Sich sowohl im Herzen eines Hundes als auch im überall, und er sieht alles in KŠa. Es mag erscheinen, als
Herzen eines brāhmaŠa. Der vollkommene yogī weiß, daß sehe ein solcher Mensch alle gesonderten Manifestationen
der Herr ewig transzendental ist und durch Seine der materiellen Natur, doch in jedem Fall ist er sich KŠas
Gegenwart in einem Hund oder einem brāhmaŠa nicht von bewußt, da er weiß, daß alles die Manifestation von KŠas
der Materie berührt wird. Dies ist die höchste Neutralität Energie ist. Nichts kann ohne KŠa existieren, und KŠa
des Herrn. Auch die individuelle Seele befindet sich im ist der Herr aller Dinge — dies ist das Grundprinzip des
individuellen Herzen, aber sie ist nicht in allen Herzen KŠa-Bewußtseins. KŠa-Bewußtsein ist die Entwicklung
gegenwärtig. Das ist der Unterschied zwischen der von Liebe zu KŠa — eine Position, die selbst zu
individuellen Seele und der Überseele. Jemand, der nicht materieller Befreiung transzendental ist. Es ist die Stufe
tatsächlich in der Praxis des yoga bewandert ist, hat keine jenseits von Selbstverwirklichung, auf der der Gottgeweihte
so klare Sicht. Ein KŠa-bewußter Mensch kann KŠa mit KŠa in dem Sinne eins wird, daß KŠa alles für den
sowohl im Herzen eines Gläubigen als auch im Herzen Gottgeweihten wird und der Gottgeweihte mit Liebe zu
eines Ungläubigen sehen. In der smti wird dies wie folgt KŠa erfüllt wird. Dann besteht eine enge Beziehung
bestätigt: ātatatvāc ca māttvād ātmā hi paramo hariƒ. zwischen dem Herrn und dem Gottgeweihten. Auf dieser
Weil der Herr der Ursprung aller Wesen ist, ist Er wie die Stufe erlangt das Lebewesen seine Unsterblichkeit. Die
Mutter und der Erhalter. Wie die Mutter all ihren Persönlichkeit Gottes verschwindet niemals aus den Augen
verschiedenen Kindern gegenüber neutral ist, so ist es auch des Gottgeweihten. Mit KŠa zu verschmelzen bedeutet
der Höchste Vater bzw. die Höchste Mutter. Folglich ist die spirituelle Vernichtung. Ein Gottgeweihter nimmt ein
Überseele in jedem Lebewesen immer gegenwärtig. Auch solches Risiko nicht auf sich. In der Brahma-saˆhitā (5.38)
nach außen hin befindet sich jedes Lebewesen in der heißt es:
Energie des Herrn. Wie im Siebten Kapitel erklärt werden
wird, hat der Herr hauptsächlich zwei Energien — die premāñjana-cchurita-bhakti-vilocanena
spirituelle (oder höhere) und die materielle (oder niedere) santaƒ sadaiva hdayeu vilokayanti
Energie. Obwohl das Lebewesen ein Teil der höheren yaˆ śyāmasundaram acintya-guŠa-svarūpaˆ
Energie ist, wird es von der niederen Energie bedingt; das govindam ādi-puruaˆ tam ahaˆ bhajāmi
Lebewesen befindet sich jedoch immer in der Energie des
Herrn. Jedes Lebewesen befindet sich auf die eine oder "Ich verehre den urersten Herrn, Govinda, der immer von
andere Weise in Ihm. Der yogī sieht alle Lebewesen mit dem Gottgeweihten gesehen wird, dessen Augen mit dem
gleichen Augen, denn er sieht, daß sie unter allen Balsam der Liebe gesalbt sind. Er wird in Seiner ewigen
Umständen Diener Gottes bleiben, wenngleich sie sich je Gestalt des Śyāmasundara gesehen, die im Herzen der
nach den Ergebnissen ihrer fruchtbringenden Arbeit in Gottgeweihten weilt."
verschiedenen Situationen befinden. Während sich das Auf dieser Stufe verschwindet Śrī KŠa niemals aus den
Lebewesen in der materiellen Energie aufhält, dient es den Augen des Gottgeweihten, noch verliert der Gottgeweihte
materiellen Sinnen, und wenn es sich in der spirituellen den Herrn jemals aus den Augen. Das gleiche gilt für einen
Energie befindet, dient es dem Höchsten Herrn direkt. In yogī, der den Herrn als Paramātmā in seinem Herzen sieht.
beiden Fällen aber ist das Lebewesen der Diener Gottes. Solch ein yogī wird zu einem reinen Gottgeweihten und
Diese Sicht der Gleichheit findet in einem Menschen im kann es nicht ertragen, auch nur einen Augenblick zu leben,
KŠa-Bewußtsein ihre Vollkommenheit. ohne den Herrn in seinem Innern zu sehen.

VERS 30 VERS 31

yo māˆ paśyati sarvatra sarva-bhūta-sthitaˆ yo māˆ


sarvaˆ ca mayi paśyati bhajaty ekatvam āsthitaƒ
tasyāhaˆ na praŠaśyāmi sarvathā vartamāno'pi
sa ca me na praŠaśyati sa yogī mayi vartate

yaƒ—wer immer; mām—Mich; paśyati—sieht; sarvatra— sarva-bhūta-sthitam—im Herzen eines jeden anwesend;
überall; sarvam—alles; ca—und; mayi—in Mir; paśyati—er yaƒ—derjenige, der; mām—Mir; bhajati—dient im
sieht; tasya—sein; aham—Ich; na—nicht; praŠaśyāmi—bin hingebungsvollen Dienst; ekatvam—Einssein; āsthitaƒ—so
verloren; saƒ—er; ca—auch; me—für Mich; na—noch; befindlich; sarvathā—in jeder Hinsicht; vartamānaƒ—sich
praŠaśyati—ist verloren. befindend; api—trotz; saƒ—er; yogī—Transzendentalist;
mayi—in Mir; vartate—bleibt.
ÜBERSETZUNG
ÜBERSETZUNG
Für jemand, der Mich überall sieht und alles in Mir
sieht, bin Ich niemals verloren; noch ist er jemals
verloren für Mich.
144

Ein yogī, der weiß, daß Ich und die Überseele in allen ein; yogī—Transzendentalist; paramaƒ—vollkommen;
Geschöpfen eins sind, verehrt Mich und bleibt unter mataƒ—wird angesehen.
allen Umständen immer in Mir.
ÜBERSETZUNG
ERLÄUTERUNG
O Arjuna, ein vollkommener yogī ist, wer durch
Ein yogī, der über die Überseele meditiert, sieht in seinem Vergleich mit seinem eigenen Selbst die wahre
Innern die vollständige Erweiterung KŠas — ViŠu — Gleichheit aller Wesen sieht — sowohl in ihrem Glück
mit vier Händen, die Muschelhorn, Rad, Keule und Lotos als auch in ihrem Leid.
halten. Der yogī sollte wissen, daß ViŠu von KŠa nicht
verschieden ist. KŠa ist in dieser Form der Überseele in ERLÄUTERUNG
jedem Herzen anwesend. Auch gibt es keinen Unterschied
zwischen den unzähligen Überseelen, die in den unzähligen Wer KŠa-bewußt ist, ist ein vollkommener yogī; aufgrund
Herzen der Lebewesen gegenwärtig sind. Auch besteht kein seiner eigenen Erfahrung ist er sich des Glücks und Leids
Unterschied zwischen einem KŠa-bewußten Menschen, eines jeden bewußt. Die Ursache für das Leid eines
der ständig im transzendentalen liebevollen Dienst KŠas Lebewesens liegt im Vergessen seiner Beziehung zu Gott.
beschäftigt ist, und einem vollkommenen yogī, der über die Und die Ursache für sein Glück liegt im Wissen, daß KŠa
Überseele meditiert. Der yogī im KŠa-Bewußtsein bleibt der höchste Genießer aller Tätigkeiten des Menschen ist.
immer in KŠa verankert, obwohl er im materiellen Dasein KŠa ist der Besitzer aller Länder und Planeten. Der
mit den unterschiedlichsten Tätigkeiten beschäftigt sein vollkommene yogī ist der aufrichtigste Freund aller
mag. Das wird von Śrīla Rūpa Gosvāmī im Lebewesen. Er weiß, daß das Lebewesen, das durch die
Bhakti-rasāmta-sindhu wie folgt bestätigt: nikhileu Erscheinungsweisen der materiellen Natur bedingt ist, den
avasthāsu jīvanmukta sa ucyate. "Ein Gottgeweihter, der dreifachen materiellen Leiden unterworfen ist, weil es seine
stets im KŠa-Bewußtsein handelt, ist von selbst befreit." Beziehung zu KŠa vergessen hat. Weil ein Mensch im
Im Nārada-pañcarātra wird dies so bestätigt: KŠa-Bewußtsein glücklich ist, versucht er, das Wissen
von KŠa überall zu verbreiten. Weil der vollkommene
dik-kālādy-anavacchinne yogī die Wichtigkeit, KŠa-bewußt zu werden, zu
kŠe ceto vidhāya ca verbreiten sucht, ist er der größte Menschenfreund auf der
tanmayo bhavati kipraˆ Welt, und er ist der liebste Diener des Herrn. Na tasmāt
jīvo brahmaŠi yojayet kaścid me priyakt tamaƒ (Bg. 18.69). Mit anderen Worten:
Ein Gottgeweihter sorgt sich immer um das Wohl aller
"Indem man seine Aufmerksamkeit auf die transzendentale Lebewesen, und daher ist er der wirkliche Freund eines
Gestalt KŠas richtet, der alldurchdringend ist und Sich jeden. Er ist der beste yogī, denn er strebt nicht nach
jenseits von Raum und Zeit befindet, versinkt man in Vollkommenheit im yoga, um seinen eigenen Nutzen
Gedanken an KŠa und erreicht den glücklichen Zustand daraus zu ziehen, sondern versucht, auch anderen zu helfen.
transzendentaler Gemeinschaft mit Ihm." Er mißachtet seine Mitlebewesen nicht. Hierdurch
KŠa-Bewußtsein ist die höchste Stufe der Trance im unterscheidet sich ein reiner Gottgeweihter von einem yogī,
yoga. Eben dieses Verständnis, daß KŠa als Paramātmā der nur an seinem eigenen Fortschritt interessiert ist. Der
im Herzen eines jeden anwesend ist, macht den yogī yogī, der sich an einen einsamen Ort zurückgezogen hat,
fehlerlos. Die Veden bestätigen diese unvorstellbare Kraft um in vollendeter Weise zu meditieren, kann nicht so
des Herrn wie folgt: vollkommen sein wie ein Gottgeweihter, der sein Bestes
versucht, um jeden Menschen zum KŠa-Bewußtsein zu
eko 'pi san bahudhā yo 'vabhāti bringen.
aiśvaryād rūpam ekaˆ ca sūryavad bahudheyate
VERS 33
"ViŠu ist eins, und dennoch ist Er alldurchdringend. Durch
Seine unvorstellbare Kraft ist Er trotz Seiner einen Form arjuna uvāca
überall gegenwärtig. Wie die Sonne erscheint Er an vielen yo'yaˆ yogas tvayā proktaƒ
Orten gleichzeitig." sāmyena madhusūdana
etasyāhaˆ na paśyāmi
VERS 32 cañcalatvāt sthitiˆ sthirām

ātmaupamyena sarvatra arjunaƒ uvāca—Arjuna sagte; yaƒ—das System; ayam—


samaˆ paśyati yo'rjuna dieses; yogaƒ—Mystik; tvayā—von Dir; proktaƒ—
sukhaˆ vā yadi vā duƒkhaˆ beschrieben; sāmyena—im allgemeinen; madhusūdana—o
sa yogī paramo mataƒ Vernichter des Dämons Madhu; etasya—von diesem;
aham—Ich; na—nicht; paśyāmi—sehe; cañcalatvāt—weil
ātma—Selbst; aupamyena—durch Vergleich; sarvatra— er ruhelos ist; sthitim—Situation; sthirām—fest.
überall; samam—Gleichheit; paśyati—sieht; yaƒ—
derjenige, der; arjuna—o Arjuna; sukham—Glück; vā— ÜBERSETZUNG
oder; yadi—wenn; vā—oder; duƒkham—Leid; saƒ—solch
145

Arjuna sagte: O Madhusudana, das yoga-System, das Der Geist ist ruhelos, stürmisch, widerspenstig und sehr
Du zusammengefaßt hast, erscheint mir stark, o KŠa, und ihn zu bezwingen erscheint mir
undurchführbar und unerträglich, denn der Geist ist schwieriger, als den Wind zu beherrschen.
ruhelos und unstet.
ERLÄUTERUNG
ERLÄUTERUNG
Der Geist ist so stark und widerspenstig, daß er manchmal
Das System der Mystik, das Śrī KŠa Arjuna beschrieb, die Intelligenz überwältigt, obwohl er eigentlich der
angefangen mit den Worten śucau deśe bis zu den Worten Intelligenz untergeordnet sein sollte. Für einen Menschen
yogī paramaƒ, wird hier von Arjuna aus einem Gefühl der im Alltagsleben, der gegen so viele Widerstände zu
Unfähigkeit heraus abgelehnt. Im gegenwärtigen Zeitalter kämpfen hat, ist es zweifellos sehr schwierig, den Geist zu
des Kali ist es einem gewöhnlichen Menschen nicht beherrschen. Künstlich mag man zwar eine geistige
möglich, sein Heim zu verlassen und sich an einen Ausgeglichenheit gegenüber Freund und Feind entwickeln,
einsamen Ort in den Bergen oder im Dschungel doch letzten Endes ist dies keinem weltlichen Menschen
zurückzuziehen, um dort yoga zu praktizieren. Das möglich, da es schwieriger ist, als den stürmenden Wind zu
gegenwärtige Zeitalter ist durch einen erbitterten Kampf beherrschen. In den vedischen Schriften wird gesagt:
um ein kurzes Leben gekennzeichnet. Den Menschen ist es
nicht einmal mit Selbstverwirklichung durch einfache, ātmānaˆ rathinaˆ viddhi śarīraˆ ratham eva ca
praktische Mittel ernst, geschweige denn durch dieses buddhintu sārathiˆ viddhi manaƒ pragraham eva ca
schwierige yoga-System, das die Lebensgewohnheiten, die indriyāŠi hayānāhur viayāˆs teu gocarān
Art zu sitzen, die Lage des Ortes und die Loslösung des ātmendriya-mano-yukto bhoktety āhur manīiŠaƒ
Geistes von materiellen Betätigungen regelt. Obwohl
Arjuna viele hervorragende Fähigkeiten besaß, erschien es "Das Individuum ist der Reisende im Wagen des
ihm, als praktisch denkendem Menschen, unmöglich, materiellen Körpers, und die Intelligenz ist der Fahrer. Der
diesem yoga-System zu folgen. Er gehörte zur königlichen Geist ist der Zügel, und die Sinne sind die Pferde. Das
Familie und nahm dank zahlreicher guter Eigenschaften Selbst ist in Verbindung mit dem Geist und den Sinnen
eine hohe Stellung ein. Er war ein großer Krieger, er hatte entweder der Genießende oder der Leidende. So sehen es
ein langes Leben zu erwarten, und vor allem war er der die großen Denker."
vertrauteste Freund Śrī KŠas, der Höchsten Persönlichkeit Die Intelligenz sollte dem Geist eigentlich Anweisungen
Gottes. Vor fünftausend Jahren hatte Arjuna also viel geben, aber der Geist ist so stark und widerspenstig, daß er
bessere Voraussetzungen als wir heute, und dennoch die Intelligenz oft überwältigt. Da der Geist so stark ist,
weigerte er sich, dieses yoga-System zu akzeptieren. Ja, wir sollte er durch yoga beherrscht werden, doch wenn solcher
finden nirgendwo in der Geschichte einen Hinweis darauf, yoga für einen weltlichen Menschen wie Arjuna nicht
daß Arjuna dieses System jemals praktiziert hat. Deshalb praktisch ist, wie sollte er es dann für den modernen
muß man davon ausgehen, daß es im Zeitalter des Kali im Menschen sein? Der in diesem Vers gebrauchte Vergleich
allgemeinen unmöglich ist, nach diesem yoga-System zu ist sehr zutreffend: Man kann den Wind nicht einfangen.
leben. Natürlich mag es für einige sehr wenige, seltene Und noch schwieriger ist es, den stürmischen Geist zu
Menschen möglich sein, doch für die Masse der Menschen beherrschen. Der einfachste Weg, den Geist zu
ist es ein unmögliches Unterfangen. Wenn das vor fünftau- beherrschen, ist, wie von Śrī KŠa Caitanya empfohlen
send Jahren so war, wie soll es dann heute möglich sein? wurde, das demütige Chanten von Hare KŠa, dem großen
Diejenigen, die dieses yoga-System in verschiedenen mantra der Befreiung. Die vorgeschriebene Methode lautet:
sogenannten Schulen und Gesellschaften imitieren, sa vai manaƒ kŠa-padāravindayoƒ. Man muß seinen
verschwenden — obwohl sie mit sich selbst zufrieden sind Geist völlig in KŠa versenken. Nur dann wird es keine
— nur ihre Zeit. Sie befinden sich in völliger Unwissenheit, anderen Beschäftigungen geben, die den Geist aufwühlen
was das eigentliche Ziel anbelangt. können.

VERS 34 VERS 35

cañcalaˆ hi manaƒ kŠa śrī bhagavān uvāca


pramāthi balavad dham asaˆśayaˆ mahā-bāho
tasyāhaˆ nigrahaˆ manye mano durnigrahaˆ calam
vāyor iva sudukaram abhyāsena tu kaunteya
vairāgyeŠa ca ghyate
cañcalam—flackernd; hi—gewiß; manaƒ—Geist; kŠa—o
KŠa; pramāthi—erregend; balavat—stark; dham— śrī bhagavān uvāca—die Persönlichkeit Gottes sprach;
widerspenstig; tasya—sein; aham—ich; nigraham— asaˆśayam—unzweifelhaft; mahā—bāho—o Starkarmiger;
bezwingen; manye—denke; vāyoƒ—des Windes; iva—wie; manah—Geist; durnigraham—schwer zu bezwingen;
sudukaram—schwierig. calam—flackernd; abhyāsena—durch Praxis; tu—aber;
kaunteya—o Sohn Kuntīs; vairāgyeŠa—durch Loslösung;
ÜBERSETZUNG ca—auch; ghyate—kann so beherrscht werden.
146

ÜBERSETZUNG
ÜBERSETZUNG
Der Segenspendende Herr sprach: O starkarmiger Sohn
Kuntīs, es ist ohne Zweifel sehr schwierig, den ruhelosen Für einen Menschen mit ungezügeltem Geist ist
Geist zu zügeln, doch durch ständige Übung und durch Selbstverwirklichung ein schwieriges Unterfangen.
Loslösung ist es möglich. Demjenigen aber, dessen Geist beherrscht ist und der
sich mit rechten Mitteln bemüht, ist der Erfolg sicher.
ERLÄUTERUNG Das ist Meine Meinung.

Daß es schwierig ist, den widerspenstigen Geist zu ERLÄUTERUNG


bändigen, wird von der Persönlichkeit Gottes eingeräumt.
Gleichzeitig aber weist der Herr darauf hin, daß es durch Die Höchste Persönlichkeit Gottes erklärt, daß jemand, der
Praxis und Loslösung möglich ist. Worin besteht nun diese nicht die richtige Behandlung akzeptiert, den Geist von
Praxis? Im gegenwärtigen Zeitalter kann niemand solch materieller Betätigung zu lösen, schwerlich Erfolg in der
strenge Regeln und Regulierungen einhalten, wie sich an Selbstverwirklichung erreichen kann. Der Versuch, yoga zu
einem heiligen Ort niedersetzen, den Geist auf die praktizieren, während man gleichzeitig den Geist mit
Überseele richten, die Sinne und den Geist zügeln, im materiellem Genuß beschäftigt, ist mit dem Versuch zu
Zölibat leben, allein bleiben usw. Durch die Praxis des vergleichen, Feuer zu entzünden, während man Wasser
KŠa-Bewußtseins jedoch beschäftigt man sich in neun darauf gießt. In ähnlicher Weise ist auch yoga ohne
Arten des hingebungsvollen Dienstes für den Herrn. Die Beherrschung des Geistes nur Zeitverschwendung. Solch
erste und wichtigste solch hingebungsvoller Betätigungen eine yoga-Show mag zwar materiell gesehen
ist das Hören über KŠa. Das ist eine sehr mächtige gewinnbringend sein, doch ist sie nutzlos, was spirituelle
transzendentale Methode, den Geist von allem Schlechten Verwirklichung betrifft. Daher muß der Geist beherrscht
zu reinigen. Je mehr man über KŠa hört, desto mehr wird werden, indem man ihn ständig im transzendentalen
man erleuchtet und löst sich von allem, was den Geist von liebevollen Dienst des Herrn beschäftigt. Solange man nicht
KŠa fortzieht. Indem man den Geist von Tätigkeiten löst, im KŠa-Bewußtsein tätig ist, kann man den Geist nicht
die nicht dem Herrn geweiht sind, kann man sehr leicht auf lange Sicht beherrschen. Ein KŠa-bewußter Mensch
vairāgya erlernen. Vairāgya bedeutet Loslösung von der erreicht leicht das Ergebnis von yoga, ohne eine gesonderte
Materie und die Beschäftigung des Geistes auf der Anstrengung machen zu müssen; doch jemand, der yoga
spirituellen Ebene. Unpersönliche spirituelle Loslösung ist praktiziert, kann nicht erfolgreich sein, ohne KŠa-bewußt
schwieriger als die Anhaftung des Geistes an die Taten zu werden.
KŠas. Das ist praktisch, denn wenn man über KŠa hört,
entwickelt man von selbst Anhaftung an das Höchste VERS 37
Spirituelle Wesen. Diese Anhaftung nennt man
pareśānubhūti oder spirituelle Befriedigung. Sie gleicht arjuna uvāca
dem Gefühl der Befriedigung, das ein Hungriger bei jedem ayatiƒ śraddhayopeto
Bissen empfindet, den er zu sich nimmt. yogāc calita-mānasaƒ
In ähnlicher Weise empfindet man bei der Ausübung aprāpya yoga-saˆsiddhiˆ
hingebungsvollen Dienstes in dem Maße transzendentale kāˆ gatiˆ kŠa gacchati
Befriedigung, wie der Geist von materiellen Objekten ge-
löst wird. Es ist so, als heile man eine Krankheit durch arjunaƒ uvāca—Arjuna sagte; ayatiƒ—erfolgloser
fachkundige Behandlung und geeignete Diät. Über die Transzendentalist; śraddhayā—mit Glauben; upetaƒ—
transzendentalen Taten Śrī KŠas zu hören ist die fach- beschäftigt; yogāt—von der mystischen Verbindung; cali-
kundige Behandlung für den verrückten Geist, und ta—abgewichen; mānasaƒ—von jemandem mit solchem
Nahrung zu essen, die KŠa geopfert wurde, ist die Geist; aprāpya—scheiternd; yoga-sarnsiddhim—höchste
geeignete Diät für den leidenden Patienten. Diese Vollkommenheit in der Mystik; kām—welche; gatim—
Behandlung ist der Vorgang des KŠa-Bewußtseins. Bestimmung; kŠa—o KŠa; gacchati—erreicht.

VERS 36 ÜBERSETZUNG

asaˆyatātmanā yogo Arjuna sagte: Was ist das Schicksal eines Gläubigen,
duprāpa iti me matiƒ der nicht standhaft ist — der den Pfad der
vaśyātmanā tu yatatā Selbstverwirklichung zwar aufnimmt, doch ihn später
śakyo'vāptum upāyataƒ aufgrund seiner Weltzugewandtheit wieder verläßt und
daher die Vollkommenheit der Mystik nicht erreicht?
asaˆyata—ungezügelt; ātmanā—durch den Geist; yogaƒ—
Selbstverwirklichung; duprāpaƒ—schwer zu erreichen; ERLÄUTERUNG
iti—so; me—Meine; matiƒ—Meinung; vaśya—beherrscht;
ātmanā—durch den Geist; tu—aber; yatatā—während man Der Pfad der Selbstverwirklichung oder Mystik wird in der
sich bemüht; śakyaƒ—praktisch; avāptum—zu erreichen; Bhagavad-gītā beschrieben. Das Grundprinzip von
upāyataƒ—geeignete Mittel. Selbstverwirklichung ist die Erkenntnis, daß das
147

Lebewesen nicht der materielle Körper, sondern


verschieden davon ist und daß sein Glück in ewigem ERLÄUTERUNG
Leben, ewiger Glückseligkeit und ewigem Wissen liegt, das
heißt auf der transzendentalen Ebene, jenseits von Körper Es gibt zwei Wege, Fortschritt zu machen. Diejenigen, die
und Geist. Nach Selbstverwirklichung sucht man durch den Materialisten sind, haben kein Interesse an der
Pfad der Erkenntnis, durch das achtfache yoga-System oder Transzendenz; deshalb sind sie mehr daran interessiert,
durch bhakti-yoga. Bei jedem dieser Vorgänge muß man durch wirtschaftliche Entwicklung materiellen Fortschritt
die wesensgemäße Stellung des Lebewesens erkennen, zu machen oder durch geeignete Werke zu höheren
seine Beziehung zu Gott und die Tätigkeiten, durch die Planeten erhoben zu werden. Wenn man den Pfad der
man die verlorene Verbindung wiederherstellen und die am Transzendenz beschreiten will, muß man mit allen
höchsten vervollkommnete Stufe des KŠa-Bewußtseins materiellen Tätigkeiten aufhören und auf alle Arten
erreichen kann. Wenn man einer der obenerwähnten drei sogenannten materiellen Glücks verzichten. Wenn der
Methoden folgt, ist es sicher, daß man früher oder später strebende Transzendentalist scheitert, sind ihm
das höchste Ziel erreicht. Dies wurde vom Herrn im offensichtlich beide Wege versperrt; mit anderen Worten,
Zweiten Kapitel versichert: Schon eine kleine Bemühung er kann weder materielles Glück noch spirituellen Erfolg
auf dem transzendentslen Pfad bietet die Aussicht auf genießen. Er steht nirgendwo; er gleicht einer zerrissenen
Befreiung. Von diesen drei Methoden ist der Pfad des Wolke. Eine Wolke löst sich manchmal von einer kleinen
bhakti-yoga für dieses Zeitalter besonders geeignet, da er Wolke und verbindet sich mit einer großen. Doch wenn sie
die unmittelbarste Methode der Gotteserkenntnis ist. Um sich nicht mit einer großen verbinden kann, wird sie vom
doppelt sicher zu gehen, bittet Arjuna Śrī KŠa, Seine Wind fortgeblasen und verliert sich am weiten Himmel.
frühere Aussage noch einmal zu bestätigen. Man mag zwar Der brahmaŠaƒ pathi ist ein Pfad transzendentaler
den Pfad der Selbstverwirklichung aufrichtig beschreiten, Verwirklichung durch die Erkenntnis, daß man in der
doch ist es in diesem Zeitalter im allgemeinen sehr Essenz spirituell und ein winziger Bestandteil des Höchsten
schwierig, Wissen zu kultivieren oder das achtfache ist, der als Brahman, Paramātmā und Bhagavān manifestiert
yoga-System zu praktizieren. ist. Śrī KŠa ist die vollständige Manifestation der
Deshalb mag man, trotz ständiger Bemühung, aus vielen Höchsten Absoluten Wahrheit, und deshalb ist jemand, der
Gründen scheitern. Als erstes mag man dem Vorgang nicht der Höchsten Person ergeben ist, ein erfolgreicher
folgen. Dem transzendentalen Pfad zu folgen bedeutet mehr Transzendentalist. Um dieses Ziel des Lebens durch
oder weniger, der illusionierenden Energie den Krieg zu Brahman- und Paramātmā-Erkenntnis zu erreichen, sind
erklären. Wann immer daher jemand versucht, den Klauen viele, viele Geburten notwendig: bahūnāˆ janmanām ante
der illusionierenden Energie zu entkommen, versucht diese, (Bg. 7.19). Deshalb ist bhakti-yoga oder KŠa-Bewußtsein
ihn durch vielfache Verlockungen zu Fall zu bringen. Eine die höchste transzendentale Verwirklichung — es ist die
bedingte Seele ist durch die Erscheinungsweisen der direkte Methode.
materiellen Energie bereits betört und es besteht, selbst
wenn man transzendentale Tätigkeiten ausführt, jederzeit VERS 39
die Möglichkeit, erneut bezaubert zu werden. Das nennt
man yogāt calita-mānasaƒ oder Abweichung vom etan me saˆśayaˆ kŠa
transzendentalen Pfad. Arjuna fragt nach den Folgen, die chettum arhasy aśeataƒ
entstehen, wenn man vom Pfad der Selbstverwirklichung tvad-anyaƒ saˆśayasyāsya
abweicht. chettā na hy upapadyate

VERS 38 etat—das ist; me—mein; saˆśayam—Zweifel; kŠa—o


KŠa; chettum—zu vertreiben; arhasi—gebeten zu tun;
kaccin nobhaya-vibhra˜aś aśeataƒ—vollständig; tvat—Dich; anyaƒ—ohne;
chinnābhram iva naśyati saˆśayāsya—des Zweifels; asya—davon; chettā—
aprati˜ho mahā-bāho Vernichter; na—niemals; hi—gewiß; upapadyate—ist zu
vimūho brahmaŠaƒ pathi finden.

kaccit—ob; na—nicht; ubhaya—beides; vibhra˜aƒ— ÜBERSETZUNG


abgewichen von; chinna—gefallen; abhram—Wolke; iva—
verglichen mit; naśyati—vergeht; aprati˜haƒ—ohne Das ist mein Zweifel, o KŠa, und ich bitte Dich, ihn
irgendeine Stellung; mahā—bāho—o starkarmiger KŠa; völlig zu beseitigen. Außer Dir gibt es niemanden, der
vimūdƒaƒ—verwirrt; brahmaŠaƒ—der Transzendenz; diesen Zweifel zerstören kann.
pathi-auf dem Pfad.
ERLÄUTERUNG
ÜBERSETZUNG
KŠa hat vollkommenes Wissen von Vergangenheit,
O starkarmiger KŠa, vergeht ein solcher Mensch, der Gegenwart und Zukunft. Am Anfang der Bhagavad-gītā
vom Pfad der Transzendenz abgewichen ist, nicht wie sagte der Herr, daß alle Lebewesen in der Vergangenheit
eine zerrissene Wolke — ohne Halt in irgendeiner als Individuen existierten, daß sie jetzt in der Gegenwart
Sphäre? existieren und daß sie ihre individuelle Identität auch in der
148

Zukunft — selbst nach der Befreiung aus der materiellen einwenden, daß man durch KŠa-Bewußtsein die höchste
Verstrickung — behalten würden. Der Herr hat also die Vollkommenheit nur erreichen könne, wenn man es
Frage nach der Zukunft des individuellen Lebewesens vollende, daß man aber sowohl in materieller als auch in
bereits geklärt. Jetzt möchte Arjuna wissen, wie die spiritueller Hinsicht verliere, wenn man diese Stufe nicht
Zukunft für den erfolglosen Transzendentalisten aussieht. erreiche. In den Schriften heißt es, daß man die Reaktionen
Niemand kommt KŠa gleich oder übertrifft Ihn, und auch erleiden müsse, wenn man seine vorgeschriebenen
die sogenannten Weisen und Philosophen, die von der Pflichten nicht erfülle; wer es daher versäume,
Barmherzigkeit der materiellen Natur abhängen, können transzendentale Tätigkeiten in rechter Weise auszuführen,
Ihm gewiß nicht gleichkommen. Deshalb sind KŠas sei diesen Reaktionen ausgesetzt. Das Bhāgavatam
Worte die endgültige und vollständige Antwort auf alle versichert dem erfolglosen Transzendentalisten, daß er
Zweifel, denn Er kennt Vergangenheit, Gegenwart und nichts zu befürchten hat. Selbst wenn er den Reaktionen
Zukunft vollkommen — doch niemand kennt Ihn. Nur ausgesetzt sein mag, die auf unvollkommen ausgeführte
KŠa und KŠa-bewußte Gottgeweihte können wissen, vorgeschriebene Pflichten folgen, ist er dennoch kein
was was ist. Verlierer, denn das glückspendende KŠa-Bewußtsein ist
niemals vergessen, und jemand, der einmal in dieser Weise
VERS 40 tätig war, wird damit fortfahren, selbst wenn er im nächsten
Leben in einer niedrigen Familie geboren wird. Wer aber,
śrī bhagavān uvāca auf der anderen Seite, nur streng den vorgeschriebenen
pārtha naiveha nāmutra Pflichten folgt, braucht nicht unbedingt glückbringende
vināśas tasya vidyate Ergebnisse zu erreichen, wenn es ihm an KŠa-Bewußtsein
na hi kalyāŠa-kt kaścid mangelt.
durgatiˆ tāta gacchati Die Bedeutung mag wie folgt verstanden werden: Die
Menschen können in zwei Gruppen unterteilt werden,
śrī bhagavān uvāca—die Höchste Persönlichkeit Gottes nämlich die regulierten und die unregulierten. Diejenigen,
sagte; pārtha—o Sohn Pthās; na eva—niemals ist es so; die nur, wie die Tiere, ihre Sinne befriedigen, ohne von
iha—in dieser materiellen Welt; na—niemals; amutra—im ihrem nächsten Leben und spiritueller Erlösung zu wissen,
nächsten Leben; vināśaƒ—Zerstörung; tasya—seine; gehören zu den unregulierten Menschen. Im Gegensatz
vidyate—existiert; na—niemals; hi—gewiß; kalyāŠa-kt— dazu werden diejenigen, die den Prinzipien der in den
jemand, der glückbringenden Tätigkeiten nachgeht; Schriften vorgeschriebenen Pflichten folgen, zu den
kaścit—irgend jemand; durgatim—Erniedrigung; tāta— regulierten Menschen gezählt. Die unregulierten Menschen
danach; gacchati—gehend. — zivilisierte und unzivilisierte, gebildete und ungebildete,
starke und schwache — sind voller tierischer Neigungen.
ÜBERSETZUNG Ihre Tätigkeiten sind niemals glückbringend, denn weil sie
die tierischen Neigungen, wie Essen, Schlafen,
Der Segenspendende Herr sprach: O Sohn Pthās, ein Sichverteidigen und Sexualität, genießen, bleiben sie
Transzendentalist, der glückbringenden Tätigkeiten fortwährend im materiellen Dasein, das immer leidvoll ist.
nachgeht, wird weder in dieser noch in der spirituellen Auf der anderen Seite machen diejenigen, die durch die
Welt vergehen; wer Gutes tut, Mein Freund, wird Unterweisungen der Schriften reguliert sind und sich auf
niemals vom Schlechten besiegt. diese Weise allmählich zum KŠa-Bewußtsein erheben,
Fortschritte im Leben.
ERLÄUTERUNG Diejenigen, die dem glückverheißenden Pfad folgen,
können in drei Gruppen gegliedert werden: 1) diejenigen,
Im Śrīmad-Bhāgavatam (1.5.17) gibt Śrī Nārada Muni die den Regeln und Regulierungen der Schriften folgen und
seinem Schüler Śrīla Vyāsadeva folgende Unterweisung: daher materiellen Wohlstand genießen, 2) diejenigen, die
die endgültige Befreiung vom materiellen Dasein suchen
tyaktvā sva-dharmaˆ caraŠāmbujaˆ harer und 3) diejenigen, die Geweihte im KŠa-Bewußtsein sind.
bhajann apakko'tha patet tato yadi Diejenigen, die den Regeln und Regulierungen der
yatra kva vābhadram abhūd amuya kiˆ Schriften folgen, um materielles Glück zu erlangen, können
ko vārtha āpto'bhajatāˆ sva-dharmataƒ weiter in zwei Gruppen eingeteilt werden: in die
fruchtbringenden Arbeiter und diejenigen, die nach keiner
"Wenn jemand alle materiellen Erwartungen aufgibt und Frucht für Sinnenbefriedigung begehren. Jene Menschen,
völlige Zuflucht sucht bei der Höchsten Persönlichkeit die nach fruchtbringenden Ergebnissen für
Gottes, gibt es für ihn weder Verlust noch Erniedrigung. Sinnenbefriedigung streben, mögen zu einer höheren
Auf der anderen Seite mag ein Nichtgottgeweihter seinen Lebensstufe — selbst zu höheren Planeten — erhoben
tätigkeitsgemäßen Pflichten voll nachkommen und dennoch werden, aber dennoch folgen sie, weil sie vom materiellen
nichts gewinnen." Dasein nicht frei sind, nicht dem wahrhaft glückbringenden
Es gibt viele Tätigkeiten, die sowohl von den Schriften als Pfad. Die einzig glückbringenden Tätigkeiten sind solche,
auch von der Tradition vorgeschrieben werden, doch ein die einen zur Befreiung führen. Jede Tätigkeit, die nicht auf
Transzendentalist sollte alle materiellen Tätigkeiten endgültige Selbstverwirklichung oder Befreiung von der
aufgeben, um spirituellen Fortschritt im Leben zu machen, materiellen, körperlichen Auffassung vom Leben hinzielt,
das heißt um KŠa-Bewußtsein zu entwickeln. Man mag ist in keiner Weise glückbringend. Tätigkeit im
149

KŠa-Bewußtsein ist die einzige glückbringende Tätigkeit, etaddhi durlabhataraˆ


und jeder, der freiwillig alle körperlichen loke janma yad īdśam
Unbequemlichkeiten auf sich nimmt, um auf dem Pfad des
KŠa-Bewußtseins fortzuschreiten, kann als vollkommener athavā—oder; yoginām—gelehrter Transzendentalisten;
Transzendentalist unter schwerer tapasya bezeichnet eva-zweifellos; kule—in der Familie von; bhavati—wird
werden. Und weil das achtfache yoga-System auf die geboren; dhīmatām—von denen, die mit großer Weisheit
endgültige Verwirklichung des KŠa-Bewußtseins gesegnet sind; etat—dieses; hi—gewiß; durlabhataram—
gerichtet ist, ist solche Praxis ebenfalls glückbringend, und sehr selten; loke—in dieser Welt; janma—Geburt; yat—
niemand, der dabei sein Bestes versucht, muß Erniedrigung das, was; īdśam—wie dieses.
befürchten.
ÜBERSETZUNG
VERS 41
Oder er wird in einer Familie von Transzendentalisten
prāpya puŠya-ktāˆ lokān geboren, die gewiß von großer Weisheit sind. Wahrlich,
uitvā śāśvatīƒ samāƒ solch eine Geburt ist sehr selten in dieser Welt.
śucīnāˆ śrīmatām gehe
yoga-bhra˜o'bhijāyate ERLÄUTERUNG

prāpya—nachdem er erreicht hat; puŠya-ktām—von Die Geburt in einer Familie von yogīs oder
denen, die fromme Werke ausführten; lokān—Planeten; Transzendentalisten — die mit großer Weisheit begabt sind
uitvā—nachdem er gelebt hat; śāśvatīƒ—viele; samāƒ— — wird hier gepriesen, weil das Kind, das in einer solchen
Jahre; śucīnām—von den Frommen; śrīmatām—von den Familie geboren wird, gleich vom Beginn seines Lebens an
Reichen; gehe—im Hause von; yoga-bhra˜aƒ—jemand, spirituellen Antrieb bekommt. Das ist besonders bei den
der vom Pfad der Selbstverwirklichung abgekommen ist; ācārya- oder gosvāmī-Familien der Fall. Solche Familien
abhijāyate—wird geboren. sind durch Tradition und Übung sehr gelehrt und
hingegeben, und so werden sie spirituelle Meister. In Indien
ÜBERSETZUNG gibt es viele solche ācārya-Familien, doch aufgrund
unzureichender Bildung und Übung sind sie heute
Nach vielen, vielen Jahren des Genusses auf den degeneriert. Durch die Gnade des Herrn gibt es jedoch
Planeten der frommen Lebewesen wird der gescheiterte immer noch Familien, die Generation für Generation
yogī in einer Familie rechtschaffener Menschen oder in Transzendentalisten hervorbringen. Es ist zweifellos ein
einer reichen, aristokratischen Familie geboren. großes Glück, in solchen Familien geboren zu werden.
Glücklicherweise hatten sowohl unser spiritueller Meister,
ERLÄUTERUNG Om ViŠupāda Śrī Śrīmad Bhaktisiddhānta Sarasvatī
Gosvāmī Mahārāja, als auch unsere Wenigkeit durch die
Die gescheiterten yogīs werden in zwei Gruppen unterteilt: Gnade des Herrn die Gelegenheit, in solchen Familien
der eine ist nach sehr geringem Fortschritt zu Fall geboren zu werden, und beide wurden wir von
gekommen, und der andere ist gefallen, nachdem er lange Kindesbeinen an im hingebungsvollen Dienst des Herrn
Zeit yoga praktiziert hat. Der yogī, der nach einer kurzen geschult. Später trafen wir uns auf Anordnung des
Zeit des Praktizierens fällt, geht zu den höheren Planeten, Höchsten.
zu denen fromme Lebewesen Zutritt haben. Nachdem er
dort ein langes Leben verbracht hat, wird er wieder zur VERS 43
Erde zurückgeschickt, um in der Familie eines
rechtschaffenen brāhmaŠa, VaiŠava oder in der Familie tatra taˆ buddhi-saˆyogaˆ
aristokratischer Kaufleute geboren zu werden. labhate paurva-dehikam
Das wirkliche Ziel des yoga besteht darin, die höchste yatate ca tato bhūyaƒ
Vollkommenheit des KŠa-Bewußtseins zu erlangen. Aber saˆsiddhau kuru-nandana
denen, die nicht durchhalten und aufgrund materieller
Verlockungen scheitern, ist es durch die Gnade des Herrn tatra—darauf; tam—dieses; buddhi-saˆyogam—
erlaubt, vollen Gebrauch von ihren materiellen Neigungen Wiederbelebung solchen Bewußtseins; labhate—
zu machen. Und danach wird ihnen die Möglichkeit wiedergewinnt; paurva—vorheriges; dehikam—
gegeben, ein wohlhabendes Leben in einer rechtschaffenen körperliches Bewußtsein; yatate—bemüht sich; ca—auch;
oder aristokratischen Familie zu führen. Diejenigen, die in tataƒ—danach; bhūyaƒ—wieder; saˆsiddhau—um
solchen Familien geboren werden, können die Möglichkeit Vollkommenheit; kuru-nandana—o Sohn Kurus.
nutzen und versuchen, sich zur Stufe vollkommenen KŠa-
Bewußtseins zu erheben. ÜBERSETZUNG

VERS 42 O Sohn Kurus, wenn er in einer solchen Familie


geboren wird, erweckt er das göttliche Bewußtsein
athavā yoginām eva seines vorheriges Lebens wieder und versucht, weiteren
kule bhavati dhīmatām
150

Fortschritt zu machen, um vollständigen Erfolg zu


erreichen. "O mein Herr! Menschen, die die Heiligen Namen Deiner
Herrschaft chanten, sind im spirituellen Leben weit, weit
ERLÄUTERUNG fortgeschritten — selbst wenn sie in Familien von
Hundeessern geboren wurden. Solche Chanter haben
König Bharata, der bei seiner dritten Geburt in der Familie zweifellos alle möglichen Arten von tapasya und Opfern
eines guten brāhmaŠa geboren wurde, ist ein Beispiel guter auf sich genommen, an allen heiligen Orten gebadet und
Geburt, um früheres transzendentales Bewußtsein das Studium aller Schriften abgeschlossen."
wiederzubeleben. König Bharata war der Kaiser der Welt, Das berühmte Beispiel hierfür gab Śrī KŠa Caitanya, der
und seit seiner Zeit ist dieser Planet unter den Halbgöttern µhākura Haridāsa als einen Seiner wichtigsten Schüler
als Bhāratavarsa bekannt. Früher war er als Ilāvartavara annahm. Obwohl µhākura Haridāsa in einer
bekannt. Der Kaiser zog sich schon in jungen Jahren Moslem-Familie geboren war, wurde er von Śrī KŠa
zurück, um spirituelle Vollkommenheit zu erlangen, hatte Caitanya zum nāmācārya erhoben, da er streng den
jedoch keinen Erfolg. In seinem nächsten Leben wurde er Grundsatz einhielt, jeden Tag dreihunderttausend Heilige
in der Familie eines guten brāhmaŠa geboren, und weil er Namen des Herrn zu chanten: Hare KŠa, Hare KŠa,
sich immer absonderte und mit niemandem sprach, war er KŠa KŠa, Hare Hare/ Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma
als Jaa Bharata bekannt. Später entdeckte König Rāma, Hare Hare. Und weil er den Heiligen Namen des
RahūgaŠa, daß er der größte Transzendentalist war. An Herrn ständig chantete, kann man folgern, daß er in seinem
seinem Leben wird deutlich, daß transzendentale vorangegangenen Leben alle rituellen Methoden der Veden,
Bemühungen oder das Praktizieren von yoga niemals die als śabda-brahma bekannt sind, praktiziert haben
vergebens ist. Durch die Gnade des Herrn bekommt der mußte. Solange man daher nicht geläutert ist, kann man
Transzendentalist wiederholte Gelegenheiten, die höchste sich weder dem Prinzip des KŠa-Bewußtseins zuwenden
Vollkommenheit im KŠa-Bewußtsein zu erreichen. noch dem Chanten des Heiligen Namens des Herrn, Hare
KŠa.
VERS 44
VERS 45
pūrvābhyāsena tenaiva
hriyate hy avaśo'pi saƒ prayatnād yatamānas tu
jijñāsur api yogasya yogī saˆśuddha-kilbiaƒ
śabda-brahmātivartate aneka-janma-saˆsiddhas
tato yāti parāˆ gatim
pūrva—frühere; abhyāsena—Praxis; tena—den Einfluß
dieser; eva—gewiß; hriyate—ist angezogen; hi—sicherlich; prayatnāt—durch strenge Praxis; yatamānaƒ—jemand, der
avaśaƒ—hilflos; api—auch; saƒ—er; jijñāsuƒ—gewillt zu sich bemüht; tu—aber; yogī—solch ein Transzendentalist;
wissen; api—so; yogasya—von yoga; śabda-brahma— saˆśuddha—reingewaschen; kilbiaƒ—von allen Arten von
rituelle Prinzipien der Schriften; ativartate—überschreitet. Sünden; aneka—viele, viele; janma—Geburten;
saˆsiddhaƒ—so erreichte Vollkommenheit; tataƒ—danach;
ÜBERSETZUNG yāti—erreicht; parām—höchste; gatim—Bestimmung.

Kraft des göttlichen Bewußtseins seines vorherigen ÜBERSETZUNG


Lebens fühlt er sich von selbst — sogar ohne danach zu
streben — zu den Prinzipien des yoga hingezogen. Ein Wenn sich der yogī jedoch ernsthaft bemüht, weiteren
solcher wißbegieriger Transzendentalist, der sich um Fortschritt zu machen, und von allen Verunreinigungen
yoga bemüht, steht immer über den rituellen Prinzipien reingewaschen ist, erreicht er schlieBlich, nach vielen,
der Schriften. vielen Geburten der Vorbereitung, das höchste Ziel.

ERLÄUTERUNG ERLÄUTERUNG

Fortgeschrittene yogīs verspüren keine große Anziehung zu Jemand, der in einer besonders rechtschaffenen,
den Ritualen der Schriften, doch fühlen sie sich von selbst aristokratischen oder geheiligten Familie geboren ist, wird
zu den Prinzipien des yoga hingezogen, die sie zu sich der günstigen Lage bewußt, in der er sich befindet, um
vollkommenem KŠa-Bewußtsein, der höchsten yoga zu praktizieren. Mit Entschlossenheit widmet er sich
Vollkommenheit des yoga, erheben können. Im Śrīmad daher wieder der unbeendeten Aufgabe und reinigt sich auf
Bhāgavatam (3.33.7) wird solche Gleichgültigkeit diese Weise vollständig von allen materiellen
fortgeschrittener Transzendentalisten vedischen Ritualen Verunreinigungen. Wenn er schließlich frei ist von allen
gegenüber wie folgt erklärt: Unreinheiten, erreicht er die höchste Vollkommenheit —
KŠa-Bewußtsein. KŠa-Bewußtsein ist die vollkommene
aho bata śvapaco 'to garīyān Stufe, auf der man von allen Verunreinigungen frei ist. Das
yajjihvāgre vartate nāma tubhyam wird in der Bhagavad-gītā (7.28) bestätigt:
tepus tapas te juhuvuƒ sasnur āryā
brahmānūcur nāma gŠanti ye te yeāˆ tvanta-gataˆ pāpaˆ
151

janānāˆ puŠya-karmaŠām sa me yuktatamo mataƒ


te dvandva-moha-nirmuktā
bhajante māˆ dha-vratāƒ yoginām—von allen yogīs; api—auch; sarveām—alle
Arten von; mat-gatena—in Mir weilend; antaƒ-ātmanā—
"Wenn man nach vielen, vielen Leben, in denen man immer an Mich im Innern denkend; śraddhāvān—in
fromme Werke getan hat, von allen Verunreinigungen und vollkommenem Glauben; bhajate—leistet transzendentalen
illusionierenden Dualitäten völlig frei ist, wird man im liebevollen Dienst; yaƒ—jemand, der; mām—Mich (den
transzendentalen liebevollen Dienst des Herrn beschäftigt." Höchsten Herrn); saƒ—er; me—Mein; yuktatamaƒ—der
größte yogī; mataƒ—wird angesehen.
VERS 46
ÜBERSETZUNG
tapasvibhyo'dhiko yogī
jñānibhyo’pi mato'dhikaƒ Von allen yogīs ist der am engsten mit Mir in yoga
karmibhyaś cādhiko yogī vereint, der mit starkem Glauben immer in Mir weilt
tasmād yogī bhavārjuna und Mich im transzendentalen liebevollen Dienst
verehrt, und er ist der höchste von allen.
tapasvibhyaƒ—als der Asket; adhikaƒ—größer; yogī—der
yogī; jñānibhyaƒ—als der Weise; api—auch; mataƒ— ERLÄUTERUNG
angesehen; adhikaƒ—größer als; karmibhyaƒ—als der
fruchtbringende Arbeiter; ca—auch; adhikaƒ—größer als; Das Wort bhajate ist hier von Bedeutung. Bhajate hat seine
yogī—der yogī; tasmāt—deshalb; yogī—ein Wurzel in dem Verb bhaj, das verwendet wird, wenn
Transzendentalist; bhava—werde nur; arjuna—o Arjuna. Dienst gemeint ist. Das Wort "verehren" kann nicht im
gleichen Sinn wie bhaja gebraucht werden. Verehren
ÜBERSETZUNG bedeutet bewundern oder einem, der es Wert ist, Achtung
und Ehre zu erweisen. Aber Dienst mit Liebe und Glauben
Ein yogī ist größer als der Asket, größer als der ist besonders für die Höchste Persönlichkeit Gottes
Empiriker und größer als der fruchtbringende Arbeiter. bestimmt. Man kann es vermeiden, einen achtbaren Mann
Deshalb, o Arjuna, sei unter allen Umständen ein yogī. oder einen Halbgott zu verehren, und mag als unhöflich
bezeichnet werden, aber man kann den Dienst für den
ERLÄUTERUNG Höchsten Herrn nicht vermeiden, ohne mit Nachdruck
verdammt zu sein. Jedes Lebewesen ist ein winziges
Wenn wir von yoga sprechen, so meinen wir damit den Bestandteil der Höchsten Persönlichkeit Gottes, und daher
Vorgang, durch den unser Bewußtsein mit der Höchsten ist jedes Lebewesen dafür bestimmt, dem Höchsten Herrn
Absoluten Wahrheit verbunden wird. Ein solcher Vorgang seiner Veranlagung gemäß zu dienen. Wenn das
wird von verschiedenen Menschen, die ihn ausführen, Lebewesen dies unterläßt, fällt es ins materielle Dasein
entsprechend der Methode, die sie angenommen haben, herunter. Das Bhāgavatam bestätigt dies wie folgt:
unterschiedlich benannt. Wenn der Verbindungsvorgang
vorwiegend aus fruchtbringenden Tätigkeiten besteht, wird ya eāˆ puruaˆ sākād
er karma-yoga genannt; ist er vorwiegend empirisch, nennt ātma-prabhavam īśvaram
man ihn jñāna-yoga, und wenn er vorwiegend in einer na bhajanty avajānanti
hingebungsvollen Beziehung zum Höchsten Herrn besteht, sthānād bhra˜ā patanty adhaƒ
wird er als bhakti-yoga bezeichnet. Bhakti-yoga bzw.
KŠa-Bewußtsein ist die höchste Vollkommenheit aller "Jeder, der keinen Dienst leistet und seine Pflicht
yogas, wie im nächsten Vers erklärt werden wird. Der Herr gegenüber dem Urersten Herrn, der die Quelle aller
hat hier zwar die Überlegenheit des yoga erklärt, aber Er Lebewesen ist, vernachlässigt, wird mit Sicherheit von
hat nicht gesagt, daß es besser sei als bhakti-yoga. seiner wesensgemäßen Stellung fallen."
Bhakti-yoga ist vollkommenes spirituelles Wissen und kann In diesem Vers wird das Wort bhajanti ebenfalls gebraucht.
daher von nichts übertroffen werden. Askese ohne Folglich ist das Wort bhajanti nur auf den Höchsten Herrn
Selbsterkenntnis ist unvollkommen; empirisches Wissen zutreffend, wohingegen das Wort "verehren" bei
ohne Hingabe an den Höchsten Herrn ist ebenfalls Halbgöttern oder auch bei anderen gewöhnlichen
unvollkommen, und fruchtbringende Arbeit ohne Lebewesen verwendet werden kann. Das Wort avajānanti,
KŠa-Bewußtsein ist Zeitverschwendung. Die am höchsten das in diesem Vers des ŚrīmadBhāgavatams vorkommt,
gepriesene Form der yoga-Praxis, die hier erwähnt wird, ist findet man auch in der Bhagavad-gītā: avajānanti māˆ
bhakti-yoga, und dies wird noch deutlicher im nächsten mūhāƒ: "Nur die Toren und Halunken verspotten die
Vers erklärt. Höchste Persönlichkeit Gottes Śrī KŠa." Solche Toren
maßen sich an, Kommentare zur Bhagavad-gītā zu
VERS 47 schreiben, ohne dem Herrn gegenüber eine dienende
Haltung einzunehmen. Folglich können sie zwischen dem
yoginām api sarveām Wort bhajanti und dem Wort "verehren" nicht richtig un-
mad-gatenāntarātmanā terscheiden.
śraddhāvān bhajate yo māˆ
152

Alle Arten von yoga-Praktiken gipfeln in bhakti-yoga. Alle Bhaktir asya bhajanaˆ tadihāmutropādhi
anderen yogas sind nichts weiter als Mittel, um zum Punkt nairāsyenāmumin manaƒ kalpanam; etad eva
der bhakti im bhakti-yoga zu kommen. Yoga bedeutet naikarmyam. "Bhakti bedeutet hingebungsvoller Dienst für
eigentlich bhakti-yoga. Alle anderen yogas sind Schritte auf den Herrn, frei von dem Wunsch nach materiellem Gewinn,
dem Weg zum Ziel des bhakti-yoga. Vom Beginn des sowohl in diesem als auch im nächsten Leben. Frei von
karma-yoga bis zum Ende des bhakti-yoga ist es ein langer solchen Neigungen, sollte man den Geist völlig in den
Weg der Selbstverwirklichung. Karma-yoga, ohne Höchsten versenken. Das ist der Zweck von naikarmya."
fruchtbringende Ergebnisse, ist der Anfang dieses Pfades. Dies sind einige der Mittel, um bhakti (KŠa-Bewußtsein),
Wenn karma-yoga an Wissen und Entsagung zunimmt, die am höchsten vervollkommnete Stufe des yoga-Systems,
nennt man diese Stufe jñāna-yoga. Wenn sich jñāna-yoga zu praktizieren.
zur Meditaion über die Überseele durch verschiedene
körperliche Vorgänge steigert und der Geist auf die Hiermit enden die Bhaktivedanta-Erläuterungen zum
Überseele gerichtet ist, wird dies a˜ā‰ga-yoga genannt. Sechsten Kapitel der Śrīmad-Bhagavad-gītā mit dem Titel:
Und wenn man über a˜ā‰ga-yoga hinausgeht und zum "Dhyāna-yoga".
Punkt der Höchsten Persönlichkeit Gottes gelangt, wird
dies als bhakti-yoga oder der Gipfel bezeichnet. Tatsächlich
ist bhakti-yoga das endgültige Ziel, doch um bhakti-yoga
genau zu analysieren, muß man diese anderen yogas
verstehen. Der yogī, der Fortschritte macht, befindet sich
daher auf dem wahren Pfad des ewigen Glücks. Wer an
einem bestimmten Punkt stehen bleibt und nicht weiter
fortschreitet, wird dementsprechend karma-yogī,
jñāna-yogī oder dhyāna-yogī, rāja-yogī, ha˜ha-yogī usw.
genannt. Wenn jemand das Glück hat, zu bhakti-yoga zu
kommen, kann man verstehen, daß er alle anderen yogas
hinter sich gelassen hat. KŠa-bewußt zu werden ist daher
die höchste Stufe des yoga, geradeso, wie in bezug auf die
Himalayas, das höchste Gebirge der Welt, der Mount
Everest als der höchste Gipfel angesehen wird.
Durch großes Glück gelangt man auf dem Pfad des
bhakti-yoga zum KŠa-Bewußtsein, um der vedischen
Weisung gemäß eine gute Stellung einzunehmen. Der
ideale yogī richtet seine Aufmerksamkeit auf KŠa, der
Śyāmasundara genannt wird, der so schön gefärbt ist wie
eine Wolke, dessen lotosgleiches Antlitz wie die Sonne
strahlt, dessen Gewand von Juwelen funkelt und dessen
Körper mit Blumen bekränzt ist. Seine prachtvolle
Ausstrahlung, brahmajyoti genannt, erleuchtet alle
Himmelsrichtungen. Er inkarniert Sich in verschiedenen
Formen, wie Rāma, Nsiˆha, Varāha und KŠa, die
Höchste Persönlichkeit Gottes, und Er kommt zu uns wie
ein menschliches Wesen, als der Sohn Mutter Yaśodās, und
ist als KŠa, Govinda und Vāsudeva bekannt. Er ist das
vollkommene Kind, der vollkommene Ehemann, der
vollkommene Freund und Meister, und Er birgt alle
Reichtümer und alle transzendentalen Eigenschaften in
Sich. Wenn man sich dieser Merkmale des Herrn voll
bewußt bleibt, wird man als der höchste yogī bezeichnet.
Wie in allen vedischen Schriften bestätigt wird, kann diese
Stufe höchster Vollkommenheit im yoga nur durch
bhakti-yoga erreicht werden:

yasya deve parā bhaktir


yathā deve tathā gurau
tasyaite kathitā hy arthāƒ
prakāśante mahātmanaƒ

"Nur jenen großen Seelen, die uneingeschränkten Glauben


an den Herrn und den spirituellen Meister haben, wird die
ganze Bedeutung des vedischen Wissens von selbst
offenbart."
153

SIEBTES KAPITEL Vollkommenheit erkennen — die Absolute Wahrheit, die


Lebewesen, die materielle Natur und ihre Manifestationen
mit allem, was dazugehört.
Wissen vom Absoluten Man sollte daher beginnen, yoga so zu praktizieren, wie es
im letzten Vers des Sechsten Kapitels angeordnet wird. Den
VERS 1 Geist auf KŠa, den Höchsten, zu richten, wird durch
vorgeschriebenen hingebungsvollen Dienst in neun
śrī bhagavān uvāca verschiedenen Formen ermöglicht, von denen śravaŠam
mayy āsakta-manāƒ pārtha der erste und wichtigste Vorgang ist. Der Herr sagt deshalb
yogaˆ yuñjan mad-āśrayaƒ zu Arjuna "tat śŠu" oder "Höre von Mir". Niemand kann
asaˆśayaˆ samagraˆ māˆ eine größere Autorität sein als KŠa, und daher hat man
yathā jñāsyasi tac chŠu die beste Möglichkeit, im KŠa-Bewußtsein
fortzuschreiten, wenn man von Ihm hört. Man muß daher
śrī bhagavān uvāca—der Höchste Herr sprach; mayi—an von KŠa direkt oder von einem reinen Geweihten KŠas
Mich; āsakta-manāƒ—Geist angehaftet; pārtha—o Sohn lernen, nicht von einem nichtgottgeweihten
Pthās; yogam—Selbstverwirklichung; yuñjan—so Emporkömmling, der sich etwas auf seine akademische
praktizierend; mat-āśrayaƒ—im Bewußtsein Meiner Person Bildung einbildet.
(KŠa-Bewußtsein); asaˆśayam—ohne Zweifel; Das Śrīmad-Bhāgavatam (1.2.17-21) beschreibt im 2.
samagram—vollständig; mām—Mich; yathā—soviel wie; Kapitel des Ersten Canto diesen Vorgang, durch den man
jñāsyasi—du kannst wissen; tat—dies; śŠu—versuche zu KŠa, die Höchste Persönlichkeit Gottes, die Absolute
hören. Wahrheit, verstehen kann:

ÜBERSETZUNG śŠvatāˆ sva-kathāˆ kŠaƒ puŠya-śravaŠa-kīrtanaƒ


hdyantaƒstho hy abhadrāŠi vidhunoti suht satām
Der Höchste Herr sprach: O Sohn Pthās, höre nun, wie
du Mich, frei von allen Zweifeln, erkennen kannst, na˜a-prāyev abhadreu nityaˆ bhāgavata-sevayā
indem du, völlig über Mich bewußt und den Geist auf bhagavaty uttama-śloke bhaktir bhavati nai˜hikī
Mich gerichtet, yoga praktizierst.
tadā rajas-tamo-bhāvāƒ kāma-lobhādayaś ca ye
ERLÄUTERUNG ceta etair anāviddhaˆ sthitaˆ sattve prasīdati

In diesem Siebten Kapitel der Bhagavad-gītā wird das evam prasanna-manaso bhagavad-bhakti-yogataƒ
Wesen des KŠa-Bewußtseins umfassend beschrieben. bhagavat-tattva-vijñānaˆ mukta-sa‰gasya jāyate
KŠa besitzt alle Reichtümer in vollem Umfang, und wie
Er solche Reichtümer manifestiert, wird hier beschrieben. bhidyate hdaya-granthiś chidyante sarva-saˆśayāƒ
Auch vier Arten vom Glück begünstigter Menschen, die kīyante cāsya karmāŠi ds˜a evātmanīśvare
Anhaftung an KŠa entwickeln, und vier Arten
unglückseliger Menschen, die sich KŠa niemals "Über KŠa aus den vedischen Schriften oder direkt von
zuwenden, werden in diesem Kapitel beschrieben. Ihm Selbst durch die Bhagavad-gītā zu hören ist eine
In den ersten sechs Kapiteln der Bhagavad-gītā ist das rechtschaffene Tätigkeit. Und für jemand, der über KŠa
Lebewesen als nichtmaterielle, spirituelle Seele beschrieben hört, handelt Śrī KŠa, der im Herzen eines jeden weilt, als
worden, die sich durch verschiedene Arten von yoga zu Freund, der nur unser Bestes wünscht, und reinigt den
Selbstverwirklichung erheben kann. Am Ende des Sechsten Gottgeweihten, der ständig über Ihn hört. So entwickelt der
Kapitels ist klar gesagt worden, daß die beständige Gottgeweihte auf natürliche Weise sein schlummerndes
Konzentration des Geistes auf KŠa oder, mit anderen transzendentales Wissen. Je mehr er aus dem Bhāgavatam
Worten, KŠa-Bewußtsein die höchste Form aller und von den Gottgeweihten über KŠa hört, desto mehr
yoga-Vorgänge darstellt. Nur indem man den Geist auf wird er im hingebungsvollen Dienst des Herrn gefestigt.
KŠa richtet und nicht auf andere Weise, ist man fähig, die Wenn man hingebungsvollen Dienst entwickelt, wird man
Absolute Wahrheit vollständig zu erkennen. Die Erkenntnis frei von den Erscheinungsweisen der Leidenschaft und
des unpersönlichen brahmajyoti oder des lokalisierten Unwissenheit, und materielle Lüste und Habgier lassen
Paramātmā ist keine vollkommene Erkenntnis der nach. Wenn diese Unreinheiten fortgewaschen sind, bleibt
Absoluten Wahrheit, da sie nur teilhaft ist. Umfassendes der Anwärter in seiner Stellung reiner Tugend fest
und wissenschaftliches Wissen ist KŠa, und einem verankert, wird durch hingebungsvollen Dienst belebt und
Menschen im KŠa-Bewußtsein wird alles offenbart. In versteht die Wissenschaft von Gott vollkommen. So
vollständigem KŠa-Bewußtsein weiß man, daß KŠa das durchtrennt bhakti-yoga den festen Knoten materieller
endgültige Wissen jenseits aller Zweifel ist. Verschiedene Zuneigung und befähigt den Gottgeweihten, sogleich zur
Formen des yoga sind nur Sprungbretter auf dem Pfad des Stufe von asaˆśayaˆ samagram zu kommen, auf der man
KŠa-Bewußtseins. Wer sich direkt dem KŠa-- die Höchste Absolute Wahrheit, die Persönlichkeit Gottes,
Bewußtsein zuwendet, hat von selbst umfassende Kenntnis versteht."
vom brahmajyoti und vom Paramātmā. Wenn man den
yoga des KŠa-Bewußtseins praktiziert, kann man alles in
154

Deshalb kann man die Wissenschaft von KŠa nur Von vielen Tausenden von Menschen mag sich einer um
verstehen, wenn man von KŠa oder Seinem Geweihten im Vollkommenheit bemühen, und von denen, die die
KŠa-Bewußtsein hört. Vollkommenheit erreicht haben, kennt kaum einer Mich
in Wahrheit.
VERS 2
ERLÄUTERUNG
jñānaˆ te 'haˆ sa-vijñānam
idaˆ vakyāmy aśeataƒ Es gibt verschiedene Unterteilungen der Menschen, und
yaj jñātvā neha bhūyo'nyaj von vielen Tausenden ist vielleicht einer in ausreichendem
jñātavyam avaśiyate Maße an transzendentaler Verwirklichung interessiert, so
daß er zu erkennen sucht, was das Selbst, was der Körper
jñānam—phänomenales Wissen; te—dir; aham—Ich; sa— und was die Absolute Wahrheit ist. Im allgemeinen geht die
mit; vijñānam—noumenales Wissen; idam—dieses; Menschheit nur den tierischen Neigungen nach, das heißt
vakyāmi—werde erklären; aśeataƒ—vollständig; yat— Essen, Schlafen, Sichverteidigen und Sichpaaren, und kaum
was; jñātvā—wissend; na—nicht; iha—in dieser Welt; einer ist an transzendentalem Wissen interessiert. Die ersten
bhūyaƒ—weiter; anyat—irgend etwas mehr; jñātavyam— sechs Kapitel der Gītā sind für diejenigen bestimmt, die an
erfahrbar; avaśiyate—bleibt zu erkennen. transzendentalem Wissen interessiert sind und die das
Selbst, das Überselbst und den Vorgang der
ÜBERSETZUNG Verwirklichung durch jñāna-yoga, dhyāna-yoga und durch
die Unterscheidung des Selbst von der Materie verstehen
Ich werde dir jetzt dieses phänomenale und noumenale wollen. KŠa kann nur von Menschen erkannt werden, die
Wissen in seiner ganzen Fülle offenbaren, und wenn du im KŠa-Bewußtsein verankert sind. Andere
es kennst, wird es für dich nichts mehr zu erkennen Transzendentalisten mögen die unpersönliche
geben. Brahman-Erkenntnis erlangen, da dies einfacher ist, als
KŠa zu verstehen. KŠa ist die Höchste Person, aber
ERLÄUTERUNG gleichzeitig steht Er jenseits von Brahman- und Param-
ātmā-Erkenntnis. Die yogīs und jñānīs sind verwirrt bei
Vollständiges Wissen umfaßt Wissen von der ihren Versuchen, KŠa zu verstehen, obwohl der größte
phänomenalen Welt und der spirituellen Natur hinter ihr. Unpersönlichkeitsphilosoph, Śrīpāda Sa‰karācārya, in
Der Ursprung beider ist transzendentales Wissen. Der Herr seinem Kommentar zur Gītā zugegeben hat, daß KŠa die
möchte das obenerwähnte System des Wissens erklären, Höchste Persönlichkeit Gottes ist. Seine Anhänger jedoch
weil Arjuna KŠas vertrauter Geweihter und Freund ist. Zu akzeptieren KŠa nicht als den Höchsten Herrn, denn es ist
Beginn des Vierten Kapitels wurde diese Erklärung vom sehr schwierig, KŠa zu kennen — selbst wenn man die
Herrn gegeben, und hier wird es erneut bestätigt: transzendentale Erkenntnis des unpersönlichen Brahman
Umfassendes Wissen kann nur von dem Geweihten des erreicht hat.
Herrn direkt vom Herrn in der Schülernachfolge KŠa ist die Höchste Persönlichkeit Gottes, die Ursache
empfangen werden. Deshalb sollte man intelligent genug aller Ursachen, der urerste Herr, Govinda. Īśvaraƒ paramaƒ
sein, den Ursprung allen Wissens zu kennen, der die kŠaƒ sac-cid-ānanda-vigrahaƒ anādir ādir govindaƒ
Ursache aller Ursachen und das einzige Meditationsobjekt sarva-kāraŠa-kāraŠam. Für die Nichtgottgeweihten ist es
bei allen Arten von yoga-Praktiken ist. Wenn die Ursache sehr schwierig, Ihn zu erkennen. Obwohl
aller Ursachen bekannt wird, dann wird alles Erkennbare Nichtgottgeweihte erklären, der Pfad der bhakti oder des
bekannt, und nichts bleibt unbekannt. Die Veden sagen: hingebungsvollen Dienstes sei sehr einfach, können sie ihn
yasmin vijñate sarvam eva vijñatam bhavanti. nicht praktizieren. Wenn der Pfad der bhakti so einfach ist,
wie die nichtgottgeweihte Klasse der Menschen behauptet,
VERS 3 stellt sich die Frage, warum sie dann dem schwierigen Pfad
folgt. Im Grunde ist der Pfad der bhakti nicht einfach. Der
manuyāŠāˆ sahasreu sogenannte Pfad der bhakti, der von unbefugten Personen
kaścid yatati siddhaye ohne Wissen von bhakti praktiziert wird, mag einfach sein,
yatatām api siddhānāˆ aber wenn er tatsächlich nach den vorgeschriebenen Regeln
kaścin māˆ vetti tattvataƒ und Regulierungen praktiziert wird, verlassen die
spekulierenden Gelehrten und Philosophen den Pfad. Śrīla
manuyāŠām—von Menschen; sahasreu—von vielen Rūpa Gosvāmī schreibt in seinem Bhakti-rasāmta-sindhu:
Tausenden; kaścit—einer; yatati—bemüht sich; siddhaye—
um Vollkommenheit; yatatām—von denen, die sich so śruti-smti-purāŠādi-
bemühen; api—tatsächlich; siddhānām—von denen, die pañcarātra-vidhiˆ vinā
Vollkommenheit erreicht haben; kaścit—einer; mām— aikāntikī harer bhaktir
Mich; vetti—tennt; tattvataƒ—wirklich. utpātāyaiva kalpate

ÜBERSETZUNG "Hingebungsvoller Dienst für den Herrn, der die


autorisierten vedischen Schriften wie die Upaniaden,
155

PurāŠas, das Nārada-pañcarātra und andere nicht des Herrn in Seinen verschiedenen purua-Inkarnationen
beachtet, ist nur eine unnötige Störung in der Gesellschaft." (Erweiterungen), wie im Svatvata Tantra beschrieben wird:
Für den Brahman-verwirklichten
Unpersönlichkeitsanhänger oder den viŠos tu trīŠi rūpāŠi puruākhyāny atho viduƒ
Paramātmā-verwirklichten yogī ist es nicht möglich, KŠa, ekantu mahataƒ sra˜ dvitīyaˆ tv aŠa-saˆsthitam
die Höchste Persönlichkeit Gottes, als den Sohn Mutter ttīyaˆ sarvabhūta-sthaˆ tāni jñātvā vimucyate
Yaśodās oder den Wagenlenker Arjunas zu verstehen.
Selbst die großen Halbgötter können KŠa manchmal nicht "Um die materielle Schöpfung zu manifestieren, nimmt Śrī
begreifen: "muhyanti yat sūrayaƒ". Der Herr sagt Selbst: KŠas vollständige Erweiterung die Form dreier ViŠus an.
"māˆ tu veda na kaścana". "Niemand kennt Mich so, wie Der erste, Mahā-ViŠu, erschafft die gesamte materielle
Ich bin." Und wenn jemand Ihn kennt: "sa mahātmā Energie, die als mahat-tattva bekannt ist. Der zweite,
sudurlabhaƒ". "Solch eine große Seele ist sehr selten." Garbhodakaśāyī ViŠu, geht in alle Universen ein, um in
Solange man daher keinen hingebungsvollen Dienst für den ihnen Mannigfaltigkeit zu erschaffen, und der dritte,
Herrn verrichtet, kann man selbst als großer Gelehrter oder Kīrodakaśāyī ViŠu, ist als die alldurchdringende
Philosoph KŠa nicht so kennen, wie Er ist (tattvataƒ). Nur Überseele in allen Universen verbreitet und ist als
die reinen Gottgeweihten können ein wenig von den Paramātmā bekannt, der sogar in den Atomen anwesend ist.
unbegreiflichen transzendentalen Eigenschaften KŠas, der Jeder, der diese drei ViŠus kennt, kann aus der materiellen
Ursache aller Ursachen, verstehen — von Seiner Allmacht Verstrickung befreit werden."
und Fülle, Seinem Reichtum, Seinem Ruhm, Seiner Stärke, Die materielle Welt ist eine zeitweilige Manifestation einer
Seiner Schönheit, Seinem Wissen und Seiner Entsagung —, der drei Energien des Herrn. Alle Tätigkeiten der
denn KŠa ist Seinen Geweihten wohlgesonnen. Er ist die materiellen Welt werden von diesen drei ViŠu-Erwei-
höchste Stufe der Brahman-Erkenntnis, und allein die terungen Śrī KŠas gelenkt. Diese puruas werden als
Gottgeweihten können Ihn so erkennen, wie Er ist. Deshalb Inkarnationen bezeichnet. Wer die Wissenschaft von Gott
heißt es: (KŠa) nicht kennt, nimmt im allgemeinen an, die
materielle Welt sei für den Genuß der Lebewesen
ataƒ śrī-kŠa-nāmādi geschaffen und die Lebewesen seien die Ursachen
na bhaved grāhyam indriyaiƒ (Puruas), Beherrscher und Genießer der materiellen
sevonmukhe hi jihvādau Energie. Gemäß der Bhagavad-gītā ist diese atheistische
svayam eva sphuraty adaƒ Schlußfolgerung falsch. In dem zur Erörterung stehenden
Vers heißt es, daß KŠa die ursprüngliche Ursache der
"Niemand kann mit seinen stumpfen, materiellen Sinnen materiellen Manifestation ist. Das Śrīmad-Bhāgavatam
KŠa so verstehen, wie Er ist. Den Gottgeweihten aber bestätigt dies ebenfalls. Die Bestandteile der materiellen
offenbart Er sich, da Er an ihnen Wohlgefallen findet, weil Manifestation sind abgesonderte Energien des Herrn. Selbst
sie Ihm transzendentalen liebevollen Dienst darbringen." das brahmajyoti, das endgültige Ziel der
(Padma PurāŠa) Unpersönlichkeitsanhänger, ist eine spirituelle Energie, die
im spirituellen Himmel manifestiert ist. Im brahmajyoti
VERS 4 gibt es keine spirituelle Mannigfaltigkeit, wie es sie auf den
VaikuŠ˜halokas gibt, und der Unpersönlichkeitsanhänger
bhūmir āpo'nalo vāyuƒ hält dieses brahmajyoti für das endgültige, ewige Ziel. Die
khaˆ mano buddhir eva ca Paramātmā-Manifestation ist ein zeitweiliger,
aha‰kāra itīyaˆ me alldurchdringender Aspekt von Kīrodakaśāyī ViŠu. Die
bhinnā praktir a˜adhā Paramātmā-Manifestation befindet sich nicht ewig in der
spirituellen Welt. Daher ist die tatsächliche Absolute
bhūmiƒ—Erde; āpaƒ—Wasser; analaƒ—Feuer; vāyuƒ— Wahrheit die Höchste Persönlichkeit Gottes, KŠa. Er ist
Luft; kham—Äther; manaƒ—Geist; buddhiƒ—Intelligenz; die vollständige energetische Person, und Er besitzt
eva—gewiß; ca—und; aha‰kāraƒ—falsches Ego; iti—so; verschiedene abgesonderte und innere Energien.
iyam—all diese; me—Meine; bhinnā—abgesonderten; Wie oben erwähnt wurde, gibt es in der materiellen Energie
praktiƒ—Energien; a˜adhā—insgesamt acht. acht hauptsächliche Manifestationen. Von diesen werden
die ersten fünf — Erde, Wasser, Feuer, Luft und Himmel
ÜBERSETZUNG — als die fünf gigantischen oder grobstofflichen
Schöpfungen bezeichnet, in denen auch die fünf
Erde, Wasser, Feuer, Luft, Äther, Geist, Intelligenz und Sinnesobjekte enthalten sind: die Manifestationen mate-
falsches Ego — diese acht Elemente bilden Meine riellen Klangs, materieller Berührung, materieller Form,
abgesonderten, materiellen Energien. materiellen Geschmacks und materiellen Geruchs. Die
materielle Wissenschaft umfaßt diese zehn Punkte und
ERLÄUTERUNG nichts darüber hinaus. Die anderen drei Punkte, nämlich
Geist, Intelligenz und falsches Ego, werden von den
Die Wissenschaft von Gott analysiert die wesensgemäße Materialisten nicht beachtet. Philosophen, die sich mit
Stellung Gottes und Seiner vielfältigen Energien. Die intellektuellen Tätigkeiten befassen, haben ebenfalls kein
materielle Natur nennt man prakti, und sie ist die Energie vollkommenes Wissen, da sie den letztlichen Ursprung,
KŠa, nicht kennen. Das falsche Ego — die Vorstellungen
156

"Ich bin" und "Das gehört mir", die das Grundprinzip des tarhiˆ na śāsyateti niyamo dhruva netarathā
materiellen Daseins bilden — schließt zehn Sinnesorgane ajani ca yanmayaˆ tad avimucya niyant
für materielle Tätigkeiten mit ein. Intelligenz bezieht sich bhavet samam anujānatāˆ yad-amataˆ mata-du˜atayā
auf die gesamte materielle Schöpfung, das mahat-tattva.
Deshalb werden aus den acht abgesonderten Energien des "O Höchster Ewiger! Wären die verkörperten Lebewesen
Herrn die vierundzwanzig Elemente der materiellen Welt ewig und alldurchdringend wie Du, unterständen sie nicht
manifestiert, die Gegenstand der atheistischen sā‰khya-- Deiner Herrschaft. Wenn die Lebewesen aber als winzige
Philosophie sind. Sie gehen ursprünglich aus KŠas Energien Deiner Herrlichkeit anerkannt werden,
Energien hervor und sind von Ihm nur abgesondert, doch unterliegen sie sogleich Deiner höchsten Herrschaft. Daher
die atheistischen sā‰khya-Philosophen, die nur über ge- bedeutet wirkliche Befreiung, daß sich die Lebewesen
ringes Wissen verfügen, wissen nicht, daß KŠa die Deiner Herrschaft unterwerfen, und diese Ergebung wird
Ursache aller Ursachen ist. Der Diskussionsgegenstand in sie glücklich machen. Nur in dieser wesensgemäßen
der sā‰khya-Philosophie ist nur die Manifestation der Stellung können sie Kontrollierende sein. Menschen mit
äußeren Energie KŠas, wie sie in der Bhagavad-gītā begrenztem Wissen, die die monistische Theorie vertreten,
beschrieben wird. Gott und die Lebewesen seien in jeder Beziehung gleich,
führen daher im Grunde sich und andere in die Irre."
VERS 5 Der Höchste Herr, KŠa, ist der einzige Herrscher, und alle
Lebewesen werden von Ihm beherrscht. Die Lebewesen
apareyam itas tv anyāˆ sind Seine höhere Energie, denn die Qualität ihrer Existenz
praktiˆ viddhi me parām gleicht der des Höchsten, doch sind sie dem Herrn niemals
jīva-bhūtāˆ mahā-bāho quantitativ in Seiner Macht ebenbürtig. Während die
yayedaˆ dhāryate jagat höhere Energie (das Lebewesen) die grob- und
feinstoffliche niedere Energie (die Materie) ausbeutet,
aparā—untergeordnet; iyam—diese; itaƒ—neben dieser; vergißt sie ihren wirklichen, spirituellen Geist und ihre
tu—aber; anyām—eine andere; praktim—Energie; wirkliche, spirituelle Intelligenz. Dieses Vergessen ist auf
viddhi—versuche nur zu verstehen; me—Meine; parām— den Einfluß zurückzuführen, den die Materie auf das
höhere; jīva-bhūtām—die Lebewesen; mahā-bāho—o Lebewesen ausübt. Wenn das Lebewesen jedoch vom
Starkarmiger; yayā—von denen; idam—diese; dhāryate— Einfluß der illusionierenden materiellen Energie frei wird,
benutzt oder ausgebeutet wird; jagat—die materielle Welt. erreicht es die Stufe, die mukti oder Befreiung genannt
wird. Unter dem Einfluß der materiellen Illusion denkt das
ÜBERSETZUNG falsche Ego: "Ich bin Materie, und materielle Güter
gehören mir." Es erkennt seine wahre Position, wenn es
Außer dieser niederen Natur, o starkarmiger Arjuna, von allen materiellen Vorstellungen, auch der Vorstellung,
habe Ich noch eine höhere Energie, die aus allen in jeder Beziehung mit Gott eins zu werden, befreit ist. Man
Lebewesen besteht, die mit der materiellen Natur kann also schlußfolgern, daß die Gītā bestätigt, daß das Le-
kämpfen und das Universum erhalten. bewesen nur eine der mannigfaltigen Energien KŠas ist.
Wenn diese Energie von der materiellen Verunreinigung
ERLÄUTERUNG frei ist, wird sie völlig KŠa-bewußt oder befreit.

Hier wird klar erwähnt, daß die Lebewesen zur höheren VERS 6
Natur oder Energie des Höchsten Herrn gehören. Die
niedere Energie ist Materie, manifestiert in verschiedenen etad yonīni bhūtāni
Elementen, nämlich Erde, Wasser, Feuer, Luft, Äther, sarvāŠīty upadhāraya
Geist, Intelligenz und falsches Ego. Beide Formen der ahaˆ ktsnasya jagataƒ
materiellen Natur — die grobstoffliche (Erde usw.) und prabhavaƒ pralayas tathā
feinstoffliche (Geist usw.) — sind Produkte der niederen
Energie. Die Lebewesen, die diese untergeordneten etat—diese beiden Naturen; yonīni-Quelle der Geburt;
Energien für verschiedene Zwecke ausbeuten, sind die bhūtāni—alles Erschaffene; sarvāŠi—alles; iti—so;
höhere Energie des Höchsten Herrn, und es ist auf diese upadhāraya—wisse; aham—Ich; ktsnasya—allumfassend;
Energie zurückzuführen, daß die ganze materielle Welt jagataƒ—der Welt; prabhavaƒ-Quelle der Manifestation;
funktioniert. Die kosmische Manifestation hat keine Macht pralayaƒ—Vernichtung; tathā—ebenfalls.
zu handeln, solange sie nicht von der höheren Energie, den
Lebewesen, bewegt wird. Energien werden immer vom ÜBERSETZUNG
Energieursprung gelenkt, und daher werden die Lebewesen
immer vom Herrn beherrscht — sie besitzen kein Wisse, von allem, was materiell und was spirituell ist in
unabhängiges Dasein. Sie sind längst nicht so mächtig, wie dieser Welt, bin Ich sowohl der Ursprung als auch die
unintelligente Menschen glauben. Der Unterschied Auflösung.
zwischen den Lebewesen und dem Herrn wird im
Śrīmad-Bhāgavatam (10.87.30) wie folgt beschrieben: ERLÄUTERUNG

aparimitā dhruvās tanubhto yadi sarva-gatās


157

Alles, was existiert, ist ein Produkt von Materie und Śrī KŠa. Er ist der urerste Herr, das Behältnis aller
spiritueller Energie. Die spirituelle Energie ist die Freude, Govinda, und die ewige Gestalt vollkommener
Grundlage der Schöpfung, und die Materie wird von der Glückseligkeit und vollkommenen Wissens." Die
spirituellen Energie geschaffen. Spirituelle Energie entsteht Autoritäten lassen keinen Zweifel darüber, daß die
nicht auf einer bestimmten Stufe materieller Entwicklung. Absolute Wahrheit die Höchste Person, die Ursache aller
Vielmehr ist die materielle Welt nur auf der Grundlage der Ursachen, ist. Der Unpersönlichkeitsanhänger argumentiert
spirituellen Energie manifestiert. Unser materieller Körper jedoch im Vertrauen auf die Macht der folgenden
hat sich entwickelt, weil ein spiritueller Funken in der vedischen Darstellung in der Śvetāśvatara Upaniad: tato
Materie gegenwärtig ist; ein Kind wächst allmählich zum yad uttarataraˆ tad arūpam anāmayaˆ ya etad vidur
Knaben und dann zum Mann heran, weil diese höhere amtās te bhavanti athetare duƒkham evāpi yanti "In der
Energie, die spirituelle Seele, gegenwärtig ist. In ähnlicher materiellen Welt gilt Brahmā, das urerste Lebewesen im
Weise entwickelt sich die gesamte kosmische Manifestation Universum, als der Höchste unter den Halbgöttern,
des gigantischen Universums, weil die Überseele, ViŠu, Menschen und niederen Tieren. Über Brahmā aber steht die
gegenwärtig ist. Also sind die spirituelle Natur und die Transzendenz, die keine materielle Form hat und die frei ist
Materie, die sich verbinden, um diese gigantische von allen materiellen Verunreinigungen. Jeder, der das
universale Form zu manifestieren, ursprünglich zwei Absolute zu erkennen vermag, wird ebenfalls
Energien des Herrn, und folglich ist der Herr die transzendental; aber diejenigen, die Es nicht kennen,
ursprüngliche Ursache aller Dinge. Ein fragmentarischer, müssen die Leiden der materiellen Welt ertragen."
winziger Bestandteil des Herrn — das Lebewesen — kann Der Unpersönlichkeitsanhänger legt mehr Nachdruck auf
durch Manipulation der materiellen Energie einen das Wort arūpam, aber dieses arūpam bedeutet nicht
Wolkenkratzer, eine Fabrik oder eine Stadt bauen, doch "unpersönlich". Es deutet auf die transzendentale Gestalt
kann es nicht Materie aus dem Nichts hervorbringen, und der Ewigkeit, Glückseligkeit und des Wissens hin, wie sie
gewiß kann es auch weder einen Planeten noch ein in dem oben zitierten Vers der Brahma-samhitā
Universum erschaffen. Die Ursache des Universums ist die beschrieben wird. Andere Verse in der Śvetāśvatara
Überseele, KŠa, der höchste Schöpfer aller individuellen Upaniad bestätigen dies wie folgt:
Seelen und die ursprüngliche Ursache aller Ursachen, wie
in der Ka˜ha Upaniad bestätigt wird: nityo nityānāˆ vedāham etaˆ puruaˆ mahāntam āditya-varŠaˆ tamasaƒ
cetanaś cetanānām. parastāt
tam eva vidvān amta iha bhavati nānyaƒ panthā vidyate
VERS 7 ayanāya
yasmāt paraˆ nāparam asti kiñcid yasmānnāŠīyo na jyāyo
mattaƒ parataraˆ nānyat 'sti kiñcit
kiñcid asti dhanañjaya
mayi sarvam idaˆ protaˆ "Ich kenne den Herrn, die Höchste Persönlichkeit Gottes,
sūtre maŠi-gaŠā iva der in transzendentaler Stellung zu allen materiellen
Vorstellungen der Dunkelheit steht. Nur wer Ihn kennt,
mattaƒ—jenseits von Mir; parataram—höher; na—nicht; kann die Fesseln von Geburt und Tod transzendieren. Es
anyat—irgend etwas anderes; kiñcit—etwas; asti—es gibt; gibt keinen anderen Weg zur Befreiung als die Erkenntnis
dhanañjaya—o Eroberer von Reichtum; mayi—in Mir; der Höchsten Person."
sarvam—alles, was ist; idam—was wir sehen; protam— "Es gibt keine Wahrheit, die über dieser Höchsten Person
aufgereiht; sūtre—auf einer Schnur; maŠi-gaŠāƒ—Perlen; steht, denn Er ist der Allerhöchste. Er ist kleiner als das
iva—verglichen mit. Kleinste, und Er ist größer als das Größte. Er gleicht einem
ruhigen Baum, und Er erleuchtet den transzendentalen
ÜBERSETZUNG Himmel; wie ein Baum seine Wurzeln ausbreitet, so
verbreitet Er Seine weitreichenden Energien."
O Eroberer von Reichtum [Arjuna], es gibt keine Aus diesen Versen kann man schließen, daß die Höchste
Wahrheit über Mir. Alles ruht auf Mir wie Perlen auf Absolute Wahrheit die Höchste Persönlichkeit Gottes ist,
einer Schnur. die durch Ihre vielfältigen materiellen und spirituellen
Energien alldurchdringend ist.
ERLÄUTERUNG
VERS 8
Es ist eine alte Streitfrage, ob die Höchste Absolute
Wahrheit persönlich oder unpersönlich ist. Soweit es die raso'ham apsu kaunteya
Bhagavad-gītā betrifft, ist die Absolute Wahrheit die prabhāsmi śaśi-sūryayoƒ
Persönlichkeit Gottes, Śrī KŠa, und das wird auf jeder praŠavaƒ sarva-vedeu
Seite bestätigt. Besonders in diesem Vers wird betont, daß śabdaƒ khe pauruaˆ nu
die Absolute Wahrheit eine Person ist. Auch in der
Brahma-saˆhitā (5.1) findet man die Bestätigung, daß die rasaƒ—Geschmack; aham—Ich; apsu—im Wasser;
Persönlichkeit Gottes die Höchste Absolute Wahrheit ist: kaunteya—o Sohn Kuntīs; prabhā asmi—Ich bin das Licht;
īśvaraƒ paramaƒ kŠaƒ sac-cid-ānanda-vigrahaƒ. „Die śaśi-sūryayoƒ—in der Sonne und im Mond; praŠavaƒ—die
Höchste Absolute Wahrheit, die Persönlichkeit Gottes, ist drei Buchstaben A.U.M.; sarva—in allen; vedeu—in den
158

Veden; śabdaƒ—Klangschwingung; khe—im Äther; tejaś cāsmi vibhāvasau


pauruam—Fähigkeit; nu—im Menschen. jīvanaˆ sarva-bhūteu
tapaś cāsmi tapasviu
ÜBERSETZUNG
puŠyaƒ—ursprünglicher; gandhaƒ—Duft; pthivyām—in
O Sohn Kuntīs, [Arjuna], Ich bin der Geschmack des der Erde; ca—auch; tejaƒ—Temperatur; ca—auch; asmi—
Wassers, das Licht der Sonne und des Mondes und die Ich bin; vibhāvasau—im Feuer; jīvanam—Leben; sarva—
Silbe om in den vedischen mantras; Ich bin der Klang alle; bhūteu—Lebewesen; tapaƒ—Entsagung; ca—auch;
im Äther und die Fähigkeit im Menschen. asmi—Ich bin; tapasviu—in denen, die sich Entsagung
auferlegen.
ERLÄUTERUNG
ÜBERSETZUNG
Dieser Vers erklärt, wie der Herr durch Seine
mannigfaltigen materiellen und spirituellen Energien Ich bin der ursprüngliche Duft der Erde, und Ich bin
alldurchdringend ist. Der Höchste Herr kann zunächst die Hitze im Feuer. Ich bin das Leben alles Lebendigen,
durch Seine verschiedenen Energien wahrgenommen und Ich bin die Entsagung aller Asketen.
werden, und auf diese Weise wird Er in Seinem
unpersönlichen Aspekt erkannt. Ebenso, wie der Halbgott ERLÄUTERUNG
der Sonne eine Person ist und durch seine
alldurchdringende Energie, den Sonnenschein, PuŠya bedeutet das, was nicht zersetzt ist — puŠya
wahrgenommen wird, so wird der Herr, obwohl in Seinem bedeutet ursprünglich. Alles in der materiellen Welt hat
ewigen Reich, durch Seine alldurchdringenden, überall einen bestimmten Geruch oder Duft, wie zum Beispiel der
verbreiteten Energien wahrgenommen. Der Geschmack des Wohlgeruch und Duft einer Blume oder der Duft in der
Wassers ist das aktive Prinzip des Wassers. Niemand trinkt Erde, im Wasser, im Feuer oder in der Luft. Der
gerne Meerwasser, weil der reine Geschmack des Wassers unverunreinigte Duft, der ursprüngliche Duft, der alles
mit Salz vermischt ist. Die Anziehungskraft des Wassers durchdringt, ist KŠa. In ähnlicher Weise hat auch alles
beruht auf der Reinheit seines Geschmacks, und dieser einen bestimmten ursprünglichen Geschmack, und dieser
reine Geschmack ist eine der Energien des Herrn. Der Geschmack kann durch die Vermischung mit chemischen
Unpersönlichkeitsanhänger nimmt die Gegenwart des Stoffen verändert werden. Alles Ursprüngliche hat also
Herrn im Wasser durch den Geschmack des Wassers wahr, einen bestimmten Geruch, einen bestimmten Duft und
und der Persönlichkeitsanhänger preist den Herrn, weil einen bestimmten Geschmack. Vibhāva bedeutet Feuer.
dieser so gütig ist, für Wasser zu sorgen, um den Durst der Ohne Feuer können wir keine Fabriken unterhalten, können
Menschen zu stillen. Das ist der Weg, den Höchsten wir nicht kochen usw., und dieses Feuer ist KŠa. Die
wahrzunehmen. Eigentlich gibt es zwischen der Hitze im Feuer ist KŠa. Dem vedischen Wissen von
Persönlichkeitslehre und der Unpersönlichkeitslehre keinen Medizin zufolge haben Verdauungsstörungen ihre Ursache
Widerstreit. Wer Gott kennt, weiß, daß die unpersönliche in einer zu niedrigen Temperatur im Magen. Selbst für die
und die persönliche Auffassung gleichzeitig in allem Verdauung ist also Feuer notwendig. Im KŠa-Bewußtsein
gegenwärtig sind und daß es dabei keinen Widerspruch werden wir uns bewußt, daß Erde, Wasser, Feuer, Luft und
gibt. Deshalb stellte Śrī KŠa Caitanya Seine erhabene jedes aktive Prinzip, alle chemischen Stoffe und alle
Lehre auf: acintya-bheda und abheda-tattvam — materiellen Elemente ihren Ursprung in KŠa haben. Auch
gleichzeitig eins und verschieden. die Lebensdauer eines Menschen hängt von KŠa ab.
Das Licht der Sonne und des Mondes geht ursprünglich Durch die Gnade KŠas kann deshalb ein Mensch sein
ebenfalls vom brahmajyoti, der unpersönlichen Leben verlängern oder verkürzen. KŠa-Bewußtsein ist
Ausstrahlung des Herrn, aus. Auch praŠava oder der also in jedem Bereich aktiv.
transzendentale Klang omkāra, der am Anfang jeder
vedischen Hymne benutzt wird, um den Höchsten Herrn VERS 10
anzurufen, geht von Ihm aus. Weil die
Unpersönlichkeitsanhänger große Angst haben, den bījaˆ māˆ sarva-bhūtānāˆ
Höchsten Herrn KŠa bei Seinen unzähligen Namen viddhi pārtha sanātanam
anzurufen, ziehen sie es vor, den transzendentalen Klang buddhir buddhimatām asmi
omkāra zu vibrieren. Aber sie begreifen nicht, daß omkāra tejas tejasvinām aham
die Klangrepräsentation KŠas ist. Der Bereich des
KŠa-Bewußtseins erstreckt sich überallhin, und wer das bījam—Same; mām—zu Mir; sarva-bhūtānām—aller
KŠa-Bewußtsein kennt, ist gesegnet. Diejenigen, die Lebewesen; viddhi—versuche zu verstehen; pārtha—o
KŠa nicht kennen, befinden sich in Illusion; folglich Sohn Pthās; sanātanam—ursprünglich, ewig; buddhiƒ-
bedeutet Wissen von KŠa Befreiung und Unkenntnis von Intelligenz; buddhimatām—der Intelligenten; asmi—Ich
Ihm Knechtschaft. bin; tejaƒ—Macht; tejasvinām—der Mächtigen; aham—Ich
bin.
VERS 9
ÜBERSETZUNG
puŠyo gandhaƒ pthivyāˆ ca
159

O Sohn Pthās, wisse, daß Ich der ursprüngliche Same Übereinstimmung mit den religiösen Prinzipien (dharma)
aller Lebewesen, die Intelligenz der Intelligenten und benutzt werden, um Kinder zu zeugen, sonst nicht. Die
die Macht aller mächtigen Menschen bin. Verantwortung der Eltern liegt darin, ihre Kinder
KŠa-bewußt zu erziehen.
ERLÄUTERUNG
VERS 12
Bījam bedeutet "Same", und KŠa ist der Same aller
Dinge. In Berührung mit der materiellen Natur keimt der ye caiva sāttvikā bhāvā
Same zu verschiedenartigen sich bewegenden und sich rājasās tāmasāś ca ye
nicht bewegenden Lebewesen. Vögel, Säugetiere, matta eveti tān viddhi
Menschen und viele andere Geschöpfe sind Lebewesen, die na tv ahaˆ teu te mayi
sich bewegen; Bäume und Pflanzen hingegen sind
unbeweglich. Jedes Lebewesen ist im Spektrum der 8 400 ye—all jene; ca—und; eva—gewiß; sāttvikāƒ—in Tugend;
000 Lebensarten enthalten, von denen einige sich bewegen bhāvāƒ—Zustände des Seins; rājasāƒ—Erscheinungsweise
und andere sich nicht bewegen. In allen Fällen aber ist der Leidenschaft; tāmasāƒ—Erscheinungsweise der
KŠa der Same ihres Lebens. Wie es in der vedischen Unwissenheit; ca—auch; ye—obwohl; mattaƒ—von Mir;
Literatur heißt, ist das Brahman oder die Höchste Absolute eva—gewiß; iti—so; tān-diejenigen; viddhi—versuche zu
Wahrheit das, von dem alles ausgeht. KŠa ist verstehen; na—nicht; tu—aber; aham—Ich; teu—in jenen;
Parabrahman, das Höchste Spirituelle Wesen. Brahman ist te—sie; mayi—zu Mir.
unpersönlich, und Parabrahman ist persönlich. Das
unpersönliche Brahman ist im persönlichen Aspekt ÜBERSETZUNG
enthalten — dies wird in der Bhagavad-gītā erklärt. Daher
ist ursprünglich KŠa die Quelle allen Seins. Er ist die Alle Daseinsstufen — seien sie in Tugend, Leidenschaft
Wurzel. Wie die Wurzel eines Baumes den ganzen Baum oder Unwissenheit — sind von Meiner Energie
versorgt, so erhält KŠa, als die ursprüngliche Wurzel alles manifestiert. In einem gewissen Sinne bin Ich alles —
Existierenden alles in dieser materiellen Manifestation. doch bin Ich unabhängig. Ich stehe nicht unter dem
Dies wird ebenfalls in der vedischen Literatur bestätigt: Einfluß der Erscheiaungsweisen der materiellen Natur.
yato vā imāni bhūtāni jāyante. "Die Höchste Absolute
Wahrheit ist das, von dem alles geboren ist." Er ist der ERLÄUTERUNG
höchste Ewige unter allen Ewigen. Er ist das höchste
Lebewesen unter allen Lebewesen, und Er allein erhält alles Alle materiellen Tätigkeiten in der Welt werden unter dem
Leben. KŠa sagt auch, daß Er die Wurzel aller Intelligenz Einfluß der drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur
ist. Wenn ein Mensch nicht intelligent ist, kann er die ausgeführt. Obwohl diese materiellen Erscheinungsweisen
Höchste Persönlichkeit Gottes, KŠa, nicht verstehen. der Natur vom Höchsten Herrn, KŠa, ausgehen, ist Er
ihnen nicht unterworfen. Ein Bürger beispielsweise kann
VERS 11 durch die Gesetze des Staates bestraft werden, doch der
König, der Gesetzgeber, ist diesen Gesetzen nicht
balaˆ balavatām cāhaˆ unterworfen. In ähnlicher Weise sind alle
kāma-rāga-vivarjitam Erscheinungsweisen der materiellen Natur — Tugend,
dharmāviruddho bhūteu Leidenschaft und Unwissenheit — Emanationen vom
kāmo'smi bharatarabha Höchsten Herrn, KŠa, doch KŠa ist der materiellen
Natur nicht unterworfen. Deshalb ist Er nirguŠa, was
balam—Stärke; balavatām—der Starken; ca—und; aham— bedeutet, daß die guŠas oder Erscheinungsweisen Ihn nicht
Ich bin; kāma—Leidenschaft; rāga—Anhaftung; beeinflussen, obwohl sie aus Ihm hervorgehen. Das ist
vivarjitam—frei von; dharma-aviruddha—nicht gegen die eines der besonderen Kennzeichen Bhagavāns, der
religiösen Prinzipien; bhūteu—in allen Wesen; kāmaƒ— Höchsten Persönlichkeit Gottes.
Sexualität; asmi—Ich bin; bharatarabha—o Herr der
Bhāratas. VERS 13

ÜBERSETZUNG tribhir guŠamayair bhāvair


ebhiƒ sarvam idaˆ jagat
Ich bin die Stärke der Starken, frei von Leidenschaft mohitaˆ nābhijānāti
und Verlangen, und Ich bin die Sexualität, die nicht im mām ebhyaƒ param avyayam
Widerspruch zu den religiösen Prinzipien steht, o Herr
der Bhāratas [Arjuna]. tribhiƒ—drei; guŠamayaiƒ—von den drei guŠas; bhāvaiƒ—
Seinszustand; ebhiƒ—all dieses; sarvam—die gesamte
ERLÄUTERUNG Welt; idam—in dieser Welt; jagat—Universum; mohitam-
getäuscht; na abhijānāti—kennt nicht; mām—Mich;
Die Stärke eines starken Mannes sollte angewandt werden, ebhyaƒ—über diesen; param—der Höchste; avyayam—
um die Schwachen zu beschützen, und nicht, um andere unerschöpflich.
anzugreifen. In ähnlicher Weise sollte Sexualität in
160

ÜBERSETZUNG materiellen Natur, und diejenigen, die wahrhaft im


KŠa-Bewußtsein verankert sind, sind im Grunde befreit.
Getäuscht von den drei Erscheinungsweisen [Tugend,
Leidenschaft und Unwissenheit] kennt die gesamte Welt VERS 14
Mich nicht, der Ich über den Erscheinungsweisen stehe
und unerschöpflich bin. daivī hy eā guŠamayī
mama māyā duratyayā
ERLÄUTERUNG mām eva ye prapadyante
māyām etāˆ taranti te
Die ganze Welt ist von den drei Erscheinungsweisen der
materiellen Natur betört. Diejenigen, die von diesen drei daivī—transzendental; hi—gewiß; eā—diese; guŠamayī—
Erscheinungsweisen verwirrt sind, können nicht verstehen, bestehend aus den drei Erscheinungsweisen der materiellen
daß in transzendentaler Stellung zu dieser materiellen Natur Natur; mama—Meine; māyā—Energie; duratyayā—sehr
der Höchste Herr, KŠa, steht. In der materiellen Welt schwer zu überwinden; mām—Mir; eva—gewiß; ye—
steht jeder unter dem Einfluß dieser drei guŠas und ist diejenigen; prapadyante—sich ergeben; māyām etām—
daher verwirrt. diese illusionierende Energie; taranti—überwinden; te—
Von Natur aus haben die Lebewesen bestimmte sie.
Körperformen und führen dementsprechend bestimmte
psychische und biologische Tätigkeiten aus. Es gibt vier ÜBERSETZUNG
Klassen von Menschen, die in den drei materiellen
Erscheinungsweisen der Natur handeln. Diejenigen, die Diese Meine göttliche Energie, die aus den drei
sich völlig in der Erscheinungsweise der Tugend befinden, Erscheinungsweisen der materiellen Natur besteht, ist
werden brāhmaŠas genannt. Diejenigen, die sich völlig in sehr schwer zu überwinden. Aber diejenigen, die Mir
der Erscheinungsweise der Leidenschaft befinden, werden ergeben sind, können sie sehr leicht hinter sich lassen.
katriyas genannt. Diejenigen, die sich in den vermischten
Erscheinungsweisen von Leidenschaft und Unwissenheit ERLÄUTERUNG
befinden, werden als vaiśyas bezeichnet, und diejenigen,
die sich völlig in Unwissenheit befinden, heißen śūdras. Die Höchste Persönlichkeit Gottes hat unzählige Energien,
Solche, die auf einer noch tieferen Stufe stehen, sind Tiere, und all diese Energien sind göttlich. Obwohl die
das heißt, sie führen ein tierisches Leben. Diese Lebewesen Teile der Energien des Herrn und daher göttlich
Bezeichnungen sind jedoch nicht bleibend. Ich mag ein sind, ist ihre ursprüngliche, höhere Kraft durch Berührung
brāhmaŠa, katriya, vaiśya oder was auch immer sein — in mit der materiellen Energie bedeckt. So von der materiellen
jedem Fall ist dieses Leben zeitweilig. Aber obwohl das Energie bedeckt, kann man unmöglich ihren Einfluß
Leben zeitweilig ist und wir nicht wissen, was wir im überwinden. Wie schon zuvor erklärt wurde, sind sowohl
nächsten Leben sein werden, sehen wir uns doch, durch den die materielle als auch die spirituelle Natur ewig, weil sie
Zauber der illusionierenden Energie, im Licht der von der Höchsten Persönlichkeit Gottes ausgehen. Die
körperlichen Lebensauffassung und glauben daher, Lebewesen gehören zur ewigen, höheren Natur des Herrn,
Amerikaner, Inder, Russe oder brāhmaŠa, Hindu oder aber weil sie durch die niedere Natur, die Materie,
Moslem zu sein. Und wenn wir in die Erscheinungsweisen verunreinigt sind, ist ihre Illusion ebenfalls ewig. Die
der materiellen Natur verstrickt werden, vergessen wir die bedingte Seele wird deshalb als nitya-baddha oder ewig
Höchste Persönlichkeit Gottes, die hinter all diesen Er- bedingt bezeichnet. Niemand kann zurückverfolgen, zu
scheinungsweisen steht. Daher sagt Śrī KŠa, daß welchem Zeitpunkt in der materiellen Geschichte sie
Menschen, die von diesen Erscheinungsweisen der Natur bedingt wurde. Folglich ist es für sie sehr schwer, der
getäuscht sind, nicht verstehen, daß Sich hinter der ma- Gewalt der materiellen Natur zu entkommen — obwohl
teriellen Fassade der Höchste Gott befindet. diese materielle Natur eine niedere Energie ist —, denn die
Es gibt viele verschiedene Arten von Lebewesen — materielle Energie wird letztlich vom höchsten Willen
Menschen, Halbgötter, Tiere usw. -, und jedes einzelne von gelenkt, den das Lebewesen nicht überwinden kann. Die
ihnen steht unter dem Einfluß der materiellen Natur, und niedere materielle Natur wird hier als göttliche Natur
sie alle haben die transzendentale Persönlichkeit Gottes definiert, weil sie mit dem Göttlichen verbunden ist und
vergessen. Diejenigen, die sich in den Erscheinungsweisen vom göttlichen Willen bewegt wird. Vom göttlichen Willen
der Leidenschaft und Unwissenheit, und selbst diejenigen, gelenkt, wirkt die materielle Natur, obwohl untergeordnet,
die sich in der Erscheinungsweise der Tugend befinden, beim Aufbau und bei der Zerstörung der kosmischen
können nicht über die unpersönliche Brahman-Auffassung Manifestation auf so wunderbare Weise. Die Veden
von der Absoluten Wahrheit hinausgelangen. Sie sind vom bestätigen dies wie folgt:
persönlichen Aspekt des Höchsten Herrn verwirrt, der alle
Schönheit, allen Reichtum, alles Wissen, alle Stärke, allen māyāˆ tu praktim vidyān māyinaˆ tu maheśvaram
Ruhm und alle Entsagung besitzt. Wenn Ihn selbst
diejenigen nicht verstehen, die sich in Tugend befinden, "Obwohl māyā [Illusion] falsch oder zeitweilig ist, ist der
welche Hoffnung besteht dann für solche, die in Hintergrund māyās der höchste Magier, die Persönlichkeit
Leidenschaft und Unwissenheit sind? KŠa-Bewußtsein ist Gottes, welcher Maheśvara oder der höchste Herrscher
transzendental zu all diesen drei Erscheinungsweisen der genannt wird."
161

Eine andere Bedeutung von guŠa ist "Seil". Es heißt, daß


die bedingte Seele von den Stricken der Illusion straff ERLÄUTERUNG
gefesselt ist. Ein Mensch, der an Händen und Füßen ge-
fesselt ist, kann sich nicht selbst befreien, sondern muß von In der Bhagavad-gītā wird gesagt, daß man die strengen
jemand Hilfe bekommen, der nicht gefesselt ist. Weil ein Gesetze der materiellen Natur überwinden kann, wenn man
Gefesselter einem anderen Gefesselten nicht helfen kann, sich einfach den Lotosfüßen der Höchsten Persönlichkeit,
muß der Retter befreit sein. Daher kann allein Śrī KŠa KŠa, ergibt. An diesem Punkt stellt sich folgende Frage:
oder Sein echter Stellvertreter, der spirituelle Meister, die Wie ist es möglich, daß gebildete Philosophen,
bedingte Seele befreien. Ohne solche höhere Hilfe kann Wissenschaftler, Geschäftsleute, Politiker und all die
man nicht aus der Gefangenschaft der materiellen Natur Führer der gewöhnlichen Menschen sich den Lotosfüßen
befreit werden. Hingebungsvoller Dienst oder Śrī KŠas, der allmächtigen Persönlichkeit Gottes, nicht
KŠa-Bewußtsein kann einem helfen, diese Befreiung zu ergeben? Die Führer der Menschheit suchen schon seit
erlangen. Da KŠa der Herr der illusionierenden Energie langer Zeit auf verschiedenen Wegen und mit großen
ist, kann Er dieser unüberwindlichen Energie befehlen, die Plänen und großer Ausdauer nach mukti oder Befreiung
bedingte Seele freizulassen. Er befiehlt diese Freilassung von den Gesetzen der materiellen Natur: doch wenn diese
aus Seiner grundlosen Barmherzigkeit gegenüber der Befreiung möglich ist, indem man sich einfach den
ergebenen Seele und aus Seiner väterlichen Zuneigung zu Lotosfüßen der Höchsten Persönlichkeit Gottes ergibt,
dem Lebewesen, das ursprünglich ein geliebter Sohn des warum nehmen dann diese intelligenten und hart
Herrn ist. Sich den Lotosfüßen des Herrn zu ergeben ist arbeitenden Führer diese einfache Methode nicht an?
daher das einzige Mittel, aus der Gewalt der strengen Die Gītā beantwortet diese Frage sehr offen. Die wirklich
materiellen Natur frei zu werden. gelehrten Führer der Gesellschaft, wie Brahmā, Śiva,
Die Worte mām eva sind ebenfalls von Bedeutung. Mām Kapila, die Kumāras, Manu, Vyāsa, Devala, Asita, Janaka,
bedeutet "allein zu KŠa (ViŠu)", und nicht zu Brahmā Prahlāda, Bali und später Madhvācārya, Rāmānujācārya,
oder Śiva. Obwohl Brahmā und Śiva auf einer sehr hohen Śrī Caitanya und viele andere — die gläubige Philosophen,
Stufe stehen und sich fast auf der gleichen Ebene wie ViŠu Politiker, Erzieher, Wissenschaftler usw. sind —, ergeben
befinden, ist es für diese Inkarnationen von rajo-guŠa sich den Lotosfüßen der Höchsten Person, der allmächtigen
(Leidenschaft) und tamo-guŠa (Unwissenheit) nicht Autorität. Diejenigen aber, die nicht wirklich Philosophen,
möglich, die bedingte Seele aus der Gewalt māyās zu Wissenschaftler, Erzieher, Politiker usw. sind, sondern sich
befreien. Mit anderen Worten: Auch Brahmā und Śiva sind nur als solche ausgeben, um materielle Vorteile zu er-
dem Einfluß māyās unterworfen. Allein ViŠu ist Herr über langen, erkennen den Plan oder Pfad des Höchsten Herrn
māyā; deshalb kann nur Er die bedingte Seele befreien. Die nicht an. Sie haben keine Vorstellung von Gott; sie
Veden bestätigen dies mit dem Satz: tvam eva viditvā. fabrizieren nur ihre eigenen weltlichen Pläne und machen
"Freiheit ist nur möglich, wenn man KŠa versteht." Selbst daher die Probleme des materiellen Daseins mit ihren
Śiva bestätigt, daß Befreiung nur durch die Barmherzigkeit vergeblichen Versuchen, sie zu lösen, nur noch
ViŠus erreicht werden kann. Śiva sagt: komplizierter. Weil die materielle Energie (die Natur) sehr
mächtig ist, kann sie den unautorisierten Plänen der
mukti-pradātā sarveāˆ viŠur eva na saˆśayaƒ Atheisten widerstehen und das Wissen sogenannter
Planungskommissionen nutzlos werden lassen.
"Es besteht kein Zweifel darüber, daß ViŠu es ist, der Die atheistischen Plänemacher werden hier mit dem Wort
jedem Befreiung gewährt." duktina oder "Schurken“ bezeichnet. Ktina bedeutet
"jemand, der verdienstvolle Arbeit geleistet hat". Der
VERS 15 atheistische Plänemacher ist manchmal sehr intelligent und
verdient Anerkennung, denn jeder gigantische Plan, ob gut
na māˆ duktino mūhāƒ oder schlecht, erfordert Intelligenz, um ausgeführt zu
prapadyante narādhamāƒ werden. Weil aber das Gehirn des Atheisten falsch benutzt
māyayāpahta-jñānā wird — nämlich um dem Plan des Höchsten Herrn
āsuraˆ bhāvam āśritāƒ entgegenzuwirken —, wird der atheistische Plänemacher
duktina genannt, was darauf hindeutet, daß seine
na—nicht; mām—Mir; duktinaƒ—Schurken; mūdhāƒ— Intelligenz und seine Anstrengungen in die falsche
töricht; prapadyante—ergeben sich; narādhamāƒ—die Richtung gelenkt sind.
Niedrigsten der Menschheit; māyayā—durch die In der Gītā wird klar erwähnt, daß die materielle Energie
illusionierende Energie; apahta—von Illusion gestohlen; ganz nach der Weisung des Höchsten Herrn arbeitet. Sie hat
jñānāƒ—Wissen; āsuram—dämonisch; bhāvam—Natur; keine unabhängige Autorität. Sie wirkt so, wie sich ein
āśritāƒ—indem sie annehmen. Schatten bewegt — in Übereinstimmung mit den
Bewegungen eines Gegenstandes. Nichtsdestoweniger ist
ÜBERSETZUNG die materielle Energie sehr mächtig, und aufgrund seines
gottlosen Charakters kann der Atheist weder wissen, wie sie
Jene Schurken, die abgestumpft und dumm, die die arbeitet, noch kann er den Plan des Höchsten Herrn kennen.
Niedrigsten der Menschheit sind, deren Wissen von Unter dem Einfluß von Illusion und den
Illusion gestohlen ist und die das atheistische Wesen von Erscheinungsweisen der Leidenschaft und Unwissenheit
Dämonen haben, ergeben sich Mir nicht. werden all seine Pläne vereitelt, wie es bei HiraŠyakaśipu
162

und Rāvana der Fall war, deren Pläne zu Staub zerschlagen unmißverständlich, daß es keine Autorität über Ihr gibt und
wurden, obwohl beide als Wissenschaftler, Philosophen, daß Sie die Höchste Wahrheit ist. Die zivilisierte Form des
Politiker und Erzieher in materieller Hinsicht sehr gelehrt menschlichen Lebens ist dafür bestimmt, daß der Mensch
waren. Es gibt vier Arten von duktinas oder Schurken, die das verlorene Bewußtsein seiner ewigen Beziehung zur
wie folgt beschrieben werden: Höchsten Wahrheit, der allmächtigen Persönlichkeit Gottes,
(1) Die mūhas sind diejenigen, die abgestumpft und Śrī KŠa, wiederbelebt. Jeder, der diese Gelegenheit
dumm sind wie schwer arbeitende Lasttiere. Sie wollen die unbeachtet läßt, wird als narādhama eingestuft. Wir
Früchte ihrer Arbeit selbst genießen und daher mit dem erfahren aus offenbarten Schriften, daß das Kind im
Höchsten nicht teilen. Das typische Beispiel eines Lasttieres Mutterleib (eine äußerst unbequeme Lage) zu Gott um
ist der Esel. Dieses anspruchslose Tier wird von seinem Befreiung betet und daß es verspricht, Ihn allein zu
Herrn angetrieben, sehr schwer zu arbeiten. Der Esel weiß verehren, sobald es herauskommt. Zu Gott zu beten, wenn
eigentlich nicht, für wen er Tag und Nacht so schwer man sich in Schwierigkeiten befindet, ist ein natürlicher
arbeitet. Er ist zufrieden, wenn er seinen Magen mit einem Instinkt in jedem Lebewesen, denn es ist ewig mit Gott
Büschel Gras füllen kann, wenn er eine Weile schlafen verbunden. Aber weil das Kind von māyā, der
kann — wobei er befürchten muß, von seinem Herrn illusionierenden Energie, beeinflußt wird, vergißt es nach
geschlagen zu werden — und wenn er seine sexuellen seiner Befreiung sowohl die Schwierigkeiten der Geburt als
Gelüste befriedigen kann, mit dem Risiko, vom anderen auch seinen Befreier.
Geschlecht wiederholt getreten zu werden. Der Esel singt Es ist die Pflicht derjenigen, die das Sorgerecht für Kinder
auch manchmal Poesie und Philosophie, doch dieses Iahen besitzen, das göttliche Bewußtsein, das in ihnen
stört andere nur. Das ist die Lage des dummen schlummert, wiederzubeleben. In der Manu-smti, der
fruchtbringenden Arbeiters, der nicht weiß, für wen er Anleitung für religiöse Prinzipien, werden zehn
arbeiten soll. Er weiß nicht, daß karma (Handlung) für Läuterungszeremonien vorgeschrieben, die dafür bestimmt
yajña (Opfer) bestimmt ist. sind, in der Einrichtung des varŠāśrama das Gottes-
Sehr oft sagen diejenigen, die Tag und Nacht sehr schwer bewußtsein wiederzubeleben. Heutzutage wird jedoch
arbeiten, um die Last selbstgeschaffener Pflichten zu keiner dieser Vorgänge in irgendeinem Teil der Welt streng
erleichtern, sie hätten keine Zeit, über die Unsterblichkeit befolgt, und deshalb sind 99,9 Prozent der Bevölkerung
des Lebewesens zu hören. Für solche mūhas sind narādhamas.
materielle Gewinne, die vergänglich sind, das ein und alles Wenn die gesamte Bevölkerung zu narādhamas wird, wird
ihres Lebens, obwohl die mūhas nur einen sehr geringen natürlicherweise ihre gesamte sogenannte Bildung durch
Teil der Früchte ihrer Arbeit genießen. Manchmal die allmächtige Energie der materiellen Natur zunichte
verbringen sie schlaflose Tage und Nächte für gemacht. Nach den Maßstäben der Gītā gilt ein Mensch als
fruchttragenden Gewinn, und obwohl sie an gelehrt, wenn in seinen Augen ein gelehrter brāhmaŠa, ein
Magengeschwüren oder Verdauungsstörungen leiden, sind Hund, eine Kuh, ein Elefant und ein Hundeesser gleich
sie praktisch mit keiner Nahrung zufrieden; sie sind einfach sind. Dies ist die Sicht eines wahren Gottgeweihten. Śrī
darin vertieft, zum Nutzen illusorischer Meister Tag und Nityānanda Prabhu, der die Inkarnation Gottes als
Nacht schwer zu arbeiten. Weil sie ihren wirklichen Meister göttlicher Meister ist, befreite zwei typische narādhamas,
nicht kennen, verschwenden die törichten Arbeiter ihre die Brüder Jagai und Madhai, und zeigte so, wie die
kostbare Zeit damit, dem Mammon zu dienen. Unglück- Barmherzigkeit eines wahren Gottgeweihten den
seligerweise ergeben sie sich weder dem höchsten Meister niedrigsten Menschen zuteil wird. Ein narādhama, der von
noch nehmen sie sich Zeit, aus den richtigen Quellen von der Persönlichkeit Gottes verdammt ist, kann also nur durch
Ihm zu hören. Das Schwein, das Abfall frißt, kümmert sich die Barmherzigkeit eines Gottgeweihten sein spirituelles
nicht um Süßigkeiten aus Zucker und Ghee (Butterfett). In Bewußtsein wiederbeleben.
ähnlicher Weise werden die dummen Arbeiter fortfahren, Śrī Caitanya Mahāprabhu, der den bhāgavata-dharma oder
unermüdlich von den sinnengenußreichen Neuigkeiten der die Taten der Gottgeweihten verkündete, hat den Menschen
flackernden weltlichen Kraft zu hören, die die materielle empfohlen, in ergebener Haltung die Botschaft der
Welt bewegt. Persönlichkeit Gottes zu hören. Die Essenz dieser Botschaft
(2) Eine andere Art des duktina oder Schurken wird ist die Bhagavad-gītā. Die Niedrigsten unter den Menschen
narādhama oder "Niedrigster der Menschheit" genannt. können nur durch solch ergebenes Hören befreit werden,
Nara bedeutet "Mensch", und adhama bedeutet "der aber unglücklicherweise weigern sie sich sogar, diesen
Niedrigste". Unter den 8 400 000 Lebensformen gibt es 400 Botschaften auch nur zuzuhören, geschweige denn, sich
000 menschliche Arten. Unter diesen gibt es zahlreiche dem Höchsten Herrn zu unterwerfen. Narādhamas oder die
niedere Formen menschlichen Lebens, die größtenteils Niedrigsten der Menschheit vernachlässigen die erste
unzivilisiert sind. Zu den zivilisierten Menschen zählen Pflicht des Menschen völlig.
diejenigen, die in ihrem sozialen, politischen und religiösen (3) Die nächste Klasse von duktina nennt man
Leben regulierenden Prinzipien folgen. Diejenigen, die māyayāpahta-jñāna oder diejenigen, deren umfassendes
zwar sozial und politisch entwickelt sind, aber keinen Wissen durch den Einfluß der illusionierenden materiellen
religiösen Prinzipien folgen, müssen als narādhamas Energie zunichte gemacht worden ist. Die meisten von
angesehen werden. Auch ist Religion ohne Gott keine ihnen sind sehr gelehrt — große Philosophen, Dichter,
Religion, denn der Sinn religiöser Prinzipien liegt darin, die Literaten, Wissenschaftler usw. -, doch die illusionierende
Höchste Wahrheit und die Beziehung des Menschen zu Ihr Energie führt sie in die Irre, und daher gehorchen sie dem
zu erkennen. In der Gītā erklärt die Persönlichkeit Gottes Höchsten Herrn nicht.
163

Heutzutage gibt es sogar unter den Gelehrten der Gītā eine jñānī ca bharatarabha
große Anzahl māyayāpahta-jñānas. In der Gītā wird mit
einfachen und verständlichen Worten erklärt, daß Śrī KŠa catur-vidhāƒ—vier Arten von; bhajante—leisten Dienste;
die Höchste Persönlichkeit Gottes ist. Es gibt niemanden, mām—Mir; janāƒ—Menschen; suktinaƒ—diejenigen, die
der Ihm gleichkommt oder größer ist als Er. Er wird als der fromm sind; arjuna—o Arjuna; ārtaƒ—der Notleidende;
Vater Brahmās, des ursprünglichen Vaters aller Lebewesen, jijñāsuƒ—der Wißbegierige; artha-arthī—einer, der
bezeichnet. Ja, Śrī KŠa gilt nicht nur als der Vater materiellen Gewinn begehrt; jñānī—einer, der die Dinge
Brahmās, sondern auch als der Vater aller Lebensformen. kennt, wie sie sind; ca—auch; bharatarabha—o Bester
Er ist die Wurzel des unpersönlichen Brahman und des unter den Nachkommen Bhāratas.
Paramātmā. Die Überseele in jedem Lebewesen ist Sein
vollständiger Teil. Er ist der Urquell allen Seins, und jedem ÜBERSETZUNG
wird geraten, sich Seinen Lotosfüßen zu ergeben. Trotz all
dieser deutlichen Aussagen verspotten die O Bester unter den Bhāratas [Arjuna], vier Arten
māyayāpahta-jñānas die Persönlichkeit des Höchsten frommer Menschen dienen Mir in Hingabe — der
Herrn und halten Ihn lediglich für einen gewöhnlichen Notleidende, derjenige, der nach Reichtum begehrt, der
Menschen. Sie wissen nicht, daß die gesegnete Form des Neugierige und derjenige, der nach der Absoluten
menschlichen Lebens nach der ewigen und Wahrheit sucht.
transzendentalen Gestalt des Höchsten Herrn entworfen ist.
Alle unautorisierten Interpretationen der Gītā seitens der ERLÄUTERUNG
māyayāpahta-jñānas, außerhalb des paramparā-Systems,
bilden nur Hindernisse auf dem Pfad spirituellen Im Gegensatz zu den Schurken folgen diese Menschen den
Verstehens. Weder ergeben sich diese verblendeten regulierenden Prinzipien der Schriften und werden daher
Interpreten den Lotosfüßen Śrī KŠas, noch lehren sie suktina genannt oder diejenigen, die den Regeln und
andere, diesem Prinzip zu folgen. Regulierungen der Schriften und den Moral- und
(4) Die letzte Klasse von duktina wird als āsuraˆ Sozialgesetzen gehorchen und mehr oder weniger dem
bhāvam āśrita bezeichnet; es sind diejenigen, die Höchsten Herrn ergeben sind. Sie werden in vier Gruppen
dämonischen Prinzipien folgen. Diese Gruppe ist unverhüllt unterteilt: diejenigen, die manchmal Not leiden; diejenigen,
atheistisch. Einige von ihnen argumentieren, der Höchste die Geld brauchen; diejenigen, die manchmal Fragen
Herr könne niemals in die materielle Welt herabsteigen, stellen, und diejenigen, die manchmal nach Wissen von der
doch sind sie nicht imstande, irgendwelche stichhaltigen Absoluten Wahrheit suchen. Diese Menschen kommen zum
Gründe dafür anzugeben, warum dies nicht möglich sein Höchsten Herrn, um Ihm unter verschiedenen Bedingungen
soll. Es gibt andere, die Ihn dem unpersönlichen Aspekt hingebungsvollen Dienst zu leisten. Sie sind keine reinen
unterordnen, obwohl in der Gītā das Gegenteil erklärt wird. Gottgeweihten, weil sie im Austausch für hingebungsvollen
Da der Atheist die Höchste Persönlichkeit Gottes beneidet, Dienst bestimmte Wünsche erfüllt haben wollen. Reiner
wird er eine Anzahl von unzulässigen Inkarnationen hingebungsvoller Dienst ist frei von Bestrebungen und
präsentieren, die er in der Fabrik seines Gehirns produziert ohne den Wunsch nach materiellem Profit. Der
hat. Solche Menschen, deren Lebensprinzip es ist, die Bhakti-rasāmta-sindhu definiert reine Hingabe auf
Persönlichkeit Gottes herabzuwürdigen, können sich den folgende Weise:
Lotosfüßen Śrī KŠas nicht ergeben.
Śrī Yāmunācārya Albandru aus Südindien sagte: "O mein anyābhilāitāśūnyaˆ jñāna-karmādy-anāvtam
Herr! Du bist von Menschen mit atheistischen Prinzipien ānukūlyena kŠānuśīlanaˆ bhaktir uttamā
nicht zu erkennen — trotz Deiner ungewöhnlichen
Eigenschaften, Merkmale und Taten, trotz Deiner "Man sollte dem Höchsten Herrn, KŠa, transzendentalen
Persönlichkeit, die von allen offenbarten Schriften in der liebevollen Dienst in einer wohlgesinnten Haltung
Erscheinungsweise der Tugend bestätigt wird, und obwohl darbringen, ohne das Verlangen nach materiellem Profit
Du von allen berühmten Autoritäten anerkannt wirst, die oder Gewinn durch fruchtbringende Tätigkeiten oder
für ihr tiefgründiges Wissen in der transzendentalen philosophische Spekulation. Das wird reiner
Wissenschaft berühmt sind und die göttliche Eigenschaften hingebungsvoller Dienst genannt."
besitzen." Wenn diese vier Arten von Menschen zum Höchsten Herrn
(l) Die abgestumpften und dummen Menschen, (2) die kommen, um Ihm hingebungsvollen Dienst darzubringen,
Niedrigsten der Menschheit, (3) die irregeführten und durch das Zusammensein mit einem reinen
Spekulanten und (4) die erklärten Atheisten ergeben sich Gottgeweihten vollständig gereinigt sind, werden sie
also, wie oben erwähnt wurde, trotz aller Ratschläge der ebenfalls zu reinen Gottgeweihten. Was die Schurken
Schriften und Autoritäten niemals den Lotosfüßen der betrifft, so ist hingebungsvoller Dienst für sie sehr
Persönlichkeit Gottes. schwierig, weil ihr Leben selbstsüchtig, unreguliert und
ohne spirituelle Ziele ist. Aber sogar einige von ihnen
VERS 16 werden zu reinen Gottgeweihten, wenn sie zufällig mit
einem reinen Gottgeweihten zusammenkommen.
catur-vidhā bhajante māˆ Diejenigen, die immer emsig fruchtbringenden Tätigkeiten
janāƒ suktino'rjuna nachgehen, wenden sich an den Herrn, wenn sie in
ārto jijñāsur arthārthī materieller Not sind, kommen dann mit reinen
164

Gottgeweihten zusammen und werden in ihrer Not man, daß man dem Wesen nach der ewige Diener Gottes
Geweihte des Herrn. Solche, die einfach frustriert sind, ist. Durch die Gemeinschaft mit reinen Gottgeweihten
suchen ebenfalls manchmal reine Gottgeweihte auf und werden also der Neugierige, der Notleidende, derjenige, der
werden wißbegierig, etwas über Gott zu erfahren. In nach materieller Verbesserung strebt, und derjenige, der
ähnlicher Weise wollen bisweilen die trockenen über Wissen verfügt, alle ebenfalls rein. Im Vorbe-
Philosophen, wenn sie auf jedem Wissensgebiet frustriert reitungsstadium aber ist derjenige, der volles Wissen vom
sind, über Gott lernen, und sie kommen zum Höchsten Höchsten Herrn hat und zugleich hingebungsvollen Dienst
Herrn, um hingebungsvollen Dienst zu leisten und ausführt, dem Herrn sehr lieb. Wer im reinen Wissen von
transzendieren so das unpersönliche Brahman und den der Transzendenz der Höchsten Persönlichkeit Gottes
lokalisierten Paramātmā und kommen durch die Gnade des verankert ist, wird im hingebungsvollen Dienst so gut
Höchsten Herrn oder Seines reinen Geweihten zur beschützt, daß materielle Verunreinigungen ihn nicht
persönlichen Auffassung von Gott. Wenn also die berühren können.
Notleidenden, die Neugierigen, die nach Wissen Suchenden
und diejenigen, die in Geldnot sind, frei von allen VERS 18
materiellen Wünschen sind und vollständig verstehen, daß
materielle Entlohnung nichts mit spiritueller udārāƒ sarva evaite
Vervollkommnung zu tun hat, werden sie zu reinen jñānī tv ātmaiva me matam
Gottgeweihten. Solange die Gottgeweihten im āsthitaƒ sa hi yuktātmā
transzendentalen Dienst des Herrn solch eine gereinigte mām evānuttamāˆ gatim
Stufe nicht erreicht haben, sind sie durch fruchtbringende
Tatigkeiten befleckt und suchen nach weltlichem Wissen udārāƒ—großmütig; sarve—alle; eva—gewiß; ete—diese;
usw. Man muß daher all diese Dinge hinter sich lassen, jñānī—jemand, der in Wissen gründet; tu—aber; ātmā
bevor man zur Stufe reinen hingebungsvollen Dienstes eva—genau wie Ich Selbst; me—Meine; matam—Meinung;
kommen kann. āsthitaƒ—verankert; saƒ—er; hi—gewiß; yukta-ātmā—im
hingebungsvollen Dienst tätig; mām—für Mich; eva—
VERS 17 gewiß; anuttamām—das höchste Ziel; gatim—
Bestimmungsort.
teāˆ jñānī nitya-yukta
eka-bhaktir viśiyate ÜBERSETZUNG
priyo hi jñānino' tyartham
ahaˆ sa ca mama priyaƒ All diese Geweihten sind zweifellos große Seelen, doch
derjenige, der im Wissen über Mich gründet, weilt
teām—von ihnen; jñānī—jemand in vollem Wissen; Meines Erachtens wahrhaft in Mir. Weil er in Meinem
nitya-yuktaƒ—immer beschäftigt; eka—nur einer; bhaktiƒ— transzendentalen Dienst tätig ist, erreicht er Mich.
hingebungsvoller Dienst; viśiyate—besonders; priyaƒ—
sehr lieb; hi—gewiß; jñāninaƒ—Mensch in Wissen; ERLÄUTERUNG
atyartham—hoch; aham—Ich bin; saƒ—er; ca—auch;
mama—Mein; priyaƒ—lieb. Es ist nicht so, daß andere Geweihte, die über weniger
Wissen verfügen, dem Herrn nicht lieb sind. Der Herr sagt,
ÜBERSETZUNG daß sie alle großmütig sind, weil jeder, der aus irgendeinem
Grund zum Herrn kommt, als mahātmā oder große Seele zu
Von ihnen ist der Weise, der in völligem Wissen mit Mir bezeichnen ist. Die Gottgeweihten, die aus
durch reinen hingebungsvollen Dienst vereinigt ist, der hingebungsvollem Dienst einen Nutzen ziehen wollen,
beste; denn Ich bin ihm sehr lieb, und er ist Mir lieb. werden vom Herrn akzeptiert, weil ein Austausch von
Zuneigung stattfindet. Aus Zuneigung bitten sie den Herrn
ERLÄUTERUNG um einen materiellen Vorteil, und wenn sie ihn bekommen,
werden sie so zufrieden, daß sie auch im hingebungsvollen
Frei von allen Verunreinigungen durch materielle Dienst Fortschritte machen. Der Gottgeweihte in völligem
Wünsche, können die Notleidenden, die Neugierigen, die Wissen aber ist dem Herrn sehr lieb, weil es sein einziges
Mittellosen und die nach höchstem Wissen Suchenden alle Ziel ist, dem Höchsten Herrn mit Liebe und Hingabe zu
zu reinen Gottgeweihten werden. Doch nur wer von ihnen dienen. Solch ein Gottgeweihter kann nicht eine Sekunde
im Wissen über die Absolute Wahrheit gründet und von leben, ohne mit dem Höchsten Herrn verbunden zu sein
allen materiellen Wünschen frei ist, kann ein wirklich oder Ihm zu dienen. In ähnlicher Weise liebt auch der
reiner Geweihter des Herrn werden. Von diesen vier Arten Höchste Herr Seinen Geweihten sehr und kann von ihm
ist der Gottgeweibte, der über vollständiges Wissen verfügt nicht getrennt sein.
und gleichzeitig im hingebungsvollen Dienst tätig ist, der Im Śrīmad-Bhāgavatam (9.4.63) sagt der Herr:
beste, sagt der Herr. Wenn man nach Wissen forscht,
erkennt man, daß das Selbst vom materiellen Körper ahaˆ bhakta-parādhīno
verschieden ist, und wenn man weitere Fortschritte macht, hy asvatantra iva dvija
erlangt man Wissen über das unpersönliche Brahman und sādhubhir grasta-hdayo
den Paramātmā. Wenn man völlig gereinigt ist, erkennt bhaktair bhakta-jana-priyaƒ
165

Vāsudeva alldurchdringend und alles Vāsudeva ist, ergibt


"Die Gottgeweihten sind immer in Meinem Herzen, und Ich sich der Gottgeweihte in vollem Wissen." (Vgl. Bg. 7.17
bin immer im Herzen der Gottgeweihten. Der Gottgeweihte und 11.40)
kennt nichts außer Mir, und auch Ich kann den
Gottgeweihten nicht vergessen. Zwischen Mir und den VERS 20
reinen Gottgeweihten besteht eine innige Beziehung. Reine
Gottgeweihte in völligem Wissen sind niemals ohne kāmais tais tair hta jñānāƒ
spirituelle Verbindung, und daher sind sie Mir sehr lieb." prapadyante'nya-devatāƒ
taˆ taˆ niyamam āsthāya
VERS 19 praktyā niyatāƒ svayā

bahūnāˆ janmanām ante kāmaiƒ—durch Wünsche; taiƒ—durch diese; taiƒ—durch


jñānavān māˆ prapadyate diese; hta—verzerrt; jñānāƒ—Wissen; prapadyante—
vāsudevaƒ sarvam iti ergeben sich; anya—anderen; devatāƒ—Halbgöttern; tam—
sa mahātmā sudurlabhaƒ diesen; tam—diesen; niyamam—Regeln; āsthāya—folgend;
praktyā—von Natur aus; niyatāƒ—beherrscht; svayā—von
bahūnām—viele; janmanām—Geburten; ante—nach; ihrer eigenen.
jñānavān—jemand, der über Wissen verfügt; mām—Mir;
prapadyate—ergibt sich; vāsudevaƒ—Ursache aller Ur- ÜBERSETZUNG
sachen; sarvam—alles; iti—so; saƒ—solche; mahātmā—
große Seele; sudurlabhaƒ—sehr selten. Diejenigen, deren Geist durch materielle Wünsche
verzerrt ist, ergeben sich Halbgöttern und folgen, ihrem
ÜBERSETZUNG eigenen Wesen entsprechend, bestimmten Regeln und
Vorschriften der Verehrung.
Wer nach vielen Geburten und Toden tatsächlich in
Wissen gründet, ergibt sich Mir, da er weiß, daß Ich die ERLÄUTERUNG
Ursache aller Ursachen und daß Ich alles bin. Solch eine
große Seele ist sehr selten. Diejenigen, die von allen materiellen Verunreinigungen
befreit sind, ergeben sich dem Höchsten Herrn und
ERLÄUTERUNG beschäftigen sich in Seinem hingebungsvollen Dienst. So
lange die materielle Verunreinigung nicht vollständig
Während das Lebewesen nach vielen, vielen Geburten fortgewaschen ist, sind sie von Natur aus
hingebungsvollen Dienst oder transzendentale Rituale Nichtgottgeweihte. Aber selbst diejenigen, die materielle
ausführt, mag es in transzendentalem reinem Wissen Wünsche haben und beim Höchsten Herrn Zuflucht suchen,
verankert werden und erkennen, daß die Höchste werden von der äußeren Natur nicht übermäßig angezogen,
Persönlichkeit Gottes das endgültige Ziel spiritueller und weil sie sich dem wahren Ziel nähern, werden sie bald
Erkenntnis ist. Zu Beginn spiritueller Erkenntnis, während von aller materiellen Lust frei. Im Śrīmad-Bhāgavatam
man versucht, seine Anhaftung an den Materialismus (2.3.10) wird empfohlen:
aufzugeben, neigt man sehr leicht zur "Ganz gleich, ob man frei von allen materiellen Verlangen
Unpersönlichkeitslehre; doch wenn man weitere ist, ob man voller materieller Verlangen ist, ob man nach
Fortschritte macht, kann man verstehen, daß es im Befreiung von der materiellen Verunreinigung strebt oder
spirituellen Leben Tätigkeiten gibt und daß diese Tätigkei- ob man ein reiner Gottgeweihter ist und kein Verlangen
ten den hingebungsvollen Dienst ausmachen. Wenn man nach Sinnenbefriedigung hat — in jedem Fall sollte man
dies erkennt, entwickelt man Anhaftung an die Höchste sich Vāsudeva ergeben und Ihn verehren."
Persönlichkeit Gottes und ergibt sich dem Herrn. Dann Im Bhāgavatam heißt es auch, daß weniger intelligente
kann man verstehen, daß Śrī KŠas Barmherzigkeit alles Menschen, die ihr spirituelles Verständnis verloren haben,
ist, daß Er die Ursache aller Ursachen ist und daß die bei Halbgöttern Zuflucht suchen, um sich ihre materiellen
materielle Manifestation nicht unabhängig von Ihm Wünsche umgehend erfüllen zu lassen. Im allgemeinen
existiert. Man erkennt, daß die materielle Welt eine wenden sich solche Menschen nicht an die Höchste
verzerrte Spiegelung der spirituellen Mannigfaltigkeit ist Persönlichkeit Gottes, da sie sich in bestimmten
und daß alles eine Beziehung zum Höchsten Herrn, Śrī Erscheinungsweisen der Natur (Unwissenheit und
KŠa, hat. Auf diese Weise sieht man alles in Beziehung Leidenschaft) befinden und deshalb verschiedene
zu Vāsudeva oder Śrī KŠa. Solch eine universale Sicht Halbgötter verehren. Indem sie den Regeln und
von Vāsudeva beschleunigt unsere völlige Hingabe an den Vorschriften der Verehrung folgen, sind sie zufrieden. Die
Höchsten Herrn, Śrī KŠa, als das höchste Ziel. Solche Verehrer der Halbgötter sind von kleinen Wünschen
ergebenen großen Seelen sind sehr selten. motiviert und wissen nicht, wie das höchste Ziel zu
Dieser Vers wird sehr schön im Dritten Kapitel der erreichen ist; doch ein Geweihter des Höchsten Herrn läßt
Śvetāśvatara Upaniad erklärt: "In unserem Körper wirken sich nicht irreführen. Weil in den vedischen Schriften
die Kräfte des Sprechens, des Sehens, des Hörens, mentaler empfohlen wird, für verschiedene Zwecke verschiedene
Tätigkeiten usw. Sie sind jedoch unbedeutend, wenn sie Götter zu verehren (zum Beispiel wird einem Kranken
nicht mit dem Höchsten Herrn verbunden sind. Und weil empfohlen, die Sonne zu verehren), glauben diejenigen, die
166

keine Geweihten des Herrn sind, für bestimmte Zwecke Gottes bewegen. Wie in den vedischen Schriften empfohlen
seien Halbgötter besser als der Höchste Herr. Ein reiner wird, wenden sich Menschen, die in der materiellen Welt
Gottgeweihter jedoch weiß, daß der Höchste Herr, KŠa, Not leiden, im allgemeinen an die Halbgötter. Jemand, der
der Meister aller ist. Im Caitanya-caritāmta wird gesagt, etwas Bestimmtes begehrt, kann den dafür zuständigen
daß nur die Höchste Persönlichkeit Gottes, KŠa, Meister Halbgott verehren. Einem Kranken zum Beispiel wird
ist und daß alle anderen Diener sind. Deshalb wendet sich empfohlen, den Sonnengott zu verehren; ein Mensch, der
ein reiner Gottgeweihter niemals an die Halbgötter, um sich gebildet sein möchte, kann die Göttin der Gelehrsamkeit,
seine materiellen Bedürfnisse erfüllen zu lassen. Er verläßt Sarasvatī, verehren, und jemand, der eine schöne Frau
sich auf den Höchsten Herrn und ist mit dem zufrieden, was begehrt, kann die Göttin Umā, die Gemahlin Śivas,
immer dieser ihm gibt. verehren. Auf diese Weise gibt es in den śāstras (den
vedischen Schriften) Empfehlungen, wie man verschiedene
VERS 21 Halbgötter auf verschiedene Weise verehren kann. Und
weil ein bestimmtes Lebewesen eine bestimmte materielle
yo yo yāˆ yāˆ tanuˆ bhaktaƒ Annehmlichkeit genießen will, weckt der Herr in ihm ein
śraddhayārcitum icchati starkes Verlangen, diese Segnung von dem betreffenden
tasya tasyācalāˆ śraddhāˆ Halbgott zu erlangen, und so hat das Lebewesen Erfolg und
tām eva vidadhāmy aham wird mit dem Gewünschten gesegnet. Der Höchste Herr
sorgt ebenfalls dafür, in welcher Haltung das Lebewesen
yaƒ-diese; yaƒ—diese; yām—welche; yām—welche; einen bestimmten Halbgott verehrt. Die Halbgötter können
tanum—Form der Halbgötter; bhaktaƒ—Gottgeweihter; die Lebewesen nicht mit einer solchen Neigung erfüllen,
śraddhayā—mit Glauben; arcitum—zu verehren; icchati— aber weil KŠa der Höchste Herr oder die Überseele ist,
wünscht; tasya—von diesem; tasya—von diesem; die im Herzen aller Lebewesen gegenwärtig ist, veranlaßt
acalām—fest; śraddhām—Glauben; tām—ihm; eva— Er den Menschen, bestimmte Halbgötter zu verehren. Die
sicherlich; vidadhāmi—gebe; aham—Ich. Halbgötter sind eigentlich verschiedene Teile des
universalen Körpers des Höchsten Herrn; deshalb haben sie
ÜBERSETZUNG keine Unabhängigkeit. In der vedischen Literatur (Taittirīya
Upaniad, Erster Anuvāka) heißt es: "Die Höchste
Ich weile als Überseele im Herzen eines jeden. Sobald Persönlichkeit Gottes ist als Überseele auch im Herzen des
jemand den Wunsch hat, die Halbgötter zu verehren, Halbgottes gegenwärtig; daher sorgt Sie durch den Halbgott
festige Ich seinen Glauben, so daß er sich einer dafür, daß der Wunsch des Lebewesens erfüllt wird. Aber
bestimmten Gottheit hingeben kann. sowohl der Halbgott als auch das Lebewesen sind vom
höchsten Willen abhängig. Sie sind nicht unabhängig."
ERLÄUTERUNG
VERS 22
Gott hat jedem Unabhängigkeit gegeben; wenn daher
jemand den Wunsch hat, materiellen Genuß zu erfahren, sa tayā śraddhayā yuktas
und sich aufrichtig die Möglichkeiten hierzu von den tasyārādhanam īhate
materiellen Halbgöttern wünscht, versteht dies der Höchste labhate ca tataƒ kāmān
Herr als Überseele im Herzen eines jeden und gewährt mayaiva vihitān hi tān
solchen Menschen diese Möglichkeiten. Als der höchste
Vater aller Lebewesen mischt Er Sich nicht in ihre saƒ—er; tayā—mit diesem; śraddhayā—mit Glauben;
Unabhängigkeit ein, sondern gibt alle Möglichkeiten, so yuktaƒ—ausgestattet; tasya—seine; ārādhanam—
daß sie sich ihre materiellen Wünsche erfüllen können. Verehrung; īhate—sucht; labhate—erhält; ca—und; tataƒ—
Manche mögen fragen, warum der allmächtige Gott den wovon; kamān—Wünsche; mayā—von Mir; eva—allein;
Lebewesen die Gelegenheit gibt, die materielle Welt zu vihitān—reguliert; hi—für; tān—diejenigen.
genießen, und sie damit in die Falle der illusionierenden
Energie gehen läßt. Die Antwort lautet, daß unsere ÜBERSETZUNG
Unabhängigkeit keine Bedeutung hätte, wenn der Höchste
Herr als Überseele diese Möglichkeiten nicht gäbe. Deshalb Mit solchem Glauben versehen, sucht er die Gunst eines
gewährt Er jedem völlige Unabhängigkeit — was immer bestimmten Halbgottes, und seine Wünsche werden
man möchte — aber Seine endgültige Anweisung finden erfüllt. Doch in Wirklichkeit werden diese Segnungen
wir in der Bhagavad-gītā: Der Mensch soll alle anderen von Mir allein erteilt.
Beschäftigungen aufgeben und sich Ihm völlig ergeben.
Das wird die Menschen glücklich machen. ERLÄUTERUNG
Sowohl das Lebewesen als auch die Halbgötter sind dem
Willen der Höchsten Persönlichkeit Gottes untergeordnet; Ohne die Einwilligung des Höchsten Herrn können die
deshalb kann das Lebewesen einen Halbgott nicht aus Halbgötter ihren Geweihten keine Segnung gewähren. Das
seinem eigenen Verlangen heraus verehren, noch kann ein Lebewesen mag vergessen, daß alles das Eigentum des
Halbgott irgendeine Segnung ohne den höchsten Willen Höchsten Herrn ist, doch die Halbgötter vergessen dies
erteilen. Wie gesagt wird, kann sich nicht einmal ein nicht. Die Verehrung der Halbgötter und das Erreichen der
Grashalm ohne den Willen der Höchsten Persönlichkeit gewünschten Ergebnisse hängen also nicht von den
167

Halbgöttern ab, sondern von den Vorkehrungen der so, daß jeder, egal welchen Halbgott er verehrt, die Höchste
Höchsten Persönlichkeit Gottes. Das weniger intelligente Persönlichkeit Gottes erreichen wird. Das wird hier
Lebewesen weiß dies nicht und wendet sich daher verneint, denn es heißt klar, daß die Verehrer der
törichterweise an die Halbgötter, um einen Vorteil zu Halbgötter zu den verschiedenen Planeten der Halbgötter in
bekommen. Der reine Gottgeweihte aber betet nur zum der materiellen Welt gelangen, daß aber der Geweihte des
Höchsten Herrn, wenn er etwas braucht. Um materielle Höchsten Herrn direkt den höchsten Planeten der
Vorteile zu bitten ist jedoch nicht das Zeichen eines reinen Persönlichkeit Gottes erreicht.
Gottgeweihten. Ein Lebewesen wendet sich gewöhnlich an Man mag nun einwenden: Wenn die Halbgötter
die Halbgötter, weil es verrückt danach ist, seine Lust zu verschiedene Teile des Körpers des Höchsten Herrn sind,
befriedigen. Dies geschieht, wenn sich das Lebewesen dann müßte man durch ihre Verehrung das gleiche Ziel
etwas Ungebührliches wünscht und der Herr Selbst den erreichen. Die Verehrer der Halbgötter sind jedoch weniger
Wunsch nicht erfüllt. Im Caitanya-caritāmta heißt es, daß intelligent, da sie nicht wissen, welchem Teil des Körpers
jemand, der den Höchsten Herrn verehrt und gleichzeitig Nahrung zugeführt werden muß. Einige von ihnen sind so
nach materiellem Genuß trachtet, widersprüchliche verblendet, daß sie behaupten, man könne vielen
Wünsche hat. Hingebungsvoller Dienst für den Höchsten Körperteilen auf verschiedenen Wegen Nahrung zuführen.
Herrn und die Verehrung eines Halbgottes können sich Diese Ansicht ist nicht sehr vernünftig, denn kann jemand
nicht auf der gleichen Ebene befinden, weil die Verehrung seinem Körper durch die Augen oder Ohren Nahrung
eines Halbgottes materiell und hingebungsvoller Dienst für zuführen? Sie wissen nicht, daß die Halbgötter
den Höchsten Herrn völlig spirituell ist. verschiedene Teile des universalen Körpers des Höchsten
Für das Lebewesen, das den Wunsch hat, zu Gott Herrn sind, und so glauben sie in ihrer Unwissenheit, jeder
zurückzukehren, sind materielle Wünsche Hindernisse. einzelne Halbgott sei ein gesonderter Gott und ein Rivale
Einem reinen Geweihten des Herrn werden deshalb die des Höchsten Herrn.
materiellen Vorteile nicht gewährt, die von weniger Nicht nur die Halbgötter sind Teile des Höchsten Herrn,
intelligenten Lebewesen begehrt werden, welche es sondern auch die gewöhnlichen Lebewesen. Im
vorziehen, lieber die Halbgötter der materiellen Welt zu Śrīmad-Bhāgavatam heißt es, daß die brāhmaŠas der Kopf
verehren, als sich im hingebungsvollen Dienst des des Höchsten Herrn sind, die katriyas die Arme usw., und
Höchsten Herrn zu beschäftigen. daß sie alle verschiedene Funktionen haben. Wenn jemand
weiß, daß sowohl die Halbgötter als auch er selbst —
VERS 23 ungeachtet der verschiedenen Positionen — winzige
Bestandteile des Höchsten Herrn sind, ist sein Wissen
antavat tu phalaˆ teāˆ vollkommen. Wenn er dies jedoch nicht versteht, erreicht er
tad bhavaty alpa-medhasām verschiedene Planeten, auf denen die Halbgötter wohnen.
devān deva-yajo yānti Dies ist nicht der gleiche Bestimmungsort wie der, den der
mad-bhaktā yānti mām api Gottgeweihte erreicht.
Die Ergebnisse, die durch die Segnungen der Halbgötter
antavat tu—begrenzt und zeitweilig; phalam—Früchte; erreicht werden, sind vergänglich, weil in der materiellen
teām—ihre; tat—dieses; bhavati—wird; alpa-medhasām— Welt die Planeten, die Halbgötter und ihre Verehrer alle
von denen mit geringer Intelligenz; devān—Planeten der vergänglich sind. Deshalb wird in diesem Vers klar gesagt,
Halbgötter; deva-yajaƒ—Verehrer der Halbgötter; yānti— daß alle Ergebnisse der Halbgötterverehrung vergänglich
erreichen; mat—Meine; bhaktāƒ—Geweihten; yānti— sind, und daher wird solche Verehrung nur von dem
erreichen; mām—Mich; api—sicherlich. weniger intelligenten Lebewesen betrieben. Weil der reine
Gottgeweihte, der im KŠa-Bewußtsein im
ÜBERSETZUNG hingebungsvollen Dienst des Höchsten Herrn tätig ist, ein
ewiges glückseliges Dasein voller Wissen erreicht,
Menschen mit geringer Intelligenz verehren die unterscheidet sich sein Erfolg vom Erfolg des
Halbgötter, und ihre Früchte sind begrenzt und gewöhnlichen Verehrers der Halbgötter. Der Höchste Herr
vergänglich. Die Verehrer der Halbgötter gehen zu den ist unbegrenzt; Seine Gunst ist unbegrenzt, und Seine
Planeten der Halbgötter, doch Meine Geweihten Barmherzigkeit ist unbegrenzt. Deshalb ist die
erreichen letztlich Meinen höchsten Planeten. Barmherzigkeit, die der Höchste Herr Seinen reinen
Geweihten gewährt, unbegrenzt.
ERLÄUTERUNG
VERS 24
Einige Kommentatoren der Gītā sagen, daß jemand, der
einen Halbgott verehre, den Höchsten Herrn erreichen avyaktaˆ vyaktim āpannaˆ
könne, doch hier wird eindeutig gesagt, daß die Verehrer manyante mām abuddhayaƒ
der Halbgötter zu den verschiedenen Plantensystemen paraˆ bhāvam ajānanto
gehen, auf denen verschiedene Halbgötter leben. Ein mamāvyayam anuttamam
Verehrer der Sonne erreicht zum Beispiel die Sonne, und
ein Verehrer des Mondgottes gelangt zum Mond. Wenn avyaktam—nicht manifestiert; vyaktim—Persönlichkeit;
jemand einen Halbgott wie Indra verehren will, so kann er āpannam—erreicht; manyante-denken; mām—von Mir;
den Planeten dieses jeweiligen Gottes erreichen. Es ist nicht abuddhayaƒ—weniger intelligente Menschen; param—
168

höchster; bhāvam—Seinszustand; ajānantaƒ—ohne zu verstehen können, glauben sie folglich, KŠa sei nur der
kennen; mama—Meinen; avyayam-unvergänglich; Sohn Devakīs und Vasudevas oder ein Prinz oder ein
anuttamam—der feinste. mächtiges Lebewesen. Das wird ebenfalls in der
Bhagavad-gītā (9.11.) verurteilt: "Nur die Toren halten
ÜBERSETZUNG Mich für einen gewöhnlichen Menschen." Tatsache ist, daß
niemand KŠa verstehen kann, ohne hingebungsvollen
Unintelligente Menschen, die Mich nicht kennen, Dienst zu leisten und KŠa-Bewußtsein zu entwickeln. Die
glauben, Ich hätte diese Gestalt und Persönlichkeit Gītā bestätigt das.
angenommen. Weil sie nur über geringes Wissen Man kann KŠa, die Höchste Persönlichkeit Gottes, Seine
verfügen, kennen sie Mein höheres Wesen nicht, das Gestalt, Seine Eigenschaften oder Seinen Namen nicht
ohne Wandel und erhaben ist. durch gedankliche Spekulation oder Erörterung der
vedischen Literatur verstehen. Man muß Ihn durch
ERLÄUTERUNG hingebungsvollen Dienst verstehen. Nur dann, wenn man
völlig im KŠa-Bewußtsein beschäftigt ist, das mit dem
Diejenigen, die die Halbgötter verehren, sind als weniger Chanten des mahā-mantra — Hare KŠa, Hare KŠa,
intelligente Menschen beschrieben worden, und hier wird KŠa KŠa, Hare Hare / Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma
Ähnliches über die Unpersönlichkeitsanhänger gesagt. Śrī Rāma, Hare Hare — beginnt, kann man die Höchste
KŠa spricht hier zu Arjuna in Seiner persönlichen Gestalt, Persönlichkeit Gottes verstehen. Nichtgottgeweihte
und dennoch behaupten Unpersönlichkeitsanhänger in ihrer Unpersönlichkeitsphilosophen glauben, KŠa habe einen
Unwissenheit, der Höchste Herr habe letztlich keine Form. von der materiellen Natur geschaffenen Körper und all
Yāmunācārya, ein großer Geweihter des Herrn in der Seine Taten, Seine Gestalt und alles andere seien māyā.
Schülernachfolge Rāmānujācāryas, hat in in diesem Diese Unpersönlichkeitsanhänger sind als Māyāvādīs
Zusammenhang zwei sehr treffende Verse geschrieben. Er bekannt. Sie kennen die endgültige Wahrheit nicht.
sagt: "Mein lieber Herr, Gottgeweihte wie Vyāsadeva und Im 20. Vers heißt es klar: "Diejenigen, die durch lustvolle
Nārada wissen, daß Du die Persönlichkeit Gottes bist. Wünsche verblendet sind, ergeben sich den verschiedenen
Wenn man verschiedene vedische Schriften versteht, kann Halbgöttern." Es ist unbestritten, daß es neben der
man dahin gelangen, Deine Merkmale, Deine Gestalt und Höchsten Persönlichkeit Gottes Halbgötter gibt, die ihre
Deine Taten zu kennen, und so kann man verstehen, daß verschiedenen Planeten haben (Bg. 7.23), und auch der
Du die Höchste Persönlichkeit Gottes bist. Doch Herr hat einen Planeten. Es wird auch gesagt, daß die
diejenigen, die sich in den Erscheinungsweisen der Verehrer der Halbgötter zu den verschiedenen Planeten der
Leidenschaft und Unwissenheit befinden, die Dämonen, die Halbgötter gelangen und daß die Geweihten Śrī KŠas den
Nichtgottgeweihten, können Dich nicht verstehen. Sie sind KŠaloka-Planeten erreichen. Obwohl dies klar gesagt
unfähig, Dich zu verstehen. Ganz gleich, wie kundig solche wird, halten die törichten Unpersönlichkeitsanhänger
Nichtgottgeweihten darin sein mögen, den Vedānta, die immer noch an der Vorstellung fest, der Herr sei formlos
Upaniaden und andere vedische Schriften zu diskutieren, und Seine Formen seien Täuschungen. Geht aus dem
es ist ihnen nicht möglich, die Persönlichkeit Gottes zu Studium der Gītā etwa hervor, daß die Halbgötter und ihre
verstehen." Aufenthaltsorte unpersönlich sind? Es ist klar, daß weder
In der Brahma-saˆhitā wird gesagt, daß die Persönlichkeit die Halbgötter noch KŠa, die Höchste Persönlichkeit
Gottes nicht einfach durch das Studium der Gottes, unpersönlich sind. Sie sind alle Personen; Śrī KŠa
Vedānta-Literatur verstanden werden kann. Nur durch die ist die Höchste Persönlichkeit Gottes; Er hat Seinen eigenen
Barmherzigkeit des Höchsten Herrn kann die Persönlichkeit Planeten, und auch die Halbgötter haben ihre Planeten.
des Höchsten erkannt werden. Deshalb heißt es in diesem Deshalb ist die monistische Behauptung, die endgültige
Vers, daß nicht nur die Verehrer der Halbgötter weniger Wahrheit sei formlos und jede Form sei Einbildung, falsch.
intelligent sind, sondern auch die Nichtgottgeweihten, die Es wird hier eindeutig gesagt, daß sie keine Einbildung ist.
sich ohne die geringste Spur wahren KŠa-Bewußtseins Aus der Gītā können wir klar verstehen, daß die Formen
mit dem Vedānta befassen und über die vedische Literatur der Halbgötter und die Gestalt des Höchsten Herrn
spekulieren. Ihnen ist es auch nicht möglich, das gleichzeitig existieren und daß Śrī KŠa sac-cid-ānanda
persönliche Wesen Gottes zu verstehen. Menschen, die oder ewiges, glückseliges Wissen ist. Die Veden bestätigen
unter dem Eindruck stehen, die Absolute Wahrheit sei ebenfalls, daß die Höchste Absolute Wahrheit ānandamaya
unpersönlich, werden als asuras bezeichnet, womit jene oder voller glückseliger Freude ist und daß der Herr
gemeint sind, die den endgültigen Aspekt der Absoluten abhyāsāt ist, das heißt von Natur aus das Behältnis
Wahrheit nicht kennen. Im Śrīmad-Bhāgavatam wird unbegrenzter glückspendender Eigenschaften. Und in der
gesagt, daß die höchste Erkenntnis mit dem unpersönlichen Gītā sagt der Herr, daß Er, obwohl Er aja (ungeboren) ist,
Brahman beginnt und dann zur lokalisierten Überseele dennoch erscheint. Das sind die Tatsachen, die wir aus der
aufsteigt — doch der höchste Aspekt der Absoluten Gītā verstehen sollten. Wir können nicht verstehen, wie die
Wahrheit ist die Persönlichkeit Gottes. Moderne Unpersön- Höchste Persönlichkeit Gottes unpersönlich sein kann; die
lichkeitsanhänger sind noch weniger intelligent, denn sie betrügerische Theorie der monistischen
folgen nicht einmal ihrem großen Vorgänger, Unpersönlichkeitsanhänger ist falsch, soweit es die
Śa‰karācārya, der besonders darauf hingewiesen hat, daß Aussagen der Gītā betrifft. Es wird hier klar, daß die
KŠa die Höchste Persönlichkeit Gottes ist. Da Höchste Absolute Wahrheit, Śrī KŠa, sowohl Gestalt als
Unpersönlichkeitsanhänger die Höchste Wahrheit nicht auch Persönlichkeit hat.
169

intelligenten Unpersönlichkeitsanhänger können den Höch-


VERS 25 sten aus diesem Grunde nicht sehen. Im
Śrīmad-Bhāgavatam (10.14.7) finden wir auch folgendes
nāhaˆ prakāśaƒ sarvasya Gebet Brahmās: "O Höchste Persönlichkeit Gottes, o
yoga-māyā-samāvtaƒ Überseele, o Meister aller Mysterien, wer kann Deine Kraft
mūho’yaˆ nābhijānāti und Deine Spiele in dieser Welt ermessen? Du weitest
loko mām ajam avyayam Deine innere Energie ständig aus, und daher kann niemand
Dich verstehen. Gelehrte Wissenschaftler und große
na—noch; aham—Ich; prakāśaƒ—sichtbar; sarvasya— Gelehrte können zwar die atomare Zusammensetzung der
jedem; yoga-māyā—innere Energie; samāvtaƒ—bedeckt; materiellen Welt oder sogar die Planeten untersuchen, aber
mūhaƒ—Toren; ayam—dieses; na—nicht; abhijānāti— sie sind unfähig, Deine Energie und Kraft zu ermessen,
können verstehen; lokaƒ—solch weniger intelligente obwohl Du vor ihnen stehen magst." Die Höchste
Menschen; mām—Mich; ajam—ungeboren; avyayam— Persönlichkeit Gottes, Śrī KŠa, ist nicht nur ungeboren,
unerschöpflich. sondern auch avyaya oder unerschöpflich. Seine Gestalt ist
Glückseligkeit und Wissen, und Seine Energien sind alle
ÜBERSETZUNG unerschöpflich.

Den Toren und Dummköpfen bin Ich niemals sichtbar. VERS 26


Für sie bin Ich von Meiner ewigen schöpferischen
Energie [yoga-māyā] verhüllt, und daher kennt die vedāhaˆ samatītāni
verblendete Welt Mich nicht, der Ich ungeboren und vartamānāni cārjuna
unfehlbar bin. bhaviyāŠi ca bhūtāni
māˆ tu veda na kaścana
ERLÄUTERUNG
veda—kenne; aham—Ich; sama—gleichermaßen; atītāni—
Man mag einwenden, wenn KŠa auf dieser Erde Vergangenheit: vartamānāni-Legenwart; ca—und;
gegenwärtig und allen Menschen sichtbar war, warum ist arjuna—o Arjuna; bhaviyāŠi—Zukunft; ca—auch;
Er dann nicht auch heute jedem sichtbar? In Wirklichkeit bhūtāni-Lebewesen; mām—Mich; tu—aber; veda—kennt;
aber war Er nicht jedem sichtbar. Als KŠa hier war, gab na—nicht; kaścana—irgend jemand.
es nur wenige Menschen, die Ihn als die Höchste
Persönlichkeit Gottes verstanden. Als sich Śiśupāla in der ÜBERSETZUNG
Versammlung der Kurus dagegen aussprach, daß KŠa
zum Präsidenten der Versammlung gewählt wurde, stellte O Arjuna, als die Höchste Persönlichkeit Gottes weiß
sich Bhīma auf KŠas Seite und erklärte, Er sei der Ich alles, was in der Vergangenheit war, was in der
Höchste Gott. Auch die PāŠavas und einige andere Gegenwart geschieht und was sich in der Zukunft noch
wußten, daß Er der Höchste war, aber nicht jeder. Den ereignen wird. Ich kenne auch alle Lebewesen, doch
Nichtgottgeweihten und den gewöhnlichen Menschen Mich kennt niemand.
offenbarte Er sich nicht. Deshalb sagt KŠa in der Gītā,
daß Ihn außer Seinen reinen Geweihten alle Menschen für ERLÄUTERUNG
einen der ihren halten. Er war nur Seinen Geweihten als das
Behältnis aller Freude sichtbar. Für andere, für Hier ist die Frage der Persönlichkeit oder Unpersönlichkeit
unintelligente Nichtgottgeweihte, war Er von Seiner ewigen eindeutig geklärt. Wenn KŠa, die Gestalt der Höchsten
Kraft bedeckt. Persönlichkeit Gottes, māyā oder materiell wäre, wie die
In den Gebeten Kuntīs im Śrīmad-Bhāgavatam (1.8.18) Unpersönlichkeitsanhänger meinen, dann würde Er, wie
heißt es, daß der Herr vom Vorhang der yoga-māyā verhüllt das Lebewesen, Seinen Körper wechseln und alles aus
ist und daß Ihn deshalb gewöhnliche Menschen nicht Seinem vergangenen Leben vergessen. Jedes Wesen mit
verstehen können. Kuntī betet: "O mein Herr, Du bist der einem materiellen Körper kann sich an sein vergangenes
Erhalter des gesamten Universums, und hingebungsvoller Leben nicht erinnern, noch kann es sein zukünftiges Leben
Dienst für Dich ist das höchste religiöse Prinzip. Deshalb vorhersehen, noch kann es das Ergebnis seines
bete ich, daß Du auch mich erhalten wirst. Deine gegenwärtigen Lebens voraussagen; deshalb kann es nicht
transzendentale Gestalt ist von yoga-māyā bedeckt. Das wissen, was in der Vergangenheit geschah, was in der
brahmajyoti ist die Verhüllung der inneren Kraft. Bitte Gegenwart geschieht und was in der Zukunft noch
entferne gütigerweise diese leuchtende Ausstrahlung, die geschehen wird. Solange man nicht von der materiellen
mich daran hindert, Deine sac-cid-ānanda-vigraha zu Verunreinigung frei ist, kann man Vergangenheit,
sehen, Deine ewige Gestalt voll Glückseligkeit und Gegenwart und Zukunft nicht kennen.
Wissen." Anders als der gewöhnliche Mensch sagt Śrī KŠa
Dieser yoga-māyā-Vorhang wird auch im Fünfzehnten eindeutig, daß Er alles weiß, was in der Vergangenheit
Kapitel der Gītā erklärt. Der Herr, die Höchste geschah, was in der Gegenwart geschieht und was in der
Persönlichkeit Gottes, wird in Seiner transzendentalen Ge- Zukunft noch geschehen wird. Im Vierten Kapitel haben
stalt der Glückseligkeit und des Wissens durch die ewige wir gesehen, daß Śrī KŠa Sich daran erinnert, Vivasvān,
Kraft des brahmajyoti verhüllt, und die weniger den Sonnengott, vor Millionen von Jahren unterwiesen zu
170

haben. KŠa kennt jedes Lebewesen, da Er im Herzen verstehen, daß Śrī KŠa durch Seine inneren Kräfte
jedes Lebewesens als die Höchste Seele weilt. Aber obwohl erscheint, aber diejenigen, die von Dualität und
Er in jedem Lebewesen als Überseele weilt und Er jenseits Unwissenheit getäuscht sind, denken, die Höchste
des materiellen Himmels als die Höchste Persönlichkeit Persönlichkeit Gottes sei von materiellen Energien
Gottes gegenwärtig ist, können Ihn die weniger erschaffen worden. Das ist ihr Mißgeschick. Solche
Intelligenten nicht als die Höchste Person erkennen. verblendeten Menschen leben bezeichnenderweise in
Zweifellos ist der transzendentale Körper Śrī KŠas nicht Dualitäten wie Schmach und Ehre, Leid und Glück, Frau
vergänglich. KŠa ist genau wie die Sonne, und māyā ist und Mann, gut und schlecht, Freude und Schmerz usw. und
wie eine Wolke. In der materiellen Welt sehen wir die denken: "Das ist meine Frau; das ist mein Haus; ich bin der
Sonne, Wolken und verschiedene Sterne und Planeten. Die Herr dieses Hauses; ich bin der Mann dieser Frau." Dies
Wolken mögen all diese verschiedenen Erscheinungen am alles sind Dualitäten der Verblendung. Diejenigen, die so
Himmel vorübergehend bedecken, doch diese Bedeckung getäuscht sind, befinden sich völlig in Illusion und können
besteht nur aufgrund unserer begrenzten Sicht: Die Sonne, daher die Höchste Persönlichkeit Gottes nicht verstehen.
der Mond und die Sterne sind nicht wirklich bedeckt.
Ebensowenig kann māyā den Höchsten Herrn bedecken. VERS 28
Durch Seine innere Kraft ist Er den weniger intelligenten
Menschen verhüllt. Wie im 3. Vers dieses Kapitels erklärt yeāˆ tv anta-gataˆ pāpaˆ
wird, versuchen unter Millionen und Abermillionen von janānāˆ puŠya-karmaŠām
Menschen nur einige wenige, in dieser menschlichen Form te dvandva-moha-nirmuktā
des Lebens vollkommen zu werden, und von vielen bhajante māˆ dha-vratāƒ
Tausenden und Abertausenden solch vervollkommneter
Menschen kann kaum einer verstehen, was Śrī KŠa ist. yeām—deren; tu—aber; anta-gatam—vollständig getilgt;
Selbst wenn man durch die Erkenntnis des unpersönlichen pāpam—Sünde; janānām—von den Menschen; puŠya—
Brahman oder des lokalisierten Paramātmā eine hohe Stufe fromm; karmaŠām—vorangegangene Tätigkeiten; te—sie;
der Erkenntnis erreicht hat, kann man unmöglich die dvandva-Dualität; moha—Illusion; nirmuktāƒ—frei von;
Höchste Persönlichkeit Gottes, Śrī KŠa, verstehen, ohne bhajante—verehren; mām—Mich; dha-vratāƒ—mit
KŠa-bewußt zu sein. Entschlossenheit.

VERS 27 ÜBERSETZUNG

icchā-dvea samutthena Menschen, die in vorangegangenen und im


dvandva-mohena bhārata gegenwärtigen Leben fromm gehandelt haben, deren
sarva-bhūtāni saˆmohaˆ sündhafte Handlungen vollständig getilgt und die von
sarge yānti parantapa der Dualität der Täuschung befreit sind, beschäftigen
sich mit Entschlossenheit in Meinem Dienst.
icchā—Verlangen; dvea—Haß; samutthena—geboren;
dvandva—Dualität; mohena-überwältigt; bhārata—o ERLÄUTERUNG
Nachkomme Bhāratas; sarva—alle; bhūtāni—Lebewesen;
saˆmoham—in Täuschung; sarge—in der Schöpfung; In diesem Vers werden diejenigen erwähnt, die geeignet
yānti—gehen; parantapa—o Bezwinger der Feinde. sind, in die transzendentale Stellung erhoben zu werden.
Für Menschen, die sündig, atheistisch, verblendet und
ÜBERSETZUNG betrügerisch sind, ist es sehr schwierig, die Dualität von
Verlangen und Haß zu überwinden. Nur diejenigen, die in
O Nachkomme Bhāratas [Arjuna], o Bezwinger des ihrem Leben die regulierenden Prinzipien der Religion
Feindes, alle Lebewesen sind in Täuschung geboren, eingehalten haben, die fromm gehandelt und sündhafte
überwältigt von den Dualitäten Verlangen und Haß. Reaktionen überwunden haben, können sich dem
hingebungsvollen Dienst zuwenden und allmählich auf die
ERLÄUTERUNG Stufe des reinen Wissens von der Höchsten Persönlichkeit
Gottes gelangen. Dann, allmählich, können sie in Trance
Es ist die ursprüngliche, wesensgemäße Stellung des über die Höchste Persönlichkeit Gottes meditieren. Das ist
Lebewesens, dem Höchsten Herrn, der reines Wissen ist, der Vorgang, durch den man auf der spirituellen Ebene
untergeordnet zu sein. Wenn man sich dazu verleiten läßt, verankert wird. Dieser Aufstieg ist im KŠa-Bewußtsein in
sich von diesem reinen Wissen abzusondern, wird man von der Gemeinschaft reiner Gottgeweihter möglich, die einen
der illusionierenden Energie beherrscht und kann die von Verblendung befreien können.
Höchste Persönlichkeit Gottes nicht verstehen. Die Im Śrīmad-Bhāgavatam heißt es, daß man den
illusionierende Energie ist in der Dualität von Verlangen Gottgeweihten dienen muß, wenn man wirklich befreit
und Haß manifestiert. Aufgrund von Verlangen und Haß werden möchte; wer jedoch mit materialistischen Menschen
will der unwissende Mensch mit dem Höchsten Herrn eins Umgang hat, befindet sich auf dem Pfad, der zum
werden und beneidet KŠa als die Höchste Persönlichkeit dunkelsten Bereich des Daseins führt. Alle Geweihten des
Gottes. Reine Gottgeweihte, die nicht so irregeführt oder Herrn reisen nur über diese Erde, um die bedingten Seelen
durch Verlangen und Haß verunreinigt sind, können von ihrer Illusion zu befreien. Die
171

Unpersönlichkeitsanhänger wissen nicht, daß es die größte werden, denn sie bemühen sich tatsächlich, den KŠa-Pla-
Verletzung der Gesetze Gottes ist, wenn sie ihre neten zu erreichen. Solche Menschen zweifeln nicht an
wesenseigene Stellung als Untergebene des Höchsten Herrn KŠa, und daher sind sie tatsächlich Brahman.
vergessen. Solange man nicht wieder in seine wesenseigene Diejenigen, die die arcā oder Form des Herrn im Tempel
Stellung eingesetzt ist, ist es nicht möglich, die Höchste verehren oder über den Herrn meditieren, um von der
Persönlichkeit zu verstehen oder mit Entschlossenheit voll materiellen Fessel befreit zu werden, kennen ebenfalls,
im transzendentalen liebevollen Dienst des Herrn durch die Gnade des Herrn, die Bedeutung von Brahman,
beschäftigt zu sein. adhibhūta und so fort, wie vom Herrn im nächsten Kapitel
näher erklärt werden wird.
VERS 29
VERS 30
jarā-maraŠa-mokāya
mām āśritya yatanti ye sādhibhūtādhidaivaˆ māˆ
te brahma tad viduƒ ktsnam sādhiyajñaˆ ca ye viduƒ
adhyātmaˆ karma cākhilam prayāŠa-kāle 'pi ca māˆ
te vidur yukta-cetasaƒ
jarā—Alter; maraŠa—Tod; mokāya—mit der Absicht,
befreit zu werden; mām—bei Mir; āśritya—Zuflucht sa-adhibhūta—das beherrschende Prinzip der materiellen
nehmend bei; yatanti—bemühen sich; ye—all jene; te—sol- Manifestation; adhidaivam—allen Halbgöttern zugrunde
che Menschen; brahma—Brahman; tat—wirklich dieses; liegend; mām—Mich; sa-adhiyajñam—alle Opfer erhaltend;
viduƒ—sie wissen; ktsnam—alles; adhyātmam— ca—und; ye—diejenigen; viduƒ—kennen; prayāŠa—des
transzendentale; karma—fruchtbringende Tätigkeiten; ca— Todes; kāle—zu der Zeit; api—sogar; ca—und; mām—
auch; akhilam—völlig. Mich; te—sie; viduƒ—kennen; yukta-cetasaƒ—mit
standhaftem Geist.
ÜBERSETZUNG
ÜBERSETZUNG
Intelligente Menschen, die nach Befreiung von Alter
und Tod streben, suchen bei Mir im hingebungsvollen Diejenigen, die Mich als den Höchsten Herrn, als das
Dienst Zuflucht. Sie sind wahrhaft Brahman, da sie alles beherrschende Prinzip der materiellen Manifestation,
über transzendentale und fruchtbringende Tätigkeiten kennen, als den, dem alle Halbgötter untergeordnet sind
wissen. und der alle Opfer ermöglicht, können Mich, mit
stetigem Geist, sogar zur Zeit des Todes verstehen und
ERLÄUTERUNG kennen.

Geburt, Tod, Alter und Krankheiten beeinflussen unseren ERLÄUTERUNG


materiellen Korper, nicht aber den spirituellen Körper. Für
den spirituellen Körper gibt es keine Geburt, keinen Tod, Menschen, die im KŠa-Bewußtsein handeln, weichen nie
kein Alter und keine Krankheit. Wer also einen spirituellen ganz vom Pfad des Verständnisses der Höchsten
Körper erlangt, einer der Gefährten der Höchsten Persönlichkeit Gottes ab. In der transzendentalen Ge-
Persönlichkeit Gottes wird und sich im ewigen meinschaft des KŠa-Bewußtseins kann man verstehen,
hingebungsvollen Dienst betätigt, ist wirklich befreit. Ahaˆ wie der Herr das beherrschende Prinzip der materiellen
brahmāsmi: "Ich bin von spiritueller Natur." Es wird Manifestation und sogar der Halbgötter ist. Allmählich wird
gesagt, daß man verstehen soll, daß man Brahman ist — man durch solch transzendentale Gemeinschaft von der
spirituelle Seele. Wie in diesem Vers beschrieben wird, Höchsten Persönlichkeit Gottes überzeugt, und zur Zeit des
findet man diese Brahman-Auffassung vom Leben auch im Todes kann solch ein KŠa-bewußter Mensch KŠa
hingebungsvollen Dienst. Die reinen Gottgeweihten sind keinesfalls vergessen. Natürlicherweise wird er so zum
transzendental auf der Ebene des Brahman verankert und Planeten des Höchsten Herrn, Goloka Vndāvana, erhoben.
wissen alles über transzendentale und materielle Dieses Siebte Kapitel erklärt insbesondere, wie man völlig
Tätigkeiten. KŠa-bewußt werden kann. KŠa-Bewußtsein beginnt,
Die vier Arten von unreinen Gottgeweihten, die sich im wenn man mit KŠa-bewußten Menschen zusammenlebt.
transzendentalen Dienst des Herrn beschäftigen, erreichen Solche Gemeinschaft ist spirituell und bringt einen direkt
ihre jeweiligen Ziele, und wenn sie völlig KŠa-bewußt mit dem Höchsten Herrn in Berührung, und durch Seine
sind, genießen sie durch die Gnade des Höchsten das Gnade kann man KŠa als den Höchsten Gott verstehen.
spirituelle Zusammensein mit dem Höchsten Herrn. Aber Zur gleichen Zeit kann man tatsächlich die wesensgemäße
diejenigen, die die Halbgötter verehren, erreichen den Stellung des Lebewesens verstehen und erkennen, wie das
Herrn auf Seinem höchsten Planeten niemals. Selbst die Lebewesen KŠa vergißt und in materielle Tätigkeiten
weniger intelligenten, Brahman-verwirklichten Menschen verstrickt wird. Wenn das Lebewesen in guter Ge-
können den höchsten Planeten KŠas, der als Goloka meinschaft allmählich KŠa-Bewußtsein entwickelt, kann
Vndāvana bekannt ist, nicht erreichen. Nur Menschen, die es verstehen, daß es von den Gesetzen der materiellen
Tätigkeiten im KŠa-Bewußtsein ausführen (mām āśritya), Natur bedingt worden ist, weil es KŠa vergessen hat. Es
sind wirklich berechtigt, als Brahman bezeichnet zu kann auch verstehen, daß die menschliche Form des Lebens
172

eine Gelegenheit ist, KŠa-Bewußtsein wiederzugewinnen,


und daß diese Form voll genutzt werden sollte, die
grundlose Barmherzigkeit des Höchsten Herrn zu erlangen.
In diesem Kapitel sind viele Themen erörtert worden: der
Notleidende; der Neugierige; der Mensch, dem es an
materiellen Notwendigkeiten mangelt; Wissen vom
Brahman; Wissen vom Paramātmā; Befreiung von Geburt,
Tod und Krankheiten, und die Verehrung des Höchsten
Herrn. Wer jedoch tatsächlich im KŠa-Bewußtsein
fortgeschritten ist, kümmert sich nicht um diese
verschiedenen Vorgänge. Er betätigt sich einfach direkt im
KŠa-Bewußtsein und erreicht so tatsächlich seine
wesenseigene Stellung als ewiger Diener Śrī KŠas. In
dieser Lage findet er Freude daran, in reinem
hingebungsvollem Dienst über den Herrn zu hören und Ihn
zu lobpreisen. Er ist davon überzeugt, daß so alle seine
Wünsche erfüllt werden. Dieser entschlossene Glaube wird
dha-vrata genannt und bildet den Anfang von
bhakti-yoga oder transzendentalem liebevollem Dienst. So
lautet die Aussage aller Schriften. Das Siebte Kapitel der
Bhagavad-gītā ist die Essenz dieser Überzeugung.

Hiermit enden die Bhaktivedanta-Erläuterungen zum


Siebten Kapitel der Śrīmad Bhagavad-gītā mit dem Titel:
"Wissen vom Absoluten".
173

ACHTES KAPITEL des Todes; ca—und; katham—wie; jñeyaƒ—erkannt


werden; asi—Du kannst; niyata-ātmabhiƒ—von dem
Selbstbeherrschten.
Wie man den Höchsten erreicht
ÜBERSETZUNG
VERS 1
Wie lebt dieser Herr des Opfers im Körper, und in
arjuna uvāca welchem Teil hält Er Sich auf, o Madhusūdana? Und
kiˆ tad-brahma kim adhyātmaˆ wie können diejenigen, die im hingebungsvollen Dienst
kiˆ karma puruottama tätig sind, Dich zur Zeit des Todes kennen?
adhibhūtaˆ ca kiˆ proktam
adhidaivaˆ kim ucyate ERLÄUTERUNG

arjunaƒ uvāca—Arjuna sagte; kim—was; tat—das; Der Herr des Opfers nimmt durch Indra und ViŠu Opfer
brahma—Brahman; kim—was; adhyātmam—das Selbst; entgegen. ViŠu ist das Oberhaupt der wichtigsten
kim—was; karma—fruchtbringende Tätigkeiten; puruotta- Halbgötter, zu denen auch Brahmā und Śiva gehören, und
ma—o Höchste Person; adhibhūtam—die materielle Indra ist das Oberhaupt der verwaltenden Halbgötter.
Manifestation; ca—und; kim—was; proktam—wird Sowohl Indra als auch ViŠu werden durch Darbringung
genannt; adhidaivam-die Halbgötter; kim—was; ucyate— von yajña verehrt, doch hier fragt Arjuna, wer tatsächlich
wird genannt. der Herr des yajña (Opfers) ist und wie Er im Körper des
Lebewesens wohnt.
ÜBERSETZUNG Arjuna spricht den Herrn mit Madhusūdana an, weil KŠa
einmal einen Dämon namens Madhu tötete. Eigentlich
Arjuna fragte: O mein Herr, o Höchste Person, was ist hätten diese Fragen, die dem Wesen nach Zweifel waren, in
das Brahman? Was ist das Selbst? Was sind Arjunas Geist nicht auftauchen dürfen, denn Arjuna war ein
fruchtbringende Tätigkeiten? Was ist die materielle KŠa-bewußter Gottgeweihter. Deshalb werden diese
Manifestation? Und was sind die Halbgötter? Bitte Zweifel mit Dämonen verglichen.
erkläre mir dies alles. Da KŠa im Töten von Dämonen so erfahren ist, spricht
Arjuna Ihn hier mit Madhusūdana an, damit KŠa die
ERLÄUTERUNG dämonischen Zweifel töte, die in Arjunas Geist entstehen.
Das Wort prayāŠa-kāle in diesem Vers ist sehr bedeutsam,
In diesem Kapitel beantwortet Śrī KŠa verschiedene denn was immer wir in diesem Leben tun, wird zur Zeit des
Fragen Arjunas, angefangen mit der Frage "Was ist das Todes geprüft werden. Arjuna befürchtet, daß auch die
Brahman?" Der Herr erklärt auch karma oder Geweihten im KŠa-Bewußtsein den Höchsten Herrn zur
fruchtbringende Tätigkeiten, hingebungsvollen Dienst, die Stunde des Todes vergessen werden, weil zu dieser Zeit die
yoga-Prinzipien und hingebungsvollen Dienst in seiner körperlichen Funktionen gestört sind und der Geist in
reinen Form. Das Śrīmad-Bhāgavatam erklärt, daß die einem panischen Zustand sein mag. Mahārāja Kulaśekhara,
Höchste Absolute Wahrheit als Brahman, Paramātmā und ein großer Gottgeweihter, betet deshalb: "Mein lieber Herr,
Bhagavān bekannt ist. Darüber hinaus wird das Lebewesen, möge ich jetzt sofort sterben, solange ich noch gesund bin,
die individuelle Seele, ebenfalls als Brahman bezeichnet. so daß der Schwan meines Geistes in den Stengel Deiner
Arjuna fragt auch nach ātmā, was sich auf Körper, Geist Lotosfüße eingehen kann." Diese Metapher wird gebraucht,
und Seele bezieht. Nach dem vedischen Wörterbuch weil der Schwan oft Freude daran findet, in den Stengel der
bezieht sich ātmā auf Körper, Geist, Seele und auch auf die Lotosblume einzudringen; in ähnlicher Weise wird der
Sinne. Geist des reinen Gottgeweihten zu den Lotosfüßen des
Arjuna redete den Höchsten Herrn mit Puruottama oder Herrn hingezogen. Mahārāja Kulaśekhara befürchtet, daß
Höchste Person an, was bedeutet, daß er diese Fragen nicht seine Kehle im Augenblick des Todes so verstopft sein
bloß einem Freund stellte, sondern der Höchsten Person, da wird, daß er nicht fähig sein wird, die Heiligen Namen zu
er wußte, daß der Herr als höchste Autorität imstande ist, chanten — deshalb sei es besser, sofort zu sterben. Arjuna
endgültige Antworten zu geben. fragt, wie der Geist eines Menschen in solchen
Augenblicken fest auf die Lotosfüße Śrī KŠas gerichtet
VERS 2 bleiben könne.

adhiyajñaƒ kathaˆ ko'tra VERS 3


dehe'smin madhusūdana
prayāŠa-kāle ca kathaˆ śrī bhagavān uvāca
jñeyo'si niyatātmabhiƒ akaraˆ brahma paramaˆ
svabhāvo'dhyātmam ucyate
adhiyajñaƒ—der Herr des Opfers; katham—wie; kaƒ—wer; bhūta-bhāvodbhava-karo
atra—hier; dehe—im Körper; asmin—in diesem; visargaƒ karma-saˆjñitaƒ
madhusūdana—o Madhusūdana; prayāŠa-kāle—zur Zeit
174

śrī bhagavān uvāca—die Höchste Persönlichkeit Gottes und so bekommt das Lebewesen erneut die menschliche
sprach; akaram—unzerstörbar; brahma—Brahman; Form, um Opfer darzubringen und so den gleichen
paramam—transzendental; svabhāvaƒ—ewige Natur; Kreislauf zu wiederholen. Auf diese Weise kommt und geht
adhyātmam—das Selbst; ucyate—wird genannt; das Lebewesen unaufhörlich auf dem materiellen Pfad. Der
bhūta-bhāva-udbhava-karaƒ—Handlung, die die KŠa-bewußte Mensch jedoch vermeidet solche Opfer. Er
materiellen Körper der Lebewesen erzeugt; visargaƒ- wendet sich direkt dem KŠa-Bewußtsein zu und bereitet
Schöpfung; karma—fruchtbringende Tätigkeiten; sich so vor, zu Gott zurückzukehren.
saˆjñitaƒ—wird genannt. Unpersönlichkeitsanhänger, die die Gītā kommentieren,
vermuten unvernünftigerweise, das Brahman nehme in der
ÜBERSETZUNG materiellen Welt die Form von jīva an, und um dies zu
belegen, beziehen sie sich auf den siebten Vers im
Der Höchste Herr sprach: Das unzerstörbare, Fünfzehnten Kapitel der Gītā. Aber auch dieser Vers
transzendentale Lebewesen wird Brahman und seine spricht vom Lebewesen als "einem Meiner ewigen
ewige Natur das Selbst genannt. Handlungen, die sich Fragmente". Das Fragment Gottes, das Lebewesen, mag in
auf die Entwicklung der materiellen Körper beziehen, die materielle Welt hinabfallen, doch der Höchste Herr
nennt man karma oder fruchtbringende Tätigkeiten. (Acyuta) fällt niemals. Deshalb kann die Vermutung, daß
das Höchste Brahman die Form der jīva annehme, nicht
ERLÄUTERUNG akzeptiert werden. Es ist wichtig, sich daran zu erinnern,
daß in den vedischen Schriften das Brahman (das
Das Brahman ist unzerstörbar und existiert ewig, und seine Lebewesen) von Parabrahman (dem Höchsten Herrn)
Beschaffenheit verändert sich niemals. Aber über dem unterschieden wird.
Brahman steht Parabrahman. Brahman bezieht sich auf das
Lebewesen und Parabrahman auf die Höchste VERS 4
Persönlichkeit Gottes. Die wesensgemäße Stellung des
Lebewesens unterscheidet sich von der Position, die es in adhibhūtaˆ karo bhāvaƒ
der materiellen Welt einnimmt. Im materiellen Bewußtsein puruaś cādhidaivatam
ist es seine Natur, zu versuchen, Herr über die Materie zu adhiyajño'ham evātra
sein; im spirituellen Bewußtsein (KŠa-Bewußtsein) dehe deha-bhtām vara
hingegen ist es seine Stellung, dem Höchsten zu dienen.
Wenn sich das Lebewesen im materiellen Bewußtsein adhibhūtam—die materielle Manifestation; karaƒ—sich
befindet, muß es verschiedene Körper in der materiellen fortwährend verändernd; bhāvaƒ—Natur; puruaƒ—die
Welt annehmen. Das wird als karma oder mannigfaltige universale Form; ca—und; adhidaivatam—einschließlich
Schöpfung durch den Zwang materiellen Bewußtseins aller Halbgötter wie Sonne und Mond; adhiyajñaƒ—die
bezeichnet. Überseele; aham—Ich(KŠa); eva—gewiß; atra—in
In der vedischen Literatur wird das Lebewesen jīvātmā und diesem; dehe—Körper; deha-bhtām—des Verkörperten;
Brahman genannt, niemals aber Parabrahman. Das vara—der Höchste.
Lebewesen (jīvātmā) nimmt verschiedene Positionen ein —
mal taucht es in die dunkle materielle Natur ein und ÜBERSETZUNG
identifiziert sich mit Materie, und mal identifiziert es sich
mit der höheren spirituellen Natur. Deshalb nennt man es Die materielle Natur ist endlos wandelbar. Das
die marginale Energie des Höchsten Herrn. Je nachdem, ob Universum ist die kosmische Form des Höchsten Herrn,
es sich mit der materiellen oder mit der spirituellen Natur und Ich bin dieser Herr, der von der Überseele
identifiziert, bekommt es einen materiellen oder spirituellen repräsentiert wird und im Herzen aller verkörperten
Körper. In der materiellen Natur kann es einen Körper aus Wesen weilt.
irgendeiner der 8 400 000 Arten des Lebens annehmen,
doch in der spirituellen Natur hat es nur einen Körper. In ERLÄUTERUNG
der materiellen Natur ist es seinem karma entsprechend
manchmal als Mensch, als Halbgott, als Säugetier, als Die materielle Natur wandelt sich ständig. Materielle
Vogel usw. manifestiert. Um zu materiellen himmlischen Körper durchlaufen im allgemeinen sechs Stadien: Sie
Planeten zu gelangen und ihre Möglichkeiten zur werden geboren, wachsen, bleiben eine Zeitlang bestehen,
Sinnenbefriedigung zu genießen, bringt das Lebewesen erzeugen einige Nebenprodukte, schwinden dahin und
manchmal Opfer (yajña) dar, doch wenn sein Verdienst vergehen schließlich. Die materielle Natur wird
erschöpft ist, kehrt es wieder auf die Erde in der Form eines adhibhūtam genannt. Weil sie zu einem bestimmten Zeit-
Menschen zurück. punkt geschaffen ist und zu einem gewissen Zeitpunkt
Im Vorgang des Opfers vollzieht das Lebewesen bestimmte wieder vernichtet wird, nennt man die Vorstellung von der
Opfer, um bestimmte himmlische Planeten zu erreichen, universalen Form des Höchsten Herrn, die alle Halbgötter
und gelangt folglich dorthin. Wenn das Verdienst des und ihre verschiedenen Planeten miteinschließt,
Opfers erschöpft ist, kehrt das Lebewesen in Form von adhidaivatam. Die individuelle Seele (jīva) begleitet den
Regen auf die Erde zurück und nimmt dann die Form von Körper. Die Überseele, eine vollständige Repräsentation Śrī
Getreide an; das Getreide wird von einem Mann gegessen KŠas, wird Paramātmā oder adhiyajñaƒ genannt und
und in Samen umgewandelt; der Same befruchtet eine Frau, weilt im Herzen. Das Wort eva ist im Sinnzusammenhang
175

dieses Verses von besonderer Bedeutung, weil der Herr


durch dieses Wort betont, daß der Paramātmā nicht von yaˆ yaˆ vāpi smaran bhāvaˆ
Ihm verschieden ist. Die Überseele, die Höchste tyajaty ante kalevaram
Persönlichkeit Gottes, die neben der individuellen Seele im taˆ tam evaiti kaunteya
Herzen sitzt, ist Zeuge der Tätigkeiten der individuellen sadā tad-bhāva-bhāvitaƒ
Seele und die Quelle ihres Bewußtseins. Die Überseele gibt
dem jīva die Möglichkeit, frei zu handeln, und ist Zeuge yam yam—was immer; vā—entweder; api—auch;
seines Tuns. Die Funktionen all dieser verschiedenen Mani- smaran—sich erinnernd; bhāvam—Natur; tyajati—gebt
festationen des Höchsten Herrn werden dem reinen, auf; ante—am Ende; kalevaram—diesen Körper; tam
KŠa-bewußten Gottgeweihten, der im transzendentalen tam—ähnlich; eva—gewiß; eti—bekommt; kaunteya—o
Dienst des Herrn beschäftigt ist, von selbst klar. Die Sohn Kuntīs; sadā—immer; tat—diesen; bhāva—Zustand
Neulinge, die sich dem Herrn in Seiner Manifestation als des Seins; bhāvitaƒ—sich erinnernd.
Überseele nicht nähern können, meditieren über die
gigantische universale Form des Herrn. die man ÜBERSETZUNG
adhidaivatam nennt. Dem Novizen wird geraten, über die
universale Form nachzudenken, als deren Beine man die Den Seinszustand, an den man sich beim Verlassen
niederen Planeten, als deren Augen man die Sonne und den seines Körpers erinnert, wird man ohne Zweifel
Mond und als deren Haupt man das obere Planetensystem erreichen.
betrachtet.
ERLÄUTERUNG
VERS 5
Der Vorgang, wie man den Zustand des Seins im kritischen
anta-kāle ca mām eva Augenblick des Todes ändert, wird hier erklärt. Wie kann
smaran muktvā kalevaram man im richtigen Geisteszustand sterben? Mahārāja Bharata
yaƒ prayāti sa mad-bhāvaˆ dachte zur Zeit des Todes an ein Reh und wurde folglich in
yāti nāsty atra saˆśayaƒ diese Lebensform versetzt. Mahārāja Bharata konnte sich
jedoch als Reh an sein vergangenes Tun erinnern. Die
anta-kāle—am Ende des Lebens; ca—auch; mām—an angehäufte Wirkung der Gedanken und Handlungen unse-
Mich; eva—gewiß; smaran—sich erinnernd; muktvā— res Lebens beeinflußt unsere Gedanken zum Zeitpunkt des
verlassend; kalevaram—den Körper; yaƒ—derjenige, der; Todes, und daher bestimmen die Handlungen des
prayāti—geht; saƒ—er; mad-bhāvam—Meine Natur; yāti— gegenwärtigen Lebens unseren zukünftigen Seinszustand.
erreicht; na—nicht; asti—es gibt; atra—hier; saˆśayaƒ— Wenn man in KŠas Dienst transzendental vertieft ist,
Zweifel. dann wird der nächste Körper, den man erhält,
transzendental (spirituell) sein, nicht materiell. Deshalb ist
ÜBERSETZUNG das Chanten von Hare KŠa der beste Vorgang, unseren
gegenwärtigen Zustand erfolgreich zum transzendentalen
Und wer immer sich im Augenblick des Todes, wenn er Leben zu wandeln.
seinen Körper verläßt, an Mich erinnert, erreicht
sogleich Mein Reich. Darüber besteht kein Zweifel. VERS 7

ERLÄUTERUNG tasmāt sarveu kāleu


mām anuśmara yudhya ca
In diesem Vers wird die Wichtigkeit des mayy arpita-mano buddhir
KŠa-Bewußtseins hervorgehoben. Jeder, der seinen mām evaiyasy asaˆśayaƒ
Körper im KŠa-Bewußtsein verläßt, wird sofort zum
transzendentalen Reich des Höchsten Herrn erhoben. Das tasmāt—deshalb; sarveu—immer; kāleu—Zeit; mām—
Wort smaran (sich erinnernd) ist von Bedeutung. Sich an Mich; anuśmara—erinnere dich weiterhin; yudhya—
KŠa zu erinnern ist der unreinen Seele, die kein KŠa- kämpfe; ca—auch; mayi—Mir; arpita—gib hin; manaƒ-
Bewußtsein im hingebungsvollen Dienst praktiziert hat, Geist; huddhiƒ—Intellekt; mām—Mich; eva—sicherlich;
nicht möglich. Um sich an KŠa zu erinnern, sollte man eyasi—wirst erreichen; asaˆśayaƒ—ohne Zweifel.
unablässig den mahā-mantra — Hare KŠa, Hare KŠa,
KŠa KŠa, Hare Hare / Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma, ÜBERSETZUNG
Rāma, Hare Hare - chanten und dabei dem Beispiel Śrī
Caitanyas folgen, was bedeutet, duldsamer als ein Baum Daher, o Arjuna, solltest du immer an Mich in Meiner
und demütiger als das Gras zu sein und anderen alle Ehre Form als KŠa denken und zur gleichen Zeit deine
zu erweisen, ohne Ehre als Gegenleistung zu erwarten. So vorgeschriebene Pflicht des Kämpfens erfüllen. Wenn
wird man fähig sein, den Körper erfolgreich zu verlassen, du dein Tun Mir weihst und deinen Geist und deine
indem man sich an KŠa erinnert, und auf diese Weise Intelligenz auf Mich richtest, wirst du Mich ohne
wird man das höchste Ziel erreichen. Zweifel erreichen.

VERS 6 ERLÄUTERUNG
176

Raupe, die daran denkt, ein Schmetterling zu werden, und


Diese Anweisung an Arjuna ist für alle Menschen, die deshalb noch im selben Leben in einen Schmetterling
materiellen Tätigkeiten nachgehen, sehr wichtig. Der Herr verwandelt wird. Ebenso ist es sicher, wenn wir ständig an
sagt nicht, daß man seine vorgeschriebenen Pnichten oder KŠa denken, daß wir am Ende unseres Lebens die
Beschäftigungen aufgeben soll. Man kann ihnen weiter gleichen körperlichen Eigenschaften wie KŠa haben
nachgehen und doch zur gleichen Zeit an KŠa denken, werden.
indem man Hare KŠa chantet. Dies wird einen von
materieller Verunreinigung befreien und den Geist und die VERS 9
Intelligenz mit KŠa beschäftigen. Wenn man KŠas kaviˆ purāŠam anuśāsitāram
Namen chantet, wird man ohne Zweifel zum höchsten aŠoƒ aŠīyāˆsam anusmared yaƒ
Planeten, KŠaloka, erhoben. sarvasya dhātāram acintya-rūpam
āditya-varŠaˆ tamasaƒ parastāt
VERS 8
kavim—jemand, der alles weiß; purāŠam—der Älteste;
abhyāsa-yoga-yuktena anuśāsitāram—der Lenker; aŠoƒ—des Atoms;
cetasā nānya-gāminā aŠīyāˆsam—kleiner als; anusmaret—immer denkend;
paramaˆ puruaˆ divyaˆ yaƒ—jemand, der; sarvasya—von allem; dhātāram—
yāti pārthānucintayan Erhalter; acintya—unbegreiflich; rupām-Gestalt;
āditya-varŠam—leuchtend wie die Sonne; tamasaƒ—der
abhyāsa—Übung; yoga-yuktena—in Meditation versunken; Dunkelheit; parastāt—transzendental.
cetasā—mit Geist und Intelligenz; na anya-gāminā—ohne
abgelenkt zu sein; paramam—die Höchste; puruam— ÜBERSETZUNG
Persönlichkeit Gottes; divyam—transzendental; yāti—
erreicht; pārtha—o Sohn Pthās; anucintayan—ständig Man sollte über den Herrn, die Höchste Person, als den
denkend an. meditieren, der alles weiß, der der ÄIteste, der der
Lenker, der kleiner als das Kleinste, der der Erhalter
ÜBERSETZUNG allen Seins, der jenseits jeder materiellen Vorstellung,
der unbegreiflich und der immer eine Person ist. Er ist
Wer über die Höchste Persönlichkeit Gottes meditiert, leuchtend wie die Sonne, und da Er transzendental ist,
indem er seinen Geist ständig darin übt, sich an Mich zu befindet Er Sich jenseits der materiellen Natur.
erinnern, und von diesem Pfad nicht abweicht, o Pārtha
[Arjuna], wird Mich sicherlich erreichen. ERLÄUTERUNG

ERLÄUTERUNG In diesem Vers wird der Vorgang erwähnt, wie man an den
Höchsten denken kann. Der wichtigste Punkt ist, daß Er
In diesem Vers betont Śrī KŠa, wie wichtig es ist, sich an nicht unpersönlich oder leer ist. Man kann nicht über etwas
Ihn zu erinnern. Die Erinnerung an KŠa wird durch das Unpersönliches oder Leeres meditieren. Das ist sehr
Chanten des Hare-KŠa-mahā-mantras wiederbelebt. schwierig. Der Vorgang, an KŠa zu denken, ist jedoch
Durch diese Praxis, die Klangschwingung des Höchsten sehr einfach und wird hier praktisch beschrieben. Zunächst
Herrn zu chanten und zu hören, werden die Ohren, die einmal ist Er purua oder spirituell, Rāma und KŠa, und
Zunge und der Geist beschäftigt. Diese mystische Er wird hier als kavim beschrieben, was bedeutet, daß Er
Meditation ist sehr einfach zu praktizieren, und sie hilft Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft kennt und daher
einem, den Höchsten Herrn zu erreichen. Puruam bedeutet alles weiß. Er ist die älteste Persönlichkeit, da Er der
"Genießer". Obwohl die Lebewesen zur marginalen Ursprung aller Dinge ist; alles ist aus Ihm geboren. Er ist
Energie des Höchsten Herrn gehören, sind sie materiell auch der höchste Lenker des Universums und der Erhalter
verunreinigt. Sie halten sich für Genießer, doch sind sie und Lehrer der Menschheit. Er ist kleiner als das Kleinste.
nicht der höchste Genießer. Hier heißt es klar, daß der Herr, Das Lebewesen ist so groß wie der zehntausendste Teil
die Persönlichkeit Gottes, in Seinen verschiedenen einer Haarspitze; der Herr aber ist so unvorstellbar klein,
Manifestationen und vollständigen Erweiterungen wie daß Er sogar in das Herz dieses Teilchens eingeht. Deshalb
NārāyaŠa und Vāsudeva der höchste Genießer ist. Der wird Er kleiner als das Kleinste genannt. Als der Höchste
Gottgeweihte kann durch das Chanten von Hare KŠa kann Er in das Atom und in das Herz des Kleinsten
ständig an das Objekt der Verehrung, den Höchsten Herrn, eingehen und es als Überseele lenken. Doch obwohl Er so
in irgendeinem Seiner Aspekte — Nārāyana, KŠa, Rāma klein ist, ist Er alldurchdringend und erhält alles. Von Ihm
usw. — denken. Diese Praxis wird ihn läutern, und dank werden alle Planetensysteme erhalten. Wir wundern uns
seines ständigen Chantens wird er am Ende seines Lebens oft, wie die großen Planeten in der Luft schweben können.
zum Königreich Gottes erhoben werden. Yoga heißt, über Wie hier erklärt wird, werden all diese großen Planeten-
die Überseele im Herzen zu meditieren: in ähnlicher Weise systeme und Galaxien durch die unbegreifliche Energie des
richtet man durch das Chanten von Hare KŠa seinen Geist Höchsten Herrn erhalten. Das Wort acintya (unbegreiflich)
ständig auf den Höchsten Herrn. Der Geist ist unstet, und ist in diesem Zusammenhang sehr bedeutsam. Gottes
deshalb ist es notwendig, ihn mit Gewalt dazu zu bringen, Energie befindet sich jenseits unseres
an KŠa zu denken. Ein oft angeführtes Beispiel ist die Vorstellungsvermögens, jenseits der Bereiche, in denen wir
177

denken können, und wird daher als unbegreiflich (acintya) während seines Lebens durch yoga darin üben, in der
bezeichnet. Wer kann das bestreiten? Er durchdringt die Transzendenz verankert zu sein.
materielle Welt und ist dennoch jenseits von ihr. Wir
können nicht einmal die materielle Welt begreifen, die, VERS 11
verglichen mit der spirituellen Welt, unbedeutend ist — wie
können wir also begreifen, was jenseits von ihr ist. Acintya yad akaraˆ veda-vido vadanti
bedeutet das, was sich jenseits der materiellen Welt viśanti yad yatayo vīta-rāgāƒ
befindet, das, was unsere Argumente, unsere Logik und yad icchanto brahmacaryaˆ caranti
unsere philosophische Spekulation nicht berühren können, tat te padaˆ sa‰graheŠa pravakye
das, was unbegreiflich ist. Deshalb sollten intelligente
Menschen nutzlose Argumente und Spekulationen yat—das, was; akaram—unerschöpflich; veda-vidaƒ—
vermeiden und akzeptieren, was in Schriften wie den Personen, die mit den Veden vertraut sind; vadanti—sagen;
Veden, der Gītā und dem Śrīmad-Bhāgavatam gesagt wird, viśanti—gehen ein; yat—in was; yatayaƒ—große Weise;
und den dort festgelegten Prinzipien folgen. Eine solche vīta-rāgāƒ—im Lebensstand der Entsagung; yat—das, was;
Haltung wird uns zum Verständnis führen. icchantaƒ—begehrend; brahmacaryam—Zölibat; caranti—
praktizieren; tat—diese; te—dir; padam-Situation;
VERS 10 sa‰graheŠa—zusammengefaßt; pravakye—Ich werde
erklären.
prayāŠa-kāle manasā'calena
bhaktyā yukto yoga-balena caiva ÜBERSETZUNG
bhruvor madhye prāŠam āveśya samyak
sa taˆ paraˆ puruam upaiti divyam In den Veden bewanderte Persönlichkeiten, die das
omkāra chanten und große Weise im Lebensstand der
prayāŠa-kāle—zur Zeit des Todes; manasā—durch den Entsagung sind, gehen in das Brahman ein. Mit dem
Geist; acalena—ohne abzuweichen; bhaktyā—in voller Wunsch nach dieser Vollkommenheit leben sie im
Hingabe; yuktaƒ—beschäftigt; yoga-balena—durch die Zölibat. Ich werde dir jetzt diesen Vorgang erklären,
Kraft des mystischen yoga; ca—auch; eva—gewiß; durch den man Erlösung erlangen kann.
bhruvoƒ—zwischen den beiden Augenbrauen; madhye—in;
prāŠam—die Lebensluft; āveśya—festsetzend; samyak— ERLÄUTERUNG
vollständig; saƒ—er; tam—diese; param—transzendentale;
puruam—Persönlichkeit Gottes; upaiti—erreicht; Śrī KŠa erklärt, daß das Brahman, obwohl Eines ohne ein
divyam—im spirituellen Königreich. Zweites, verschiedene Manifestationen und Aspekte hat.
Für die Unpersönlichkeitsanhänger ist die Silbe om mit dem
ÜBERSETZUNG Brahman identisch. KŠa erklärt hier das unpersönliche
Brahman, in das die Weisen im Lebensstand der Entsagung
Wer zur Zeit des Todes seine Lebensluft auf den Punkt eingehen.
zwischen den Augenbrauen konzentriert und sich in Im vedischen System des Wissens wird den Schülern von
voller Hingabe an den Höchsten Herrn erinnert, wird Anfang an beigebracht, om zu chanten und über das
die Höchste Persönlichkeit Gottes mit Gewißheit endgültige unpersönliche Brahman zu lernen, indem sie in
erreichen. völligem Zölibat mit dem spirituellen Meister
zusammenleben. Auf diese Weise erkennen sie zwei der
ERLÄUTERUNG Brahman-Aspekte. Diese Praxis ist sehr wesentlich, damit
der Schüler im spirituellen Leben fortschreiten kann, doch
In diesem Vers wird klar gesagt, daß der Geist zur Zeit des in der heutigen Zeit ist solch ein brahmacārī-Leben
Todes in Hingabe auf den Höchsten Gott gerichtet sein (unverheiratetes, zölibatäres Leben) ganz und gar un-
muß. Denjenigen, die im yoga geübt sind, wird empfohlen, möglich. Die soziale Struktur der Welt hat sich so sehr
die Lebenskraft zwischen die Augenbrauen zu erheben, geändert, daß es keine Möglichkeit mehr gibt, vom Beginn
doch was einen reinen Gottgeweihten betrifft, der solchen des Schülerlebens an sexuelle Enthaltsamkeit zu üben.
yoga nicht praktiziert, so soll der Geist immer im Überall in der Welt gibt es viele Institutionen für
KŠa-Bewußtsein beschäftigt sein, so daß er sich beim verschiedene Wissensbereiche, aber es gibt keine
Tode an den Höchsten durch dessen Barmherzigkeit anerkannte Institution, in der Schüler in den Prinzipien des
erinnern kann. Dies wird in Vers 14 erklärt. brahmacarya erzogen werden können. Solange man nicht
In diesem Vers ist der besondere Gebrauch des Wortes im Zölibat lebt, ist es sehr schwierig, Fortschritt im
yoga-balena von Bedeutung, denn ohne yoga zu spirituellen Leben zu machen. Deshalb hat Śrī KŠa
praktizieren, kann man diesen transzendentalen Seinszu- Caitanya gelehrt, daß es nach den Anweisungen der
stand zur Zeit des Todes nicht erreichen. Man kann sich Schriften für dieses Zeitalter des Kali außer dem Chanten
beim Tod nicht plötzlich an den Höchsten Herrn erinnern, der Heiligen Namen Śrī KŠas — Hare KŠa, Hare KŠa,
wenn man sich nicht zuvor in einem yoga-System, KŠa KŠa, Hare Hare / Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma,
insbesondere im System des bhakti-yoga, geübt hat. Da der Rāma, Hare, Hare — keinen anderen Weg gibt, den
Geist zur Zeit des Todes sehr gestört ist, sollte man sich Höchsten zu erkennen.
178

VERS 12 seines Körpers an die Höchste Persönlichkeit Gottes


denkt, wird man gewiß die spirituellen Planeten
sarva-dvārāŠi saˆyamya erreichen.
mano hdi-nirudhya ca
mūrdhny ādhāyātmanaƒ prāŠam ERLÄUTERUNG
āsthito yoga-dhāraŠāˆ
Hier wird klar gesagt, daß om, Brahman und Śrī KŠa
sarva-dvārāŠi—alle Tore des Körpers; saˆyamya— nicht verschieden sind. Om ist der unpersönliche Klang
beherrschend; manaƒ-Geist; hdi—im Herzen; nirudhya— KŠas, doch der Klang Hare KŠa enthält om. Es wird in
eingeschlossen; ca—auch; mūrdhni—auf den Kopf; ād- diesem Zeitalter klar empfohlen, am Ende des Lebens,
hāya—gerichtet; ātmanaƒ—Seele; prāŠam—die beim Verlassen des Körpers, den Hare KŠa-mahā-mantra
Lebensluft; āsthitaƒ—verankert; yoga-dhāraŠām—die zu chanten; dann wird man die spirituellen Planeten
yogische Situation. erreichen. Die Geweihten KŠas gehen zum
KŠa-Planeten, Goloka Vndāvana, wohingegen die
ÜBERSETZUNG Unpersönlichkeitsanhänger im brahmajyoti bleiben. Die
Persönlichkeitsanhänger gehen auch zu den unzähligen
Yoga zu praktizieren bedeutet, sich von allen sinnlichen Planeten im spirituellen Himmel, die als VaikuŠ˜has
Tätigkeiten zu lösen. Indem man alle Tore der Sinne bekannt sind.
schließt, den Geist auf das Herz und die Lebensluft auf
den höchsten Punkt des Kopfes richtet, verankert man VERS 14
sich im yoga.
ananya-cetāƒ satataˆ
ERLÄUTERUNG yo māˆ smarati nityaśaƒ
tasyāhaˆ sulabhaƒ pārtha
Um yoga zu praktizieren, wie es hier vorgeschlagen wird, nitya-yuktasya yoginaƒ
muß man sich zunächst von jeglichem Sinnengenuß lösen.
Diese Praxis nennt man pratyāhāra oder das Zurückziehen ananya-cetāƒ—ohne Abweichung: satatam—immer; yaƒ—
der Sinne von den Sinnesobjekten. Die Sinnesorgane, mit irgend jemand; mām—an Mich (KŠa); smarati—sich
denen man Wissen erwirbt, wie Augen, Ohren, Nase, erinnert; nityaśaƒ—regelmäßig; tasya—für ihn; aham—Ich
Zunge und Tastsinn, sollten völlig beherrscht werden, und bin; sulabhaƒ—sehr leicht zu erreichen; pārtha—o Sohn
es sollte ihnen nicht gestattet sein, ihre Begierden zu befrie- Pthās; nitya—regelmäßig; yuktasya—beschäftigt;
digen. Auf diese Weise richtet sich der Geist auf die yoginaƒ—des Gottgeweihten.
Überseele im Herzen, und die Lebenskraft wird zum
Scheitel erhoben. Im Sechsten Kapitel wird dieser Vorgang ÜBERSETZUNG
in allen Einzelheiten beschrieben, doch wie schon erwähnt,
ist er in diesem Zeitalter nicht praktisch. Der beste Vorgang Für jemand, der sich ohne Unterlaß an Mich erinnert,
ist KŠa-Bewußtsein. Wenn man immer imstande ist, bin Ich sehr leicht zu erreichen, o Sohn Pthās, da er
seinen Geist im hingebungsvollen Dienst auf KŠa zu sich ständig im hingebungsvollen Dienst betätigt.
richten, ist es sehr leicht, in ungestörter transzendentaler
Trance oder samādhi zu bleiben. ERLÄUTERUNG

VERS 13 In diesem Vers wird der bhakti-yoga der unverfälschten


Geweihten des Höchsten Gottes beschrieben. In den
om ity ekākaraˆ brahma- vorangegangenen Versen wurden vier verschiedene
vyāharan mām anusmaran Gottgeweihte erwähnt — die Leidenden, die
yaƒ prayāti tyajan dehaˆ Wißbegierigen, diejenigen, die nach materiellem Gewinn
sa yāti paramāˆ gatim streben, und die spekulierenden Philosophen. Auch
verschiedene Vorgänge der Befreiung aus der materiellen
om—die Zusammenstellung der Buchstaben A.U.M., Verstrickung sind beschrieben worden: karma-yoga,
omkāra; iti—so; eka-akaram—erhaben, unzerstörbar; jñāna-yoga und ha˜ha-yoga. Hier aber wird bhakti-yoga
brahma—absolut; vyāharan—vibrierend; mām—Mich ohne irgendeine Vermischung mit diesen erklärt. Im
(KŠa); anusmaran—sich erinnernd; yaƒ—irgend jemand; bhakti-yoga wünschen sich die Gottgeweihten nichts
prayāti—verläßt; tyajan—aufgebend; deham—diesen anderes als KŠa. Der reine bhakti-Gottgeweihte wünscht
Körper; saƒ—er; yāti—erreicht; paramām—höchstes; sich nicht, zu den himmlischen Planeten erhoben zu
gatim—Ziel. werden, noch strebt er nach Erlösung oder Befreiung aus
der materiellen Verstrickung. Ein reiner Gottgeweihter be-
ÜBERSETZUNG gehrt nichts. Im Caitanya-caritāmta wird der reine
Gottgeweihte nikāma genannt, was bedeutet, daß er kein
Wenn man, nachdem man in dieser yoga-Praxis Selbstinteresse verfolgt. Vollkommener Frieden gehört ihm
gefestigt ist und die heilige Silbe om, die höchste allein, und nicht denen, die nach persönlichem Gewinn
Verbindung von Buchstaben, vibriert, beim Verlassen trachten. Der reine Gottgeweihte möchte nur den Höchsten
179

Herrn erfreuen, und der Herr sagt, daß Er für jeden, der
unerschütterliche Hingabe an Ihn hat, leicht zu erreichen ÜBERSETZUNG
ist. Der Gottgeweihte kann irgendeiner der
transzendentalen Formen des Herrn dienen und trifft dabei Nachdem die großen Seelen, die hingegebenen yogīs,
auf keines der Probleme, von denen jene geplagt werden, Mich erreicht haben, kehren sie niemals zurück in diese
die andere yoga-Vorgänge praktizieren. Bhakti-yoga ist zeitweilige Welt, die voller Leiden ist, denn sie haben die
sehr einfach und rein und leicht durchführbar. Man kann höchste Vollkommenheit erreicht.
beginnen, indem man einfach Hare KŠa chantet. KŠa ist
sehr barmherzig zu denen, die sich in Seinem Dienst ERLÄUTERUNG
betätigen, und Er hilft dem Gottgeweihten, der sich Ihm
völlig ergeben hat, auf verschiedene Weise, damit dieser Da die zeitweilige, materielle Welt voller Leiden —
Ihn so verstehen kann, wie Er ist. Der Herr gibt einem Geburt, Alter, Krankheit und Tod — ist, will derjenige, der
solchen Gottgeweihten genügend Intelligenz, so daß dieser die höchste Vollkommenheit erreicht und zum höchsten
Ihn letztlich in Seinem spirituellen Königreich erreichen Planeten, KŠaloka, Goloka Vndāvana, gelangt, natürlich
kann. nicht zurückkehren. In den vedischen Schriften wird
Es ist die besondere Qualifikation des reinen beschrieben, daß der höchste Planet jenseits unserer
Gottgeweihten, daß er immer an KŠa denkt, ohne Zeit materiellen Sicht liegt, und er gilt als das höchste Ziel. Die
oder Ort in Betracht zu ziehen. Es sollte dabei keine mahātmās oder großen Seelen empfangen von dem
Hindernisse geben. Er sollte fähig sein, seinen Dienst selbstverwirklichten Gottgeweihten transzendentale
überall und zu jeder Zeit auszuführen. Manche sagen, der Botschaften und entwickeln so allmählich
Gottgeweihte solle an heiligen Orten wie Vndāvana oder hingebungsvollen Dienst im KŠa-Bewußtsein und werden
in einer anderen heiligen Stadt bleiben, in der der Herr so sehr in den transzendentalen Dienst vertieft, daß sie nicht
lebte, doch ein reiner Gottgeweihter kann überall leben und länger danach streben, auf einen der materiellen Planeten
durch seinen hingebungsvollen Dienst die Atmosphäre von erhoben zu werden; noch wollen sie auf irgendeinen der
Vndāvana schaffen. Es war Śrī Advaita, der zu Śrī spirituellen Planeten befördert werden. Sie wollen nichts
Caītanya einmal sagte: "Wo immer Du bist, o Herr — dort anderes als mit KŠa zusammensein. Solch große Seelen
ist Vndāvana." im KŠa-Bewußtsein erreichen die höchste
Ein reiner Gottgeweihter erinnert sich ständig an KŠa und Vollkommenheit des Lebens. Mit anderen Worten: Sie sind
meditiert über Ihn. Das sind die Qualifikationen eines die höchsten Seelen.
reinen Gottgeweihten, für den der Herr sehr leicht
erreichbar ist. Bhakti-yoga ist das System, das die Gītā vor VERS 16
allen anderen empfiehlt. Im allgemeinen sind die
bhakti-yogīs auf fünf verschiedene Arten im hin- ābrahma-bhuvanāl lokāƒ
gebungsvollen Dienst tätig: (1) śānta-bhakta, in einer punar āvartino'rjuna
neutralen Haltung; (2) dāsya-bhakta, als Diener; (3) mām upetya tu kaunteya
sākhya-bhakta, als Freund; (4) vātsalya-bhakta, als Eltern- punar janma na vidyate
teil, und (5) mādhurya-bhakta, als eheliche Geliebte des
Höchsten Herrn. Bei jeder dieser Arten ist der reine ābrahma—bis zum Planeten Brahmaloka; bhuvanāt—von
Gottgeweihte ständig im transzendentalen liebevollen den Planetensystemen; lokāƒ—Planeten; punaƒ—wieder;
Dienst des Höchsten Herrn beschäftigt und kann den āvartinaƒ—zurückkehrend; arjuna—o Arjuna; mām—zu
Höchsten Herrn nicht vergessen. Daher ist für ihn der Herr Mir; upetya—kommend; tu—aber; kaunteya—o Sohn
sehr leicht erreichbar. Ein reiner Gottgeweihter kann den Kuntīs; punaƒ janma—Wiedergeburt; na—niemals;
Herrn nicht einmal für einen Augenblick vergessen, und in vidyate—nimmt an.
ähnlicher Weise kann der Höchste Herr Seinen Geweihten
nicht einmal für einen Augenblick vergessen. Das ist die ÜBERSETZUNG
große Segnung, die ein Mensch erfährt, der den Vorgang
des KŠa-Bewußtseins, das Chanten des Alle Planeten in der materiellen Welt — vom höchsten
Hare-KŠa-mahā-mantra, praktiziert. bis hinab zum niedrigsten — sind Orte des Leids, an
denen sich Geburt und Tod wiederholen. Wer aber in
VERS 15 Mein Reich gelangt, o Sohn Kuntīs, wird niemals wieder
geboren.
mām upetya punar janma
duƒkhālayam aśāśvatam ERLÄUTERUNG
nāpnuvanti mahātmānaƒ
saˆsiddhiˆ paramāˆ gatāƒ Alle Arten von yogīs — karma, jñāna, ha˜ha usw. —
müssen irgendwann schließlich die hingebungsvolle
mām—Mich; upetya—erreichend; punaƒ—wieder; janma— Vollkommenheit im bhakti-yoga oder KŠa-Bewußtsein
Geburt; duƒkha-ālayam—Ort der Leiden; aśāśvatam— erreichen, bevor sie zum transzendentalen Reich KŠas
zeitweilig; na—niemals; āpnuvanti—erreichen; gehen können und niemals wieder zurückkehren.
mahātmānaƒ—die großen Seelen; saˆsiddhiˆ— Diejenigen, die die höchsten materiellen Planeten, die
Vollkommenheit; paramām—endgültige; gatāƒ—erreicht. Planeten der Halbgötter, erreichen, sind erneut sich
180

wiederholenden Geburten und Toden unterworfen. Wie Brahmās, des Schöpfergottes, und ebenso lang währt seine
Menschen von der Erde zu höheren Planeten erhoben Nacht. Brahmā lebt einhundert solcher "Jahre" und stirbt
werden, so fallen Bewohner höherer Planeten, wie dann. Diese einhundert Jahre betragen nach irdischer
Brahmaloka, Candraloka und Indraloka, auf die Erde herab. Zeitrechnung insgesamt 311 Billionen und 40 Milliarden
Die Darbringung von Opfern, pañcāgni-vidyā genannt, die Erdenjahre. Nach diesen Berechnungen erscheint das Leben
in der Ka˜ha Upaniad empfohlen wird, befähigt einen, Brahmās fantastisch und unendlich lang, doch aus der Sicht
Brahmaloka zu erreichen, doch wenn man auf Brahmaloka der Ewigkeit ist es so kurz wie ein aufleuchtender Blitz. Im
kein KŠa-Bewußtsein entwickelt, muß man wieder zur Ozean der Ursachen gibt es unzählige Brahmās, die wie
Erde zurückkehren. Diejenigen, die auf den höheren Blasen im Atlantik entstehen und wieder vergehen. Brahmā
Planeten im KŠa-Bewußtsein Fortschritte machen, und seine Schöpfung sind Teil des materiellen Universums,
gelangen allmählich zu immer höheren Planeten und und daher befinden sie sich in ständigem Wandel.
werden zur Zeit der universalen Vernichtung zum ewigen Im materiellen Universum ist nicht einmal Brahmā von
spirituellen Königreich erhoben. Wenn das materielle Geburt Alter, Krankheit und Tod frei. Brahmā ist aber als
Universum vernichtet wird, werden Brahmā und seine Verwalter des Universums direkt im Dienst des Herrn tätig
Geweihten, die ständig im KŠa-Bewußtsein tätig sind, zur — daher wird er sogleich befreit. Fortgeschrittene
spirituellen Welt und, je nach ihren Wünschen, zu sannyāsīs werden zu Brahmās Planeten, Brahmāloka,
bestimmten spirituellen Planeten erhoben. erhoben, der der höchste Planet im materiellen Universum
ist und der alle Planeten im oberen Bereich des
VERS 17 himmlischen Planetensystems überdauert; doch im Laufe
der Zeit sind Brahmā und alle Bewohner von Brahmāloka
sahasra-yuga-paryantam nach dem Gesetz der materiellen Natur dem Tod
ahar yad brahmaŠo viduƒ unterworfen.
rātriˆ yuga-sahasrāntāˆ
te'ho-rātra-vido janāƒ VERS 18

sahasra—tausend; yuga—Zeitalter; prayantam— avyaktād vyaktayaƒ sarvāƒ


einschließlich; ahaƒ—Tag; yat-das; brahmaŠaƒ—Brahmās; prabhavanty ahar-āgame
viduƒ—wisse es; rātrim—Nacht; yuga—Zeitalter; sa- rātry-āgame pralīyante
hasra-antām—in ähnlicher Weise, am Ende von tatraivāvyakta-saˆjñake
eintausend; te—das; ahaƒ-rātra—Tag und Nacht; vidaƒ—
verstehen; janāƒ—Menschen. avyaktād—vom Unmanifestierten; vyaktayaƒ—Lebewesen;
sarvāƒ—alle; prabhavanti—treten ins Dasein;
ÜBERSETZUNG ahaƒ-āgame—beim Anbruch des Tages; rātri-āgame—
beim Hereinbrechen der Nacht; pralīyante—werden
Nach menschlicher Zeitrechnung ergeben eintausend vernichtet; tatra—dort; eva—gewiß; avyakta—das
Zeitalter die Dauer eines Tages im Leben Brahmās. Und Unmanifestierte; saˆjñake—genannt.
ebenso lange währt seine Nacht.
ÜBERSETZUNG
ERLÄUTERUNG
Wenn Brahmās Tag anbricht, tritt die Vielzahl der
Die Dauer des materiellen Universums ist begrenzt. Es Lebewesen ins Dasein, und wenn Brahmās Nacht
manifestiert sich in periodisch wiederkehrenden kalpas. Ein hereinbricht, werden sie alle vernichtet.
kalpa ist ein Tag Brahmās, und ein Tag Brahmās besteht
aus eintausend Zyklen von je vier yugas oder Zeitaltern: ERLÄUTERUNG
Satya, Tretā, Dvāpara und Kali. Das Zeitalter des Satya
wird von Tugend, Weisheit und Religion charakterisiert; Die weniger intelligenten jīvas versuchen, in der
dort gibt es praktisch keine Unwissenheit und kein Laster, materiellen Welt zu bleiben, und werden dementsprechend
und dieses yuga dauert 1 728 000 Jahre. Im Tretā-yuga zu den verschiedenen Planetensystemen erhoben und
treten Laster auf; dieses yuga währt 1 296 000 Jahre. Im erniedrigt. Während Brahmās Tag entfalten sie ihre
Dvāpara-yuga nehmen Tugend und Religion noch mehr ab, Tätigkeiten, und wenn Brahmās Nacht hereinbricht, werden
und Laster nehmen zu; dieses yuga dauert 864 000 Jahre. sie vernichtet. Am Tage bekommen sie verschiedene
Und im Kali-yuga schließlich (dem yuga, das vor 5 000 Körper, um materielle Tätigkeiten ausführen zu können,
Jahren begonnen hat), nehmen Streit, Unwissenheit, und abends vergehen diese Körper. Die jīvas oder
Irreligion und Laster überhand, da wahre Tugend so gut individuellen Seelen bleiben dann dichtgedrängt im Körper
wie nicht mehr vorhanden ist; dieses yuga währt 432 000 ViŠus und werden immer wieder manifestiert, wenn ein
Jahre. Im Kali-yuga nimmt die Lasterhaftigkeit solche Tag Brahmās beginnt. Wenn Brahmās Leben schließlich zu
Ausmaße an, daß am Ende des Zeitalters der Herr als Ende geht, werden sie alle vernichtet und bleiben für
Kalki-avatāra erscheint, die Dämonen vernichtet, Seine Millionen und Abermillionen von Jahren unmanifestiert.
Geweihten rettet und ein neues Satya-yuga einleitet. Dann Wenn Brahmā dann in einem anderen Zeitalter
beginnt der gleiche Vorgang wieder von vorn. Diese vier wiedergeboren wird, werden auch sie wieder manifestiert.
yugas, eintausendmal durchlaufen, umfassen einen Tag Auf diese Weise werden die jīvas von der materiellen Welt
181

gefangengehalten. Jene intelligenten Wesen jedoch, die sich tam āhuƒ paramāˆ gatim
dem KŠa-Bewußtsein zuwenden, chanten im yaˆ prāpya na nivartante
hingebungsvollen Dienst "Hare KŠa, Hare Rāma" und tad dhāma paramaˆ mama
erreichen sogar schon in diesem Leben den spirituellen
Planeten KŠas und werden dort für immer glückselig, da avyaktaƒ—unmanifestiert; akaraƒ—unfehlbar; iti—so;
sie nicht länger solchen Wiedergeburten unterworfen sind. uktaƒ—gesagt; tam—das, was; āhuƒ—ist bekannt;
paramām—letztliches; gatim—Ziel; yam—das, was;
VERS 19 prāpya—wenn man es erreicht; na—niemals; nivartante—
kommt zurück; tat dhāma—zu diesem Reich; paramam—
bhūta-grāmaƒ sa evāyaˆ höchstem; mama—Mein.
bhūtvā bhūtvā pralīyate
rātry-āgame'vaśaƒ pārtha ÜBERSETZUNG
prabhavaty ahar-āgame
Dieses höchste Reich wird unmanifestiert und unfehlbar
bhutā-grāmaƒ—die Gesamtheit aller Lebewesen; saƒ—sie; genannt und ist das höchste Ziel. Geht jemand dorthin,
eva—gewiß; ayam—dieses; bhūtvā bhūtvā—geboren kehrt er nie wieder zurück. So beschaffen ist Mein
werden; pralīyate—vernichten; rātri—Nacht; āgame—beim höchstes Reich.
Anbruch; avaśaƒ—von selbst; pārtha—o Sohn Pthās;
prabhavanti—manifestiert; ahaƒ—während des Tages; ERLÄUTERUNG
āgame—beim Anbruch.
Das höchste Reich KŠas, der Persönlichkeit Gottes, wird
ÜBERSETZUNG in der Brahma-saˆhitā (5.29) als cintāmaŠi-dhāma
beschrieben, das heißt als ein Ort, an dem alle Wünsche
Immer wieder beginnt der Tag, und die Schar der erfüllt werden. In diesem höchsten Reich Śrī KŠas, das
Wesen ist aktiv, und dann wieder bricht die Nacht als Goloka Vndāvana bekannt ist, stehen zahllose Paläste
herein, o Pārtha, und hilflos werden sie aufgelöst. aus dem Stein der Weisen. Es gibt dort auch Bäume,
"Wunschbäume“ genannt, die auf Wunsch für jede Art von
VERS 20 Eßbarem sorgen, und man findet dort Kühe, die als
surabhi-Kühe bekannt sind und eine unbegrenzte Menge
paras tasmāt tu bhāvo’nyo Milch geben. In diesem Reich dienen dem Herrn Hundert-
'vyakto'vyaktāt sanātanaƒ tausende von Glücksgöttinnen (Lakmīs), und man nennt
yaƒ sa sarveu bhūteu Ihn Govinda, den urersten Herrn und die Ursache aller
naśyatsu na vinaśyati Ursachen. Der Herr liebt es, auf Seiner Flöte zu spielen
(venum kvanantam). Seine transzendentale Gestalt ist die
paraƒ—transzendental; tasmāt—davon; tu-aber; bhāvaƒ— anziehendste in allen Welten — Seine Augen sind wie die
Natur; anyaƒ—eine andere; avyaktaƒ—unmanifestiert; Blütenblätter des Lotos, und die Tönung Seines Körpers
avyaktāt—vom Unmanifestierten; sanātanaƒ—ewig; yaƒ— gleicht der Farbe von Wolken. Er ist so anziehend, daß
das; saƒ—was; sarveu—alle; bhūteu—Manifestation; Seine Schönheit die Schönheit Tausender von
naśyatsu—vernichtet; na—niemals; vinaśyati—vernichtet. Liebesgöttern übertrifft. Er trägt safranfarbene Kleider; eine
Girlande hängt um Seinen Hals, und eine Pfauenfeder
ÜBERSETZUNG steckt in Seinem Haar. In der Gītā gibt Śrī KŠa nur einen
kleinen Hinweis auf Sein persönliches Reich (Goloka
Jedoch gibt es noch eine andere Natur, die ewig ist und Vndāvana), den höchsten Planeten im spirituellen
transzendental zur manifestierten und unmanifestierten Königreich. Eine lebhafte Beschreibung finden wir in der
Materie. Sie ist erhaben und wird niemals vernichtet. Brahma-saˆhitā. Die vedischen Schriften sagen, daß es
Auch wenn alles in der materiellen Welt zerstört wird, nichts Höheres gibt als das Reich des Höchsten Gottes und
bleibt dieser Teil, wie er ist. daß dieses Reich das endgültige Ziel ist. Erreicht man es,
kehrt man nie wieder in die materielle Welt zurück. KŠas
ERLÄUTERUNG höchstes Reich und KŠa Selbst sind nicht voneinander
verschieden, da sie von gleicher Eigenschaft sind. Auf
KŠas höhere, spirituelle Energie ist transzendental und dieser Erde ist Vndāvana, das etwa 145 Kilometer
ewig. Sie befindet sich jenseits aller Wandlungen der südöstlich von Delhi liegt, ein Ebenbild des höchsten
materiellen Natur, die während der Tage Brahmās Goloka Vndāvana, das sich in der spirituellen Welt
manifestiert und während seiner Nächte unmanifestiert ist. befindet. Als KŠa auf dieser Erde erschien, entfaltete Er
KŠas höhere Energie ist der materiellen Natur qualitativ Seine transzendentalen Spiele in diesem besonderen Gebiet,
völlig entgegengesetzt. Höhere und niedere Natur werden das als Vndāvana bekannt ist und im Bezirk von Mathurā,
im Siebten Kapitel erklärt. Indien, liegt.

VERS 21 VERS 22

avyakto'kara ity uktas puruaƒ sa paraƒ pārtha


182

bhaktyā labhyas tv ananyayā VERS 23


yasyāntaƒsthāni bhūtāni
yena sarvam idaˆ tatam yatra kāle tv anāvttim
āvttiˆ caiva yoginaƒ
puruaƒ—die Höchste Persönlichkeit; saƒ—Er; paraƒ—der prayātā yānti taˆ kālaˆ
Höchste, über dem es keinen Größeren gibt; pārtha—o vakyāmi bharatarabha
Sohn Pthās; bhaktyā—durch hingebungsvollen Dienst;
labhyaƒ—kann erreicht werden; tu—aber; ananyayā— yatra—in dieser; kāle—Zeit; tu—aber; anāvttim—keine
ungetrübte, nicht abweichende Hingabe; yasya—Sein; Rückkehr; āvttim— Rückkehr; ca—auch; eva-gewiß;
antaƒsthāni—innerhalb; bhūtāni—die gesamte materielle yoginaƒ—verschiedene Arten von Mystikern; prayātāƒ—
Manifestation; yena—von dem; sarvam—alles; idam—was jemand, der geht; yānti—scheidet; tam—diese; kālam—
immer wir sehen können; tatam—verteilt. Zeit; vakyāmi— beschreibend; bharatarabha—o bester
der Bhāratas.
ÜBERSETZUNG
ÜBERSETZUNG
Der Herr, die Höchste Persönlichkeit Gottes, der größer
ist als alle, kann durch ungetrübte Hingabe erreicht O bester der Bhāratas, Ich werde dir nun die
werden. Obwohl Er Sich in Seinem Reich aufhält, ist Er verschiedenen Zeiten erklären, die beim Verlassen
alldurchdringend, und alles ruht in Ihm. dieser Welt entscheiden, ob man zurückkehrt oder
nicht.
ERLÄUTERUNG
ERLÄUTERUNG
Es wird hier eindeutig gesagt, daß der höchste
Bestimmungsort, von dem es keine Rückkehr gibt, das Die unverfälschten Geweihten des Höchsten Herrn, die
Reich KŠas, der Höchsten Person, ist. Die Brahma-saˆ- völlig ergebene Seelen sind, kümmern sich nicht darum,
hitā beschreibt dieses höchste Reich als wann oder durch welche Methode sie ihren Körper
ānanda-cinmaya-rasa, einen Ort, an dem alles voll verlassen. Sie überlassen alles KŠa und kehren so leicht
spiritueller Glückseligkeit ist. Welche Mannigfaltigkeit und glücklich zu Gott zurück. Aber diejenigen, die keine
auch immer dort manifestiert ist — alles ist von der unverfälschten Gottgeweihten sind und statt dessen auf
Eigenschaft spiritueller Glückseligkeit, denn es gibt dort Methoden spiritueller Verwirklichung wie karma-yoga,
nichts Materielles. Alle Mannigfaltigkeit ist eine spirituelle jñāna-yoga und ha˜ha-yoga bauen, müssen den Körper zu
Erweiterung des Höchsten Gottes Selbst, denn die einer geeigneten Zeit verlassen, um so die Gewißheit zu
Manifestation dort ist in ihrer Gesamtheit von spiritueller haben, nicht wieder zu dieser Welt der Geburten und Tode
Energie, wie im Siebten Kapitel erklärt wird. Was die zurückzukehren.
materielle Welt betrifft, so ist der Herr, obwohl Er Sich Wenn der yogī die Vollkommenheit erreicht hat, kann er
immer in Seinem höchsten Reich aufhält, durch Seine Zeit und Ort auswählen, um die materielle Welt zu
materielle Energie nichtsdestoweniger alldurchdringend. verlassen; doch wenn er nicht so vollkommen ist, muß er
Durch Seine materiellen und spirituellen Energien ist Er die materielle Welt nach dem Willen der Natur verlassen.
also überall gegenwärtig — sowohl in den materiellen als In diesen Versen erklärt der Herr die Zeit, die am
auch in den spirituellen Universen. Yasyāntaƒsthāni geeignetsten ist, den Körper zu verlassen und nicht mehr
bedeutet, daß alles von Ihm erhalten wird — sei es die zurückzukehren. Nach Ācārya Baladeva VidyābhūaŠa
spirituelle oder die materielle Energie. bezieht sich das Sanskritwort kāla hier auf die herrschende
Es wird hier klar gesagt, daß man nur durch bhakti oder Gottheit der Zeit.
hingebungsvollen Dienst das VaikuŠ˜ha- (spirituelle)
Planetensystem betreten kann. In allen VaikuŠ˜thas gibt es VERS 24
nur einen Höchsten Gott, KŠa, der Sich in viele Millionen
und Abermillionen von vollständigen Erweiterungen agnir jyotir ahaƒ śuklaƒ
ausgedehnt hat. Diese vollständigen Erweiterungen sind aŠ-māsā uttarāyaŠam
vierarmig, und sie herrschen über die unzähligen tatra prayātā gacchanti
spirituellen Planeten. Sie sind unter verschiedenen Namen brahma brahma-vido janāƒ
bekannt wie Puruottama, Trivikrama, Keśava, Mādhava,
Aniruddha, Hikeśa, Sa‰karaŠa, Pradyumna, Śrīdhara, agniƒ—Feuer; jyotiƒ—Licht; ahaƒ—Tag; śuklaƒ—weiß;
Vāsudeva, Dāmodara, Janārdana, NārāyaŠa, Vāmana, a˜-māsāƒ—Monate; uttarāyaŠam—wenn die Sonne im
Padmanābha usw. Diese vollständigen Erweiterungen Norden reist; tatra—dort; prayātāƒ—jemand, der geht;
werden mit den Blättern eines Baumes verglichen und gacchanti—scheidet; brahma—das Absolute;
KŠa mit dem Stamm. KŠa, der in Goloka Vndāvana, brahma-vidaƒ-jemand, der das Absolute kennt; janāƒ—ein
Seinem höchsten Reich, weilt, leitet kraft Seines Mensch.
alldurchdringenden Wesens systematisch und fehlerlos alle
Geschehnisse beider Universen (des materiellen und des ÜBERSETZUNG
spirituellen).
183

Diejenigen, die das Höchste Brahman kennen, scheiden bedeutet, daß es auf dem Mond höher entwickelte
von der Welt, während der Feuergott seinen Einfluß Lebewesen gibt, auch wenn es uns nicht möglich sein mag,
ausübt, im Licht, in einem glückverheißenden sie mit den groben Sinnen wahrzunehmen.
Augenblick, während der vierzehn Tage des Mondes
und der sechs Monate, in denen die Sonne im Norden VERS 26
reist.
śukla-kŠe gatī hy ete
ERLÄUTERUNG jagataƒ śāśvate mate
ekayā yāty anāvttim
Man sollte verstehen, daß das Feuer, das Licht, der Tag und anyayāvartate punaƒ
der Mond von Gottheiten beherrscht werden, die
Vorkehrungen für das Dahinscheiden der Seele treffen. Zur śukla—Licht; kŠe—Dunkelheit; gatī—verscheidend; hi—
Zeit des Todes macht sich der jīva auf den Weg in ein gewiß; ete—all diese; jagataƒ—der materiellen Welt;
neues Leben. Wenn man den Körper zu der oben śāśvate—die Veden; mate—der Meinung nach; ekayā-von
beschriebenen Zeit entweder zufällig oder durch einem; yāti—geht; anāvttim—keine Rückkehr; anyayā—
Vorkehrung verläßt, ist es einem möglich, das des anderen; āvartate-kommt zurück; punaƒ—wieder;
unpersönliche brahmajyoti zu erreichen. Mystiker, die in
der yoga-Praxis fortgeschritten sind, können die Zeit und ÜBERSETZUNG
den Ort, um den Körper zu verlassen, selbst bestimmen.
Andere haben darüber keine Kontrolle - wenn sie durch Den Veden zufolge gibt es zwei Wege, auf denen man
Zufall in einem glückverheißenden Augenblick ver- diese Welt verlassen kann —einen im Licht und einen in
scheiden, werden sie nicht in den Kreislauf von Geburt und der Dunkelheit. Wenn jemand im Licht scheidet, kommt
Tod zurückkehren, doch wenn nicht, ist es durchaus er nicht wieder zurück; wer jedoch in der Dunkelheit
möglich, daß sie zurückkehren müssen. Für den reinen geht, muß zurückkehren.
Gottgeweihten im KŠa-Bewußtsein besteht jedoch nicht
die Gefahr der Rückkehr, gleichgültig ob er den Körper in ERLÄUTERUNG
einem günstigen oder in einem ungünstigen Augenblick,
durch Zufall oder durch Vorkehrung verläßt. Ācārya Baladeva VidyābhūaŠa zitiert aus der Chandogya
Upaniad die gleiche Beschreibung von Dahinscheiden und
VERS 25 Wiederkehr. Somit sind diejenigen, die seit
unvordenklicher Zeit fruchtbringende Arbeiter und
dhūmo rātris tathā kŠaƒ philosophische Spekulanten sind, dazu verurteilt, ständig zu
aŠ-māsā dakiŠāyanam gehen und zu kommen. Im Grunde erlangen sie keine
tatra cāndramasaˆ jyotir endgültige Erlösung, denn sie geben sich KŠa nicht hin.
yogī prāpya nivartate
VERS 27
dhūmaƒ—Rauch; rātriƒ—Nacht; tathā—auch; kŠaƒ—die
vierzehn Tage des dunklen Mondes; a˜-māsāƒ—die sechs naite stī pārtha jānan
Monate; dakiŠa-ayanam—wenn die Sonne im Sünden yogī muhyati kaścana
reist; tatra—dort; cāndramasam—den Mondplaneten; tasmāt sarveu kāleu
jyotiƒ—Licht; yogī—der Mystiker; prāpya—erreicht; yoga-yukto bhavārjuna
nivartate—kommt zurück.
na—niemals; ete-all diese; stī—verschiedene Pfade;
ÜBERSETZUNG pārtha—o Sohn Pthās; jānan—selbst wenn sie wissen;
yogī—die Geweihten des Herrn; muhyati—verwirrt;
Der Mystiker, der die Welt während des Rauches kaścana—irgend jemand; tasmāt-daher; sarveu kāleu—
verläßt, nachts, während der mondlosen vierzehn Tage immer; yoga-yuktaƒ—im KŠa-Bewußtsein beschäftigt;
und in den sechs Monaten, wenn die Sonne im Süden bhava—werde nur; arjuna—o Arjuna.
reist, oder der den Mondplaneten erreicht, muß wieder
zurückkehren. ÜBERSETZUNG

ERLÄUTERUNG Die Gottgeweihten, die diese beiden Pfade kennen, o


Arjuna, sind niemals verwirrt. Sei daher stets in
Im Dritten Canto des Śrīmad-Bhāgavatam werden wir Hingabe gefestigt.
darüber informiert, daß diejenigen, die auf der Erde
fruchtbringende Tätigkeiten und Opfer mit Sachkenntnis ERLÄUTERUNG
ausführen, nach dem Tode den Mond erreichen. Diese
fortgeschrittenen Seelen leben (nach der Zeitrechnung der KŠa rät Arjuna hier, sich von den verschiedenen Pfaden,
Halbgötter) etwa zehntausend Jahre auf dem Mond und die die Seele einschlagen kann, wenn sie die materielle
genießen das Leben, indem sie soma-rasa trinken. Am Welt verläßt, nicht verwirren zu lassen. Ein Geweihter des
Ende kehren sie jedoch wieder auf die Erde zurück. Das Höchsten Herrn sollte sich nicht darum sorgen, ob er durch
184

Vorkehrung oder durch Zufall verscheiden wird. Der einmal versäumt, den Schüler zum Essen zu rufen, fastet
Gottgeweihte sollte fest im KŠa-Bewußtsein verankert dieser. Dies sind einige der vedischen Prinzipien, die im
sein und Hare KŠa chanten. Er sollte wissen, daß es nur brahmacarya-Leben eingehalten werden müssen.
Schwierigkeiten mit sich bringt, wenn man sich mit einem Wenn der Schüler die Veden unter der Anleitung des
dieser beiden Pfade befaßt. Das beste Mittel, im Meisters vom fünften bis zum zwanzigsten Lebensjahr
KŠa-Bewußtsein vertieft zu sein, besteht darin, sich studiert, kann er einen vollkommenen Charakter
ständig in KŠas Dienst zu beschäftigen; das wird den entwickeln. Das Studium der Veden ist nicht für die
Weg zum spirituellen Königreich sicher, gewiß und direkt Mußestunden von OhrensesselSpekulanten bestimmt,
machen. Das Wort yoga-yukta ist in diesem Vers von sondern für die Bildung des Charakters. Nach dieser
besonderer Bedeutung. Wer im yoga gefestigt ist, ist bei all Schulung ist es dem brahmacārī erlaubt, zu heiraten und
seinen Tätigkeiten ständig im KŠa-Bewußtsein ein Leben als ghastha (Haushälter) zu führen. Auch wenn
beschäftigt. Śrīla Rūpa Gosvāmī rät, daß man in der ma- er Haushälter ist, muß er viele Opfer darbringen und nach
teriellen Welt unangehaftet sein sollte und daß alle weiterer Erleuchtung streben. Nachdem er sich schließlich
Angelegenheiten in KŠa-Bewußtsein getaucht sein vom Haushälterleben zurückgezogen hat und in den
sollten. Auf diese Weise wird man die Vollkommenheit vānaprastha-Stand eingetreten ist, nimmt er schwere
erreichen. Deshalb ist der Gottgeweihte durch solche tapasya auf sich, wie im Wald zu leben, sich mit
Beschreibungen nicht gestört, denn er weiß, daß sein Baumrinde zu kleiden, sich nicht zu rasieren usw. Wenn
Übergang zum höchsten Reich durch hingebungsvollen man nach den Vorschriften für brahmacarya, ghastha,
Dienst garantiert ist. vānaprastha und schließlich sannyāsa lebt, wird man zur
vollkommenen Stufe des Lebens erhoben. Einige gelangen
VERS 28 auch zu den himmlischen Königreichen und erreichen,
wenn sie weiteren Fortschritt machen, die Befreiung im
vedeu yajñeu tapaƒsu caiva spirituellen Himmel — entweder im unpersönlichen
dāneu yat puŠya-phalaˆ pradi˜am brahmajyoti oder auf den VaikuŠ˜ha-Planeten oder auf
atyeti tat sarvam idaˆ viditvā KŠaloka. Das ist der Pfad, der von den vedischen
yogī param sthānam upaiti cādyam Schriften beschrieben wird.
Das Wunderbare am KŠa-Bewußtsein ist jedoch, daß man
vedeu—im Studium der Veden; yajñeu—bei den mit einem Mal — indem man sich im hingebungsvollen
Durchführungen von yajña (Opfer); tapaƒsu—verschiedene Dienst beschäftigt — alle Rituale der verschiedenen
Arten von Enthaltungen auf sich nehmend; ca—auch; Lebensstände hinter sich lassen kann.
eva—gewiß; dāneu—beim Geben von Spenden; yat—das, Man sollte nicht versuchen, das Siebte und Achte Kapitel
was; puŠya-phalam—das Ergebnis frommer Arbeit; der Gītā durch Gelehrsamkeit oder gedankliche
pradi˜am—gerichtet; atyeti—übertrifft; tat—all diejenigen; Spekulation zu verstehen, sondern durch Hören in der Ge-
sarvam idam—all diejenigen, die oben beschrieben wurden; meinschaft reiner Gottgeweihter. Die Kapitel Sechs bis
viditvā—kennend; yogī—der Gottgeweihte; param— Zwölf sind die Essenz der Gītā. Wenn jemand das Glück
höchstes; sthānam—Reich; upaiti—erreicht Frieden; ca— hat, die Bhagavad-gītā in der Gemeinschaft reiner
auch; ādyam—ursprünglich. Gottgeweihter zu verstehen — besonders diese mittleren
sechs Kapitel — wird sein Leben sofort ruhmreich, und er
ÜBERSETZUNG steht jenseits aller tapasya, Opfer, Spenden und Spe-
kulationen. Man sollte die Gītā von einem Gottgeweihten
Jemand, der sich dem Pfad des hingebungsvollen hören, denn am Anfang des Vierten Kapitels heißt es, daß
Dienstes zuwendet, ist nicht der Ergebnisse beraubt, die die Gītā nur von Gottgeweihten in vollkommener Weise
man erhält, wenn man die Veden studiert, Opfer verstanden werden kann. Die Gītā von Gottgeweihten,
darbringt, sich strenge Enthaltungen auferlegt, Spenden nicht von intellektuellen Spekulanten, zu hören wird als
gibt oder philosophischen und fruchtbringenden Glaube bezeichnet. Durch die Gemeinschaft mit
Tätigkeiten nachgeht. Am Ende gelangt er zum Gottgeweihten wird man zum hingebungsvollen Dienst
höchsten Reich. geführt, und durch diesen Dienst werden KŠas Taten,
Seine Gestalt, Seine Spiele, Sein Name usw. verständlich,
ERLÄUTERUNG und alle Befürchtungen werden zerstreut. Wenn erst einmal
alle Zweifel beseitigt sind, bereitet das Studium der Gītā
Dieser Vers ist die Zusammenfassung des Siebten und außerordentliche Freude, und man entwickelt einen
Achten Kapitels, insbesondere, weil diese Kapitel Geschmack und ein Gefühl für KŠa-Bewußtsein. Auf der
KŠa-Bewußtsein und hingebungsvollen Dienst behandeln. fortgeschrittenen Stufe verliebt man sich völlig in KŠa,
Man muß die Veden unter der Anleitung eines spirituellen und das ist der Anfang der am höchsten vervollkommneten
Meisters studieren und viele Enthaltsamkeiten und Bußen Stufe des Lebens, die den Übergang des Gottgeweihten in
(tapasya) auf sich nehmen, während man unter seiner KŠas Reich im spirituellen Himmel, Goloka Vndāvana,
Obhut lebt. Ein brahmacārī muß im Hause des spirituellen vorbereitet, wo der Gottgeweihte ewiges Glück erlangt.
Meisters wie ein Diener leben; er muß von Tür zu Tür
gehen, um Almosen betteln und sie dem spirituellen Hiermit enden die Bhaktivedanta-Erläuterungen zum
Meister bringen. Er nimmt nur Essen zu sich, wenn es ihm Achten Kapitel der Śrīmad Bhagavad-gītā mit dem Titel:
sein spiritueller Meister befiehlt, und wenn der Meister es "Wie man den Höchsten erreicht".
185

NEUNTES KAPITEL Kapitel beschriebenen Dinge handeln von unvermischter,


reiner Hingabe, und daher wird es "das vertraulichste
Wissen" genannt. Wer im vertraulichsten Wissen von KŠa
Das vertraulichste Wissen gründet, ist natürlicherweise transzendental und erleidet
daher keine materiellen Qualen mehr, obwohl er sich
VERS 1 immer noch in der materiellen Welt befindet. Im
Bhakti-rasāmta-sindhu wird gesagt, daß jemand, der den
śrī bhagavān uvāca ernsthaften Wunsch hat, dem Höchsten Herrn liebevoll zu
idaˆ tu te guhyatamaˆ dienen, als befreit angesehen werden muß, obwohl er sich
pravakyāmy anasūyave noch im bedingten Zustand des materiellen Daseins
jñānaˆ vijñāna-sahitaˆ befindet. In ähnlicher Weise werden wir im Zehnten
yaj jñātvā mokyase'śubhāt Kapitel der Bhagavad-gītā lesen, daß jeder, der auf diese
Weise tätig ist, eine befreite Seele ist.
śrī bhagavān uvāca—die Höchste Persönlichkeit Gottes Der erste Vers dieses Kapitels nun ist von besonderer
sprach; idam—dieses; tu—aber; te—zu dir; guhyatamam— Bedeutung. Wissen (idaˆ jñānam) bezieht sich auf reinen
das Vertraulichste; pravakyāmi—Ich spreche; anasūyave— hingebungsvollen Dienst, der aus neun verschiedenen
zu demjenigen, der nicht neidisch ist; jñānam—Wissen; Tätigkeiten besteht: hören, chanten, sich erinnern, dienen,
vijñāna—verwirklichtes Wissen; sahitam—mit; yat— verehren, beten, gehorchen, Freundschaft schließen und
welchem; jñātvā—kennend; mokyase-sei befreit; alles hingeben. Wenn man diese neun Elemente
aśubhāt—von diesem leidvollen materiellen Dasein. hingebungsvollen Dienstes praktiziert, wird man zu
spirituellem Bewußtsein oder KŠa-Bewußtsein erhoben.
ÜBERSETZUNG Wenn dann das Herz von der materiellen Verunreinigung
befreit ist, kann man die Wissenschaft von KŠa verstehen.
Der Höchste Herr sprach: Mein lieber Arjuna, weil du Nur zu verstehen, daß ein Lebewesen nicht materiell ist,
Mich niemals beneidest, werde Ich dir diese genügt nicht. Diese Erkenntnis mag der Beginn spiritueller
vertraulichste Weisheit mitteilen, deren Kenntnis dich Verwirklichung sein, doch sollte man den Unterschied zwi-
von den Leiden des materiellen Daseins befreien wird. schen Tätigkeiten des Körpers und spirituellen Tätigkeiten
erkennen, durch die man versteht, daß man nicht der
ERLÄUTERUNG materielle Körper ist.
Im Siebten Kapitel sprachen wir bereits über die vielfältige
Je mehr ein Gottgeweihter über den Höchsten Herrn hört, Macht der Höchsten Persönlichkeit Gottes. Ihre
desto mehr wird er erleuchtet. Dieser Vorgang des Hörens verschiedenen Energien, die niederen und höheren Naturen
wird auch im Śrīmad-Bhāgavatam empfohlen: "Die und die gesamte materielle Manifestation. Jetzt werden in
Botschaften von der Höchsten Persönlichkeit Gottes sind den Kapiteln Neun und Zehn die Herrlichkeiten des Herrn
voller Kräfte, und diese Kräfte können erfahren werden, beschrieben werden.
wenn die Gottgeweihten untereinander über den Höchsten In diesem Vers ist das Sanskritwort anasūyave ebenfalls
Gott sprechen. Dies kann nicht durch die Gemeinschaft sehr bedeutsam. Im allgemeinen beneiden die
gedanklicher Spekulanten oder akademischer Gelehrter Kommentatoren KŠa, die Höchste Persönlichkeit Gottes
erfahren werden, denn es ist verwirklichtes Wissen." — auch wenn sie sehr gebildet sind —, und selbst die
Die Gottgeweihten sind ständig im Dienst des Höchsten hervorragendsten Gelehrten kommentieren die
Herrn beschäftigt. Der Herr versteht die Mentalität und Bhagavad-gītā sehr ungenau. Weil sie KŠa beneiden, sind
Aufrichtigkeit eines bestimmten Lebewesens, das im ihre Kommentare wertlos. Nur Kommentare, die von
KŠa-Bewußtsein tätig ist, und gibt ihm die Intelligenz, die Gottgeweihten verfaßt werden, sind autorisiert. Niemand
Wissenschaft von KŠa in der Gemeinschaft von kann die Bhagavad-gītā erklären oder vollkommenes
Gottgeweihten zu verstehen. Gespräche über KŠa sind Wissen von KŠa vermitteln, wenn er neidisch ist. Wer
sehr mächtig, und wenn ein vom Glück begünstigter KŠas Charakter kritisiert, ohne KŠa zu kennen, ist ein
Mensch solchen Umgang hat und versucht, dieses Wissen Narr. Solche Kommentare sollten daher sorgsam vermieden
zu verstehen, wird er auf dem Weg zu spiritueller werden. Für den, der versteht, daß KŠa die Höchste
Erkenntnis gewiß Fortschritte machen. Um Arjuna zu Persönlichkeit Gottes, die reine und transzendentale
immer höherer Erhebung in Seinem mächtigen Dienst zu Persönlichkeit ist, werden diese Kapitel von großem Nutzen
ermutigen, beschreibt Śrī KŠa in diesem Neunten Kapitel sein.
Themen, die noch vertraulicher sind als die bereits
offenbarten. VERS 2
Der Anfang der Bhagavad-gītā, das Erste Kapitel, ist mehr
oder weniger eine Einleitung zum übrigen Teil des Buches. rāja-vidyā rāja-guhyaˆ
Das im Zweiten und Dritten Kapitel beschriebene pavitram idam uttamam
spirituelle Wissen wird als vertraulich bezeichnet. Die im pratyakāvagamaˆ dharmyaˆ
Siebten und Achten Kapitel erörterten Themen haben susukhaˆ kartum avyayam
insbesondere mit hingebungsvollem Dienst zu tun, und weil
sie zu Erleuchtung im KŠa-Bewußtsein führen, werden rāja-vidyā—der König der Bildung; rāja-guhyam—der
sie als noch vertraulicher bezeichnet. Aber die im Neunten König vertraulichen Wissens; pavitram—das reinste;
186

idam—dieses; uttamam—transzendental; pratyaka—direkt traulichsten Teil spirituellen Wissens, und deshalb wird hier
erfahren; avagamam—verstanden; dharmyam—das Prinzip angedeutet, daß diese Tätigkeiten der spirituellen Seele den
der Religion; susukham—sehr glücklich; kartum— König allen Wissens, den vertraulichsten Teil allen
auszuführen; avyayam—immerwährend. Wissens, darstellen.
Wie in der vedischen Literatur erklärt wird, ist dieses
ÜBERSETZUNG Wissen die reinste Form aller Tätigkeiten. Im Padma
PurāŠa sind die sündigen Handlungen des Menschen
Dieses Wissen ist der König der Bildung und das analysiert worden, und es heißt dort, daß sie die Folgen von
geheimste aller Geheimnisse. Es ist das reinste Wissen, einer Sünde nach der anderen sind. Diejenigen, die
und weil es durch Erkenntnis eine direkte Erfahrung fruchtbringenden Tätigkeiten nachgehen, sind in ver-
vom Selbst vermittelt, ist es die Vollkommenheit der schiedene Stufen und Formen sündhafter Reaktionen
Religlon. Es ist immerwährend und wird mit Freude verstrickt. Wenn zum Beispiel der Same eines bestimmten
praktiziert. Baumes gesät worden ist, scheint der Baum nicht sogleich
zu wachsen; es braucht seine Zeit. Zunächst ist er eine
ERLÄUTERUNG kleine, sprießende Pflanze, dann nimmt er allmählich die
Form eines Baumes an, blüht, trägt Früchte, und wenn er
Dieses Kapitel der Bhagavad-gītā wird „der König der herangereift ist, werden die Blüten und Früchte von jenen
Bildung“ genannt, weil es die Essenz aller zuvor erklärten Menschen genossen, die den Samen des Baumes gesät
Lehren und Philosophien ist. Es gibt in Indien sieben haben. In ähnlicher Weise verhält es sich, wenn ein Mensch
Hauptphilosophen: Gautama, KaŠāda, Kapila, Yājñavalkya, eine sündhafte Handlung begeht — es dauert einige Zeit,
ŚāŠilya, Vaiśvānara und schließlich Vyāsadeva, den Autor bis sie Früchte trägt. Es gibt verschiedene Stufen. Das
des Vedānta-sūtra. Es herrscht also kein Mangel im Individuum mag von den sündhaften Handlungen bereits
Bereich von Philosophie oder transzendentalem Wissen. abgelassen haben, doch die Ergebnisse oder die Frucht
Hier nun sagt der Herr, daß das Neunte Kapitel der König dieser sündhaften Handlung werden immer noch genossen.
dieses Wissens ist, die Essenz allen Wissens, das durch ein Es gibt Sünden, die noch die Form von Samen haben, und
Studium der Veden und verschiedener Arten von Philoso- es gibt andere, die bereits reif sind und uns Früchte
phie gewonnen werden kann. Es ist höchst vertraulich, weil bescheren, die wir als Leid und Schmerz "genießen", wie
vertrauliches oder transzendentales Wissen das Verständnis im 20. Vers des Siebten Kapitels erklärt wurde.
des Unterschieds zwischen Seele und Körper vermittelt. Jemand, der die Reaktionen auf alle sündhaften Tätigkeiten
Und der König allen vertraulichen Wissens gipfelt im beendet hat, nur noch fromme Werke tut und frei von der
hingebungsvollen Dienst. Dualität dieser materiellen Welt ist, wird im
Im allgemeinen sind die Menschen in diesem vertraulichen hingebungsvollen Dienst für die Höchste Persönlichkeit
Wissen nicht bewandert; sie verfügen nur über äußerliches Gottes tätig. Mit anderen Worten: Diejenigen, die sich
Wissen. Was gewöhnliche Bildung betrifft, so befassen sich tatsächlich im hingebungsvollen Dienst des Höchsten Herrn
die Leute mit vielen verschiedenen Wissensgebieten: betätigen, sind bereits von allen Reaktionen befreit. Für
Politik, Soziologie, Physik, Chemie, Mathematik, diejenigen, die im hingebungsvollen Dienst der Höchsten
Astronomie, Ingenieurwesen usw. Überall auf der Welt gibt Persönlichkeit Gottes beschäftigt sind, verschwinden
es sehr viele Wissenszweige und viele große Universitäten, allmählich alle sündhaften Reaktionen — seien diese
doch unglücklicherweise gibt es keine Universität oder ausgereift, gespeichert oder in Form von Samen vorhanden.
Bildungsstätte, an der die Wissenschaft von der spirituellen Die reinigende Kraft hingebungsvollen Dienstes ist also
Seele gelehrt wird. Die Seele aber ist der wichtigste Teil sehr stark, und daher wird solcher Dienst als pavitram
des Körpers, denn ohne die Gegenwart der Seele ist der uttamam oder das Reinste bezeichnet. Uttamam bedeutet
Körper wertlos. Trotzdem legen die Menschen großen Wert "transzendental", tamas bedeutet "die materielle Welt" oder
auf die körperlichen Notwendigkeiten des Lebens und "Dunkelheit", und uttamam bedeutet "das, was tran-
kümmern sich nicht um die lebendige Seele. szendental zu materiellen Tätigkeiten ist". Hingebungsvolle
Die Bhagavad-gītā betont, besonders vom Zweiten Kapitel Tätigkeiten dürfen niemals als materiell angesehen werden,
an, die Wichtigkeit der Seele. Ganz zu Anfang sagt der wenngleich es manchmal so scheinen mag, als seien
Herr, daß der Körper vergänglich und daß die Seele Gottgeweihte wie gewöhnliche Menschen tätig. Wer jedoch
unvergänglich ist. Das ist ein vertraulicher Teil des zu sehen vermag und sich mit hingebungsvollem Dienst
Wissens: einfach zu wissen, daß die spirituelle Seele vom auskennt, wird wissen, daß es sich hier nicht um materielle
Körper verschieden und daß ihr Wesen unveränderlich, Tätigkeiten handelt. Sie sind alle spirituell und
unzerstörbar und ewig ist. Aber das ist noch keine positive hingebungsvoll, unverunreinigt durch die materiellen
Information über die Seele. Manche Menschen sind der Erscheinungsweisen der Natur.
Ansicht, die Seele sei vom Körper verschieden und bleibe, Es heißt, daß die Ausführung hingebungsvollen Dienstes so
wenn der Körper tot oder wenn man vom Körper befreit vollkommen ist, daß man die Ergebnisse unmittelbar
sei, in einer sogenannten Leere und werde unpersönlich. wahrnehmen kann. Dieses unmittelbare Ergebnis ist
Doch diese Auffassung entspricht nicht der Wirklichkeit. tatsächlich sichtbar, und wir haben die praktische
Wie kann die Seele, die schon im Körper so aktiv ist, Erfahrung gemacht, daß jeder, der die Heiligen Namens
untätig sein, wenn sie vom Körper befreit ist? Sie ist immer KŠas chantet (Hare KŠa, Hare KŠa, KŠa KŠa,
aktiv. Wenn sie ewig ist, dann ist sie auch ewig aktiv. Ihre Hare Hare / Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma Rāma, Hare
Tätigkeiten im spirituellen Königreich bilden den ver- Hare) schon bald transzendentale Freude verspürt und sehr
187

schnell von aller materiellen Verunreinigung frei wird. Dies notwendig, um den Pfad der Selbsterkenntnis zu verstehen.
kann tatsächlich beobachtet werden. Wenn man nicht nur Aber hier erlangte Nārada, obwohl er in den vedischen
ständig über KŠa hört, sondern darüber hinaus auch Prinzipien nicht geschult war, die höchsten Ergebnisse
versucht, die Botschaft hingebungsvoller Tätigkeiten zu vedischen Studiums. Dieser Vorgang ist so mächtig, daß
verbreiten, oder wenn man die missionarischen Tätigkeiten man die höchste Vollkommenheit erreichen kann, auch
des KŠa-Bewußtseins unterstützt, wird man bemerken, ohne den religiösen Vorgang regelmäßig zu praktizieren.
daß man allmählich spirituellen Fortschritt macht. Dieser Das wird in der vedischen Literatur ebenfalls bestätigt:
Fortschritt im spirituellen Leben ist von keiner früheren ācāryavān puruo veda. Wer sich in der Gemeinschaft
Bildung oder Qualifikation abhängig. Die Methode an sich großer ācāryas befindet, kann, selbst wenn er nicht gebildet
ist so rein, daß man rein wird, wenn man einfach nach ihr ist oder die Veden nicht studiert hat, mit all dem zur
handelt. Selbsterkenntnis erforderlichen Wissen vertraut werden.
Im Vedānta-sūtra wird dies mit folgenden Worten Der Vorgang des hingebungsvollen Dienstes wird mit
beschrieben: prakāśaś ca karmaŠy abhyāsāt. Freude praktiziert. Warum? Hingebungsvoller Dienst
"Hingebungsvoller Dienst ist so mächtig, daß man ohne besteht aus śravaŠaˆ kīrtanaˆ vinoƒ. Man kann also
jeden Zweifel erleuchtet wird, wenn man einfach die einfach dem Chanten von der Herrlichkeit des Herrn
Tätigkeiten des hingebungsvollen Dienstes verrichtet." zuhören, oder man kann von ermächtigten ācāryas
Nārada, der als Sohn einer Dienerin geboren wurde, war gehaltene philosophische Vorträge über transzendentales
weder gebildet noch von hoher Herkunft, doch als seine Wissen besuchen. Indem man einfach dasitzt und zuhört,
Mutter großen Gottgeweihten diente, bot sich auch Nārada, kann man lernen. Sodann kann man die Reste der Speisen,
als seine Mutter gerade fort war, die Gelegenheit, diesen die dem Herrn geopfert wurden (sehr wohlschmeckende
großen Seelen zu dienen. Nārada sagt selbst: "Einmal nahm Gerichte), essen. In jedem Zustand ist hingebungsvoller
ich mit Erlaubnis der großen Weisen die Überreste ihrer Dienst freudvoll. Man kann hingebungsvollen Dienst sogar
Speisen zu mir, und so wurden alle meine Sünden sofort in den ärmsten Verhältnissen ausführen. Der Herr sagt:
ausgelöscht. Auf diese Weise wurde ich im Herzen patraˆ pupaˆ phalam. Er ist bereit, von dem
gereinigt, und da begann das Wesen des Gottgeweihten jede Opferung entgegenzunehmen — ganz
Transzendentalisten auf mich anziehend zu wirken.“ (SB. gleich, was es ist. Selbst ein Blatt, eine Blume, ein
1.5.25) Nārada erzählt seinem Schüler Vyāsadeva, daß er in Stückchen Frucht oder ein wenig Wasser — was in jedem
seinem letzten Leben während eines viermonatigen Teil der Welt erhältlich ist — kann von jedem Menschen,
Aufenthalts einiger geläuterter Geweihter ihr Dienstjunge ungeachtet seiner sozialen Stellung, geopfert werden und
war und mit ihnen enge Gemeinschaft hatte. Manchmal wird vom Herrn angenommen, wenn es mit Liebe geopfert
ließen diese Weisen Speisereste auf ihren Tellern zurück, wird. Es gibt in der Geschichte viele Beispiele hierfür. Nur
und der Knabe, der ihre Teller wusch, wollte die Reste weil sie die tulasī-Blätter kosteten, die den Lotosfüßen des
probieren. Er fragte daher die großen Gottgeweihten, ob er Herrn geopfert waren, wurden große Weise wie Sanatku-
sie essen dürfe, und sie gaben ihm ihre Erlaubnis. Nārada māra zu großen Gottgeweihten. Der Vorgang der Hingabe
aß darauf diese Überreste und wurde folglich von allen ist also sehr schön und kann mit Freude praktiziert werden.
sündhaften Reaktionen befreit. Als er weiter die Reste ihrer Gott nimmt nur die Liebe, mit der Ihm etwas geopfert wird.
Speisen zu sich nahm, wurde er allmählich ebenso reinen Es heißt hier, daß dieser hingebungsvolle Dienst ewig
Herzens wie die Weisen und entwickelte allmählich den besteht. Es verhält sich nicht so, wie die
gleichen Geschmack. Die großen Gottgeweihten kosteten Māyāvādī-Philosophen behaupten. Sie nehmen manchmal
den Geschmack unablässigen hingebungsvollen Dienstes sogenannten hingebungsvollen Dienst auf, und solange sie
für den Herrn — Hören, Chanten, usw. -, und als Nārada nicht befreit sind, setzen sie ihren hingebungsvollen Dienst
den gleichen Geschmack entwickelte, wollte er ebenfalls fort, doch am Ende, wenn sie Befreiung erlangen, "werden
von der Herrlichkeit des Herrn hören und chanten. So sie eins mit Gott". Solch vorübergehender, zeitweiliger
entstand in ihm durch die Gemeinschaft mit den großen hingebungsvoller Dienst ist nicht als reiner
Weisen ein starker Wunsch nach hingebungsvollem Dienst. hingebungsvoller Dienst anerkannt. Wirklicher hinge-
Deshalb zitierte er aus dem Vedānta-sūtra (prakāśaś ca bungsvoller Dienst wird selbst nach der Befreiung
karmaŠy abhyāsāt): Wenn jemand einfach den Tätigkeiten fortgesetzt. Wenn der Gottgeweihte zu einem der
hingebungsvollen Dienstes nachgeht, wird ihm alles von spirituellen Planeten im Königreich Gottes geht, dient er
selbst offenbart, und er kann verstehen. Das nennt man auch dort dem Höchsten Herrn. Er versucht nicht, mit dem
prakāśaƒ oder direkte Wahrnehmung. Höchsten Herrn eins zu werden.
Nārada war eigentlich der Sohn einer Dienstmagd. Er hatte Wie sich zeigen wird, beginnt wahrer hingebungsvoller
keine Gelegenheit, zur Schule zu gehen. Er war einfach Dienst erst nach der Befreiung. In der Bhagavad-gītā heißt
seiner Mutter behilflich, und glücklicherweise diente seine es: brahma-bhūta. Nachdem man befreit ist, das heißt,
Mutter diesen Gottgeweihten. Das Kind Nārada bekam nachdem man im Brahman verankert ist, beginnt man mit
ebenfalls die Gelegenheit hierzu und erreichte einfach seinem wirklichen hingebungsvollen Dienst. Indem man
durch Gemeinschaft mit den Weisen das höchste Ziel aller hingebungsvollen Dienst ausführt, kann man den Höchsten
Religion: hingebungsvollen Dienst. Im Herrn verstehen. Niemand kann die Höchste Persönlichkeit
Śrīmad-Bhāgavatam heißt es, daß religiöse Menschen im Gottes verstehen, indem er karma-yoga, jñāna-yoga,
allgemeinen nicht wissen, daß die höchste Vollkommenheit a˜ā‰ga-yoga oder irgendeinen anderen yoga unabhängig
der Religion darin besteht, die Stufe hingebungsvollen praktiziert. Ohne auf die Ebene hingebungsvollen Dienstes
Dienstes zu erreichen. Im allgemeinen ist vedisches Wissen zu gelangen, kann man nicht verstehen, was die
188

Persönlichkeit Gottes ist. Im Śrīmad-Bhāgavatam wird Nachdem man die Bhagavad-gītā gelesen hat, sollte man
ebenfalls bestätigt, daß man die Wissenschaft von KŠa unverzüglich zur Schlußfolgerung der Bhagavad-gītā
oder die Wissenschaft von Gott nur verstehen kann, wenn kommen: Man sollte alle anderen Beschäftigungen
man durch den Vorgang des hingebungsvollen Dienstes aufgeben und den Dienst für den Höchsten Herrn, KŠa,
gereinigt wird — besonders, indem man von selbstver- die Persönlichkeit Gottes, aufnehmen. Glaube bedeutet, von
wirklichten Seelen aus dem Śrīmad-Bhāgavatam oder der dieser Lebensphilosophie überzeugt zu sein, und die
Bhagavad-gītā hört. Evaˆ prasanna-manaso Entwicklung dieses Glaubens ist der Vorgang des
bhagavad-bhakti-yogataƒ. "Wenn das Herz von allen un- KŠa-Bewußtseins.
sinnigen Dingen befreit ist, kann man verstehen, was Gott Es gibt drei Arten KŠa-bewußter Menschen. Zur dritten
ist." Somit ist der Vorgang des hingebungsvollen Dienstes Gruppe gehören diejenigen, die keinen Glauben haben.
bzw. des KŠa-Bewußtseins der König aller Bildung und Solange sie nur offiziell im hingebungsvollen Dienst tätig
der König allen vertraulichen Wissens. Er ist die reinste sind und ein verstecktes Ziel verfolgen, können sie die am
Form der Religion und kann mit Freude und ohne höchsten ververvollkommnete Stufe nicht erreichen.
Schwierigkeit praktiziert werden. Deshalb sollte man diese Höchstwahrscheinlich werden sie nach einiger Zeit
Methode annehmen. abrutschen. Sie mögen beschäftigt werden, aber weil es
ihnen an völliger Überzeugung und festem Glauben
VERS 3 mangelt, fällt es ihnen sehr schwer, KŠa-Bewußtsein
fortzusetzen. Wir haben bei der Ausübung unserer
aśraddadhānāƒ puruā missionarischen Tätigkeiten die praktische Erfahrung
dharmasyāsya parantapa gemacht, daß sich einige Menschen dem KŠa-Bewußtsein
aprāpya māˆ nivartante mit einem versteckten Motiv zuwenden und den Vorgang
mtyu-saˆsāra-vartmani des hingebungsvollen Dienstes wieder aufgeben, sobald es
ihnen wirtschaftlich ein wenig besser geht — sie gehen
aśraddadhānāƒ—diejenigen, die ungläubig sind; puruāƒ— dann wieder ihre alten Wege. Nur durch Glauben kann man
solche Menschen; dharmasya—von diesem Vorgang der im KŠa-Bewußtsein Fortschritte machen. Was die
Religion; asya—davon; parantapa—o Vernichter der Entwicklung von Glauben betrifft, so kann man sagen, daß
Feinde; aprāpya—ohne zu erreichen; mām—Mich; jemand, der in den Schriften des hingebungsvollen Dienstes
nivartante—kommen zurück; mtyu—Tod; saˆsāra— gut bewandert ist und die Stufe festen Glaubens erreicht
materielles Dasein; vartmani—auf den Pfad von. hat, ein erstklassiger Mensch im KŠa-Bewußtsein ist. Zur
zweiten Gruppe gehören diejenigen, die zwar im
ÜBERSETZUNG Verständnis der Schriften des hingebungsvollen Dienstes
nicht sehr fortgeschritten sind, die aber trotzdem von selbst
Wer auf dem Pfad des hingebungsvollen Dienstes ohne fest daran glauben, daß KŠa-bhakti oder Dienst für KŠa
Glauben ist, kann Mich nicht erreichen, o Bezwinger der beste Weg ist, und die ihn deshalb in gutem Glauben
der Feinde, sondern kehrt zu Geburt und Tod in die angenommen haben. Daher befinden sie sich auf einer
materielle Welt zurück. höheren Stufe als die drittklassigen Gottgeweihten, die
weder über vollkommenes Wissen von den Schriften noch
ERLÄUTERUNG über guten Glauben verfügen, aber durch Gemeinschaft mit
Gottgeweihten und Einfachheit zu folgen suchen. Der
Die Ungläubigen können diesen Vorgang des drittklassige Mensch im KŠa-Bewußtsein mag zu Fall
hingebungsvollen Dienstes nicht vollenden; das ist die kommen, doch wenn man zur zweiten oder ersten Klasse
Bedeutung dieses Verses. Vertrauen wird durch die gehört, kommt man nicht zu Fall. Jemand, der zur ersten
Gemeinschaft mit Gottgeweihten geschaffen. Unselige Gruppe zählt, wird zweifellos Fortschritte machen und am
Menschen haben, selbst nachdem sie alle Beweise der Ende das Ziel erreichen. Obwohl der drittklassige Mensch
vedischen Literatur von großen Persönlichkeiten im KŠa-Bewußtsein im Innern überzeugt ist, daß
vernommen haben, immer noch keinen Glauben an Gott. hingebungsvoller Dienst für KŠa sehr gut ist, weiß er
Sie sind von zögernder Natur und können nicht fest im nichts von KŠa aus den Schriften wie
hingebungsvollen Dienst des Herrn verankert bleiben. Śrīmad-Bhāgavatam und Bhagavad-gītā. Manchmal neigen
Folglich ist Glaube der wichtigste Faktor für den Fortschritt diese drittklassigen Geweihten im KŠa-Bewußtsein zu
im KŠa-Bewußtsein. Im Caitanya-caritāmta heißt es, karma-yoga und jñāna-yoga, und zuweilen sind sie
daß man fest davon überzeugt sein soll, daß man einfach verwirrt, doch sowie die Infektion von karma-yoga oder
durch Dienst für den Höchsten Herrn, Śrī KŠa, die jñāna-yoga verflogen ist, werden sie zu zweitklassigen oder
höchste Vollkommenheit erreichen kann. Das ist wirklicher sogar erstklassigen Geweihten im KŠa-Bewußtsein.
Glaube. Im Śrīmad-Bhāgavatam (4.31.14) steht Glaube an KŠa wird ebenfalls in drei Stufen unterteilt und
geschrieben: im Śrīmad-Bhāgavatam beschrieben. Erstklassige
"Wenn man die Wurzel eines Baumes bewässert, werden Anhaftung, zweitklassige Anhaftung und drittklassige
alle Äste, Zweige und Blätter zufrieden, und wenn man den Anhaftung werden ebenfalls im Śrīmad-Bhāgavatam, im
Magen mit Essen versorgt, werden alle Sinne des Körpers Elften Canto, erklärt. Diejenigen, die keinen Glauben haben
zufrieden. In ähnlicher Weise werden alle Halbgötter und — sogar nachdem sie von KŠa und der Vorzüglichkeit
alle Lebewesen zufriedengestellt, wenn man sich im des hingebungsvollen Dienstes gehört haben — und die
transzendentalen Dienst des Höchsten Herrn beschäftigt." alles nur für Lobpreisung halten, finden diesen Pfad sehr
189

schwierig, auch wenn sie anscheinend im hingebungsvollen jeder Abteilung persönlich anwesend ist. Das ist ein grobes
Dienst beschäftigt sind. Für sie besteht wenig Hoffnung, die Beispiel. In ähnlicher Weise beruhen alle Manifestationen,
Vollkommenheit zu erreichen. Folglich ist Glaube bei der die wir sehen, und alles, was sowohl in der materiellen als
Ausführung hingebungsvollen Dienstes sehr wichtig. auch in der spirituellen Welt existiert, auf der Energie der
Höchsten Persönlichkeit Gottes. Die Schöpfung findet
VERS 4 durch die Verbreitung der verschiedenen Energien des
Herrn statt, und wie in der Bhagavad-gītā erklärt wird, ist
mayā tatam idaˆ sarvaˆ Er überall durch Seine persönliche Repräsentation bzw. die
jagad avyakta-mūrtinā Ausbreitung Seiner verschiedenen Energien gegenwärtig.
mat-sthāni sarva-bhūtāni
na cāhaˆ tev avasthitaƒ VERS 5

mayā—von Mir; tatam—verbreitet; idam-all diese na ca mat-sthāni bhūtāni


Manifestationen; sarvam—alle; jagat—kosmische paśya me yogam aiśvaram
Manifestation; avyakta-mūrtinā—unmanifestierte Form; bhūta-bhn na ca bhūta-stho
mat-sthāni—in Mir; sarva-bhūtāni—alle Lebewesen; na— mamātmā bhūta-bhāvanaƒ
nicht; ca—auch; aham—Ich; teu—in ihnen; avasthitaƒ—
befindlich. na—niemals; ca—auch; mat-sthāni—in Mir befindlich;
bhūtāni—die gesamte Schöpfung; paśya—sich nur; me—
ÜBERSETZUNG Meine; yogam aiśvaram—unbegreifliche mystische Kraft;
bhūta-bht—Erhalter aller Lebewesen; na—niemals; ca—
Von Mir, in Meiner unmanifestierten Form, ist das auch; bhūta-sthaƒ—in der kosmischen Manifestation;
gesamte Universum durchdrungen. Alle Wesen sind in mama—Mein; ātmā—Selbst; bhūta-bhāvanaƒ—ist die
Mir, aber Ich bin nicht in ihnen. Quelle aller Manifestationen.

ERLÄUTERUNG ÜBERSETZUNG

Die Höchste Persönlichkeit Gottes ist nicht durch die Und dennoch ruht alles Erschaffene nicht in Mir. Sieh
groben materiellen Sinne wahrnehmbar. Es wird gesagt, nur Meinen mystischen Reichtum! Obwohl Ich der
daß Śrī KŠas Name, Sein Ruhm, Seine Spiele usw. nicht Erhalter aller Lebewesen und obwohl Ich
durch materielle Sinne verstanden werden können. Nur allgegenwärtig bin, ist Mein Selbst dennoch der
jemandem, der unter der richtigen Führung in reinem Ursprung der Schöpfung.
hingebungsvollem Dienst tätig ist, offenbart Sich der Herr.
In der Brahma-saˆhitā (5.38) heißt es: ERLÄUTERUNG
premāñjanacchurita... Man kann die Höchste
Persönlichkeit Gottes, Govinda, immer innerhalb und Der Herr sagt, daß alles auf Ihm ruht. Das sollte nicht
außerhalb seinerselbst sehen, wenn man dem Herrn mißverstanden werden. Der Herr kümmert Sich nicht direkt
gegenüber eine transzendentale liebevolle Haltung um die Erhaltung und Versorgung dieser materiellen
entwickelt hat. Daher ist Er für die Menschen im Manifestation. Manchmal sehen wir ein Bild von Atlas, der
allgemeinen nicht sichtbar. Hier wird gesagt, daß Er, den Erdball auf seinen Schultern trägt: er scheint vom
obwohl alldurchdringend und überall gegenwärtig, durch Tragen des großen Erdplaneten sehr müde zu sein. Eine
die materiellen Sinne nicht wahrnehmbar ist. Aber obwohl solche Vorstellung sollte jedoch nicht auf KŠa übertragen
wir Ihn nicht sehen können,ruht dennoch alles in Ihm. Wie werden, der dieses geschaffene Universum aufrechterhält.
wir schon im Siebten Kapitel besprochen haben, ist die KŠa sagt, Er sei weit entfernt von allem, obwohl alles auf
gesamte materielle kosmische Manifestation nichts als eine Ihm ruhe. Die Planetensysteme schweben im Raum, und
Zusammensetzung Seiner beiden verschiedenen Energien: dieser Raum ist die Energie des Höchsten Herrn. Der Herr
der höheren spirituellen Energie und der niederen aber ist verschieden vom Raum. Er weilt an einem anderen
materiellen Energie. Wie die Sonnenstrahlen überall im Ort. Deshalb sagt der Herr "Obwohl sich die Lebewesen in
Universum verbreitet sind, so ist die Energie des Herrn Meiner unbegreiflichen Energie befinden, bin Ich dennoch,
über die ganze Schöpfung verbreitet, und alles ruht in als die Höchste Persönlichkeit Gottes, jenseits von ihnen."
dieser Energie. Das ist der unbegreifliche Reichtum des Herrn.
Man sollte jedoch nicht die Schlußfolgerung ziehen, daß Er Im vedischen Wörterbuch heißt es: "Der Höchste Herr führt
Seine persönliche Existenz verloren habe, weil Er überall unvorstellbar schöne Spiele durch, bei denen Er Seine
verbreitet sei. Um ein solches Argument zu widerlegen, Energie entfaltet; Seine Person ist von verschiedenen
sagt der Herr: "Ich bin überall, und alles ist in Mir, aber mächtigen Energien erfüllt, und schon Sein Entschluß ist
dennoch bin Ich weit entfernt von allem." Ein König zum eine Tatsache. So ist die Persönlichkeit Gottes zu
Beispiel führt eine Regierung, die nichts anderes als die verstehen." Wir mögen uns vornehmen, etwas zu tun, aber
Manifestation seiner Energie ist; die verschiedenen es gibt so viele Hindernisse, und manchmal ist es uns nicht
Regierungsabteilungen sind nichts anderes als die Energien möglich, so zu handeln, wie wir gern möchten. Doch wenn
des Königs, und jede Abteilung beruht auf seiner Macht. KŠa etwas tun möchte, geschieht alles — einfach durch
Aber dennoch kann man nicht erwarten, daß der König in Seinen Willen — so vollkommen, daß man sich nicht
190

erklären kann, wie es zustande gekommen ist. Der Herr Herrn." Und auch in der Garga Upaniad heißt es: "Auf
erklärt diese Tatsache wie folgt: Obwohl Er die gesamte höchsten Befehl und unter der Oberaufsicht der Höchsten
materielle Manifestation erhält und versorgt, berührt Er Persönlichkeit Gottes bewegen sich der Mond, die Sonne
diese materielle Manifestation nicht. Einfach durch Seinen und die großen Planeten." In der Brahma-saˆhitā wird
höchsten Willen wird alles erschaffen, alles versorgt, alles diese Tatsache ebenfalls erklärt. Auch finden wir dort eine
erhalten und alles vernichtet. Da Er das absolute spirituelle Beschreibung der Sonne, und es wird dort gesagt, daß sie
Wesen ist, gibt es zwischen Seinem Geist und Ihm Selbst als eines der Augen des Höchsten Herrn angesehen wird
keinen solchen Unterschied, wie er zwischen unserem und über unermeßliche Kraft verfügt, um Hitze und Licht
Selbst und unserem gegenwärtigen materiellen Geist zu verbreiten. Dennoch bewegt sie sich auf den Befehl und
besteht. Der Herr ist gleichzeitig in allem Existierenden durch den höchsten Willen Govindas in ihrer
gegenwärtig; doch der gewöhnliche Mensch ist nicht fähig vorgeschriebenen Bahn. In der vedischen Literatur finden
zu verstehen, wie Er auch persönlich gegenwärtig sein wir also den Beweis dafür, daß die materielle
kann. Obwohl Er von der materiellen Manifestation Manifestation, die uns so wunderbar und groß erscheint,
verschieden ist, ruht doch alles auf Ihm. Dies wird hier als unter der vollständigen Herrschaft der Höchsten
yogam aiśvaram erklärt, als die mystische Kraft der Persönlichkeit Gottes steht. Dies wird in den späteren
Höchsten Persönlichkeit Gottes. Versen dieses Kapitels noch ausführlicher erklärt werden.

VERS 6 VERS 7

yathākāśa-sthito nityaˆ sarva-bhūtāni kaunteya


vāyuƒ sarvatra-go mahān praktiˆ yānti māmikām
tathā sarvāŠi bhūtāni kalpa-kaye punas tāni
mat-stānīty upadhāraya kalpādau visjāmy aham

yathā—soviel wie; ākāśa-sthitaƒ—im Raum befindlich; sarva-bhūtāni—alle Geschöpfe; kaunteya—o Sohn Kuntīs;
nityam—immer; vāyuƒ—Wind; sarvatra-gaƒ—überall praktim—Natur; yānti—gehen ein; māmikām—in Mich;
wehend; mahān—groß; tathā—in ähnlicher Weise; kalpa-kaye—am Ende des Zeitalters; punaƒ—wieder;
sarvāŠi—alle; bhūtāni—geschaffenen Wesen; mat-sthāni— tāni—all diejenigen; kalpa-ādau—am Anfang des
in Mir befindlich; iti—so; upadhāraya—versuche zu Zeitalters; visjāmi—Ich erschaffe; aham—Ich.
verstehen.
ÜBERSETZUNG
ÜBERSETZUNG
O Sohn Kuntīs, am Ende des Zeitalters geht die gesamte
Wisse, wie der mächtige Wind, der überall weht, immer materielle Manifestation in Meine Natur ein, und am
im ätherischen Raum ruht, so ruhen in gleicher Weise Anfang des nächsten Zeitalters erschaffe Ich durch
alle Wesen in Mir. Meine Kraft erneut.

ERLÄUTERUNG ERLÄUTERUNG

Für den gewöhnlichen Menschen ist es praktisch Die Schöpfung, Erhaltung und Vernichtung der materiellen
unbegreiflich, wie die gewaltige materielle Schöpfung in kosmischen Manifestation ist ganz vom höchsten Willen
KŠa ruhen kann. Aber der Herr gibt hier ein Beispiel, das der Persönlichkeit Gottes abhängig. "Am Ende des
uns zu einem Verständnis verhelfen kann: Das Weltall ist Zeitalters" bedeutet zum Zeitpunkt von Brahmās Tod.
die größte Manifestation, die wir uns denken können, und Brahmā lebt einhundert Jahre, und einer seiner Tage
die kosmische Manifestation ruht in diesem Raum. Der entspricht etwa 4 300 000 000 unserer Erdenjahre. Seine
Weltraum erlaubt sowohl den Atomen als auch den größten Nacht währt ebensolange. Einer seiner Monate besteht aus
Planeten wie Sonne und Mond, sich zu bewegen. Obwohl dreißig solcher Tage und Nächte und ein Jahr aus zwölf
der Himmel (oder der Wind oder die Luft) groß ist, solcher Monate. Nach einhundert solcher Jahre, wenn
befindet er sich dennoch innerhalb des Raums. Raum ist Brahmā stirbt, findet die Zerstörung oder Vernichtung statt;
nicht jenseits des Himmels. das bedeutet, daß die vom Höchsten Herrn manifestierte
In ähnlicher Weise existieren all die wunderbaren Energie wieder in Ihn zurückgezogen wird. Wenn es dann
kosmischen Manifestationen durch den höchsten Willen wieder notwendig ist, die kosmische Welt zu manifestieren,
Gottes, und sie alle sind diesem höchsten Willen unter- geschieht dies durch Seinen Willen: "Obwohl Ich Einer bin,
geordnet. Wie wir im allgemeinen sagen, kann sich nicht werde Ich zu vielen." So lautet der vedische Aphorismus.
einmal ein Grashalm ohne den Willen der Höchsten Der Höchste Herr erweitert Sich in die materielle Energie,
Persönlichkeit Gottes bewegen. Und so bewegt sich alles und so findet die gesamte kosmische Manifestation erneut
nach Seinem Willen: Durch Seinen Willen wird alles statt.
erschaffen, alles erhalten und alles vernichtet. Dennoch ist
Er von allem entfernt, ebenso wie der Raum immer von den VERS 8
Tätigkeiten der Atmosphäre entfernt ist. In den Upaniaden
heißt es: "Der Wind weht aus Furcht vor dem Höchsten praktim svām ava˜abhya
191

vijāmi punaƒ punaƒ na—niemals; ca—auch; mām—Mich; tāni—all diese;


bhūta-grāmam imaˆ ktsnam karmāŠi—Tätigkeiten; nibadhnanti—binden; dhanañjaya—
avaśaˆ prakter vaśāt o Eroberer von Reichtümern; udāsīnavat—als neutral;
āsīnam—befindlich; asaktam—ohne Anziehung; teu—in
praktim—materielle Natur; svām—von Meinem ihnen; karmasu—bei Tätigkeiten.
persönlichen Selbst; ava˜abhya—gehen ein in; vijāmi—
erschaffen; punaƒ punaƒ—immer wieder; bhūta-grāmam— ÜBERSETZUNG
all diese kosmischen Manifestationen; imam—dieses;
ktsnam—gesamte; avaśam—von selbst; prakteƒ—durch O Dhanañjaya, diese Tätigkeiten können Mich nicht
die Kraft der Natur; vaśāt—unter Verpflichtung. binden. Ich bin immer unberührt, als wäre Ich
unbeteiligt.
ÜBERSETZUNG
ERLÄUTERUNG
Die gesamte kosmische Ordnung untersteht Mir. Durch
Meinen Willen wird sie immer wieder manifestiert, und Man sollte in diesem Zusammenhang nicht denken, der
durch Meinen Willen wird sie am Ende vernichtet. Herr, die Höchste Persönlichkeit Gottes, habe keine
Beschäftigung. In Seiner spirituellen Welt ist Er immer
ERLÄUTERUNG beschäftigt. In der Brahma-saˆhitā heißt es: "Er geht
immer Seinen ewigen, glückseligen spirituellen Tätigkeiten
Diese Materie ist die Manifestation der niederen Energie nach, doch Er hat nichts mit den Tätigkeiten der materiellen
der Höchsten Persönlichkeit Gottes. Das ist bereits Welt zu tun." Materielle Tätigkeiten werden von Seinen
mehrfach erklärt worden. Bei der Schöpfung wird die verschiedenen Kräften ausgeführt. Der Herr verhält sich
materielle Energie als mahat-tattva freigesetzt, in das der immer neutral zu den materiellen Tätigkeiten der
Herr als die erste purua-Inkarnation, Mahā-ViŠu, eingeht. geschaffenen Welt. Diese Neutralität wird hier erklärt.
Er liegt im Ozean der Ursachen, atmet unzählige Universen Obwohl Er jedes winzige Teilchen der Materie beherrscht,
aus und geht in jedes Universum als Garbhodakaśāyī ViŠu verhält Er Sich dennoch neutral. Man kann hier das
ein. Auf diese Weise wird jedes Universum erschaffen. Beispiel eines Oberrichters anführen, der auf seinem
Darauf manifestiert Er Sich als Ksīrodakaśāyī ViŠu, und Richterstuhl sitzt. Auf seinen Befehl geschehen so viele
dieser ViŠu geht in alles ein — selbst in das winzige Dinge: Jemand wird gehängt; ein anderer wird ins
Atom. Gefangnis geworfen, und wieder einem anderen wird eine
Was nun die Lebewesen betrifft, so werden sie in die riesige Geldsumme zugesprochen — aber dennoch ist der
materielle Natur gezeugt und nehmen als Ergebnis ihrer Richter neutral. Er hat mit solchem Gewinn und Verlust
vergangenen Taten verschiedene Stellungen ein. So beginnt nichts zu tun. In ähnlicher Weise ist der Herr immer
die Aktivität der materiellen Welt. Die Tätigkeiten der neutral, obwohl Sein Einfluß sich auf jeden
verschiedenen Lebensformen beginnen mit dem ersten Tätigkeitsbereich erstreckt. Im Vedānta-sūtra wird gesagt,
Augenblick der Schöpfung. Es ist nicht so, daß sich alles daß Er Sich nicht innerhalb der Dualitäten dieser
evolutionsmäßig entwickelt. Die verschiedenen materiellen Welt befindet. Er steht in transzendentaler
Lebensformen werden gleichzeitig mit dem Universum Stellung zu diesen Dualitäten. Auch wird Er von der
geschaffen. Menschen, Säugetiere, Vögel, Insekten usw. — Schöpfung und Vernichtung der materiellen Welt nicht
alles wird zur gleichen Zeit geschaffen; denn alle Wünsche, berührt. Die Lebewesen nehmen ihren Neigungen
die die Lebewesen bei der letzten Vernichtung hatten, entsprechend verschiedene Formen in den vielfachen Arten
werden erneut manifestiert. Es heißt hier klar, daß die des Lebens an, doch der Herr mischt Sich da nicht ein.
Lebewesen mit diesem Vorgang nichts zu tun haben. Der
Seinszustand, in dem sie sich in ihrem letzten Leben in der VERS 10
vergangenen Schöpfung befanden, wird einfach erneut
manifestiert, und all dies geschieht einfach durch den mayādhyakeŠa praktiƒ
Willen des Herrn. Das ist die unbegreifliche Macht der sūyate sa-carācaram
Höchsten Persönlichkeit Gottes. Und nachdem der Herr die hetunānena kaunteya
verschiedenen Spezies geschaffen hat, hat Er keine Verbin- jagad viparivartate
dung mit ihnen. Die Schöpfung findet statt, um den
Neigungen der verschiedenen Lebewesen gerecht zu mayā—von Mir; adhyakena—durch Oberaufsicht;
werden, und so wird der Herr nicht in diesen Vorgang ver- praktiƒ—materielle Natur; sūyate—sichtbar; sa—mit;
wickelt. carācaram—beweglich und unbeweglich; hetunā—aus die-
sem Grunde; anena—diese; kaunteya—o Sohn Kuntīs;
VERS 9 jagat—die kosmische Manifestation; viparivartate—
arbeitet.
na ca māˆ tāni karmāŠi
nibadhnanti dhanañjaya ÜBERSETZUNG
udāsīnavad āsīnam
asaktaˆ teu karmasu Die materielle Natur arbeitet unter Meiner Führung, o
Sohn Kuntīs, und bringt alle sich bewegenden und sich
192

nicht bewegenden Wesen hervor. Nach ihrem Gesetz transzendentales Wesen und Meine höchste Herrschaft
wird diese Manifestation immer wieder geschaffen und über alles Existierende.
immer wieder aufgelöst.
ERLÄUTERUNG
ERLÄUTERUNG
Aus den anderen Erklärungen der vorangegangenen Verse
Hier wird klar gesagt, daß der Höchste Herr der höchste in diesem Kapitel wird klar, daß die Höchste Persönlichkeit
Lenker ist, obgleich Er allen Tätigkeiten der materiellen Gottes kein gewöhnlicher Mensch ist, obwohl der Herr wie
Welt fern ist. Der Höchste Herr ist der höchste Wille und ein menschliches Wesen erscheint. Die Persönlichkeit
der Hintergrund der materiellen Manifestation: doch die Gottes, die die Schöpfung, Erhaltung und Vernichtung der
Verwaltung untersteht der materiellen Natur. KŠa sagt in gesamten kosmischen Manifestation leitet, kann kein
der Bhagavad-gītā auch, daß Er der Vater aller Lebewesen gewöhnlicher Mensch sein. Dennoch gibt es viele törichte
in den verschiedenen Formen und Arten ist. Der Vater gibt Menschen, die glauben, KŠa sei bloß ein mächtiger
den Samen in den Schoß der Mutter. um ein Kind zu Mensch, und nicht mehr. In Wirklichkeit aber ist Er die
zeugen, und in ähnlicher Weise zeugt der Höchste Herr ursprüngliche Höchste Persönlichkeit, wie auch in der
durch Seinen bloßen Blick die Lebewesen in den Schoß der Brahma-saˆhitā bestätigt wird (īśvaraƒ paramaƒ kŠaƒ);
materiellen Natur, aus dem sie, ihren letzten Wünschen und Er ist der Höchste Herr.
Tätigkeiten entsprechend, in verschiedenen Formen und Es gibt viele īśvaras oder Herrscher, von denen einer
Arten hervorkommen. Obwohl all diese Lebewesen unter größer zu sein scheint als der andere. Bei gewöhnlichen
dem Blick des Höchsten geboren werden, nehmen sie ihren Verwaltungsangelegenheiten in der materiellen Welt zum
vergangenen Taten und Wünschen gemäß verschiedene Beispiel wird ein Beamter oder Direktor von einem
Körper an. Der Herr ist also nicht direkt mit der materiellen Sekretär kontrolliert, dieser von einem Minister und dieser
Welt verbunden. Er blickt nur über die materielle Natur; die wiederum von einem Präsidenten. Jeder von ihnen ist ein
materielle Natur wird so aktiviert, und alles wird Kontrollierender, doch der eine wird vom anderen
augenblicklich geschaffen. Da der Höchste Herr über die kontrolliert. In der Brahma-saˆhitā wird gesagt, daß KŠa
materielle Natur blickt, gibt es zweifellos auch von Seiner der höchste Kontrollierende ist. Sowohl in der materiellen
Seite aus Aktivität, doch hat Er mit der Manifestation der als auch in der spirituellen Welt gibt es zweifellos viele
materiellen Welt direkt nichts zu tun. Dazu wird in der Herrscher, doch KŠa ist der höchste Herrscher (īśvaraƒ
smti folgendes Beispiel gegeben: Wenn jemand eine paramaƒ kŠaƒ), und Sein Körper ist sac-cid-ānanda,
Blume vor sich stehen hat, kann er ihren Duft mit seinem nicht materiell.
Geruchssinn wahrnehmen, und doch haben das Riechen Materielle Körper können nicht solch wunderbare Taten
und die Blume nichts miteinander zu tun. Eine ähnliche vollbringen, wie sie in den vorangegangenen Versen
Verbindung besteht zwischen der materiellen Welt und der beschrieben wurden. Der Körper KŠas ist ewig,
Höchsten Persönlichkeit Gottes. Eigentlich hat der Herr mit glückselig und voller Wissen. Doch obwohl Er kein
der materiellen Welt nichts zu tun, doch erscheint Er durch gewöhnlicher Mensch ist, verspotten Ihn die Toren und
Seinen Blick und lenkt alles. Zusammenfassend kann man halten Ihn für einen der Ihren. Sein Körper wird hier als
sagen, daß die materielle Natur ohne die Oberaufsicht der mānuīm bezeichnet, weil Er genauso handelt wie ein
Höchsten Persönlichkeit Gottes nicht imstande ist, in Mensch, ein Freund Arjunas, ein Politiker, der in die
irgendeiner Weise tätig zu sein. Aber dennoch ist die Schlacht von Kuruketra verwickelt ist. In so vieler
Höchste Persönlichkeit von allen materiellen Tätigkeiten Hinsicht handelt Er genauso wie ein gewöhnlicher Mensch,
losgelöst. doch im Grunde ist Sein Körper sac-cid-ānanda-vigraha —
ewige Glückseligkeit und absolutes Wissen. Dies wird auch
VERS 11 in den vedischen Schriften bestätigt:
sac-cid-ānanda-rūpāya kŠāya. "Ich erweise meine
avajānanti māˆ mūhā Ehrerbietungen KŠa, der Höchsten Persönlichkeit Gottes,
mānuīˆ tanum āśritam der die ewig glückselige Gestalt voller Wissen ist." Eine
paraˆ bhāvam ajānanto andere Beschreibung in den Veden lautet: tam ekaˆ
mama bhūta-maheśvaram govindam. "Du bist Govinda, die Freude der Sinne und der
Kühe." Und weiter: sac-cid-ānanda-vigraham. "Und Deine
avajānanti—verspotten; mām—Mich; mūhāƒ—törichte Gestalt ist transzendental, voller Wissen, Glückseligkeit
Menschen; mānuīm—in einer menschlichen Gestalt; und Ewigkeit."
tanum—Körper; āśritam—annehmend; param—tran- Trotz der transzendentalen Eigenschaften von Śrī KŠas
szendentales; bhāvam—Wesen; ajānantaƒ—nicht kennend; Körper, Seiner vollkommenen Glückseligkeit und Seines
mama—Meine; bhūta—alles, was ist; maheśvaram— vollendeten Wissens gibt es viele sogenannte Gelehrte und
höchster Besitzer. Kommentatoren der Bhagavad-gītā, die KŠa als einen
gewöhnlichen Menschen verspotten. Der Gelehrte mag
ÜBERSETZUNG dank vergangener guter Taten als außergewöhnlicher
Mensch geboren worden sein, doch eine solche Vorstellung
Toren verspotten Mich, wenn Ich in der menschlichen von KŠa zeugt von geringem Wissen. Deshalb bezeichnet
Gestalt erscheine. Sie kennen nicht Mein man ihn als mūha (Esel), denn nur törichte Menschen
halten KŠa für ein gewöhnliches menschliches Wesen,
193

weil sie die vertraulichen Taten des Herrn und Seiner nach in ein gewöhnliches Kind. Sein Erscheinen als
verschiedenen Energien nicht kennen. Sie wissen nicht, daß gewöhnlicher Mensch ist einer der Aspekte Seines
KŠas Körper das Symbol vollständigen Wissens und transzendentalen Körpers. Im Elften Kapitel der
vollkommener Glückseligkeit ist und daß Er der Besitzer Bhagavad-gītā heißt es hierzu: tenaiva rūpeŠa usw. Arjuna
alles Existierenden ist und jedem Befreiung gewähren betete, es möge ihm noch einmal vergönnt sein, jene
kann. Weil sie nicht wissen, daß KŠa so viele vierhändige Form zu sehen, und als KŠa so von Arjuna
transzendentale Eigenschaften in Sich birgt, verspotten sie gebeten wurde, nahm Er wieder Seine ursprüngliche
Ihn. Gestalt an. All diese verschiedenen Aspekte des Höchsten
Auch wissen sie nicht, daß das Erscheinen der Höchsten Herrn sind gewiß nicht die eines gewöhnlichen Menschen.
Persönlichkeit Gottes in der materiellen Welt eine Einige von denen, die KŠa verspotten, da sie von der
Manifestation Ihrer inneren Energie ist. KŠa ist der Herr Māyāvādī-Philosophie infiziert sind, zitieren den folgenden
der materiellen Energie, und wie bereits mehrfach erklärt Vers aus dem Śrīmad-Bhāgavatam (3.29.21), um zu
wurde (mama māyā duratyayā), sagt Er, daß die materielle beweisen, daß KŠa nur ein gewöhnlicher Mensch ist:
Energie, obwohl sehr mächtig, unter Seiner Aufsicht steht, ahaˆ sarveu bhūteu bhūtātmāvasthitaƒ sadā. "Der
und daß jeder, der sich Ihm ergibt, dem Einfluß dieser Höchste ist in jedem Lebewesen gegenwärtig." Wir sollten
materiellen Energie entkommen kann. Wenn eine Seele, die diesen Vers jedoch lieber von VaiŠava-ācāryas wie Jīva
sich KŠa ergeben hat, dem Einfluß der materiellen Gosvāmī verstehen, als uns an Interpretationen
Energie entgehen kann, wie kann dann der Höchste Herr, unautorisierter Kommentatoren zu halten, die KŠa
der die Schöpfung, Erhaltung und Vernichtung der verspotten. Jīva Gosvāmī sagt in seinem Kommentar zu
gesamten kosmischen Natur leitet, einen materiellen Körper diesem Vers, daß KŠa in Seiner vollständigen
wie wir haben? Diese Vorstellung von KŠa ist also Erweiterung als Paramātmā in den sich bewegenden und
einfach Torheit. Verblendete Menschen können sich indes sich nicht bewegenden Wesen als Überseele weilt. Jeder
nicht vorstellen, daß KŠa, die Persönlichkeit Gottes, der neue Gottgeweihte also, der nur der arca-mūrti (der Form
wie ein gewöhnlicher Mensch erscheint, alle Atome und die des Höchsten Herrn im Tempel) seine Aufmerksamkeit
gigantische Manifestation der universalen Form schenkt und andere Lebewesen nicht achtet, verehrt die
beherrschen kann. Das Größte und das Kleinste befinden Form des Herrn im Tempel vergeblich. Es gibt drei Arten
sich jenseits ihres Vorstellungsvermögens, und folglich von Geweihten des Herrn, und der Neuling befindet sich
können sie nicht begreifen, daß eine Form wie die eines auf der untersten Stufe. Der neue Gottgeweihte schenkt der
Menschen gleichzeitig das Unendliche und das Winzige Bildgestalt des Herrn im Tempel mehr Aufmerksamkeit als
beherrschen kann. Obwohl Er das Unbegrenzte und das den anderen Gottgeweihten; deshalb fordert Jīva Gosvāmī
Begrenzte lenkt, ist Er in Wirklichkeit von all diesen dazu auf, daß diese Einstellung berichtigt werden sollte.
Manifestationen weit entfernt. Im Zusammenhang mit Ein Gottgeweihter sollte sehen, daß KŠa im Herzen eines
Seiner yogam aiśvaram, Seiner unbegreiflichen transzen- jeden als Paramātmā gegenwärtig ist; daher ist jeder Körper
dentalen Energie, wird eindeutig gesagt, daß Er das die Verkörperung oder der Tempel des Höchsten Herrn,
Unbegrenzte und das Begrenzte gleichzeitig beherrschen und folglich sollte man, ebenso wie man dem Tempel des
und dennoch davon unberührt bleiben kann. Wenngleich Herrn Achtung erweist, jeden Körper, in dem der
sich die Toren nicht vorstellen können, wie KŠa, der Paramātmā weilt, in rechter Weise achten. Jedem sollte also
geradeso wie ein menschliches Wesen erscheint, das der angemessene Respekt erwiesen und niemand sollte
Unbegrenzte und das Begrenzte beherrschen kann, ak- mißachtet werden.
zeptieren die reinen Gottgeweihten dies, denn sie wissen, Es gibt auch viele Unpersönlichkeitsanhänger, die über
daß KŠa die Höchste Persönlichkeit Gottes ist. Deshalb Tempelverehrung spotten. Sie sagen: Wenn Gott überall ist,
ergeben sie sich Ihm völlig und beschäftigen sich im warum soll man sich auf die Verehrung im Tempel
KŠa-Bewußtsein, im hingebungsvollen Dienst des Herrn. beschränken? Aber wenn Gott überall ist, ist Er dann nicht
Zwischen den Unpersönlichkeitsanhängern und den auch im Tempel oder in der Bildgestalt? Obwohl sich die
Persönlichkeitsanhängern gibt es viele Persönlichkeits- und die Unpersönlichkeitsanhänger aus
Meinungsverschiedenheiten über das Erscheinen des Herrn diesem Grund fortwährend bekämpfen werden, weiß ein
als menschliches Wesen. Wenn wir aber die Bhagavad-gītā vollkommener Gottgeweihter im KŠa-Bewußtsein, daß
und das Śrīmad-Bhāgavatam zu Rate ziehen, jene KŠa, obwohl die Höchste Persönlichkeit,
autoritativen Texte, die uns die Wissenschaft von KŠa alldurchdringend ist, was die Brahma-saˆhitā bestätigt.
vermitteln, können wir begreifen, daß KŠa die Höchste Obwohl Sein persönliches Reich Goloka Vndāvana ist und
Persönlichkeit Gottes ist. Er ist kein gewöhnlicher Mensch, Er immer dort bleibt, ist Er dennoch, durch Seine
obwohl Er auf der Erde wie ein gewöhnlicher Mensch verschiedenen Energiemanifestationen und durch Seine
erschien. Im Śrīmad-Bhāgavatam, im Ersten Kapitel des vollständigen Erweiterungen, überall in allen Teilen der
Ersten Canto, wird als Antwort auf die Frage der Weisen materiellen und spirituellen Schöpfung gegenwärtig.
nach den Taten KŠas gesagt, daß Sein Erscheinen als
Mensch die Toren verwirrt. Kein Mensch könnte die VERS 12
wunderbaren Taten vollbringen, die KŠa vollbrachte, als
Er auf der Erde gegenwärtig war. Als KŠa vor Seinem moghāśā mogha-karmāŠo
Vater und Seiner Mutter, Vasudeva und Devakī, erschien, mogha-jñānā vicetasaƒ
zeigte Er Sich ihnen mit vier Händen, doch nach den rākasīm āsurīˆ caiva
Gebeten Seiner Eltern verwandelte Er Sich dem Aussehen praktiˆ mohinīˆ śritāƒ
194

Zweifel, immer wieder in den atheistischen und


moghāśāƒ—enttäuschte Hoffnung; mogha-karmāŠaƒ—in dämonischen Lebensarten geboren zu werden. Fortgesetzt
fruchtbringenden Tätigkeiten getäuscht; mogha-jñānāƒ— wird ihr wirkliches Wissen von Täuschung verschleiert
im Wissen getäuscht; vicetasaƒ—verwirrt; rākasīm— bleiben, und so werden sie sich allmählich in den
dämonisch; āsurīm—atheistisch; ca—und; eva—gewiß; finstersten Bereich der Schöpfung zurückbewegen.
praktim—Natur; mohinīm—verwirrend; śritāƒ—Zuflucht
nehmend bei. VERS 13

ÜBERSETZUNG mahātmānas tu māˆ pārtha


daivīˆ praktim āśritāƒ
Diejenigen, die so verwirrt sind, werden von bhajanty ananya-manaso
dämonischen und atheistischen Auffassungen jñātvā bhūtādim avyayam
angezogen. In diesem verblendeten Zustand werden ihre
Hoffnungen auf Befreiung, ihre fruchtbringenden mahātmānaƒ—die großen Seelen; tu—aber; mām—zu Mir;
Tätigkeiten und ihr Wissen, das sie entwickelt haben, pārtha—o Sohn Pthās; daivīm—göttliche; praktim—
allesamt zunichte gemacht. Natur; āśritāƒ—Zuflucht genommen bei; bhajanti—leisten
Dienst; ananya-manasaƒ—ohne Abweichung des Geistes;
ERLÄUTERUNG jñātvā—wissend; bhūta—Schöpfung; ādim—ursprünglich;
avyayam—unerschöpflich.
Es gibt viele Gottgeweihte, die sich selbst für
KŠa-bewußt halten und glauben, in Hingabe zu dienen, ÜBERSETZUNG
während sie in ihrem Herzen die Höchste Persönlichkeit
Gottes, KŠa, nicht annehmen. Sie werden die Frucht des O Sohn Pthās, diejenigen, die nicht verblendet sind, die
hingebungsvollen Dienstes — die Rückkehr zu Gott — auf großen Seelen, stehen unter dem Schutz der göttlichen
keinen Fall kosten. In ähnlicher Weise werden auch Natur. Sie sind vollständig im hingebungsvollen Dienst
diejenigen, die fruchtbringenden, frommen Tätigkeiten beschäftigt, da sie Mich als die Höchste Persönlichkeit
nachgehen und letztlich hoffen, von der materiellen Gottes kennen, die ursprünglich und unerschöpflich ist.
Verstrickung befreit zu werden, niemals erfolgreich sein, da
sie die Höchste Persönlichkeit Gottes, KŠa, mißachten. ERLÄUTERUNG
Mit anderen Worten: Menschen, die KŠa nicht achten,
müssen als dämonisch oder atheistisch angesehen werden. In diesem Vers findet man die klare Beschreibung eines
Wie im Siebten Kapitel der Bhagavad-gītā beschrieben mahātmā. Das erste Kennzeichen eines mahātmā besteht
wird, ergeben sich solche dämonischen Schurken KŠa darin, daß er in der göttlichen Natur bereits verankert ist. Er
niemals. Ihre gedanklichen Spekulationen, mit deren Hilfe steht nicht unter der Herrschaft der materiellen Natur. Und
sie die Absolute Wahrheit erreichen wollen, führen sie wie ist dies bewirkt worden? Das wird im Siebten Kapitel
vielmehr zu der falschen Schlußfolgerung, daß das erklärt: "Wer sich der Höchsten Persönlichkeit Gottes, Śrī
gewöhnliche Lebewesen und KŠa ein und dasselbe seien. KŠa, ergibt, wird sogleich von der Herrschaft der mate-
Mit dieser falschen Überzeugung glauben sie, der Körper riellen Welt befreit." Das ist die Qualifikation. Man kann
eines Menschen sei jetzt einfach von der materiellen Natur von der Herrschaft der materiellen Natur frei werden,
bedeckt, und sobald man von diesem materiellen Körper sobald man seine Seele der Höchsten Persönlichkeit Gottes
befreit sei, gebe es keinen Unterschied mehr zwischen Gott weiht. Das ist die erste Voraussetzung. Weil das Lebewesen
und einem selbst. Dieser Versuch, mit KŠa eins zu marginale Kraft ist, wird es, sobald es von der Herrschaft
werden, wird scheitern, da er auf Verblendung beruht. der materiellen Energie befreit ist, unter die Führung der
Solch eine atheistische und dämonische Kultivierung spiri- spirituellen Natur gestellt. Die Führung der spirituellen
tuellen Wissens ist stets vergebens. Das ist es, was mit Natur wird daivīˆ praktim oder göttliche Natur genannt.
diesem Vers angedeutet werden soll. Der Versuch solcher Wenn man also auf diese Weise — durch Hingabe an die
Menschen, mit Hilfe der vedischen Literatur wie des Höchste Persönlichkeit Gottes — erhoben wird, erreicht
Vedānta-sūtra und der Upaniaden Wissen zu kultivieren, man die Stufe der großen Seele, des mahātmā.
ist immer zum Scheitern verurteilt. Der mahātmā lenkt seine Aufmerksamkeit auf nichts
Es ist daher ein schweres Vergehen, KŠa, die Höchste anderes als KŠa, da er wohl weiß, daß KŠa die
Persönlichkeit Gottes, für einen gewöhnlichen Menschen ursprüngliche Höchste Person ist, die Ursache aller Ursa-
zu halten. Diejenigen, die so denken, sind zweifellos chen. Darüber besteht kein Zweifel. Solch ein mahātmā,
verblendet, denn sie können die ewige Gestalt KŠas nicht eine große Seele, entwickelt sich durch das Zusammensein
verstehen. Im BhadvaiŠava-mantra heißt es eindeutig, mit anderen mahātmās oder reinen Gottgeweihten. Reine
daß jemand, der den Körper KŠas für materiell hält, von Gottgeweihte fühlen sich nicht einmal zu KŠas anderen
allen Ritualen und Handlungen der śruti ausgeschlossen Aspekten wie dem vierarmigen Mahā-ViŠu hingezogen.
werden sollte. Und wenn man zufällig sein Gesicht sieht, Weil sie keine Anziehung zu den anderen Aspekten KŠas
sollte man sofort ein Bad in der Gangā nehmen, um sich (geschweige denn zu den Halbgöttern) verspüren, sind
von dieser Infektion zu befreien. ihnen die Halbgötter und menschlichen Wesen nicht so
Die Menschen verspotten KŠa, weil sie die Höchste wichtig. Sie meditieren nur über KŠa im
Persönlichkeit Gottes beneiden. Ihr Schicksal ist es ohne
195

KŠa-Bewußtsein. Sie sind ständig im unerschütterlichen aufgenommen zu werden. Die mahātmās oder großen
Dienst des Herrn, im KŠa-Bewußtsein, beschäftigt. Seelen halten sich streng an diese Regeln und Vorschriften,
und deshalb ist es sicher, daß sie das gewünschte Ergebnis
VERS 14 erreichen.
Wie im zweiten Vers dieses Kapitels beschrieben wird, ist
satataˆ kīrtayanto māˆ hingebungsvoller Dienst nicht nur einfach, sondern kann
yatantaś ca ddha-vratāƒ auch in einer freudigen Stimmung ausgeführt werden. Man
namasyantaś ca māˆ bhaktyā braucht sich keine strenge tapasya aufzuerlegen. Man kann
nitya-yuktā upāsate sein Leben im hingebungsvollen Dienst unter der Anleitung
eines erfahrenen spirituellen Meisters in jeder Position
satatam—immer; kīrtayantaƒ—indem sie chanten; mām— führen — ob als Haushälter oder als sannyasī oder als
Mich; yatantaƒ—sich auch sehr bemühen; ddha-vratāƒ— brahmacārī —, in jeder Position und überall auf der Welt
mit Entschlossenheit; namasyantaƒ ca—indem sie kann man hingebungsvollen Dienst für die Höchste
Ehrerbietungen erweisen; mām—Mir; bhaktyā—in Persönlichkeit Gottes ausführen und so tatsächlich ein
Hingabe; nitya-yuktāƒ—unaufhörlich beschäftigt; mahātmā, eine große Seele, werden.
upāsate—verehren.
VERS 15
ÜBERSETZUNG
jñāna-yajñena cāpy anye
Ohne Unterlaß preisen sie Meine Herrlichkeit, bemühen yajanto mām upāsate
sich mit großer Entschlossenheit und verneigen sich vor ekatvena pthaktvena
Mir. So verehren Mich die großen Seelen unaufhörlich bahudhā viśvato-mukham
mit Hingabe.
jñāna-yajñena—durch die Kultivierung von Wissen; ca—
ERLÄUTERUNG auch; api-gewiß; anye—andere; yajantaƒ—indem sie
verehren; mām—Mich; upāsate—verehren; ekatvena—in
Einen mahātmā kann man nicht fabrizieren, indem man Einheit; pthaktvena—in Dualität; bahudhā—
irgendeinen gewöhnlichen Menschen dazu ernennt. Die Verschiedenheit; viśvataƒ-mukham—in der universalen
Merkmale eines mahātmā werden hier beschrieben: Er Form.
chantet ständig von der Herrlichkeit des Höchsten Herrn Śrī
KŠa, der Persönlichkeit Gottes. Er hat nichts anderes zu ÜBERSETZUNG
tun. Mit anderen Worten: Er ist kein
Unpersönlichkeitsanhänger. Was Lobpreisung betrifft, so Andere, die mit der Kultivierung von Wissen beschäftigt
muß man den Höchsten Herrn preisen, indem man Seinen sind, verehren den Höchsten Herrn als den Einen ohne
Heiligen Namen, Seine ewige Gestalt, Seine einen Zweiten, aufgeteilt in viele, und in der universalen
transzendentalen Eigenschaften und Seine ungewöhnlichen Form.
Spiele rühmt. All dies sollte man ruhmpreisen, und daher
hängt ein mahātmā an der Höchsten Persönlichkeit Gottes. ERLÄUTERUNG
Wer sich zum unpersönlichen Aspekt des Höchsten Herrn,
dem brahmajyoti, hingezogen fühlt, wird in der Dieser Vers ist die Zusammenfassung der vorangegangenen
Bhagavad-gītā nicht als mahātmā beschrieben. Er wird im Verse. Der Herr teilt Arjuna mit, daß diejenigen, die rein
nächsten Vers in anderer Weise beschrieben. Der mahātmā KŠa-bewußt sind und nichts anderes als KŠa kennen,
ist immer mit verschiedenen Tätigkeiten hingebungsvollen mahātmā genannt werden; es gibt jedoch noch andere
Dienstes beschäftigt, wie sie im Śrīmad-Bhāgavatam Menschen, die zwar nicht unbedingt die Stellung eines
beschrieben werden, zum Beispiel hört und chantet er über mahātmā einnehmen, die aber KŠa auf andere Art
ViŠu, nicht über einen Halbgott oder Menschen. Das ist verehren. Einige von ihnen wurden bereits beschrieben als
Hingabe: śravaŠaˆ kīrtanaˆ viŠoƒ; und smaraŠam, sich die Notleidenden, die Mittellosen, die Neugierigen und
an Ihn erinnern. Solch ein mahātmā ist fest entschlossen, diejenigen, die Wissen kultivieren. Aber es gibt andere, die
letztlich die Gemeinschaft des Höchsten Herrn in einem der auf einer noch tieferen Stufe stehen, und diese werden in
fünf transzendentalen rasas zu erreichen. Um dieses Ziel zu drei Gruppen unterteilt: (1) derjenige, der sich selbst als
erreichen, stellt er alle Tätigkeiten — geistige, körperliche eins mit dem Höchsten Herrn verehrt, (2) derjenige, der
und sprachliche — in den Dienst des Höchsten Herrn, Śrī sich eine Form des Höchsten Herrn ausdenkt und sie
KŠas. Das nennt man vollständiges KŠa-Bewußtsein. verehrt und (3) derjenige, der die universale Form, die
Im hingebungsvollen Dienst gibt es gewisse Tätigkeiten, viśva-rūpa der Höchsten Persönlichkeit Gottes, anerkennt
die festgelegt worden sind — zum Beispiel das Fasten an und verehrt. Von diesen dreien sind die Niedrigsten, die
bestimmten Tagen, wie dem elften Tag nach Voll- oder sich selbst als Höchsten Herrn verehren und sich als
Neumond (Ekādaśī) und dem Erscheinungstag des Herrn. Monisten bezeichnen, am häufigsten vertreten. Solche
All diese Regeln und Regulierungen werden von den Menschen halten sich für den Höchsten Herrn, und in
großen ācāryas denen empfohlen, die tatsächlich daran diesem Bewußtsein verehren sie sich selbst. Auch das ist
interessiert sind, in die Gemeinschaft der Höchsten eine Form der Gottesverehrung, denn diese Menschen
Persönlichkeit Gottes in der transzendentalen Welt können verstehen, daß sie nicht der materielle Körper,
196

sondern eigentlich spirituelle Seele sind; zumindest ist pitā—Vater; aham—Ich; asya—von diesem; jagataƒ—des
dieses Bewußtsein vorherrschend. Im allgemeinen verehren Universums; mātā—Mutter; dhātā—Erhalter; pitāmahaƒ—
die Unpersönlichkeitsanhänger den Höchsten Herrn auf Großvater; vedyam—was zu erkennen ist; pavitram—das,
diese Weise. Zur zweiten Gruppe gehören die Verehrer der was reinigt; oˆkāraƒ—die Silbe om; k—der ¬g Veda;
Halbgötter oder diejenigen, die gemäß ihrer Vorstellung sāma—der Sāma Veda; yajuƒ—der Yajur Veda; eva—
eine beliebige Form als die Gestalt des Höchsten Herrn gewiß; ca—und.
ansehen. Und zur dritten Gruppe zählen diejenigen, die sich
nichts außerhalb der Manifestation des materiellen ÜBERSETZUNG
Universums vorstellen können. Sie betrachten das
Universum als den höchsten Organismus oder die höchste Ich bin der Vater des Universums, die Mutter, der
Wesenheit und verehren es daher. Das Universum ist Erhalter und der Ahnherr. Ich bin der Gegenstand des
ebenfalls eine Form des Herrn. Wissens, der Läuternde und die Silbe om. Ich bin auch
der ¬g-, der Sāma- und der Yajur-Veda.
VERS 16
ERLÄUTERUNG
ahaˆ kratur ahaˆ yajñaƒ
svadhāham aham auadham Alle kosmischen Manifestationen, sowohl die sich
mantro'ham aham evājyam bewegenden als auch die sich nicht bewegenden, werden
aham agnir ahaˆ hutam durch verschiedene Tätigkeiten der Energie KŠas mani-
festiert. Im materiellen Dasein schaffen wir verschiedene
aham—Ich; kratuƒ-das Ritual; aham—Ich; yajñaƒ—Opfer; Beziehungen zu verschiedenen Lebewesen, die nichts
svadhā—Opfergabe; aham—Ich; aham—Ich; auadham— anderes sind als KŠas marginale Energie, doch durch die
Heilkraut; mantraƒ—transzendentaler Gesang; aham—Ich; Schöpfung der prakti erscheinen manche von ihnen als
aham—Ich; eva—gewiß; ajyam—geschmolzene Butter; unser Vater, unsere Mutter, unser Großvater usw., während
aham—Ich; agniƒ—Feuer; aham—Ich; hutam—Opferung. sie im Grunde nichts anderes als winzige Teile KŠas sind.
Folglich sind diese Lebewesen, die unser Vater, unsere
ÜBERSETZUNG Mutter usw. zu sein scheinen, nichts anderes als KŠa. In
diesem Vers bedeutet das Wort dhātā "Schöpfer". Nicht nur
Aber Ich bin es, der das Ritual ist; Ich bin das Opfer, sind unser Vater und unsere Mutter Bestandteile KŠas,
die Opferung an die Vorväter, das Heilkraut und der sondern auch ihre Erzeuger, Großvater und Großmutter.
transzendentale mantra. Ich bin die Butter, das Feuer Eigentlich ist jedes Lebewesen — als Bestandteil KŠas —
und die Opferung. ebenfalls KŠa. Alle Veden haben daher nur KŠa zum
Ziel. Was immer wir durch die Veden erfahren möchten, ist
ERLÄUTERUNG ein Schritt auf KŠa zu. Das Thema, das uns hilft, unsere
wesensgemäße Stellung zu läutern, ist besonders KŠa. In
Das als jyoti˜oma bekannte Opfer ist ebenfalls KŠa, und ähnlicher Weise ist das Lebewesen, das bestrebt ist, alle
Er ist auch der mahā-yajña. Die Opfergaben, die dem vedischen Prinzipien zu verstehen, ein Bestandteil KŠas
Pitloka dargebracht werden, das heißt das Opfer zur und als solches ebenfalls KŠa. In allen vedischen mantras
Erfreuung des Pitloka, sind eine Droge in Form von ist das Wort om, das praŠava genannt wird, eine
gereinigter Butter und repräsentieren auch KŠa. Auch die transzendentale Klangschwingung und repräsentiert KŠa.
mantras, die in diesem Zusammenhang gechantet werden, Und weil in allen Hymnen der vier Veden (Sāma, Yajur, ¬g
sind KŠa. Und viele andere Dinge, die mit und Atharva) das praŠava oder omkāra sehr häufig
Milchprodukten zubereitet werden und dafür bestimmt vorkommt, gelten diese ebenfalls als KŠa.
sind, im Opfer dargebracht zu werden, sind ebenfalls
KŠa. Das Feuer ist auch KŠa, denn Feuer ist eines der VERS 18
fünf materiellen Elemente und zählt daher zu KŠas
abgesonderter Energie. Mit anderen Worten: Die im gatir bhartā prabhuƒ sākī
karma-kāŠa-Teil der Veden empfohlenen vedischen Opfer nivāsaƒ śaraŠaˆ suht
sind in ihrer Gesamtheit ebenfalls KŠa. Oder, anders prabhavaƒ pralayaƒ sthānaˆ
ausgedrückt, von denen, die im hingebungsvonen Dienst nidhānaˆ bījam avyayam
KŠas tätig sind, kann man sagen, daß sie alle Opfer
ausgeführt haben, die in den Veden empfohlen werden. gatiƒ—Ziel; bhartā—Erhalter; prabhuƒ—Herr; sākī—
Zeuge; nivāsaƒ—Reich; śaraŠam—Zuflucht; suht—
VERS 17 engster Freund; prabhavaƒ—Schöpfung; pralayaƒ—Auf-
lösung; sthānam—Grund; nidhānam—Ruheort; bījam—
pitāham asya jagato Same; avyayam—unvergänglich.
mātā dhātā pitāmahaƒ
vedyaˆ pavitram oˆkāra ÜBERSETZUNG
k sāma yajur eva ca
Ich bin das Ziel, der Erhalter, der Meister, der Zeuge,
das Reich, die Zuflucht und der liebste Freund. Ich bin
197

die Schöpfung und die Vernichtung, die Grundlage aller personifizierte Tod. Sowohl Sein als auch Nichtsein sind
Dinge, der Ruheort und der ewige Same. in Mir.

ERLÄUTERUNG ERLÄUTERUNG

Gati bedeutet den Bestimmungsort, den wir erreichen KŠa verteilt durch Seine verschiedenen Energien — mit
möchten. Das Endziel aber ist KŠa, wenngleich die Hilfe von Elektrizität und Sonne — Hitze und Licht.
meisten Menschen dies nicht wissen. Wer KŠa nicht Während des Sommers ist es KŠa, der verhindert, daß
kennt, ist irregeführt, und sein sogenannter Fortschritt ist Regen vom Himmel fällt, und Er ist es auch, der während
entweder unvollständig oder eine Halluzination. Es gibt der Regenzeit den Regen unaufhörlich strömen läßt. Die
viele Menschen, die verschiedene Halbgötter zu ihrem Ziel Energie, die uns erhält, indem sie die Dauer unseres Lebens
machen, und durch die entschlossene Ausführung der verlängert, ist KŠa, und KŠa begegnet uns am Ende des
strengen jeweiligen Methoden erreichen sie verschiedene Lebens als der Tod. Wenn man all diese verschiedenen
Planeten wie Candraloka, Sūryaloka, Indraloka, Maharloka Energien KŠas analysiert, kann man feststellen, daß es für
usw. Da all diese lokas oder Planeten Schöpfungen KŠas KŠa keinen Unterschied zwischen Materie und spiritueller
sind, sind sie gleichzeitig KŠa und nicht KŠa. Natur gibt, oder genauer gesagt, Er ist sowohl Materie als
Tatsächlich sind solche Planeten, da sie Manifestationen auch spirituelle Natur. Auf der fortgeschrittenen Stufe des
der Energie KŠas sind, ebenfalls KŠa, doch eigentlich KŠa-Bewußtseins macht man daher keine solchen
dienen sie nur als ein Schritt vorwärts auf die Erkenntnis Unterschiede mehr. Man sieht nur KŠa in allen Dingen.
KŠas zu. Sich den verschiedenen Energien KŠas Da KŠa sowohl Materie als auch spirituelle Natur ist, ist
zuzuwenden bedeutet, sich KŠa indirekt zu nähern. Man die gigantische universale Form, die alle materiellen
sollte sich KŠa jedoch direkt nähern, denn so kann man Manifestationen beinhaltet, ebenfalls KŠa, und Seine
Zeit und Energie sparen. Wenn es zum Beispiel möglich ist, Spiele in Vndāvana als zweihändiger Śyāmasundara, der
die Spitze eines Gebäudes mit dem Fahrstuhl zu erreichen, auf einer Flöte spielt, sind die Spiele der Höchsten
warum soll man Schritt für Schritt die Treppe Persönlichkeit Gottes.
hinaufsteigen? Alles ruht auf KŠas Energie; daher kann
ohne KŠas Schutz nichts existieren. KŠa ist der höchste VERS 20
Herrscher, weil alles Ihm gehört und alles dank Seiner
Energie existiert. Da KŠa im Herzen eines jeden weilt, ist trai-vidyā māˆ soma-pāƒ puta-pāpā
Er der höchste Zeuge. Die Wohnorte, Länder und Planeten, yajñair i˜vā svargatiˆ prārthayante
die wir bevölkern, sind ebenfalls KŠa. KŠa ist das te puŠyam āsādya surendra-lokam
endgültige Ziel aller Zuflucht, und daher sollte man in aśnanti divyān divi deva-bhogān
beiden Fällen — sei es zum Schutz oder zur Beendigung
des leidvollen Zustandes — bei KŠa Zuflucht suchen. trai-vidyāƒ—die Kenner der drei Veden; mām—zu Mir;
Wann immer wir Zuflucht nehmen müssen, sollten wir soma-pāƒ—die Trinker des soma-Saftes; puta—gereinigt;
wissen, daß unser Schutz eine lebendige Kraft sein muß. pāpāƒ—Sünden; yajñaiƒ—mit Opfern; i˜vā—nachdem sie
Somit ist KŠa das höchste Lebewesen. Da KŠa die verehrt haben; svargatim—Aufstieg zum Himmel;
Quelle unserer Erzeugung oder der höchste Vater ist, kann prārthayante—beten; te—sie; puŠyam—Tugend; āsādya—
niemand ein besserer Freund sein als KŠa, und es kann genießend; surendra—von Indra; lokam—Welt; aśnanti—
niemand geben, der wohlmeinender ist. KŠa ist die genießen; divyān—himmlisch; divi—im Himmel;
ursprüngliche Quelle der Schöpfung und der letztliche deva-bhogān—Freuden der Götter.
Ruheort nach der Vernichtung. KŠa ist daher die ewige
Ursache aller Ursachen. ÜBERSETZUNG

VERS 19 Diejenigen, die die Veden studieren und den soma-Saft


trinken, weil sie die himmlischen Planeten erreichen
tapāmy aham ahaˆ varaˆ wollen, verehren Mich indirekt. Sie werden auf dem
nighŠāmy utsjāmi ca Planeten Indras geboren, wo sie himmlische Freuden ge-
amtaˆ caiva mtyuś ca nießen.
sad asac cāham arjuna
ERLÄUTERUNG
tapāmi—gebe Hitze; aham—Ich; aham—Ich; varam—
Regen; nighŠāmi—halte zurück; utsjāmi—sende aus; Das Wort trai-vidyāƒ bezieht sich auf die drei Veden:
ca—und; amtam—Unsterblichkeit; ca—und; eva—gewiß; Sāma, Yajur und ¬g. Ein brāhmana, der diese drei Veden
mtyuƒ—Tod; ca—und; sat—Sein; asat—Nichtsein; ca— studiert hat, wird tri-vedī genannt. Jeder, der sich mit dem
und; aham—Ich; arjuna—o Arjuna. Wissen, das man aus diesen drei Veden erfahren kann,
eingehend beschäftigt, wird in der Gesellschaft geachtet.
ÜBERSETZUNG Unglückseligerweise gibt es viele bedeutende Gelehrte der
Veden, die den endgültigen Sinn des Studiums nicht
O Arjuna, Ich sorge für Hitze, Regen und Dürre. Ich kennen. Deshalb erklärt KŠa hier, daß Er Selbst das
bin die Unsterblichkeit, und Ich bin auch der endgültige Ziel der tri-vedīs ist. Wirkliche tri-vedīs suchen
198

unter den Lotosfüßen KŠas Zuflucht und beschäftigen Glückseligkeit und Wissen zu erfreuen, und niemals wieder
sich in reinem hingebungsvollem Dienst, um den Herrn zu diesem leidvollen materiellen Dasein zurückkehren.
zufriedenzustellen. Hingebungsvoller Dienst beginnt mit
dem Chanten des Hare-KŠa-mantra und dem VERS 22
gleichzeitigen Versuch, KŠa wahrhaft zu verstehen.
Unglückseligerweise entwickeln jene, die die Veden nur ananyāś cintayanto māˆ
offiziell studieren, ein größeres Interesse an ye janāƒ paryupāsate
Opferdarbringungen für verschiedene Halbgötter wie Indra teāˆ nityābhiyuktānāˆ
und Candra. Durch solche Bemühungen werden die yoga-kemaˆ vahāmy aham
Verehrer verschiedener Halbgötter zweifellos von der
Verunreinigung durch die niederen Eigenschaften der Natur ananyāƒ—keine anderen; cintayantaƒ—sich
geläutert und so zu den höheren Planetensystemen oder konzentrierend; mām—auf Mich; ye—die; janāƒ—
himmlischen Planeten erhoben, die als Maharloka, Menschen; paryupāsate—angemessen verehren; teām—
Janaloka, Tapoloka usw. bekannt sind. Wenn man einmal ihre; nitya—immer; abhiyuktānām—in Hingabe gefestigt;
diese höheren Planetensysteme erreicht hat, kann man seine yoga-kemam—Bedürfnisse; vahāmi—trage; aham—Ich.
Sinne hunderttausendmal besser befriedigen als auf diesem
Planeten. ÜBERSETZUNG

VERS 21 Doch denjenigen, die Mich mit Hingabe verehren und


über Meine transzendentale Gestalt meditieren, gebe
te taˆ bhuktvā svarga-lokaˆ viśālaˆ Ich, was sie brauchen, und erhalte Ich, was sie haben.
kīŠe puŠye martya-lokaˆ viśanti
evaˆ trayī-dharmam anuprapannā ERLÄUTERUNG
gatāgataˆ kāma-kāmā labhante
Wer es nicht ertragen kann, auch nur einen Augenblick
te—sie; taˆ—dieses; bhuktvā—genießend; svarga-lokam— ohne KŠa-Bewußtsein zu leben, kann nichts anderes tun,
Himmel; viśālam—weit; kīŠe—erschöpft; puŠye— als vierundzwanzig Stunden am Tag an KŠa zu denken,
Verdienst; martya-lokam—sterbliche Erde; viśanti—fallen da er ständig im hingebungsvollen Dienst beschäftigt ist,
hinab; evam—so; trayī—drei Veden; dharmam—Lehren; indem er über KŠa hört, über Ihn chantet, sich an Ihn
anuprapannāƒ—folgend; gata-agatam—Tod und Geburt; erinnert, Ihm Gebete darbringt, Ihn verehrt, Seinen
kāma-kāmāƒ—Sinnenfreuden begehrend; labhante— Lotosfüßen dient, Ihm andere Dienste leistet, Freundschaft
erreichen. zu Ihm entwickelt und sich Ihm völlig ergibt. Solche
Tätigkeiten sind alle glückverheißend und voller spiritueller
ÜBERSETZUNG Kräfte, ja sie führen den Gottgeweihten in seiner
Selbstverwirklichung zur Vollkommenheit. Dann hat er nur
Nachdem sie so himmlische Sinnenfreuden genossen noch den einen Wunsch: die Gemeinschaft der Höchsten
haben, kehren sie wieder auf diesen sterblichen Planeten Persönlichkeit Gottes zu erreichen. Das nennt man yoga.
zurück. Somit erlangen sie durch die vedischen Durch die Barmherzigkeit des Herrn kehrt ein solcher
Prinzipien nur flackerndes Glück. Gottgeweihter nie wieder zum materiellen Zustand des
Lebens zurück. Kema bezieht sich auf den barmherzigen
ERLÄUTERUNG Schutz des Herrn. Der Herr hilft dem Gottgeweihten,
KŠa-Bewußtsein durch yoga zu erlangen, und wenn der
Wer zu diesen höheren Planetensystemen erhoben wird, Gottgeweihte völlig KŠa-bewußt wird, bewahrt ihn der
genießt eine längere Lebensdauer und bessere Herr davor, wieder in ein leidvolles, bedingtes Leben
Möglichkeiten für Sinnengenuß; jedoch ist es einem nicht zurückzufallen.
vergönnt, dort für immer zu bleiben. Man wird wieder auf
diesen Erdplaneten zurückgeschickt, nachdem die Früchte VERS 23
frommer Werke aufgezehrt sind. Jemand, der nicht die
Vollkommenheit des Wissens erreicht hat, auf die das ye'py anya-devatā-bhaktā
Vedānta-sūtra hinweist (janmādy asya yataƒ), oder mit yajante śraddhayānvitāƒ
anderen Worten, wem es nicht gelingt, KŠa, die Ursache te'pi mām eva kaunteya
aller Ursachen, zu verstehen, verfehlt das endgültige Ziel yajanty avidhi-pūrvakam
des Lebens und wird so immer wieder zu höheren Planeten
erhoben, von denen er immer wieder herunterfällt — als ob ye—diejenigen; api—auch; anya—andere; devatā—
er auf einem Riesenrad säße, das sich mal nach oben und Halbgötter; bhaktāƒ—Geweihte; yajante—verehren;
mal nach unten bewegt. Statt also zur spirituellen Welt śraddhaya-anvitāƒ—mit Glauben; te—sie; api—auch;
erhoben zu werden, von der es nicht mehr möglich ist, mām—Mich; eva—sogar; kaunteya—o Sohn Kuntīs;
herabzufallen, bewegt man sich einfach im Kreislauf von yajanti—opfern; avidhi-pūrvakam—auf falsche Weise.
Geburt und Tod durch die höheren und niederen
Planetensysteme. Man sollte sich lieber der spirituellen ÜBERSETZUNG
Welt zuwenden, um sich dort eines ewigen Lebens voll
199

Was immer ein Mensch anderen Göttern opfern mag, o gewinnen. Deshalb fallen sie ins materielle Dasein hinab
Sohn Kuntīs, ist in Wirklichkeit für Mich allein und erreichen nicht das erstrebte Ziel des Lebens. Wenn
bestimmt, doch wird es ohne rechtes Verständnis man tatsächlich einen materiellen Wunsch hat, sollte man
geopfert. lieber zum Höchsten Herrn um Erfüllung beten, wenngleich
dies keine reine Hingabe ist, und so wird man das
ERLÄUTERUNG gewünschte Ergebnis bekommen.

"Menschen, die Halbgötter verehren, sind nicht sehr VERS 25


intelligent, obwohl solche Verehrung indirekt Mir gilt",
sagt KŠa. Wenn zum Beispiel jemand die Blätter und yānti deva-vratā devān
Zweige eines Baumes begießt, ohne die Wurzel zu pit n yānti pit-vratāƒ
bewässern, zeugt sein Handeln von mangelndem Wissen bhūtāni yānti bhūtejyā
oder davon, daß er nicht den regulierenden Prinzipien folgt. yānti mad-yājino'pi mām
In ähnlicher Weise dient man den verschiedenen
Körperteilen, indem man den Magen mit Nahrung versorgt. yānti—erreichen; deva-vratāƒ—Verehrer der Halbgötter;
Die Halbgötter sind gewissermaßen verschiedene Beamte devān—zu den Halbgöttern; pit n—zu den Vorfahren;
und Minister in der Regierung des Höchsten Herrn. Man yānti—gehen; pit-vratāƒ—Verehrer der Vorfahren;
muß den Gesetzen der Regierung folgen, nicht denen der bhūtāni—zu Geistern und Gespenstern; yānti—gehen;
Beamten und Minister. In ähnlicher Weise wird von jedem bhūtejyāƒ—Verehrer der Geister und Gespenster; yānti—
erwartet, allein den Höchsten Herrn zu verehren. Das wird gehen; mat—Meine; yājinaƒ—Geweihten; api-auch;
die verschiedenen Beamten und Minister des Herrn von mām—zu Mir.
selbst zufriedenstellen. Die Beamten und Minister sind als
Vertreter der Regierung tätig, und ihnen ein Bestechungs- ÜBERSETZUNG
geld anzubieten ist ungesetzlich. Das wird hier mit dem
Wort avidhi-pūrvakam ausgedrückt. Mit anderen Worten: Wer die Halbgötter verehrt, wird unter den
KŠa billigt nicht die unnötige Verehrung der Halbgötter. Halbgöttern geboren; wer Geister und Gespenster
verehrt, wird unter solchen Wesen geboren; wer die
VERS 24 Vorfahren verehrt, geht zu den Vorfahren, und wer
Mich verehrt, wird mit Mir leben.
ahaˆ hi sarva-yajñānāˆ
bhoktā ca prabhur eva ca ERLÄUTERUNG
na tu mām abhijānanti
tattvenātaś cyavanti te Wenn jemand den Wunsch hat, zum Mond, zur Sonne oder
zu irgendeinem anderen Planeten zu gehen, kann er das
aham—Ich; hi—gewiß; sarva—von allen; yajñānām— gewünschte Ziel erreichen, wenn er bestimmten vedischen
Opfern; bhoktā—Genießer; ca—und; prabhuƒ—Herr; Prinzipien folgt, die für diesen Zweck empfohlen sind.
eva—auch; ca—und; na—nicht; tu—aber; mām—Mich; Diese Prinzipien werden ausführlich in dem Teil der Veden
abhijānanti—kennen; tattvena—in Wirklichkeit; ataƒ— beschrieben, der fruchtbringende Werke behandelt. In
deshalb; cyavanti—kommen zu Fall; te—sie. diesem Teil der Veden, der technisch als darśa-paurŠamāsī
bekannt ist, wird eine bestimmte Verehrung der Halbgötter
ÜBERSETZUNG empfohlen, die auf verschiedenen himmlischen Planeten
leben. In ähnlicher Weise kann man auch, wenn man einen
Ich bin der einzige Genießer und das einzige Ziel von besonderen yajña durchführt, die pitā-Planeten erreichen.
Opfern. Wer Mein wahres, transzendentales Wesen Man kann auch zu den zahlreichen Planeten der Geister
nicht erkennt, kommt zu Fall. gelangen und dort ein yaka, raka oder piśāca werden. Die
piśāca-Verehrung wird auch als "Schwarze Kunst" oder
ERLÄUTERUNG "Schwarze Magie" bezeichnet. Es gibt viele Menschen, die
diese Schwarze Kunst praktizieren und glauben, dies sei
Hier wird eindeutig gesagt, daß es viele Arten von Spiritualismus; doch solches Tun ist völlig materialistisch.
yajña-Durchführungen gibt, die in den vedischen Schriften Ein reiner Gottgeweihter jedoch, der die Höchste
empfohlen werden; doch im Grunde sind sie alle dafür Persönlichkeit Gottes verehrt, erreicht zweifellos die
bestimmt, den Höchsten Herrn zufriedenzustellen. Yajña VaikuŠ˜a-Planeten oder KŠaloka. Durch diesen wichtigen
bedeutet ViŠu. Im Zweiten Kapitel der Bhagavad-gītā Vers können wir folgendes sehr leicht verstehen: Wenn
wird klar gesagt, daß man nur arbeiten soll, um Yajña oder man die himmlischen Planeten erreichen kann, indem man
ViŠu zufriedenzustellen. Die vollendete Form die Halbgötter verehrt; wenn man die pitā-Planeten
menschlicher Zivilisation, die als varŠāśrama-dharma erreichen kann, indem man die pitās verehrt, und wenn
bekannt ist, hat den besonderen Zweck, ViŠu zu erfreuen. man die Planeten der Geister erreichen kann, indem man
Deshalb sagt KŠa in diesem Vers: "Ich bin der Genießer Schwarze Künste praktiziert — warum sollte dann der reine
aller Opfer, denn Ich bin der höchste Meister." Weniger Gottgeweihte nicht den Planeten KŠas oder ViŠus
intelligente Menschen jedoch, die dies nicht wissen, erreichen können? Unglücklicherweise haben viele
verehren Halbgötter, um einen zeitweiligen Nutzen zu Menschen von diesen erhabenen Planeten, auf denen KŠa
200

und ViŠu weilen, keine Kenntnis, und weil sie nichts von Fesseln der materiellen Verstrickung befreit zu werden. Er
ihnen wissen, kommen sie zu Fall. Selbst die sagt im gleichen Vers, daß diejenigen, die ihre Nahrung
Unpersönlichkeitsanhänger fallen vom brahmajyoti herab. nicht opfern, nichts als Sünde essen. Mit anderen Worten:
Die Bewegung für KŠa-Bewußtsein gibt daher der gesam- Jeder Bissen, den sie zu sich nehmen, verstrickt sie nur
ten menschlichen Gesellschaft die erhabene Information, noch mehr in die Kompliziertheiten der materiellen Natur.
daß man einfach durch das Chanten des Wenn man jedoch schöne, einfache Gemüsegerichte
Hare-KŠa-mantra noch in diesem Leben die zubereitet, sie vor dem Bild oder der Bildgestalt Śrī KŠas
Vollkommenheit erreichen und so nach Hause, zu Gott, opfert, seine Ehrerbietungen darbringt und zu KŠa betet,
zurückkehren kann. Er möge diese bescheidene Opferung annehmen, wird man
befähigt, im Leben beständig fortzuschreiten, den Körper
VERS 26 zu reinigen und feine Gehirnzellen zu entwickeln, die
klares Denken ermöglichen. Darüber hinaus sollte die
patraˆ pupaˆ phalaˆ toyaˆ Opferung mit Liebe zubereitet werden. KŠa braucht kein
yo me bhaktyā prayacchati Essen, da Er bereits alles Existierende besitzt, und doch
tad ahaˆ bhakty-upahtam wird Er das Opfer eines Menschen annehmen, der Ihn in
aśnāmi prayatātmanaƒ dieser Weise erfreuen möchte. Das Wichtigste bei der
Zubereitung, beim Darbringen und beim Opfern ist die
patram—ein Blatt; pupam—eine Blume; phalam—eine Liebe zu KŠa.
Frucht; toyam—Wasser; yaƒ—wer immer; me—Mir; Die Philosophen der Unpersönlichkeitslehre, die der
bhaktyā—mit Hingabe; prayacchati—opfert; tat-das; Ansicht sind, die Absolute Wahrheit sei ohne Sinne,
aham—Ich; bhakti-upahtam—mit Hingabe geopfert; können diesen Vers der Bhagavad-gītā nicht begreifen. Für
aśnāmi—nehme an; prayata-ātmanaƒ—von jemand mit sie ist er entweder eine Metapher oder ein Beweis für das
reinem Bewußtsein. weltliche Wesen KŠas, des Sprechers der Gītā. Aber
KŠa, der Höchste Gott, besitzt tatsächlich Sinne, denn in
ÜBERSETZUNG der Brahma-saˆhitā heißt es, daß Seine Sinne
untereinander austauschbar sind. Mit anderen Worten:
Wenn jemand Mir mit Liebe und Hingabe ein Blatt, Jeder Sinn kann die Funktion jedes anderen Sinnes
eine Blume, eine Frucht oder etwas Wasser opfert, ausführen. Das ist die Bedeutung der Aussage "KŠa ist
werde Ich es annehmen. absolut". Wenn es Ihm an Sinnen mangelte, könnte Er wohl
kaum alle Reichtümer in Sich bergen. Im Siebten Kapitel
ERLÄUTERUNG hat KŠa erklärt, daß Er die Lebewesen in die materielle
Natur zeugt. Dies geschieht, indem Er einfach über die
Nachdem Śrī KŠa klargestellt hat, daß Er der einzige materielle Natur blickt. Das bedeutet in diesem Fall: Wenn
Genießer, der urerste Herr und der wahre Empfänger aller KŠa die liebevollen Worte des Gottgeweihten beim Op-
Opferdarbringungen ist, offenbart Er nun, welche Arten fern der Speisen hört, ist das mit Seinem Essen und
von Opfern Er dargebracht haben möchte. Wenn sich Schmecken völlig identisch. Dieser Punkt sollte besonders
jemand im hingebungsvollen Dienst für den Höchsten betont werden: Weil Er absolut ist, ist Sein Hören mit
betätigen möchte, um geläutert zu werden und das Ziel des Seinem Essen und Schmecken völlig identisch. Nur der
Lebens — transzendentalen hingebungsvollen Dienst für Gottgeweihte, der KŠa ohne Interpretation so akzeptiert,
Gott — zu erreichen, sollte er herausfinden, was der Herr wie Er Sich Selbst beschreibt, kann verstehen, daß die
von ihm wünscht. Wer KŠa liebt, wird Ihm alles geben, Höchste Absolute Wahrheit Essen zu Sich nehmen und
was Er Sich wünscht, und es vermeiden, Ihm etwas zu op- genießen kann.
fern, was Er nicht wünscht oder worum Er nicht gebeten
hat. Fleisch, Fisch und Eier sollten KŠa daher nicht VERS 27
geopfert werden. Wenn Er solche Dinge als Opfer
wünschte, würde Er es sagen. Statt dessen bittet Er yat karoi yad aśnāsi
eindeutig darum, daß Ihm ein Blatt, eine Frucht, Blumen yaj juhoi dadāsi yat
und Wasser dargebracht werden, und Er sagt von einem yat tapasyasi kaunteya
solchen Opfer: "Ich werde es annehmen." Deshalb sollten tat kuruva mad arpaŠam
wir verstehen, daß Er kein Fleisch, kein Fisch und keine
Eier annehmen wird. Gemüse, Getreide, Früchte, Milch und yat—was; karoi—du tust; yat—was immer; aśnāsi—du
Wasser sind die für Menschen geeigneten Nahrungsmittel ißt; yat—was immer; juhoi—du opferst; dadāsi—du
und werden von Śrī KŠa Selbst vorgeschrieben. Was fortgibst; yat—was immer; yat—was immer; tapasyasi—
immer wir sonst zu uns nehmen, kann Ihm nicht geopfert Enthaltungen, die du dir auferlegst; kaunteya—o Sohn
werden, da Er es nicht annehmen wird. Wir können also Kuntīs; tat-das; kuruva—mache; mat—für Mich;
nicht auf der Ebene liebender Hingabe handeln, wenn wir arpaŠam—Opferung.
KŠa solche Nahrung opfern.
Im dreizehnten Vers des Dritten Kapitels erklärt Śrī KŠa, ÜBERSETZUNG
daß nur die Überreste von Opfern gereinigt und daher
geeignet seien, von denen verzehrt zu werden, die nach O Sohn Kuntīs, alles, was du tust; alles, was du ißt;
Fortschritt im Leben suchen und danach streben, von den alles, was du opferst und fortgibst, sowie alle
201

Enthaltungen, die du auf dich nimmst, sollten als ein Gottes völlig ergeben. Folglich wird man am Ende befreit,
Opfer für Mich getan werden. und diese Befreiung ist ebenfalls näher erläutert. Durch
diese Befreiung wird man nicht etwa eins mit dem
ERLÄUTERUNG brahmajyoti, sondern erreicht den Planeten des Höchsten
Herrn. Es wird hier klar gesagt: mām upaiyasi. "Er kommt
Somit ist es also die Pflicht eines jeden, sein Leben so zu zu Mir" — zurück nach Hause, zurück zu Gott. Es gibt fünf
gestalten, daß er KŠa unter keinen Umständen vergessen Stufen der Befreiung, und hier heißt es ausdrücklich, daß
wird. Jeder muß arbeiten, um Leib und Seele zu- ein Gottgeweihter, der sein ganzes Leben lang unter der
sammenzuhalten, und KŠa empfiehlt hier, daß man für Führung des Höchsten Herrn verbracht hat, die Stufe
Ihn arbeiten soll. Jeder muß etwas essen, um zu leben; erreicht hat, von der er, wenn er seinen Körper verläßt,
deshalb sollte er die Reste von Speisen annehmen, die nach Hause, zu Gott, zurückkehren und direkt mit dem
KŠa geopfert wurden. Jeder zivilisierte Mensch muß Höchsten Herrn zusammensein kann.
einige religiöse rituelle Zeremonien vollziehen; deshalb Jeder, der kein anderes Interesse hat, als sein Leben dem
empfiehlt KŠa: "Tu es für Mich", und das nennt man Dienst des Herrn zu weihen, ist im Grunde ein sannyāsī.
arcanā. Jeder hat die Neigung, für wohltätige Zwecke zu Solch ein Mensch betrachtet sich immer als ewiger Diener,
spenden; KŠa sagt: "Gib es Mir", und das bedeutet, daß der vom höchsten Willen des Herrn abhängig ist. Was
alles überflüssige Geld dazu verwendet werden sollte, die immer er daher tut, tut er für den Herrn. Jede Handlung, die
Bewegung für KŠa-Bewußtsein zu unterstützen. Seit er ausführt, ist ein Dienst für den Herrn. Er schenkt den in
jüngster Zeit zeigen viele Leute ein reges Interesse an den Veden erwähnten fruchtbringenden Tätigkeiten oder
jenem Meditationsvorgang, der in diesem Zeitalter nicht vorgeschriebenen Pflichten keine ernsthafte
mehr praktizierbar ist; doch wenn sich jemand darin übt, Aufmerksamkeit. Für gewöhnliche Menschen ist es
vierundzwanzig Stunden über KŠa zu meditieren, indem unerläßlich, die in den Veden erwähnten vorgeschriebenen
er auf seiner Gebetskette den Hare KŠa-mantra chantet, Pflichten zu erfüllen, aber obwohl es manchmal so scheinen
ist er, wie im Sechsten Kapitel der Bhagavad-gītā bestätigt mag, als verstoße ein reiner Gottgeweihter, der völlig im
wird, zweifellos der größte yogī. Dienst des Herrn beschäftigt ist, gegen die
vorgeschriebenen vedischen Pflichten, ist dies im Grunde
VERS 28 nicht der Fall.
Es wird daher von VaiŠava-Autoritäten gesagt, daß selbst
śubhāśubha-phalair evaˆ der intelligenteste Mensch die Pläne und Tätigkeiten eines
mokyase karma-bandhanaiƒ reinen Gottgeweihten nicht verstehen kann. Der genaue
sannyāsa-yoga-yuktātmā Wortlaut ist: vaiŠavera kriyā mudrā vijñe na bujhayā. Wer
vimukto mām upaiyasi auf diese Weise immer im Dienst des Herrn tätig ist oder
immer daran denkt und Pläne entwirft, wie er dem Herrn
śubha—gute; aśubha—schlechte; phalaiƒ—Ergebnisse; dienen kann, ist sowohl in der Gegenwart als auch in der
evam—so; mokyase—frei; karma—Handlung; Zukunft völlig befreit. Seine Rückkehr nach Hause, zu
bandhanaiƒ—Fessel; sannyāsa—der Entsagung; yoga—der Gott, ist garantiert. Er steht über aller materialistischen
yoga; yakta-ātmā—nachdem man den Geist fest darauf Kritik, ebenso wie KŠa über aller Kritik steht.
gerichtet hat; vimuktaƒ—befreit; mām—Mich; upaiyasi—
du wirst erreichen. VERS 29

ÜBERSETZUNG samo'haˆ sarva-bhūteu


na me dveyo'sti na priyaƒ
Auf diese Weise wirst du von allen Reaktionen auf gute ye bhajanti tu māˆ bhaktyā
und schlechte Taten befreit sein, und durch dieses mayi te teu cāpy aham
Prinzip der Entsagung wirst du erlöst werden und zu
Mir kommen. samaƒ—gleich eingestellt; aham—Ich; sarva-bhūteu—
gegenüber allen Lebewesen; na—niemand; me—Mein;
ERLÄUTERUNG dveyaƒ—haßerfüllt; asti—ist; na—noch; priyaƒ—lieb; ye—
diejenigen; bhajanti—transzendentalen Dienst leisten; tu—
Wer unter höherer Führung im KŠa-Bewußtsein handelt, jedoch; mām—für Mich; bhaktyā—in Hingabe; mayi—zu
wird yukta genannt. Die technische Bezeichnung lautet Mir; te—solche Menschen; teu—zu ihnen; ca—auch;
yukta-vairāgya. Dies wird von Śrīla Rūpa Gosvāmī wie api—gewiß; aham—Ich.
folgt näher erklärt.
Śrīla Rūpa Gosvāmī sagt, daß wir handeln müssen, solange ÜBERSETZUNG
wir uns in der materiellen Welt aufhalten; wir können nicht
aufhören, tätig zu sein. Wenn man Handlungen ausführt Ich beneide niemanden, noch bevorzuge Ich jemanden;
und die Früchte KŠa gibt, nennt man das yukta-vairāgya. Ich bin allen gleichgesinnt. Doch wer immer Mir in
Wenn man wahrhaft in Entsagung verankert ist, klären Hingabe dient, ist Mein Freund, ist in Mir, und auch Ich
solche Tätigkeiten den Spiegel des Geistes, und in dem bin sein Freund.
Maße, wie man allmählich Fortschritte in spiritueller
Erkenntnis macht, wird man der Höchsten Persönlichkeit ERLÄUTERUNG
202

sādhur eva sa mantavyaƒ


Man mag hier fragen, warum KŠa ein besonderes samyag vyavasito hi saƒ
Interesse an den Geweihten hat, die ständig in Seinem
transzendentalen Dienst tätig sind, wenn Er doch jedem api—trotz; cet—obwohl; sudurācāraƒ—jemand, der die
gleichgesinnt und niemand Sein besonderer Freund ist. abscheulichsten Handlungen begeht; bhajate—im
Doch darin liegt keine Diskriminierung; es ist natürlich. hingebungsvollen Dienst beschäftigt; mām—für Mich;
Jemand mag in dieser materiellen Welt sehr großzügig sein, ananya-bhāk—ohne Abweichung; sādhuƒ—Heiliger; eva—
aber trotzdem hat er an seinen eigenen Kindern ein gewiß; saƒ—er; mantavyaƒ—anzusehen; samyak—
besonderes Interesse. Der Herr erklärt, daß jedes vollständig; vyavasitaƒ—befindlich; hi—gewiß; saƒ—er.
Lebewesen — in welcher Form auch immer — Sein Sohn
ist, und daher versorgt Er jeden großzügig mit allen ÜBERSETZUNG
Notwendigkeiten des Lebens. Er ist wie eine Wolke, die ihr
Wasser überallhin vergießt, ohne darauf zu achten, ob der Selbst wenn jemand die widerwärtigsten Handlungen
Regen auf Felsen, auf Land oder auf Wasser fällt. Seinen begeht, muß er, wenn er sich im hingebungsvollen
Geweihten aber schenkt Er besondere Aufmerksamkeit. Dienst betätigt, als Heiliger angesehen werden, da er
Solche Geweihte werden hier erwähnt: Sie gründen immer sich auf dem rechten Pfad befindet.
im KŠa-Bewußtsein, und daher sind sie immer auf
transzendentale Weise in KŠa verankert. Der Begriff ERLÄUTERUNG
"KŠa-Bewußtsein" deutet bereits an, daß diejenigen, die
sich in diesem Bewußtsein befinden, Transzendentalisten Das Wort sudurācāro, das in diesem Vers gebraucht wird,
sind, die in KŠa gründen. Der Herr sagt hier ist sehr bedeutsam, und wir sollten es richtig verstehen. Für
unmißverständlich mayi te — "in Mir". Folglich ist der Herr ein bedingtes Lebewesen gibt es zwei Arten von
natürlich auch in ihnen — es ist eine gegenseitige Be- Handlungen: bedingte und wesensgemäße. Was den Schutz
ziehung. Das erklären auch die Worte: asti na priyaƒ / ye des Körpers oder Gehorsam gegenüber den Gesetzen der
bhajanti. "In dem Maße, wie sich jemand Mir ergibt, sorge Gesellschaft und des Staates betrifft, so gibt es sicherlich —
Ich für ihn." Dieser transzendentale Austausch ist nur sogar für die Gottgeweihten — Tätigkeiten, die mit dem
möglich, weil sowohl der Herr als auch der Gottgeweihte materiellen Leben verbunden sind, und solche Tätigkeiten
bewußt sind. Wenn ein Diamant in einen goldenen Ring werden als bedingt bezeichnet. Das Lebewesen, das sich
eingefaßt ist, sieht er sehr schön aus. Dabei nimmt sowohl seiner spirituellen Natur völlig bewußt und im KŠa--
die Schönheit des Goldes als auch die des Diamanten um Bewußtsein oder hingebungsvollen Dienst des Herrn
ein Vielfaches zu. Das Lebewesen und der Herr funkeln beschäftigt ist, geht neben diesen Handlungen auch noch
ewig, und wenn sich ein Lebewesen dem Dienst des Herrn Tätigkeiten nach, die man als transzendental bezeichnet.
zuwendet, sieht es wie Gold aus. Der Herr gleicht einem Solche Tätigkeiten werden in der wesensgemäßen Stellung
Diamanten, und so ist diese Verbindung sehr schön. verrichtet, und sie werden "hingebungsvoller Dienst"
Lebewesen in ihrem reinen Zustand werden als genannt. Nun ist es so, daß im bedingten Zustand
Gottgeweihte bezeichnet. Der Höchste Herr wird zum hingebungsvoller Dienst und der bedingte Dienst in
Geweihten Seiner Geweihten. Gäbe es zwischen dem Beziehung zum Körper manchmal parallel laufen. Ein
Gottgeweihten und dem Herrn keine wechselseitige Gottgeweihter achtet so weit wie möglich darauf, nichts zu
Beziehung, könnte von Persönlichkeitsphilosophie keine tun, was seine günstige Stellung gefährden könnte. Er weiß,
Rede sein. In der Unpersönlichkeitsphilosophie gibt es daß die Vollkommenheit seiner Tätigkeiten vom Fortschritt
keinen Austausch zwischen dem Höchsten und dem seiner Verwirklichung im KŠa-Bewußtsein abhängig ist.
Lebewesen, aber in der Persönlichkeitsphilosophie gibt es Manchmal jedoch mag man beobachten, daß ein Mensch
diesen. im KŠa-Bewußtsein in einer Weise handelt, die, vom
Es wird oft das Beispiel gegeben, daß der Herr wie ein sozialen oder politischen Standpunkt aus betrachtet, als
Wunschbaum ist, und was immer man sich von diesem verabscheuungswürdig gilt. Aber solch ein vorüber-
Wunschbaum wünscht, stellt der Herr bereit. Hier aber ist gehendes Abgleiten disqualifiziert ihn nicht. Im
die Erklärung umfassender. Es heißt hier, daß der Herr Śrīmad-Bhāgavatam heißt es, daß dann, wenn jemand zu
Seinen Geweihten besonders zugeneigt ist. Das ist eine Fall kommt, aber mit ganzem Herzen im transzendentalen
Manifestation der besonderen Barmherzigkeit des Herrn Dienst des Höchsten Herrn beschäftigt ist, der Herr, der in
gegenüber Seinen Geweihten. Man sollte nicht denken, der seinem Herzen weilt, ihn reinigt und ihm sein
Austausch des Herrn mit Seinen Geweihten unterstehe dem abscheuliches Verhalten verzeiht. Die materielle
Gesetz des karma. Er gehört zur transzendentalen Verunreinigung ist so stark, daß manchmal sogar ein yogī,
Beziehung des Herrn zu Seinen Geweihten. der völlig im hingebungsvollen Dienst des Herrn
Hingebungsvoller Dienst für den Herrn ist keine Tätigkeit beschäftigt ist, verleitet wird; doch KŠa-Bewußtsein ist so
der materiellen Welt; er ist ein Teil der spirituellen Welt, mächtig, daß solch ein gelegentliches Fallen sogleich
wo Ewigkeit, Glückseligkeit und Wissen herrschen. berichtigt wird. Deshalb ist der Vorgang des
hingebungsvollen Dienstes immer ein Erfolg. Niemand
VERS 30 sollte einen Gottgeweihten verspotten, wenn dieser zufällig
vom idealen Pfad abkommt; denn wie der nächste Vers
api cet sudurācāro erklärt, wird solch gelegentliches Fallen aufhören, sobald
bhajate mām ananya-bhāk ein Gottgeweihter im KŠa-Bewußtsein fest verankert ist.
203

Jemand, der im KŠa-Bewußtsein gründet und mit Dieser Vers sollte nicht mißverstanden werden. Im Siebten
Entschlossenheit Hare KŠa, Hare KŠa, KŠa KŠa, Kapitel sagt der Herr, daß jemand, der verruchten
Hare Hare / Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma Rāma, Hare Tätigkeiten nachgeht, kein Gottgeweihter werden kann.
Hare chantet, sollte daher als auf der transzendentalen Wer kein Gottgeweihter ist, besitzt keinerlei gute
Ebene verankert angesehen werden, auch wenn er durch Qualifikationen. Es bleibt dann die Frage offen, wie jemand
Zufall oder einen Unglücksfall zu Fall kommt. Die Worte ein reiner Gottgeweihter sein kann, der — zufällig oder ab-
sādhur eva ("er ist heilig") sind sehr eindringlich. Sie sind sichtlich — verabscheuenswerten Tätigkeiten nachgeht.
eine Warnung an die Nichtgottgeweihten, einen Diese Frage mag zu Recht gestellt werden. Die Schurken,
Gottgeweihten wegen eines zufälligen Falls nicht zu die sich, wie im Siebten Kapitel beschrieben wird, niemals
verspotten. Er sollte trotzdem als heilig angesehen werden, dem hingebungsvollen Dienst des Herrn zuwenden, haben
selbst wenn er unbeabsichtigt zu Fall gekommen ist. Das keine guten Eigenschaften. Dies wird auch im
Wort mantavyaƒ ist noch eindringlicher. Wenn man diese Śrīmad-Bhāgavatam bestätigt. Im allgemeinen ist ein
Regel nicht beachtet und einen Gottgeweihten verspottet, Gottgeweihter, der den neun Arten hingebungsvoller
weil er zufällig zu Fall gekommen ist, handelt man gegen Tätigkeiten nachgeht, damit beschäftigt, sein Herz von aller
die Anweisung des Höchsten Herrn. Die einzige materiellen Verunreinigung zu befreien. Er nimmt die
Qualifikation eines Gottgeweihten besteht darin, uner- Höchste Persönlichkeit Gottes in sein Herz auf, und so
schütterlich und ausschließlich im hingebungsvollen Dienst werden alle sündhaften Verunreinigungen natürlicherweise
tätig zu sein. fortgewaschen. Ständiges Denken an den Höchsten Herrn
Flecken, die man auf dem Mond sehen mag, macht ihn von Natur aus rein. Den Veden zufolge gibt es
beeinträchtigen das Mondlicht nicht. In ähnlicher Weise eine bestimmte Regel, daß man sich im Falle eines Sturzes
macht ein zufälliges Abweichen vom rechten Pfad den von seiner erhabenen Stellung gewissen rituellen
Gottgeweihten nicht verabscheuenswert. Auf der anderen Vorgängen unterziehen muß, um sich zu läutern. Hier aber
Seite sollte man jedoch nicht den falschen Schluß ziehen, gibt es keine solche Bedingung, denn der
daß ein Gottgeweihter im transzendentalen hingebungsvol- Läuterungsvorgang findet bereits im Herzen des
len Dienst alle möglichen abscheulichen Handlungen Gottgeweihten statt, da dieser sich ständig an die Höchste
begehen darf. Dieser Vers bezieht sich nur auf einen Persönlichkeit Gottes erinnert. Deshalb sollte das Chanten
Unglücksfall, herbeigeführt durch die starke Macht mate- von Hare KŠa, Hare KŠa, KŠa KŠa, Hare Hare /
rieller Verbindungen. Hingebungsvoller Dienst ist mehr Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma Rāma, Hare Hare ohne
oder weniger eine Kriegserklärung gegen die Unterlaß fortgesetzt werden. Das wird einen Gottgeweihten
illusionierende Energie. Solange man nicht stark genug ist, vor jedem unbeabsichtigten Abgleiten beschützen. Er wird
gegen die illusionierende Energie zu kämpfen, kann es so für immer von allen materiellen Verunreinigungen frei
vorkommen, daß man unbeabsichtigt zu Fall kommt. Wenn bleiben.
man aber stark genug ist, wird man solchem Versagen nicht
länger unterworfen sein, wie zuvor bereits erklärt wurde. VERS 32
Niemand sollte diesen Vers dazu mißbrauchen, allen
möglichen Unsinn zu machen und zu glauben, er sei immer māˆ hi pārtha vyapāśritya
noch ein Gottgeweihter. Wenn jemand seinen Charakter ye'pi syuƒ pāpa-yonayaƒ
durch hingebungsvollen Dienst nicht verbessert, kann er striyo vaiśyās tathā śūdrās
nicht als Gottgeweihter hohen Ranges gelten. te'pi yānti parāˆ gatim

VERS 31 mām—bei Mir; hi—gewiß; pārtha—o Sohn Pthās;


vyapāśritya—insbesondere Zuflucht suchend; ye—irgend
kipraˆ bhavati dharmātmā jemand; api—auch; syuƒ—wird; pāpa-yonayaƒ—in einer
śaśvac-chāntiˆ nigacchati niedrigen Familie geboren; striyaƒ—Frauen; vaiśyāƒ—
kaunteya pratijānīhi Kaufleute; tathā—auch; śūdrāƒ—Menschen niederer
na me bhaktaƒ praŠaśyati Klasse; te api—sogar sie; yānti—erreichen; parām—
höchstes; gatim—Ziel.
kipram-sehr bald; bhavati—wird; dharma-ātmā—
rechtschaffen; śaśvat-śāntim—beständigen Frieden; ÜBERSETZUNG
nigacchati—erreicht; kaunteya—o Sohn Kuntīs; prali-
jānīhi—verkünde offen; na—niemals; me—Mein; O Sohn Pthās, diejenigen, die bei Mir Zuflucht suchen,
bhaktaƒ—Geweihter; praŠaśyati—geht zugrunde. können das höchste Ziel erreichen — auch wenn sie von
niederer Geburt sind, wie Frauen, vaiśyas [Kaufleute]
ÜBERSETZUNG oder auch śūdras [Arbeiter].

Sehr bald wird er rechtschaffen und erlangt ERLÄUTERUNG


immerwährenden Frieden. O Sohn Kuntīs, verkünde
kühn, daß Mein Geweihter niemals vergeht. Hier erklärt der Höchste Herr eindeutig, daß es im
hingebungsvollen Dienst keinen Unterschied zwischen den
ERLÄUTERUNG niederen und höheren Menschenklassen gibt. Solche
Einteilungen bestehen in der materiellen Auffassung vom
204

Leben, aber für einen Menschen, der im transzendentalen zeitweilig und voller Leiden ist. Einige Philosophen,
hingebungsvollen Dienst des Herrn tätig ist, existieren sie besonders die weniger bedeutenden unter ihnen, sagen, die
nicht. Jeder ist geeignet, das höchste Ziel zu erreichen. Im Welt sei falsch, doch aus der Bhagavad-gītā können wir
ŚrīmadBhāgavatam heißt es, daß sogar die niedrigsten verstehen, daß die Welt nicht falsch ist; sie ist zeitweilig.
Menschen, die caŠālas (Hundeesser) durch das Zwischen zeitweilig und falsch besteht ein Unterschied.
Zusammensein mit einem reinen Gottgeweihten erhoben Diese Welt ist zeitweilig, doch gibt es noch eine andere
werden können. Hingebungsvoller Dienst und die Führung Welt, die ewig ist. Diese Welt hier ist voller Leiden, doch
eines reinen Gottgeweihten sind also so stark, daß es dabei die andere Welt ist ewig und voller Glückseligkeit.
keinen Unterschied zwischen den niederen und höheren Arjuna wurde in einer heiligen königlichen Familie
Menschenklassen gibt — jeder kann an diesem Vorgang geboren. Zu ihm sagt der Herr ebenfalls: "Wende dich
teilnehmen. Der einfachste Mensch kann, wenn er bei Meinem hingebungsvollen Dienst zu, und komme schnell
einem reinen Gottgeweihten Zuflucht sucht, durch kundige zurück zu Mir, zurück nach Hause." Niemand sollte in
Führung geläutert werden. Den verschiedenen dieser zeitweiligen Welt bleiben, die so leidvoll ist. Jeder
Erscheinungsweisen der materiellen Natur gemäß werden sollte an der Brust der Höchsten Persönlichkeit Gottes
die Menschen eingeteilt in die Erscheinungsweise der Schutz suchen, so daß er für immer glücklich sein kann.
Tugend (brāhmaŠas), die Erscheinungsweise der Der hingebungsvolle Dienst des Höchsten Herrn ist der
Leidenschaft (katriyas oder Verwalter), die vermischten einzige Vorgang, durch den alle Probleme aller Klassen
Erscheinungsweisen der Leidenschaft und Unwissenheit von Menschen gelöst werden können. Jeder sollte daher
(vaiśyas oder Kaufleute) und die Erscheinungsweise der den Vorgang des KŠa-Bewußtseins annehmen und sein
Unwissenheit (śūdras oder Arbeiter). Menschen, die noch Leben zur Vollkommenheit führen.
tiefer stehen als diese, werden caŠālas genannt; sie sind in
sündigen Familien geboren. Im allgemeinen werden VERS 34
Menschen, die in sündhaften Familien geboren wurden,
von den höheren Klassen nicht akzeptiert. Aber der man-manā bhava mad-bhakto
Vorgang des hingebungsvollen Dienstes und der reine mad-yājī māˆ namaskuru
Gottgeweihte sind so mächtig, daß alle unteren Klassen die mām evaiyasi yuktvaivam
höchste Vollkommenheit des Lebens erreichen können. Das ātmānaˆ mat-parāyaŠaƒ
ist nur möglich, wenn man bei KŠa Zuflucht sucht. Man
muß völlig bei KŠa Zuflucht suchen; dann kann man mat-manāƒ—immer an Mich denkend; bhava—werde;
sogar noch viel größer werden als die großen jñānīs und mat—Mein; bhaktaƒ—Geweihter; mat—Mein; yājī—
yogīs. Verehrer; mām—Mir; namaskuru—erweise Ehrerbietungen;
mām—zu Mir; eva—vollständig; eyasi—komme; yuktvā
VERS 33 evam—versunken sein; ātmānam—deine Seele;
mat-parāyaŠaƒ—Mir hingegeben.
kim punaƒ brāhmaŠāƒ puŠyā
bhaktā rājarayas tathā ÜBERSETZUNG
anityam asukham lokam
imaˆ prāpya bhajasva mām Beschäftige deinen Geist immer damit, an Mich zu
denken; werde Mein Geweihter; erweise Mir deine
kim—wieviel; punaƒ—wieder; brāhmaŠāƒ—brāhmaŠas; Ehrerbietungen, und verehre Mich. Wenn du völlig in
puŠyāƒ—Rechtschaffene; bhaktāƒ-Gottgeweihte; Gedanken an Mich versunken bist, wirst du mit
rājarayaƒ—heilige Könige; tathā—auch; anityam— Gewißheit zu Mir kommen.
zeitweilige; asukham—leidvolle; lokam—Planeten; imam—
dieses; prāpya—gewinnend; bhajasva—sind im liebevollen ERLÄUTERUNG
Dienst beschäftigt; mām—für Mich.
In diesem Vers wird eindeutig darauf hingewiesen, daß
ÜBERSETZUNG KŠa-Bewußtsein das einzige Mittel ist, aus der Gewalt der
verunreinigten materiellen Welt befreit zu werden.
Um wieviel vortrefflicher sind dann die brāhmanas, die Manchmal verdrehen skrupellose Kommentatoren die
Rechtschaffenen, die Gottgeweihten und die heiligen Bedeutung von dem, was hier klar gesagt wird: daß
Könige, die Mir in dieser zeitweiligen, elenden Welt in nämlich aller hingebungsvoller Dienst der Höchsten
Liebe dienen. Persönlichkeit Gottes, Śrī KŠa, dargebracht werden soll.
Unglückseligerweise lenken solch gewissenlose
ERLÄUTERUNG Kommentatoren den Geist des Lesers auf etwas völlig
Undurchführbares und Unmögliches. Diese
In der materiellen Welt gibt es zwar unterschiedliche Kommentatoren wissen nicht, daß zwischen KŠas Geist
Menschenklassen, aber letztlich ist diese Welt für niemand und KŠa Selbst kein Unterschied besteht. KŠa ist kein
ein Ort des Glücks. Es heißt hier klar: anityam asukhaˆ gewöhnlicher Mensch; Er ist die Absolute Wahrheit. Sein
lokam. Diese Welt ist zeitweilig und voller Leiden und Körper. Sein Geist und Er Selbst sind eins und absolut.
daher für jeden vernünftigen Menschen unbewohnbar. Die Bhaktisiddhānta Sarasvatī Gosvāmī zitiert in seinem
Höchste Persönlichkeit Gottes erklärt, daß diese Welt Anubhāsya-Kommentar zum Caitanya-caritāmta, Fünftes
205

Kapitel, Adi-līlā, Vers 41-48, aus dem Kūrma PurāŠa: und yogīs. Jemand, der sich immer im KŠa-Bewußtsein
deha-dehi-vibhedo’yaˆ neśvare vidyate kvacit. "Zwischen betätigt, sollte als vollkommener Heiliger betrachtet
KŠas Körper und Ihm Selbst besteht kein Unterschied." werden. Seine unbeabsichtigten Tätigkeiten, denen es an
Weil aber solche Kommentatoren die Wissenschaft von Hingabe mangelt, werden allmählich nachlassen, und er
KŠa nicht kennen, verbergen sie KŠa und trennen Seine wird zweifellos sehr bald in vollendeter Vollkommenheit
Persönlichkeit von Seinem Geist oder Seinem Körper. verankert sein. Der reine Gottgeweihte hat keine wirkliche
Obwohl dies pure Unwissenheit bezüglich der Wissenschaft Möglichkeit, zu Fall zu kommen, weil Sich der Höchste
von KŠa ist, schlagen manche Leute aus solcher Gott persönlich um Seine reinen Geweihten kümmert.
Irreführung der Menschen Profit. Deshalb sollte sich ein intelligenter Mensch diesem
Es gibt noch eine andere Gruppe dämonischer Menschen. Vorgang des KŠa-Bewußtseins unmittelbar zuwenden
Sie denken zwar ebenfalls an KŠa, doch beneiden sie Ihn, und in dieser materiellen Welt glücklich leben. Ihm wird
wie König Kaˆsa, KŠas Onkel. Auch er dachte letztlich KŠas höchster Lohn zuteil werden.
fortwährend an KŠa, aber er dachte an KŠa als seinen
Feind. Er hatte ständig Angst, weil er nicht wußte, wann Hiermit enden die Bhaktivedanta-Erläuterungen zum
KŠa kommen würde, um ihn zu töten. Diese Art des Neunten Kapitel der Śrīmad Bhagavad-gītā mit dem Titel:
Denkens wird uns nicht helfen. Man sollte an KŠa in "Das vertraulichste Wissen".
hingebungsvoller Liebe denken. Das ist bhakti. Man sollte
sein Wissen von KŠa ständig kultivieren. Wie sieht nun
diese förderliche Kultivierung aus? Sie besteht darin, daß
man von einem echten Lehrer lernt. KŠa ist die Höchste
Persönlichkeit Gottes, und wie wir bereits mehrfach erklärt
haben, ist Sein Körper nicht materiell, sondern ewiges
glückseliges Wissen. So über KŠa zu sprechen wird
einem helfen, ein Gottgeweihter zu werden. Der Versuch,
KŠa aus der falschen Quelle zu verstehen, wird sich als
fruchtlos erweisen.
Man sollte daher seinen Geist in Gedanken an die ewige
Form, die ursprüngliche Gestalt KŠas, versenken und
KŠa mit der festen Überzeugung im Herzen verehren, daß
Er der Höchste ist. Es gibt in Indien Hunderttausende von
Tempeln, in denen KŠa verehrt wird, und dort wird
hingebungsvoller Dienst praktiziert. Bei dieser Art der
Verehrung muß man KŠa Seine Ehrerbietungen
darbringen. Man sollte sein Haupt vor der transzendentalen
Bildgestalt KŠas neigen und seinen Geist, seinen Körper
und seine Tätigkeiten — alles — in den Dienst KŠas
stellen. Das wird einem helfen, sich ohne Abweichung
völlig in KŠa zu versenken und nach KŠaloka zu
gelangen. Man sollte sich nicht von skrupellosen
Kommentatoren irreführen lassen. Man muß in den neun
verschiedenen Vorgängen des hingebungsvollen Dienstes
tätig sein, die mit dem Chanten und Hören über KŠa
beginnen. Reiner hingebungsvoller Dienst ist das Höchste,
was die menschliche Gesellschaft erreichen kann.
Im Siebten und Achten Kapitel der Bhagavad-gītā ist reiner
hingebungsvoller Dienst für den Herrn erklärt worden,
gesondert vom yoga des Wissens, vom mystischen yoga
und von fruchtbringenden Tätigkeiten. Diejenigen, die
nicht gänzlich rein und geheiligt sind, mögen sich zu
verschiedenen Aspekten des Herrn, wie dem
unpersönlichen brahmajyoti und dem lokalisierten
Paramātmā, hingezogen fühlen, doch ein reiner
Gottgeweihter wendet sich unmittelbar dem Dienst des
Höchsten Herrn zu.
Es gibt ein schönes Gedicht über KŠa, in dem es
unmißverständlich heißt, daß jeder, der Halbgötter verehrt,
höchst unintelligent ist und den höchsten Lohn KŠas
niemals erreichen kann. Der Gottgeweihte mag am Anfang
manchmal den Standard nicht halten können und zu Fall
kommen, aber trotzdem sollte man immer verstehen, daß er
auf einer höheren Stufe steht als alle anderen Philosophen
206

ZEHNTES KAPITEL VERS 2

na me viduƒ sura-gaŠāƒ
Die Füllen des Absoluten prabhavaˆ na maharayaƒ
aham ādir hi devānāˆ
VERS 1 maharīŠāˆ ca sarvaśaƒ

śrī bhagavān uvāca na—niemals; me—Meine; viduƒ—kennen; sura-gaŠāƒ—


bhūya eva mahā-bāho Halbgötter; prabhavam—Reichtümer; na—niemals;
śŠu me paramaˆ vacaƒ maharayaƒ—große Weise; aham—Ich bin; ādiƒ—der
yat te'haˆ prīyamāŠāya Ursprung; hi—gewiß; devānām—der Halbgötter;
vakyāmi hita-kāmyayā maharīŠām—der großen Weisen; ca—auch; sarvaśaƒ—in
jeder Hinsicht.
śrī bhagavān uvāca—die Höchste Persönlichkeit Gottes
sprach; bhūyaƒ—wieder; eva—gewiß; mahā-bāho—o ÜBERSETZUNG
Starkarmiger; śŠu—höre nur; me—Meine; paramaˆ—
erhabene; vacaƒ—Auskunft; yat—das, was; te—zu dir; Weder die Scharen der Halbgötter noch die großen
aham—Ich; prīyamāŠāya—denkend, daß du Mir lieb bist; Weisen kennen Meinen Ursprung, denn Ich bin in jeder
vakyāmi—sage; hita-kāmyayā—zu deinem Nutzen. Hinsicht der Ursprung der Halbgötter und Weisen.

ÜBERSETZUNG ERLÄUTERUNG

Der Höchste Herr sprach: Mein lieber Freund, Wie es in der Brahma-saˆhitā heißt, ist Śrī KŠa der
starkarmiger Arjuna, höre nun wieder Meine Höchste Herr. Niemand ist größer als Er; Er ist die Ursache
erhabenen Worte, die Ich dir zu deinem Wohl verkün- aller Ursachen. Hier bestätigt der Herr nun Selbst, daß Er
den werde und die dir große Freude bereiten werden. der Ursprung aller Halbgötter und Weisen ist. Sogar die
Halbgötter und großen Weisen können KŠa nicht
ERLÄUTERUNG verstehen; sie können weder Seinen Namen noch Seine
Persönlichkeit verstehen — welche Position haben also die
Das Wort paramam wird von Parāśara Muni wie folgt sogenannten Gelehrten dieses winzigen Planeten? Niemand
erklärt: Jemand, der sechs Reichtümer in Vollkommenheit kann verstehen, warum dieser Höchste Gott als
besitzt, nämlich alle Kraft, allen Ruhm, alle Schätze, alles gewöhnliches menschliches Wesen zur Erde kommt und
Wissen, alle Schönheit und alle Entsagung, ist paramam solch gewöhnliche und doch wunderbare Taten vollbringt.
oder die Höchste Persönlichkeit Gottes. Während KŠa auf Man sollte daher wissen, daß Gelehrsamkeit nicht die
der Erde gegenwärtig war, entfaltete Er alle sechs Qualifikation ist, die man braucht, um KŠa zu verstehen.
Reichtümer. Deshalb haben alle großen Weisen, wie Selbst die Halbgötter und großen Weisen haben versucht,
Parāśara Muni, KŠa als die Höchste Persönlichkeit Gottes KŠa durch ihre gedankliche Spekulation zu verstehen,
anerkannt. und haben gefehlt. Auch im Śrīmad-Bhāgavatam wird klar
Jetzt unterweist KŠa Seinen Freund Arjuna in dem noch gesagt, daß nicht einmal die großen Halbgötter imstande
vertraulicheren Wissen um Seine Reichtümer und Seine sind, die Höchste Persönlichkeit Gottes zu verstehen. Sie
Werke. An früherer Stelle, angefangen mit dem Siebten können bis an die Grenze ihrer unvollkommenen Sinne
Kapitel, hat der Herr bereits Seine verschiedenen Energien spekulieren und zur entgegengesetzten Schlußfolgerung
und ihre Wirkungsweisen erklärt. In diesem Kapitel erklärt gelangen, die Absolute Wahrheit sei unpersönlich bzw.
Er Arjuna jetzt Seine besonderen Reichtümer. Im letzten etwas, was nicht durch die drei Eigenschaften der
Kapitel hat Er klar Seine verschiedenen Energien erläutert, materiellen Natur manifestiert ist, oder sie können sich
um Hingabe aufgrund gefestigter Überzeugung zu kraft törichter gedanklicher Spekulation irgend etwas
bewirken. Im vorliegenden Kapitel nun unterweist Er vorstellen, doch ist es nicht möglich, KŠa durch solche
Arjuna über Seine Manifestationen und vielfältigen törichte Spekulation zu verstehen.
Reichtümer. Hier sagt der Herr indirekt zu jedem, der die Absolute
Je mehr man über den Höchsten Gott hört, desto mehr wird Wahrheit kennen möchte: "Hier bin Ich als die Höchste
man im hingebungsvollen Dienst gefestigt. Man sollte Persönlichkeit Gottes gegenwärtig. Ich bin der Höchste."
ständig in der Gemeinschaft von Gottgeweihten über den Man sollte dies wissen. Obwohl man den unbegreiflichen
Herrn hören; das wird den eigenen hingebungsvollen Herrn, der persönlich anwesend ist, nicht verstehen kann,
Dienst fördern. Gespräche in der Gesellschaft von existiert Er nichtsdestoweniger. Wir können KŠa, der
Gottgeweihten können jedoch nur unter denen stattfinden, ewig, voll Glückseligkeit und voll Wissen ist, tatsächlich
die wirklich begierig sind, KŠa-bewußt zu werden. verstehen, wenn wir einfach Seine Worte in der
Andere können an solchen Gesprächen nicht teilnehmen. Bhagavad-gītā und im Śrīmad-Bhāgavatam studieren. Das
Der Herr erklärt Arjuna ausdrücklich, daß nur deshalb, weil unpersönliche Brahman kann selbst von Menschen
dieser Sein lieber Freund ist, solche Gespräche stattfinden. begriffen werden, die unter dem Einfluß der niederen
Energie des Herrn stehen, doch die Persönlichkeit Gottes
207

kann man nicht begreifen, solange man sich nicht auf der unwandelbar. Selbst wenn Er in die materielle Welt kommt,
transzendentalen Ebene befindet. kommt Er als der gleiche Ungeborene; deshalb wird im
Weil die meisten Menschen KŠa in Seiner tatsächlichen Vierten Kapitel gesagt, daß der Herr, durch Seine innere
Situation nicht verstehen können, kommt Er aus Seiner Kraft, nicht der niederen, materiellen Energie untersteht,
grundlosen Barmherzigkeit zu uns, um solchen Spekulanten sondern Sich immer in der höheren Energie befindet.
Seine Gunst zu erweisen. Doch trotz der ungewöhnlichen Er existierte vor der Schöpfung, und Er ist von Seiner
Taten des Herrn denken diese Spekulanten aufgrund ihrer Schöpfung verschieden. Alle Halbgötter wurden innerhalb
Verunreinigung durch die materielle Energie immer noch, der materiellen Welt erschaffen, aber was KŠa betrifft, so
das unpersönliche Brahman sei das Höchste. Nur die wird gesagt, daß Er nicht erschaffen wurde; deshalb
Gottgeweihten, die dem Höchsten Herrn völlig ergeben unterscheidet Sich KŠa sogar von solch großen
sind, können durch die Gnade der Höchsten Persönlichkeit Halbgöttern wie Brahmā und Śiva. Weil Er der Schöpfer
verstehen, daß Er KŠa ist. Die Gottgeweihten kümmern Brahmās, Śivas und aller anderen Halbgötter ist, ist Er die
sich nicht um die unpersönliche Brahman-Auffassung von Höchste Person aller Planeten.
Gott; ihr Glauben und ihre Hingabe bringen sie dahin, sich Śrī KŠa ist daher von allem Erschaffenen verschieden,
dem Höchsten Herrn sogleich zu ergeben, und dank KŠas und jeder, der Ihn als solchen kennt, wird sogleich von
grundloser Barmherzigkeit können sie KŠa verstehen. allen sündhaften Reaktionen befreit. Man muß von allen
Niemand sonst kann Ihn verstehen. Sogar die großen sündigen Tätigkeiten befreit sein, um Wissen vom
Weisen sind der gleichen Meinung: "Was ist ātmā, was ist Höchsten Herrn zu haben. Wie es in der Bhagavad-gītā
das Höchste? Es ist derjenige, den wir zu verehren haben." (18.55) heißt, kann Er nur durch hingebungsvollen Dienst,
und durch kein anderes Mittel, erkannt werden.
VERS 3 Man sollte nicht versuchen, KŠa als ein menschliches
Wesen zu verstehen. Wie zuvor erklärt wurde, hält Ihn nur
yo mām ajam anādiˆ ca ein Narr für einen gewöhnlichen Menschen. Das gleiche
vetti loka-maheśvaram wird hier nochmals in anderer Form ausgedrückt. Jemand,
asammūhaƒ sa martyeu der nicht töricht, sondern intelligent genug ist, die
sarva-pāpaiƒ pramucyate wesensgemäße Stellung Gottes zu verstehen, ist immer frei
von allen sündhaften Reaktionen.
yaƒ—irgend jemand; mām—Mich; ajam—ungeboren; Wenn KŠa als der Sohn Devakīs bekannt ist, wie kann Er
anādim—ohne Anfang; ca—auch; vetti—kennt; loka—die da ungeboren sein? Das wird ebenfalls im
Planeten; maheśvaram—höchster Herr; asaˆmūhaƒ— Śrīmad-Bhāgavatam erklärt: Als Er vor Devakī und Vasu-
ohne Zweifel; saƒ—er; martyeu—unter jenen, die dem deva erschien, wurde Er nicht als ein gewöhnliches Kind
Tode unterworfen sind; sarva-pāpaiƒ—von allen geboren. Er erschien in Seiner ursprünglichen Gestalt, und
sündhaften Reaktionen; pramucyate—ist befreit. dann verwandelte Er Sich in ein gewöhnliches Kind.
Alles, was unter KŠas Führung getan wird, ist
ÜBERSETZUNG transzendental. Es kann nicht durch materielle Reaktionen
verunreinigt sein, die günstig oder ungünstig sein mögen.
Wer Mich als den Ungeborenen, als den Anfangslosen, Die Vorstellung, daß Dinge in der materiellen Welt günstig
als den Höchsten Herrn aller Welten kennt, ist frei von oder ungünstig seien, ist mehr oder weniger ein
Täuschung und von allen Sünden befreit. Hirngespinst, da es in der materiellen Welt nichts Günstiges
gibt. Alles ist ungünstig, denn die ganze materielle
ERLÄUTERUNG Bedeckung ist ungünstig. Wir bilden uns nur ein, sie sei
günstig. Wahrhaft günstige Umstände sind von Tätigkeiten
Wie im Siebten Kapitel erklärt wird, sind diejenigen, die im KŠa-Bewußtsein abhängig, die in völliger Hingabe
sich zur Ebene spiritueller Erkenntnis zu erheben und Dienstbereitschaft ausgeführt werden. Wenn wir
versuchen, keine gewöhnlichen Menschen. Sie stehen auf tatsächlich den Wunsch haben, daß unsere Tätigkeiten
einer höheren Stufe als Millionen und Abermillionen vorteilhaft werden, sollten wir nach den Anweisungen des
gewöhnlicher Menschen, die nichts von spiritueller Höchsten Herrn handeln. Solche Anweisungen findet man
Erkenntnis wissen. Aber von denen, die tatsächlich versu- in maßgebenden Schriften wie dem Śrīmad-Bhāgavatam
chen, ihre spirituelle Situation zu verstehen, ist derjenige, und der Bhagavad-gītā, oder man erfährt sie von einem
der zu dem Verständnis gelangen kann, daß KŠa die echten spirituellen Meister. Weil der spirituelle Meister der
Höchste Persönlichkeit Gottes, der Besitzer aller Dinge, der Stellvertreter des Höchsten Herrn ist, ist seine
Ungeborene ist, die erfolgreichste spirituell-verwirklichte Unterweisung unmittelbar die Anweisung des Höchsten
Person. Nur auf dieser Stufe, auf der man KŠas höchste Herrn. Der spirituelle Meister, die Heiligen und die
Stellung völlig verstanden hat, kann man von allen Schriften weisen den gleichen Weg. Zwischen diesen drei
sündhaften Reaktionen vollständig frei sein. Quellen gibt es keinen Widerspruch. Alle Handlungen, die
Hier sollte das Wort ajam, das "ungeboren" bedeutet, nicht unter solcher Leitung ausgeführt werden, sind frei von den
mit den Lebewesen verwechselt werden, die im Zweiten Reaktionen auf fromme oder gottlose Handlungen in der
Kapitel als ajam beschrieben werden. Der Herr ist materiellen Welt. Die transzendentale Haltung des
verschieden von den Lebewesen; die aufgrund materieller Gottgeweihten bei der Ausführung von Tätigkeiten ist die
Anhaftung geboren werden und sterben. Die bedingten der Entsagung, und das nennt man sannyāsa. Jeder, der
Seelen wechseln ihre Körper, doch Sein Körper ist unter der Führung des Höchsten Herrn handelt, ist
208

tatsächlich ein sannyāsī und ein yogī; nicht derjenige, der Man sollte kamā (Nachsicht) üben und über die geringen
sich nur wie ein sannyāsī oder Pseudo-yogī kleidet. Vergehen anderer hinwegsehen.
Satyam (Wahrhaftigkeit) bedeutet, Tatsachen so zu
VERS 4-5 präsentieren, wie sie sind, damit andere ihren Nutzen
daraus ziehen können. Tatsachen sollten nicht falsch darge-
buddhir jñānam asaˆmohaƒ stellt werden. Gesellschaftlichen Umgangsformen gemäß
kamā satyaˆ damaƒ śamaƒ soll man nur die Wahrheit sagen, wenn sie für andere
sukhaˆ duƒkhaˆ bhavo'bhāvo angenehm ist, doch das ist nicht Wahrhaftigkeit. Die
bhayaˆ cābhayam eva ca Wahrheit soll offen und gerade heraus gesagt werden, so
daß andere verstehen können, wie die Dinge wirklich
ahiˆsā samatā tu˜is liegen. Wenn jemand ein Dieb ist, und die Menschen vor
tapo dānaˆ yaśo’yaśaƒ ihm gewarnt werden, ist das Wahrheit. Obwohl die
bhavanti bhāvā bhūtānāˆ Wahrheit manchmal unangenehm sein mag, soll man sich
matta eva pthag-vidhāƒ nicht scheuen, sie auszusprechen. Wahrheitsliebe erfordert,
daß die Tatsachen, so wie sie sind, zum Nutzen anderer
buddhiƒ—Intelligenz; jñānam—Wissen; asam-mohaƒ— präsentiert werden. Das ist die Definition von Wahrheit.
Freiheit von Zweifel; kamā—Nachsicht; satyam— Damaƒ (Selbstbeherrschung) bedeutet, die Sinne nicht für
Wahrhaftigkeit; damaƒ—Kontrolle der Sinne; śamaƒ— unnötigen persönlichen Genuß zu verwenden. Es ist nicht
Kontrolle des Geistes; sukham—Glück; duƒkham—Leid; verboten, die Grundbedürfnisse der Sinne zu befriedigen,
bhavaƒ—Geburt; abhāvaƒ—Tod; bhayam—Furcht; ca— doch unnötiger Sinnengenuß behindert den spirituellen
auch; abhayam—ohne Furcht; eva—auch; ca—und; Fortschritt. Deshalb sollte man die Sinne von unnötigem
ahiˆsā—Gewaltlosigkeit; samatā—Ausgeglichenheit; Gebrauch zurückhalten.
tu˜iƒ—Befriedigung; tapaƒ—Buße; dānam— In ähnlicher Weise soll der Geist nicht unnötigen Gedanken
Wohltätigkeit; yaśaƒ—Ruhm; ayaśaƒ—Schmach; nachhängen. Das wird samaƒ oder Gelassenheit genannt.
bhavanti—werden; bhāvāƒ—Naturen; bhūtānām—der Auch sollte man seine Zeit nicht damit vergeuden, über
Lebewesen; mattaƒ—von Mir; eva—gewiß; Mittel und Wege des Geldverdienens nachzudenken. Das
pthak-vidhāƒ—unterschiedlich angeordnet. ist ein Mißbrauch der Denkkraft. Der Geist soll dazu
benutzt werden, das Hauptbedürfnis des Menschen zu
ÜBERSETZUNG verstehen, und dieses soll autoritativ präsentiert werden.
Die Denkkraft soll in der Gemeinschaft von Menschen
Intelligenz, Wissen, Freiheit von Zweifel und entwickelt werden, die Autoritäten auf dem Gebiet der
Täuschung, Nachsicht, Wahrhaftigkeit, Schriften sind, das heißt in der Gemeinschaft von Heiligen,
Selbstbeherrschung sowie Gelassenheit, Freude und spirituellen Meistern und solchen, deren Denken hoch
Schmerz, Geburt, Tod, Furcht, Furchtlosigkeit, entwickelt ist.
Gewaltlosigkeit, Gleichmut, Zufriedenheit, Buße, Man soll sukhaˆ (Freude oder Glück) immer in solchen
Wohltätigkeit, Ruhm und Schmach sind von Mir allein Dingen finden, die für die Kultivierung spirituellen Wissens
geschaffen. im KŠa-Bewußtsein förderlich sind. In ähnlicher Weise
ist das, was schmerzhaft ist oder Leid verursacht, für die
ERLÄUTERUNG Kultivierung von KŠa-Bewußtsein nachteilig. Alles, was
für die Entwicklung von KŠa-Bewußtsein förderlich ist,
Die verschiedenen Eigenschaften der Lebewesen — seien soll man annehmen, und alles Ungünstige soll man zu-
sie gut oder schlecht - sind alle von KŠa geschaffen und rückweisen.
werden hier beschrieben. Bhava (Geburt) bezieht sich auf den Körper. Was die Seele
Buddhiƒ (Intelligenz) bezieht sich auf die Fähigkeit, Dinge betrifft, so gibt es für sie weder Geburt noch Tod; das
aus der richtigen Perspektive zu analysieren, und jñānam haben wir bereits zu Beginn der Bhagavad-gītā besprochen.
(Wissen) bedeutet zu verstehen, was spirituelle Natur und Geburt und Tod beziehen sich auf unsere Verkörperung in
was Materie ist. Gewöhnliches Wissen, das man durch ein der materiellen Welt.
Universitätsstudium erworben hat, bezieht sich nur auf die Bhayam (Angst) hat ihre Ursache in der Sorge um die
Materie und wird hier nicht als Wissen anerkannt. Wissen Zukunft. Ein Mensch im KŠa-Bewußtsein kennt keine
bedeutet, den Unterschied zwischen spiritueller Natur und Angst, denn durch seine Tätigkeiten ist es sicher, daß er
Materie zu kennen. Im modernen Bildungswesen gibt es zurück zum spirituellen Himmel, zurück nach Hause,
kein Wissen von der spirituellen Natur; die heutigen zurück zu Gott, gehen wird. Deshalb ist seine Zukunft
Menschen kümmern sich ausschließlich um die materiellen vielversprechend. Andere hingegen wissen nicht, was die
Elemente und die Bedürfnisse des Körpers. Deshalb ist Zukunft für sie bereithält; sie wissen nicht, was sie im
akademisches Wissen nicht vollständig. nächsten Leben erwartet. Folglich sind sie in ständiger
Asaˆmohaƒ (Freiheit von Zweifel und Täuschung) kann Sorge. Wenn wir frei von Angst werden wollen, ist es das
erreicht werden, wenn man nicht zögert und wenn man die beste, KŠa zu verstehen und immer im KŠa-Bewußtsein
transzendentale Philosophie versteht. Langsam, aber sicher verankert zu sein. So werden wir von aller Angst frei sein.
wird man so frei von Verwirrung. Nichts sollte blind Im Śrīmad-Bhāgavatam heißt es, daß Angst entsteht, wenn
akzeptiert werden; alles sollte man mit Sorgfalt und wir unseren Geist in die illusionierende Energie versenken.
Vorsicht prüfen. Diejenigen aber, die von der illusionierenden Energie frei
209

sind; diejenigen, die die Gewißheit haben, daß sie nicht der nur ein guter Zweck, sondern der beste Zweck. Weil KŠa
materielle Körper sind, sondern spirituelle Teile der gut ist, ist Seine Sache ebenfalls gut. Folglich sollten
Höchsten Persönlichkeit Gottes, und die sich daher im Spenden jemandem gegeben werden, der im
transzendentalen Dienst des Höchsten Gottes betätigen, KŠa-Bewußtsein tätig ist. In der vedischen Literatur
haben nichts zu befürchten. Ihre Zukunft ist sehr findet man die Unterweisung, den brāhmaŠas Spenden zu
glücksverheißend. Angst haben nur Menschen, die nicht geben, und diese Anweisung wird noch heute (in Indien)
KŠa-bewußt sind. Abhayam oder Furchtlosigkeit ist nur befolgt, wenn auch nicht sehr gewissenhaft und nicht genau
für jemanden im KŠa-Bewußtsein möglich. im Sinne der Veden. Nichtsdestoweniger lautet die
Ahiˆsā (Gewaltlosigkeit) bedeutet, nichts zu tun, was Unterweisung, daß den brāhmaŠas Spenden gegeben
andere in Leid oder Verwirrung stürzen wird. Materielle werden sollen. Warum? Weil sie sich mit der Kultivierung
Tätigkeiten, die von so vielen Politikern, Soziologen, spirituellen Wissens befassen. Von einem brāhmaŠa wird
Philanthropen usw. versprochen werden, zeitigen keine erwartet, daß er sein ganzes Leben der Erkenntnis des
sehr guten Ergebnisse, denn solche Politiker und Brahman weiht. Jemand, der das Brahman kennt, ist ein
Philanthropen haben keine transzendentale Sicht. Sie wis- brahma-jana, und er wird als brāhmaŠa bezeichnet. Somit
sen nicht, was der menschlichen Gesellschaft wirklich werden den brāhmaŠas Spenden gegeben, denn weil sie
nützt. Ahiˆsā bedeutet, die Menschen so auszubilden, daß immer in höherem spirituellem Dienst tätig sind, haben sie
sie die Möglichkeit, die der menschliche Körper bietet, voll keine Zeit, für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. In der
ausnutzen. Der menschliche Körper ist für spirituelle vedischen Literatur heißt es auch, daß dem in Entsagung
Erkenntnis bestimmt. Jede Bewegung oder Kommission, Lebenden, dem sannyāsī, Spenden gegeben werden sollen.
die nicht dieses Ziel im Auge hat, tut daher dem Die sannyāsīs gehen bettelnd von Tür zu Tür, nicht des
menschlichen Körper Gewalt an. Das, was das künftige Geldes wegen, sondern um missionarischer Ziele willen. Es
spirituelle Glück der Menschen fördert, wird ist Sitte, daß sie von Tür zu Tür gehen, um die Haushälter
Gewaltlosigkeit genannt. aus dem Schlummer der Unwissenheit zu wecken. Weil
Samatā (Gleichmut) bezieht sich auf Freiheit von sich die Haushälter mit Familienangelegenheiten befassen
Anhaftung und Abneigung. Zu sehr angehaftet oder zu sehr und den eigentlichen Sinn ihres Lebens vergessen haben,
abgeneigt zu sein, ist nicht das beste. Die materielle Welt nämlich ihr KŠa-Bewußtsein zu erwecken, ist es die
sollte ohne Anhaftung oder Abneigung akzeptiert werden. Aufgabe der sannyāsīs, als Bettler zu den Haushältern zu
In ähnlicher Weise sollte man das, was für die Ausführung gehen und sie zu ermutigen, KŠa-bewußt zu sein. Wie es
von KŠa-Bewußtsein vorteilhaft ist, annehmen; das, was in den Veden heißt, soll man aufwachen, um das zu
ungünstig ist, sollte man ablehnen. Das ist samatā oder erreichen, was einem in der menschlichen Form des Lebens
Gleichmut. Ein Mensch im KŠa-Bewußtsein lehnt nichts zusteht. Dieses Wissen und die Methode, es in die Tat
ab und nimmt nichts an, wenn es nicht für die Ausübung umzusetzen, wird von den sannyāsīs verbreitet. Spenden
von KŠa-Bewußtsein benützt werden kann. müssen also dem in Entsagung Lebenden, den brāhmaŠas
Tu˜iƒ (Zufriedenheit) bedeutet, nicht danach zu streben, und für ähnlich gute Zwecke gegeben werden, nicht für
durch unnötiges Tun mehr und mehr materielle Güter irgendeinen launenhaften Zweck.
anzuhäufen. Man sollte mit dem zufrieden sein, was man Yaśaƒ (Ruhm) sollte mit Śrī Caitanyas Aussage
durch die Gnade des Höchsten Herrn bekommt; das wird übereinstimmen, der sagte, daß jemand berühmt ist, wenn
als Zufriedenheit bezeichnet. man ihn als einen großen Gottgeweihten kennt. Das ist
Tapas bedeutet Enthaltung oder Buße. Es gibt viele Regeln wirklicher Ruhm. Wenn jemand im KŠa-Bewußtsein eine
und Definitionen in den Veden, die sich hierauf beziehen, bedeutende Persönlichkeit geworden ist und dies bekannt
wie zum Beispiel frühmorgens aufzustehen und ein Bad zu wird, ist er wahrhaft berühmt. Wer solchen Ruhm nicht
nehmen. Manchmal ist es sehr schwierig, früh aufzustehen, besitzt, ist unbedeutend.
doch alle freiwilligen Unbequemlichkeiten, die man hierbei Alle in diesem Vers angeführten Eigenschaften sind überall
in Kauf nimmt, bezeichnet man als Enthaltungen. In im Universum, sowohl in der menschlichen Gesellschaft als
ähnlicher Weise gibt es Vorschriften für das Fasten an be- auch in der Gesellschaft der Halbgötter zu finden. Auf
stimmten Tagen jedes Monats. Man fastet vielleicht nicht anderen Planeten gibt es noch andere Formen menschlicher
gern, aber wenn man entschlossen ist, in der Wissenschaft Gesellschaften, und all diese Eigenschaften gibt es auch
des KŠa-Bewußtseins Fortschritt zu machen, sollte man dort. Für jemanden, der im KŠa-Bewußtsein Fortschritte
solche empfohlenen körperlichen Unbequemlichkeiten auf machen will, schafft KŠa all diese Eigenschaften, doch
sich nehmen. Man sollte jedoch nicht für einen politischen muß der Betreffende sie aus sich selbst heraus, von innen
Zweck fasten. Das wird in der Bhagavad-gītā als Fasten in her, entwickeln. Wer sich im hingebungsvollen Dienst des
Unwissenheit beschrieben, und alles, was in Unwissenheit Höchsten Herrn betätigt, entwickelt all die guten
oder Leidenschaft getan wird, führt nicht zu spirituellem Eigenschaften, die vom Höchsten Herrn geschaffen sind.
Fortschritt. Durch alles, was man in der Erscheinungsweise Von allem, was wir vorfinden — gut oder schlecht —, ist
der Tugend tut, macht man indes Fortschritt, und Fasten der Ursprung KŠa. Nichts kann in der materiellen Welt
nach den vedischen Anweisungen bereichert einen mit manifestiert sein, was nicht in KŠa ist. Das ist Wissen.
spirituellem Wissen. Obwohl wir wissen, daß die Dinge unterschiedlich
Was dānam (Wohltätigkeit) betrifft, so sollte man fünfzig einzustufen sind, sollten wir erkennen, daß alles von KŠa
Prozent seines Einkommens für einen guten Zweck ausgeht.
spenden. Und was ist ein guter Zweck? Es ist das, was im
Sinne des KŠa-Bewußtseins ausgeführt wird. Das ist nicht VERS 6
210

maharayaƒ sapta pūrve Wer diese Meine Herrlichkeit und Macht in Wahrheit
catvāro manavas tathā kennt, betätigt sich in unverfälschtem hingebungsvollem
mad-bhāvā mānasā jātā Dienst; darüber besteht kein Zweifel.
yeāˆ loka imāƒ prajāƒ
ERLÄUTERUNG
maharayaƒ—die großen Weisen; sapta—sieben; pūrve—
vorher; catvāraƒ—vier; manavaƒ—Manus; tathā—auch; Der höchste Gipfel spiritueller Vollkommenheit ist Wissen
mat-bhavāƒ—von Mir geboren; mānasāƒ—aus dem Geist; über die Höchste Persönlichkeit Gottes. Solange man nicht
jātāƒ—geboren; yeām—von ihnen; loke—die Planeten; von den verschiedenen Reichtümern des Höchsten Herrn
imāƒ-all diese; prajāƒ-Bevölkerung. fest überzeugt ist, kann man sich nicht im hingebungsvollen
Dienst beschäftigen. Im allgemeinen wissen die Menschen,
ÜBERSETZUNG daß Gott groß ist, aber sie wissen nicht im einzelnen, wie
groß Gott ist. Hier nun werden die Einzelheiten erklärt.
Die sieben großen Weisen, vor ihnen die vier anderen Wenn man tatsächlich weiß, wie groß Gott ist, wird man
großen Weisen und die Manus [die Vorväter der natürlicherweise eine ergebene Seele und betätigt sich im
Menschheit] sind aus Meinem Geist geboren, und alle hingebungsvollen Dienst des Herrn. Wenn man die
Geschöpfe auf allen Planeten stammen von ihnen ab. Reichtümer des Höchsten tatsächlich kennt, gibt es keine
Alternative, als sich Ihm zu ergeben. Dieses wirkliche
ERLÄUTERUNG Wissen kann man aus den Beschreibungen im
Śrīmad-Bhāgavatam, in der Bhagavad-gītā und in
Der Herr gibt hier eine stammeskundliche Übersicht über ähnlichen Schriften beziehen.
die Bevölkerung des Universums. Brahmā ist das Für die Verwaltung des Universums sind viele Halbgötter
ursprüngliche Geschöpf, das aus der Energie des als überall im Universum verteilt, und Brahmā, Śiva, die vier
HiraŠyagarbha bekannten Höchsten Herrn geboren wurde. Kumāras und andere Vorväter sind ihre Oberhäupter. Die
Und von Brahmā wurden die sieben großen Weisen und Bevölkerung des Universums hat viele Vorväter, und sie
vor ihnen die vier anderen großen Weisen mit Namen alle wurden vom Höchsten Herrn, Śrī KŠa, geboren. Die
Sanaka, Sananda, Sanātana, und Sanatkumāra und die Höchste Persönlichkeit Gottes, KŠa, ist der ursprüngliche
Manus manifestiert. Diese fünfundzwanzig großen Weisen Vorvater aller Vorväter.
sind als die Patriarchen der Lebewesen im ganzen Dies sind einige der Reichtümer des Höchsten Herrn. Wenn
Universum bekannt. Es gibt unzählige Universen und in man von ihnen fest überzeugt ist, akzeptiert man KŠa mit
jedem Universum unzählige Planeten, und jeder Planet großem Vertrauen und ohne jeden Zweifel, und man
wird von unterschiedlichen Lebewesen bevölkert. Sie alle betätigt sich im hingebungsvollen Dienst. All dieses
wurden von diesen fünfundzwanzig Patriarchen geboren. spezifische Wissen ist notwendig, um unser Interesse am
Brahmā nahm, nach der Zeitrechnung der Halbgötter, liebevollen hingebungsvollen Dienst zu vergrößern. Man
tausend Jahre lang Enthaltungen auf sich, bevor er durch sollte es nicht versäumen, umfassend zu verstehen, wie
die Gnade KŠas erkannte, wie man eine Schöpfung vor- groß KŠa ist; denn wenn man KŠas Größe kennt, wird
nimmt. Darauf kamen aus Brahmā Sanaka, Sananda, man imstande sein, in ernsthaftem hingebungsvollem
Sanātana, und Sanatkumāra hervor, danach Rudra und dann Dienst gefestigt zu sein.
die sieben Weisen. So wurden alle brāhmaŠas und
katriyas aus der Energie der Höchsten Persönlichkeit VERS 8
Gottes geboren. Brahmā ist als pitāmaha, als Großvater,
und KŠa ist als prapitāmaha oder der Vater des ahaˆ sarvasya prabhavo
Großvaters bekannt. Dies wird im Elften Kapitel der mattaƒ sarvaˆ pravartate
Bhagavad-gītā (11.39) bestätigt. iti matvā bhajante māˆ I
budhā bhāva-samanvitāƒ
VERS 7
aham—Ich; sarvasya—von allem; prabhavaƒ-Quelle der
etāˆ vibhūtiˆ yogaˆ ca Erzeugung; mattaƒ—von Mir; sarvam—alles; pravartate—
mama yo vetti tattvataƒ geht aus; iti—so; matvā—kennend; bhajante—wird
so'vikalpena yogena hingegeben; mām—Mir; budhāƒ—gelehrt;
yujyate nātra saˆśayaƒ bhāva-samanvitāƒ—mit großer Aufmerksamkeit.

etām-all dieser; vibhūtiˆ—Reichtum; yogam ca—auch ÜBERSETZUNG


mystische Kraft; mama—von Mir; yaƒ—irgend jemand;
vetti—kennt; tattvataƒ—tatsächlich; saƒ—er; avikalpena— Ich bin der Ursprung aller spirituellen und materiellen
ohne Abweichung; yogena—im hingebungsvollen Dienst; Welten. Alles geht von Mir aus. Die Weisen, die dies
yujyate—beschäftigt; na—niemals; atra—hier; saˆśayaƒ— vollkommen wissen, betätigen sich in Meinem
Zweifel. hingebungsvollen Dienst und verehren Mich von
ganzem Herzen.
ÜBERSETZUNG
211

ERLÄUTERUNG worden obgleich sie dies nicht wissen, da sie von Meiner
illusionierenden Energie getäuscht sind."
Ein großer Gelehrter, der die Veden vollkommen studiert Im Varāha PurāŠa wird ebenfalls gesagt:
und von Autoritäten wie Śrī Caitanya unterwiesen wurde
und der weiß, wie diese Lehren anzuwenden sind, kann nārāyaŠaƒ paro devas tasmāj jātaś caturmukhaƒ
verstehen, daß Śrī KŠa der Ursprung alles Existierenden tasmād rudre 'bhavad devaƒ sa ca sarvajñatāˆ gataƒ
sowohl in den materiellen als auch in den spirituellen
Welten ist. Und weil er dies vollkommen weiß, wird er fest "NārāyaŠa ist die Höchste Persönlichkeit Gottes, und von
im hingebungsvollen Dienst des Höchsten Herrn verankert. Ihm wurde Brahmā geboren, von dem Śiva geboren
Er kann niemals, auch nicht durch eine noch so große wurde."
Anzahl unsinniger Kommentare oder Dummköpfe, von Śrī KŠa ist der Ursprung aller Generationen, und Er wird
diesem Pfad abgebracht werden. die wirksamste Ursache von allem genannt. Er sagt: "Weil
Alle vedischen Schriften stimmen darin überein, daß KŠa alles aus Mir geboren wurde, bin Ich die ursprüngliche
der Ursprung Brahmās, Śivas und aller anderen Halbgötter Quelle allen Seins. Alles untersteht Mir, niemand steht über
ist. Mir." Es gibt keinen höchsten Lenker außer KŠa. Wer
Im Atharva-veda heißt es: "yo brahmāŠaˆ vidadhāti: KŠa auf diese Weise von einem echten spirituellen
pūrvaˆ yo vai vedāˆś ca gāpayati sma kŠaƒ." "Es war Meister und aus der vedischen Literatur versteht und seine
KŠa, der am Anfang Brahmā das vedische Wissen ganze Energie im KŠa-Bewußtsein beschäftigt, wird zu
offenbarte und der das vedische Wissen in der einem wahrhaft gelehrten Menschen. Im Vergleich zu ihm
Vergangenheit verkündete." Weiter heißt es dann: "atha sind alle anderen, die KŠa nicht richtig kennen, nichts als
puruo ha vai nārāyaŠo 'kāmayata prajāƒ sjeya ity upa- Dummköpfe. Nur ein Narr würde KŠa für einen
kramya." "Darauf wünschte die Höchste Persönlichkeit, gewöhnlichen Menschen halten. Ein KŠa-bewußter
NārāyaŠa, Lebewesen zu erschaffen." Dann wiederum heißt Mensch sollte sich nicht von Dummköpfen verwirren las-
es: sen; er sollte alle unautorisierten Kommentare und
Interpretationen zur Bhagavad-gītā meiden und mit
nārāyaŠād brahmā jāyate, nārāyaŠād prajāpatiƒ Entschlossenheit und Festigkeit im KŠa-Bewußtsein fort-
prajāyate, schreiten.
nārāyaŠād indro jāyate, nārāyaŠād a˜au vasavo jāyante,
nārāyaŠād ekādaśa rudrā jāyante, nārāyaŠād VERS 9
dvādaśādityāƒ
mac-cittā mad-gata-prāŠā
"Von NārāyaŠa wurde Brahmā geboren, und von NārāyaŠa bodhayantaƒ parasparam
wurden auch die Patriarchen geboren. Von NārāyaŠa wurde kathayantaś ca māˆ nityaˆ
Indra geboren; von NārāyaŠa wurden die acht Vasus tuyanti ca ramanti ca
geboren; von NārāyaŠa wurden die elf Rudras geboren, und
von NārāyaŠa wurden die zwölf Ādityas geboren." mat-cittāƒ—Gedanken völlig in Mich versenkt;
In den gleichen Veden wird auch gesagt: brahmaŠyo mat-gata-prāŠāƒ—Leben dem Dienst KŠas geweiht;
devakī-putraƒ. "Der Sohn Devakīs, KŠa, ist die Höchste bodhayantaƒ—predigend; parasparam—untereinander; ka-
Persönlichkeit." thayantaƒ ca—auch sprechend; mām—über Mich; nityam—
An einer anderen Stelle heißt es: fortgesetzt; tuyanti—sind erfreut; ca—auch; ramanti—
genießen transzendentale Glückseligkeit; ca—auch.
eko vai nārāyaŠa āsīn na brahmā na īśāno nāpo nāgni
samau neme ÜBERSETZUNG
dyāvāpthivī na nakatrāŠi na sūryaƒ sa ekākī na ramate
tasya Die Gedanken Meiner reinen Geweihten weilen bei Mir,
dhyānāntaƒ sthasya yatra chāndogaiƒ ihre Leben sind Mir ergeben, und sie erfahren große
kriyamāŠā˜akādi-saˆjñakā Zufriedenheit und Glückseligkeit, wenn sie einander
stuti-stomaƒ stomam ucyate erleuchten und über Mich sprechen.

"Am Anfang der Schöpfung existierte nur die Höchste ERLÄUTERUNG


Persönlichkeit, NārāyaŠa. Es gab keinen Brahmā, keinen
Śiva, kein Feuer, keinen Mond, keine Sterne am Himmel Reine Gottgeweihte, deren charakteristische Merkmale hier
und keine Sonne. Es gab nur KŠa, der alles erschafft und erwähnt werden, beschäftigen sich völlig im
alles genießt." transzendentalen liebevollen Dienst des Herrn. Ihre Gedan-
In den vielen PurāŠas steht geschrieben, daß Śiva vom ken können niemals von den Lotosfüßen Śrī KŠas
Höchsten Herrn, Śrī KŠa, geboren wurde, und die Veden abgelenkt werden, und ihre Gespräche befassen sich
sagen, daß man den Höchsten Herrn, den Schöpfer ausschließlich mit transzendentalen Themen. Die Merkmale
Brahmās und Śivas, verehren muß. Im Moka-dharma sagt der reinen Gottgeweihten sind in diesem Vers im einzelnen
KŠa auch: prajāpatiˆ ca rudraˆ cāpy aham eva sjāmi angeführt. Geweihte des Höchsten Herrn lobpreisen
vai tau hi māˆ na vijānīto mama māyāvimohitau. "Die vierundzwanzig Stunden am Tag die Spiele des Höchsten
Stammväter, Śiva und andere sind von Mir erschaffen Herrn. Ihre Herzen und Seelen weilen ständig bei KŠa,
212

und es bereitet ihnen Freude, mit anderen Gottgeweihten dadāmi buddhi-yogaˆ taˆ
über Ihn zu sprechen. yena mām upayānti te
Im Anfangsstadium hingebungsvollen Dienstes erfahren sie
aus dem Dienst selbst die transzendentale Freude, während teām—ihnen; satata-yuktānām—immer beschäftigt;
sie auf der reifen Stufe tatsächlich in reiner Liebe zu Gott bhajatām—im hingebungsvollen Dienst; prīti-pūrvakam—
verankert sind. Einmal in dieser transzendentalen Stellung in liebender Ekstase; dadāmi—Ich gebe; buddhi-yogam—
verankert, können sie die höchste Vollkommenheit kosten, wirkliche Intelligenz; tam—dieses; yena—durch das;
die der Herr in Seinem Reich entfaltet. Śrī Caitanya mām—zu Mir; upayānti—kommen; te—sie.
vergleicht transzendentalen hingebungsvollen Dienst mit
dem Säen eines Samens in das Herz des Lebewesens. Es ÜBERSETZUNG
gibt unzählige Lebewesen, die die verschiedenen Planeten
des Universums durchwandern, und von ihnen gibt es nur Denjenigen, die Mir ständig hingegeben sind und Mich
einige wenige, die das Glück haben, einem reinen mit Liebe verehren, gebe Ich das Verständnis, wodurch
Gottgeweihten zu begegnen, und so die Möglichkeit sie zu Mir gelangen können.
bekommen, hingebungsvollen Dienst zu verstehen. Dieser
hingebungsvolle Dienst ist genau wie ein Same, und wenn ERLÄUTERUNG
dieser Same in das Herz eines Lebewesens gesät wird und
dieses fortfährt, Hare KŠa, Hare KŠa, KŠa KŠa, In diesem Vers ist das Wort buddhi-yogam sehr bedeutsam.
Hare Hare / Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma Rāma, Hare Wir mögen uns daran erinnern, daß der Herr im Zweiten
Hare zu hören und zu chanten, reift dieser Same, ebenso Kapitel zu Arjuna sagte, Er habe ihm viele Dinge mitgeteilt
wie der Same eines Baumes durch regelmäßiges Bewässern und werde ihn jetzt im buddhi-yoga unterweisen. Hier nun
reift. Die spirituelle Pflanze des hingebungsvollen Dienstes wird buddhi-yoga erklärt. Buddhi-yoga bedeutet Handlung
wächst allmählich immer mehr, bis sie die Schale des im KŠa-Bewußtsein; das ist die höchste Intelligenz.
materiellen Universums durchdringt und in die Buddhi bedeutet "Intelligenz", und yoga bedeutet
brahmajyoti-Ausstrahlung im spirituellen Himmel gelangt. "mystische Tätigkeiten" oder "mystische Erhebung". Wenn
Auch im spirituellen Himmel wächst die Pflanze weiter, bis jemand versucht, zurück nach Hause, zurück zu Gott, zu
sie schließlich den höchsten Planeten, den man Goloka gehen, und sich völlig dem KŠa-Bewußtsein in hinge-
Vndāvana nennt, den höchsten Planeten KŠas, erreicht. bungsvollem Dienst widmet, wird sein Tun buddhi-yoga
Letztlich sucht die Pflanze unter den Lotosfüßen KŠas genannt. Mit anderen Worten: Buddhi-yoga ist der
Zuflucht und kommt dort zur Ruhe. So wie eine Pflanze Vorgang, durch den man aus der Verstrickung dieser
nach und nach Blüten und Früchte trägt, so erzeugt auch materiellen Welt herauskommt. Das endgültige Ziel allen
diese Pflanze des hingebungsvollen Dienstes Früchte, wenn Fortschritts ist KŠa. Die Menschen wissen dies nicht;
das Bewässern in Form von Chanten und Hören weiter daher ist die Gemeinschaft mit Gottgeweihten und einem
fortgesetzt wird. Diese Pflanze des hingebungsvollen echten spirituellen Meister so wichtig. Man sollte wissen,
Dienstes wird ausführlich im Caitanya-caritāmta daß das Ziel KŠa ist, und wenn das Ziel erst einmal
(Madhya-līlā, 19. Kapitel) beschrieben. Es wird dort feststeht, kann man den Pfad langsam, aber erfolgreich
erklärt, daß man völlig in Liebe zu Gott aufgeht, sobald die beschreiten und wird das endgültige Ziel sicher erreichen.
ausgewachsene Pflanze unter den Lotosfüßen des Höchsten Wenn jemand das Ziel des Lebens kennt, aber an den
Herrn Zuflucht sucht; dann kann man nicht einmal einen Früchten seiner Tätigkeiten hängt, handelt er in
einzigen Augenblick leben, ohne mit dem Höchsten Herrn karma-yoga. Wenn er weiß, daß das Ziel KŠa ist, aber an
verbunden zu sein, ebenso wie ein Fisch ohne Wasser nicht gedanklichen Spekulationen Freude findet, um KŠa zu
leben kann. In einem solchen Zustand erwirbt der verstehen, handelt er in jñāna-yoga. Und wenn er das Ziel
Gottgeweihte tatsächlich transzendentale Eigenschaften in des Lebens kennt und KŠa vollständig im
Verbindung mit dem Höchsten Herrn. KŠa-Bewußtsein und im hingebungsvollen Dienst sucht,
Auch das Śrīmad-Bhāgavatam ist voll von Erzählungen handelt er in bhakti-yoga oder buddhi-yoga, dem
über die Beziehung zwischen dem Höchsten Herrn und vollendeten yoga. Dieser vollendete yoga ist die am
Seinen Geweihten; deshalb ist das Śrīmad-Bhāgavatam den höchsten vervollkommnete Stufe des Lebens.
Gottgeweihten sehr lieb. In diesem Werk findet man nichts Jemand mag einen echten spirituellen Meister haben und zu
über materielle Tätigkeiten, Sinnenbefriedigung oder einer spirituellen Organisation gehören, doch wenn er nicht
Befreiung. Das Śrīmad-Bhāgavatam ist die einzige intelligent genug ist, Fortschritt zu machen, gibt ihm KŠa
Erzählung, die das transzendentale Wesen des Herrn und von innen her Unterweisungen, so daß er letztlich ohne
Seiner Geweihten umfassend beschreibt. Folglich erfahren Schwierigkeit zu Ihm gelangen kann. Die Qualifikation ist,
die verwirklichten Seelen im KŠa-Bewußtsein daß sich jemand immer im KŠa-Bewußtsein beschäftigt
fortgesetzte Freude, wenn sie aus solch transzendentalen und mit Liebe und Hingabe alle möglichen Dienste leistet.
Schriften hören, geradeso, wie sich ein Junge und ein Man sollte für KŠa irgendeine Arbeit verrichten und diese
Mädchen freuen, wenn sie zusammen sind. Arbeit mit Liebe ausführen. Wenn ein Gottgeweihter
intelligent genug ist, wird er auf dem Pfad der
VERS 10 Selbsterkenntnis Fortschritte machen. Wenn jemand
ernsthaft ist und die Tätigkeiten hingebungsvollen Dienstes
teāˆ satata-yuktānāˆ mit Hingabe ausführt, gibt ihm der Herr die Möglichkeit,
bhajatāˆ prīti-pūrvakam Fortschritte zu machen und Ihn letztlich zu erreichen.
213

Höchste Wahrheit niemals verstehen. Nur durch


VERS 11 hingebungsvollen Dienst ist die Höchste Wahrheit, KŠa,
erfreut, und durch Seine unbegreifliche Energie kann Er
teām evānukampārtham Sich dem Herzen des reinen Gottgeweihten offenbaren. Der
aham ajñāna-jaˆ tamaƒ reine Gottgeweihte trägt KŠa immer in seinem Herzen;
nāśayāmy ātma-bhāvastho deshalb ist er wie die Sonne, die die Finsternis der
jñāna-dīpena bhāsvatā Unwissenheit auflöst. Das ist die besondere
Barmherzigkeit, die einem reinen Geweihten von KŠa
teām—mit ihnen; eva—gewiß; anukampā-artham—um zuteil wird.
besondere Barmherzigkeit zu erweisen; aham—Ich; Weil man schon seit vielen Millionen von Geburten durch
ajñāna-jam—aufgrund von Unwissenheit; tamaƒ— die Gemeinschaft mit der Materie verunreinigt ist, ist das
Dunkelheit; nāśayāmi—vertreibe; ātma—innen; Herz immer vom Staub des Materialismus bedeckt: doch
bhāvasthaƒ—von ihnen; jñāna—des Wissens; dīpena—mit wenn man sich im hingebungsvollen Dienst beschäftigt und
der Fackel; bhāsvatā—leuchtend. ständig Hare KŠa chantet, wird der Staub sehr schnell
entfernt, und man wird auf die Ebene reinen Wissens
ÜBERSETZUNG erhoben. Das endgültige Ziel, ViŠu, kann nur durch das
Chanten dieses mantra und hingebungsvollen Dienst
Aus Mitleid mit ihnen zerstöre Ich, der Ich in ihren erreicht werden, nicht durch gedankliche Spekulation oder
Herzen weile, mit der leuchtenden Fakel der Erkenntnis durch Argumentation. Der reine Gottgeweihte braucht sich
die aus Unwissenheit geborene Finsternis. um die Notwendigkeiten des Lebens keine Sorgen zu
machen; er braucht keine Angst zu haben, denn wenn er die
ERLÄUTERUNG Dunkelheit aus seinem Herzen entfernt, wird er vom Herrn
von selbst mit allem Notwendigen versorgt, da der Herr
Als Śrī Caitanya in Benares das Chanten von Hare KŠa, durch den liebevollen hingebungsvollen Dienst des
Hare KŠa, KŠa KŠa, Hare Hare / Hare Rāma, Hare Gottgeweihten erfreut ist. Das ist die Essenz der Lehren der
Rāma, Rāma Rāma, Hare Hare verkündete, folgten Ihm Gītā. Wenn man die Bhagavad-gītā studiert, kann man eine
Tausende von Menschen. Prakāśānanda, ein zur damaligen dem Höchsten Herrn völlig ergebene Seele werden und sich
Zeit sehr einflußreicher und großer Gelehrter in Benares, im reinen hingebungsvollen Dienst beschäftigen. Sobald
verspottete Śrī Caitanya und nannte Ihn einen Schwärmer. der Herr einen in Seine Obhut nimmt, wird man von allen
Manchmal kritisieren Philosophen die Gottgeweihten, weil materialistischen Bemühungen vollständig frei.
sie denken, die meisten Gottgeweihten befinden sich in der
Dunkelheit der Unwissenheit und seien philosophisch naive VERS 12-13
Schwärmer, doch diese Annahme ist falsch. Es gibt sehr
große Gelehrte, die die Philosophie der Hingabe vertreten arjuna uvāca
haben, doch auch wenn ein Gottgeweihter von ihren paraˆ brahma paraˆ dhāma
Schriften keinen Gebrauch macht oder die Hilfe seines pavitraˆ paramaˆ bhavān
spirituellen Meisters nicht in Anspruch nimmt, hilft ihm puruaˆ śāśvataˆ divyam
KŠa in seinem Herzen, wenn er in seinem ādi-devam ajaˆ vibhum
hingebungsvollen Dienst aufrichtig bemüht ist. Folglich
kann der aufrichtige Gottgeweihte, der im āhus tvām ayaƒ sarve
KŠa-Bewußtsein tätig ist, nicht ohne Wissen sein. Die devarir nāradas tathā
einzige Qualifikation besteht darin, daß man asito devalo vyāsaƒ
hingebungsvollen Dienst in völligem KŠa-Bewußtsein svayaˆ caiva bravīi me
verrichtet.
Moderne Philosophen denken, man könne ohne arjunaƒ uvāca—Arjuna sprach; param—höchste;
Unterscheidungsvermögen kein reines Wissen haben. Für brahma—Wahrheit; param—höchste; dhāma—Erhaltung;
sie hat der Höchste Herr folgende Antwort bereit: Denje- pavitram—Reinstes; paramam—Höchstes; bhavān—Du
nigen, die im reinen hingebungsvollen Dienst tätig sind, Selbst; puruam—Persönlichkeit; śāśvatam—
wird selbst dann vom Höchsten Herrn geholfen, wenn sie ursprüngliche; divyam—transzendentale; ādi-devam—
nicht sehr gebildet sind und über kein ausreichendes ursprünglicher Herr; ajam—Ungeborener; vibhum—
Wissen von den vedischen Prinzipien verfügen, wie dieser Größter; āhuƒ-sagen; tvām—von Dir; avaƒ—Weisen;
Vers bestätigt. sarve—alle; devariƒ—Weiser unter den Halbgöttern;
Der Herr teilt Arjuna mit, daß es grundsätzlich nicht nāradaƒ—Nārada; tathā—auch; asitaƒ—Asita; devalaƒ—
möglich ist, die Höchste Wahrheit, die Absolute Wahrheit, Devala; vyāsaƒ—Vyāsa; svayam—persönlich; ca—auch;
die Höchste Persönlichkeit Gottes, einfach durch eva—gewiß; bravīi—erklärst; me—Mir.
Spekulieren zu verstehen; denn die Höchste Wahrheit ist so
groß, daß es nicht möglich ist, Sie zu begreifen oder zu ÜBERSETZUNG
erreichen, indem man nur seinen Geist anstrengt. Der
Mensch kann mehrere Millionen Jahre fortfahren zu Arjuna sprach: Du bist das Höchste Brahman, das
spekulieren, aber wenn er nicht hingegeben ist, wenn er die Endgültige, das höchste Reich und der höchste
Absolute Wahrheit nicht liebt, wird er KŠa oder die Reinigende, die Absolute Wahrheit und die ewige
214

göttliche Person. Du bist der urerste Gott, Selbst: "Obwohl Ich ungeboren bin, erscheine Ich auf der
transzendental und ursprünglich, und Du bist die Erde, um die religiösen Prinzipien wieder festzulegen." Er
ungeborene und alldurchdringende Schönheit. Alle ist der höchste Ursprung; Er hat keine Ursache, denn Er ist
großen Weisen, wie Nārada, Asita, Devala und Vyāsa, die Ursache aller Ursachen, und alles geht von Ihm aus.
sagen dies von Dir, und jetzt erklärst Du es mir Selbst. Dieses vollkommene Wissen kann man durch die Gnade
des Höchsten Herrn bekommen.
ERLÄUTERUNG Arjuna gibt hier durch die Gnade KŠas diese Erklärung
ab. Wenn wir die Bhagavad-gītā verstehen wollen, sollten
Mit diesen beiden Versen gibt der Herr den modernen wir die Aussagen dieser beiden Verse akzeptieren. Das
Philosophen eine Möglichkeit, denn hier wird deutlich, daß nennt man paramparā-System oder das Akzeptieren der
der Höchste von der individuellen Seele verschieden ist. Schülernachfolge. Solange man nicht der Schülernachfolge
Nachdem Arjuna die vier wesentlichen Verse der angehört, kann man die Bhagavad-gītā nicht verstehen. Es
Bhagavad-gītā in diesem Kapitel gehört hatte, wurde er ist nicht durch sogenannte akademische Bildung möglich.
völlig frei von allen Zweifeln und akzeptierte KŠa als die Unglückseligerweise halten diejenigen, die auf ihre
Höchste Persönlichkeit Gottes. Sogleich erklärt er kühn: akademische Bildung stolz sind — trotz so vieler Beweise
"Du bist Parabrahman, die Höchste Persönlichkeit Gottes." in den vedischen Schriften — an ihrer widerspenstigen
An früherer Stelle sagt KŠa, daß Er der Urheber von Überzeugung fest, KŠa sei ein gewöhnlicher Mensch.
allem und jedem ist. Jeder Halbgott und jeder Mensch ist
von Ihm abhängig. Menschen und Halbgötter denken aus VERS 14
Unwissenheit, sie seien absolut und vom Höchsten Herrn,
Śrī KŠa, unabhängig. Diese Unwissenheit wird durch hin- sarvam etad taˆ manye
gebungsvollen Dienst vollkommen beseitigt. Das wurde yan māˆ vadasi keśava
bereits im letzten Vers vom Herrn erklärt. Durch Seine na hi te bhagavan vyaktim
Gnade akzeptiert Arjuna Ihn jetzt als die Höchste Wahrheit, vidur devā na dānavāƒ
in Übereinstimmung mit den vedischen Schriften. Es ist
nicht so, daß nur deshalb, weil Śrī KŠa ein vertrauter sarvam—alle; etat—diese; tam—Wahrheiten; manye-
Freund Arjunas ist, dieser Ihm schmeichelt, indem er Ihn akzeptiere; yat—was; mām—zu mir; vadasi—Du sagst;
als die Höchste Persönlichkeit Gottes, die Absolute keśava—o KŠa; na—niemals; hi—gewiß; te—Deine;
Wahrheit, bezeichnet. Was immer Arjuna in diesen beiden bhagavan—o Persönlichkeit Gottes; vyaktim—
Versen sagt, wird von den vedischen Schriften bestätigt. Offenbarung; viduƒ—können kennen; devāƒ—die
Vedische Unterweisungen bestätigen, daß nur jemand, der Halbgötter; na—noch; dānavāƒ—die Dämonen.
sich dem hingebungsvollen Dienst für den Höchsten Herrn
zuwendet, Ihn verstehen kann, andere nicht. Jedes einzelne ÜBERSETZUNG
Wort dieses von Arjuna gesprochenen Verses wird von den
vedischen Unterweisungen bestätigt. O Keśava [KŠa], alles, was Du mir gesagt hast,
In der Kena Upaniad heißt es, daß das Höchste Brahman akzeptiere ich als Wahrheit. Weder die Götter noch die
der Ruheort aller Dinge ist. KŠa hat bereits erklärt, daß Dämonen, o Herr, kennen Deine Persönlichkeit.
alles in Ihm ruht. Die MuŠaka Upaniad bestätigt, daß der
Höchste Herr, in dem alles ruht, nur von denen erkannt ERLÄUTERUNG
werden kann, die ständig an Ihn denken. Dieses ständige
Denken an KŠa ist smaraŠam oder eine der Methoden Arjuna bestätigt hier, daß ungläubige und dämonische
hingebungsvollen Dienstes. Nur durch hingebungsvollen Naturen KŠa nicht verstehen können. Nicht einmal die
Dienst für KŠa kann man seine Stellung verstehen und Halbgötter kennen Ihn, geschweige denn die sogenannten
vom materiellen Körper frei werden. Gelehrten der modernen Welt. Durch die Gnade des
In den Veden wird der Höchste Herr als der Reinste der Höchsten Herrn hat Arjuna verstanden, daß KŠa die
Reinen anerkannt. Wer versteht, daß KŠa der Reinste der Höchste Wahrheit und daß Er vollkommen ist. Man sollte
Reinen ist, kann von allen sündhaften Tätigkeiten gereinigt daher dem Beispiel Arjunas folgen, denn KŠa machte ihn
werden. Solange man sich dem Höchsten Herrn nicht zur Autorität der Bhagavad-gītā. Wie im Vierten Kapitel
ergibt, kann man nicht von sündhaften Handlungen befreit beschrieben wird, war das paramparāSystem der
werden. Indem Arjuna KŠa als den Höchsten Reinen Schülernachfolge, das zum Verständnis der Bhagavad-gītā
akzeptiert, folgt er den Unterweisungen der vedischen notwendig ist, verlorengegangen, und deshalb richtete
Literatur. Dies wird auch von allen großen Persönlichkeiten KŠa diese Schülernachfolge mit Arjuna wieder ein, denn
bestätigt, von denen Nārada das Oberhaupt ist. Er betrachtete Arjuna als Seinen vertrauten Freund und
KŠa ist die Höchste Persönlichkeit Gottes, und man sollte großen Geweihten. Wie daher in unserer Einleitung zur
immer über Ihn meditieren und seine transzendentale Gītopaniad gesagt wird, soll die Bhagavad-gītā im
Beziehung zu Ihm genießen. Er ist die höchste Existenz. Er paramparā-System verstanden werden. Als das
ist frei von körperlichen Bedürfnissen, von Geburt und paramparāSystem verlorengegangen war, wurde Arjuna
Tod. Nicht nur Arjuna bestätigt das, sondern alle vedischen dazu auserwählt, es zu erneuern. Man sollte daher dem
Schriften, die PurāŠas und die Geschichtsschreibung. In Beispiel Arjunas folgen, der alles, was KŠa sagte,
allen vedischen Schriften wird KŠa in dieser Weise be- akzeptierte; dann können wir die Essenz der Bhagavad-gītā
schrieben, und der Höchste Herr sagt im Vierten Kapitel
215

verstehen, und nur so können wir verstehen, daß KŠa die selbst wenn man Ihn als den verehrenswerten Gott aller
Höchste Persönlichkeit Gottes ist. Halbgötter kennt, mag man nicht wissen, daß Er der
Höchste Besitzer aller Dinge ist; deshalb wird Er als
VERS 15 Jagatpati angeredet. So wird in diesem Vers durch die
Erkenntnis Arjunas die Wahrheit über KŠa festgelegt, und
svayam evātmanātmānaˆ wir sollten den Fußspuren Arjunas folgen, um KŠa so zu
vettha tvaˆ puruottama verstehen, wie Er ist.
bhūta-bhāvana bhūteśa
deva-deva jagat-pate VERS 16

svayam—Persönlichkeit; eva—gewiß; ātmanā—durch Dich vaktum arhasy aśeeŠa


Selbst; ātmānam—Du Selbst; vettha—kennst; tvam—Du; divyā hy ātma-vibhūtayaƒ
puruottama—o größte aller Personen; bhūta-bhāvana—o yābhir vibhūtibhir lokān
Ursprung aller Dinge; bhūteśa—o Herr aller Dinge; imāˆs tvaˆ vyāpya ti˜hasi
deva-deva—o Herr aller Halbgötter; jagat-pate—o Herr des
gesamten Universums. vaktum—zu sagen; arhasi—verdienst; aśeeŠa—im
einzelnen; divyā—göttlich; hi—gewiß; ātma—Du Selbst;
ÜBERSETZUNG vibhūtayaƒ—Reichtümer; yābhiƒ—durch welche; vibhū-
tibhiƒ—Reichtümer; lokān-all die Planeten; imān—diese;
Wahrlich, Du allein kennst Dich durch Deine eigenen tvam—Du; vyāpya—durchdringend; ti˜hasi—bleibst.
Kräfte, o Ursprung allen Seins, Herr aller Wesen, Gott
der Götter, o Höchste Person, Herr des Universums! ÜBERSETZUNG

ERLÄUTERUNG Bitte berichte mir im einzelnen von Deinen göttlichen


Kräften, mit denen Du all diese Welten durchdringst
Der Höchste Herr, Śrī KŠa, kann nur von Menschen und in ihnen gegenwärtig bist.
verstanden werden, die, wie Arjuna und dessen Nachfolger,
durch die Ausführung hingebungsvollen Dienstes eine ERLÄUTERUNG
Beziehung zu Ihm haben. Menschen von atheistischer oder
dämonischer Mentalität können KŠa nicht erkennen. Aus diesem Vers wird ersichtlich, daß Arjuna mit seinem
Intellektuelle Spekulation, die uns von KŠa fortführt, ist Verständnis vom Höchsten Herrn, Śrī KŠa, zufrieden ist.
eine ernstzunehmende Sünde, und wer KŠa nicht kennt, Durch die Gnade KŠas verfügt Arjuna über persönliche
sollte nicht versuchen, die Bhagavad-gītā zu Erfahrung, Intelligenz, Wissen und was immer man sonst
kommentieren. Die Bhagavad-gītā ist das Wort KŠas, und noch mit diesen Hilfsmitteln erreichen kann; darüber hinaus
weil sie die Wissenschaft von KŠa ist, sollte sie so hat er verstanden, daß KŠa die Höchste Persönlichkeit
verstanden werden, wie Arjuna es tat. Man sollte sie nicht Gottes ist. Für ihn besteht kein Zweifel mehr. Dennoch
von Atheisten hören. bittet er KŠa, Sein alldurchdringendes Wesen zu erklären,
Die Höchste Wahrheit wird in drei Aspekten erkannt: als so daß in der Zukunft Menschen — vor allem die
unpersönliches Brahman, lokalisierter Paramātmā und Unpersönlichkeitsanhänger — verstehen können, wie der
letztlich als die Höchste Persönlichkeit Gottes. Auf der Herr in Seinem alldurchdringenden Aspekt durch Seine
letzten Stufe der Erkenntnis der Absoluten Wahrheit verschiedenen Energien existiert. Man sollte verstehen, daß
gelangt man also zur Höchsten Persönlichkeit Gottes. Eine Arjuna diese Fragen zum Wohl der gewöhnlichen
befreite Seele und selbst ein gewohnlicher Mensch mögen Menschen stellt.
das unpersönliche Brahman oder den lokalisierten
Paramātmā erkennen, doch werden sie kaum die VERS 17
Persönlichkeit Gottes aus den Versen der Bhagavad-gītā
verstehen, die von eben dieser Person, KŠa, gesprochen kathaˆ vidyām ahaˆ yogiˆs
wurden. Manchmal akzeptieren die tvāˆ sadā paricintayan
Unpersönlichkeitsanhänger KŠa als Bhagavān oder er- keu keu ca bhāveu
kennen Seine Autorität an, doch viele befreite Seelen cintyo'si bhagavan mayā
können KŠa nicht als Puruottama, die Höchste Person,
den Vater aller Lebewesen, verstehen. Deshalb spricht katham—wie; vidyām aham—soll ich kennen; yogin—o
Arjuna Ihn als Puruottama an. Und selbst wenn man zu der Höchster Mystiker; tvām—Dich; sadā—immer;
Erkenntnis gelangt, daß Er der Vater aller Lebewesen ist, paricintayan—denkend; keu—in welcher; keu—in
mag man Ihn dennoch nicht als den Höchsten Herrscher welcher; ca—auch; bhāveu—Natur; cintyaƒ asi—erinnert
kennen. Deshalb wird Er hier als Bhūteśa oder als der man sich an Dich; bhagavan—o Höchster; mayā—von mir.
Höchste Herrscher aller Wesen angesprochen. Sogar wenn
man KŠa als den Höchsten Herrscher aller Lebewesen ÜBERSETZUNG
kennt, mag man dennoch nicht wissen, daß Er der Ursprung
aller Halbgötter ist; daher wird Er hier als Devadeva oder
der verehrenswerte Gott aller Halbgötter angeredet. Und
216

Wie soll ich über Dich meditieren? Über welche Deiner vayaˆ tu na vitpyama uttama-śloka-vikrame
mannigfachen Formen sollte man nachsinnen, o yac chŠvatāˆ rasa-jñānaˆ svādu svādu pade pade
Segenspendender Herr?
"Selbst wenn man die transzendentalen Spiele KŠas, der
ERLÄUTERUNG von den vedischen Hymnen gepriesen wird, fortwährend
hört, kann man niemals übersättigt werden. Diejenigen, die
Wie im vorangegangenen Kapitel gesagt wird, ist der Herr, eine transzendentale Beziehung zu KŠa aufgenommen
die Höchste Persönlichkeit Gottes, von Seiner yoga-māyā haben, kosten in jedem Augenblick die Beschreibungen der
verhüllt. Nur ergebene Seelen und Geweihte können Ihn Spiele des Herrn." (SB. 1.1.10)
sehen. Arjuna ist jetzt davon überzeugt, daß sein Freund Folglich ist auch Arjuna daran interessiert, mehr über KŠa
KŠa der Höchste Gott ist, doch möchte er den üblichen zu hören; vor allem, wie KŠa als Höchster Herr überall
Vorgang kennenlernen, durch den der alldurchdringende gegenwärtig ist.
Herr von gewöhnlichen Menschen verstanden werden Was nun amtam, Nektar, betrifft, so ist jede Erzählung
kann. Kein gewöhnlicher Mensch, auch nicht die Dämonen oder Aussage, die sich auf KŠa bezieht, genau wie
und Atheisten, kann KŠa kennen, denn Er wird von Nektar. Dieser Nektar kann durch praktische Erfahrung
Seiner yoga-māyā-Energie beschützt. Arjuna stellt daher gekostet werden. Zeitgenössische Romane, Dichtungen und
diese Fragen zu ihrem Nutzen. Der fortgeschrittene Darstellungen geschichtlicher Ereignisse unterscheiden sich
Gottgeweihte kümmert sich nicht nur um sein eigenes von den transzendentalen Spielen des Herrn insofern, als
Verständnis, sondern bemüht sich um das Verständnis der man es überdrüssig wird, weltliche Geschichten zu hören,
ganzen Menschheit. Weil Arjuna ein VaiŠava, ein während man es niemals müde wird, von KŠa zu hören.
Gottgeweihter, ist, ermöglicht er es in seiner Nur aus diesem Grunde ist die Geschichte des gesamten
Barmherzigkeit auch dem gewöhnlichen Menschen, das all- Universums voll von Begebenheiten, die sich auf die Spiele
durchdringende Wesen des Höchsten zu verstehen. Er redet der Inkarnationen Gottes beziehen. Die PurāŠas zum
Śrī KŠa hier insbesondere als yogin an, weil Śrī KŠa der Beispiel sind geschichtliche Erzählungen aus längst
Herr der yoga-māyā-Energie ist, durch die Er für den vergangenen Zeitaltern, die von den Spielen der mannig-
gewöhnlichen Menschen entweder verhüllt oder unverhüllt fachen Inkarnationen des Herrn berichten. Deshalb bleibt
ist. Der gewöhnliche Mensch, der KŠa nicht liebt, kann solcher Lesestoff trotz wiederholten Lesens ewig frisch.
nicht immer an KŠa denken; folglich muß er an materielle
Dinge denken. Arjuna berücksichtigt die Denkweise der VERS 19
materialistischen Menschen dieser Welt. Weil Materialisten
KŠa auf der spirituellen Ebene nicht verstehen können, śrī bhagavān uvāca
wird ihnen geraten, ihren Verstand auf materielle Dinge zu hanta te kathayiyāmi
richten und zu erkennen, wie KŠa durch physische divyā hy ātma-vibhūtayaƒ
Repräsentationen manifestiert ist. prādhānyataƒ kuru-śre˜ha
nāsty anto vistarasya me
VERS 18
śrī bhagavān uvāca—die Höchste Persönlichkeit Gottes
vistareŠātmano yogaˆ sprach; hanta—ja; te—zu dir; kathayiyāmi—Ich werde
vibhūtiˆ ca janārdana sprechen; divyāƒ—göttlich; hi—gewiß; ātma-vibhūtayaƒ—
bhūyaƒ kathaya tptir hi persönliche Reichtümer; prādhānyataƒ—hauptsächliche;
śŠvato nāsti me'mtam kuru-śre˜ha—o bester der Kurus; na asti—es gibt keine;
antaƒ—Grenze; vistarasya—in dem Ausmaß; me—Mein.
vistareŠa-bei der Beschreibung; ātmanaƒ—Deinerselbst;
yogam—mystische Kraft; vibhūtim—Reichtümer; ca— ÜBERSETZUNG
auch; janārdana—o Töter der Atheisten; bhūyaƒ—wieder;
kathaya—beschreibe; tptiƒ—Zufriedenheit; hi-gewiß; Der Segenspendende Herr sprach: Ja, Ich werde dir von
śrŠvataƒ—Hören; na asti—es gibt keinen; me—mein; Meinen herrlichen Manifestationen berichten, doch nur
amtam—Nektar. von den bedeutendsten, o Arjuna, denn Mein Reichtum
ist grenzenlos.
ÜBERSETZUNG
ERLÄUTERUNG
O Janārdana [KŠa], berichte mir abermals im
einzelnen von Deinen mächtigen Kräften und Deiner Es ist nicht möglich, die Größe KŠas und das Ausmaß
Herrlichkeit, denn ich werde es niemals müde, Deinen Seiner Reichtümer zu erfassen. Die Sinne der individuellen
ambrosischen Worten zu lauschen. Seele sind unvollkommen und gestatten es ihr nicht, KŠa
in Seiner ganzen Fülle zu begreifen. Trotzdem versuchen
ERLÄUTERUNG die Gottgeweihten, KŠa zu verstehen; jedoch nicht mit
dem Bewußtsein, daß sie einmal fähig sein werden, KŠa
Die is von NaimiāraŠya, angeführt von Śaunaka, zu einem bestimmten Zeitpunkt oder auf irgendeiner Stufe
bekundeten Sūta Gosvāmī das gleiche. Sie sagten: des Lebens völlig zu verstehen. Vielmehr sind die
Erzählungen über KŠa so köstlich, daß sie ihnen wie
217

Nektar erscheinen. Deshalb genießen sie diese Schöpfung der materiellen Welt nimmt der Herr durch
Erzählungen. Die Erörterung der Reichtümer KŠas und Seine vollständige Erweiterung die Purua-Inkarnationen
Seiner mannigfaltigen Energien bereitet den reinen an, und von Ihm geht alles aus. Deshalb ist Er ātmā, die
Gottgeweihten transzendentale Freude. Deshalb lieben sie Seele des mahat-tattva oder der universalen Elemente.
es, davon zu hören und zu sprechen. KŠa weiß, daß die Nicht die gesamte materielle Energie ist der Ursprung der
Lebewesen das Ausmaß Seiner Reichtümer nicht verstehen; Schöpfung, sondern Mahā-ViŠu, der in das mahat-tattva,
deshalb ist Er bereit, nur die Hauptmanifestation Seiner die gesamte materielle Energie eingeht. Er ist die Seele.
verschiedenen Energien aufzuführen. Das Wort Wenn Mahā-ViŠu in die manifestierten Universen eingeht,
prādhānyataƒ (hauptsächlich) ist sehr wichtig, da wir nur manifestiert Er Sich noch einmal als Überseele in jedem
einige der bedeutendsten Manifestationen des Höchsten einzelnen Wesen. Unsere Erfahrung lehrt uns, daß der
Herrn verstehen können; denn Seine Aspekte sind persönliche Körper des Lebewesens infolge der
unbegrenzt. Es ist nicht möglich, sie alle zu verstehen. In Anwesenheit des spirituellen Funkens existiert. Ohne die
diesem Zusammenhang bezieht sich das Wort vibhūti auf Existenz des spirituellen Funkens kann sich der Körper
die Reichtümer, durch die Er die gesamte kosmische nicht entwickeln. In ähnlicher Weise kann sich die
Manifestation beherrscht. Im Amara-kośa-Wörterbuch wird materielle Manifestation nicht entwickeln, solange nicht die
erklärt, daß vibhūti auf außergewöhnlichen Reichtum Höchste Seele, KŠa, in sie eingeht.
hinweist. Die Höchste Persönlichkeit Gottes existiert als Überseele in
Die Unpersönlichkeitsanhänger oder Pantheisten können allen manifestierten Universen. Eine Beschreibung der drei
weder die ungewöhnlichen Reichtümer des Höchsten Herrn purua-avatāras findet man im Śrīmad-Bhāgavatam: "Die
noch die Manifestationen Seiner göttlichen Energie Höchste Persönlichkeit Gottes manifestiert Sich in den drei
verstehen. Sowohl in der materiellen als auch in der Aspekten KāraŠodakaśāyī ViŠu, Garbhodakaśāyī ViŠu
spirituellen Welt sind Seine Energien in jeder Art von und Kīrodakaśāyī ViŠu in der materiellen Manifestation."
Manifestation verbreitet. Jetzt beschreibt KŠa, was der Der Höchste Herr, KŠa, die Ursache aller Ursachen, legt
gewöhnliche Mensch direkt wahrnehmen kann; auf diese Sich als Mahā-ViŠu oder KāraŠodakaśāyī ViŠu im
Weise wird ein Teil Seiner vielfältigen Energien kosmischen Ozean nieder, und daher ist KŠa der Anfang
beschrieben. des Universums, der Erhalter der universalen Manifestation
und das Ende der gesamten Energie.
VERS 20
VERS 21
aham ātmā guākeśa
sarva-bhūtāśaya-sthitaƒ ādityānām ahaˆ viŠur
aham ādiś ca madhyaˆ ca jyotiāˆ ravir aˆśumān
bhūtānām anta eva ca marīcir marutām asmi
nakatrāŠām ahaˆ śaśī
aham—Ich; ātmā—Seele; guākeśa—o Arjuna;
sarva-bhūta—in allen Lebewesen; āśaya-sthitaƒ—im ādityānām—der Ādityas; aham—Ich bin; viŠuƒ—der
Innern befindlich; aham—Ich bin; ādiƒ—Ursprung; ca— Höchste Herr; jyotiām—aller Leuchtkörper; raviƒ—die
auch; madhyam—Mitte; ca—auch; bhutānām—aller Sonne; aˆśumān—strahlend; marīciƒ—Marīci; marutām—
Lebewesen; antaƒ—Ende; eva—gewiß; ca—und. von den Maruts; asmi—Ich bin; nakatrāŠām—von den
Sternen; aham—Ich bin; śaśī—der Mond.
ÜBERSETZUNG
ÜBERSETZUNG
Ich bin das Selbst, o Guākeśa, das in den Herzen aller
Geschöpfe weilt. Ich bin der Anfang, die Mitte und das Von den Ādityas bin Ich ViŠu; von den Lichtern bin
Ende aller Wesen. Ich die strahlende Sonne; Ich bin Marīci von den
Maruts, und unter den Sternen bin Ich der Mond.
ERLÄUTERUNG
ERLÄUTERUNG
In diesem Vers wird Arjuna als Guākeśa angesprochen,
was bedeutet „jemand, der die Finsternis des Schlafes Es gibt zwölf Ādityas, von denen KŠa das Oberhaupt ist.
bezwungen hat". Denjenigen, die in der Finsternis der Unter den Himmelskörpern, die am Himmel strahlen, steht
Unwissenheit schlafen, ist es nicht möglich zu verstehen, die Sonne an erster Stelle. In der Brahma-saˆhitā wird die
wie Sich der Höchste Gott in den materiellen und Sonne als die leuchtende Ausstrahlung des Höchsten Herrn
spirituellen Welten manifestiert. Deshalb ist es sehr bedeut- beschrieben und gilt als eines Seiner Augen. Marīci ist die
sam, wie KŠa Seinen Freund Arjuna hier anredet. Weil herrschende Gottheit des himmlischen Raumes. Unter den
Arjuna über solcher Dunkelheit steht, erklärt Sich der Herr, Sternen ist der Mond in der Nacht der hervorstechendste
die Höchste Persönlichkeit Gottes, bereit, Seine und repräsentiert daher KŠa.
mannigfaltigen Reichtümer zu beschreiben.
KŠa informiert Arjuna als erstes darüber, daß Er aufgrund VERS 22
Seiner Haupterweiterung das Selbst oder die Seele der
gesamten kosmischen Manifestationen ist. Vor der vedānāˆ sāma-vedo'smi
218

devānām asmi vāsavaƒ senānīnām ahaˆ skandaƒ


indriyānāˆ manaś cāsmi sarasām asmi sāgaraƒ
bhūtānām asmi cetanā
purodhasām—von allen Priestern; ca—auch; mukhyam—
vedānām—von allen Veden; sāma-vedaƒ-er Sāma Veda; Oberhaupt; mām—Mich; viddhi—verstehe; pārtha—o Sohn
asmi—Ich bin; devānām—von allen Halbgöttern; asmi— Pthās; bhaspatim—Bhaspati; senānīnām—von allen
Ich bin; vāsavaƒ—der himmlische König; indriyāŠām— Befehlshabern; aham—Ich bin; skandaƒ—Kārtikeya;
von allen Sinnen; manaƒ—der Geist; ca—auch; asmi—Ich sarasām—von allen Gewässern; asmi—Ich bin; sāgaraƒ—
bin; bhūtānām—in allen Lebewesen; asmi—Ich bin; der Ozean.
cetanā—die lebendige Kraft.
ÜBERSETZUNG
ÜBERSETZUNG
Wisse, o Arjuna, von den Priestern bin Ich das
Von den Veden bin Ich der Sāma Veda; von den Oberhaupt, Bhaspati, der Herr der Hingabe. Von den
Halbgöttern bin Ich Indra; von den Sinnen bin Ich der Generälen bin Ich Skanda, der Herr des Krieges, und
Geist, und in den Lebewesen bin Ich die lebendige Kraft von den Gewässern bin Ich der Ozean.
[Wissen].
ERLÄUTERUNG
ERLÄUTERUNG
Indra ist der oberste Halbgott der himmlischen Planeten,
Der Unterschied zwischen materieller und spiritueller Natur und er ist auch als König des Himmels bekannt. Der Planet,
besteht darin, daß die Materie, im Gegensatz zu auf dem er regiert, wird Indraloka genannt. Bhaspati ist
Lebewesen, kein Bewußtsein hat; daher ist Bewußtsein Indras Priester, und da Indra das Oberhaupt aller Könige
erhaben und ewig. Bewußtsein kann nicht durch eine ist, ist Bhaspati das Oberhaupt aller Priester. Ebenso wie
Verbindung materieller Elemente geschaffen werden. Indra das Oberhaupt aller Könige ist, so ist in ähnlicher
Weise Skanda, der Sohn Pārvatīs und Śivas, das Oberhaupt
VERS 23 aller Militärbefehlshaber. Und von allen Gewässern ist der
Ozean am größten. Diese Repräsentationen KŠas geben
rudrāŠāˆ śa‰karaś cāsmi nur Hinweise auf Seine Größe.
vitteśo yaka-rakasām
vasūnāˆ pāvakaś cāsmi VERS 25
meruƒ śikhariŠām aham
maharīŠāˆ bhgur ahaˆ
rudrāŠām—von allen Rudras; śa‰karaƒ-Śiva; ca—auch; girām asmy ekam akaram
asmi—Ich bin; vitteśaƒ—der Schatzmeister; yajñānāˆ japa-yajño'smi
yaka-rakasām—von den Yakas und Rākasas; sthāvarāŠāˆ himālayaƒ
vasūnām—von den Vasus; pāvakaƒ—Feuer; ca—auch;
asmi—Ich bin; meruƒ—Meru; śikhariŠām—von allen maharīŠām—unter den großen Weisen; bhguƒ—Bhgu;
Bergen; aham—Ich bin. aham—Ich bin; girām—von Klangschwingungen; asmi—
Ich bin; ekam akaram—praŠava; yajñānām—von den
ÜBERSETZUNG Opfern; japa-yajñaƒ—das Chanten; asmi—Ich bin;
sthāvarāŠām—von den unbeweglichen Dingen; himālayaƒ-
Von allen Rudras bin Ich Śiva; von den Yakas und das Himalaya-Gebirge.
Rākasas bin Ich der Herr des Reichtums [Kuvera]; von
den Vasus bin Ich das Feuer [Agni], und von den Bergen ÜBERSETZUNG
bin Ich der Meru.
Von den großen Weisen bin Ich Bhgu, und von den
ERLÄUTERUNG Klangschwingungen bin Ich das transzendentale om.
Von den Opfern bin Ich das Chanten der Heiligen
Es gibt elf Rudras, von denen ŚaŠkara oder Śiva Namen [japa], und von den unbeweglichen Dingen bin
vorherrschend ist. Er ist jene Inkarnation des Höchsten ich der Himalaya.
Herrn, die im Universum für die Erscheinungsweise der
Unwissenheit zuständig ist. Kuvera ist der ERLÄUTERUNG
Oberschatzmeister der Halbgötter, und auch er ist ein
Repräsentant des Höchsten Herrn. Der Meru ist ein Berg, Brahmā, das erste Geschöpf im Universum, schuf
der für seine reichen Bodenschätze berühmt ist. verschiedene Söhne für die Erzeugung mannigfaltiger
Lebensformen. Der mächtigste Seiner Söhne ist Bhgu, der
VERS 24 zugleich der größte Weise ist. Von allen transzendentalen
Klangschwingungen repräsentiert om (omkara) den
purodhasāˆ ca mukhyaˆ māˆ Höchsten. Das Chanten von Hare KŠa, Hare KŠa, KŠa
viddhi pārtha bhaspatim KŠa, Hare Hare / Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma Rāma,
219

Hare Hare ist die reinste Repräsentation KŠas. Unter Airāvata; gajendrāŠām—von den Elefanten; narāŠām—
gewissen Umständen sind Tieropfer empfohlen, doch bei unter den Menschen; ca—und; narādhipam—der König.
dem Opfer des Chantens von Hare KŠa, Hare KŠa kann
von Gewalt keine Rede sein. Es ist das einfachste und ÜBERSETZUNG
reinste aller Opfer. Alles Erhabene ist eine Repräsentation
KŠas. Deshalb repräsentieren Ihn auch die Himalayas, die Wisse, von den Pferden bin Ich Uccaiƒśravā, das aus
größten Berge der Welt. Im dreiundzwanzigsten Vers dem Elixier der Unsterblichkeit geboren wurde und
dieses Kapitels wurde bereits der Berg Meru erwähnt, doch dem Ozean entstieg; von den Elefantenfürsten bin Ich
weil der Meru manchmal bewegt wird, wohingegen die Airāvata, und unter den Menschen bin Ich der
Himalayas niemals bewegt werden können, sind die Monarch.
Himalayas bedeutender als der Meru.
ERLÄUTERUNG
VERS 26
Die gottgeweihten Halbgötter und die Dämonen (asuras)
aśvatthaƒ sarva-vkāŠāˆ unternahmen einmal eine Seereise. Auf dieser Reise
devarīŠāˆ ca nāradaƒ wurden Nektar und Gift erzeugt. Das Gift wurde von Śiva
gandharvāŠāˆ citrarathaƒ getrunken, und aus dem Nektar wurden viele Wesen
siddhāŠaˆ kapilo muniƒ hervorgebracht, unter denen sich auch ein Pferd namens
Uccaiƒśravā befand. Ein anderes Tier, das aus dem Nektar
aśvatthaƒ—der Banyanbaum; sarva-vkāŠām—von allen erzeugt wurde, war ein Elefant namens Airāvata. Weil diese
Bäumen; devarīŠām—von allen Weisen unter den beiden Tiere aus dem Nektar erzeugt wurden, haben sie
Halbgöttern; ca—und; nāradaƒ—Nārada; gandharvāŠām— eine besondere Bedeutung und sind daher Repräsentanten
die Bewohner des Gandharva-Planeten; citrarathaƒ— KŠas.
Citraratha; siddhānām—von all denen, die vollkommen Unter den Menschen gilt der König als KŠas
sind; kapilaƒ muniƒ—Kapila Muni. Stellvertreter, da KŠa der Erhalter des Universums ist und
die Könige, die aufgrund ihrer göttlichen Qualifikationen
ÜBERSETZUNG ernannt werden, die Erhalter ihrer Königreiche sind.
Könige wie Mahārāja Yudhi˜hira, Mahārāja Parīkit und
Von allen Bäumen bin Ich der heilige Feigenbaum, und Śrī Rāma waren alle in höchstem Maße rechtschaffene
unter den Weisen und Halbgöttern bin Ich Nārada. Von Könige, die immer um das Wohl ihrer Bürger besorgt
den Sängern der Götter [Gandharvas] bin Ich waren. In der vedischen Literatur gilt der König als
Citraratha, und unter den vollkommenen Wesen bin Ich Stellvertreter Gottes. In diesem Zeitalter jedoch verfiel mit
der Weise Kapila. dem Verfall der religiösen Prinzipien die Monarchie und ist
heute ganz abgeschafft. Man sollte verstehen, daß in
ERLÄUTERUNG vergangenen Zeiten die Menschen unter rechtschaffenen
Königen glücklicher waren als heute.
Der Feigenbaum (aśvattha) ist einer der schönsten und
höchsten Bäume, und viele Menschen in Indien verehren VERS 28
ihn deshalb täglich in einem ihrer morgendlichen Rituale.
Von den Halbgöttern verehren sie auch Nārada, der als der āyudhānām ahaˆ vajraˆ
größte Gottgeweihte im Universum gilt. Deshalb ist er die dhenūnām asmi kāmadhuk
Repräsentation KŠas als Gottgeweihter. Der prajanaś cāsmi kandarpaƒ
Gandharva-Planet wird von Wesen bewohnt, die sarpāŠām asmi vāsukiƒ
wunderschön singen können, und der beste Sänger unter
ihnen ist Citraratha. Unter den ewig lebenden Wesen gilt āyudhānām—von allen Waffen; aham—Ich bin; vajram—
Kapila als eine Inkarnation KŠas; Seine Philosophie wird der Blitz; dhenūnām—von den Kühen; asmi—Ich bin;
im Śrīmad-Bhāgavatam erwähnt. Später wurde ein anderer kāmadhuk—die surabhi-Kuh; prajanaƒ—um Kinder zu
Kapila bekannt, der jedoch eine atheistische Philosophie zeugen; ca—und; asmi—Ich bin; kandarpaƒ—der
vertrat. Zwischen ihm und dem echten Kapila besteht daher Liebesgott; sarpāŠām—von allen Schlangen; asmi—Ich
ein großer Unterschied. bin; vāsukiƒ—Vasuki.

VERS 27 ÜBERSETZUNG

uccaiƒśravasam aśvānām Von den Waffen bin Ich der Blitz, und unter den Kühen
viddhi mām amtodbhavam bin Ich die surabhi-Kuh, die Milch im Überfluß gibt.
airāvataˆ gajendrāŠāˆ Von den Erzeugern bin Ich Kandarpa, der Gott der
narāŠāˆ ca narādhipaˆ Liebe, und von den Schlangen bin Ich Vāsuki, das Ober-
haupt.
uccaiƒśravasam—Uccaiƒśravā; aśvanām—unter den
Pferden; viddhi—kenne; mām—Mich; amta-udbhavam— ERLÄUTERUNG
durch das Quirlen des Ozeans erzeugt; airāvatam—
220

Der Blitz, der wirklich eine mächtige Waffe ist, von den Bezwingern; aham—Ich bin; mgāŠām—von den
repräsentiert KŠas Macht. Auf KŠaloka in der Tieren; ca—und; mgendraƒ—der Löwe; aham—Ich bin;
spirituellen Welt gibt es Kühe, die zu jeder Zeit gemolken vainateyaƒ-Garua; ca—auch; pakiŠām—von den Vögeln.
werden können und so viel Milch geben, wie man möchte.
Natürlich gibt es solche Kühe nicht in der materiellen Welt, ÜBERSETZUNG
aber es wird erwähnt, daß sie auf KŠaloka leben. Der
Herr besitzt viele solche Kühe, die surabhi genannt werden, Unter den Daitya-Dämonen bin Ich der hingegebene
und es wird beschrieben, daß KŠa es liebt, die Prahlāda; unter den Bezwingern bin Ich die Zeit; unter
surabhi-Kühe zu hüten. den wilden Tieren bin Ich der Löwe, und von den
Kandarpa ist das sexuelle Verlangen, das notwendig ist, um Vögeln bin Ich Garua, der gefiederte Träger ViŠus.
gute Söhne zu erzeugen; aus diesem Grund ist Kandarpa
der Repräsentant KŠas. Manchmal wird die Sexualität nur ERLÄUTERUNG
zur Befriedigung der Sinne benutzt; solche Sexualität
repräsentiert KŠa nicht. Aber Sexualität für die Diti und Aditi sind zwei Schwestern. Die Sohne Aditis
Erzeugung guter Kinder nennt man Kandarpa, und sie werden Ādityas genannt, und die Söhne Ditis nennt man
repräsentiert KŠa. Daityas. Alle Ādityas sind Geweihte des Herrn, und alle
Daityas sind Atheisten. Obwohl Prahlāda in der Familie der
VERS 29 Daityas geboren wurde, war er von Kindheit an ein großer
Gottgeweihter. Aufgrund seines hingebungsvollen Dienstes
anantaś cāsmi nāgānāˆ und seines göttlichen Wesens gilt er als Stellvertreter
varuŠo yādasām aham KŠas.
pit Šām aryamā cāsmi Es gibt viele zwingende Prinzipien, doch die Zeit läßt alle
yamaƒ saˆyamatām aham Dinge im materiellen Universum vergehen und
repräsentiert daher KŠa. Von den vielen Tieren ist der
anantaƒ—Ananta; ca—auch; asmi—Ich bin; nāgānām— Löwe das mächtigste und wildeste, und von den Millionen
von allen Schlangen; varuŠaƒ—der Halbgott, der das Arten von Vögeln ist Garua, der gefiederte Träger ViŠus,
Wasser beherrscht; yādasām—von allen Wassertieren; der bedeutendste.
aham—Ich bin; pit Šām—von den Vorfahren; aryamā—
Aryamā; ca—auch; asmi—Ich bin; yamaƒ—der Herrscher VERS 31
des Todes; saˆyamatām—von allen Reglern; aham—Ich
bin. pavanaƒ pavatām asmi
rāmaƒ śastra-bhtām aham
ÜBERSETZUNG jhaāŠāˆ makaraś cāsmi
srotasām asmi jāhnavī
Von den himmlischen Nāga-Schlangen bin Ich Ananta;
von den Gottheiten des Wassers bin Ich VaruŠa; von pavanaƒ—der Wind; pavatām—von allem, was reinigt;
den verstorbenen Vorvätern bin Ich Aryamā, und unter asmi—Ich bin; rāmaƒ—Rāma; śastra-bhtām—von den
den Gesetzeshütern bin Ich Yama, der Herr des Todes. Waffenträgern; aham—Ich bin; jhaāŠām—von allen
Wasserlebewesen; makaraƒ—der Hai; ca asmi—Ich bin
ERLÄUTERUNG auch; srotasām—von den strömenden Flüssen; asmi—Ich
bin; jāhnavī—der Fluß Ga‰gā (Ganges).
Von den zahlreichen himmlischen Nāga-Schlangen ist
Ananta die bedeutendste, und von den Wasserlebewesen ist ÜBERSETZUNG
VaruŠa das Oberhaupt. Beide repräsentieren KŠa. Es gibt
auch einen Planeten der Bäume, über den Aryamā herrscht, Von den reinigenden Kräften bin Ich der Wind; von den
der ebenfalls KŠa repräsentiert. Es gibt auch viele Waffenträgern bin Ich Rāma; von den Fischen bin Ich
Lebewesen, die die Schurken bestrafen, und unter ihnen ist der Hai, und von den strömenden Flüssen bin Ich die
Yama das Oberhaupt. Er lebt auf einem Planeten in der Ga‰gā.
Nähe der Erde, und nach dem Tode werden diejenigen dort
hingebracht, die sehr sündig sind, und Yama verhängt ERLÄUTERUNG
verschiedene Strafen über sie.
Von allen Wassertieren ist der Hai eines der größten und
VERS 30 für den Menschen gewiß das gefährlichste. Folglich
repräsentiert der Hai KŠa. Und von den Flüssen ist der
prahlādaś cāsmi daityānāˆ größte in Indien die Mutter Ga‰gā. Śrī Rāmacandra aus
kālaƒ kalayatām aham dem RāmāyaŠa, eine Inkarnation KŠas, ist der mächtigste
mgāŠāˆ ca mgendro'haˆ Krieger.
vainateyaś ca pakiŠām
VERS 32
prahlādaƒ—Prahlāda; ca—auch; asmi—Ich bin;
daityānām—von den Dämonen; kālaƒ—Zeit; kalayatām— sargāŠām ādir antaś ca
221

madhyaˆ caivāham arjuna Akāra, der erste Buchstabe im Sanskrit-Alphabet, bildet


adhyātma-vidyā vidyānāˆ den Anfang der vedischen Literatur. Ohne akāra kann
vādaƒ pravadatām aham keine Klangschwingung gebildet werden; deshalb ist es der
Ursprung allen Klangs. Im Sanskrit gibt es auch viele
sargāŠām—von allen Schöpfungen; ādiƒ—Anfang; zusammengesetzte Wörter; ein Doppelwort wie
antaƒ—Ende; ca—und; madhyam—Mitte; ca-auch; eva— Rāma-kŠa zum Beispiel wird dvandvaƒ genannt. Die
gewiß; aham—Ich bin; arjuna—o Arjuna; adhyātma-vidyā- Wörter Rāma und KŠa haben den gleichen Rhythmus und
spirituelles Wissen; vidyānām—von aller Bildung; vādah— werden daher als dual bezeichnet.
natürliche Schlußfolgerung; pravadatām—von Unter allen zerstörerischen Kräften ist die Zeit die
Argumenten; aham—Ich bin. endgültige Vernichterin, denn die Zeit zerstört alles. Die
Zeit repräsentiert KŠa, denn wenn die Zeit der kosmi-
ÜBERSETZUNG schen Manifestation abgelaufen ist, wird es ein großes
Feuer geben, das alles vernichtet.
Von allen Schöpfungen bin Ich der Anfang, das Ende Unter den Schöpfern und Lebewesen ist Brahmā das
und auch die Mitte, o Arjuna. Von allen Wissenschaften Oberhaupt. Die verschiedenen Brahmās haben jeweils vier,
bin Ich die spirituelle Wissenschaft vom Selbst, und acht, sechzehn und mehr Köpfe und sind die Hauptschöpfer
unter Logikern bin Ich die endgültige Wahrheit. in ihren betreffenden Universen. Die Brahmās sind
Stellvertreter KŠas.
ERLÄUTERUNG
VERS 34
Alle materiellen Elemente der geschaffenen
Manifestationen werden zunächst von Mahā-ViŠu mtyuƒ sarva-haraś cāham
erschaffen und von Śiva vernichtet. Brahmā ist der udbhavaś ca bhaviyatām
zweitrangige Schöpfer. All diese geschaffenen Elemente kīrtiƒ śrīr vāk ca nārīŠām
sind verschiedene Inkarnationen der materiellen smtir medhā dhtiƒ kamā
Eigenschaften des Höchsten Herrn; deshalb ist Er der
Anfang, die Mitte und das Ende aller Schöpfung. mtyuƒ—Tod; sarva-haraƒ—alles-verschlingend; ca—
Was die spirituelle Wissenschaft vom Selbst betrifft, so gibt auch; aham—Ich bin; udbhavaƒ—Erzeugung; ca—auch;
es in dieser Hinsicht viele Schriften, wie die vier Veden, das bhaviyatām—der Zukunft; kīrtiƒ—Ruhm; śrīƒ vāk—
Vedānta-sūtra, die PurāŠas, das Śrīmad-Bhāgavatam und schöne Rede; ca—auch; nārīŠāˆ—der Frauen; smtiƒ—
die Gītā. All diese Schriften sind Repräsentationen KŠas. Gedächtnis; medhā—Intelligenz; dhtiƒ—Treue; kamā—
Unter Logikern gibt es verschiedene Stufen der Geduld.
Argumentation. Die Darlegung von Beweisen nennt man
japa; der Versuch, sich gegenseitig zu widerlegen, wird als ÜBERSETZUNG
vitaŠa bezeichnet, und die endgültige Schlußfolgerung
nennt man vāda. Die endgültige Wahrheit, das Ende aller Ich bin der alles-verschlingende Tod, und Ich bin der
vernunftgemäßen Überlegungen ist KŠa. Erzeuger aller Dinge, die noch sein werden. Unter den
Frauen bin ich Ruhm, Glück, Rede, Erinnerung,
VERS 33 Intelligenz, Treue und Geduld.

akarāŠām akāro'smi ERLÄUTERUNG


dvandvaƒ sāmāsikasya ca
aham evākayaƒ kālo Sowie ein Mensch geboren wird, stirbt er in jeder Sekunde.
dhātāhaˆ viśvato-mukhaƒ Daher verschlingt der Tod jedes Lebewesen in jedem
Augenblick, doch erst der letzte Schlag wird als der
akarāŠām—von den Buchstaben; akāraƒ—der erste; eigentliche Tod bezeichnet. Dieser Tod ist KŠa. Alle
asmi—Ich bin; dvandvaƒ— zweifach; sāmāsikāsya— Lebensformen sind sechs Grundveränderungen
zusammengesetzte Wörter; ca—und; aham—Ich bin; eva— unterworfen: Sie werden geboren, wachsen, bleiben eine
gewiß; akayaƒ—ewige; kālaƒ—Zeit; dhātā—Schöpfer; Zeitlang bestehen, pflanzen sich fort, schwinden dahin und
aham—Ich bin; viśvato-mukhaƒ—Brahmā. vergehen schließlich. Von Veränderungen ist die erste die
Befreiung aus dem Mutterschoß, und das ist KŠa. Die
ÜBERSETZUNG erste Zeugung ist der Beginn aller zukünftigen Tätigkeiten.
Die hier aufgeführten sechs Reichtümer gelten als weiblich.
Von den Buchstaben bin Ich der Buchstabe A, und Wenn eine Frau all diese Reichtümer oder zumindest einige
unter den zusammengesetzten Wörtern bin Ich das davon besitzt, wird sie ruhmreich. Sanskrit ist eine
Doppelwort. Ich bin auch die unerschöpfliche Zeit, und vollkommene Sprache und wird daher sehr gerühmt. Wenn
von den Schöpfern bin Ich Brahmā, dessen mannigfache man sich nach dem Studium noch an das Thema erinnern
Gesichter in alle Richtungen schauen. kann, ist man mit einem guten Gedächtnis oder smti
begabt. Man braucht nicht viele Bücher über verschiedene
ERLÄUTERUNG Themen zu lesen; die Fähigkeit, sich an einige zu erinnern
und, wenn notwendig, zu zitieren ist ein weiterer Reichtum.
222

Frühling als die fröhlichste aller Jahreszeiten und ist daher


VERS 35 der Repräsentant des Höchsten Herrn, Śrī KŠa.

bhat-sāma tathā sāmnāˆ VERS 36


gāyatrī chandasām aham
māsānāˆ mārga-śīro'ham dyūtaˆ chalayatām asmi
tūnāˆ kusumākaraƒ tejas tejasvinām aham
jayo'smi vyavasāyo'smi
bhat-sāma—der Bhat-sāma; tathā—auch; sāmnām—des sattvaˆ sattvavatām aham
Sāma-Veda-Gesangs; gāyatrī—die Gāyatrī-Hymnen;
chandasām—von aller Dichtung; aham—Ich bin; mā- dyūtam—Glücksspiel; chalayatām—aller Betrüger; asmi—
sānām—von den Monaten; mārga-śīro'ham—der Monat Ich bin; tejaƒ—prachtvoll; tejasvinām—von all dem, was
November-Dezember; aham—Ich bin; tūnām—von allen prachtvoll ist; aham—Ich bin; jayaƒ—Sieg; asmi—Ich bin;
Jahreszeiten; kusumākaraƒ—der Frühling. vyavasāyaƒ—Abenteuer; asmi—Ich bin; sattvam—Stärke;
sattvavatām—von allen Starken; aham—Ich bin.
ÜBERSETZUNG
ÜBERSETZUNG
Von den Hymnen bin Ich der Bhat-sāma, der Indra
vorgesungen wurde, und von den Dichtungen bin Ich Von allem Betrug bin Ich das Glücksspiel, und von
der Gāyatrī-mantra, den die brāhmaŠas täglich allem Prachtvollen bin Ich die Pracht. Ich bin der Sieg;
chanten. Von den Monaten bin Ich der November und Ich bin das Abenteuer, und Ich bin die Stärke der
der Dezember, und von den Jahreszeiten bin Ich der Starken.
blühende Frühling.
ERLÄUTERUNG
ERLÄUTERUNG
Es gibt viele Arten von Betrügern im ganzen Universum.
Es wurde vom Herrn bereits erklärt, daß von den Veden Von allem Betrug steht das Glücksspiel an erster Stelle und
besonders der Sāma Veda reich an schönen Liedern ist, die repräsentiert daher KŠa. Als der Höchste kann KŠa
von den verschiedenen Halbgöttern gesungen werden. besser betrügen als jeder gewöhnliche Mensch. Wenn
Einer dieser Gesänge ist der Bhat-sāma, der eine KŠa jemanden betrügen will, kann Ihn niemand in
vorzügliche Melodie hat und der um Mitternacht gesungen Seinem Betrug übertreffen. Seine Größe ist nicht einseitig,
wird. sondern allseitig.
Im Sanskrit gibt es feste Regeln, die die Dichtkunst Unter den Siegern ist Er der Sieg. Er ist die Pracht des
betreffen; Reim und Metrum werden nicht launenhaft Prachtvollen. Unter den wagemutigen Unternehmern ist Er
gebraucht, wie es heute oft in der modernen Dichtkunst üb- der mutigste. Unter den Abenteurern ist Er der kühnste, und
lich ist. Von der regulierten Dichtkunst ist der unter den Starken ist Er der stärkste. Als KŠa auf der Erde
Gāyatrī-mantra, der von qualifizierten brāhmaŠas gegenwärtig war, konnte Ihn niemand an Stärke
gechantet wird, am berühmtesten. Der Gāyatrī-mantra wird übertreffen. Schon als Kind hob Er den Govardhana-Hügel
im Śrīmad-Bhāgavatam erwähnt, und weil er besonders zur hoch. Niemand kann Ihn im Betrügen übertreffen; niemand
Gotteserkenntnis bestimmt ist, repräsentiert er den kann Ihn an Pracht übertreffen; niemand kann Seine Siege
Höchsten Herrn. Dieser mantra ist für spirituell fort- übertreffen; niemand kann Ihn an Wagemut übertreffen,
geschrittene Menschen gedacht, und wenn man ihn mit und niemand kann Ihn an Stärke übertreffen.
Erfolg chantet, kann man auf die gleiche transzendentale
Stellung wie der Herr gelangen. Um den Gāyatrī-mantra VERS 37
chanten zu können, muß man zunächst die Eigenschaften
eines in der Vollkommenheit verankerten Menschen vŠīnāˆ vāsudevo'smi
erwerben, das heißt, nach den Gesetzen der materiellen pāŠavānāˆ dhanañjayaƒ
Natur, die Eigenschaften der Tugend. Der Gāyatrī-mantra munīnām apy ahaˆ vyāsaƒ
ist in der vedischen Zivilisation von großer Bedeutung und kavīnām uśanā kaviƒ
gilt als die Klanginkarnation des Brahman. Brahmā
chantete diesen mantra als erster und gab ihn dann durch vŠīnām—von den Nachkommen VŠis; vāsudevaƒ—
die Schülernachfolge weiter. KŠa in Dvārakā; asmi—Ich bin; pāŠavānām—von den
Die Monate November und Dezember gelten als die besten PāŠavas; dhanañjayaƒ—Arjuna; munīnām—von den
Monate des Jahres, weil zu dieser Zeit in Indien das Weisen; api—auch; aham—Ich bin; vyāsaƒ—Vyāsa, der
Getreide von den Feldern geerntet wird und die Menschen Verfasser aller vedischen Schriften; kavīnām—von allen
sehr glücklich sind. Natürlich ist der Frühling eine großen Denkern; uśanā—Uśanā; kaviƒ—der Denker.
Jahreszeit, die universal geliebt wird, weil sie weder zu
heiß noch zu kalt ist und die Blumen und Bäume blühen ÜBERSETZUNG
und gedeihen. Im Frühling werden auch viele Feste zu
Ehren von KŠas Spielen gefeiert; deshalb gilt der Von den Nachkommen VŠis bin Ich Vāsudeva, und
von den PāŠavas bin Ich Arjuna. Von den Weisen bin
223

Ich Vyāsa, und unter den großen Denkern bin Ich


Uśanā. yac cāpi sarva-bhūtānāˆ
bījam tad aham arjuna
ERLÄUTERUNG na tad asti vinā yat syān
mayā bhūtaˆ carācaram
KŠa ist die ursprüngliche Höchste Persönlichkeit Gottes,
und Vāsudeva ist die unmittelbare Erweiterung KŠas. yat—was immer; ca—auch; api—sein mag;
Sowohl Śrī KŠa als auch Baladeva erscheinen als die sarva-bhūtānām—von allen Schöpfungen; bījam—der
Söhne Vasudevas. Unter den Söhnen PāŠus ist Arjuna Same; tat—das; aham—Ich bin; arjuna—o Arjuna; na—
besonders berühmt und tapfer. Ja, er ist der Beste unter den nicht; tat—das; asti—es gibt; vinā—ohne; yat—das; syāt—
Menschen und repräsentiert daher KŠa. Unter den munis existiert; mayā—von Mir; bhūtam—erschaffen;
oder Gelehrten, die mit dem vedischen Wissen vertraut carācaram—sich bewegend und sich nicht bewegend.
sind, ist Vyāsa der bedeutendste, weil er das vedische
Wissen zum Verständnis der allgemeinen Masse der ÜBERSETZUNG
Menschen in diesem Zeitalter des Kali auf viele
verschiedene Arten erklärte. Vyāsa ist ebenfalls als Ferner, o Arjuna, bin Ich der zeugende Same allen
Inkarnation KŠas bekannt; auch Vyāsa repräsentiert daher Seins. Es gibt kein Wesen — beweglich oder
KŠa. Unter kavis versteht man diejenigen, die fähig sind, unbeweglich —, das ohne Mich existieren kann.
über jedes beliebige Thema eingehend nachzudenken.
Unter den kavis war Uśanā der spirituelle Meister der ERLÄUTERUNG
Dämonen. Er war hochintelligent und sowohl politisch als
auch spirituell außerordentlich weitsichtig. Folglich ist Alles hat eine Ursache, und diese Ursache oder dieser Same
Uśanā ein weiterer Repräsentant von KŠas Reichtum. der Manifestation ist KŠa. Ohne KŠas Energie kann
nichts existieren; deshalb wird Er als allmächtig bezeichnet.
VERS 38 Ohne Seine Kraft kann weder das Bewegliche noch das
Unbewegliche existieren. Jede Existenz, die nicht auf
daŠo damayatām asmi KŠas Energie gründet, wird māyā genannt oder das, was
nītir asmi jigīatām nicht ist.
maunaˆ caivāsmi guhyānām
jñānaˆ jñānavatām aham VERS 40

daŠaƒ—Prügelstock; damayatām—bei der Bestrafung; nānto'sti mama divyānāˆ


asmi—Ich bin; nītiƒ—Moral; asmi—Ich bin; jigīatām— vibhūtīnāˆ parantapa
der Siegreichen; maunam—Schweigen; ca—und; eva— ea niddeśataƒ prokto
auch; asmi—Ich bin; guhyānām—von Geheimnissen; vibhūter vistaro mayā
jñānam—Wissen; jñānavatām—der Weisen; aham—Ich
bin. na—noch; antaƒ—eine Grenze; asti—gibt es; mama—
Meiner; divyānām—göttlichen; vibhūtīnām—Reichtümer;
ÜBERSETZUNG parantapa—o Bezwinger der Feinde; eaƒ—all dies; tu—
aber; uddeśataƒ—Beispiele; proktaƒ—gesprochen;
Unter den Bestrafungen bin Ich der Prügelstock, und vibhūteƒ—Reichtümer; vistaraƒ—erweitert; mayā—durch
von denjenigen, die den Sieg suchen, bin Ich die Moral. Mich.
Von geheimen Dingen bin Ich das Schweigen, und von
den Weisen bin Ich die Weisheit. ÜBERSETZUNG

ERLÄUTERUNG O mächtiger Bezwinger der Feinde, Meine göttlichen


Manifestationen haben kein Ende. Was Ich dir berichtet
Es gibt viele unterdrückende Kräfte, von denen diejenigen habe, ist bloß eine Andeutung Meiner unbegrenzten
am wichtigsten sind, die die Schurken züchtigen. Wenn Reichtümer.
Schurken bestraft werden, repräsentiert der Prügelstock
KŠa. Für diejenigen, die versuchen, in einem bestimmten ERLÄUTERUNG
Tätigkeitsbereich erfolgreich zu sein, ist Moral das
siegreichste Element. Bei den vertraulichen Tätigkeiten des Wie es in der vedischen Literatur heißt, kennen die
Hörens, Denkens und Meditierens ist Schweigen am Reichtümer des Höchsten keine Grenze, wenngleich die
wichtigsten, denn durch Schweigsamkeit kann man sehr Reichtümer und Energien des Höchsten auf vielfache
schnell Fortschritte machen. Ein Weiser ist derjenige, der Weise verstanden werden; aus diesem Grunde können nicht
zwischen Materie und spiritueller Energie, das heißt alle Reichtümer und Energien erklärt werden. Arjuna
zwischen Gottes höheren und niederen Naturen, wurden nur einige Beispiele genannt, um seine Wißbegier
unterscheiden kann. Solches Wissen ist KŠa Selbst. zu befriedigen.

VERS 39 VERS 41
224

Śiva, nur einen Teil des Reichtums des Höchsten Herrn


yad yad vibhūtimat sattvaˆ repräsentieren. Er ist der Ursprung alles Geborenen, und
śrīmad ūrjitam eva vā niemand ist größer als Er. Er ist samatā, was bedeutet, daß
tad tad evāvagaccha tvaˆ niemand über Ihm steht oder Ihm gleichkommt. Im
mama tejo'ˆśa-sambhavam ViŠu-mantra heißt es, daß jemand, der den Höchsten
Herrn, Śrī KŠa, auf die gleiche Stufe wie die Halbgötter
yat yat—welche immer; vibhūti—Reichtümer; mat—haben; stellt — und seien diese sogar Brahmā oder Śiva —,
sattvam—Existenz; śrīmat-schön; ūrjitam—glorreich; sogleich zum Atheisten wird. Wenn man jedoch sorgfältig
eva—gewiß; vā—oder; tat tat—all jene; eva—gewiß; die verschiedenen Beschreibungen der Reichtümer und
avagaccha—du mußt wissen; tvam—du; mama—Meine; Erweiterungen der Energie KŠas studiert, kann man ohne
tejaƒ—Pracht; aˆśa—zum Teil; sambhavam—geboren jeden Zweifel die Stellung Śrī KŠas verstehen und seinen
von. Geist ohne Abweichung mit der Verehrung KŠas
beschäftigen. Der Herr ist durch die Erweiterung Seiner
ÜBERSETZUNG Teilrepräsentation, die Überseele, die in alles Existierende
eingeht, alldurchdringend. Reine Gottgeweihte sammeln
Wisse, daß alle schönen, herrlichen und mächtigen ihren Geist im KŠa-Bewußtsein in völligem
Schöpfungen nur einem Funken Meiner Pracht hingebungsvollem Dienst und sind daher immer in der tran-
entspringen. szendentalen Stellung verankert. Auf hingebungsvollen
Dienst und die Verehrung KŠas wird in diesem Kapitel
ERLÄUTERUNG sehr deutlich in den Versen acht bis elf hingewiesen. Dort
wird der Vorgang reinen hingebungsvollen Dienstes erklärt.
Jede glorreiche oder schöne Daseinsform — ob in der Wie man die höchste hingebungsvolle Vollkommenheit der
spirituellen oder in der materiellen Welt — sollte als nichts Gemeinschaft mit der Höchsten Persönlichkeit Gottes
anderes als eine fragmentarische Manifestation von KŠas erreichen kann, ist in diesem Kapitel ausführlich erklärt
Reichtum angesehen werden. Alles außerordentlich worden.
Opulente sollte man als eine Repräsentation von KŠas
Reichtum betrachten. Hiermit enden die Bhaktivedanta-Erläuterungen zum
Zehnten Kapitel der Śrīmad-Bhagavad-gītā mit dem Titel:
VERS 42 "Die Füllen des Absoluten".

athavā bahunaitena
kiˆ jñātena tavārjuna
vi˜abhyāham idaˆ ktsnam
ekāˆśena sthito jagat

athavā—oder; bahunā—viele; etena-durch diese Art; kim—


was; jñātena—kennend; tava—du; arjuna—o Arjuna;
vi˜abhya—gesamt; aham—Ich; idam—dieses; ktsnam—
alle Manifestationen; eka—ein; aˆśena—Teil; sthitaƒ—
befindlich; jagat—im Universum.

ÜBERSETZUNG

Doch wozu ist all dieses detaillierte Wissen notwendig, o


Arjuna? Mit einem einzigen Bruchteil Meinerselbst
durchdringe und erhalte Ich das gesamte Universum.

ERLÄUTERUNG

Der Höchste Herr ist in allen materiellen Universen


dadurch repräsentiert, daß Er in alle Dinge als Überseele
eingeht. Der Herr teilt Arjuna hier mit, daß es nicht
notwendig sei, zu verstehen, wie die Dinge in ihrer
gesonderten Fülle und Pracht existieren. Arjuna soll
verstehen, daß alle Dinge nur existieren, weil KŠa in sie
als Überseele eingeht. Alle Lebewesen, von Brahmā, dem
gigantischsten Geschöpf, bis hinab zur kleinsten Ameise,
existieren nur, weil der Herr in jedes einzelne eingegangen
ist und sie erhält.
Von der Verehrung der Halbgötter wird hier abgeraten,
weil sogar die bedeutendsten Halbgötter, wie Brahmā und
225

ELFTES KAPITEL śrutau vistaraśo mayā


tvattaƒ kamala-patrāka
māhātmyam api cāvyayam
Die universale Form
bhava—Erscheinen; apyayau—Fortgehen; hi—gewiß;
VERS 1 bhūtānām-aller Lebewesen; śrutau-sind gehört worden;
vistaraśaƒ—im einzelnen; mayā—von mir; tvattaƒ—von
Dir; kamala-patrāka—o Lotosäugiger; māhātmyam—
arjuna uvāca Herrlichkeiten; api—auch; ca—und; avyayam—
mad anugrahāya paramaˆ unerschöpfliche.
guhyam adhyātma-saˆjñitam
yat tvayoktaˆ vacas tena ÜBERSETZUNG
moho ‘yaˆ vigato mama
O Lotosäugiger, ich habe von Dir im einzelnen über das
arjunaƒ uvāca—Arjuna sagte; mat-anugrahāya—nur, um Erscheinen und Fortgehen eines jeden Lebewesens
mir Gunst zu erweisen; paramam—höchste; guhyam— gehört und dies so durch Deine unerschöpflichen
vertrauliche; adhyātma—spirituelle; saˆjñitam— Herrlichkeiten verwirklicht.
Angelegenheit; yat—welche; tvayā—von Dir; uktam—
gesagten; vacaƒ—Worte; tena-durch diese; mohaƒ— ERLÄUTERUNG
IlIusion; ayam—diese; vigataƒ—ist beseitigt; mama—
meine. Arjuna spricht Śrī KŠa aus Freude als "Lotosäugiger" an
(KŠas Augen gleichen den Blütenblättern eines Lotos),
ÜBERSETZUNG denn KŠa hat ihm im letzten Vers des vorherigen Kapitels
versichert, daß Er das gesamte Universum mit nur einem
Arjuna sagte: Ich habe Deine Unterweisung bezüglich Fragment Seinerselbst erhält. Er ist der Ursprung aller
vertraulicher spiritueller Themen vernommen, die Du Dinge in der materiellen Manifestation, und Arjuna hat
mir in Deiner Güte mitgeteilt hast, und meine Illusion darüber in aller Einzelheit vom Herrn gehört. Arjuna weiß
ist jetzt von mir gewichen. auch, daß KŠa über allem Erscheinen und Fortgehen
steht, obwohl Er die Ursache davon ist. Seine
ERLÄUTERUNG Persönlichkeit geht nicht verloren, obwohl Er
alldurchdringend ist. Das sind die unbegreiflichen Füllen
Dieses Kapitel offenbart KŠa als die Ursache aller KŠas, die Arjuna, wie er sagt, gründlich verstanden hat.
Ursachen. Er ist sogar die Ursache Mahā-ViŠus, von dem
die materiellen Universen ausgehen. KŠa ist keine VERS 3
Inkarnation; Er ist der Ursprung aller Inkarnationen. Das ist
im letzten Kapitel ausführlich erklärt worden. evam etad yathāttha tvaˆ
Was nun Arjuna betrifft, so sagt dieser, daß seine Illusion ātmānaˆ parameśvara
jetzt vorüber ist. Das bedeutet, daß Arjuna KŠa nicht dra˜um icchāmi te rūpam
länger für einen gewöhnlichen Menschen, für einen seiner aiśvaraˆ puruottama
Freunde, hält, sondern versteht, daß KŠa die Quelle allen
Seins ist. Arjuna ist zwar sehr erleuchtet und froh, einen so evam—jenes; etat—dieses; yathāttha—wie es ist; tvam—
bedeutenden Freund wie KŠa zu haben, doch jetzt zieht er Dich; ātmānam—die Seele; parameśvara—den Höchsten
in Erwägung, daß andere, im Gegensatz zu ihm, KŠa Herrn; dra˜um—zu sehen; icchāmi—ich wünsche; te—
nicht als den Ursprung allen Seins anerkennen könnten. Um Deine; rūpam—Form; aiśvaram—göttliche; puruottama—
also allen Menschen das göttliche Wesen KŠas zu o beste der Persönlichkeiten.
beweisen, bittet er KŠa in diesem Kapitel, Seine
universale Form zu zeigen. Eigentlich bekommt man ÜBERSETZUNG
Angst, genau wie Arjuna, wenn man die universale Form
KŠas sieht, doch KŠa ist so gütig, daß Er wieder Seine O größte aller Persönlichkeiten, o höchste Gestalt,
ursprüngliche Gestalt annimmt, nachdem Er diese Form obwohl ich Dich in Deiner wirklichen Identität hier vor
gezeigt hat. Arjuna stimmt dem, was KŠa sagt, mehrere mir sehe, möchte ich außerdem sehen, wie Du in diese
Male zu. KŠa spricht zu ihm nur zu seinem Nutzen, und kosmische Manifestation eingegangen bist. Ich wünsche
Arjuna gesteht, daß ihm all dies durch KŠas Gnade mir, diese Deine Form zu sehen.
geschieht. Er ist jetzt davon überzeugt, daß KŠa die
Ursache aller Ursachen ist und im Herzen eines jeden als ERLÄUTERUNG
Überseele weilt.
Der Herr sagte, daß die kosmische Manifestation nur
VERS 2 möglich geworden sei und fortbestehe, weil Er durch Seine
persönliche Repräsentation in das materielle Universum
bhavāpyayau hi bhūtānāˆ eingegangen sei. Was nun Arjuna betrifft, so ist er durch
die Aussagen KŠas erleuchtet worden, doch um andere in
226

der Zukunft zu überzeugen, die KŠa für einen Herr verfügt über unbegreifliche Macht. Wenn es Ihm
gewöhnlichen Menschen halten mögen, möchte er KŠa in beliebt, kann Er Sich, obwohl Er unbegrenzt ist, durch
Seiner universalen Form sehen, um zu sehen, wie Er vom Seine Gnade offenbaren. Deshalb bittet Arjuna um die
Innern des Universums aus handelt, obwohl Er entfernt unbegreifliche Gnade KŠas. Er gibt KŠa keine Befehle.
davon ist. Daß Arjuna den Herrn um Zustimmung bittet, ist KŠa ist nicht verpflichtet, Sich irgend jemandem zu
ebenfalls bedeutsam. Da der Herr die Höchste offenbaren, solange man sich nicht völlig dem KŠa-
Persönlichkeit Gottes ist, ist Er in Arjuna persönlich Bewußtsein hingibt und sich im hingebungsvollen Dienst
anwesend; deshalb kennt Er Arjunas Wunsch, und Er kann beschäftigt. Folglich ist es für Menschen, die auf die Kraft
verstehen, daß Arjuna keinen besonderen Wunsch hat, Ihn ihrer gedanklichen Spekulation bauen, nicht möglich,
in Seiner universalen Form zu sehen, denn er ist völlig KŠa zu sehen.
damit zufrieden, Ihn in Seiner persönlichen Gestalt als
KŠa zu sehen. Aber Er kann auch verstehen, daß Arjuna VERS 5
die universale Form sehen möchte, um andere zu
überzeugen. Er hatte keinen persönlichen Wunsch nach śrī bhagavān uvāca
Bestätigung. KŠa versteht auch, daß Arjuna die universale paśya me pārtha rūpāŠi
Form sehen möchte, um ein Kriterium zu setzen, da es in śataśo'tha sahasraśaƒ
der Zukunft viele Betrüger geben würde, die sich selbst als nānā-vidhāni divyāni
Inkarnationen Gottes ausgeben würden. Die Menschen nānā-varŠāktīni ca
sollten daher vorsichtig sein; wer behauptet, KŠa zu sein,
sollte bereit sein, die universale Form zu zeigen, um seine śrī bhagavān uvāca—die Höchste Persönlichkeit Gottes
Behauptung zu beweisen. sprach; paśya-sieh nur; me—Meine; pārtha—o Sohn
Pthās; rūpāŠi—Formen; śataśaƒ—Hunderte; atha—auch;
VERS 4 sahasraśaƒ—Tausende; nānā-vidhāni—mannigfaltig;
divyāni—göttlich; nānā—vielfältig; varŠa—gefärbt;
manyase yadi tac chakyaˆ aktīni—Formen; ca—auch.
mayā dra˜um iti prabho
yogeśvara tato me tvaˆ ÜBERSETZUNG
darśayātmānam avyayam
Der Segenspendende Herr sprach: Mein lieber Arjuna,
manyase—wenn Du denkst; yadi—wenn; tat—dieses; o Sohn Pthās, betrachte jetzt Meine Reichtümer —
śakyam—imstande sein zu sehen; mayā—von mir; Hunderttausende verschiedener göttlicher Formen,
dra˜um—sehen; iti—so; prabho—o Herr; yogeśvara—der vielfarbig wie die See.
Herr aller mystischen Macht; tataƒ—dann; me—mir;
tvam—Du; darśaya—zeigst; ātmānam—Dich: avyayam— ERLÄUTERUNG
ewig.
Arjuna wollte KŠa in Seiner universalen Form sehen, die
ÜBERSETZUNG — obwohl eine transzendentale Form — nur für die
kosmische Manifestation manifestiert und daher der
Wenn Du denkst, daß ich imstande bin, Deine kosmische zeitweiligen materiellen Natur unterworfen ist. Ähnlich wie
Form zu betrachten, o mein Herr, o Meister aller die materielle Natur mal manifestiert und mal nicht
mystischen Macht, dann sei bitte so gütig, mir dieses manifestiert ist, so ist auch diese universale Form KŠas
universale Selbst zu zeigen. mal manifestiert und mal unmanifestiert. Sie weilt nicht
ewig im spirituellen Himmel wie KŠas andere Formen.
ERLÄUTERUNG Was den Gottgeweihten betrifft, so ist er nicht bestrebt, die
universale Form zu sehen; doch weil Arjuna KŠa so sehen
Es wird gesagt, daß man den Höchsten Herrn, KŠa, mit wollte, offenbart KŠa diese Form. Diese universale Form
den materiellen Sinnen weder sehen noch hören, noch kann von keinem gewöhnlichen Menschen gesehen
verstehen, noch wahrnehmen kann. Wenn man jedoch im werden. KŠa muß einem die Fähigkeit geben, sie zu
transzendentalen liebevollen Dienst für den Herrn tätig ist, sehen.
kann man den Herrn durch Offenbarung sehen. Jedes
Lebewesen ist nur ein spiritueller Funke; deshalb ist es VERS 6
nicht möglich, den Höchsten Herrn zu sehen oder zu
verstehen. Arjuna verläßt sich als Gottgeweihter nicht auf paśyādityān vasūn rudrān
die Kraft seiner Spekulation; vielmehr gesteht er seine aśvinau marutas tathā
Grenzen als Lebewesen ein und erkennt KŠas bahūny ad˜a-pūrvaŠi
unermeßliche Stellung an. Arjuna konnte verstehen, daß es paśyāścaryāŠi bhārata
einem Lebewesen nicht möglich ist, den unbegrenzten
Unendlichen zu verstehen. Wenn sich der Unendliche paśya-siehe; ādityān—die zwölf Söhne Aditis; vasūn—die
jedoch offenbart, ist es möglich, durch die Gnade des acht Vasus; rudrān—die elf Formen Rudras; aśvinau—die
Unendlichen das Wesen des Unendlichen zu verstehen. Das beiden Aśvinis; marutaƒ—die neunundvierzig Maruts
Wort yogeśvara ist hier ebenfalls sehr bedeutsam, denn der (Halbgötter des Windes); tathā—auch; bahūni—viele;
227

ad˜a—was du weder gehört noch gesehen hast; pūrvāŠi— na—niemals; tu—aber; mām—Mich; śakyase—imstande;
vorher; paśya-sieh dort; āścaryāŠi—all das Wunderbare; dra˜um—zu sehen; anena—durch diese; eva—gewiß;
bhārata—o bester der Bhāratas. sva-cakuā—mit deinen eigenen Augen; divyam-göttliche;
dadāmi—Ich gebe; te—dir; cakuƒ—Augen; paśya—zu
ÜBERSETZUNG sehen; me—Meinen; yogam aiśvaram—unbegreiflichen
mystischen Reichtum.
O bester der Bhārats, sich nur die verschiedenen
Manifestationen der Ādityas, Rudras und aller ÜBERSETZUNG
Halbgötter. Betrachte die Vielfalt, die niemand zuvor
gesehen und von der niemand jemals zuvor etwas gehört Doch mit deinen gegenwärtigen Augen kannst du Mich
hat. nicht sehen. Deshalb gebe Ich dir göttliche Augen, mit
denen du Meinen mystischen Reichtum betrachten
ERLÄUTERUNG kannst.

Obwohl Arjuna ein persönlicher Freund KŠas und der ERLÄUTERUNG


fortgeschrittenste Gelehrte seiner Zeit war, war es ihm
dennoch nicht möglich, alles über KŠa zu wissen. Hier Ein reiner Gottgeweihter möchte KŠa in keiner anderen
heißt es, daß Menschen von all diesen Formen und Form als in Seiner zweihändigen Gestalt sehen. Er kann
Manifestationen weder gehört noch gewußt haben. Jetzt Seine universale Form nur durch die Gnade des Herrn
offenbart KŠa diese wunderbaren Formen. schauen, das heißt, nicht mit dem Verstand, sondern mit
spirituellen Augen. Um die universale Form KŠas zu
VERS 7 sehen, wird Arjuna angewiesen, nicht seine Gedanken,
sondern seine Sicht zu verändern. Die universale Form
ihaikasthaˆ jagat ktsnaˆ KŠas ist nicht sehr wichtig, wie aus den folgenden Versen
paśyādya sa-carācaram deutlich werden wird; aber weil Arjuna sie sehen wollte,
mama dehe guākeśa gab ihm der Herr die besondere Sicht, die notwendig ist,
yac cānyad dra˜um icchasi um diese universale Form zu sehen.
Geweihte, die in rechter Weise durch eine transzendentale
iha—in diesem; ekastham—in einem; jagat—das Beziehung mit dem Herrn verbunden sind, werden durch
Universum; ktsnam—vollständig; paśyā-sieh; adya-sofort; liebenswerte Merkmale angezogen, nicht durch eine
sa—mit; cara—sich bewegend; acaram-sich nicht gottlose Entfaltung von Reichtümern. Die Spielkameraden
bewegend; mama—Meinem; dehe—in diesem Körper; KŠas, die Freunde KŠas und die Eltern KŠas wollen
guākeśa—o Arjuna; yat-das; ca—auch; anyat—anderes; nie, daß KŠa Seine Füllen offenbart. Sie sind so sehr von
dra˜um-sehen; icchasi—du möchtest. reiner Liebe erfüllt, daß sie nicht einmal wissen, daß KŠa
die Höchste Persönlichkeit Gottes ist. In ihrem liebevollen
ÜBERSETZUNG Austausch vergessen sie, daß KŠa der Höchste Herr ist.
Im Śrīmad-Bhāgavatam heißt es, daß die Jungen, die mit
Was immer du zu sehen wünschst, kann alles auf einmal KŠa spielen, alle überaus fromme Seelen sind und daß sie
in diesem Körper gesehen werden. Diese universale erst nach vielen, vielen Geburten die Eignung erwarben,
Form kann dir alles zeigen, was du dir jetzt wünschst, mit KŠa zu spielen. Diese Jungen wissen nicht, daß KŠa
sowie alles, was du dir in der Zukunft wünschen magst. die Höchste Persönlichkeit Gottes ist. Sie betrachten Ihn als
Alles ist hier vollständig vorhanden. ihren Freund. Die Höchste Person wird von großen Weisen
als das unpersönliche Brahman angesehen, von den
ERLÄUTERUNG Gottgeweihten als die Höchste Persönlichkeit Gottes und
von gewöhnlichen Menschen als ein Produkt der
Niemand kann das gesamte Universum von einem Ort aus materiellen Natur.
sehen. Selbst der fortgeschrittenste Wissenschaftler kann Eigentlich liegt dem Gottgeweihten nichts daran, die
nicht sehen, was in anderen Teilen des Universums vor sich viśva-rūpa oder die universale Form zu sehen; doch Arjuna
geht. KŠa gibt Arjuna die Kraft, alles zu sehen, was er wollte sie sehen, um KŠas Aussage zu erhärten, so daß in
sehen möchte — in Vergangenheit, Gegenwart und der Zukunft die Menschen verstehen könnten, daß Sich
Zukunft. Somit ist Arjuna durch die Barmherzigkeit KŠas KŠa nicht nur theoretisch oder philosophisch als der
imstande, alles zu sehen. Höchste präsentierte, sondern Sich Arjuna tatsächlich als
solcher offenbarte. Arjuna muß dies bestätigen, denn mit
VERS 8 ihm beginnt das paramparā-System. Diejenigen, die
tatsächlich daran interessiert sind, die Höchste
na tu māˆ śakyase dra˜um Persönlichkeit Gottes, KŠa, zu verstehen, und die den
anenaiva sva-cakuā Fußspuren Arjunas folgen, sollten verstehen, daß Sich
divyaˆ dadāmi te cakuƒ KŠa nicht nur theoretisch oder philosophisch als der
paśya me yogam aiśvaram Höchste präsentierte, sondern Sich Arjuna tatsächlich als
der Höchste offenbarte.
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Wie wir bereits erklärt haben, gab der Herr Arjuna die ERLÄUTERUNG
notwendige Kraft, die universale Form zu sehen, weil Er
wußte, daß Arjuna sie nicht aus einem persönlichen Motiv Diese beiden Verse deuten darauf hin, daß der Herr
sehen wollte. unbegrenzt viele Hände, Münder, Beine usw. hat. Diese
Manifestationen sind überall im Universum verteilt und
VERS 9 kennen keine Grenzen. Durch die Gnade des Herrn konnte
Arjuna sie sehen, während er an einem Ort saß. Das war
sañjaya uvāca allein der unbegreiflichen Kraft des Herrn zu verdanken.
evam uktvā tato rājan
mahā-yogeśvaro hariƒ VERS 12
darśayāmāsa pārthāya
paramaˆ rūpam aiśvaram divi sūrya-sahasrasya
bhaved yugapad utthitā
sañjayaƒ uvāca—Sañjaya sagte; evam—so; uktvā— yadi bhāƒ sadśī sā syād
sprechend; tataƒ-danach; rājan—o König; bhāsas tasya mahātmanaƒ
mahā-yogeśvaraƒ—der mächtigste Mystiker; hariƒ—die
Höchste Persönlichkeit Gottes, KŠa; darśayāmāsa— divi—am Himmel; sūrya-Sonne; sahasrasya—von vielen
zeigte; pārthāya—Arjuna; paramam—göttliche: rūpam— tausend; bhavet—waren dort; yugapat—gleichzeitig;
universale Form; aiśvaram—Reichtümer. utthitā—gegenwärtig; yadi—wenn; bhāƒ—Licht; sadśī—
wie das; sā-das; syāt—mag sein; bhāsaƒ—Glanz; tasya—
ÜBERSETZUNG gibt es; mahātmanaƒ—des großen Herrn.

Sañjaya sagte: O König, mit diesen Worten offenbarte ÜBERSETZUNG


der Höchste, der Herr aller mystischen Kraft, die
Persönlichkeit Gottes, Arjuna Seine universale Form. Wenn Hunderttausende von Sonnen gleichzeitig in den
Himmel stiegen, kämen sie dem Glanz der Höchsten
VERS 10-11 Person in dieser universalen Form vielleicht gleich.

aneka-vaktra-nayanam ERLÄUTERUNG
anekādbhuta-darśanam
aneka-divyābharaŠaˆ Was Arjuna sah, war unbeschreiblich; trotzdem versucht
divyānekodyatāyudham Sañjaya, dem blinden Dhtarā˜ra eine Vorstellung von
dieser großen Offenbarung zu geben. Weder Sañjaya noch
divya-mālyāmbara-dharaˆ Dhtarā˜ra waren auf dem Schlachtfeld zugegen, doch
divya-gandhānulepanam Sañjaya konnte durch die Gnade Vyāsas alle Geschehnisse
sarvāścaryamayaˆ devam beobachten. Daher vergleicht er jetzt die Situation, soweit
anantaˆ viśvato-mukham sie überhaupt verstanden werden kann, mit einem
vorstellbaren Phänomen (nämlich mit Tausenden von
aneka—vielfache; vaktra—Münder; nayanam—Augen; Sonnen).
aneka—vielfache; adbhuta—wunderbarer; darśanam—
Anblick; aneka—viele; divya—göttliche; ābharaŠam- VERS 13
Schmuckstücke; divya—göttliche; aneka—vielfache;
udyata—erhobene; āyudham—Waffen; divya—göttliche; tatraikasthaˆ jagat ktsnaˆ
mālya—Girlanden; ambara-dharam—mit Gewändern pravibhaktam anekadhā
bekleidet; divya—göttlicher; gandha—Duft; anulepanam— apaśyad deva-devasya
gesalbt; sarva—alles; aścaryamayam—wunderbar; devam— śarīre pāŠavas tadā
glänzend; anantam—unbegrenzt; viśvataƒ-mukham-
alldurchdringend. tatra—dort; ekastham—ein Ort; jagat—Universum;
ktsnam—vollständig; pravibhaktam—unterteilt in;
ÜBERSETZUNG anekadhā—viele Arten; apaśyat—konnte sehen;
deva-devasya—der Höchsten Persönlichkeit Gottes;
Arjuna sah in dieser universalen Form unzählige śarīre—in der universalen Form; pāŠavaƒ—Arjuna;
Münder und zahllose Augen. Das alles war tadā—zu dieser Zeit.
überwältigend. Die Form war mit göttlichem,
gleißendem Geschmeide geschmückt und in viele ÜBERSETZUNG
Gewänder gehüllt. Herrliche Girlanden bekränzten den
Herrn, und Sein Körper war mit vielen wohlriechenden Da konnte Arjuna in der universalen Form des Herrn
Ölen gesalbt. Alles war prachtvoll und erweiterte sich die grenzenlosen Erweiterungen des Universums sehen,
überallhin ins Grenzenlose. All das wurde von Arjuna die sich alle an einem Ort befanden, obwohl es ihrer
geschaut. viele, viele Tausende waren.
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ERLÄUTERUNG Höchsten Herrn überwältigt. Die unmittelbare Folge ist


Erstaunen; seine natürliche liebende Freundschaft war von
Das Wort tatra (dort) ist sehr bedeutsam. Es deutet darauf Erstaunen überwältigt worden, und daher reagierte er auf
hin, daß sowohl Arjuna als auch KŠa auf dem diese Weise.
Streitwagen saßen, als Arjuna die universale Form sah.
Andere auf dem Schlachtfeld konnten diese Form nicht VERS 15
sehen, weil KŠa diese Sicht nur Arjuna gab. Arjuna
konnte im Körper KŠas viele Tausende von Universen arjuna uvāca
sehen. Aus den vedischen Schriften erfahren wir, daß es paśyāmi devāˆs tava deva dehe
viele Universen und viele Planeten gibt. Einige von ihnen sarvāˆs tathā bhūta-viśea-sa‰ghān
bestehen aus Erde, einige aus Gold und andere aus brahmāŠam īśaˆ kamalāsana-stham
Juwelen; einige sind sehr groß, andere sind weniger groß, īˆś ca sarvān uragāˆś ca divyān
usw. Während Arjuna auf seinem Streitwagen saß, konnte
er all diese Universen sehen. Aber niemand konnte arjunaƒ uvāca—Arjuna sprach; paśyāmi—ich sehe; devān-
verstehen, was zwischen Arjuna und KŠa vorging. alle Halbgötter; tava—Deinem; deva—o Herr; dehe—im
Körper; sarvān-alle; tathā—auch; bhūta—Lebewesen;
VERS 14 viśea-sa‰ghān—insbesondere versammelt; brahmāŠam—
Brahmā; īśam—Śiva; kamala-āsana-stham—auf der
tataƒ sa vismayāvi˜o Lotosblume sitzend; īn-große Weise; ca—auch; sarvān—
h˜a-romā dhanañjayaƒ alle; uragān—Schlangen; ca-auch; divyān—göttliche.
praŠamya śirasā devaˆ
ktāñjalir abhāata ÜBERSETZUNG

tataƒ—danach; saƒ—er; vismayāvi˜aƒ—von Arjuna sprach: Mein lieber Śrī KŠa, ich sehe in
Verwunderung überwältigt; h˜a-romā—während sich Deinem Körper alle Halbgötter und verschiedene
seine Körperhaare aufgrund seiner großen Ekstase andere Lebewesen versammelt. Ich sehe Brahmā auf
sträubten; dhanañjayaƒ—Arjuna; praŠamya— der Lotosblume sitzen, und ich kann auch Śiva sowie
Ehrerbietungen darbringend; śirasā—mit dem Kopf; viele Weise und göttliche Schlangen erkennen.
devam—der Höchsten Persönlichkeit Gottes; ktāñjaliƒ—
mit gefalteten Händen; abhāata—begann zu sprechen. ERLÄUTERUNG

ÜBERSETZUNG Arjuna sieht alles im Universum; folglich sieht er Brahmā,


der das erste Geschöpf im Universum ist, und die göttliche
Da Arjuna verwirrt und erstaunt war und seine Haare Schlange, auf der Garbhodakaśāyī ViŠu in den unteren
sich sträubten, begann er mit gefalteten Händen zu Regionen des Universums liegt. Dieses Schlangenbett wird
beten, während er dem Höchsten Herrn Ehrerbietungen Vāsuki genannt. Arjuna kann von Garbhodakaśāyī ViŠu
darbrachte. bis hinauf zum höchsten Bereich des Universums auf den
Lotos-Planeten sehen, auf dem Brahmā, das erste Lebewe-
ERLÄUTERUNG sen des Universums, residiert. Dies bedeutet, daß Arjuna
von Anfang bis Ende alles sehen konnte, während er an
Sobald die göttliche Offenbarung geschehen ist, ändert sich einem Ort auf seinem Streitwagen saß. Das war durch die
das Verhältnis zwischen KŠa und Arjuna. Bisher beruhte Gnade KŠas, des Höchsten Herrn, möglich.
ihre Beziehung auf Freundschaft, doch nach der
Offenbarung bringt Arjuna mit großer Achtung VERS 16
Ehrerbietungen dar und betet mit gefalteten Händen zu
KŠa. Er lobpreist die universale Form. Somit wird die aneka-bāhūdara-vaktra-netraˆ
Beziehung zwischen Arjuna und KŠa eher zu einem paśyāmi tvāˆ sarvato'nanta-rūpam
Verhältnis des Erstaunens als zu einem der Freundschaft. nāntaˆ na madhyaˆ na punas tavādiˆ
Große Gottgeweihte sehen KŠa als das Behältnis aller paśyāmi viśveśvara viśva-rūpa
Beziehungen. In den Schriften werden zwölf grundlegende
Beziehungen erwähnt, und sie alle sind in KŠa zu finden. aneka—viele; bāhū—Arme; udara—Bäuche; vaktra—
Es wird gesagt, daß Er der Ozean aller Beziehungen ist, die Münder; netram—Augen; paśyāmi—ich sehe; tvām—in
zwischen den Lebewesen, den Göttern oder dem Höchsten Dir; sarvataƒ—von allen Seiten; ananta-rūpam—un-
Herrn und Seinen Geweihten ausgetauscht werden. begrenzte Form; na antam—es gibt kein Ende; na
Es heißt, daß Arjuna von der Beziehung des Erstaunens madhyam—es gibt keine Mitte; na punaƒ—auch nicht
überwältigt war, und in diesem Erstaunen wurde er — wieder; tava—Dein; ādim—Anfang; paśyāmi—ich sehe;
obwohl von Natur aus sehr nüchtern, besonnen und ruhig viśveśvara—o Herr des Universums; viśva-rūpa—in der
— von Ekstase überwältigt, und seine Haare sträubten sich. Form des Universums.
Mit gefalteten Händen begann er daher dem Höchsten
Herrn seine Ehrerbietungen zu erweisen. Selbstverständlich ÜBERSETZUNG
hatte er keine Angst — doch er war von den Wundern des
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O Herr des Universums, ich sehe in Deinem universalen anādi—ohne Anfang; madhya—ohne Mitte; antam—ohne
Körper zahllose Formen — Arme, Bäuche, Münder und Ende; ananta—unbegrenzt; vīryam—glorreich; ananta—
Augen —, die sich ins Grenzenlose ausdehnen. All dies unbegrenzt; bāhum—Arme; śaśi—Mond; sūrya-Sonne;
hat kein Ende, keinen Anfang und keine Mitte. netram—Augen; paśyāmi—ich sehe; tvām—Dich; dīpta—
lodernd; hutāśa-vaktram—Feuer, das aus Deinem Mund
ERLÄUTERUNG kommt; sva-tejasā—durch Deine; viśvam—das Universum;
idam—dieses; tapantam—erhitzend.
KŠa ist die Höchste Persönlichkeit Gottes, und Er ist
unbegrenzt; deshalb konnte durch Ihn alles gesehen ÜBERSETZUNG
werden.
Du bist der Ursprung ohne Anfang, Mitte oder Ende.
VERS 17 Du hast zahllose Arme, und die Sonne und der Mond
gehören zu Deinen großen, unbegrenzten Augen. Durch
kirī˜inaˆ gadinaˆ cakriŠaˆ ca Deinen strahlenden Glanz erhitzt Du das gesamte
tejorāśiˆ sarvato dīptimantam Universum.
paśyāmi tvāˆ durnirīkyaˆ samantād
dīptānalārka-dyutim aprameyam ERLÄUTERUNG

kirī˜inam—mit Helmen; gadinam—mit Keulen; cakriŠam— Dem Ausmaß der sechs Reichtümer der Höchsten
mit Rädern; ca—und; tejorāśim—Glanz; sarvataƒ—alle Persönlichkeit Gottes sind keine Grenzen gesetzt. Hier und
Seiten; dīptimantam—leuchtend; paśyāmi—ich sehe; an vielen anderen Stellen findet man eine Wiederholung,
tvām—Dich; durnirīkyam—schwer zu sehen; samantāt— aber den Schriften gemäß ist die Wiederholung der
verbreitend; dīpta-anala— loderndes Feuer; arka—Sonne; Herrlichkeit KŠas keine literarische Schwäche. Es heißt,
dyutim—Sonnenschein; aprameyam—unermeßlich. daß bei Verwirrung, Erstaunen oder großer Ekstase
Aussagen immer wieder wiederholt werden. Das ist kein
ÜBERSETZUNG Fehler.

Der Anblick Deiner Form, die verschiedene Kronen, VERS 20


Keulen und Räder schmücken, ist kaum zu ertragen, da
eine gleißende Ausstrahlung von ihr ausgeht, die feurig dyāv āpthivyor idam antaraˆ hi
und unermeßlich ist wie die Sonne. vyāptaˆ tvayaikena diśaś ca sarvāƒ
d˜vādbhutaˆ rūpam ugraˆ tavedaˆ
VERS 18 loka-trayaˆ pravyathitaˆ mahātman

tvam akaraˆ paramaˆ veditavyaˆ dyau—im All; āpthivyoƒ—der Erde; idam—dieses;


tvam asya viśvasya paraˆ nidhānam antaram—dazwischen; hi—gewiß; vyāptam—
tvam avyayaƒ śāśvata-dharma-goptā durchdrungen; tvayā—von Dir; ekena—von einem; diśaƒ—
sanātanas tvaˆ puruo mato me Richtungen; ca—und; sarvāƒ—alle; d˜vā—durch Sehen;
adbhutam—wundervolle; rūpam—Form; ugram—
tvam—Du; akaram—unerschöpflich; paramam—am fürchterlich; tava—Deine; idam—diese; loka—
höchsten; veditavyam—zu verstehen; tvam—Du; asya— Planetensystem; trayam—drei; pravyathitam—verwirrt;
von diesem; viśvasya—des Universums; param—höchste; mahātman—o Erhabener.
nidhānam—Grundlage; tvam—Du bist; avyayaƒ—
unerschöpflich; śāśvata-dharma-goptā—Erhalter der ÜBERSETZUNG
ewigen Religion; sanātanaƒ—ewig; tvam—Du; puruaƒ—
Höchste Persönlichkeit; mataƒ me—ist meine Meinung. Obwohl Du Einer bist, bist Du überall im Himmel, auf
den Planeten und im Raum dazwischen verbreitet. O
ÜBERSETZUNG Erhabener, während ich diese schreckliche Form
betrachte, sehe ich, daß die Bewohner aller
Du bist das höchste, ursprüngliche Ziel; Du bist der Planetensysteme bestürzt sind.
Vortrefflichste in allen Universen; Du bist
unerschöpflich, und Du bist der Älteste; Du bist der ERLÄUTERUNG
Erhalter der Religion, die ewige Persönlichkeit Gottes.
Dyāv-āpthivyoƒ (der Raum zwischen Himmel und Erde)
VERS 19 und lokatrayam (die drei Welten) sind bedeutsame Worte in
diesem Vers, da anscheinend nicht nur Arjuna die
anādi-madhyāntam ananta-vīryam universale Form des Herrn sah, sondern auch andere auf
ananta-bāhuˆ śaśi-sūrya-netram anderen Planetensystemen. Die Erscheinung war kein
paśyāmi tvāˆ dīpta-hutāśa-vaktraˆ Traum. Alle, die spirituell wach waren und die göttliche
sva-tejasā viśvam idaˆ tapantam Sicht besaßen, sahen diese Form.
231

VERS 21 rūpam—Form; mahat—sehr große; te—von Dir: bahu—


viele; vaktra-Gesichter; netram—Augen; mahā-bāho—o
amī hi tvām sura-sa‰ghā viśanti Starkarmiger; bahu—viele; bāhu—Arme; ūru—Schenkel;
kecid bhītāƒ prāñjalayo gŠanti pādam—Beine; bahu-udaram—viele Bäuche;
svastīty uktvā mahari-siddha-sa‰ghāƒ bahu-daˆ˜rā—viele Zähne; karālam—fürchterlich;
stuvanti tvāˆ stutibhiƒ pukalābhiƒ d˜vā—sehend; lokāƒ—alle Planeten; pravyathitāƒ—
verwirrt; tathā—in ähnlicher Weise; aham—ich.
amī—all jene; hi—gewiß; tvām—in Dich; sura-sa‰ghāƒ—
Gruppen von Halbgöttern; viśanti-geben ein; kecit—einige ÜBERSETZUNG
von ihnen; bhītāƒ—aus Furcht; prāñjalayaƒ—mit
gefalteten Händen; gŠanti—bringen Gebete dar; svasti— O Starkarmiger, alle Planeten mit ihren Halbgöttern
aller Frieden; iti—so; uktvā—in dieser Weise sprechend; sind bestürzt beim Anblick Deiner vielen Gesichter,
mahari—große Weise; siddha-sa‰ghāƒ—vollkommene Augen, Arme, Bäuche, Beine und Deiner fürchterlichen
Weise; stuvanti—Hymnen singend; tvām—für Dich; Zähne. Und wie sie, so bin auch ich verwirrt.
stutibhiƒ—mit Gebeten; pukalābhiƒ—vedische Hymnen.
VERS 24
ÜBERSETZUNG
nabhaƒ spśaˆ dīptam aneka-varŠaˆ
Alle Halbgötter ergeben sich Dir und gehen in Dich ein. vyāttānanaˆ dīpta-viśāla-netram
Sie fürchten sich sehr und singen mit gefalteten Händen d˜vā hi tvāˆ pravyathitāntarātmā
vedische Hymnen. dhtiˆ na vindāmi śamaˆ ca viŠo

ERLÄUTERUNG nabhaƒ spśam—den Himmel berührend; dīptam—


leuchtende; aneka—viele; varŠam—Farbe; vyāttā—offener;
Die Halbgötter auf allen Planetensystemem fürchteten sich ānanam—Mund; dīpta—leuchtend; viśāla—sehr große;
vor der angsteinflößenden Manifestation der universalen netram—Augen; d˜vā—wenn man sieht; hi—gewiß;
Form und ihrer leuchtenden Ausstrahlung und beteten tvām—Dich; pravyathitā—verwirrt; antaƒ—innen; ātmā—
deshalb um Schutz. Seele; dhtim—Beständigkeit; na—keine; vindāmi—und
haben; śamam-Gleichmut; ca—auch; viŠo—o Śrī ViŠu.
VERS 22
ÜBERSETZUNG
rudrādityā vasavo ye ca sādhyā
viśve'śvinau marutaś comapāś ca O alldurchdringender ViŠu, ich kann meinen
gandharva-yakāsura-siddha-sa‰ghā GIeichmut nicht länger bewahren. Wenn ich sehe, wie
vīkante tvāˆ vismitāś caiva sarve Deine leuchtenden Farben den Himmel bedecken, und
wenn ich Deine Augen und Münder betrachte,
rudra—Manifestationen Śivas; ādityāƒ—die Ādityas; überkommt mich Angst.
vasavaƒ—die Vasus; ye—all diese; ca—und; sādhyāƒ—die
Sādhyas; viśve—die Viśvadevas; aśvinau—die VERS 25
Aśvinīkumāras; marutaƒ—die Maruts; ca—und;
umapāƒ—die Vorväter; ca—und; gandharva—die daˆ˜rā-karālāni ca te mukhāni
Gandharvas; yaka—die Yakas; asura-siddha—die d˜vaiva kālānala-sannibhāni
Dämonen und die vollkommenen Halbgötter; sa‰ghāƒ— diśo na jāne na labhe ca śarma
Versammlungen; vīkante—sehen; tvām—Dich; vismitāƒ— prasīda deveśa jagan-nivāsa
mit Erstaunen; ca—auch; eva—gewiß; sarve—alle.
daˆ˜rā—Zähne; karālāni—wie diese; ca—auch; te—
ÜBERSETZUNG Deine; mukhāni—Gesichter; d˜vā—sehend; eva—so;
kālānala—das Feuer des Todes; sannibhāni—als ob
Die verschiedenen Manifestationen Śivas, die Ādityas, lodernd; diśaƒ—die Richtungen; na jāne—weiß nicht; na
die Vasus, die Sādhyas, die Viśvadevas, die beiden labhe—noch bekomme; ca śarma—und Gnade; prasīda—
Aśvins, die Māruts, die Vorväter sowie die Gandharvas, sei erfreut; deveśa—o Herr aller Herren; jagat-nivāsa—
die Yakas, die Asuras und alle vollkommenen Zuflucht der Welten.
Halbgötter betrachten Dich mit Erstaunen.
ÜBERSETZUNG
VERS 23
O Herr aller Herren, o Zuflucht der Welten, bitte sei
rūpaˆ mahat te bahu-vaktra-netraˆ mir gnädig. Ich kann meinen Gleichmut nicht
mahā-bāho bahu-bāhūru-pādam bewahren, wenn ich Deine lodernden, todähnlichen
bahūdaraˆ bahu-daˆ˜rā-karālaˆ Gesichter und Deine fürchterlichen Zähne sehe. Ich bin
d˜vā lokāƒ pravyathitās tathāham völlig verwirrt.
232

VERS 26-27 nara-loka-vīrāƒ—die Könige der menschlichen


Gesellschaft; viśanti—eingehend; vaktrāŠi—in die Münder;
amī ca tvāˆ dhtarā˜rasya putrāƒ abhivijvalanti—lodernde.
sarve sahaivāvanipāla-sa‰ghaiƒ
bhīmo droŠaƒ sūta-putras tathāsau ÜBERSETZUNG
sahāsmadīyair api yodha-mukhyaiƒ
Wie sich die Flüsse ins Meer ergießen, so stürzen all
vaktrāŠi te tvaramāŠā viśanti diese großen Krieger in Deine lodernden Münder und
daˆ˜rā-karālāni bhayānakāni vergehen.
kecid vilagnā daśanāntareu
sandśyante cūrŠitair uttamā‰gaiƒ VERS 29

amī—all jene; ca—auch; tvām—Dich; dhtarā˜rasya— yathā pradīptaˆ jvalanaˆ pata‰gā


Dhtarā˜ras; putrāƒ—Söhne; sarva—alle; saha eva— viśanti nāśāya samddha-vegāƒ
zusammen mit; avanipāla—kriegerischen Königen; tathaiva nāśāya viśanti lokās
sa‰ghaiƒ—mit den Gruppen; bhīmaƒ—Bhīmadeva; tavāpi vaktrāŠi samddha-vegāƒ
droŠaƒ—DroŠācārya; sūta-putraƒ—KarŠa; tathā—auch;
asau-das; saha—mit; asmadīyaiƒ—unser; api—auch; yathā—wie; pradīptam—loderndes; jvalanam—Feuer;
yodha-mukhyaiƒ-Oberster unter den Kriegern; vaktrāŠi— pata‰gāƒ—Motten; viśanti—gehen ein; nāśāya—
Münder; te—Deine; tvaramāŠāƒ—entsetzlich; viśanti— Zerstörung; samddha—volle; vegāƒ-Geschwindigkeit;
eingehend; daˆ˜rā—Zähne; karālāni—schreckliche; tathā eva—in ähnlicher Weise; nāśāya—zur Zerstörung;
bhayānakāni—sehr furchterregend; kecit—einige von viśanti—eingehend; lokāƒ—alle Menschen; tava—in Dich;
ihnen; vilagnāƒ—angegriffen; daśanāntareu—zwischen api—auch; vaktrāŠi—in die Münder; samddha-vegāƒ—
den Zähnen; sandśyante—gesehen; cūrŠitaiƒ—zer- mit rasender Geschwindigkeit.
schmettert; uttama-a‰gaiƒ—Kopf.
ÜBERSETZUNG
ÜBERSETZUNG
Ich sehe alle Menschen mit rasender Geschwindigkeit in
Alle Söhne Dhtarā˜ras stürzen zusammen mit ihren Deine Münder stürzen, so wie Motten in ein loderndes
verbündeten Königen sowie Bhīma, DroŠa und KarŠa Feuer jagen.
und all unseren Soldaten in Deine Münder, wo ihre
Köpfe von Deinen furchterregenden Zähnen VERS 30
zerschmettert werden. Und ich sehe, daß einige
zwischen Deinen Zähnen auch zermalmt werden. lelihyase grasamānaƒ samantāl
lokān samagrān vadanair jvaladbhiƒ
ERLÄUTERUNG tejobhir āpūrya jagat samagraˆ
bhāsas tavogrāƒ pratapanti viŠo
In einem früheren Vers versprach der Herr, Arjuna Dinge
zu zeigen, die ihn sehr interessieren würden. Jetzt sieht lelihyase—leckend; grasamānaƒ—verschlingend:
Arjuna, daß die Führer der Gegenseite (Bhīma, DroŠa, samantāt—aus allen Richtungen; lokān—Menschen;
KarŠa und alle Söhne Dhtarā˜ras) zusammen mit ihren samagrān—vollständig; vadanaiƒ—mit dem Mund;
und auch seinen eigenen Soldaten vernichtet werden. Das jvaladbhiƒ—mit lodernden; tejobhiƒ—durch Glanz;
deutet darauf hin, daß Arjuna, trotz schwerer Verluste auf āpūrya—bedeckend; jagat—das Universum; samagram—
beiden Seiten, siegreich aus der Schlacht hervorgehen wird. alles; bhāsaƒ—erleuchtend; tava—Deine; ugrāƒ—
Es wird hier ebenfalls erwähnt, daß auch Bhīma, der als entsetzlich; pratapanti—versengend; viŠo—o
unbesiegbar gilt, erschlagen werden wird. Das gleiche gilt alldurchdringender Herr.
für KarŠa. Es werden nicht nur die großen Krieger der
Gegenseite, wie Bhīma, erschlagen werden, sondern auch ÜBERSETZUNG
einige der mächtigen Krieger auf Arjunas Seite.
O ViŠu, ich sehe, wie Du alle Menschen mit Deinen
VERS 28 flammenden Mündern verschlingst und das Universum
mit Deinen unermeßlichen Strahlen erfüllst. Indem Du
yathā nadīnāˆ bahavo'mbu-vegāƒ die Welten versengst, bist Du offenbar.
samudram evābhimukhā dravanti
tathā tavāmī nara-loka-vīrā VERS 31
viśanti vaktrāŠy abhivijvalanti
ākhyāhi me ko bhavān ugra-rūpo
yathā—wie; nadīnām—der Flüsse; bahavaƒ—viele; namo'stu te deva-vara prasīda
ambu-vegāƒ—Wellen des Wassers; samudram-Ozean; vijñātum icchāmi bhavantam ādyaˆ
eva—gewiß; abhimukhāƒ—gegen; dravanti—fließend; na hi prajānāmi tava pravttim
tathā—in ähnlicher Weise; tava—Deine; amī-all jene;
233

ākhyāhi—bitte erkläre; me—mir; kaƒ—wer; bhavān—Du; PāŠavas sollte jeder, der auf dem Schlachtfeld anwesend
ugra-rūpaƒ—entsetzliche Form; namaƒ astu— war, von Ihm verschlungen werden.
Ehrerbietungen; te—Dir; deva-vara—der Größte unter den Arjuna befürwortete den Kampf nicht, und so hielt er es für
Halbgöttern; prasīda—sei gnädig; vijñātum—nur wissen; besser, nicht zu kämpfen; dann gäbe es keine Enttäuschung.
icchāmi—ich möchte; bhavantam—Du; ādyam—der Als Antwort sagt der Herr, daß selbst dann, wenn Arjuna
Ursprüngliche; na—niemals; hi—gewiß; prajānāmi— nicht kämpfte, jeder vernichtet werden würde, da dies Sein
kenne ich; tava—Deine; pravttim—Mission. Plan sei. Wenn er aufhörte zu kämpfen, würden sie auf
andere Weise sterben. Ihr Tod könne nicht aufgehalten
ÜBERSETZUNG werden, auch wenn Arjuna nicht kämpfe. In der Tat waren
sie bereits tot. Zeit ist Zerstörung, und allen
O Herr der Herren, schreckliche Gestalt, bitte sage mir, Manifestationen ist es durch den Wunsch des Höchsten
wer Du bist. Ich erweise Dir meine Ehrerbietungen, Herrn bestimmt zu vergehen. Das ist das Gesetz der Natur.
bitte sei mir gnädig. Ich weiß nicht, was Deine Mission
ist, und ich möchte davon hören. VERS 33

VERS 32 tasmāt tvam utti˜ha yaśo labhasva


jitvā śatrūn bhu‰kva rājyaˆ samddham
śrī bhagavān uvāca mayaivaite nihatāƒ pūrvam eva
kālo'smi loka-kaya-kt pravddho nimitta-mātraˆ bhava savyasācin
lokān samāhartum iha pravttaƒ
te'pi tvāˆ na bhaviyanti sarve tasmāt—deshalb; tvam—du; utti˜ha—stehe auf; yaśaƒ—
ye'vasthitāƒ pratyanīkeu yodhāƒ Ruhm; labhasva—Gewinn; jitvā—bezwingend; śatrūn—
Feinde; bhu‰kva—genießen; rājyam—Königreich;
śrī bhagavān uvāca—die Höchste Persönlichkeit Gottes samddham—blühendes; mayā—von Mir; eva—gewiß;
sprach; kālaƒ—Zeit; asmi—Ich bin; loka—die Welten; ete—all diese; nihatāƒ—bereits getötet; pūrvam eva—durch
kaya-kt—Zerstörer; pravddhaƒ—zu beschäftigen; frühere Elemente; nimitta-mātram—werde einfach die
lokān—alle Menschen; samāhartum—zu zerstören; iha—in Ursache; bhava—werde; savyasācin—o Savyasācin.
dieser Welt; pravttaƒ—zu beschäftigen; te api—selbst
ohne; tvām—dich; na—niemals; bhaviyanti—werden sein; ÜBERSETZUNG
sarve—alle; ye—wer; avasthitāƒ—befindlich;
pratyanīkeu—auf der Gegenseite; yodhāƒ—die Soldaten. Darum erhebe dich, und rüste dich zum Kampf.
Nachdem du deine Feinde besiegt hast, wirst du dich
ÜBERSETZUNG eines blühenden Königreiches erfreuen. Durch Meinen
Willen sind sie bereits dem Tod geweiht, und du, o
Der Segenspendende Herr sprach: Zeit bin Ich, die Savyasacin, kannst in diesem Kampf nur ein Werkzeug
Zerstörerin der Welten, und Ich bin gekommen, um alle sein.
Menschen zu beschäftigen. Außer euch [den PāŠavas]
werden alle Soldaten hier auf beiden Seiten erschlagen ERLÄUTERUNG
werden.
Savyasācin bezieht sich aufjemand, der auf dem
ERLÄUTERUNG Schlachtfeld sehr gut mit Pfeilen umgehen kann; deshalb
wird Arjuna als kundiger Krieger angeredet, der fähig ist,
Obwohl Arjuna wußte, daß KŠa sein Freund und die seine Feinde mit Pfeilen zu töten. "Werde einfach ein
Höchste Persönlichkeit Gottes war, verwirrten ihn die Werkzeug", nimitta-mātram. Auch dieses Wort ist sehr
verschiedenen Formen, die KŠa offenbarte. Deshalb bedeutsam. Die ganze Welt bewegt sich nach dem Plan der
stellte er noch weitere Fragen nach der eigentlichen Höchsten Persönlichkeit Gottes. Törichte Menschen, die
Mission dieser zerstörenden Kraft. In den Veden steht kein ausreichendes Wissen haben, denken, die Natur arbeite
geschrieben, daß die Höchste Wahrheit alles, selbst ohne Plan und alle Manifestationen seien nichts als
Brahmā, zerstört: zufällige Gebilde. Es gibt viele sogenannte Wissenschaftler,
die vermuten, daß es "vielleicht so war" oder "eventuell so
yasya brahme ca katram ca sein könnte", aber von "vielleicht" oder "eventuell" kann
ubhe bhavata odanaƒ keine Rede sein. Die gesamte materielle Welt läuft nach
mtyur yasyopasecanaˆ einem bestimmten Plan ab. Und wie sieht dieser Plan aus?
ka itthā veda yatra saƒ Die kosmische Manifestation ist für die bedingten Seelen
eine Möglichkeit, nach Hause, zu Gott, zurückzukehren.
"Letztlich werden alle brāhmaŠas, katriyas und alle Solange sie die Neigung haben, den Herrn zu spielen, und
anderen vom Höchsten verschlungen." deshalb versuchen, die materielle Natur zu beherrschen,
Diese Form des Höchsten Herrn ist ein sind sie bedingt. Doch jeder, der den Plan des Höchsten
alles-verschlingender Gigant, und KŠa zeigt Sich hier in Herrn verstehen und KŠa-Bewußtsein kultivieren kann,
dieser Form der allesverschlingenden Zeit. Außer ein paar ist überaus intelligent. Schöpfung und Zerstörung der
kosmischen Manifestation finden unter der höheren
234

Führung Gottes statt. Daher wurde die Schlacht von


Kuruketra nach Gottes Plan gekämpft. Arjuna weigerte ÜBERSETZUNG
sich zu kämpfen, doch ihm wurde gesagt, er solle kämpfen
und zur gleichen Zeit nach dem Höchsten Herrn begehren. Sañjaya sagte zu Dhtarā˜ra: O König, nachdem
Dann würde er glücklich sein. Wenn man völlig Arjuna diese Worte von der Höchsten Persönlichkeit
KŠa-bewußt ist und sein Leben dem transzendentalen Gottes vernommen hatte, erbebte er und brachte
Dienst des Herrn geweiht hat, ist man vollkommen. ehrfürchtig, mit gefalteten Händen, Ehrerbietungen dar
und begann stockend wie folgt zu sprechen:
VERS 34
ERLÄUTERUNG
droŠaˆ ca bhīmaˆ ca jayadrathaˆ ca
karŠaˆ tathānyān api yodha-vīrān Wie wir bereits erklärt haben, verwirrte und erstaunte
mayā hatāˆs tvaˆ jahi mā vyathi˜hā Arjuna die Situation, die durch die universale Form des
yudhyasva jetāsi raŠe spatnān Herrn geschaffen wurde. Er brachte daher KŠa immer
wieder seine achtungsvollen Ehrerbietungen dar und
droŠam ca—auch DroŠa; bhīmam ca—auch Bhīma; begann, nicht als Freund, sondern als ein von Erstaunen
jayadratham ca—auch Jayadratha; karŠam—auch KarŠa; überwältigter Geweihter, mit bebender Stimme zu beten.
tathā—auch; anyān—andere; api—gewiß; yodha-vīrān—
große Krieger; mayā—von Mir; hatān—bereits getötet; VERS 36
tvam—du; jahi—werde siegreich; mā—niemals;
vyathi˜hāƒ—sei gestört; yudhyasva—kämpfe nur; jetāsi— arjuna uvāca
besiege nur; raŠe—im Kampf; sapatnān—Feinde. sthāne hīkeśa tava prakīrtyā
jagat praƒyaty anurajyate ca
ÜBERSETZUNG rakāˆsi bhītāni diśo dravanti
sarve namasyanti ca siddha-sa‰ghāƒ
Der Segenspendende Herr sprach: Alle großen Krieger
— DroŠa, Bhīma, Jayadratha und KarŠa — sind arjunaƒ uvāca—Arjuna sprach; sthāne—recht; hīkeśa—o
bereits vernichtet. Kämpfe nur, und du wirst deine Herr aller Sinne; tava—Deine; prakīrtyā—Herrlichkeit;
Feinde besiegen. jagat—die ganze Welt; praƒyati—sich freuend;
anurajyate—Anhaftung entwickelnd; rakāˆsi—die
ERLÄUTERUNG Dämonen; bhītāni—aus Furcht; diah—Richtungen;
dravanti—fliehend; sarve-alle; namasyanti—Achtung
Jeder Plan wird vom Herrn, von der Höchsten erweisend; ca—auch; siddha-sa‰ghāƒ—die vollkommenen
Persönlichkeit Gottes, entworfen, doch der Herr ist so gütig menschlichen Wesen.
und barmherzig zu Seinen Geweihten, daß Er das Verdienst
Seinen Geweihten zukommen lassen möchte, die Seinen ÜBERSETZUNG
Plan nach Seinem Wunsch ausführen. Das Leben sollte
daher in solcher Weise gestaltet werden, daß jeder im Arjuna sprach: O Hīkeśa, die Welt wird von Freude
KŠa-Bewußtsein handelt und die Höchste Persönlichkeit erfüllt, wenn sie Deinen Namen hört, und so wird jeder
Gottes durch das Medium eines spirituellen Meisters zu Dir hingezogen. Während die vervollkommneten
versteht. Die Pläne der Höchsten Persönlichkeit Gottes Wesen Dir ihre achtungsvollen Ehrerbietungen erwei-
versteht man durch Ihre Barmherzigkeit, und die Pläne der sen, fürchten sich die Dämonen und fliehen nach allen
Gottgeweihten sind so gut wie die Pläne des Herrn. Man Seiten. All das geschieht mit Recht.
sollte solchen Plänen folgen und aus dem Kampf ums
Dasein siegreich hervorgehen. ERLÄUTERUNG

VERS 35 Nachdem Arjuna von KŠa über den Ausgang der Schlacht
von Kuruketra gehört hatte, wurde er zu einem
sañjaya uvāca erleuchteten Geweihten des Höchsten Herrn. Er gestand zu,
etac chrutvā vacanaˆ keśavasya daß alles, was von KŠa getan wird, richtig ist. Arjuna
ktāñjalir vepamānaƒ kirītī bestätigte, daß KŠa der Erhalter und das Ziel der
namasktvā bhūya evāha kŠaˆ Verehrung für die Gottgeweihten und der Vernichter der
sagadgadaˆ bhīta-bhītaƒ praŠamya unerwünschten Elemente ist. Seine Handlungen sind für
alle gleichermaßen gut. Arjuna begriff, daß gegen Ende der
sañjayaƒ uvāca—Sañjaya sagte; etat-so; śrutvā—hörend; Schlacht von Kuruketra viele Halbgötter, siddhas und die
vacanam—Rede; keśavasya—KŠas; ktāñjaliƒ—mit gebildete Oberschicht der höheren Planeten zugegen sein
gefalteten Händen; vepamānaƒ—zitternd; kirītī—Arjuna; und den Kampf beobachten würden, weil KŠa dabei war.
namasktvā—Ehrerbietungen darbringend; bhūyaƒ— Als Arjuna die universale Form des Herrn sah, hatten die
wieder; eva—auch; āha kŠam—sagte zu KŠa; Halbgötter ihre Freude an ihr, wohingegen die Dämonen
sa-gadgadam—stockend; bhīta-bhītaƒ—ängstlich; und Atheisten es nicht ertragen konnten, daß der Herr
praŠamya—Ehrerbietungen darbringend. gepriesen wurde. Aus ihrer natürlichen Furcht vor der
235

vernichtenden Form der Höchsten Persönlichkeit Gottes VERS 38


ergriffen sie die Flucht. Arjuna rühmt die Art und Weise,
wie KŠa die Gottgeweihten und die Atheisten behandelt. tvam ādi-devaƒ puruaƒ purāŠas
Ein Gottgeweihter lobpreist den Herrn immer, denn er tvam asya viśvasya paraˆ nidhānam
weiß, daß alles, was der Herr tut, für alle gut ist. vettāsi vedyaˆ ca paraˆ ca dhāma
tvayā tataˆ viśvam ananta-rūpa
VERS 37
tvam—Du; ādi-devaƒ—der ursprüngliche Höchste Gott;
kasmāc ca te na nameran mahātman puruaƒ—Persönlichkeit; purāŠaƒ—alt; tvam—Du; asya—
garīyase brahmaŠo'py ādi-kartre dieses; viśvasya—Universum; param—transzendentale;
ananta deveśa jagan-nivāsa nidhānam—Zuflucht; vettā—Kenner; asi—Du bist; vedyam
tvam akaraˆ sad-asat tat-paraˆ yat ca—und der zu Erkennende; param ca—und
transzendental; dhāma—Zuflucht; tvayā—von Dir; tatam—
kasmāt—warum; ca—auch; te—Dir; na—nicht; durchdrungen; viśvam—Universum; ananta-rūpa—
nameran—erweisen gebührende Ehrerbietungen; unbegrenzte Form.
mahātman—o Erhabener; garīyase—Du bist besser als;
brahmaŠaƒ—Brahmā; api—obwohl; ādi-kartre—der ÜBERSETZUNG
höchste Schöpfer; ananta—unbegrenzt; deveśa—o Gott der
Götter; jagat-nivāsa—o Zuflucht des Universums; tvam— Du bist die ursprüngliche Persönlichkeit, der Höchste
Du bist; akaram—unvergänglich; sat-asat—Ursache und Gott. Du bist die einzige Zuflucht der manifestierten
Wirkung; tat-param—transzendental; yat—weil. kosmischen Welt. Du weißt alles, und Du bist alles, was
zu erkennen ist. Du stehst über den materiellen Erschei-
ÜBERSETZUNG nungsweisen. O grenzenlose Form, die gesamte
kosmische Manifestation wird von Dir durchdrungen.
O Erhabener, der Du selbst über Brahmā stehst, Du bist
der ursprüngliche Meister. Warum sollten sie Dir nicht ERLÄUTERUNG
ihre Ehrerbietungen erweisen, o Grenzenloser? O
Zuflucht des Universums, Du bist die unüberwindliche Alles ruht auf dem Herrn, der Höchsten Persönlichkeit
Quelle, die Ursache aller Ursachen, transzendental zur Gottes; deshalb ist Er der endgültige Ruheort. Nidhānam
materiellen Manifestation. bedeutet, daß alles, selbst die Brahman-Ausstrahlung, auf
der Höchsten Persönlichkeit Gottes, KŠa, ruht. Er weiß
ERLÄUTERUNG alles, was in dieser Welt geschieht, und falls Wissen
irgendein Ende hat, so ist Er das Ende allen Wissens; daher
Indem Arjuna diese Ehrerbietungen darbringt, deutet er an, ist Er der Kenner und derjenige, der zu erkennen ist. Er ist
daß KŠa für jeden verehrenswert ist. KŠa ist das Ziel des Wissens, da Er alldurchdringend ist. Weil Er
alldurchdringend, und Er ist die Seele jeder Seele. Arjuna die Ursache in der spirituellen Welt ist, ist Er
bezeichnet KŠa als mahātmā, was bedeutet, daß KŠa transzendental, und Er ist auch die führende Persönlichkeit
überaus großmütig und unbegrenzt ist. Ananta besagt, daß in der transzendentalen Welt.
es nichts gibt, was nicht vom Einfluß und der Energie des
Höchsten Herrn erfaßt ist, und deveśa bedeutet, daß Er alle VERS 39
Halbgötter beherrscht und über ihnen steht. Er ist der
Mittelpunkt des ganzen Universums. Arjuna dachte auch, vāyur yamo'gnir varuŠaƒ śaśā‰kaƒ
daß es angemessen sei, daß alle vollkommenen Lebewesen prajāpatis tvaˆ prapitāmahaś ca
und mächtigen Halbgötter dem Herrn ihre achtungsvollen namo namas te'stu sahasra-ktvaƒ
Ehrerbietungen darbringen, da niemand größer ist als Er. Er punaś ca bhūyo'pi namo namas te
erwähnt besonders, daß KŠa größer ist als Brahmā, da
Brahmā von Ihm erschaffen wurde. Brahmā ist aus dem vāyuƒ—Luft; yamaƒ—Herrscher; agniƒ—Feuer; varuŠaƒ—
Lotosstengel geboren, der aus dem Nabel Garbhodakaśāyī Wasser; śaśā‰kaƒ—Mond; prajāpatiƒ—Brahmā; tvam—
ViŠus, KŠas vollständiger Erweiterung, wächst; deshalb Du; prapitāmahaƒ-Großvater; ca—auch; namaƒ—
müssen Brahmā und der von ihm geborene Śiva und alle Ehrerbietungen erweisend; namaƒ te—wieder erweise ich
anderen Halbgötter dem Herrn ihre achtungsvollen Dir meine Ehrerbietungen; astu—sind; sahasra-ktvaƒ—
Ehrerbietungen erweisen. Der Herr wird also von Śiva, tausendmal; punaƒ ca—und wieder; bhūyaƒ—wieder;
Brahmā und ähnlichen anderen Halbgöttern geachtet. Das api—auch; namaƒ—erweise meine Ehrerbietungen; namaƒ
Wort akaram ist sehr bedeutsam, da zwar die materielle te—erweise ich Dir meine Ehrerbietungen.
Schöpfung der Zerstörung ausgesetzt ist, der Herr jedoch
über der materiellen Schöpfung steht. Er ist die Ursache ÜBERSETZUNG
aller Ursachen, und somit steht Er sowohl über allen
bedingten Seelen in der materiellen Welt als auch über der Du bist Luft, Feuer, Wasser, und Du bist der Mond. Du
materiellen kosmischen Manifestation selbst. Er ist daher bist der höchste Herrscher und der Großvater. Daher
der über alles erhabene Höchste. erweise ich Dir meine achtungsvollen Ehrerbietungen
tausendmal und nochmals und immer wieder.
236

sakhā—Freund; iti—so; matvā—denkend; prasabham—


ERLÄUTERUNG zeitweilig; yat—was immer; uktam—gesagt; he kŠa—o
KŠa; he yādava—o Yādava; he sakhā iti—o mein lieber
Hier wird der Herr als Luft angesprochen, denn die Luft ist Freund; ajānatā—ohne zu kennen; mahimānam—
die wichtigste Repräsentation aller Halbgötter, da sie Herrlichkeit; tava—Deine; idam—dieses; mayā—von mir;
alldurchdringend ist. Arjuna spricht KŠa auch als pramādāt-aus Torheit; praŠayena—aus Liebe; vā api—
Großvater an, weil KŠa der Vater Brahmās, des ersten entweder; yat—was immer; ca—auch; avahāsārtham-als
Lebewesens im Universum, ist. Scherz; asatktaƒ—Mißachtung; asi—getan; vihāra—beim
Ausruhen; śayyā—beim Scherzen; āsana—auf einer
VERS 40 Ruhestatt; bhojaneu—oder beim gemeinsamen Essen;
ekaƒ—allein; athavā—oder; api—andere; acyuta—o
namaƒ purastād atha p˜hatas te Unfehlbarer; tat-samakam-als Dein Rivale; tat—all diese;
namo'stu te sarvata eva sarva kāmaye—entschuldige; tvām—Du; aham—ich; aprame-
ananta-vīryāmita-vikramas tvaˆ yam—unermeßlich.
sarvaˆ samāpnoi tato'si sarvaƒ
ÜBERSETZUNG
namaƒ—Ehrerbietungen darbringend; purastāt—von vorne;
atha—auch; p˜hataƒ—von hinten; te—Dir; namaƒ astu— Ohne Deine Herrlichkeit zu kennen, habe ich Dich in
erweise meine Ehrerbietungen; te—Dir; sarvataƒ—von der Vergangenheit mit „o KŠa“, „o Yādava“, „o mein
allen Seiten; eva sarva—weil Du alles bist; ananta-vīrya— Freund“ angeredet. Bitte vergib mir, was immer ich aus
unbegrenzte Kraft; amita-vikramaƒ—unbegrenzte Gewalt; Torheit oder Liebe getan haben mag. Ich habe Dich
tvam—Du; sarvam—alles; samāpnoi—bedeckst; tataƒ viele Male mißachtet, während wir uns ausruhten oder
asi—deshalb bist Du; sarvaƒ—alles. auf dem gleichen Bett lagen oder zusammen speisten,
manchmal allein und manchmal vor vielen Freunden.
ÜBERSETZUNG Bitte verzeih mir all meine Vergehen.

O ungebundene Kraft, ich erweise Dir von vorne, von ERLÄUTERUNG


hinten und von allen Seiten Ehrerbietungen. Du bist der
Herr unbegrenzter Macht! Du bist alldurchdringend, Obwohl KŠa in Seiner universalen Form vor Arjuna
und daher bist Du alles! manifestiert ist, erinnert sich Arjuna an seine
freundschaftliche Beziehung zu KŠa und bittet Ihn daher
ERLÄUTERUNG um Vergebung für seine vielen ungezwungenen Gesten, die
aus Freundschaft entstanden waren. Er gesteht ein, daß er
Aus liebender Ekstase erweist Arjuna seinem Freund KŠa früher nicht gewußt habe, daß KŠa solch eine universale
von allen Seiten seine Ehrerbietungen. Er akzeptiert, daß Er Form annehmen kann, obwohl KŠa ihm dies als sein
der Herr aller Kräfte und aller Macht ist und daß Er allen vertrauter Freund erklärt hatte. Arjuna wußte nicht, wie oft
großen Kriegern, die auf dem Schlachtfeld versammelt er Ihn mißachtet haben mochte, als er Ihn, ohne Seine
sind, weit überlegen ist. Im ViŠu PurāŠa heißt es: Füllen zu bedenken, mit "o mein Freund, o KŠa, o
Yādava" anredete. Aber KŠa ist so gütig und barmherzig,
yo 'yaˆ tavāgato deva- daß Er trotz solcher Füllen mit Arjuna als einem Freund
samīpaˆ devatā-gaŠaƒ spielte. Das ist der transzendentale liebevolle Austausch
sa tvam eva jagat-sra˜ā zwischen dem Gottgeweihten und dem Herrn. Die
yataƒ sarva-gato bhavān Beziehung zwischen dem Lebewesen und KŠa steht ewig
fest, und wie wir aus dem Verhalten Arjunas ersehen
"Wer immer vor Dich tritt — selbst wenn es ein Halbgott können, kann sie nicht vergessen werden. Obwohl Arjuna
ist —, wurde von Dir erschaffen, o Höchste Persönlichkeit die Füllen KŠas in der universalen Form gesehen hatte,
Gottes." konnte er seine freundschaftliche Beziehung zu KŠa nicht
vergessen.
VERS 41-42
VERS 43
sakheti matvā prasabhaˆ yad uktaˆ
he kŠa he yādava he sakheti pitāsi lokasya carācarasya
ajānatā mahimānaˆ tavedaˆ tvam asya pūjyaś ca gurur garīyān
mayā pramādāt praŠayena vāpi na tvat-samo'sty abhyadhikaƒ kuto'nyo
loka-traye'py apratima-prabhāva
yac cāvahāsārtham asatkto'si
vihāra-śayyāsana-bhojaneu pitā—Vater; asi—Du bist; lokasya—von allen Welten;
eko'thavāpy acyuta tat-samakam cara—sich bewegend; acarasya—sich nicht bewegend;
tat kāmaye tvām aham aprameyam tvam—Du bist; asya-davon; pūjyaƒ—verehrungswürdig;
ca—auch; guruƒ—Meister; garīyān-glorreich; na—
niemals; tvat-samaƒ—Dir gleich; asti—es gibt;
237

adhyadhikaƒ—größer; kutaƒ—wie ist es möglich; anyaƒ— VERS 44


andere; loka-traye—in drei Planetensystemen; api—auch;
apratima—unermeßliche; prabhāva—Macht. tasmāt praŠamya praŠidhāya kāyaˆ
prasādaye tvām aham īśam īyam
ÜBERSETZUNG piteva putrasya sakheva sakhyuƒ
priyaƒ priyāyārhasi deva sohum
Du bist der Vater dieser gesamten kosmischen
Manifestation, der Herr, dem alle Verehrung gebührt, tasmāt—deshalb; praŠamya—nachdem er seine
der spirituelle Meister. Niemand kommt Dir gleich, und Ehrerbietungen erwiesen hatte; praŠidhāya—niederlegend;
niemand kann eins mit Dir sein. Innerhalb der drei kāyam—Körper; prasādaye—um Barmherzigkeit zu
Welten gibt es niemand, der Dich ermessen kann. erflehen; tvām—zu Dir; aham—ich; īśam—zum Höchsten
Herrn; īyam—der verehrungswürdig ist; pitā iva—wie ein
ERLÄUTERUNG Vater; putrasya—eines Sohnes; sakhā iva—wie ein Freund;
sakhyuƒ—eines Freundes; priyaƒ—Liebender; priyāyāƒ—
Śrī KŠa, der Herr, ist verehrenswert, so wie ein Vater für der Liebsten; arhasi—Du solltest; deva—mein Herr;
seinen Sohn verehrenswert ist. Er ist der spirituelle Meister, sohum—dulden.
weil Er ursprünglich Brahmā die vedischen
Unterweisungen lehrte, und gegenwärtig unterrichtet Er ÜBERSETZUNG
Arjuna in der Bhagavad-gītā; deshalb ist Er der
ursprüngliche spirituelle Meister, und jeder echte spiritudle Du bist der Höchste Herr, der von jedem Lebewesen zu
Meister der heutigen Zeit muß ein Nachkomme in der von verehren ist. Daher falle ich nieder, um Dir meine
KŠa stammenden Schülernachfolge sein. Ohne ein Ehrerbietungen zu erweisen und Deine Barmherzigkeit
Repräsentant KŠas zu sein, kann man kein spiritueller zu erflehen. Bitte, übersieh die Kränkungen, die ich Dir
Meister oder Lehrer transzendentaler Thematik werden. zugefügt haben mag, und dulde mich wie ein Vater
Dem Herrn werden in jeder Hinsicht Ehrerbietungen seinen Sohn, ein Freund seinen Freund oder ein
dargebracht. Er ist von unermeßlicher Größe. Niemand Liebender seine Geliebte.
kann größer sein als die Höchste Persönlichkeit Gottes,
KŠa, denn es gibt niemanden innerhalb aller ERLÄUTERUNG
Manifestationen — ob spirituell oder materiell —, der
KŠa gleichkommt oder größer ist als Er. Jeder ist Ihm KŠas Geweihte sind mit KŠa in verschiedenen
untergeordnet. Niemand kann Ihn übertreffen. Beziehungen verbunden. Man mag KŠa als seinen Sohn
Der Höchste Herr Śrī KŠa hat, ähnlich wie ein behandeln, oder man mag KŠa als seinen Gemahl, als
gewöhnlicher Mensch, Sinne und einen Körper, doch für Freund, als Meister usw. behandeln. KŠa und Arjuna sind
Ihn besteht kein Unterschied zwischen Seinen Sinnen, durch Freundschaft miteinander verbunden. Wie der Vater
Seinem Körper, Seinem Geist und Ihm Selbst. Törichte oder der Ehemann oder der Meister duldsam ist, so ist auch
Menschen, die KŠa nicht vollkommen kennen, KŠa duldsam.
behaupten, Er sei von Seiner Seele, Seinem Geist, Seinem
Herzen und allem anderen verschieden, doch KŠa ist VERS 45
absolut, und deshalb sind Seine Taten und Kräfte
unvergleichlich und erhaben. Es heißt auch, daß Seine ad˜a-pūrvam hito ‘smi d˜vā
Sinne nicht wie die unseren sind. Er kann alle bhayena ca pravyathitaˆ mano me
Sinnestätigkeiten ausführen, und daher sind Seine Sinne tad eva me darśaya deva rūpaˆ
weder unvollkommen noch begrenzt. Niemand kann größer prasīda deveśa jagan-nivāsa
sein als Er, niemand kann Ihm gleichkommen, und jeder ist
geringer als Er. ad˜a-pūrvam—niemals zuvor gesehen; hitaƒ—beglückt;
Wer immer Seinen transzendentalen Körper, Sein asmi—ich bin; d˜vā—durch Sehen; bhayena—aus Furcht;
transzendentales Tun und Seine transzendentale ca—auch; pravyathitam—verwirrt; manaƒ—Geist; me—
Vollkommenheit kennt, kehrt nach Verlassen seines mein; tat—deshalb; eva—gewiß; me—mir; darśaya—zeige;
Körpers zu Ihm zurück und kommt nicht wieder in diese deva—o Herr; rūpam—die Form; prasīda—sei gnädig;
leidvolle Welt. Man sollte daher wissen, daß KŠas deveśa—o Herr der Herren; jagat-nivāsa—die Zuflucht des
Tätigkeiten von denen anderer Lebewesen verschieden Universums.
sind. Das beste ist, den Prinzipien KŠas zu folgen; das
wird einen zur Vollkommenheit führen. Es steht auch ÜBERSETZUNG
geschrieben, daß niemand KŠas Meister ist; jeder ist Sein
Diener. Nur KŠa ist Gott; jeder andere ist Diener. Jeder Nachdem ich diese universale Form geschaut habe, die
fügt sich Seiner Anordnung. Es gibt niemand, der sich ich niemals zuvor sah, bin ich von Glück erfüllt; doch
Seiner Anordnung widersetzen kann. Jeder handelt nach zur gleichen Zeit bin ich aus Furcht verwirrt. Sei mir
Seiner Weisung, da er unter Seiner Oberaufsicht steht. Wie daher bitte gnädig, und offenbare wieder Deine Gestalt
es in der Brahma-saˆhitā (5.1) heißt, ist Er die Ursache als die Persönlichkeit Gottes, o Herr der Herren, o
aller Ursachen. Zuflucht des Universums.
238

ERLÄUTERUNG ist und daß Er jetzt Seine zeitweilige universale Form


angenommen hatte. Er bittet nun darum, die Gestalt
Arjuna hat immer Vertrauen zu KŠa, weil er dessen NārāyaŠas, eine spirituelle Form, sehen zu dürfen. Dieser
inniger Freund und deshalb über den Reichtum seines Vers erhärtet ohne jeden Zweifel die Aussage des
Freundes beglückt ist. Arjuna bereitet es große Freude zu Śrīmad-Bhāgavatam, daß KŠa die ursprüngliche
sehen, daß sein Freund, KŠa, die Höchste Persönlichkeit Persönlichkeit Gottes ist und daß alle anderen Aspekte von
Gottes ist und solch eine wunderbare universale Form Ihm ausgehen. Er ist nicht verschieden von Seinen
zeigen kann. Nachdem er diese universale Form gesehen vollständigen Erweiterungen, und in jeder Seiner zahllosen
hat, befürchtet er jedoch zur gleichen Zeit, aus unver- Formen ist Er Gott. In all diesen Formen ist Er von
fälschter Freundschaft viele Vergehen gegen KŠa jugendlichem Alter und von blühender Schönheit. Das ist
begangen zu haben. Folglich ist er aus Furcht verwirrt, das beständige Kennzeichen der Höchsten Persönlichkeit
wenngleich er keinen Grund hatte, etwas zu befürchten. Ar- Gottes. Wer KŠa kennt, wird sogleich von aller
juna bittet KŠa daher, Seine NārāyaŠa-Form zu zeigen, da Verunreinigung der materiellen Welt frei.
der Herr jede beliebige Form annehmen kann. Die
universale Form ist materiell und ebenso zeitweilig wie die VERS 47
materielle Welt; doch auf den VaikuŠ˜ha-Planeten hält Sich
KŠa in Seiner vierhändigen transzendentalen Gestalt als śrī bhagavān uvāca
NārāyaŠa auf. Es gibt unzählige Planeten im spirituellen mayā prasannena tavārjunedaˆ
Himmel, und auf jedem dieser Planeten ist KŠa durch rūpaˆ paraˆ darśitam ātma-yogāt
Seine vollständigen Manifestationen, die verschiedene tejomayaˆ viśvam anantam ādyaˆ
Namen tragen, gegenwärtig. Arjuna wollte also eine der yan me tvad-anyena na d˜a-pūrvam
Formen sehen, die auf den VaikuŠ˜ha-Planeten manifestiert
sind. Natürlich ist auf jedem VaikuŠ˜ha-Planeten die śrī bhagavān uvāca—die Höchste Persönlichkeit Gottes
Gestalt NārāyaŠas vierhändig, und die vier Hände halten sprach; mayā—von Mir; prasannena—mit Freude; tava—
verschiedene Symbole, nämlich Muschelhorn, Keule, Lotos dir; arjuna—o Arjuna; idam—diese; rūpam—Form;
und Feuerrad. Entsprechend den verschiedenen Händen, in param—transzendentale; darśitam—ist gezeigt worden;
denen diese Symbole gehalten werden, tragen die ātma-yogāt—durch Meine innere Kraft; tejomayam—voller
NārāyaŠas verschiedene Namen. All diese Formen sind für Glanz; viśvam—das gesamte Universum; anantam—
KŠa eins; daher bittet Arjuna, Seine vierhändige unbegrenzt; ādyam—ursprünglich; yat me—das, was Mein
Erscheinung sehen zu dürfen. ist; tvat-anyena—außer dir; na d˜a-pūrvam—niemand hat
zuvor gesehen.
VERS 46
ÜBERSETZUNG
kirī˜inaˆ gadinaˆ cakra-hastam
icchāmi tvāˆ dra˜um ahaˆ tathaiva Der Segenspendende Herr sprach: Mein lieber Arjuna,
tenaiva rūpeŠa catur-bhujena mit Freude zeige Ich dir diese universale Form in der
sahasra-bāho bhava viśva-mūrte materiellen Welt durch Meine innere Kraft. Niemand
vor dir hat jemals diese unbegrenzte und gleißende
kirī˜inam—mit Helm; gadinam—mit Keule; Form gesehen.
cakra-hastam—Rad in der Hand; icchāmi—ich wünsche
mir; tvām—Dich; dra˜um—zu sehen; aham—ich; tathā ERLÄUTERUNG
eva—in dieser Position; tena eva—dadurch; rūpeŠa—mit
Form; catur-bhujena—vierhändig; sahasra-bāho—o Arjuna hatte den Wunsch, die universale Form des
Tausendhändiger; bhava—werde nur; viśva-mūrte—o Höchsten Herrn zu sehen, und aus Barmherzigkeit mit
universale Form. Seinem Geweihten Arjuna zeigte Śrī KŠa Seine von
Glanz und Reichtum erfüllte universale Form. Diese Form
ÜBERSETZUNG war gleißend wie die Sonne, und ihre vielen Gesichter
wechselten rasch. KŠa zeigte diese Form nur, um den
O universaler Herr, ich möchte Dich in Deiner Wunsch Seines Freundes Arjuna zu erfüllen. Diese Form
vierarmigen Gestalt sehen, mit behelmtem Haupt und wurde von KŠa durch Seine innere Energie manifestiert,
mit Keule, Rad, Muschel und Lotosblüte in Deinen die durch menschliche Spekulation nicht erfaßt werden
Händen. Ich sehne mich danach, Dich in dieser Form zu kann. Niemand vor Arjuna hatte die universale Form des
sehen. Herrn gesehen, doch weil diese Form Arjuna gezeigt
wurde, konnte sie auch von anderen Gottgeweihten auf den
ERLÄUTERUNG himmlischen Planeten und auf anderen Planeten im Weltall
gesehen werden. Sie hatten sie niemals zuvor erblickt, aber
In der Brahma-saˆhitā wird gesagt, daß der Herr ewig in weil Arjuna sie sehen konnte, waren auch sie fähig, sie zu
Hunderttausenden von Formen manifestiert ist, von denen betrachten. Mit anderen Worten: Alle Geweihten des Herrn
Formen wie Rāma, Nsiˆha, NārāyaŠa, usw. die konnten die universale Form sehen, die Arjuna durch
wichtigsten sind. Es gibt unzählige Formen. Arjuna aber KŠas Barmherzigkeit gezeigt wurde. Jemand
wußte, daß KŠa die ursprüngliche Persönlichkeit Gottes kommentierte, diese Form sei auch Duryodhana gezeigt
239

worden, als KŠa zu ihm ging, um Frieden zu schließen. Form Śrī KŠas als ViŠu zu sehen, denn er fürchtete sich
Unglücklicherweise nahm Duryodhana das vor der universalen Form.
Friedensangebot nicht an, aber bei dieser Gelegenheit In diesem Vers gibt es einige bedeutsame Worte, wie zum
manifestierte KŠa einige Seiner universalen Formen. Beispiel vedayajñādhya-yanaiƒ, die sich auf das Studium
Diese Formen sind indes verschieden von der, die Arjuna vedischer Schriften und die Regeln für Opfer beziehen.
gezeigt wurde. Es wird klar gesagt, daß niemand jemals Veda bezieht sich auf alle Arten vedischer Literatur wie die
zuvor diese Form gesehen hat. vier Veden (¬g, Yajur, Sāma und Atharva), die achtzehn
PurāŠas, die Upaniaden und das Vedānta-sūtra. Man
VERS 48 kann diese Schriften zu Hause oder irgendwo anders
studieren. In ähnlicher Weise gibt es auch sūtras, wie zum
na veda-yajñādhyayanair na dānair Beispiel Kalpa-sūtras und Mīmāˆsā-sūtras, mit deren Hilfe
na ca kriyābhir na tapobhir ugraiƒ man den Vorgang des Opferns studieren kann. Dānaiƒ
evaˆ rūpaƒ śakyaƒ aham nloke bezieht sich auf Gaben, die einer würdigen Gruppe von
dra˜uˆ tvad-anyena kuru-pravīra Menschen gegeben werden, wie zum Beispiel den
brāhmaŠas und VaiŠavas, die im transzendentalen
na—niemals; veda—vedisches Studium; yajña-Opfer; liebevollen Dienst des Herrn tätig sind. Fromme Werke
adhyayanaiƒ—Studieren; na dānaiƒ—durch Mildtätigkeit; beziehen sich auf das agnihotra usw., das heißt auf jene
na—niemals; ca—auch; kriyābhiƒ—durch fromme Werke; Pflichten, die den verschiedenen Kasten vorgeschrieben
na tapobhiƒ—durch schwere tapasya; ugraiƒ—strenge; sind. Fromme Werke und die freiwillige Annahme
evam—so; rūpaƒ—Form; śakyaƒ—kann gesehen werden; körperlicher Unbequemlichkeiten wird tapasya genannt.
aham—Ich; nloke—in der materiellen Welt; dra˜uˆ—zu Ein Mensch kann nun all diese Methoden anwenden — er
sehen; tvat—du; anyena—durch anderes; kuru-pravīra—o kann körperliche Bußen auf sich nehmen, Spenden geben,
Bester unter den Kuru-Kriegern. die Veden studieren usw. -, doch solange er kein
Gottgeweihter wie Arjuna ist, ist es ihm nicht möglich, die
ÜBERSETZUNG universale Form des Herrn zu sehen. Die
Unpersönlichkeitsanhänger bilden sich ebenfalls ein, die
O bester der Kuru-Krieger, niemand vor dir hat jemals universale Form des Herrn zu sehen, doch aus der
diese Meine universale Form gesehen, denn sie kann Bhagavad-gītā verstehen wir, daß die
weder durch das Studium der Veden noch durch Unpersönlichkeitsanhänger keine Gottgeweihten sind;
Opferdarbringungen, noch durch Wohltätigkeiten oder daher sind sie unfähig, die universale Form des Herrn zu
ähnliche Werke gesehen werden. Du allein hast sie sehen.
gesehen. Es gibt viele Menschen, die Inkarnationen erfinden. Sie
erklären fälschlich einen gewöhnlichen Menschen für eine
ERLÄUTERUNG Inkarnation. Aber all das ist Torheit. Wir sollten uns an die
Prinzipien der Bhagavad-gītā halten; sonst ist es nicht
Die göttliche Sicht, von der hier gesprochen wird, sollte möglich, vollkommenes spirituelles Wissen zu empfangen.
richtig verstanden werden. Wer kann die göttliche Sicht Obwohl die Bhagavad-gītā als die Anfangsstudie der
haben? Göttlich bedeutet fromm. Solange man nicht den Wissenschaft von Gott gilt, ist sie dennoch so vollkommen,
Status der Göttlichkeit eines Halbgottes erreicht, kann man daß man unterscheiden kann, was was ist. Die Anhänger
keine gottliche Sicht haben. Und was ist ein Halbgott? In einer Pseudo-Inkarnation mögen sagen, daß sie ebenfalls
den vedischen Schriften heißt es, daß die Geweihten ViŠus die transzendentale Inkarnation Gottes, die universale
Halbgötter sind. Die Atheisten, daß heißt diejenigen, die Form, gesehen hätten, doch solch eine Behauptung kann
nicht an ViŠu glauben oder nur den unpersönlichen Aspekt man nicht akzeptieren, da es hier klar heißt, daß man die
KŠas als das Höchste anerkennen, können keine göttliche universale Form Gottes nicht sehen kann, solange man
Sicht haben. Es ist nicht möglich, KŠa herabzusetzen und nicht ein Geweihter KŠas wird. Zuerst muß man also ein
zugleich die göttliche Sicht zu haben. Man kann nicht die reiner Geweihter KŠas werden; dann kann man
göttliche Sicht haben, ohne göttlich zu werden. Mit anderen behaupten, daß es die universale Form gewesen sei, die
Worten: Diejenigen, die mit göttlicher Sicht sehen, können man gesehen habe. Ein Gottgeweihter kann falsche
ebenfalls wie Arjuna sehen. Inkarnationen oder die Anhänger falscher Inkarnationen
In der Bhagavad-gītā finden wir die Beschreibung der nicht akzeptieren.
universalen Form, und diese Beschreibung war vor Arjuna
niemandem bekannt. Nach diesem Ereignis nun kann man VERS 49
sich eine ungefähre Vorstellung von der viśva-rūpa
machen, und diejenigen, die wahrhaft von göttlichem mā te vyathā mā ca vimūha-bhāvo
Wesen sind, können die universale Form des Herrn sogar d˜vā rūpaˆ ghoram īd‰ mamedam
sehen. Man kann jedoch nicht göttlich sein, ohne ein reiner vyapetabhīƒ prīta-manāƒ punas tvaˆ
Geweihter KŠas zu sein. Die Gottgeweihten aber, die tad eva me rūpam idaˆ prapaśya
tatsächlich von göttlichem Wesen sind und göttliche Sicht
haben, sind nicht sehr daran interessiert, die universale mā—laß es nicht sein; te—für dich; vyathā—Mühsal; mā—
Form des Herrn zu sehen. Wie im vorangegangenen Vers laß es nicht sein; ca—auch; vimūha-bhāvaƒ—Verwirrung;
erklärt wurde, hatte Arjuna den Wunsch, die vierhändige d˜vā—durch Sehen; rūpam—Form; ghoram—
240

entsetzliche; īdk—wie diese; mama—Mein; idam—wie es offenbarte Er Seine wirkliche, vierarmige Form und
ist; vyapetabhīƒ—werde nur frei von aller Furcht; zeigte ihm schließlich Seine zweiarmige Gestalt, um so
prīta-manāƒ—sei im Geiste erfreut; punaƒ—wieder; den furchtsamen Arjuna zu ermutigen.
tvam—du; tat—das; eva-so; me—Meine; rūpam—Form;
idam—diese; prapaśya-sieh nur. ERLÄUTERUNG

ÜBERSETZUNG Als KŠa als der Sohn Vasudevas und Devakīs erschien,
erschien Er zunächst als vierarmiger NārāyaŠa; doch auf
Dein Geist ist durch den Anblick dieser Meiner Bitten Seiner Eltern verwandelte Er Sich dem Aussehen
entsetzlichen Erscheinung verwirrt worden. Es soll nun nach in ein gewöhnliches Kind. In ähnlicher Weise wußte
genug sein. Mein Geweihter, sei frei von aller KŠa, daß Arjuna nicht daran interessiert war, eine
Verwirrung. Mit friedvollem Geist kannst du jetzt die vierhändige Form KŠas zu sehen; aber weil er darum bat,
Gestalt sehen, nach der du dich sehnst. die vierhändige Form zu sehen, zeigte der Herr ihm auch
diese Form und offenbarte Sich dann in Seiner
ERLÄUTERUNG zweihändigen Gestalt. Das Wort saumya-vapuƒ ist von
großer Bedeutung. Die saumya-vapu ist eine
Am Anfang der Bhagavad-gītā quälte Arjuna der Gedanke, außerordentlich schöne Gestalt; sie gilt als die schönste
Bhīma und DroŠa (seinen ehrwürdigen Großvater und Gestalt. Als KŠa gegenwärtig war, wurde jeder schon
seinen Lehrer) töten zu müssen. Aber KŠa sagte, er allein von Seiner Gestalt angezogen, und weil KŠa der
brauche sich nicht davor zu fürchten, seinen Großvater zu Herrscher des Universums ist, verbannte Er die Furcht
töten. Als man versuchte, Draupadī in der Versammlung Arjunas, Seines Geweihten, und zeigte Ihm wieder Seine
der großen Generäle zu entkleiden, schwiegen Bhīma und schöne Gestalt als KŠa. In der Brahma-saˆhitā heißt es,
DroŠa, und für solche Vernachlässigung der Pflicht sollten daß nur jemand, dessen Augen mit dem Balsam der Liebe
sie getötet werden. KŠa zeigte Arjuna Seine universale gesalbt sind, die schöne Form Śrī KŠas sehen kann.
Form, um ihm zu zeigen, daß diese Leute für ihre
gesetzeswidrigen Handlungen bereits getötet worden VERS 51
waren. Diese Szene wurde Arjuna gezeigt, weil
Gottgeweihte immer friedlich sind und solch fürchterliche arjuna uvāca
Handlungen nicht ausführen können. Der Zweck der d˜vedaˆ mānuaˆ rūpaˆ
Offenbarung der universalen Form war erfüllt worden; jetzt tava saumyaˆ janārdana
wollte Arjuna die vierarmige Form sehen, und KŠa zeigte idānīm asmi saˆvttaƒ
sie ihm. Ein Gottgeweihter ist an der universalen Form sa-cetāƒ praktiˆ gataƒ
nicht sehr interessiert, da es nicht möglich ist, mit ihr
liebevolle Gefühle auszutauschen. Ein Gottgeweihter arjunaƒ uvāca—Arjuna sagte; d˜vā—sehend; idam—
möchte seine achtungsvollen, verehrenden Gefühle diese; mānuam—Mensch; rūpam—Form; tava—Deine;
darbringen, und deshalb möchte er die zweihändige oder saumyam—sehr schön; janārdana—o Bezwinger der
vierhändige Gestalt KŠas sehen, damit im Feinde; idānīm—jetzt gerade; asmi—ich bin; saˆvttaƒ—
hingebungsvollen Dienst zwischen ihm und der Höchsten beruhigt; sa-cetāƒ—in meinem Bewußtsein; praktim—ich
Persönlichkeit Gottes ein liebevoller Austausch stattfinden selbst; gataƒ—ich bin.
kann.
ÜBERSETZUNG
VERS 50
Als Arjuna KŠa so in Seiner ursprünglichen Gestalt
sañjaya uvāca sah, sagte er: O Janārdana, da ich diese
ity arjunaˆ vāsudevas tathoktvā menschengleiche Gestalt sehe, die so überaus schön ist,
svakaˆ rūpaˆ darśayāmāsa bhūyaƒ ist mein Geist jetzt beruhigt und mein ursprüngliches
āvāsayāmāsa ca bhītam enaˆ Wesen wiederhergestellt.
bhūtvā punaƒ saumya-vapur mahātmā
ERLÄUTERUNG
sañjayaƒ uvāca—Sañjaya sagte; iti—so; arjunam—zu
Arjuna; vāsudevaƒ—KŠa; tathā—diese Weise; uktvā— Hier deuten die Worte mānuaˆ rūpam klar darauf hin, daß
sprechend; svakam—Seine eigene; rūpam-Gestalt; dar- die Höchste Persönlichkeit Gottes ursprünglich zweihändig
śayāmāsa—zeigte; bhūyaƒ—wieder; āśvāsayāmāsa— ist. Das beweist, daß diejenigen, die KŠa verspotten und
überzeugte ihn; ca—auch; bhītam—furchtbar; enam—ihn; als gewöhnlichen Menschen bezeichnen, Sein göttliches
bhūtvā punaƒ—wieder werdend; saumya-vapuƒ—schöne Wesen nicht kennen. Wenn KŠa ein gewöhnlicher
Gestalt; mahātmā—der Große. Mensch wäre, wie könnte es Ihm dann möglich sein, die
universale Form und die vierhändige NarāyaŠa-Form zu
ÜBERSETZUNG zeigen? In der Bhagavad-gītā wird also sehr deutlich
erklärt, daß derjenige das größte Unrecht begeht, der denkt,
Sañjaya sagte zu Dhtarā˜ra: Während KŠa, die KŠa sei ein gewöhnlicher Mensch, und der den Leser in
Höchste Persönlichkeit Gottes, so zu Arjuna sprach, die Irre führt, indem er behauptet, es sei das unpersönliche
241

Brahman, das durch KŠa spreche. KŠa hat Seine und von Glückseligkeit und Ewigkeit erfüllt. Sein Körper
universale Form und Seine vierhändige ViŠu-Form tat- kann niemals mit einem materiellen Körper verglichen
sächlich gezeigt. Wie kann Er also ein gewöhnlicher werden. Doch für einige, die KŠa studieren, indem sie die
Mensch sein? Ein reiner Gottgeweihter läßt sich von Bhagavad-gītā oder ähnliche vedische Schriften lesen, ist
irreführenden Kommentaren zur Bhagavad-gītā nicht ver- KŠa ein Problem. Wer sich eines materiellen Vorgangs
wirren, da er weiß, wie die Dinge liegen. Die bedient, um KŠa zu verstehen, hält Ihn für eine
ursprünglichen Verse der Bhagavad-gītā sind so klar wie bedeutende historische Persönlichkeit und einen sehr
die Sonne; sie benötigen nicht das Lampenlicht törichter gelehrten Philosophen — doch KŠa ist kein gewöhnlicher
Kommentatoren. Mensch. Manche glauben auch, Er habe, trotz Seiner
Macht, einen materiellen Körper annehmen müssen. Sie
VERS 52 denken, die Absolute Wahrheit sei letztlich unpersönlich;
daher glauben sie, Er habe von Seinem unpersönlichen
śrī bhagavān uvāca Aspekt aus eine persönliche Gestalt angenommen, die an
sudurdarśam idaˆ rūpaˆ die materielle Natur gebunden sei. Dies ist eine
d˜avān asi yan mama materialistische Einschätzung des Höchsten Herrn. Es gibt
devā apy asya rūpasya noch eine andere spekulative Auffassung. Auch diejenigen,
nityaˆ darśana-kā‰kiŠaƒ die nach Wissen suchen, spekulieren über KŠa und halten
Ihn für weniger bedeutend als die universale Form des
śrī bhagavān uvāca—die Höchste Persönlichkeit Gottes Höchsten. Folglich glauben einige, die universale Form
sprach; sudurdarśana—sehr schwer zu sehen; idam—diese; KŠas, die Arjuna sichtbar war, sei wichtiger als Seine
rūpam—Gestalt; d˜avān asi—die du gesehen hast; yat— persönliche Gestalt. Ihrer Ansicht nach existiert die
was; mama—Meiner; devāƒ—die Halbgötter; api asya— persönliche Gestalt des Höchsten nur in der Einbildung. Sie
auch diese; rūpasya—der Gestalt; nityam—ewig; glauben, die Absolute Wahrheit sei letzten Endes keine
darśana-kā‰kiŠaƒ—sehnen sich immer danach zu sehen. Person. Doch der transzendentale Vorgang, KŠa zu
verstehen, wird im Zweiten Kapitel der Bhagavad-gītā
ÜBERSETZUNG beschrieben: Man soll von Autoritäten über Ihn hören. Das
ist der eigentliche vedische Vorgang, und diejenigen, die
Der Segenspendende Herr sprach: Mein lieber Arjuna, tatsächlich den Veden folgen, hören von einer Autorität
die Gestalt, die du jetzt siehst, ist sehr schwer zu über KŠa, und durch wiederholtes Hören wird ihnen
erblicken. Sogar die Halbgötter suchen stets die KŠa sehr lieb. Wie wir schon verschiedene Male erklärt
Gelegenheit, diese Gestalt zu sehen, die so lieblich ist. haben, ist KŠa von Seiner yoga-māyā-Energie bedeckt. Er
ist nicht jedem beliebigen Menschen sichtbar. Nur von
ERLÄUTERUNG jemand, dem Er Sich offenbart, kann Er gesehen werden.
Das wird in den vedischen Schriften bestätigt: Nur von
Im achtundvierzigsten Vers dieses Kapitels beendete Śrī einer hingegebenen Seele kann die Absolute Wahrheit
KŠa die Offenbarung Seiner universalen Form und teilte verstanden werden. Durch beständiges KŠa-Bewußtsein
Arjuna mit, daß diese Form unmöglich durch irgendwelche und durch hingebungsvollen Dienst für KŠa können die
Tätigkeiten, Opfer usw. gesehen werden könne. Hier nun spirituellen Augen des Transzendentalisten geöffnet
wird das Wort sudurdarśam gebraucht, das darauf hinweist, werden, und so kann er KŠa durch dessen Offenbarung
daß KŠas zweihändige Gestalt noch vertraulicher ist. Man sehen. Selbst den Halbgöttern ist es nicht möglich, KŠa
mag vielleicht fähig sein, die universale Form KŠas zu zu sehen. Sogar für sie ist es schwierig, Ihn zu verstehen,
sehen, indem man zu verschiedenen Tätigkeiten, wie Buße, und die fortgeschrittenen Halbgötter hoffen immer, KŠa
Studium der Veden und philosophischer Spekulation, ein in Seiner zweihändigen Gestalt zu erblicken.
wenig hingebungsvollen Dienst hinzufügt — das mag Die Schlußfolgerung lautet: Es ist bereits äußerst schwierig
möglich sein —, doch ohne eine Spur von bhakti kann man und nicht jedem beliebigen Menschen möglich, die
sie nicht erblicken; das ist bereits erklärt worden. Noch universale Form KŠas zu sehen, aber noch schwieriger ist
schwieriger ist es — selbst für Halbgötter wie Brahmā und es, Seine persönliche Gestalt als Śyāmasundara zu
Śiva —, die zweihändige Gestalt KŠas zu sehen, die sich verstehen.
jenseits der universalen Form befindet. Sie sehnen sich
danach, Ihn zu sehen, und im Śrīmad Bhāgavatam wird VERS 53
beschrieben, daß alle Halbgötter vom Himmel
herabstiegen, um die Herrlichkeit KŠas zu sehen, als Er nāhaˆ vedair na tapasā
Sich im Schoß Seiner Mutter, Devakī, befand. Sie warteten na dānena na cejyayā
sogar, um Ihn zu sehen. Ein Narr mag KŠa verspotten, śakya evaˆ-vidho dra˜uˆ
doch solch ein Mensch ist ein gewöhnliches Lebewesen. d˜avān asi māˆ yathā
Sogar Halbgötter wie Brahmā und Śiva sehnen sich danach,
KŠa in Seiner zweiarmigen Gestalt zu sehen. na—niemals; aham—Ich; vedaiƒ—durch das Studium der
In der Bhagavad-gītā wird ebenfalls bestätigt, daß Er den Veden; na—niemals; tapasā—durch strenge Bußen; na—
Toren, die Ihn verspotten, nicht sichtbar ist. Wie aus der niemals; dānena—durch Wohltätigkeit; na—niemals; ca—
Brahma-saˆhitā zu erfahren ist und von Ihm Selbst in der auch; ijyayā—durch Verehrung; śakyaƒ—es ist möglich;
Bhagavad-gītā erklärt wird, ist Sein Körper völlig spirituell
242

evam-vidhaƒ—wie diese; da˜um—zu sehen; d˜avān— unmißverständlich gesagt, daß niemand Ihn sehen kann.
sehend; asi—du bist; mām—Mich; yathā—wie. Diejenigen aber, die fortgeschrittene Studenten der
vedischen Literatur sind, können aus den Veden sehr viel
ÜBERSETZUNG über Ihn lernen. Es gibt sehr viele Regeln und
Regulierungen, und wer KŠa überhaupt verstehen
Diese Gestalt, die du mit deinen transzendentalen Augen möchte, muß die in den autoritativen Schriften nie-
siebst, kann weder durch das Studium der Veden noch dergelegten regulierenden Prinzipien befolgen. Man kann
durch strenge Bußen, noch durch Wohltätigkeit, noch sich zum Beispiel in Übereinstimmung mit solchen
durch Verehrung verstanden werden. Nicht durch sol- Prinzipien tapasya auferlegen.
che Mittel kann man Mich so sehen, wie Ich bin. Was Mildtätigkeit betrifft, so sollte es selbstverständlich
sein, den Geweihten KŠas Spenden zu geben, denn sie
ERLÄUTERUNG sind in Seinem hingebungsvollen Dienst beschäftigt, um
die KŠa-Philosophie oder KŠa-Bewußtsein auf der
KŠa erschien Seinen Eltern Devakī und Vasudeva zuerst ganzen Welt zu verbreiten. KŠa-Bewußtsein ist eine
in einer vierhändigen Form und verwandelte Sich dann in Segnung für die gesamte Menschheit. Śrīla Rūpa Gosvāmī
die zweihändige Cestalt. Dieses Geheimnis ist für Atheisten sagte, Śrī KŠa Caitanya sei der großmütigste Wohltäter,
oder Menschen, denen es an hingebungsvollem Dienst weil Er Liebe zu KŠa, die sehr schwer zu erlangen ist,
mangelt, sehr schwer zu verstehen. Für Gelehrte, die die freigiebig verteilte. Und wenn man, wie vorgeschrieben,
vedischen Schriften nur mittels Spekulationen oder aus Tempelverehrung ausführt (für gewöhnlich findet man in
bloßem akademischem Interesse studiert haben, ist KŠa den Tempeln Indiens immer eine Statue ViŠus oder
nicht leicht zu verstehen; auch kann Er nicht von Menschen KŠas), besteht die Möglichkeit, Fortschritte zu machen.
verstanden werden, die nur offiziell zur Verehrung in den Für die Anfänger im hingebungsvollen Dienst ist
Tempel gehen. Sie besuchen zwar den Tempel, aber sie Tempelverehrung sehr wichtig, und das wird in den
können KŠa nicht so verstehen, wie Er ist. KŠa kann, vedischen Schriften bestätigt.
wie Er Selbst im nächsten Vers erklärt, nur auf dem Pfad Wer unerschütterliche Hingabe an den Höchsten Herrn hat
des hingebungsvollen Dienstes verstanden werden. und sich der Führung eines spirituellen Meisters anvertraut,
kann die Höchste Persönlichkeit Gottes durch Offenbarung
VERS 54 sehen. Jemandem, der nicht unter der persönlichen Führung
eines echten spirituellen Meisters geschult wird, ist es
bhaktyā tv ananyayā śakya unmöglich, auch nur zu beginnen, KŠa zu verstehen. Das
aham evaˆ-vidho'rjuna Wort tu wird hier insbesondere gebraucht, um darauf
jñātuˆ dra˜uˆ ca tattvena hinzuweisen, daß kein anderer Vorgang, KŠa zu
prave˜uˆ ca parantapa verstehen, angewandt werden, empfohlen werden oder
erfolgreich sein kann.
bhaktyā—durch hingebungsvollen Dienst; tu—aber; Die persönlichen Formen KŠas, die zweihändige und die
ananyayā—ohne mit fruchtbringenden Tätigkeiten oder vierhändige, sind von der zeitweiligen universalen Form,
spekulativem Wissen vermischt zu sein; śakyaƒ— möglich; die Arjuna gezeigt wurde, völlig verschieden. NārāyaŠa ist
aham—Ich; evam-vidhaƒ—wie dies; arjuna—o Arjuna; die vierhändige Form und KŠa die zweihändige; beide
jñātum—zu wissen; dra˜um—zu sehen; tattvena— sind ewig und transzendental, wohingegen die universale
tatsächlich; prave˜um—und einzugehen in; ca—auch; Form, die Arjuna offenbart wurde, zeitweilig ist. Das Wort
parantapa—o Starkarmiger. sudurdarśam (schwer zu sehen) bedeutet, daß niemand die
universale Form sehen konnte. Es weist auch darauf hin,
ÜBERSETZUNG daß es nicht notwendig war, sie den Gottgeweihten zu
zeigen. Diese Form wurde von KŠa auf Arjunas Bitte hin
Mein lieber Arjuna, nur durch uneingeschränkten offenbart, damit die Menschen in der Zukunft jemand, der
hingebungsvollen Dienst kann Ich so verstanden sich als Inkarnation Gottes ausgibt, bitten können, seine
werden, wie Ich bin und vor dir stehe, und kann so universale Form zu zeigen.
direkt wahrgenommen werden. Nur so kannst du in das KŠa wandelte Sich von der universalen Form in die
Geheimnis, Mich zu verstehen, eindringen. vierhändige Form NārāyaŠas und darauf in Seine
ursprüngliche Gestalt mit zwei Händen. Dies deutet darauf
ERLÄUTERUNG hin, daß die vierhändigen und die anderen in den vedischen
Schriften erwähnten Formen Emanationen des
KŠa kann nur durch den Vorgang des ungeteilten ursprünglichen, zweihändigen KŠa sind. Er ist der Ur-
hingebungsvollen Dienstes verstanden werden. Er erklärt sprung aller Emanationen. KŠa unterscheidet Sich sogar
dies in diesem Vers ausdrücklich, damit unautorisierte von diesen Formen — ganz zu schweigen also von der
Kommentatoren, die versuchen, die Bhagavad-gītā durch unpersönlichen Auffassung. Was die vierhändigen Formen
den spekulativen Vorgang zu verstehen, wissen, daß sie KŠas betrifft, so wird eindeutig gesagt, daß sogar die mit
lediglich ihre Zeit verschwenden. Niemand kann KŠa KŠa identischste vierhändige Form eine Emanation des
verstehen, oder begreifen, wie Er Seinen Eltern in einer Höchsten Herrn ist. Diese Form ist als Mahā-ViŠu
vierhändigen Form erscheinen und Sich sogleich in eine bekannt, der auf dem kosmischen Ozean liegt und aus
zweihändige Gestalt verwandeln konnte. Es wird hier dessen Atem unzählige Universen hervorgehen, die später
243

wieder in Ihn eingehen. Man sollte daher die persönliche sarvabhūteu—zu jedem Lebewesen; yaƒ—wer; saƒ—er;
Gestalt KŠas als die Höchste Persönlichkeit Gottes mām—Mir; eti—kommt; pāŠava—o Sohn PāŠus.
verehren. Er ist Ewigkeit, Glückseligkeit und Wissen; Er ist
der Ursprung aller Formen ViŠus; Er ist der Ursprung aller ÜBERSETZUNG
Formen der Inkarnationen, und Er ist, wie in der
Bhagavad-gītā bestätigt wird, die Höchste Persönlichkeit Mein lieber Arjuna, wer in Meinem reinen
Gottes. hingebungsvollen Dienst beschäftigt ist, frei von den
In den vedischen Schriften wird gesagt, daß die Höchste Verunreinigungen vorangegangener Tätigkeiten und
Absolute Wahrheit eine Person ist. Ihr Name ist KŠa, und frei von gedanklicher Spekulation, und wer jedem
Sie kommt manchmal auf die Erde herab. Im Lebewesen ein Freund ist, gelangt sicher zu Mir.
Śrīmad-Bhāgavatam findet man eine Beschreibung aller
Formen der Inkarnationen der Höchsten Persönlichkeit ERLÄUTERUNG
Gottes, und es heißt dort, daß KŠa keine Inkarnation
Gottes, sondern die Höchste Persönlichkeit Gottes Selbst Jeder, der sich der Höchsten aller Persönlichkeiten Gottes
ist: kŠas tu bhagavān svayam. In ähnlicher Weise sagt der auf dem KŠalokaPlaneten in der spirituellen Welt nähern
Herr in der Bhagavad-gītā: mattaƒ parataraˆ nānyāt. "Es will und eng mit der Höchsten Persönlichkeit, KŠa,
gibt nichts Höheres als Meine Gestalt als die Persönlichkeit verbunden sein möchte, muß die Unterweisung befolgen,
Gottes, KŠa." An einer anderen Stelle in der die in diesem Vers vom Höchsten Herrn Selbst gegeben
Bhagavad-gītā erklärt Er: aham ādir hi devānām. "Ich bin wird. Deshalb gilt dieser Vers als die Essenz der
der Ursprung aller Halbgötter." Und nachdem Arjuna die Bhagavad-gītā. Die Bhagavad-gītā ist ein Buch, das für die
Bhagavad-gītā von KŠa verstanden hatte, bestätigte er bedingten Seelen bestimmt ist, die in der materiellen Welt
diese Wahrheit ebenfalls: paraˆ brahma paraˆ dhāma mit dem Ziel tätig sind, die Natur zu beherrschen, und die
pavitraˆ paramaˆ bhavān. "Ich verstehe jetzt völlig, daß nicht das wirkliche, spirituelle Leben kennen. Die
Du die Höchste Persönlichkeit Gottes, die Absolute Bhagavad-gītā soll zeigen, wie man seine spirituelle
Wahrheit und die Zuflucht allen Seins bist." Existenz und seine ewige Beziehung zur Höchsten
Deshalb ist die universale Form, die KŠa Arjuna zeigte, Spirituellen Persönlichkeit verstehen kann, und sie soll die
nicht die ursprüngliche Gestalt Gottes. Die ursprungliche bedingten Seelen lehren, wie man nach Hause, zu Gott,
Gestalt ist die Gestalt KŠas. Die universale Form mit zurückkehren kann. In diesem Vers nun wird der Vorgang
ihren Tausenden und Abertausenden von Köpfen und erklärt, durch den man in seiner spirituellen Aktivität
Händen ist nur manifestiert, um die Aufmerksamkeit erfolgreich sein kann — hingebungsvoller Dienst. Was
derjenigen auf sich zu ziehen, die keine Liebe zu Gott Arbeit betrifft, so sollte man seine Energie ganz auf
empfinden. Sie ist nicht Gottes ursprüngliche Form. KŠa-bewußte Tätigkeiten übertragen. Niemand sollte eine
Die universale Form wirkt auf reine Gottgeweihte, die in Arbeit verrichten, die nicht in Beziehung zu KŠa steht.
verschiedenen transzendentalen Beziehungen mit dem Das wird KŠa-karma genannt. Man mag vielleicht mit
Herrn in Liebe verbunden sind, nicht anziehend. Der verschiedenen Tätigkeiten beschäftigt sein, doch man sollte
Höchste Herr tauscht in Seiner ursprünglichen Gestalt, als nicht am Ergebnis seiner Arbeit haften, sondern es dem
KŠa, transzendentale Liebe aus. Deshalb war für Arjuna, Herrn darbringen. Jemand mag zum Beispiel Geschäfte
der mit KŠa so eng in Freundschaft verbunden war, diese machen, doch um diese Tätigkeit in KŠa-Bewußtsein zu
Form der universalen Manifestation nicht angenehm — sie verwandeln, muß er für KŠa Geschäfte machen. Wenn
erschreckte ihn vielmehr. Arjuna, der ein ständiger KŠa der Besitzer des Geschäfts ist, sollte KŠa auch den
Gefährte KŠas ist, muß transzendentale Augen gehabt Gewinn des Geschäfts genießen. Wenn ein Geschäftsmann
haben; er war kein gewöhnlicher Mensch. Deshalb faszi- Tausende und Abertausende von Mark besitzt und alles
nierte ihn die universale Form nicht. Diese Form mag Geld KŠa geben möchte, kann er das tun. Das ist Arbeit
Menschen wunderbar erscheinen, die das Ziel haben, sich für KŠa. Anstatt sich eine große Villa für die
durch fruchtbringende Tätigkeiten zu erheben; doch denen, Befriedigung seiner Sinne zu bauen, kann er einen schönen
die im hingebungsvollen Dienst beschäftigt sind, ist die Tempel für KŠa errichten, nach den Unterweisungen der
zweihändige Gestalt KŠas am liebsten. autorisierten Bücher des hingebungsvollen Dienstes die
transzendentale Bildgestalt KŠas aufstellen und alles für
VERS 55 den Dienst an dieser Bildgestalt bereitstellen. Das alles ist
KŠa-karma. Man sollte nicht am Ergebnis seiner Arbeit
mat-karma-kn mat-paramo haften, sondern es KŠa darbringen. Außerdem sollte man
mad-bhaktaƒ sa‰ga-varjitaƒ prasāda oder die Reste von Speisen, die KŠa geopfert
nirvairaƒ sarva-bhūteu wurden, zu sich nehmen. Wenn man jedoch nicht imstande
yaƒ sa mām eti pāŠava ist, einen Tempel für KŠa zu errichten, so kann man
zumindest den Tempel KŠas reinigen; auch das ist
mat-karma-kt—damit beschäftigt sein, Meine Arbeit zu KŠa-karma. Man kann auch einen Garten pflegen. Jeder,
verrichten; mat-paramaƒ—was Mich, den Höchsten, der Land besitzt — in Indien besitzt jeder arme Mann ein
betrifft; mat-bhaktaƒ—in Meinem hingebungsvollen Dienst kleines Stück Land —, kann es in KŠas Dienst stellen,
beschäftigt; sa‰ga-varjitaƒ—befreit von der indem er Blumen züchtet, um sie Ihm zu opfern. Auch kann
Verunreinigung vorangegangener Tätigkeiten und man tulasī-Pflanzen säen, denn tulasī-Blätter sind sehr
gedanklicher Spekulation; nirvairaƒ—ohne einen Feind; wichtig und werden von KŠa in der Bhagavad-gītā als
244

Opfer empfohlen. KŠa wünscht, daß man Ihm entweder KŠa getötet wird, augenblicklich Erlösung, doch das ist
ein Blatt, eine Blume, eine Frucht oder ein wenig Wasser nicht das Ziel des reinen Gottgeweihten. Der reine
opfert — damit ist Er zufrieden. Mit dem Blatt ist be- Gottgeweihte wünscht nicht einmal Erlösung. Er möchte
sonders das tulasī-Blatt gemeint. Man kann also tulasī säen nicht einmal zum höchsten Planeten, Goloka Vndavāna,
und Wasser auf die Pflanze gießen. So kann sich selbst der erhoben werden. Sein einziges Ziel ist es, KŠa zu dienen,
Ärmste in KŠas Dienst beschäftigen. Das sind einige wo immer er sein mag.
Beispiele, wie man für KŠa arbeiten kann. Ein Geweihter KŠas ist jedem freundlich gesinnt. Deshalb
Das Wort mat-paramaƒ bezieht sich auf jemand, der das wird hier gesagt, daß er keinen Feind hat. Wie ist das
Zusammensein mit KŠa in Seinem höchsten Reich als die möglich? Ein im KŠa-Bewußtsein verankerter
höchste Vollkommenheit des Lebens ansieht. Solch ein Gottgeweihter weiß, daß nur hingebungsvoller Dienst für
Mensch wünscht sich nicht, zu höheren Planeten erhoben KŠa einen Menschen von allen Problemen des Lebens
zu werden, wie zum Beispiel zum Mond, zur Sonne, zu den befreien kann. Er hat dies persönlich erfahren und möchte
himmlischen Planeten oder sogar zum höchsten Planeten daher den Vorgang des KŠa-Bewußtseins in der
des Universums, Brahmaloka. Er sehnt sich nur danach, in menschlichen Gesellschaft einführen. In der Geschichte
den spirituellen Himmel erhoben zu werden. Und selbst im gibt es viele Beispiele für Geweihte des Herrn, die ihr
spirituellen Himmel ist er nicht damit zufrieden, mit der Leben wagten, um Gottesbewußtsein zu verbreiten. Ein
leuchtenden brahmajyoti-Ausstrahlung zu verschmelzen, beliebtes Beispiel ist Jesus Christus. Er opferte für die
denn er möchte den höchsten Planeten. KŠaloka, Goloka Verbreitung von Gottesbewußtsein sein Leben, als er von
Vndāvana, erreichen. Er hat vollkommenes Wissen über den Nichtgottgeweihten gekreuzigt wurde. Natürlich zeugt
diesen Planeten und ist daher an keinem anderen es von einem oberflächlichen Verständnis, wenn man
interessiert. Wie schon das Wort mad-bhaktaƒ andeutet, glaubt, er sei getötet worden. Auch in Indien gibt es hierfür
beschäftigt er sich völlig im hingebungsvollen Dienst, vor viele Beispiele, wie µhākura Haridāsa. Warum gehen diese
allem in den neun hingebungsvollen Tätigkeiten: hören, Menschen ein solches Risiko ein? Weil diese großen Seelen
chanten, sich erinnern, verehren, den Lotosfüßen des Herrn KŠa-Bewußtsein verbreiten wollten und dieses Vorhaben
dienen, Gebete darbringen, die Befehle des Herrn sehr schwierig ist. Ein KŠa-bewußter Gottgeweihter weiß,
ausführen, Freundschaft mit Ihm schließen und Ihm alles daß ein Mensch deshalb leidet, weil er seine ewige
hingeben. Wenn man sich in allen neun Tätigkeiten der Beziehung zu KŠa vergessen hat. Der größte Dienst, den
Hingabe oder acht oder sieben oder wenigstens einer man der menschlichen Gesellschaft erweisen kann, besteht
beschäftigt, wird man gewiß die Vollkommenheit deshalb darin, seinen Nächsten von allen materiellen
erreichen. Problemen zu erlösen. In diesem Sinne ist ein reiner
Der Ausdruck sa‰ga-varjitaƒ ist sehr bedeutsam. Man Gottgeweihter im Dienst des Herrn beschäftigt. Wir können
sollte den Umgang mit Menschen, die gegen KŠa sind, uns leicht vorstellen, wie barmherzig KŠa zu denen ist,
meiden. Nicht nur die Atheisten sind gegen KŠa, sondern die sich in Seinem Dienst betätigen und alles für Ihn
auch diejenigen, die von fruchtbringendem Tun und wagen. Deshalb ist es sicher, daß solche Menschen nach
gedanklicher Spekulation angezogen sind. Deshalb wird im Verlassen des Körpers den höchsten Planeten erreichen
Bhakti-rasāmta-sindhu die reine Form hingebungsvollen werden.
Dienstes wie folgt beschrieben: KŠa offenbarte also Seine universale Form, die eine
zeitweilige Manifestation ist, außerdem die Form der Zeit,
anyābhilāitā-śūnyaˆ jñāna-karmādy-anāvtam die alles verschlingt, und sogar die vierhändige Form
ānukūlyena kŠānuśīlanaˆ bhaktir uttamā ViŠus. Folglich ist KŠa der Ursprung all dieser
Manifestationen. KŠa ist nicht eine Manifestation der
In diesem Vers erklärt Śrīla Rūpa Gosvāmī, daß jeder, der zeitweiligen viśva-rūpa oder eine Manifestation ViŠus.
unverfälschten hingebungsvollen Dienst ausführen möchte, KŠa ist der Ursprung aller Formen. Es gibt
zuerst von allen Arten materieller Verunreinigung frei sein Hunderttausende von ViŠus, aber für einen Gottgeweihten
muß. Er muß frei sein vom Umgang mit Menschen, die ist keine andere Form KŠas wichtig außer der ursprüngli-
nicht von fruchtbringenden Tätigkeiten und gedanklicher chen Gestalt, dem zweihändigen Śyāmasundara. In der
Spekulation lassen können. Wenn man von solch Brahma-saˆhitā wird erklärt, daß diejenigen, die sich in
unerwünschtem Umgang sowie der Verunreinigung Liebe und Hingabe zur Śyāmasundara-Gestalt KŠas
materieller Wünsche frei ist und positives Wissen von hingezogen fühlen, in ihrem Herzen immer den Herrn, und
KŠa kultiviert, nennt man das reinen hingebungsvollen außer Ihm nichts anderes, sehen können. Deshalb sollte
Dienst. Ānukūlyasya sa‰kaplaƒ prātikūlyasya varjanam. man die Bedeutung dieses Elften Kapitels verstehen, die
Man sollte positiv an KŠa denken und für KŠa handeln, darin liegt, daß die Gestalt KŠas essentiell und erhaben
nicht negativ. Kaˆsa war KŠas Feind. Gleich von KŠas ist.
Geburt an versuchte Kaˆsa, Ihn auf verschiedene Arten zu
töten, und weil seine Pläne alle fehlschlugen, grübelte er Hiermit enden die Bhaktivedanta-Erläuterungen zum Elften
ständig über KŠa. Er war vierundzwanzig Stunden am Kapitel der Śrīmad Bhagavad-gītā mit dem Titel: "Die
Tag — während er arbeitete, aß und schlief — in jeder universale Form".
Hinsicht KŠa-bewußt; doch dieses KŠa-Bewußtsein war
nicht positiv, und so galt er, obwohl er vierundzwanzig
Stunden am Tag an KŠa dachte, als Dämon, und KŠa
tötete ihn schließlich. Natürlich erlangt jeder, der von
245

ZWÖLFTES KAPITEL spricht Er von dem Lebewesen als einem winzigen


Bestandteil des Höchsten Ganzen und empfiehlt, die
Aufmerksamkeit völlig auf das Ganze zu richten. Im
Hingebungsvoller Dienst Achten Kapitel wird gesagt, daß jeder, der im Augenblick
des Todes an KŠa denkt, sogleich zum spirituellen
VERS 1 Himmel, dem Reich KŠas, erhoben wird. Am Ende des
Sechsten Kapitels sagt der Herr, daß der yogī der
arjuna uvāca vollkommenste unter den yogīs ist, der in seinem Innern an
evaˆ satata-yuktā ye KŠa denkt. Überall in der Gītā wird also die persönliche
bhaktās tvāˆ paryupāsate Hingabe an KŠa als die höchste Form spiritueller
ye cāpy akaram avyaktaˆ Verwirklichung empfohlen. Trotzdem gibt es Menschen,
teāˆ ke yoga-vittamāƒ die sich zu KŠas unpersönlicher brahma-
jyoti-Ausstrahlung hingezogen fühlen, dem
arjunaƒ uvāca—Arjuna sagte; evam—so; satata—immer; alldurchdringenden Aspekt der Absoluten Wahrheit, der
yuktāƒ—beschäftigt; ye—diejenigen; bhaktāƒ- unmanifestiert ist und außerhalb der Reichweite der
Gottgeweihten; tvām—zu Dir; paryupāsate—verehren in materiellen Sinne liegt. Arjuna möchte nun wissen, welcher
rechter Weise; ye—diejenigen; ca—auch; api—wieder; dieser Transzendentalisten über vollkommeneres Wissen
akaram—jenseits der Sinne; avyaktam—unmanifestiert; verfügt. Mit anderen Worten: Er erhellt seine eigene Posi-
teām—von ihnen; ke—wer; yoga-vittamāƒ—der Voll- tion, denn er fühlt sich zur persönlichen Gestalt KŠas
kommenste. hingezogen, nicht zum unpersönlichen Brahman. Er möchte
wissen, ob seine Position sicher ist. Die unpersönliche
ÜBERSETZUNG Manifestation des Höchsten Herrn stellt sowohl in der
materiellen als auch in der spirituellen Welt für die
Arjuna fragte: Wer wird als vollkommener angesehen Meditation ein Problem dar. Im Grunde kann man den
— diejenigen, die in rechter Weise in Deinem unpersönlichen Aspekt der Absoluten Wahrheit nicht in
hingebungsvollen Dienst tätig sind, oder dieienigen, die vollkommener Weise erfassen. Arjuna will daher sagen:
das unpersönliche Brahman, das Unmanifestierte, "Was nützt eine solche Zeitverschwendung?" Arjuna
verehren? machte im Elften Kapitel die Erfahrung, daß es das beste
ist, wenn man an der persönlichen Gestalt KŠas haftet,
ERLÄUTERUNG denn so konnte er zur gleichen Zeit alle anderen Formen
verstehen, ohne daß seine Liebe zu KŠa beeinträchtigt
KŠa hat nun das Persönliche, das Unpersönliche und das wurde. Diese wichtige Frage Arjunas an KŠa wird den
Universale erklärt und alle Arten von Gottgeweihten und Unterschied zwischen der unpersönlichen und der
yogīs beschrieben. Grundsätzlich können die persönlichen Auffassung von der Absoluten Wahrheit
Transzendentalisten in zwei Gruppen unterteilt werden: in klarstellen.
Persönlichkeits- und Unpersönlichkeitsanhänger. Wer sich
dem persönlichen Aspekt des Höchsten weiht, beschäftigt VERS 2
sich mit ganzer Kraft im Dienst des Höchsten Herrn. Der
Unpersönlichkeitsanhänger hingegen dient KŠa nicht śrī bhagavān uvāca
direkt, sondern meditiert über das unpersönliche Brahman, mayy āveśya mano ye māˆ
das Unmanifestierte. nitya-yuktā upāsate
In diesem Kapitel erfahren wir, daß von den verschiedenen śraddhayā parayopetās
Vorgängen zur Erkenntnis der Absoluten Wahrheit te me yuktatamā matāƒ
bhakti-yoga oder hingebungsvoller Dienst der höchste ist.
Wenn man tatsächlich den Wunsch hat, mit der Höchsten śrī bhagavān uvāca—die Höchste Persönlichkeit Gottes
Persönlichkeit Gottes zusammenzusein, muß man sich dem sprach; mayi—in Mir; āveśya-gefestigt; manaƒ—Geist;
hingebungsvollen Dienst zuwenden. ye—jemand, der; mām—Mich; nitya—immer; yuktāƒ—
Diejenigen, die den Höchsten Herrn direkt durch beschäftigt; upāsate—verehrt; śraddhayā—mit Glauben;
hingebungsvollen Dienst verehren, werden parayā—transzendental; upetāƒ—beschäftigt; te—sie;
Persönlichkeitsanhänger genannt, und jene, die über das me—Mein; yuktatamāƒ—am vollkommensten; matāƒ—Ich
unpersönliche Brahman meditieren, nennt man betrachte.
Unpersönlichkeitsanhänger. Arjuna fragt hier, welche
Position besser sei. Es gibt verschiedene Wege zur ÜBERSETZUNG
Erkenntnis der Absoluten Wahrheit, doch KŠa deutet in
diesem Kapitel an, daß bhakti-yoga oder hingebungsvoller Der Segenspendende Herr sprach: Derjenige, dessen
Dienst der höchste aller Pfade ist. Es ist das direkteste und Geist auf Meine persönliche Gestalt gerichtet ist und der
einfachste Mittel, mit Gott zusammenzusein. immer damit beschäftigt ist, Mich mit großem und
Im Zweiten Kapitel erklärt der Herr, daß das Lebewesen transzendentalem Glauben zu verehren, wird von Mir
nicht der materielle Körper, sondern ein spiritueller Funke als der Vollkommenste angesehen.
ist, ein Teil der Absoluten Wahrheit. Im Siebten Kapitel
ERLÄUTERUNG
246

der in diesem Vers erwähnten Methode zuwendet, muß


Als Antwort auf Arjunas Frage sagt KŠa klar, daß man die Sinne beherrschen, jedem dienen und sich zum
derjenige, der sich auf Seine persönliche Form konzentriert Wohl aller Wesen betätigen. Es ist notwendig, sich KŠa
und Ihn mit Glauben und Hingabe verehrt, als der zuzuwenden; andernfalls ist es nicht moglich, vollkommene
vollkommenste yogī anzusehen ist. Für jemand in solchem Erkenntnis zu erlangen. Oft muß man viele Bußen auf sich
KŠa-Bewußtsein gibt es keine materiellen Tätigkeiten, nehmen, bevor man sich dem Höchsten Herrn völlig ergibt.
weil alles für KŠa getan wird. Ein reiner Gottgeweihter ist Um die Überseele in der individuellen Seele wahrnehmen
ständig beschäftigt — manchmal chantet er über KŠa, zu können, muß man die Sinnestätigkeiten, wie Sehen,
manchmal hört er über KŠa, zuweilen liest er Bücher über Hören, Schmecken und Berühren, einstellen. Dann erst
KŠa, dann wieder kocht er prasāda für KŠa oder geht gelangt man zu dem Verständnis, daß die Höchste Seele
zum Marktplatz, um etwas für KŠa zu kaufen; ein anderes überall gegenwärtig ist. Wenn man das erkennt, beneidet
Mal reinigt er den Tempel oder wäscht das Geschirr — man kein Lebewesen — man sieht keinen Unterschied
doch was immer er auch tut, er läßt keinen Augenblick mehr zwischen Mensch und Tier, denn man sieht nur die
vergehen, ohne seine Tätigkeiten KŠa zu weihen. Solches Seele, und nicht die äußere Hülle. Für den gewöhnlichen
Handeln findet in völligem samādhi statt. Menschen jedoch ist diese Methode der unpersönlichen
Verwirklichung nur sehr schwer durchführbar.
VERS 3-4
VERS 5
ye tv akaram anirdeśyam
avyaktaˆ paryupāsate kleśo'dhikataras teām
sarvatra-gam acintyaˆ ca avyaktāsakta-cetasām
kū˜astham acalaˆ dhruvam avyaktā hi gatir duƒkhaˆ
dehavadbhir avāpyate
sanniyamyendriya-grāmaˆ
sarvatra sama-buddhayaƒ kleśaƒ—Mühe; adhikataraƒ—noch mühsamer; teām—von
te prāpnuvanti mām eva ihnen; avyakta—dem Unmanifestierten; āsakta—verhaftet;
sarva-bhūta-hite ratāƒ cetasām—von denen, deren Geist; avyakta—das
Unmanifestierte; hi—gewiß; gatiƒ duƒkham—Fortschritt ist
ye—diejenigen; tu—aber; akaram—was sich jenseits der mühsam; dehavadbhiƒ—der Verkörperten; avāpyate—
Sinneswahrnehmung befindet; anirdeśyam—unbegrenzt; erreichen.
avyaktam—unmanifestiert; paryupāsate—völlig
beschäftigt; sarvatra-gam—alldurchdringend; acintyam— ÜBERSETZUNG
unbegreiflich; ca—auch; kū˜astham—im Zentrum;
acalam—unbeweglich; dhruvam—gefestigt; sanniyamya— Für diejenigen, deren Geist am unmanifestierten,
beherrschend; indriya-grāmam—alle Sinne; sarvatra— unpersönlichen Aspekt des Höchsten haftet, ist
überall; sama-buddayaƒ—gleich eingestellt; te—sie; Fortschritt sehr mühsam. Auf diesem Pfad fortzu-
prāpnuvanti—erreichen; mām—Mich; eva—gewiß; sarva- schreiten fällt den verkörperten Seelen stets schwer.
bhūta-hite—für das Wohl aller Lebewesen; ratāƒ—
beschäftigt. ERLÄUTERUNG

ÜBERSETZUNG Diejenigen Transzendentalisten, die dem Pfad des


unbegreiflichen, unmanifestierten und unpersönlichen
Dieienigen aber, die ausschließlich das Unmanifestierte Aspektes des Höchsten Herrn folgen, werden jñāna-yogīs
verehren, welches jenseits der Wahrnehmung der Sinne genannt, und Menschen, die völlig KŠa-bewußt sind und
liegt, das Alldurchdringende, Unbegreifliche, sich im hingebungsvollen Dienst des Herrn beschäftigen,
Unwandelbare und Unbewegliche — die unpersönliche werden als bhakti-yogīs bezeichnet. Hier wird nun
Auffassung von der Absoluten Wahrheit —, indem sie eindeutig der Unterschied zwischen jñāna-yoga und
die verschiedenen Sinne beherrschen und jedem bhakti-yoga erklärt. Zwar führt der Vorgang des
gleichgesinnt sind, solche Menschen, zum Wohl aller jñāna-yoga letztlich zum gleichen Ziel, aber er ist sehr
beschäftigt, erreichen Mich am Ende ebenfalls. mühsam, wohingegen der Pfad des bhakti-yoga, bei dem
man sich direkt im Dienst der Höchsten Persönlichkeit
ERLÄUTERUNG Gottes betätigt, für die verkörperte Seele einfacher und
natürlich ist. Die individuelle Seele ist seit undenklichen
Diejenigen, die den Höchsten Gott, KŠa, nicht direkt Zeiten verkörpert. Es ist für sie deshalb sehr schwierig,
verehren, sondern versuchen, an das gleiche Ziel durch auch nur theoretisch zu verstehen, daß sie nicht der Körper
einen indirekten Vorgang zu gelangen, erreichen am Ende ist. Aus diesem Grunde anerkennt der bhakti-yogī, daß die
ebenfalls das höchste Ziel, Śrī KŠa. Dazu heißt es: "Nach transzendentale Bildgestalt KŠas der Verehrung würdig
vielen Geburten sucht der Weise Zunucht bei Mir, da er ist, denn auf diese Weise kann die körperliche Auffassung,
weiß, daß Vāsudeva alles ist." (Bg. 7.19) Wenn jemand die sich im Geist festgesetzt hat, genutzt werden. Natürlich
nach vielen Geburten zu vollkommenem Wissen gelangt, hat die Verehrung der Höchsten Persönlichkeit Gottes in
ergibt er sich KŠa, dem Herrn. Wenn man sich Gott nach Form der Bildgestalt im Tempel nichts mit
247

Götzenverehrung zu tun. In den vedischen Schriften findet Transzendentalist, der im Vorgang des jñāna-yoga sehr
man den Hinweis, daß die Verehrung entweder saguŠa gelehrt ist, dazu kommen, sich mit bhakti-yoga oder
oder nirguŠa sein kann — als Verehrung des Höchsten mit hingebungsvollem Dienst zu befassen, aber auch dann wird
oder ohne Eigenschaften. Die Verehrung der Bildgestalt die lange Beschäftigung mit der Unpersönlichkeitslehre zur
des Herrn im Tempel ist saguŠa-Verehrung, denn der Herr Ursache von Schwierigkeiten, da er diese Vorstellung nicht
wird in diesem Fall durch materielle Eigenschaften aufgeben kann. Folglich hat eine verkörperte Seele mit dem
repräsentiert. Doch die Form des Herrn, obwohl durch Unmanifestierten immer Schwierigkeiten — sowohl in der
materielle Elemente wie Stein, Holz oder Ölfarbe Praxis als auch bei der Verwirklichung. Jedes Lebewesen
repräsentiert, ist in Wirklichkeit nicht materiell. Das ist das besitzt eine winzige Unabhängigkeit, und man sollte mit
absolute Wesen des Höchsten Herrn. Sicherheit wissen, daß die Erkenntnis des Unmanifestierten
Ein grobes Beispiel mag hier gegeben werden. Auf der dem Wesen unseres spirituellen, glückseligen Selbst
Straße sind Briefkästen aufgestellt, und wenn wir unsere widerspricht. Man sollte sich deshalb diesem Vorgang nicht
Briefe in diese Kästen werfen, werden sie selbstver- zuwenden. Der beste Weg für alle Lebewesen ist der
ständlich und ohne Schwierigkeiten an ihren Vorgang des KŠa-Bewußtseins, zu dem völlige
Bestimmungsort gelangen. Aber irgendein alter Kasten Beschäftigung im hingebungsvollen Dienst gehört.
oder eine Imitation, die nicht vom Postamt aufgestellt Versucht man, diesem hingebungsvollen Dienst aus dem
worden ist, wird diese Aufgabe nicht erfüllen. In ähnlicher Wege zu gehen, besteht die Gefahr, daß man sich dem
Weise ist die transzendentale Bildgestalt (arca-vigraha) Atheismus zuwendet. Deshalb sollte dieser Vorgang, die
eine autorisierte Repräsentation Gottes. Diese arca-vigraha Aufmerksamkeit auf das Unmanifestierte oder das
ist eine Inkarnation des Höchsten Herrn. Gott wird durch Unvorstellbare zu richten, das jenseits der Reichweite der
diese Form Dienst entgegennehmen. Der Herr ist Sinne liegt, niemals empfohlen werden, vor allem nicht in
allgewaltig und allmächtig; deshalb kann Er, um es den diesem Zeitalter. Er wird von Śrī KŠa nicht empfohlen.
bedingten Seelen leicht zu machen — durch Seine
Inkarnation als arca-vigraha den Dienst des Gottgeweihten VERS 6-7
entgegennehmen.
Für einen Gottgeweihten ist es also nicht schwierig, sich ye tu sarvāŠi karmāŠi
dem Höchsten sogleich und direkt zu nähern; aber für jene, mayi sannyasya mat-parāƒ
die den unpersönlichen Weg zu spiritueller Verwirklichung ananyenaiva yogena
einschlagen, ist der Pfad schwierig. Sie müssen die māˆ dhyāyanta upāsate
unmanifestierte Repräsentation des Höchsten durch solche
vedischen Schriften wie die Upaniaden verstehen; sie teām ahaˆ samuddhartā
müssen die Sprache erlernen und die nicht wahrnehmbaren mtyu-saˆsāra-sāgarāt
Gefühle verstehen und all diese verschiedenen Vorgänge bhavāmi na cirāt pārtha
auch noch verwirklichen. Das ist für einen gewöhnlichen mayy āveśita-cetasām
Menschen nicht so leicht. Ein Mensch im
KŠa-Bewußtsein, der im hingebungsvollen Dienst tätig ye—jemand; tu—aber; sarvāŠi—alle; karmāŠi—
ist, erkennt die Höchste Persönlichkeit Gottes sehr leicht, Tätigkeiten; mayi—Mir; sannyasya—weihend;
indem er sich einfach von einem echten spirituellen Meister mat-parāƒ—zu Mir hingezogen; ananyena—ohne Teilung;
führen läßt, der Bildgestalt regelmäßig Ehrerbietungen eva—gewiß; yogena—durch Ausübung solches
erweist, von der Herrlichkeit des Herrn hört und die Reste bhakti-yoga; mām—zu Mir; dhyāyantaƒ—meditierend;
der Speisen ißt, die dem Herrn geopfert wurden. Es besteht upāsate—Verehrung; teām—von ihnen; aham—Ich;
kein Zweifel darüber, daß die Unpersönlichkeitsanhänger samuddhartā—Befreier; mtyu—Tod; saˆsāra—materielle
unnötigerweise einen mühseligen Pfad beschreiten mit der Existenz; sāgarāt—aus dem Ozean; bhavāmi—werde; na
Gefahr, die Absolute Wahrheit letztlich doch nicht zu cirāt—keine lange Zeit; pārtha—o Sohn Pthās; mayi—in
erkennen. Der Persönlichkeitsanhänger hingegen nähert Mir: āveśita—gefestigt; cetasām—von denen, deren Geist
sich der Höchsten Persönlichkeit Gottes direkt, ohne so beschaffen ist.
Risiko, Mühsal oder Schwierigkeit. Im Śrīmad-
Bhāgavatam findet man einen ähnlichen Abschnitt, in dem ÜBERSETZUNG
es heißt: Wenn man sich letztlich doch der Höchsten
Persönlichkeit Gottes ergeben muß (diesen Vorgang der O Sohn Pthās, wer Mich verehrt, alle Tätigkeiten Mir
Hingabe nennt man bhakti), aber statt dessen die Mühe auf weiht und Mir völlig hingegeben ist, wer sich im
sich nimmt, zu verstehen, was Brahman und was nicht hingebungsvollen Dienst beschäftigt, ständig über Mich
Brahman ist, und sein ganzes Leben so verbringt, ist die meditiert und seinen Geist auf Mich gerichtet hat — ihn
Folge nur Mühsal. Daher wird hier empfohlen, diesen befreie Ich sehr schnell aus dem Ozean von Geburt und
beschwerlichen Pfad der Selbsterkenntnis nicht zu Tod.
beschreiten, da das Endergebnis unsicher ist.
Ein Lebewesen ist ewig eine individuelle Seele, und wenn ERLÄUTERUNG
es in das spirituelle Ganze eingehen will, mag es den
Ewigkeits- und Wissensaspekt seines ursprünglichen Es wird hier ausdrücklich gesagt, daß sich die
Wesens erkennen, aber nicht den glückseligen Teil. Durch Gottgeweihten in einer sehr glücklichen Lage befinden, da
die Gnade eines Gottgeweihten mag ein solcher der Herr sie schon sehr bald aus dem materiellen Dasein
248

befreien wird. Im reinen hingebungsvollen Dienst kommt Vorgang des hingebungsvollen Dienstes allen anderen
man zu der Erkenntnis, daß Gott groß und die individuelle Pfaden vorziehen. Im NārāyaŠīya wird dies wie folgt
Seele Ihm untergeordnet ist. Ihre Pflicht ist es, dem Herrn bestätigt:
zu dienen: andernfalls wird sie mayā dienen.
Wie zuvor erklärt wurde, kann der Höchste Herr nur durch yā vai sādhana-sampatti-
hingebungsvollen Dienst erkannt werden. Deshalb sollte puruārtha-catu˜aye
man völlig hingegeben sein. Man sollte seinen Geist tayā vinā tad-āpnoti
vollständig auf KŠa fixieren, um Ihn zu erreichen. Man naro nārāyaŠāśrayaƒ
sollte für KŠa arbeiten. Es ist gleich, mit welcher Arbeit
man sich beschäftigt, aber diese Arbeit sollte ausschließlich Die Bedeutung dieses Verses ist, daß man sich nicht mit
für KŠa getan werden. Das ist der Standard den verschiedenen Vorgängen fruchtbringenden Tuns oder
hingebungsvollen Dienstes. Der Gottgeweihte strebt nach mit der Kultivierung von Wissen durch gedankliche
nichts anderem, als die Höchste Persönlichkeit Gottes zu Spekulation befassen sollte. Wer der Höchsten
erfreuen. Die Mission seines Lebens besteht darin, KŠa zu Persönlichkeit hingegeben ist, kann alles erreichen, was
erfreuen, und er kann alles für KŠas Zufriedenstellung man durch andere yoga-Vorgänge, Spekulation, Rituale,
opfern, genau wie es Arjuna in der Schlacht von Kuruketra Opfer, Wohltätigkeiten usw. erreichen kann. Das ist der
tat. Der Vorgang ist sehr einfach: Man kann seiner jeweili- besondere Segen, den man im hingebungsvollen Dienst
gen Beschäftigung nachgehen und zur gleichen Zeit Hare erhält.
KŠa, Hare KŠa. KŠa KŠa, Hare Hare / Hare Rāma, Einfach durch das Chanten der Heiligen Namen KŠas —
Hare Rāma, Rāma Rāma, Hare Hare chanten. Solch Hare KŠa, Hare KŠa, KŠa KŠa, Hare Hare / Hare
transzendentales Chanten zieht den Gottgeweihten zur Rāma, Hare Rāma, Rāma Rāma, Hare Hare — kann sich
Persönlichkeit Gottes hin. ein Geweihter des Herrn leicht und freudig dem höchsten
Der Höchste Herr verspricht hier, daß Er einen reinen Ziel nähern. Diesen Bestimmungsort kann er durch keinen
Gottgeweihten, der so handelt, unverzüglich aus dem anderen Vorgang der Religion erreichen. Die
Ozean der materiellen Existenz befreien wird. Diejenigen, Schlußfolgerung der Bhagavad-gītā findet man im
die im yoga fortgeschritten sind, können die Seele durch Achtzehnten Kapitel:
den yoga-Vorgang nach Belieben zu irgendeinem Planeten
erheben, der ihnen gefällt. Die yogīs machen in sarva-dharmān parityajya
verschiedener Weise von dieser Möglichkeit Gebrauch, mām ekaˆ śaraŠaˆ vraja
doch was den Gottgeweihten betrifft, so heißt es eindeutig, ahaˆ tvāˆ sarva-pāpebhyo
daß der Herr Sich persönlich seiner annimmt. Er braucht mokayiyāmi mā śucaƒ
nicht darauf zu warten, sehr erfahren zu werden, um sich
zum spirituellen Himmel zu erheben. Im Varāha PurāŠa Man sollte alle anderen Vorgänge der Selbstverwirklichung
erscheint der folgende Vers: aufgeben und einfach hingebungsvollen Dienst im
KŠa-Bewußtsein ausführen. Das wird einen befähigen,
nayāmi paramaˆ sthānam die höchste Vollkommenheit des Lebens zu erreichen. Man
arcirādi-gatiˆ vinā braucht sich über die sündigen Handlungen seines
garua-skandham āropya vergangenen Lebens keine Gedanken zu machen, denn der
yatheccham anivāritaƒ Höchste Herr übernimmt für einen die volle
Verantwortung. Daher sollte man nicht sinnlos versuchen,
Die Bedeutung dieses Verses ist, daß ein Gottgeweihter sich durch spirituelle Erkenntnis aus eigener Kraft zu
nicht a˜ā‰ga-yoga zu praktizieren braucht, um seine Seele befreien. Möge jeder beim höchsten allmächtigen Gott,
zu den spirituellen Planeten zu erheben. Die Verantwortung KŠa, Zuflucht suchen. Das ist die höchste
hierfür übernimmt der Höchste Herr persönlich. Er sagt hier Vollkommenheit des Lebens.
klar, daß Er Selbst zum Befreier Seines Geweihten wird.
Ein Kind weiß, daß sich seine Eltern in jeder Beziehung um VERS 8
es kümmern, und so kann es sich in Sicherheit fühlen. In
ähnlicher Weise braucht sich ein Gottgeweihter nicht zu mayy eva mana ādhatsva
bemühen, durch yoga zu anderen Planeten zu gelangen. mayi buddhiˆ niveśaya
Vielmehr kommt der Höchste Herr aus Seiner großen nivasiyasi mayy eva
Barmherzigkeit auf Seinem Vogelträger Garua sogleich ata ūrdhvaˆ na saˆśayaƒ
herbei und befreit den Gottgeweihten unverzüglich aus dem
materiellen Dasein. Obwohl ein Mensch, der in den Ozean mayi—auf Mich; eva—gewiß; manaƒ—Geist; ādhatsva—
gefallen ist, sehr schwer kämpfen mag und vielleicht auch richte; mayi—auf Mich; buddhim—Intelligenz; niveśaya—
ein guter Schwimmer ist, wird er sich nicht retten können. wende an; nivasiyasi—du führst; mayi—zu Mir; eva—
Wenn aber jemand kommt und ihn aus dem Wasser zieht, gewiß; ataƒ—deshalb; ūrdhvam—auf; na—niemals;
befindet er sich in Sicherheit. In ähnlicher Weise zieht der saˆśayaƒ—Zweifel.
Herr den Gottgeweihten aus dem materiellen Dasein. Man
braucht nur den einfachen Vorgang des KŠa-Bewußtseins ÜBERSETZUNG
zu praktizieren und sich völlig im hingebungsvollen Dienst
zu beschäftigen. Jeder intelligente Mensch sollte stets den
249

Richte deinen Geist einfach auf Mich, die Höchste Zustand kommen sie direkt mit dem Höchsten Herrn in
Persönlichkeit Gottes, und beschäftige all deine Verbindung. Im materiellen Dasein mag ich im Dienst
Intelligenz in Mir. So wirst du zweifelsohne immer in eines Herrn stehen, aber ich diene meinem Herrn nicht
Mir leben. wirklich liebevoll. Ich diene nur, um etwas Geld zu
bekommen. Und auch der Herr empfindet keine Liebe; er
ERLÄUTERUNG nimmt Dienst von mir entgegen und bezahlt mich. Von
Liebe kann also keine Rede sein. Um jedoch ein spirituelles
Wer in Śrī KŠas hingebungsvollem Dienst tätig ist, lebt in Leben zu führen, muß man auf die Stufe reiner Liebe
einer direkten Beziehung zum Höchsten Herrn, und daher erhoben werden. Diese Stufe der Liebe kann durch die
besteht kein Zweifel, daß seine Stellung von Anfang an Praxis hingebungsvollen Dienstes, der mit den
transzendental ist. Ein Gottgeweihter lebt nicht auf der gegenwärtigen Sinnen ausgeführt werden kann, erreicht
materiellen Ebene — er lebt in KŠa. Der Heilige Name werden.
des Herrn und der Herr sind nicht voneinander verschieden; Diese Liebe zu Gott, die im Herzen eines jeden vorhanden
wenn daher ein Gottgeweihter Hare KŠa chantet, tanzen ist, befindet sich gegenwärtig in einem schlummernden
KŠa und Seine innere Energie auf der Zunge des Zustand. Sie ist dort unterschiedlich manifestiert, ist jedoch
Gottgeweihten. Wenn er KŠa Nahrung opfert, nimmt durch die Verbindung mit Materie verunreinigt. Diese
KŠa diese Speisen direkt an, und der Gottgeweihte wird Verbindung mit der Materie muß jetzt gelöst und die
KŠa-isiert, indem er die Überreste zu sich nimmt. Wer schlafende, natürliche Liebe zu KŠa wiederbelebt werden.
sich nicht in solchem Dienst beschäftigt, kann nicht Das ist der ganze Vorgang.
verstehen, wie dies möglich ist, obgleich dieser Vorgang in Um die regulierenden Prinzipien des bhakti-yoga zu
der Gītā und anderen vedischen Schriften empfohlen wird. praktizieren, sollte man, unter der Führung eines kundigen
spirituellen Meisters, bestimmten Prinzipien folgen: Man
VERS 9 sollte frühmorgens aufstehen, ein Bad nehmen, in den
Tempel gehen, Gebete darbringen und Hare KŠa chanten;
atha cittaˆ samādhātuˆ dann sollte man Blumen pflücken, um sie der Bildgestalt
na śaknoi mayi sthiram darzubringen, Speisen kochen, um sie der Bildgestalt zu
abhyāsa-yogena tato opfern, prasāda zu sich nehmen und so fort. Es gibt viele
mām icchāptuˆ dhanañjaya verschiedene Regeln und Vorschriften, die man beachten
sollte. Auch sollte man von reinen Gottgeweihten ständig
atha—wenn daher; cittam—Geist; samādhātam—zu aus der Bhagavad-gītā und dem Śrīmad-Bhāgavatam
richten; na—nicht; śaknoi—fähig; mayi—auf Mich; hören. Diese Praxis kann jedem helfen, auf die Ebene der
sthiram—gerichtet; abhyāsa—Praxis; yogena—durch Liebe zu Gott zu gelangen, und dann ist es sicher, daß man
hingebungsvollen Dienst; tataƒ—deshalb; mām—Mich; auf dem Weg in das spirituelle Königreich Gottes
icchā—Wunsch; āptum—zu bekommen; dhanañjaya—o Fortschritte macht. Wenn man bhakti-yoga nach diesen
Arjuna. Regeln und Vorschriften und unter der Führung eines spiri-
tuellen Meisters praktiziert, wird man mit Sicherheit auf die
ÜBERSETZUNG Stufe der Liebe zu Gott erhoben.

Mein lieber Arjuna, o Gewinner von Reichtum, wenn du VERS 10


deinen Geist nicht ohne Abweichung auf Mich richten
kannst, dann folge den regulierenden Prinzipien des abhyāse'py asamartho'si
bhakti-yoga. So wirst du den Wunsch entwickeln, zu mat-karma-paramo bhava
Mir zu gelangen. mad-artham api karmāŠi
kurvan siddhim avāpsyasi
ERLÄUTERUNG
abhyāse—in der Praxis von; api—sogar; asamarthaƒ—
In diesem Vers werden zwei verschiedene Vorgänge des unfähig; āsi—du bist; mat-karma—Meine Arbeit;
bhakti-yoga angedeutet. Der erste bezieht sich auf jemand, paramaƒ—höchste; bhava—du wirst; mat-artham—um
der durch transzendentale Liebe tatsächlich Zuneigung zu Meinetwillen; api—obwohl selbst; karmāŠi—Arbeit;
KŠa, der Höchsten Persönlichkeit Gottes, entwickelt hat. kurvan—ausführend; siddhim—Vollkommenheit;
Der andere ist für jemand, der keine Anhaftung an die avāpsyasi—erreichst.
Höchste Person durch transzendentale Liebe entwickelt hat.
Für diese zweite Gruppe gibt es verschiedene ÜBERSETZUNG
vorgeschriebene Regeln und Regulierungen, die man
befolgen kann, um letztlich auf die Stufe der Anhaftung an Wenn du die Regulierungen des bhakti-yoga nicht
KŠa erhoben zu werden. praktizieren kannst, dann versuche einfach, für Mich zu
Bhakti-yoga bedeutet Läuterung der Sinne. Im arbeiten; denn indem du für Mich arbeitest, wirst du die
gegenwärtigen Zustand, im materiellen Dasein, sind die Stufe der Vollkommenheit erreichen.
Sinne immer unrein, weil sie mit Sinnenbefriedigung be-
schäftigt sind. Durch die Ausübung von bhakti-yoga jedoch ERLÄUTERUNG
können diese Sinne gereinigt werden, und im gereinigten
250

Wer nicht imstande ist, den regulierenden Prinzipien des mit den Tätigkeiten des KŠa-Bewußtseins befassen,
bhakti-yoga unter der Führung eines spirituellen Meisters könnten Familienangehörige Einwände erheben, oder es
zu folgen, kann dennoch auf diese Stufe der könnten viele andere Schwierigkeiten auftreten. Einem
Vollkommenheit erhoben werden, indem er für den Menschen, der vor diesem Problem steht, wird geraten, das
Höchsten arbeitet. Wie diese Arbeit verrichtet werden kann, Ergebnis seiner Tätigkeiten für einen guten Zweck zu
wurde bereits im fünfundfünfzigsten Vers des Elften opfern. Dieser Weg wird in den vedischen Unterweisungen
Kapitels erklärt: Man sollte die Verbreitung des beschrieben. Es gibt viele Beschreibungen von Opfern und
KŠa-Bewußtseins unterstützen. Es gibt viele besonderen Funktionen der pumundi oder besonderen
Gottgeweihte, die mit der Verbreitung des Arbeit, bei der das Ergebnis früheren Tuns verwendet
KŠa-Bewußtseins beschäftigt sind und Hilfe benötigen. werden kann. So kann man allmählich auf die Stufe des
Selbst wenn man also die regulierenden Prinzipien des Wissens erhoben werden. Es geschieht auch oft, daß
bhakti-yoga nicht praktizieren kann, kann man versuchen, jemand, der an den Tätigkeiten des KŠa-Bewußtseins kein
solche Arbeit zu unterstützen. Jede Bemühung erfordert Interesse findet, einem Krankenhaus oder einer anderen
Land, Kapital, Organisation und Arbeit. Genauso wie man sozialen Einrichtung Geld spendet und auf diese Weise auf
im Geschäftsleben eine Niederlassung, Kapital, Arbeit und die schwer verdienten Früchte seiner Arbeit verzichtet. Das
eine Organisation benötigt, um sich zu erweitern, so sind wird hier ebenfalls empfohlen, denn wenn man sich darin
auch in KŠas Dienst solche Dinge erforderlich. Der übt, auf die Früchte seines Tuns zu verzichten, ist es sicher,
einzige Unterschied besteht darin, daß man im materiellen daß man seinen Geist allmählich läutert, und auf dieser
Leben für die Befriedigung seiner Sinne arbeitet. Die Stufe des gereinigten Geistes wird man fähig, KŠa-
gleiche Arbeit kann jedoch für die Zufriedenstellung Bewußtsein zu verstehen. Natürlich ist KŠa-Bewußtsein
KŠas verrichtet werden und so zu einer spirituellen von keiner anderen Erfahrung abhängig, denn
Tätigkeit werden. Wenn jemand genügend Geld besitzt, KŠa-Bewußtsein an sich kann den Geist eines Menschen
kann er helfen, ein Büro oder einen Tempel zur läutern. Wenn aber dem KŠa-Bewußtsein Hindernisse im
Verbreitung des KŠa-Bewußtseins zu bauen. Oder er Weg liegen, kann man versuchen, auf das Ergebnis seines
kann mit Publikationen helfen. Es gibt viele Tuns zu verzichten. So gesehen mögen auch sozialer
Tätigkeitsbereiche, und man sollte an solchen Tätigkeiten Dienst, Gemeindedienst, nationaler Dienst, Opfer für das
interessiert sein. Wenn man nicht das Ergebnis solcher Land usw. annehmbar sein, so daß man eines Tages auf die
Tätigkeiten zu opfern vermag, kann man doch zumindest Stufe reinen hingebungsvollen Dienstes für den Höchsten
einen gewissen Prozentsatz geben, um KŠa-Bewußtsein Herrn gelangen mag. In der Bhagavad-gītā finden wir die
zu verbreiten. Dieser freiwillige Dienst für die Sache des Feststellung yataƒ pravttir bhūtānām. Wenn man sich
KŠa-Bewußtseins wird uns helfen, auf eine höhere Stufe dazu entschließt, für die höchste Ursache Opfer zu bringen,
der Liebe zu Gott zu gelangen, wodurch man vollkommen wird man, selbst wenn man nicht weiß, daß KŠa die
wird. höchste Ursache ist, durch den Vorgang des Opfers
allmählich zu dem Verständnis gelangen, daß KŠa die
VERS 11 höchste Ursache ist.

athaitad apy aśakto'si VERS 12


kartuˆ mad-yogam āśritaƒ
sarva-karma-phala-tyāgaˆ śreyo hi jñānam abhyāsāj
tataƒ kuru yatātmavān jñānād dhyānaˆ viśiyate
dhyānāt karma-phala-tyāgas
atha—selbst wenn; etat—dieses; api—auch; aśaktaƒ— tyāgāc chāntir anantaram
unfähig; asi—du bist; kartum—auszuführen; mat—für
Mich; yogam—hingebungsvoller Dienst; āśritaƒ— śreyaƒ—besser; hi—sicherlich; jñānam—Wissen;
Zuflucht; sarva-karma—alle Tätigkeiten; phala—Ergebnis; abhyāsāt—durch Praxis; jñānāt—besser als Wissen;
tyāgam—für Entsagung; tataƒ—deshalb; kuru—tu; dhyānam—Meditation; viśiyate—insbesondere angesehen;
yata-ātmavān—im Selbst verankert. dhyānāt—von Meditation; karma-phala-tyāgaƒ—Verzicht
auf die Ergebnisse fruchtbringenden Tuns; tyāgāt—durch
ÜBERSETZUNG solche Entsagung; śāntiƒ—Frieden; anantaram— danach.

Wenn du jedoch unfähig bist, in diesem Bewußtsein zu ÜBERSETZUNG


arbeiten, dann versuche zu handeln, indem du auf alle
Ergebnisse deiner Arbeit verzichtest, und versuche, im Wenn du auch auf diese Weise nicht handeln kannst,
Selbst verankert zu sein. dann beschäftige dich mit der Kultivierung von Wissen.
Besser als Wissen indes ist Meditation, und besser als
ERLÄUTERUNG Meditation ist der Verzicht auf die Früchte des Tuns,
denn durch solche Entsagung kann man inneren
Es mag sein, daß man aufgrund sozialer, familiärer oder Frieden erlangen.
religiöser Bedenken oder irgendwelcher anderen
Hindernisse mit den Tätigkeiten des KŠa-Bewußtseins ERLÄUTERUNG
nicht einmal sympathisieren kann. Würde man sich direkt
251

Wie im vorherigen Vers erwähnt wurde, gibt es zwei Arten gewiß; ca—auch; nirmamaƒ—ohne Besitzgefühl;
hingebungsvollen Dienstes: den Weg der regulierenden niraha‰kāraƒ—ohne falsches Ego; sama—gleich;
Prinzipien und den Weg der völligen Anhaftung in Liebe duƒkhaƒ—Leid; sukhaƒ—Glück; kamī—verzeihend;
an die Höchste Persönlichkeit Gottes. Für diejenigen, die santu˜aƒ—zufrieden; satatam—befriedigt; yogī—in
tatsächlich nicht imstande sind, die Prinzipien des Hingabe beschäftigt; yatā-ātmā—sich bemühend;
KŠa-Bewußtseins zu befolgen, ist es besser, Wissen zu ddƒaniścayaƒ—mit Entschlossenheit; mayi—in Mir;
kultivieren, denn durch Wissen kann man seine wirkliche arpita—beschäftigt; manaƒ—Geist; buddhiƒ—Intelligenz;
Stellung verstehen lernen. Allmählich wird sich Wissen zur yaƒ—jemand, der; mat-bhaktaƒ—Mein Geweihter; saƒ me
Stufe der Meditation entwickeln, und durch Meditation priyaƒ—er ist Mir lieb.
kann man in einem allmählichen Vorgang die Höchste Per-
sönlichkeit Gottes verstehen. Es gibt Vorgänge, die einem ÜBERSETZUNG
zu verstehen geben, daß man selbst der Höchste ist; diese
Art der Meditation wird von Menschen bevorzugt, die Wer nicht neidisch ist, sondern allen Lebewesen ein
unfähig sind, sich im hingebungsvollen Dienst zu betätigen. gütiger Freund, wer sich nicht für einen Besitzer hält,
Wenn man nicht imstande ist, auf solche Art zu meditieren, wer frei ist von falschem Ego und in Glück und Leid
dann gibt es vorgeschriebene Pflichten, wie sie in den gleichmütig bleibt, wer immer zufrieden und mit
vedischen Schriften für die brāhmaŠas, katriyas, vaiśyas Entschlossenheit im hingebungsvollen Dienst tätig ist
und śūdras niedergelegt sind und die wir im Achtzehnten und wessen Geist und Intelligenz mit Mir in Einklang
Kapitel der Bhagavad-gītā finden werden. In jedem Fall stehen — er ist Mir sehr lieb.
aber sollte man auf die Ergebnisse oder Früchte seiner
Arbeit verzichten, was bedeutet, die Früchte des karma für ERLÄUTERUNG
einen guten Zweck zu verwenden.
Zusammenfassend gesagt gibt es zwei Vorgänge, die Der Herr wendet Sich nun wieder dem reinen
Höchste Persönlichkeit Gottes, das höchste Ziel, zu hingebungsvollen Dienst zu und beschreibt in diesen beiden
erreichen: den allmählicher Entwicklung und den direkten. Versen die transzendentalen Eigenschaften eines reinen
Hingebungsvoller Dienst im KŠa-Bewußtsein ist die Gottgeweihten. Ein reiner Gottgeweihter ist niemals durch
direkte Methode. Die andere Methode besteht darin, auf die irgendwelche Umstände gestört, noch beneidet er jemand,
Früchte seiner Tätigkeiten zu verzichten. Danach kann man noch wird ein Gottgeweihter der Feind seines Feindes; er
auf die Stufe von Wissen gelangen, von dort auf die Stufe denkt, nur aufgrund seiner eigenen vergangenen Missetaten
der Meditation, dann auf die Stufe des Verständnisses der sei ein anderer sein Feind, und daher sei es besser zu leiden
Überseele und schließlich auf die Stufe auf der man die als zu protestieren. Im Śrīmad Bhāgavatam wird gesagt: tat
Höchste Persönlichkeit Gottes erkennt. Man kann sich te 'nukampāˆ su-samīkyamaŠo. Wann immer ein
entweder für den allmählichen oder den direkten Pfad Gottgeweihter leidet oder in Schwierigkeiten ist, denkt er,
entscheiden. Der direkte Vorgang ist nicht für jeden alles sei die Barmherzigkeit des Herrn. Er denkt: "Aufgrund
möglich; daher ist der indirekte Vorgang ebenfalls gut. Man meiner vergangenen Missetaten sollte ich eigentlich viel,
sollte jedoch verstehen, daß der indirekte Vorgang Arjuna viel mehr leiden, als ich jetzt leide. Es ist nur der
nicht empfohlen wird, denn er befindet sich bereits auf der Barmherzigkeit des Herrn zu verdanken, daß ich nicht all
Stufe liebenden hingebungsvollen Dienstes für den die Strafe erhalte, die ich verdient habe. Durch die
Höchsten Herrn. Der indirekte Weg ist für diejenigen Barmherzigkeit der Höchsten Persönlichkeit Gottes
bestimmt, die noch nicht auf dieser Stufe sind; sie sollten bekomme ich nur einen geringen Teil." Deshalb ist ein
dem allmählichen Vorgang der Entsagung, des Wissens, Gottgeweihter trotz vieler leidvoller Umstände immer
der Meditation und der Erkenntnis der Überseele und des gelassen, still und geduldig. Auch ist er jedem stets
Brahman folgen. Was aber die Bhagavad-gītā betrifft, so freundlich gesinnt, selbst seinem Feind. Nirmama bedeutet,
wird hier die direkte Methode betont. Jedem wird geraten, daß der Gottgeweihte dem Frieden und dem Elend, die sich
die direkte Methode anzunehmen und sich der Höchsten auf den Körper beziehen, nicht viel Bedeutung beimißt, da
Persönlichkeit Gottes, KŠa, zu ergeben. er sehr wohl weiß, daß er nicht der materielle Körper ist. Er
identifiziert sich nicht mit dem Körper und ist daher von
VERS 13-14 der Vorstellung des falschen Egos frei und sowohl in Glück
als auch in Leid ausgeglichen. Er ist duldsam und mit allem
adve˜ā sarva-bhūtānāˆ zufrieden, was durch die Gnade des Höchsten Herrn
maitraƒ karuŠa eva ca kommt. Er bemüht sich nicht sehr um etwas, was nur unter
nirmamo niraha‰kāraƒ großen Schwierigkeiten zu erreichen ist; deshalb ist er
sama-duƒkha-sukhaƒ kamī immer fröhlich. Er ist ein absolut vollkommener Mystiker,
denn er ist in den Anweisungen, die er von seinem
santu˜aƒ satataˆ yogī spirituellen Meister empfing, gefestigt; weil seine Sinne
yatātmā dha-niścayaƒ beherrscht sind, ist er entschlossen. Er wird durch falsche
mayy-arpita-mano-buddhir Argumente nicht verunsichert, denn niemand kann ihn von
yo mad-bhaktaƒ sa me priyaƒ seiner festen Entschlossenheit im hingebungsvollen Dienst
abbringen. Er ist sich völlig bewußt, daß KŠa der ewige
adve˜ā—nicht neidisch; sarva-bhūtānām—zu allen Herr ist, und daher kann ihn niemand aus der Fassung
Lebewesen; maitraƒ-freundlich; karuŠaƒ—gütig; eva— bringen. All seine Qualifikationen ermöglichen es ihm, in
252

jeder Hinsicht vom Höchsten Herrn abhängig zu sein. Eine anapekaƒ—neutral; śuciƒ—rein; dakaƒ—geschickt;
solche Stufe hingebungsvollen Dienstes ist zweifellos sehr udāsīnaƒ—frei von Sorgen; gata-vyathaƒ—frei von allem
selten, doch ein Gottgeweihter wird auf dieser Ebene Leid; sarva-ārambha—alle Bemühungen; parityāgī—
verankert, wenn er den regulierenden Prinzipien des Entsagender; yaƒ—jeder; mat-bhaktaƒ—Mein Geweihter;
hingebungsvollen Dienstes folgt. Weiter sagt der Herr, daß saƒ—er; me—Mir; priyaƒ—sehr lieb.
Ihm ein solcher Gottgeweihter sehr lieb ist, denn der Herr
ist mit all seinen Tätigkeiten in völligem KŠa-Bewußtsein ÜBERSETZUNG
immer zufrieden.
Ein Gottgeweihter, der nicht vom gewohnten Verlauf
VERS 15 der Tätigkeiten abhängig ist, der rein, geschickt, ohne
Sorgen, frei von allem Leid ist und der nicht nach
yasmān nodvijate loko Ergebnissen trachtet, ist Mir sehr lieb.
lokān nodvijate ca yaƒ
harāmara-bhayodvegair ERLÄUTERUNG
mukto yaƒ sa ca me priyaƒ
Geld mag einem Gottgeweihten angeboten werden, doch
yasmāt—von dem; na—niemals; udvijate—beunruhigt; sollte er nicht darum kämpfen. Wenn ihm von selbst, durch
lokaƒ—Menschen; lokāt—Menschen; na—niemals; die Gnade des Herrn, Geld zukommt, wird er nicht aus der
udvijate—gestört; ca—auch; yaƒ-jeder; hara-Glück; Ruhe gebracht. Es ist für einen Gottgeweihten
amara—Leid; bhaya—Furchtsamkeit; udvegaiƒ—mit selbstverständlich, mindestens zweimal täglich ein Bad zu
Angst; muktaƒ—befreit; yaƒ—wer; saƒ—jeder; ca—auch; nehmen und frühmorgens aufzustehen, um sich im
me—Mir; priyaƒ—sehr lieb. hingebungsvollen Dienst zu beschäftigen. So ist er auf
natürliche Art und sowohl innerlich als auch äußerlich rein.
ÜBERSETZUNG Ein Gottgeweihter ist immer sachkundig, weil er den Sinn
aller Tätigkeiten im Leben genau kennt, und er ist von den
Wer niemanden in Schwierigkeiten bringt, nicht von autoritativen Schriften überzeugt. Ein Gottgeweihter
Angst beunruhigt wird und beständig ist in Glück und ergreift niemals Partei für eine bestimmte Seite und ist
Leid, ist Mir sehr lieb. deshalb immer sorglos. Er leidet nie, denn er ist frei von
allen Designationen oder Bezeichungen. Er weiß, daß sein
ERLÄUTERUNG Körper eine Designation ist; körperliche Schmerzen können
ihn daher nicht beeinflussen. Ein reiner Gottgeweihter
Hier werden einige weitere Qualifikationen eines bemüht sich um nichts, was den Prinzipien des
Gottgeweihten aufgeführt. Niemand wird von solch einem hingebungsvollen Dienstes widerspricht. Es erfordert zum
Gottgeweihten in Schwierigkeiten, Besorgnis, Angst oder Beispiel viel Energie, ein großes Gebäude zu errichten,
Unzufriedenheit gestürzt. Weil ein Gottgeweihter zu jedem doch ein Gottgeweihter übernimmt eine solche Aufgabe
gütig ist, handelt er nicht in einer Weise, die andere nicht, wenn es ihm nicht hilft, im hingebungsvollen Dienst
beängstigt, und zur gleichen Zeit ist der Gottgeweihte nicht fortzuschreiten. Er mag einen Tempel für den Herrn bauen,
gestört, wenn andere versuchen, ihn in Angst zu versetzen. und dafür mag er allerlei Sorgen auf sich nehmen, doch
Durch die Gnade des Herrn ist er darin geübt, sich von wird er kein großes Haus für sich oder seine Verwandten
keiner äußeren Störung beeinflussen zu lassen. Weil ein bauen.
Gottgeweihter immer im KŠa-Bewußtsein gründet und im
hingebungsvollen Dienst tätig ist, können ihn solche VERS 17
materiellen Umstände nicht verwirren. Im allgemeinen ist
ein materialistischer Mensch sehr glücklich, wenn er etwas yo na hyati na dve˜i
für seine Sinnenbefriedigung und seinen Körper bekommt, na śocati na kānkati
doch sobald er sieht, daß andere etwas für die Befriedigung śubhāśubha-parityāgī
ihrer Sinne haben, das er nicht hat, wird er verärgert und bhaktimān yaƒ sa me priyaƒ
neidisch. Wenn er die Rache eines Feindes erwartet,
befindet er sich in einem Zustand der Angst, und wenn er yaƒ—jemand, der; na—niemals; hyati—sich erfreut; na—
ein Vorhaben nicht erfolgreich durchführen kann, verliert niemals; dve˜i—bekümmert ist; na—niemals; śocati—
er den Mut. Ein Gottgeweihter aber steht immer in klagt; na—niemals; kānkati—begehrt; śubha—günstig;
transzendentaler Stellung zu solchen Störungen, und daher aśubha—ungünstig; parityāgī—Entsagender; bhaktimān—
ist er KŠa sehr lieb. Gottgeweihter; yaƒ—jemand, der; saƒ—er ist; me—Mir;
priyaƒ—lieb.
VERS 16
ÜBERSETZUNG
anapekaƒ śucir daka
udāsīno gata-vyathaƒ Wer weder nach Freude trachtet noch nach Leid, wer
sarvārambha-parityāgī weder klagt noch begehrt und wer sowohl günstigen als
yo mad-bhaktaƒ sa me priyaƒ auch ungünstigen Dingen entsagt, ist Mir sehr lieb.
253

ERLÄUTERUNG Wesentliches reden, und das wesentliche Gesprächsthema


des Gottgeweihten ist der Höchste Herr. Der Gottgeweihte
Ein reiner Gottgeweihter ist über materiellen Gewinn und ist unter allen Bedingungen glücklich; manchmal werden
Verlust weder beglückt noch bekümmert. Auch ist er nicht ihm sehr wohlschmeckende Speisen gereicht, und ein
sehr bestrebt, einen Sohn oder Schüler zu bekommen, noch anderes Mal nicht, doch er ist in jedem Fall zufrieden.
ist er betrübt, wenn er sie nicht bekommt. Wenn er etwas Auch sorgt er sich nicht um irgendeine Bleibe. Es mag sein,
verliert, was ihm sehr lieb ist, beklagt er sich nicht. Und daß er mal unter einem Baum lebt und mal in einem
auch, wenn er nicht das bekommt, was er sich wünscht, ist palastähnlichen Gebäude; er fühlt sich zu keinem von
er nicht betrübt. Er bleibt angesichts aller Arten glückbrin- beiden hingezogen. Er wird als gefestigt bezeichnet, weil er
gender, unglückbringender und sündiger Tätigkeiten in in seiner Entschlossenheit und seinem Wissen gefestigt ist.
transzendentaler Stellung verankert. Er ist bereit, jedes Wir mögen einige Wiederholungen in der Beschreibung der
Risiko für die Zufriedenstellung des Höchsten Herrn auf Eigenschaften eines Gottgeweihten finden, doch dies
sich zu nehmen. Nichts kann ihn an der Ausführung seines geschieht nur, um die Tatsache zu veranschaulichen, daß
hingebungsvollen Dienstes hindern. Solch ein ein Gottgeweihter all diese Eigenschaften entwickeln muß.
Gottgeweihter ist KŠa sehr lieb. Ohne gute Eigenschaften kann man kein reiner
Gottgeweihter sein. Wer kein Gottgeweihter ist, hat keine
VERS 18-19 guten Eigenschaften. Jemand, der als Gottgeweihter
angesehen werden möchte, sollte diese guten Eigenschaften
samaƒ śatrau ca mitre ca entwickeln. Natürlich unternimmt ein Gottgeweihter keine
tathā mānāpamānayoƒ außergewöhnlichen Anstrengungen, um diese Eigenschaf-
śītoŠa-sukha-duƒkheu ten zu erwerben; Betätigung im KŠa-Bewußtsein und
samaƒ sa‰ga-vivarjitaƒ hingebungsvoller Dienst helfen ihm von selbst, sie zu
entwickeln.
tulya-nindā-stutir maunī
santu˜o yena kenacit VERS 20
aniketaƒ sthira-matir
bhaktimān me priyo naraƒ ye tu dharmyāmtam idaˆ
yathoktaˆ paryupāsate
samaƒ—gleich; śatrau—zu Feinden; ca—auch; mitre—zu śraddadhānā mat-paramā
Freunden; ca—auch; tatha—so; māna—Ehre; bhaktās te'tīva me priyāƒ
apamānayoƒ—Schmach; śīta—Kälte; uŠa—Hitze;
sukha—Glück; duƒkheu—Leid; samaƒ—ausgeglichen; ye—jemand, der; tu—aber; dharmya—Großzügigkeit;
sa‰ga-vivarjitaƒ—frei von allem Umgang; tulya—gleich; amtam—Verständnis; idam—dies; yathā—wie; uktam—
nindā—Verleumdung; stutiƒ—Ansehen; maunī— gesagt; paryupāsate—beschäftigt sich völlig; śrad-
schweigsam; santu˜aƒ—zufrieden; yena—irgendwie; dadhānāƒ—mit Glauben; mat-paramāƒ—den Herrn als
kena—oder anderes; cit —wenn; aniketaƒ—keine alles betrachtend; bhaktāƒ—Gottgeweihte; te—solche
Unterkunft habend; sthira—gefestigt; matiƒ—Entschlos- Personen; atīva—sehr, sehr; me—Mir; priyāƒ—lieb.
senheit; bhaktimān—in Hingabe beschäftigt; me—Mir;
priyaƒ—lieb; naraƒ—ein Mensch. ÜBERSETZUNG

ÜBERSETZUNG Wer diesem unvergänglichen Pfad des hingebungsvollen


Dienstes folgt, sich mit Glauben völlig beschäftigt und
Wer Freund und Feind gleichgesinnt ist, wer angesichts Mich dabei zum höchsten Ziel macht, ist Mir sehr, sehr
von Ehre und Schmach, Hitze und Kälte, Glück und lieb.
Leid sowie Ruhm und Schande Gleichmut bewahrt, wer
immer frei von Verunreinigung, immer schweigsam und ERLÄUTERUNG
mit allem zufrieden ist, wer sich nicht um eine Bleibe
sorgt, wer im Wissen gefestigt ist und sich im In diesem Kapitel wird die Religion der ewigen
hingebungsvollen Dienst beschäftigt, ist Mir sehr lieb. Beschäftigung erklärt, das heißt der Vorgang
transzendentalen Dienstes, durch den man sich dem
ERLÄUTERUNG Höchsten Herrn nähern kann. Dieser Vorgang ist dem
Herrn sehr lieb, und Er akzeptiert jeden, der diesen Pfad
Ein Gottgeweihter ist immer frei von allem schlechten beschreitet. Die Frage Arjunas, wer besser sei — jemand,
Umgang. Mal wird man gelobt und mal verleumdet — das der dem Pfad des unpersönlichen Brahman folge, oder
ist das Wesen der menschlichen Gesellschaft —, doch ein jemand, der im persönlichen Dienst der Höchsten
Gottgeweihter ist immer transzendental zu künstlicher Ehre Persönlichkeit Gottes tätig sei —, beantwortete der Herr
und Unehre, künstlichem Glück oder Leid. Er ist sehr ihm so ausführlich, daß kein Zweifel darüber besteht, daß
geduldig. Er spricht über nichts anderes als KŠa; deshalb hingebungsvoller Dienst für die Persönlichkeit Gottes der
wird er schweigsam genannt. Schweigsam zu sein bedeutet beste aller Vorgänge spiritueller Erkenntnis ist. Mit anderen
nicht, daß man nicht sprechen sollte; zu schweigen Worten: In diesem Kapitel wurde erklärt, daß man sich
bedeutet, keinen Unsinn zu reden. Man sollte nur über durch guten Umgang zu reinem hingebungsvollem Dienst
254

hingezogen fühlt, sodann einen echten spirituellen Meister


annimmt, von ihm zu hören beginnt, zu chanten anfängt,
mit Glauben, Anhaftung und Hingabe den regulierenden
Prinzipien des hingebungsvollen Dienstes folgt und so im
transzendentalen Dienst des Herrn beschäftigt wird. Dieser
Pfad wird in diesem Kapitel empfohlen; deshalb besteht
kein Zweifel darüber, daß hingebungsvoller Dienst der
einzige absolute Pfad ist, um zur Selbstverwirklichung zu
gelangen, das heißt, um die Höchste Persönlichkeit Gottes
zu erreichen. Wie in diesem Kapitel erklärt wurde, ist die
unpersönliche Auffassung von der Höchsten Absoluten
Wahrheit nur solange empfohlen, bis man sich ergibt, um
Selbstverwirklichung zu erlangen. Mit anderen Worten, so
lange man nicht die Möglichkeit hat, mit einem reinen
Gottgeweihten zusammenzusein, kann auch die
unpersönliche Auffassung von Nutzen sein. In der
unpersönlichen Auffassung von der Absoluten Wahrheit
führt man Tätigkeiten ohne fruchtbringendes Ergebnis aus,
meditiert und kultiviert Wissen, um spirituelle Natur und
Materie zu verstehen. Das ist notwendig, solange man nicht
mit einem reinen Gottgeweihten zusammen ist. Wenn man,
vom Glück begünstigt, den Wunsch entwickelt, sich direkt
im KŠa-Bewußtsein in reinem hingebungsvollem Dienst
zu beschäftigen, braucht man nicht schrittweise auf dem
Pfad der spirituellen Erkenntnis fortzuschreiten.
Hingebungsvoller Dienst, wie er in den mittleren sechs
Kapiteln der Bhagavad-gītā beschrieben wird, ist
geeigneter. Man braucht sich nicht um materielle Dinge zu
kümmern, um Leib und Seele zusammenzuhalten, denn
durch die Gnade des Herrn wird für alles wie von selbst
gesorgt.

Hiermit enden die Bhaktivedanta-Erläuterungen zum


Zwölften Kapitel der Śrīmad-Bhagavad-gītā mit dem Titel:
"Hingebungsvoller Dienst".
255

DREIZEHNTES KAPITEL Tätigkeitsfeld gegeben. Deshalb nennt man den Körper


ketra oder das Tätigkeitsfeld der bedingten Seele. Jemand
nun, der sich nicht mit dem Körper identifiziert, wird als
Natur, Genießer und Bewußtsein ketrajña oder der Kenner des Feldes bezeichnet. Es ist
nicht sehr schwer, den Unterschied zwischen dem Feld und
VERS 1-2 seinem Kenner, das heißt zwischen dem Körper und dem
Kenner des Körpers, zu verstehen. Jeder kann verstehen,
arjuna uvāca daß er von der Kindheit bis zum Alter fortwährend
praktiˆ puruaˆ caiva körperlichen Wandlungen unterworfen ist und dennoch die
ketraˆ ketrajñam eva ca gleiche Person bleibt. Es besteht also ein Unterschied
etad veditum icchāmi zwischen dem Kenner des Tätigkeitsfeldes und dem
jñānaˆ jñeyaˆ ca keśava Tätigkeitsfeld an sich. Eine lebendige bedingte Seele kann
daher verstehen, daß sie vom Körper verschieden ist. Zu
śrī bhagavān uvāca Beginn der Bhagavad-gītā wurde gesagt: dehe 'smin. Das
idaˆ śarīraˆ kaunteya Lebewesen befindet sich im Körper, und der Körper
ketram ity abhidhīyate verändert sich von Kindheit zu Knabenzeit, von Knabenzeit
etad yo vetti taˆ prāhuƒ zu Jugend und von Jugend zu Alter, und die Person, die den
ketrajñaƒ iti tad-vidaƒ Körper besitzt, weiß, daß sich der Körper verändert. Der
Eigentümer ist eindeutig ketrajña (der Kenner des Feldes).
arjunaƒ uvāca—Arjuna sagte; praktim—Natur; Manchmal können wir verstehen: Ich bin glücklich; ich bin
puruam—der Genießer; ca—auch; eva—gewiß; verrückt; ich bin eine Frau; ich bin ein Hund; ich bin eine
ketram—Körper; ketrajñam—der Kenner des Körpers; Katze; wir sind die Kenner; doch der Kenner ist vom Feld
eva—gewiß; ca—auch; etat—all dies; veditum—verstehen; verschieden. Obwohl wir viele Gegenstände gebrauchen,
icchāmi—ich möchte; jñānam—Wissen; jñeyam—der wie zum Beispiel unsere Kleider, wissen wir, daß wir von
Gegenstand des Wissens; ca—auch; keśava—o KŠa; śrī den Dingen, die wir benutzen, verschieden sind. In
bhagavān uvāca—die Persönlichkeit Gottes sprach; idam— ähnlicher Weise können wir mit ein wenig Überlegung
dieser; śarīram—Körper; kaunteya—o Sohn Kuntīs; auch verstehen, daß wir vom Körper verschieden sind.
ketram—das Feld; iti—so; abhidhīyate—wird genannt; In den ersten sechs Kapiteln der Bhagavad-gītā werden der
etat—dieses; yaƒ—jeder; vetti—kennt; tam—ihn; prāhuƒ— Kenner des Körpers, das Lebewesen, und die Haltung,
wird genannt; ketrajñaƒ—der Kenner des Körpers; iti—so; durch die es den Höchsten Herrn verstehen kann,
tat-vidaƒ—jemand, der kennt. beschrieben. In den mittleren sechs Kapiteln der Gīta
werden die Höchste Persönlichkeit Gottes und die
ÜBERSETZUNG Beziehung zwischen der individuellen Seele und der Über-
seele hinsichtlich des hingebungsvollen Dienstes
Arjuna sagte: O mein lieber KŠa, ich möchte prakti beschrieben. In diesen Kapiteln werden die übergeordnete
[die Natur], purua [den Genießer], das Feld, den Stellung der Höchsten Persönlichkeit Gottes und die un-
Kenner des Feldes, Wissen und das Ziel des Wissens tergeordnete Stellung der individuellen Seele eindeutig
verstehen. definiert. Die Lebewesen sind unter allen Umständen
Darauf sprach der Segenspendende Herr: Den Körper, untergeordnet, doch weil sie diese Tatsache vergessen
o Sohn Kuntīs, nennt man das Feld, und wer den haben, leiden sie. Wenn sie durch fromme Werke erleuchtet
Körper kennt, wird als der Kenner des Feldes sind, wenden sie sich dem Herrn ihren verschiedenen
bezeichnet. Stellungen entsprechend zu: als Leidende, als diejenigen,
denen es an Geld mangelt, als Neugierige und als die, die
ERLÄUTERUNG auf der Suche nach Wissen sind. Das wurde ebenfalls
beschrieben. Vom Dreizehnten Kapitel an wird nun erklärt,
Arjuna war begierig, etwas über prakti (die Natur), purua wie das Lebewesen mit der materiellen Natur in Berührung
(den Genießer), ketra (das Feld), ketrajña (den Kenner kommt und auf welche Weise es vom Höchsten Herrn
des Feldes), Wissen und das Ziel des Wissens zu erfahren. durch die verschiedenen Methoden des fruchtbringenden
Als er nach all diesen Dingen fragte, sagte KŠa, daß der Tuns, der Kultivierung von Wissen und der Ausführung
Körper das Feld sei, und derjenige, der dieses Feld kenne, hingebungsvollen Dienstes befreit wird. Obwohl das
werde Kenner des Feldes genannt. Der Körper ist das Lebewesen vom materiellen Körper völlig verschieden ist,
Tätigkeitsfeld der bedingten Seele. Die bedingte Seele ist wird es irgendwie mit diesem verbunden. Auch das wird er-
im materiellen Dasein gefangen, und sie versucht, sich die klärt.
materielle Natur untertan zu machen. Folglich bekommt
sie, je nach ihrer Fähigkeit, die materielle Natur zu VERS 3
beherrschen, ein entsprechendes Tätigkeitsfeld. Dieses
Tätigkeitsfeld ist der Körper. Und was ist der Körper? Der ketrajñaˆ cāpi māˆ viddhi
Körper besteht aus Sinnen. Die bedingte Seele möchte die sarva-ketreu bhārata
Befriedigung dieser Sinne genießen, und je nach ihrem ketra-ketrajñayor jñānaˆ
Vermögen, die Sinne zu genießen, wird ihr ein Körper oder yat taj jñānaˆ mataˆ mama
256

ketrajñam—den Kenner; ca—auch; api—gewiß; mām—


Mich; viddhi—kenne; sarva—alle; ketreu—in Der Körper wird ketra genannt, und in ihm weilen der
körperlichen Feldern; bhārata—o Nachkomme Bhāratas; Besitzer des Körpers und der Höchste Herr, der sowohl den
ketra—Tätigkeitsfeld (der Körper); ketrajñayoƒ—der Körper als auch den Besitzer des Körpers kennt. Deshalb
Kenner des Feldes; jñānam—Wissen; yat—das, was gelehrt wird Er der Kenner aller Felder genannt. Der Unterschied
wird; tat—dieses; jñānam—Wissen; matam—Ansicht; zwischen dem Tätigkeitsfeld, dem Besitzer der Tätigkeiten
mama—diese. und dem höchsten Besitzer der Tätigkeiten wird wie folgt
beschrieben: Vollkommenes Wissen von der
ÜBERSETZUNG Beschaffenheit des Körpers, der Beschaffenheit der
individuellen Seele und der Beschaffenheit der Überseele
O Nachkomme Bhāratas, du solltest verstehen, daß Ich ist in den vedischen Schriften als jñānam bekannt. Das ist
ebenfalls der Kenner in allen Körpern bin, und den KŠas Ansicht. Die Seele und die Überseele als eins und
Körper und seinen Besitzer zu kennen wird als Wissen doch verschieden zu verstehen ist Wissen. Wer das
bezeichnet. Das ist Meine Ansicht. Tätigkeitsfeld und den Kenner der Tätigkeit nicht versteht,
verfügt über kein vollkommenes Wissen. Man muß die
ERLÄUTERUNG Position von prakti (der Natur), purua (dem Genießer der
Natur) und īśvara (dem Kenner), der die Natur und die
Während wir den Körper und den Besitzer des Körpers, die individuellen Seelen beherrscht, verstehen. Man sollte diese
Seele und die Überseele erörtern, werden wir drei drei in ihren verschiedenen Eigenschaften und Kräften
verschiedene Studienobjekte finden: den Herrn, das nicht miteinander verwechseln. Man sollte den Maler, das
Lebewesen und die Materie. In jedem Tätigkeitsfeld, das Gemälde und die Staffelei nicht durcheinanderbringen. Die
heißt in jedem Körper, gibt es zwei Seelen: die individuelle materielle Welt, die das Feld der Tätigkeiten ist, ist die
Seele und die Überseele. Weil die Überseele eine voll- Natur; der Genießer der Natur ist das Lebewesen, und über
ständige Erweiterung der Höchsten Persönlichkeit Gottes, beiden steht der höchste Lenker, die Persönlichkeit Gottes.
KŠas, ist, sagt KŠa: In der vedischen Literatur heißt es: bhoktā bhogyaˆ
"Ich bin ebenfalls der Kenner, doch bin Ich nicht der preritāraˆ ca matvā sarvaˆ proktaˆ trividhaˆ brahmam
individuelle Besitzer des Körpers. Ich bin der höchste etat. Es gibt drei Auffassungen vom Brahman: prakti ist
Kenner. Ich bin in jedem Körper als Paramātmā oder Über- Brahman als das Feld der Tätigkeiten; jīva (die individuelle
seele gegenwärtig." Seele) ist auch Brahman und versucht, die materielle Natur
Wer das Thema vom Tätigkeitsfeld und dem Kenner des zu beherrschen, und der Lenker beider ist ebenfalls
Feldes sehr eingehend im Sinne der Bhagavad-gītā studiert, Brahman, aber Er ist der eigentliche Herrscher.
kann Wissen erlangen. Der Herr sagt: "Ich bin der Kenner In diesem Kapitel wird auch erklärt werden, daß von den
des Tätigkeitsfeldes in jedem individuellen Körper." Das beiden Kennern der eine fehlbar und der andere unfehlbar
Individuum mag seinen eigenen Körper kennen, doch ist es ist. Einer ist übergeordnet, und der andere ist
sich nicht anderer Körper bewußt. Die Höchste untergeordnet. Wer glaubt, die beiden Kenner des Feldes
Persönlichkeit Gottes, die als Überseele in allen Körpern seien ein und derselbe, widerspricht dem Herrn, der
anwesend ist, weiß alles über alle Körper. Der Herr kennt Höchsten Persönlichkeit Gottes, der hier sehr klar sagt: "Ich
all die verschiedenen Körper aller verschiedenen bin ebenfalls der Kenner des Tätigkeitsfeldes." Wer ein Seil
Lebensformen. Ein Bürger kennt vielleicht sein eigenes fälschlich für eine Schlange hält, hat kein Wissen. Es gibt
Stück Land, doch der König kennt nicht nur seinen Palast, verschiedene Arten von Körpern, und es gibt verschiedene
sondern auch alle Ländereien, die die einzelnen Bürger Besitzer der Körper. Weil jede individuelle Seele ihre
besitzen. In ähnlicher Weise mag man der Besitzer seines individuelle Fähigkeit hat, über die materielle Natur zu
eigenen Körpers sein, doch der Herr ist der Besitzer aller herrschen, gibt es unterschiedliche Körper. Aber der
Körper. Der König ist der ursprüngliche Besitzer des Höchste ist auch in ihnen als der Lenker gegenwärtig. Das
Königreichs, und der Bürger ist der zweitrangige Besitzer. Wort ca ist hier von Bedeutung, da es auf die Gesamtzahl
In ähnlicher Weise ist der Höchste Herr der höchste aller Körper hinweist. Das ist die Ansicht Śrīla Baladeva
Besitzer aller Körper. VidyābhūaŠas. KŠa ist die Überseele, die in jedem
Der Körper besteht aus den Sinnen. Der Höchste Herr ist einzelnen Körper neben der individuellen Seele weilt. Und
Hīkeśa, was soviel bedeutet wie "Lenker der Sinne". Er KŠa sagt hier ausdrücklich, daß die Überseele sowohl das
ist der ursprüngliche Lenker der Sinne, ebenso wie der Tätigkeitsfeld als auch den begrenzten Genießer lenkt.
König der ursprüngliche Lenker aller Tätigkeiten des
Staates ist; die Bürger sind zweitrangige Lenker. Der Herr VERS 4
sagt auch: "Ich bin ebenfalls der Kenner." Dies bedeutet,
daß Er der höchste Kenner ist; die individuelle Seele kennt tat ketraˆ yac ca yādk ca
nur ihren jeweiligen Körper. In den vedischen Schriften yad vikāri yataś ca yat
heißt es: sa ca yo yat prabhāvaś ca
tat samāsena me śŠu
ketrāŠi hi śarīrāŠi
bījaˆ cāpi śubhāśubhe tat—dieses; ketram—Tätigkeitsfeld; yat—wie; ca—auch;
tāni vetti sa yogātmā yādk—wie es ist; ca—auch; yat—was sind; vikāri—
tataƒ ketrajña ucyate Veränderungen; yataƒ—wovon; ca—auch; yat—einer;
257

saƒ—er; ca—auch; yaƒ—jemand; yat—was; prabhāvaƒ maßgebenden Autoritäten immer noch üblich, stets
ca—auch Einfluß; tat—das; samāsena—im einzelnen; me— vorangegangene Autoritäten als Beweis anzuführen, und so
von Mir; śŠu—verstehe. erklärt KŠa diesen äußerst umstrittenen Punkt — die
Dualität und Nichtdualität der Seele und der Überseele —,
ÜBERSETZUNG indem Er Sich auf Schriften wie das Vedānta-sūtra bezieht,
die als Autorität anerkannt sind. Als erstes sagt Er, daß
Höre nun bitte Meine kurze Beschreibung dieses dieses Wissen mit den Lehren verschiedener Weiser
Tätigkeitsfeldes, wie es beschaffen ist, welche übereinstimmt. Außer Ihm Selbst ist auch Vyāsadeva, der
Veränderungen in ihm stattfinden, woraus es besteht, Verfasser des Vedānta-sūtra, ein großer Weiser, und im
wer der Kenner des Tätigkeitsfeldes ist und was seine Vedānta-sūtra wird Dualität in vollendeter Form erklärt.
Einflüsse sind. Auch Vyāsadevas Vater, Parāśara, war ein großer Weiser,
der in seinen Büchern über Religiosität unter anderem
ERLÄUTERUNG schreibt: aham tvaˆ ca athānye ... "Wir — du, ich und die
verschiedenen anderen Lebewesen — sind alle
Der Herr beschreibt hier das Tätigkeitsfeld und den Kenner transzendental, obwohl wir uns in materiellen Körpern
des Tätigkeitsfeldes in ihren wesensgemäßen Positionen. befinden. Jetzt sind wir, je nach unserem karma, in die
Man muß wissen, wie der Körper beschaffen ist, aus Bahnen der drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur
welchen Materialien der Körper besteht, unter wessen gefallen, und so befinden sich einige auf höheren Ebenen
Kontrolle der Körper arbeitet, wie die Veränderungen und andere in der niederen Natur. Die höheren und
auftreten, woher diese Veränderungen kommen, was die niederen Naturen existieren aufgrund von Unwissenheit
Ursachen sind, was die Gründe sind, was das Endziel des und werden in einer unbegrenzten Anzahl von Lebewesen
Individuums ist und was die eigentliche Form der sichtbar. Die Überseele aber, die unfehlbar ist, wird von
individuellen Seele ist. Man sollte ebenfalls den den drei Eigenschaften der Natur nicht verunreinigt — Sie
Unterschied zwischen der individuellen lebendigen Seele ist transzendental."
und der Überseele, ihre verschiedenen Einflüsse, ihre Auch in den ursprünglichen Veden, besonders in der
Potentiale usw. kennen. Man braucht nur die Bhagavad- Ka˜ha-Upaniad, wird zwischen der Seele, der Überseele
gītā nach der Beschreibung der Höchsten Persönlichkeit und dem Körper unterschieden.
Gottes zu verstehen, und all diese Punkte werden geklärt Es gibt eine Manifestation der Energie des Herrn,
sein. Man sollte jedoch darauf achten, die Höchste Per- annamaya genannt, durch die man einfach von Nahrung
sönlichkeit Gottes in jedem Körper und jeder individuellen abhängig ist, um zu leben. Das ist eine materialistische
Seele nicht für den jīva zu halten. Das würde bedeuten, den Erkenntnis des Höchsten. Dann gibt es prāŠamaya, was
Mächtigen mit dem Machtlosen gleichzusetzen. bedeutet, daß man, nachdem man die Höchste Absolute
Wahrheit in der Nahrung erkannt hat, die Absolute
VERS 5 Wahrheit in den Lebenssymptomen oder in den
Lebensformen wahrnehmen kann. Auf der Stufe der
ibhir bahudhā gītaˆ jñānamaya entwickelt sich das Lebenssymptom bis hin
chandobhir vividhaih pthak zum Denken, Fühlen und Wollen. Dann folgt
brahma-sūtra-padaiś caiva Brahman-Erkenntnis und die als vijñānamaya bekannte
hetumadbhir viniścitaiƒ Erkenntnis, durch die der Geist und die Lebenssymptome
des Lebewesens vom Lebewesen selbst unterschieden
ibhiƒ—von den kundigen Weisen; bahudhā—auf werden. Die nächste und höchste Stufe ist ānandamaya, die
vielfache Weise; gītam—beschrieben; chandobhiƒ— Erkenntnis der allglückseligen Natur. Es gibt also fünf
vedische Hymnen; vividhaiƒ—in verschiedenen; pthak— Stufen der Brahman-Erkenntnis, die man brahma-puccham
verschiedentlich; brahma-sūtra—der Vedānta; padaiƒ— nennt. Von diesen bilden die ersten drei—annamaya,
Aphorismus; ca—auch; eva—gewiß; hetumadbhiƒ—mit prāŠamaya und jñānamaya — die Tätigkeitsfelder der
Ursache und Wirkung; viniścitaiƒ—prüfen. Lebewesen. Transzendental zu all diesen Tätigkeitsfeldern
steht der Höchste Herr, der ānandamaya genannt wird.
ÜBERSETZUNG Auch im Vedānta-sūtra wird der Höchste als ānandamayo
'bhyāsāt bezeichnet. Der Herr, die Höchste Persönlichkeit
Dieses Wissen vom Tätigkeitsfeld und dem Kenner der Gottes, ist von Natur aus voller Freude, und um Seine
Tätigkeiten wird von verschiedenen Weisen in transzendentale Glückseligkeit zu genießen, erweitert Er
verschiedenen vedischen Schriften beschrieben — Sich in vijñānamaya, prāŠamaya, jñānamaya und
besonders im Vedānta-sūtra —, und es wird mit aller annamaya. In diesem Tätigkeitsfeld gilt das Lebewesen als
Beweisführung in bezug auf Ursache und Wirkung der Genießer, und verschieden von ihm ist der ānan-
präsentiert. damaya. Dies bedeutet, daß das Lebewesen vollkommen
wird, wenn es sich entschließt, in Verbindung mit dem
ERLÄUTERUNG ānandamaya zu genießen. Das ist das wahre Bild vom
Höchsten Herrn als höchstem Kenner des Feldes, vom
Die Höchste Persönlichkeit Gottes, KŠa, ist die höchste Lebewesen als untergeordnetem Kenner und von der Natur
Autorität, wenn es darum geht, dieses Wissen zu erklären. des Tätigkeitsfeldes.
Selbstverständlich ist es unter erfahrenen Gelehrten und
258

VERS 6-7 Die fünf Hauptelemente sind eine grobstoffliche


Repräsentation des feinstofflichen falschen Egos. Sie sind
mahā-bhūtāny aha‰kāro eine Repräsentation in der materiellen Auffassung.
buddhir avyaktam eva ca Bewußtsein wird von der Intelligenz repräsentiert, deren
indriyāŠi daśaikaˆ ca unmanifestierte Stufe die drei Erscheinungsweisen der
pañca cendriya-gocarāƒ materiellen Natur bilden. Die unmanifestierten drei
Erscheinungsweisen der materiellen Natur werden
icchā dveaƒ sukhaˆ duƒkhaˆ pradhāna genannt. Wer die vierundzwanzig Elemente mit
sa‰ghātaś cetanā dhtiƒ ihren Wechselwirkungen im einzelnen kennen möchte,
etat ketraˆ samāsena sollte diese Philosophie eingehender studieren; in der
sa-vikāram udāhtam Bhagavad-gītā wird nur eine Zusammenfassung gegeben.
Der Körper ist die Repräsentation all dieser Faktoren, und
mahā-bhūtāni—Hauptelemente; aha‰kāraƒ—falsches Ego; es gibt sechs Veränderungen des Körpers: Er wird geboren,
buddhiƒ—Intelligenz; avyaktam—das Unmanifestierte; wächst, bleibt eine Zeitlang bestehen, erzeugt
eva—gewiß; ca—auch; indriyāŠi—Sinne; daśa ekam—elf; Nebenprodukte, beginnt dann zu zerfallen und vergeht
ca—auch; pañca—fünf; ca—auch; indriya-gocarāƒ— schließlich. Deshalb ist das Tätigkeitsfeld eine
Objekte der Sinne; icchā—Verlangen; dveaƒ—Haß; nicht-dauerhafte, materielle Sache. Der ketrajña jedoch,
sukham—Glück; duƒkham—Leid; sa‰ghātaƒ—die der Kenner des Feldes, sein Besitzer, ist von anderer Natur.
Gesamtheit (das Aggregat); cetanā—Lebenssymptome;
dhtiƒ—Überzeugung; etat-all dies; ketram— VERS 8-12
Tätigkeitsfeld; samāsena—zusammengenommen; sa-vikā-
ram—Wechselwirkung; udāhtam—durch Beispiele amānitvam adambhitvam
erläutert. ahiˆsā kāntir ārjavam
ācāryopāsanaˆ śaucaˆ
ÜBERSETZUNG sthairyam ātma-vinigrahaƒ

Die fünf Hauptelemente, falsches Ego, Intelligenz, das indriyārtheu vairāgyam


Unmanifestierte, die zehn Sinne, der Geist, die fünf anaha‰kāra eva ca
Sinnesobjekte, Verlangen, Haß, Glück, Leid, die janma-mtyu-jarā-vyādhi-
Gesamtheit, die Lebenssymptome und Überzeugungen duƒkha-doānudarśanam
— all diese werden, zusammengenommen, als das
Tätigkeitsfeld und seine Wechselwirkungen angesehen. asaktir anabhiva‰gaƒ
putra-dāra-ghādiu
ERLÄUTERUNG nityaˆ ca sama-cittatvam
i˜āni˜opapattiu
Nach allen autoritativen Aussagen der großen Weisen, der
vedischen Hymnen und der Aphorismen des Vedānta-sūtra mayi cānanya-yogena
sind die Hauptbestandteile dieser Welt Erde, Wasser, Feuer, bhaktir avyabhicāriŠī
Luft und Äther. Dies sind die fünf wesentlichen Elemente ivikta-deśa-sevitvam
(mahābhūta). Als nächstes folgen falsches Ego, Intelligenz aratir jana-saˆsadi
und der unmanifestierte Zustand der drei
Erscheinungsweisen der Natur. Weiter gibt es fünf Sinne, adhyātma-jñāna-nityatvaˆ
um Wissen zu erwerben: Augen, Ohren, Nase, Zunge und tattva-jñānārtha-darśanam
Tastsinn; außerdem fünf Arbeitssinne: Stimme, Beine, etaj jñānam iti proktam
Hände, Anus und Genitalien, und dann, über den Sinnen, ajñānaˆ yad ato'nyathā
den Geist, der sich im Innern befindet und deshalb auch als
der innere Sinn bezeichnet werden kann. Mit dem Geist amānitvam—Demut; adambhitvam—Bescheidenheit;
gibt es also insgesamt elf Sinne. Auch gibt es noch fünf ahiˆsā—Gewaltlosigkeit; ksāntiƒ—Duldsamkeit;
Objekte der Sinne: Form, Klang, Geruch, Geschmack und ārjavam—Einfachheit; ācārya-upāsanam—Aufsuchen
Wärme. Die Gesamtheit dieser vierundzwanzig Elemente eines echten spirituellen Meisters; śaucam—Sauberkeit;
wird als das Tätigkeitsfeld bezeichnet. Wenn man ein sthairyam—Stetigkeit; ātma-vinigrahaƒ—Beherrschung;
analytisches Studium dieser vierundzwanzig Elemente indriya-artheu—in bezug auf die Sinne; vairāgyam—Ent-
vornimmt, kann man das Tätigkeitsfeld sehr gut verstehen. sagung; anaha‰kāraƒ—Freisein von falschem Ego; eva—
Weiter gibt es Verlangen, Haß, Freude und Schmerz, die gewiß; ca—auch; janma—Geburt; mtyu—Tod; jarā—
Wechselwirkungen und Repräsentationen der fünf großen Alter; vyādhi—Krankheit; duƒkha—Leid; doa—Fehler;
Elemente im groben Körper sind. Die Lebenssymptome, anudarśanam—beachtend; asaktiƒ—ohne Anhaftung;
die von Bewußtsein und Überzeugung repräsentiert werden, anabhiva‰gaƒ—ohne Gemeinschaft; putra—Sohn; dāra—
sind die Manifestationen des feinstofflichen Körpers — Ehefrau; gha-ādiu—Heim usw.; nityam—ewig; ca—auch;
Geist, Ego und Intelligenz. Diese feinstofflichen Elemente sama-cittatvam—Ausgeglichenheit; i˜a—wünschenswert;
sind im Tätigkeitsfeld enthalten. ani˜aƒ—unerwünscht; upapattiu—erlangt habend; mayi—
zu Mir; ca—auch; ananya-yogena—durch
259

hingebungsvollen Dienst; bhaktiƒ—Hingabe; macht uns sehr begierig, von anderen Ehre zu empfangen;
avyabhicāriŠī—beständig, unverfälscht; vivikta—einsamer; doch in den Augen eines Menschen mit vollkommenem
deśa—Ort; sevitvam-strebend nach; aratiƒ—ohne Wissen — der weiß, daß er nicht der Körper ist — ist alles,
Anhaftung; jana—gewöhnliche Menschen; saˆsadi— was sich auf den Körper bezieht, ob Ehre oder Schmach,
Masse; adhyātma—auf das Selbst bezogen; jñāna—Wissen; nutzlos. Man sollte nicht diesem materiellen Selbstbetrug
nityatvam—Ewigkeit; tattva-jñāna—Wissen um die nachjagen. Viele Leute sind sehr darauf aus, für ihre
Wahrheit; artha—das Objekt; darśanam—Philosophie; Religion berühmt zu werden, und so kann man manchmal
etat—all dies; jñānam—Wissen; iti-so; proktam—erklärt; beobachten, wie sich jemand, ohne die Prinzipien der
ajñānam—Unwissenheit; yat-das was; ataƒ—davon; Religion zu verstehen, einer Gruppe anschließt, die in
anyathā—anderes. Wirklichkeit keine religiösen Prinzipien befolgt, und sich
dann als religiöser Lehrer aufspielen möchte. Um zu
ÜBERSETZUNG prüfen, wie weit man tatsächlich in der spirituellen
Wissenschaft fortgeschritten ist, sollte man anhand dieser
Demut, Bescheidenheit, Gewaltlosigkeit, Duldsamkeit, Gesichtspunkte urteilen.
Einfachheit, Aufsuchen eines echten spirituellen Unter Gewaltlosigkeit wird im allgemeinen verstanden, den
Meisters, Sauberkeit, Stetigkeit und Selbst- Körper nicht zu töten oder zu zerstören; doch in
beherrschung; Entsagung der Obiekte der Wirklichkeit bedeutet Gewaltlosigkeit, anderen kein Leid
Sinnenbefriedigung, Freisein von falschem Ego und das zuzufügen. Die meisten Menschen sind durch Unwissenheit
Erkennen des Übels von Geburt, Tod, Alter und in der materiellen Lebensauffassung gefangen und erleiden
Krankheit; Nichtangehaftetsein an Kinder, Frau, Heim daher unaufhörlich materielle Qualen. Solange man also die
und dergleichen, Gleichmut inmitten erfreulicher und Menschen nicht zu spirituellem Wissen erhebt, ist man
unerfreulicher Ereignisse, beständige und unverfälschte gewalttätig. Man sollte sein Bestes versuchen, den
Hingabe an Mich, Sichzurückziehen an einsame Orte, Menschen wirkliches Wissen zu vermitteln, so daß sie
Loslösung von der allgemeinen Masse der Menschen, erleuchtet werden und der materiellen Verstrickung
Erkenntnis der Wichtigkeit der Selbstverwirklichung entkommen können. Das ist Gewaltlosigkeit.
und die philosophische Suche nach der Absoluten Duldsamkeit bedeutet, es gelernt zu haben, Beleidigungen
Wahrheit — all diese Dinge erkläre Ich hiermit für und Schmähungen seitens anderer zu ertragen. Wenn man
Wissen, und alles, was dem widerspricht, ist sich bemüht, im spirituellen Wissen fortzuschreiten, wird
Unwissenheit. man oft von anderen beleidigt und geschmäht. Das ist zu
erwarten, weil die materielle Natur so beschaffen ist. Selbst
ERLÄUTERUNG ein Junge wie Prahlāda, der schon mit fünf Jahren
spirituelles Wissen kultivierte, geriet in Gefahr, als sein
Dieser Vorgang des Wissens wird manchmal von weniger Vater seine Hingabe unterbinden wollte. Der Vater
intelligenten Menschen als die Wechselwirkung des versuchte, ihn auf viele Arten zu töten, doch Prahlāda ließ
Tätigkeitsfeldes mißverstanden. Tatsächlich aber ist dies sich das von ihm gefallen. Es kann also viele Hindernisse
der echte Vorgang des Wissens. Wenn man diesen Vorgang geben, wenn man Fortschritte im spirituellen Wissen
annimmt, besteht die Möglichkeit, der Absoluten Wahrheit machen will, doch wir sollten Geduld haben und mit
näherzukommen. Er ist nicht eine Wechselwirkung der Entschlossenheit weiter vorwärtsschreiten.
zehnfachen Elemente, wie zuvor beschrieben wurde. Er ist Einfachheit bedeutet, daß man ohne Diplomatie so
eigentlich das Mittel, davon frei zu werden. Der wichtigste aufrichtig sein sollte, daß man sogar einem Feind die reine
Aspekt des Wissens wird in der ersten Zeile des elften Wahrheit offenbaren kann.
Verses erwähnt: Der Vorgang des Wissens gipfelt in Einen spirituellen Meister anzunehmen ist unbedingt
unverfälschtem hingebungsvollem Dienst für den Herrn. notwendig, weil man ohne die Anweisungen eines echten
Wenn man sich also dem transzendentalen Dienst des Herrn spirituellen Meisters in der spirituellen Wissenschaft nicht
nicht zuwendet oder nicht dazu imstande ist, haben die fortschreiten kann. Man sollte sich dem spirituellen Meister
anderen neunzehn Punkte keinen besonderen Wert. Doch in aller Demut nähern und ihm alle Dienste anbieten, so daß
wenn sich jemand dem hingebungsvollen Dienst in es ihm eine Freude sein wird, dem Schüler seine
völligem KŠa-Bewußtsein zuwendet, entwickeln sich die Segnungen zu erteilen. Wenn ein spiritueller Meister seinen
restlichen neunzehn Eigenschaften von selbst in ihm. Das Schüler segnet, macht der Schüler sogleich Fortschritte,
im achten Vers erwähnte Prinzip, einen spirituellen Meister ohne die regulierenden Prinzipien zu befolgen, denn ein
anzunehmen, ist essentiell. Selbst für jemand, der sich dem echter spiritueller Meister ist ein Repräsentant KŠas.
hingebungsvollen Dienst zuwendet, ist es überaus wichtig. Zumindest wird es einem Schüler, der dem spirituellen
Transzendentales Leben beginnt, wenn man einen echten Meister vorbehaltlos gedient hat, leichter fallen, die
spirituellen Meister annimmt. Die Höchste Persönlichkeit regulierenden Prinzipien einzuhalten.
Gottes, Śrī KŠa, sagt hier eindeutig, daß dieser Vorgang Sauberheit ist unerläßlich, um im spirituellen Leben
des Wissens der richtige Pfad ist. Jede Spekulation, die Fortschritte zu machen. Es gibt zwei Arten von Sauberheit:
davon abweicht, ist Unsinn. äußere und innere. Äußere Sauberkeit bedeutet, ein Bad zu
Das hier dargelegte Wissen kann wie folgt analysiert nehmen, doch um innerlich sauber zu werden, muß man
werden: immer an KŠa denken und Hare KŠa, Hare KŠa,
Demut bedeutet, nicht danach zu streben, von anderen KŠa KŠa, Hare Hare / Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma
geehrt zu werden. Die materielle Auffassung vom Leben
260

Rāma, Hare Hare chanten. Dieser Vorgang reinigt den Geburt und Tod. In ähnlicher Weise gibt es zur Zeit des
Geist vom angesammelten Staub vergangenen karmas. Todes vielerlei Leiden, die ebenfalls in den maßgebenden
Stetigkeit bedeutet, sehr entschlossen zu sein, Fortschritt im Schriften erwähnt werden. Diese Schriften sollten diskutiert
spirituellen Leben zu machen. Ohne solche werden. Und was Krankheit und Alter betrifft, so macht
Entschlossenheit kann man keinen spürbaren Fortschritt jeder die praktische Erfahrung davon. Niemand möchte
machen. Und Selbstbeherrschung bedeutet, nichts krank sein, und niemand will alt werden, doch Krankheit
anzunehmen, was dem Pfad des spirituellen Fortschritts und Alter sind unvermeidlich. Solange wir das
entgegensteht. Man sollte es sich zur Gewohnheit machen, materialistische Leben in Anbetracht der Leiden von
alles abzulehnen, was gegen den Pfad spirituellen Geburt, Alter, Krankheit und Tod nicht mit Pessimismus
Fortschritts ist. Das ist wirkliche Entsagung. Die Sinne sind sehen, haben wir keinen Antrieb, im spirituellen Leben
so stark, daß sie ständig nach Befriedigung begehren. Man Fortschritt zu machen.
sollte solchen Bedürfnissen, die nicht notwendig sind, nicht Mit der Loslösung von Heim, Frau und Kindern ist nicht
nachgeben. Die Sinne sollten nur befriedigt werden, um gemeint, daß man keine Gefühle für sie haben soll.
den Körper gesund zu halten, so daß man seine Pflicht, im Zuneigung zu ihnen ist natürlich, doch wenn sie für den
spirituellen Leben fortzuschreiten, erfüllen kann. Der spirituellen Fortschritt nicht förderlich sind, sollte man
wichtigste und zügelloseste aller Sinne ist die Zunge. Wenn nicht an ihnen hängen. Der beste Vorgang, sein Heim
man die Zunge beherrschen kann, ist es auch möglich, die angenehm zu gestalten, ist KŠa-Bewußtsein. Wenn
anderen Sinne zu kontrollieren. Die Zunge hat die Aufgabe, jemand völlig im KŠa-Bewußtsein lebt, kann er in seinem
zu schmecken und Klangschwingungen zu erzeugen; Heim eine sehr glückliche Atmosphäre schaffen, denn
deshalb sollte die Zunge durch systematische Regulierung dieser Vorgang des KŠa-Bewußtseins ist sehr einfach.
immer damit beschäftigt sein, die Reste von KŠa geop- Man braucht nur Hare KŠa, Hare KŠa, KŠa KŠa,
ferten Speisen zu schmecken und Hare KŠa zu chanten. Hare Hare / Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma Rāma, Hare
Was die Augen betrifft, so sollte ihnen nicht erlaubt Hare zu chanten, die Überreste von Speisen zu essen, die
werden, etwas anderes zu sehen als die schöne Gestalt KŠa geopfert wurden, über Bücher wie die Bhagavad-gītā
KŠas. Das wird die Augen beherrschen. In ähnlicher und das Śrīmad-Bhāgavatam zu sprechen und die
Weise sollten die Ohren damit beschäftigt werden, von Bildgestalten KŠas zu verehren. Diese vier Dinge werden
KŠa zu hören, und die Nase sollte KŠa geopferte einen glücklich machen. Man sollte die Mitglieder seiner
Blumen riechen. Das ist der Vorgang des hingebungsvollen Familie also in dieser Weise schulen. Die
Dienstes, und hieraus kann man ersehen, daß die Familienangehörigen können sich morgens und abends
Bhagavad-gītā nichts anderes darlegt als die Wissenschaft zusammensetzen und gemeinsam Hare KŠa, Hare KŠa,
des hingebungsvollen Dienstes. Hingebungsvoller Dienst KŠa KŠa, Hare Hare / Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma
ist das einzige und hauptsächliche Ziel. Unintelligente Rāma, Hare Hare chanten. Wenn man sein Familienleben
Kommentatoren versuchen, den Geist des Lesers auf andere auf diese Weise gestalten kann, um KŠa-Bewußtsein zu
Dinge zu lenken, doch es gibt in der Bhagavad-gītā kein entwickeln, indem man diesen vier Prinzipien folgt, ist es
anderes Thema als hingebungsvollen Dienst. nicht notwendig, vom Familienleben zu einem Leben der
Falsches Ego bedeutet, den Körper für sich selbst zu halten. Entsagung zu wechseln. Wenn es jedoch für den
Wenn man versteht, daß man nicht der Körper, sondern spirituellen Fortschritt nicht zuträglich oder förderlich ist,
spirituelle Seele ist, so ist das wahres Ego. Ego ist existent. sollte das Familienleben aufgegeben werden. Man muß
Falsches Ego wird verurteilt, aber nicht das wahre Ego. In alles opfern, um KŠa zu erkennen oder zu dienen, genau
den vedischen Schriften wird gesagt: ahaˆ brahmāsmi. wie Arjuna. Arjuna wollte seine Familienangehörigen nicht
"Ich bin Brahman, ich bin spirituelle Seele." Dieses "ich töten, aber als er verstand, daß diese Familienangehörigen
bin", dieses Gefühl des Selbst, existiert auch auf der Hindernisse für seine Erkenntnis KŠas waren, nahm er
befreiten Stufe der Selbstverwirklichung. Dieses Gefühl des KŠas Anweisungen an, kämpfte gegen seine Verwandten
"ich bin" ist das Ego, doch wenn dieses Gefühl des "ich und tötete sie. In jedem Fall sollte man vom Glück und
bin" auf den falschen Körper gerichtet wird, ist es falsches Leid des Familienlebens losgelöst sein, denn in dieser Welt
Ego. Wenn das Gefühl des Selbst jedoch auf die Realität kann man niemals völlig glücklich oder völlig unglücklich
gerichtet wird, ist dies das wahre Ego. Einige Philosophen sein. Glück und Leid sind untrennbare Faktoren des
sagen, wir sollten unser Ego aufgeben, aber wir können materiellen Lebens. Wie in der Bhagavad-gītā empfohlen
unser Ego nicht aufgeben, denn Ego bedeutet Identität. wird, sollte man lernen, sie zu dulden. Da man dem
Selbstverständlich sollten wir die falsche Identifizierung Kommen und Gehen von Glück und Leid niemals Einhalt
mit dem Körper aufgeben. gebieten kann, sollte man sich von der materialistischen
Man sollte versuchen, das Leid zu verstehen, das darin Lebensweise lösen und von selbst in beiden Fällen gleich-
besteht, Geburt, Tod, Alter und Krankheit ertragen zu mütig bleiben. Gewöhnlich sind wir sehr glücklich, wenn
müssen. Es gibt in den verschiedenen vedischen Schriften wir etwas Erwünschtes bekommen, und wenn uns etwas
Beschreibungen der Geburt. Im Śrīmad-Bhāgavatam finden Unerwünschtes widerfährt, sind wir unglücklich. Wenn wir
wir eine anschauliche Beschreibung der Welt des jedoch tatsächlich auf der spirituellen Ebene verankert sind,
Ungeborenen, das heißt, unter welchen Bedingungen das werden uns diese Dinge nicht länger berühren. Um diese
Kind im Mutterschoß lebt, wie es leidet, usw. Man sollte Stufe zu erreichen, müssen wir unabweichlichen,
unbedingt verstehen, daß Geburt qualvoll ist. Weil wir uneingeschränkten hingebungsvollen Dienst praktizieren;
vergessen haben, wie sehr wir im Schoß der Mutter gelitten hingebungsvoller Dienst für KŠa ohne Abweichung
haben, lösen wir nicht das Problem der Wiederholung von bedeutet, sich in den neun Vorgängen des
261

hingebungsvollen Dienstes, Chanten, Hören, Verehren, selben Zeit Fortschritte im spirituellen Wissen machen will,
Ehrerbietungen erweisen usw., zu betätigen, wie im letzten wird er frustriert werden. Es wird klar gesagt, daß ohne
Vers des Neunten Kapitels beschrieben wird. Diesem Demut Wissen schädlich ist. Sich für Gott zu halten ist
Vorgang sollte man folgen. Wenn man ein spirituelles höchst eingebildet. Obwohl das Lebewesen ständig von den
Leben führt, wird man natürlicherweise nicht mehr mit strengen Gesetzen der Natur getreten wird, denkt es
materialistischen Menschen zusammensein wollen. Das aufgrund von Unwissenheit: "Ich bin Gott." Man sollte
würde einem zuwider sein. Man kann sich prüfen, indem demütig sein und wissen, daß man dem Höchsten Herrn
man feststellt, inwieweit man geneigt ist, an einem untergeordnet ist. Nur weil man gegen den Höchsten Herrn
einsamen Ort ohne unerwünschten Umgang zu leben. rebelliert, gerät man unter den Einfluß der materiellen
Natürlicherweise findet ein Gottgeweihter keinen Natur. Man muß diese Wahrheit erkennen und von ihr
Geschmack an unnötigem Sport, Kinobesuchen oder überzeugt sein.
gesellschaftlichen Veranstaltungen, denn er versteht, daß
diese Dinge nichts als Zeitverschwendung sind. Es gibt VERS 13
viele Forscher und Philosophen, die das sexuelle Verhalten
oder irgend etwas anderes studieren, doch nach den Lehren jñeyaˆ yat tat pravakyāmi
der Bhagavad-gītā haben solche Forschungsarbeiten und yaj jñātvā'mtam aśnute
philosophischen Spekulationen keinen Wert. All dies ist anādimat paraˆ brahma
mehr oder weniger unsinnig. Der Bhagavad-gītā gemäß na sat tan nāsad ucyate
sollte man mit philosophischer Besonnenheit das Wesen
der Seele erforschen. Man sollte forschen, um zu verstehen, jñeyam—erkennbar; yat—das; tat—was; pravakyāmi—Ich
was für das Selbst von Wichtigkeit ist. Das wird hier werde jetzt erklären; yat—was; jñātvā—wissend; amtam—
empfohlen. Nektar; aśnute—kostest; anādi—anfanglos; mat-param—
Was Selbstverwirklichung anbelangt, so heißt es hier klar, Mir untergeordnet; brahma—spirituelle Natur; na—weder;
daß bhakti-yoga besonders geeignet ist. Sobald von sat—Ursache; tat—das; na—noch; asat—Wirkung;
Hingabe die Rede ist, muß man die Beziehung zwischen ucyate—wird genannt.
der Überseele und der individuellen Seele in Betracht
ziehen. Die individuelle Seele und die Überseele können ÜBERSETZUNG
nicht eins sein — zumindest nicht in der
bhakti-Auffassung, der hingebungsvollen Auflassung vom Ich werde dir jetzt das Erkennbare erklären, bei dessen
Leben. Dieser Dienst der individuellen Seele für die Erkenntnis du das Ewige kosten wirst. Es ist anfanglos
Höchste Seele ist nityam (ewig), wie es hier eindeutig heißt. und Mir untergeordnet. Man nennt es Brahman oder
Bhakti oder hingebungsvoller Dienst ist also ewig. Man die spirituelle Natur, und es liegt jenseits der Ursache
sollte in dieser philosophischen Überzeugung gefestigt sein, und Wirkung dieser materiellen Welt.
sonst verschwendet man nur Zeit und befindet sich in
Unwissenheit. ERLÄUTERUNG
Dies wird auch im Śrīmad-Bhāgavatam (1.2.11) erklärt:
Der Herr hat das Tätigkeitsfeld und den Kenner des Feldes
vadanti tat tattva-vidas erklärt. Er hat auch erklärt, wie man den Kenner des
tattvaˆ yaj jñānam advayam Tätigkeitsfeldes erkennen kann. Jetzt erklärt Er das
brahmeti paramātmeti Erkennbare, das heißt die Seele und die Überseele. Wenn
bhagavān iti śabdyate man den Kenner, nämlich die Seele und die Überseele,
kennt, kann man den Nektar des Lebens kosten. Wie im
„Diejenigen, die die Absolute Wahrheit wahrhaft kennen, Zweiten Kapitel erklärt wird, ist das Lebewesen ewig. Das
wissen, daß das Höchste Selbst in drei verschiedenen wird auch hier bestätigt. Es gibt keinen bestimmten
Aspekten als Brahman, Paramātmā und Bhagavān erkannt Zeitpunkt, an dem der jīva geboren wurde, noch kann je-
wird." mand herausfinden, wann der jīvātmā vom Höchsten Herrn
Bhagavān ist die höchste Stufe in der Erkenntnis der manifestiert wurde. Deshalb hat er keinen Anfang. Die
Absoluten Wahrheit; deshalb sollte man die Ebene des vedischen Schriften bestätigen dies: na jāyate mriyate vā
Verständnisses der Höchsten Persönlichkeit Gottes er- vispaścit. Der Kenner des Körpers wird niemals geboren
reichen und sich dann im hingebungsvollen Dienst des und stirbt niemals, und er ist voller Wissen. Der Höchste
Herrn beschäftigen. Das ist die Vollkommenheit des Herr wird in der vedischen Literatur auch als
Wissens. pradhāna-ketrajña-patir guŠeśaƒ beschrieben. Der
Angefangen mit dem Sichüben in Demut bis zur Erkenntnis Höchste Herr ist als die Überseele der Hauptkenner des
der Höchsten Wahrheit, der Absoluten Persönlichkeit Körpers, und Er ist der Herr der drei Erscheinungsweisen
Gottes, gleicht der ganze Vorgang einer Treppe, die vom der materiellen Natur. In der smti heißt es: dāsa-bhūto
Erdgeschoß bis zum obersten Stockwerk führt. Auf dieser harer eva nānyasvaiva kadācana. Die Lebewesen stehen
Treppe stehen viele Menschen, die bereits den ersten, ewig im Dienst des Höchsten Herrn. Das wird auch von Śrī
zweiten oder dritten Stock erreicht haben, doch solange Caitanyas Lehren bestätigt; deshalb bezieht sich die in
man nicht das oberste Stockwerk erreicht, das heißt KŠa diesem Vers erwähnte Beschreibung des Brahman auf die
versteht, befindet man sich auf einer unteren Stufe des individuelle Seele, und wenn mit dem Wort "Brahman" das
Wissens. Wenn sich jemand mit Gott messen und zur Lebewesen gemeint ist, muß man verstehen, daß das Le-
262

bewesen vijñānaˆ brahma im Gegensatz zu VERS 15


ananta-brahma ist. Ananta-brahma ist das Höchste
Brahman, die Persönlichkeit Gottes. sarvendriya-guŠābhāsaˆ
sarvendriya-vivarjitam
VERS 14 asaktaˆ sarva-bhc caiva
nirguŠaˆ guŠa-bhokt ca
sarvataƒ pāŠi-pādaˆ tat
sarvato'ki-śiro-mukham sarva—alle; indriya—Sinne; guŠa—Eigenschaften;
sarvataƒ śrutimal loke ābhāsam—ursprüngliche Quelle, sarva-alle; indriya—
sarvam āvtya ti˜hati Sinne; vivarjitam—nicht haben; asaktam—ohne Anhaf-
tung; sarva-bht—Erhalter eines jeden; ca—auch; eva—
sarvataƒ—überall; pāŠi—Hände; pādam—Beine; tat—das; gewiß; nirguŠam—ohne materielle Eigenschaften;
sarvataƒ—überall; aki—Augen; śiraƒ—Kopf; mukham— guŠa-bhokt—gleichzeitig Herr der guŠas; ca—auch.
Gesicht; sarvataƒ—überall; śrutimat—hörend; loke—in der
Welt; sarvam—überall; āvtya—bedeckend; ti˜hati— ÜBERSETZUNG
existiert.
Die Überseele ist die ursprüngliche Quelle aller Sinne,
ÜBERSETZUNG und doch ist Sie ohne Sinne. Der Herr ist unangehaftet,
obwohl Er der Erhalter aller Lebewesen ist. Er steht in
Überall sind die Hände, Beine, Augen und Gesichter des transzendentaler Stellung zu den Erscheinungsweisen
Herrn, und Er hört alles. Auf diese Weise existiert die der Natur, und zugleich ist Er der Herr aller
Überseele. Erscheinungsweisen der materiellen Natur.

ERLÄUTERUNG ERLÄUTERUNG

Ähnlich wie die Sonne, die ihre zahllosen Strahlen Obwohl der Höchste Herr der Ursprung aller Sinne der
verbreitet, existiert auch die Überseele oder Höchste Lebewesen ist, hat Er keine materiellen Sinne wie sie.
Persönlichkeit Gottes. Sie existiert in Ihrer alldurchdringen- Eigentlich haben die individuellen Seelen spirituelle Sinne,
den Form, und in Ihr existieren alle individuellen doch im bedingten Leben sind diese von den materiellen
Lebewesen —angefangen mit dem ersten großen Lehrer, Elementen bedeckt, und so werden die Tätigkeiten der
Brahmā, bis hinab zu den kleinen Ameisen. Es gibt unbe- Sinne durch Materie hindurch entfaltet. Die Sinne des
grenzt viele Köpfe, Beine, Hände und Augen und Höchsten Herrn sind nicht in solcher Weise bedeckt. Seine
unbegrenzt viele Lebewesen. Sie alle existieren in der Sinne sind transzendental und werden daher nirguŠa
Überseele und sind von Ihr abhängig. Deshalb ist die genannt. Mit guŠa sind die materiellen Erscheinungsweisen
Überseele alldurchdringend. Die individuelle Seele kann gemeint, doch Seine Sinne sind nicht von Materie bedeckt.
jedoch nicht von sich behaupten, sie habe ihre Hände, Man sollte verstehen, daß Seine Sinne nicht wie die unseren
Beine und Augen überall. Das ist nicht möglich. Wenn sie sind. Obwohl Er die Quelle all unserer Sinnestätigkeiten ist,
denkt, aufgrund von Unwissenheit sei sie sich nicht hat Er transzendentale Sinne, die nicht verunreinigt sind.
bewußt, daß ihre Hände und Beine überall verbreitet seien, Das wird sehr schön in der Śvetāśvatara Upaniad erklärt:
sie werde aber zu dieser Stufe kommen, wenn sie richtiges sarvataƒ pāŠi-pādam. Der Herr, die Höchste Persönlichkeit
Wissen erlange, widerspricht sich dieses Denken. Das Gottes, hat keine Hände, die materiell verunreinigt sind,
würde nämlich bedeuten, daß die individuelle Seele, da sie aber Er hat Hände, mit denen Er alle Opfer annimmt, die
von der materiellen Natur bedingt wurde, nicht in höchster Ihm dargebracht werden. Das ist der Unterschied zwischen
Stellung steht. Der Höchste ist von Der individuellen Seele der bedingten Seele und der Überseele. Der Paramātmā hat
verschieden. Der Höchste Herr kann Seine Hand zwar keine materiellen Augen, aber Er hat Augen — wie
unbegrenzt weit ausstrecken; die individuelle Seele kann könnte Er sonst sehen. Er sieht alles in Vergangenheit,
dies nicht. In der Bhagavad-gītā sagt der Herr, daß Er von Gegenwart und Zukunft. Er lebt im Herzen des Lebewesens
jedem, der Ihm eine Blume oder eine Frucht oder ein wenig und weiß, was wir in der Vergangenheit getan haben, was
Wasser opfert, solches annimmt. Hier mag sich die Frage wir jetzt tun und was uns in der Zukunft erwartet. Das wird
stellen, wie der Herr Dinge annehmen kann, wenn Er so auch in der Bhagavad-gītā bestätigt: "Er weiß alles, doch
weit entfernt ist. Das ist die Allmacht des Herrn. Obwohl Er niemand kennt Ihn." Es wird gesagt, daß der Höchste Herr
Sich in Seinem Reich, weit entfernt von der Erde, aufhält, keine Beine hat wie wir, doch Er kann durch den Weltraum
kann Er Seine Hand überallhin ausstrecken, um Opfergaben reisen, weil Er spirituelle Beine hat. Mit anderen Worten:
anzunehmen. Das ist Seine Macht. In der Brahma-saˆhitā Der Herr ist nicht unpersönlich; Er hat Augen, Beine,
heißt es: goloka eva nivasati. Obwohl Er auf Seinem Hände und alles andere, und weil wir Teile des Höchsten
transzendentalen Planeten immer in Spiele vertieft ist, ist Er Herrn sind, haben auch wir diese Dinge. Doch Seine
alldurchdringend. Die individuelle Seele kann nicht Hände, Beine, Augen und Sinne sind nicht durch die
behaupten, sie sei alldurchdringend. Folglich beschreibt materielle Natur verunreinigt.
dieser Vers die Höchste Seele, die Persönlichkeit Gottes, Die Bhagavad-gītā bestätigt ebenfalls, daß der Herr, wenn
nicht die individuelle Seele. Er herabsteigt, durch Seine innere Kraft unverändert, wie
Er ist, erscheint. Er wird durch die materielle Energie nicht
263

verunreinigt, weil Er der Herr der materiellen Energie ist. Höchsten Gott entwickelt hat, den Herrn immer ohne
In den vedischen Schriften finden wir, daß Seine ganze Unterbrechung sehen kann. Und in der Bhagavad-gītā
Verkörperung spirituell ist. Er hat Seine ewige Gestalt, die (11.54) wird erklärt, daß Er nur durch hingebungsvollen
man sac-cid-ānanda-vigraha nennt. Er ist von allem Dienst gesehen und verstanden werden kann. Bhaktyā
Reichtum erfüllt. Er ist der Besitzer aller Schätze und der tvananyayā śakyaƒ.
Eigentümer aller Energie. Er ist der Intelligenteste, und Er
ist voller Wissen. Dies sind einige Kennzeichen der VERS 17
Höchsten Persönlichkeit Gottes. Er ist der Erhalter aller
Lebewesen und der Zeuge jeder Tätigkeit. Wie wir aus den avibhaktaˆ ca bhūteu
vedischen Schriften verstehen können, ist der Herr immer vibhaktam iva ca sthitam
transzendental. Obwohl wir Seinen Kopf, Sein Gesicht, bhūta-bhart ca taj jñeyaˆ
Seine Hände und Seine Beine nicht sehen können, sind sie grasiŠu prabhaviŠu ca
da, und wenn wir auf die transzendentale Stufe erhoben
werden, können wird die Gestalt des Herrn sehen. Weil avibhaktam—ohne Aufteilung; ca—auch; bhūteu—in
unsere Sinne durch Materie verunreinigt sind, können wir jedem Lebewesen; vibhaktam—aufgeteilt; iva—als ob;
Seine Gestalt nicht wahrnehmen. Deshalb können die ca—auch; sthitam—befindlich; bhūta-bhart—Erhalter
Unpersönlichkeitsanhänger, die immer noch von Materie aller Lebewesen; ca—auch; tat—dieses; jñeyam—zu
beeinflußt werden, die Persönlichkeit Gottes nicht verstehen; grasiŠu—verschlingt; prabhaviŠu—entwickelt;
verstehen. ca—auch.

VERS 16 ÜBERSETZUNG

bahir antaś ca bhūtānām Obwohl der Herr, die Überseele, in viele aufgeteilt zu
acaraˆ caram eva ca sein scheint, ist Er niemals geteilt. Er ist Einer. Obwohl
sūkmatvāt tad avijñeyaˆ Er der Erhalter aller Lebewesen ist, muß man
dūrasthaˆ cāntike ca tat verstehen, daß Er sie alle verschlingt und entwickelt.

bahiƒ—außen; antaƒ—innen; ca—auch; bhūtānām—aller ERLÄUTERUNG


Lebewesen; acaram—sich nicht bewegend; caram—
bewegend; eva—auch; ca—und; sūkmatvāt—aufgrund Der Herr weilt als Überseele im Herzen eines jeden.
subtiler Beschaffenheit; tat—dieses; avijñeyam—nicht Bedeutet das aber, daß Er Sich aufgeteilt hat? Nein. Im
erkennbar; dūrastham—weit entfernt; ca antike—auch nah; Grunde ist Er Einer. In diesem Zusammenhang wird das
ca—und; tat—das. Beispiel der Sonne gegeben: Im Zenit hat die Sonne einen
bestimmten Standort. Wenn man aber 5000 Kilometer in
ÜBERSETZUNG alle Richtungen ginge und fragte: „Wo ist die Sonne?",
würde jeder sagen, daß sie auf seinen Kopf scheine. In der
Der Herr, die Höchste Wahrheit, existiert sowohl vedischen Literatur wird dieses Beispiel gegeben, um zu
innerhalb als auch außerhalb — im Sichbewegenden zeigen, daß der Herr, obwohl Er ungeteilt ist, aufgeteilt zu
und im Sich-nicht-Bewegenden. Es ist nicht möglich, Ihn sein scheint. In der vedischen Literatur heißt es auch, daß
durch materielle Sinne zu sehen oder zu erkennen. Ob- ein ViŠu durch Seine Allmacht überall gegenwärtig ist,
wohl weit, weit entfernt, ist Er allem auch nah. ebenso wie die Sonne vielen Menschen an vielen Orten
erscheint. Und obwohl der Höchste Herr der Erhalter eines
ERLÄUTERUNG jeden Lebewesens ist, wird zur Zeit der Vernichtung alles
von Ihm verschlungen. Das wurde im Elften Kapitel
Aus der vedischen Literatur verstehen wir, daß NārāyaŠa, bestätigt, als der Herr sagte, daß Er gekommen sei, um alle
die Höchste Person, sowohl innerhalb als auch außerhalb auf dem Schlachtfeld von Kuruketra versammelten
jedes Lebewesens weilt. Er ist sowohl in der spirituellen als Krieger zu verschlingen. Er erwähnte auch, daß Er in der
auch in der materiellen Welt gegenwärtig. Obwohl Er weit, Form der Zeit ebenfalls alles verschlinge. Er ist der Ver-
weit entfernt ist, ist Er uns doch sehr nah. So lauten die nichter und der Töter aller. Zur Zeit der Schöpfung
Aussagen der vedischen Literatur. Āsīno dūraˆ vrajati entwickelt Er alle aus ihrem ursprünglichen Zustand, und
śayāno yāti sarvataƒ. Und weil Er immer in zur Zeit der Vernichtung verschlingt Er sie. Die vedischen
transzendentaler Glückseligkeit vertieft ist, können wir Hymnen bestätigen die Tatsache, daß Er der Ursprung und
nicht verstehen, wie Er all Seinen Reichtum genießt. Dies der Ruheort aller Lebewesen ist. Nach der Schöpfung ruht
können wir mit unseren materiellen Sinnen nicht verstehen alles in Seiner Allmacht, und nach der Vernichtung kehrt
oder erfahren. Deshalb heißt es der vedischen Version alles wieder zurück, um in Ihm zu ruhen. So lauten die
gemäß, daß unser materieller Geist und unsere materiellen Bestätigungen der vedischen Hymnen. Yato vā imāni
Sinne nicht geeignet sind, Ihn zu verstehen. Wer jedoch bhūtāni jāyante yena jātāni jīvanti yat prayanty
seine Sinne und seinen Geist durch das Praktizieren von abhisaˆviśanti tad brahma tad vijijñāsasva (Taittirīya
KŠa-Bewußtsein im hingebungsvollen Dienst gereinigt Upaniad 3.1).
hat, kann den Herrn ständig sehen. In der Brahma-saˆhitā
wird bestätigt, daß der Gottgeweihte, der Liebe zum VERS 18
264

Überseele. Unsere Hände und Beine befinden sich nur an


jyotiām api taj jyotis einem Ort, doch KŠas Hände und Beine sind überall
tamasaƒ param ucyate verbreitet. Das wird in der Śvetāśvatara Upaniad bestätigt:
jñānaˆ jñeyaˆ jñāna-gamyaˆ sarvasya prabhum īśānaˆ sarvasya śaraŠaˆ bhat. Die
hdi sarvasya vi˜hitam Höchste Persönlichkeit Gottes, die Überseele, ist der
prabhu oder Herr aller Lebewesen; deshalb ist Sie der
jyotiām—in allen leuchtenden Gegenständen; api—auch; letztliche Mittelpunkt aller Lebewesen. Man kann also nicht
tat—diese; jyotiƒ— Lichtquelle; tamasaƒ—der Dunkelheit; die Tatsache leugnen, daß die Höchste Überseele und die
param—jenseits; ucyate—wird gesagt; jñānam—Wissen; individuelle Seele immer verschieden sind.
jñeyam—zu kennen; jñāna-gamyam—durch Wissen zu
erreichen; hdi—im Herzen; sarvasya—eines jeden; VERS 19
vi˜hitam—befindlich.
iti ketraˆ tathā jñānaˆ
ÜBERSETZUNG jñeyaˆ coktaˆ samāsataƒ
mad-bhakta etad vijñāya
Er ist die Lichtquelle in allen leuchtenden mad-bhāvāyopapadyate
Gegenständen. Er befindet Sich jenseits der Dunkelheit
der Materie und ist unmanifestiert. Er ist Wissen, Er ist iti—so; ketram-das Tätigkeitsfeld (der Körper); tathā—
der Gegenstand des Wissens, und Er ist das Ziel des auch; jñānam—Wissen; jñeyam-das Erkennbare; ca—auch;
Wissens. Er weilt im Herzen eines jeden. uktam—beschrieben; samāsataƒ—in Kürze; mat-bhaktaƒ—
Mein Geweihter; etat—all dies; vijñāya—nachdem er
ERLÄUTERUNG verstanden hat; mat-bhāvāya—Meine Natur; upapadyate—
erreicht.
Die Überseele, die Höchste Persönlichkeit Gottes, ist die
Lichtquelle in allen leuchtenden Gegenständen wie Sonne, ÜBERSETZUNG
Mond, Sternen usw. Aus der vedischen Literatur erfahren
wir, daß im spirituellen Königreich Sonne und Mond nicht Somit habe Ich das Feld der Tätigkeiten [den Körper],
notwendig sind, weil dort alles von der Ausstrahlung des Wissen und das Erkennbare zusammenfassend
Höchsten Herrn erleuchtet wird. In der materiellen Welt ist beschrieben. Nur Meine Geweihten können dies genau
dieses brahmajyoti, die spirituelle Ausstrahlung des Herrn, verstehen und so Meine Natur erreichen.
vom mahat-tattva oder den materiellen Elementen bedeckt.
Deshalb benötigen wir in der materiellen Welt die Hilfe ERLÄUTERUNG
von Sonne, Mond, Elektrizität usw., um Licht zu haben. In
der spirituellen Welt aber sind solche Dinge nicht Der Herr hat in einer Zusammenfassung den Körper,
notwendig. In der vedischen Literatur wird klar gesagt, daß Wissen und das Erkennbare beschrieben. Dieses Wissen
alles von der gleißenden Ausstrahlung des Herrn erleuchtet umfaßt drei Dinge: den Kenner, das Erkennbare und den
wird. Es ist daher klar, daß Sein Aufenthaltsort nicht in der Vorgang der Erkenntnis. Zusammen nennt man sie
materiellen Welt liegt. Er weilt in der spirituellen Welt, die vijñānam oder die Wissenschaft von der Erkenntnis.
weit, weit entfernt im spirituellen Himmel liegt. Auch das Vollkommenes Wissen kann von den unverfälschten
wird in der vedischen Literatur bestätigt: āditya-varŠam Geweihten des Herrn direkt verstanden werden. Andere
tamasaƒ parastāt. Er gleicht der Sonne, ewig leuchtend, sind dazu nicht imstande. Die Monisten sagen, daß diese
doch befindet Er Sich weit, weit jenseits der Dunkelheit der drei Dinge letztlich eins werden, doch die Gottgeweihten
materiellen Welt. Sein Wissen ist transzendental. Die stimmen dem nicht zu. Wissen und die Entwicklung von
vedische Literatur bestätigt, daß Brahman konzentriertes Wissen bedeuten, sich selbst im KŠa-Bewußtsein zu
transzendentales Wissen ist. Wenn jemand in die spirituelle verstehen. Wir lassen uns von materiellem Bewußtsein
Welt erhoben werden möchte, gibt ihm der Höchste Herr, leiten, doch sobald wir alles Bewußtsein auf KŠas Taten
der im Herzen eines jeden weilt, das dazu notwendige übertragen und erkennen, daß KŠa alles ist, erreichen wir
Wissen. wirkliches Wissen. Mit anderen Worten: Wissen ist nichts
Einer der vedischen mantras lautet: taˆ ha devam anderes als die Vorstufe des vollkommenen Verständnisses
ātma-buddhi-prakāśaˆ mumukur vai śaraŠam aham von hingebungsvollem Dienst.
prapadye. Man muß sich der Höchsten Persönlichkeit
Gottes ergeben, wenn man tatsächlich befreit werden will. VERS 20
Und was das Ziel endgültigen Wissens betrifft, so wird in
der vedischen Literatur ebenfalls bestätigt: tam eva praktiˆ puruaˆ caiva
viditvātimtyum eti. "Nur wenn man Dich kennt, kann man viddhyanādī ubhāv api
die Grenzen von Geburt und Tod überschreiten." Er weilt vikārāˆś ca guŠāˆś caiva
im Herzen eines jeden als höchster Lenker. Die Beine und viddhi prakti-sambhavān
Hände des Höchsten sind überallhin verbreitet, was man
von der individuellen Seele nicht behaupten kann. Daher praktim—materielle Natur; puruam—Lebewesen; ca—
muß man anerkennen, daß es zwei Kenner des auch; eva—gewiß; viddhi—mußt wissen; anādī—ohne
Tätigkeitsfeldes gibt — die individuelle Seele und die Anfang; ubhau—beide; api—auch; vikarān—Umformung;
265

ca—auch; guŠān—drei Erscheinungsweisen der Natur;


ca—auch; eva—gewiß; viddhi—wisse; prakti—materielle VERS 21
Natur; sambhavān—erzeugt von.
kārya-kāraŠa-karttve
ÜBERSETZUNG hetuƒ praktir ucyate
puruaƒ sukha-duƒkhānāˆ
Man sollte verstehen, daß die materielle Natur und die bhokttve hetur ucyate
Lebewesen anfanglos sind. Ihre Umwandlungen und die
Erscheinungsweisen der Materie sind Produkte der kārya—Wirkung; kārana—Ursache; karttve—in bezug auf
materiellen Natur. die Schöpfung; hetuƒ—Werkzeug; praktiƒ—materielle
Natur; ucyate—gilt als; puruaƒ—die Lebewesen; sukha—
ERLÄUTERUNG Glück; duƒkhānām—von Leiden; bhoktrtve—im Genuß;
hetuƒ—Werkzeug; ucyate—gilt als.
Durch dieses Wissen können der Körper, das Feld der
Tätigkeiten und die Kenner des Körpers (sowohl die ÜBERSETZUNG
individuelle Seele als auch die Überseele) erkannt werden.
Der Körper ist das Tätigkeitsfeld und ist aus der materiellen Die Natur gilt als die Ursache aller materiellen
Natur zusammengesetzt. Die individuelle Seele ist im Tätigkeiten und Wirkungen, wohingegen das Lebewesen
Körper eingeschlossen. Der purua oder das Lebewesen die Ursache der verschiedenen Leiden und Genüsse in
genießt die Tätigkeiten des Körpers. Er ist ein Kenner, und der Welt ist.
der andere ist die Überseele. Natürlich muß man verstehen,
daß sowohl die Überseele als auch das individuelle ERLÄUTERUNG
Lebewesen verschiedene Manifestationen der Höchsten
Persönlichkeit Gottes sind. Das Lebewesen gehört zu Die verschiedenen Manifestationen von Körpern und
Seiner Energie, und die Überseele gehört zu Seinen Sinnen, die unter den Lebewesen zu finden sind, haben ihre
persönlichen Erweiterungen. Ursache in der materiellen Natur. Es gibt 8 400 000
Sowohl die materielle Natur als auch das Lebewesen sind verschiedene Arten des Lebens, und diese
ewig. Das bedeutet, daß sie bereits vor der Schöpfung Verschiedenheiten sind die Schöpfung der materiellen
existierten. Die materielle Manifestation kommt von der Natur. Sie entstehen aus den verschiedenen Sinnenfreuden
Energie des Höchsten Herrn, ebenso wie die Lebewesen, des Lebewesens, das so den Wunsch ausdrückt, in diesem
doch sind diese von höherer Energie. Beide existierten, oder jenem Körper zu leben. Wenn es in verschiedene
bevor dieser Kosmos manifestiert wurde. Die materielle Körper gesetzt wird, genießt es verschiedene Formen von
Natur ruhte in der Höchsten Persönlichkeit Gottes, Glück und Leid. Sein materielles Glück und Leid sind auf
Mahā-ViŠu, und als es notwendig war, wurde sie mit Hilfe den Körper zurückzuführen, nicht auf es selbst, wie es ist.
des mahat-tattva manifestiert. In ähnlicher Weise weilen In seinem ursprünglichen Zustand gibt es zweifellos
auch die Lebewesen in Ihm, doch weil sie bedingt sind, Genuß; deshalb ist das sein wirklicher Zustand. Aufgrund
weigern sie sich, dem Höchsten Herrn zu dienen. Daher ist seines Wunsches, die materielle Natur zu beherrschen,
es ihnen nicht gestattet, in den spirituellen Himmel befindet es sich in der materiellen Welt. In der spirituellen
einzugehen. Nachdem die materielle Natur aufgelöst Welt gibt es so etwas nicht. Die spirituelle Welt ist rein,
worden ist, wird diesen Lebewesen erneut die Möglichkeit doch in der materiellen Welt kämpft jeder schwer, um
gegeben, in der materiellen Welt zu handeln und sich Dinge zu erbeuten, die dem Körper verschiedene Freuden
darauf vorzubereiten, in die spirituelle Welt bescheren. Um es deutlicher auszudrücken: Der Körper ist
zurückzukehren. Das ist das Mysterium dieser materiellen das Ergebnis der Sinnesorgane. Die Sinne sind Instrumente,
Schöpfung. Eigentlich ist das Lebewesen ursprünglich ein um Wünsche zu befriedigen. Dem Lebewesen wird also
spirituelles Teilchen des Höchsten Herrn, doch wegen alles zusammen — Körper und Sinneswerkzeuge — von
seiner rebellischen Haltung ist es durch die materielle Natur der materiellen Natur zur Verfügung gestellt, und wie der
bedingt. Es ist tatsächlich nicht wichtig, wie die Lebewesen nächste Vers klarmacht, wird das Lebewesen je nach seinen
oder höheren Bestandteile des Höchsten Herrn mit der vergangenen Wünschen und Tätigkeiten mit den
materiellen Natur in Berührung gekommen sind. Die entsprechenden Umständen gesegnet oder bestraft. Seinen
Höchste Persönlichkeit Gottes weiß jedoch, wie und warum Wünschen und Tätigkeiten gemäß wird man von der
dies geschah. In den Schriften sagt der Herr, daß dieje- materiellen Natur in verschiedene Wohnstätten gesetzt. Das
nigen, die sich zur materiellen Natur hingezogen fühlen, Lebewesen selbst ist die Ursache solcher Wohnstätten und
einen harten Kampf ums Dasein führen müssen. Aber wir der es begleitenden Freuden und Leiden. Einmal in einen
sollten den Beschreibungen dieser wenigen Verse mit bestimmten Körper gesetzt, kommt es unter die Herrschaft
Gewißheit entnehmen, daß alle Wandlungen und Einflüsse der Natur; da nämlich der Körper aus Materie besteht, han-
der materiellen Natur, die durch die drei delt er nach den Gesetzen der Natur. Zu dem Zeitpunkt hat
Erscheinungsweisen hervorgerufen werden, ebenfalls Pro- das Lebewesen nicht die Macht, dieses Gesetz zu ändern.
dukte der materiellen Natur sind. Alle Wandlungen und Nehmen wir an, ein Wesen wird in den Körper eines
Verschiedenheiten hinsichtlich der Lebewesen beziehen Hundes gesetzt. Sobald es in den Körper eines Hundes
sich auf den Körper. Was die spirituelle Natur betrifft, so gesetzt worden ist, muß es wie ein Hund handeln. Es kamt
sind die Lebewesen alle gleich. nicht anders handeln. Und wenn das Lebewesen in den
266

Körper eines Schweines gesetzt wird, ist es gezwungen, Stellung verankert werden. Das nennt man KŠa--
Kot zu fressen und wie ein Schwein zu handeln. In Bewußtsein. Solange das Lebewesen nicht im
ähnlicher Weise muß das Lebewesen, wenn es in den KŠa-Bewußtsein verankert ist, wird sein materielles
Körper eines Halbgottes gesetzt wird, in Entsprechung zu Bewußtsein es zwingen, von einem Körper zum anderen zu
diesem Körper handeln. Das ist das Gesetz der Natur. Doch wandern; denn es hat schon seit undenklichen Zeiten
unter allen Umständen ist die Überseele bei der materielle Wünsche. Diese Auffassung muß es ändern.
individuellen Seele. Dies wird in den Veden wie folgt Solcher Gesinnungswandel kann nur stattfinden, wenn man
erklärt: dvā suparŠā sayujā sakhāyā. Der Höchste Herr ist aus autoritativen Quellen hört. Das beste Beispiel sehen wir
mit dem Lebewesen so gütig, daß Er die individuelle Seele hier: Arjuna hört von KŠa die Wissenschaft von Gott.
immer begleitet und unter allen Umständen als Überseele Wenn sich das Lebewesen diesem Vorgang des Hörens
oder Paramātmā gegenwärtig ist. widmet, wird es seinen langgehegten Wunsch, über die
materielle Natur zu herrschen, verlieren, und allmählich
VERS 22 und in dem Maße, wie es sein altes Verlangen zu
beherrschen aufgibt, wird es die Ebene erreichen, auf der es
puruaƒ prakti-stho hi spirituelles Glück genießt. In einem vedischen mantra heißt
bhu‰kte prakti-jān guŠān es, daß man in dem Maße, wie man in Gemeinschaft mit
kāraŠaˆ guŠa-sa‰go'sya der Höchsten Persönlichkeit Gottes zu Wissen gelangt, sein
sad-asad-yoni-janmasu ewiges glückseliges Leben zu kosten beginnt.

puruaƒ—das Lebewesen; prakti-sthaƒ—sich in der VERS 23


materiellen Energie befindend; hi—gewiß; bhu‰kte—
genießt; prakti-jān—von der materiellen Natur erzeugt; upadra˜ānumantā ca
guŠān—Erscheinungsweisen der Natur; kāraŠam— bhartā bhoktā maheśvaraƒ-
Ursache; guŠa-sa‰gaƒ—Zusammenarbeit mit den paramātmeti cāpy ukto
Erscheinungsweisen der Natur; asya—des Lebewesens; sat- dehe'smin puruaƒ paraƒ
asat—gute und schlechte; yoni—Arten des Lebens;
janmasu—Geburt. upadra˜ā—Aufseher; anumantā—Erlaubnisgeber; ca—
auch; bhartā—Meister; bhoktā—höchster Genießer;
ÜBERSETZUNG maheśvaraƒ—der Höchste Herr; paramātmā—Überseele;
iti—auch; ca—und; api uktaƒ—wird gesagt; dehe—in
So folgt das Lebewesen in der materiellen Natur den diesem Körper; asmin—dieser; puruaƒ—Genießer;
Wegen des Lebens und genießt die drei paraƒ—transzendental.
Erscheinungsweisen der Natur. Das hat seine Ursache in
der Verbindung mit dieser materiellen Natur. Auf diese ÜBERSETZUNG
Weise trifft es mit Gut und Schlecht unter den
verschiedenen Arten des Lebens zusammen. Jedoch gibt es in diesem Körper noch einen anderen,
einen transzendentalen Genießer, den Herrn, den
ERLÄUTERUNG höchsten Besitzer, der als Beobachter und
Erlaubnisgeber gegenwärtig ist und den man als
Dieser Vers ist sehr wichtig, um zu verstehen, wie das Überseele kennt.
Lebewesen von einem Körper zum anderen wandert. Im
Zweiten Kapitel wurde erklärt, daß das Lebewesen von ERLÄUTERUNG
Körper zu Körper wandert, so wie jemand Kleider
wechselt. Dieses Wechseln der Kleidung ist auf die Hier wird gesagt, daß die Überseele, die die individuelle
Anhaftung des Lebewesens an die materielle Existenz Seele ständig begleitet, die Repräsentation des Höchsten
zurückzuführen. Solange es von dieser falschen materiellen Herrn ist. Die Überseele ist kein gewöhnliches Lebewesen.
Manifestation gefangen ist, muß es weiter von einem Weil die Monisten der Ansicht sind, es gebe nur einen
Körper zum anderen wandern. Aufgrund seines Wunsches, Kenner des Körpers, glauben sie, zwischen der Überseele
die materielle Natur zu beherrschen, wird es in solche nicht und der individuellen Seele bestehe kein Unterschied. Um
wünschenswerten Umstände versetzt. Unter dem Einfluß dies klarzustellen, sagt der Herr, daß Er die
materieller Wünsche wird das Lebewesen mal als Halbgott, Paramātmā-Repräsentation in jedem Körper ist. Er ist von
mal als Mensch, als Säugetier, als Vogel, als Wurm, als der individuellen Seele verschieden; Er ist paraƒ oder
Wassertier, als Reptil, als Wanze usw. geboren. Das ist der transzendental. Die individuelle Seele genießt die
Lauf der Welt. Und in allen Fällen hält sich das Lebewesen Tätigkeiten eines bestimmten Feldes, aber die Überseele ist
für den Herrn seiner Lebensumstände, obwohl es dem weder als begrenzter Genießer noch als Teilnehmer an
Einfluß der materiellen Natur untersteht. körperlichen Tätigkeiten anwesend, sondern als Zeuge,
Wie das Lebewesen in solch verschiedene Körper gesetzt Beobachter, Erlaubnisgeber und höchster Genießer. Ihr
wird, ist hier erklärt. Die Ursache liegt in der Gemeinschaft Name ist Paramātmā, nicht ātmā, und Sie ist
mit den verschiedenen Erscheinungsweisen der Natur. Man transzendental. Es ist sehr offensichtlich, daß ātmā und
muß sich daher über die drei materiellen Paramātmā voneinander verschieden sind. Die Überseele,
Erscheinungsweisen erheben und in der transzendentalen der Paramātmā, hat Beine und Hände, die sich überall
267

befinden, die individuelle Seele hingegen nicht. Und da Er


der Höchste Herr ist, ist Er im Innern gegenwärtig, um die ERLÄUTERUNG
Wünsche der individuellen Seele nach materiellem Genuß
zu bewilligen. Ohne die Einwilligung der Höchsten Seele Wenn man die materielle Natur, die Überseele, die
kann die individuelle Seele nichts tun. Das Individuum ist individuelle Seele und ihre Wechselbeziehungen klar
bhakta oder derjenige, der erhalten wird, und der Herr ist versteht, ist man geeignet, befreit zu werden und die spiri-
bhukta oder der Erhalter. Es gibt unzählige Lebewesen, und tuelle Welt zu erreichen, ohne gezwungen zu sein, zur
Er weilt in ihnen als Freund. materiellen Natur zurückzukehren. Das ist das Ergebnis
Tatsache ist, daß die individuellen Lebewesen ewiglich von Wissen. Der Zweck des Wissens besteht in dem klaren
winzige Bestandteile des Höchsten Herrn und mit Ihm sehr Verständnis, daß das Lebewesen zufällig in die materielle
eng in Freundschaft verbunden sind. Doch das Lebewesen Existenz gefallen ist. Durch seine persönliche Bemühung in
neigt dazu, die Einwilligung des Höchsten Herrn der Gemeinschaft von Autoritäten, Heiligen und einem
zurückzuweisen und unabhängig zu handeln, um die spirituellen Meister muß es seine Stellung verstehen und
materielle Natur zu beherrschen. Weil es diese Neigung hat, dann zu seinem spirituellen Bewußtsein oder
wird es als die marginale Energie des Höchsten bezeichnet. KŠa-Bewußtsein zurückkehren, indem es die
Das Lebewesen kann sich entweder in der materiellen oder Bhagavad-gītā so versteht, wie sie von der Persönlichkeit
in der spirituellen Energie aufhalten. Solange es durch die Gottes erklärt wird. Dann ist es sicher, daß es nie wieder in
materielle Energie bedingt ist, bleibt der Höchste Herr als die materielle Existenz zurückkommen wird; es wird in die
sein Freund, die Überseele, bei ihm, um es dazu zu spirituelle Welt erhoben zu einem glückseligen ewigen
bewegen, zur spirituellen Energie zurückzukehren. Der Leben voller Wissen.
Herr ist immer bemüht, es zur sprituellen Energie
zurückzuführen, doch aufgrund seiner winzigen VERS 25
Unabhängigkeit lehnt das individuelle Lebewesen es
fortwährend ab, mit dem spirituellen Licht verbunden zu dhyānenātmani paśyanti
sein. Dieser Mißbrauch seiner Unabhängigkeit ist die kecid ātmānam ātmanā
Ursache seines materiellen Kampfes in der bedingten anye sā‰khyena yogena
Natur. Der Herr gibt ihm daher von innen und außen karma-yogena cāpare
ständig Unterweisungen. Von außen gibt Er
Unterweisungen, wie sie in der Bhagavad-gītā zu finden dhyānena—durch Meditation; ātmani—Selbst; paśyanti—
sind, und von innen versucht Er das Lebewesen davon zu sehen; kecit—ein; ātmānam—Überseele; ātmanā—durch
überzeugen, daß Tätigkeiten im materiellen Feld für wahres den Geist; anye—andere; sā‰khyena—durch philo-
Glück nicht förderlich sind. Er sagt: "Gib solches Tun sophische Diskussion; yogena—durch das yoga-System;
einfach auf, und wende dein Vertrauen Mir zu. Dann wirst karma-yogena—durch Werke ohne fruchtbringendes
du glücklich sein." Der intelligente Mensch, der sein Verlangen; ca—auch; apare—andere.
Vertrauen in den Paramātmā oder die Höchste
Persönlichkeit Gottes setzt, macht so den ersten Schritt auf ÜBERSETZUNG
dem Weg zu einem glückseligen ewigen Leben voller
Wissen. Einige erkennen die Überseele durch Meditation, andere
durch die Entwicklung von Wissen und wieder andere
VERS 24 durch Arbeit, die ohne fruchtbringendes Verlangen
verrichtet wird.
ya evaˆ vetti puruaˆ
praktiˆ ca guŠaiƒ saha ERLÄUTERUNG
sarvathā vartamāno'pi
na sa bhūyo'bhijāyate Der Herr teilt Arjuna mit, daß die bedingten Seelen in
bezug auf ihre Suche nach Selbstverwirklichung in zwei
yaƒ—jeder; evam—so; vetti—versteht; puruam—die Gruppen eingeteilt werden können. Atheisten, Agnostiker
Lebewesen; praktim—materielle Natur; ca—und; und Skeptiker haben keinen Sinn für spirituelles
guŠaiƒ—Erscheinungsweisen der materiellen Natur; saha— Verständnis. Doch es gibt andere, die Vertrauen in ihr
mit; sarvathā—mit allen Mitteln; vartamānaƒ—befindlich; Verständnis vom spirituellen Leben haben, und zwar
api—trotz; na—niemals; saƒ—er; bhūyaƒ—wieder; diejenigen, die auf die Früchte ihrer Arbeit verzichtet
abhijāyate—wird geboren. haben. Diejenigen, die fortwährend versuchen, die Lehre
des Monismus zu verbreiten, werden ebenfalls zu den
ÜBERSETZUNG Atheisten und Agnostikern gezählt. Mit anderen Worten:
Nur die Geweihten der Höchsten Persönlichkeit Gottes sind
Wer diese Philosophie von der materiellen Natur, dem wahrhaft zu spirituellem Verständnis fähig, da sie
Lebewesen und der Wechselwirkung der verstehen, daß jenseits der materiellen Natur die spirituelle
Erscheinungsweisen der Natur versteht, wird mit Welt und der Herr, die Höchste Persönlichkeit Gottes,
Sicherheit Befreiung erlangen. Er wird in dieser Welt existieren, der sich als Paramātmā, die Überseele in jedem
nicht wiedergeboren werden, ungeachtet seiner jetzigen als alldurchdringender Gott, erweitert hat. Natürlich gibt es
Stellung. auch Menschen, die versuchen, die Höchste Absolute
268

Wahrheit durch die Kultivierung von Wissen zu verstehen; hört, kann er Fortschritt machen; das ist ganz besonders der
sie werden zur zweiten Gruppe gezählt. Die atheistischen Fall, wie Śrī Caitanya sagt, wenn er die transzendentale
Philosophen zerlegen die materielle Welt in Klangschwingung Hare KŠa, Hare KŠa, KŠa KŠa,
vierundzwanzig Elemente und setzen die Seele als Hare Hare / Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma Rāma, Hare
fünfundzwanzigstes hinzu. Wenn sie verstehen können, daß Hare hört. Es wird daher gesagt, daß alle Menschen den
die Natur der individuellen Seele transzendental zu den Vorteil, von selbstverwirklichten Seelen zu hören, nutzen
materiellen Elementen ist, können sie auch verstehen, daß und allmählich fähig werden sollten, alles zu verstehen.
über der individuellen Seele die Höchste Persönlichkeit Dann werden sie zweifellos beginnen, den Höchsten zu
Gottes steht. Der Herr ist das sechsundzwanzigste Element. verehren. Śrī Caitanya hat gesagt, daß im gegenwärtigen
So gelangen auch sie allmählich auf die Stufe des Zeitalter niemand seine Stellung zu wechseln braucht, daß
hingebungsvollen Dienstes im KŠa-Bewußtsein. man aber die Bemühung aufgeben soll, die Absolute
Diejenigen, die ohne fruchtbringende Ergebnisse arbeiten, Wahrheit durch spekulatives Schlußfolgern zu verstehen.
sind in ihrer Haltung ebenfalls vollkommen. Ihnen wird die Man soll versuchen, der Diener derer zu werden, die den
Möglichkeit gegeben, auf die Ebene des hingebungsvollen Höchsten Herrn kennen. Wenn man so glücklich ist, bei
Dienstes im KŠa-Bewußtsein zu gelangen. In diesem Vers einem reinen Gottgeweihten Zuflucht zu suchen, von ihm
heißt es auch, daß es einige Menschen gibt, die im über Selbstverwirklichung zu hören und seinen Fußspuren
Bewußtsein rein sind und versuchen, die Überseele durch zu folgen, wird man allmählich zur Stellung eines reinen
Meditation zu finden. Wenn sie die Überseele in ihrem Gottgeweihten erhoben. In diesem Vers wird insbesondere
Innern entdecken, werden auch sie in der Transzendenz der Vorgang des Hörens mit Nachdruck empfohlen, und
verankert. Andere versuchen, die Höchste Seele durch die das ist auch angemessen. Wenngleich der gewöhnliche
Kultivierung von Wissen zu verstehen, und wieder andere Mensch oft nicht so begabt ist wie sogenannte Philosophen,
üben sich im ha˜ha-yoga-System und versuchen, die wird ihm das vertrauensvolle Hören von einer wirklichen
Höchste Persönlichkeit Gottes durch kindische Spielereien Autorität helfen, die materielle Existenz zu transzendieren
zu erfreuen. und nach Hause, zu Gott, zurückzukehren.

VERS 26 VERS 27

anye tv evam ajānantaƒ yāvat saˆjāyate kiñcit


śrutvānyebhya upāsate sattvaˆ sthāvara-ja‰gamam
te'pi cātitaranty eva ketra-ketrajña-saˆyogāt
mtyuˆ śruti-parāyaŠāƒ tad viddhi bharatarabha

anye—andere; tu—aber; evam—dies; ajānantaƒ—ohne yāvat—was immer; saˆjāyate-stattfindet; kiñcit—irgend


spirituelles Wissen; śrutvā—durch Hören; anyebhyaƒ—von etwas; sattvam—Existenz; sthāvara-sich nicht bewegend;
anderen; upāsate—beginnen zu verehren; te—sie; api— ja‰gamam-sich bewegend; ketra—der Körper; ketrajña—
auch; ca—und; atitaranti—überschreiten; eva—gewiß; der Kenner des Körpers; saˆyogāt—Verbindung zwischen;
mtyum—der Pfad des Todes; śruti-parāyaŠāƒ—dem tat viddhi—du mußt dies kennen; bharatarabha—o
Vorgang des Hörens zugeneigt. Oberhaupt der Bhāratas.

ÜBERSETZUNG ÜBERSETZUNG

Und es gibt andere, die zwar im spirituellen Wissen O Oberhaupt der Bhāratas, was immer du existieren
nicht erfahren sind, die aber beginnen, die Höchste siehst — ob es sich bewegt oder nicht —, ist nur die
Person zu verehren, nachdem sie von anderen von Ihr Verbindung des Feldes der Tätigkeiten mit dem Kenner
gehört haben. Weil sie die Neigung haben, von des Feldes.
Autoritäten zu hören, transzendieren auch sie den Pfad
von Geburt und Tod. ERLÄUTERUNG

ERLÄUTERUNG In diesem Vers werden sowohl die materielle Natur als


auch das Lebewesen erklärt, die bereits vor der Schöpfung
Dieser Vers trifft besonders auf die moderne Gesellschaft des Kosmos existierten. Alles Erschaffene ist nichts als die
zu, denn heutzutage gibt es so gut wie keine spirituelle Verbindung des Lebewesens mit der materiellen Natur. Es
Bildung. Manche Menschen mögen atheistisch, agnostisch gibt viele Manifestationen, wie Bäume, Berge und Hügel,
oder philosophisch erscheinen, doch in Wirklichkeit gibt es die sich nicht bewegen, und es gibt viele Formen des
kein Wissen von Philosophie. Was den gewöhnlichen Daseins, die sich bewegen; sie alle sind nichts weiter als
Menschen betrifft, so besteht für ihn die Möglichkeit, durch Verbindungen der materiellen Natur mit der höheren Natur,
Hören Fortschritte zu machen, wenn er eine gute Seele ist. dem Lebewesen. Ohne die Berührung der höheren Natur,
Dieser Vorgang des Hörens ist sehr wichtig. Śrī Caitanya, des Lebewesens, kann nichts wachsen. Deshalb besteht die
der KŠa-Bewußtsein in der modernen Welt predigte, legte Beziehung zwischen der Materie und der höheren Natur
auf den Vorgang des Hörens großen Nachdruck, denn wenn ewig, und diese Verbindung ist vom Höchsten Herrn so
der gewöhnliche Mensch einfach aus autoritativen Quellen vorgesehen. Folglich ist Er der Lenker sowohl der höheren
269

als auch der niederen Natur. Die materielle Natur wurde ÜBERSETZUNG
von Ihm geschaffen, und die höhere Natur ist in diese Natur
hineingesetzt, und so kommen alle Tätigkeiten und Wer sieht, daß die Überseele in jedem Lebewesen weilt
Manifestationen zustande. und überall gleich ist, wird durch seinen Geist nicht
erniedrigt. So nähert er sich dem transzendentalen Ziel.
VERS 28
ERLÄUTERUNG
samaˆ sarveu bhūteu
ti˜hantaˆ parameśvaram Wenn das Lebewesen erkennt, daß sein materielles Dasein
vinaśyatsv avinaśyantaˆ nur viel Leid bedeutet, kann es in seiner spirituellen
yaƒ paśyati sa paśyati Existenz verankert werden. Wenn jemand versteht, daß der
Höchste in Seiner Paramātmā-Manifestation überall
samam—gleich; sarveu—in allen; bhūteu—Lebewesen; gegenwärtig ist, das heißt, wenn er die Gegenwart der
ti˜hantam—wohnend; parameśvaram—die Überseele; Höchsten Persönlichkeit Gottes in jedem Lebewesen sieht,
vinaśyatsu—im Zerstörbaren; avinaśyantam—nicht zerstört; erniedrigt er sich nicht und macht daher allmählich
yaƒ—irgend jemand; paśyati—sieht; saƒ—er; paśyati— Fortschritt auf die spirituelle Welt zu. Für gewöhnlich ist
sieht wirklich. der Geist selbstzentrierten Denkvorgängen verfallen, doch
wenn er sich der Überseele zuwendet, macht man
ÜBERSETZUNG Fortschritte im spirituellen Verständnis.

Wer sieht, daß die Überseele die individuelle Seele in VERS 30


allen Körpern begleitet, und versteht, daß weder die
Seele noch die Überseele jemals zerstört werden, hat die praktyaiva ca karmāŠi
wahre Sicht. kriyamāŠāni sarvaśaƒ
yaƒ paśyati tathātmānam
ERLÄUTERUNG akatāraˆ sa paśyati

Jeder, der drei Dinge erkennen kann — den Körper, den praktyā—materielle Natur; eva—gewiß; ca—auch;
Besitzer des Körpers oder die individuelle Seele und den karmāŠi—Tätigkeiten; kriyamāŠāni-beschäftigt
Freund der individuellen Seele, die durch gute auszuführen; sarvaśaƒ—in jeder Hinsicht; yaƒ—jeder, der;
Gemeinschaft miteinander verbunden sind —, gründet paśyati—sieht; tathā—auch; ātmānam—sich selbst;
tatsächlich in Wissen. Diejenigen, die mit dem Freund der akartāram—Nichthandelnder; saƒ—er; paśyati—sieht
Seele keine Gemeinschaft haben, sind unwissend; sie sehen vollkommen.
nur den Körper und denken, alles sei zu Ende, wenn der
Körper zerstört werde. Aber das ist nicht der Fall. Nach der ÜBERSETZUNG
Zerstörung des Körpers existieren sowohl die Seele als
auch die Überseele, und sie bestehen ewig weiter in Wer sehen kann, daß alle Tätigkeiten vom Körper
verschiedenen sich bewegenden und sich nicht bewegenden ausgeführt werden, der von der materiellen Natur
Formen. Das Sanskritwort parameśvaram wird manchmal geschaffen ist, und versteht, daß das Selbst nichts tut,
mit "individuelle Seele" übersetzt, denn die Seele ist der hat die wahre Sicht.
Herr des Körpers, und nach der Zerstörung des Körpers
wandert sie in eine andere Form. So gesehen ist sie ERLÄUTERUNG
tatsächlich Herr. Andere übersetzen dieses parameśvaram
mit "Überseele", aber in beiden Fällen existieren die Der Körper ist von der materiellen Natur unter der
individuelle Seele und die Überseele weiter. Sie werden Anweisung der Überseele geschaffen worden, und alle
nicht zerstört. Wer so zu sehen vermag, kann tatsächlich Tätigkeiten in Beziehung zum Körper führt man nicht
verstehen, was geschieht. selbst aus. Zu allem, was man tut — sei es, um Glück zu
erlangen oder um zu leiden —, wird man aufgrund der
VERS 29 körperlichen Veranlassung gezwungen. Das Selbst jedoch
befindet sich jenseits solcher körperlichen Tätigkeiten. Der
samaˆ paśyan hi sarvatra Körper wird einem in Entsprechung zu seinen vergangenen
samavasthitam īśvaram Wünschen gegeben. Um bestimmte Wünsche zu erfüllen,
na hinasty ātmanātmānaˆ wird einem der Körper gegeben, mit dem man
tato yāti parāˆ gatiˆ dementsprechend handelt. Im Grunde ist der Körper eine
Maschine, die vom Höchsten Herrn entworfen wurde, um
samam—gleich; paśyan—sehend; hi—gewiß; sarvatra— Wünsche zu erfüllen. Aufgrund von Wünschen wird man in
überall; samavasthitam—gleich befindlich; īśvaram— schwierige Umstände versetzt, um zu leiden oder zu
Überseele; na—nicht; hinasti—erniedrigt sich; ātmanā— genießen. Wenn man dieses transzendentale Verständnis
durch den Geist; ātmānam—die Seele; tataƒ yāti—erreicht vom Lebewesen entwickelt, löst man sich von körperlichen
dann; parām—das transzendentale; gatim—Ziel. Tätigkeiten. Wer ein solches Verständnis hat, sieht die
Dinge im richtigen Licht.
270

jenseits der Erscheinungsweisen der Natur befindet. O


VERS 31 Arjuna, obwohl sie mit dem materiellen Körper in
Berührung ist, tut die Seele nichts, noch ist sie
yadā bhūta-pthag-bhāvam verstrickt.
eka-stham anapaśyati
tata eva ca vistāraˆ ERLÄUTERUNG
brahma sampadyate tadā
Ein Lebewesen scheint aufgrund der Geburt des materiellen
yadā—wenn; bhūta—Lebewesen; pthak-bhāvam— Körpers geboren zu sein, doch in Wirklichkeit ist das
gesonderte Wesen; eka-stham—in einem befindlich; Lebewesen ewig. Es wird nicht geboren, und obwohl es
anapaśyati—versucht, durch Autorität zu sehen; tataƒ sich in einem materiellen Körper aufhält, ist es
eva—danach; ca—auch; vistāram—ausgeweitet; brahma— transzendental und ewig. Folglich kann es nicht zerstört
das Absolute; sampadyate—erreicht; tadā—zu dieser Zeit. werden. Es ist von Natur aus voller Glückseligkeit. Es
befaßt sich nicht mit irgendwelchen materiellen Tätigkeiten
ÜBERSETZUNG und wird daher auch nicht durch Tätigkeiten verstrickt, die
aufgrund seiner Verbindung mit materiellen Körpern
Wenn ein vernünftiger Mensch aufhört, aufgrund ausgeführt werden.
verschiedener materieller Körper verschiedene
Identitäten zu sehen, erlangt er die Brahman- VERS 33
Erkenntnis. Dann sieht er, daß Lebewesen überall
verbreitet sind. yathā sarva-gataˆ saukmyād
ākāśaˆ nopalipyate
ERLÄUTERUNG sarvatrāvasthito dehe
tathātmā nopalipyate
Wenn man erkennen kann, daß die verschiedenen Körper
der Lebewesen aus den verschiedenen Wünschen der yathā—wie; sarva-gatam—alldurchdringend; saukmyāt—
individuellen Seele entstehen und zur Seele an sich nicht da feinstofflich; ākāśam—der Himmel; na—niemals;
wirklich gehören, sieht man die Dinge, wie sie tatsächlich upalipyate—vermischt sich; sarvatra—überall;
sind. In der materiellen Lebensauffassung sehen wir den avasthitaƒ—befindlich; dehe—im Körper; tathā—in
einen als Halbgott, einen anderen als Menschen, als Hund, ähnlicher Weise; ātmā—das Selbst; na—niemals;
als Katze usw. Das ist materielle Sicht, nicht wirkliche upalipyate—vermischt sich.
Sicht. Diese materielle Unterscheidung hat ihre Ursache in
einer materiellen Auffassung vom Leben. Nach der ÜBERSETZUNG
Zerstörung des materiellen Körpers bleibt die Seele, wie sie
ist. Nur weil die Seele mit der materiellen Natur in Aufgrund seiner feinstofflichen Natur vermischt sich
Berührung ist, bekommt sie verschiedene Arten von der Himmel mit keinem anderen Element, obwohl er
Körpern. Wenn jemand das sehen kann, erlangt er alldurchdringend ist. In ähnlicher Weise vermischt sich
spirituelle Sicht; wenn er nicht mehr unterscheidet eine Seele, die in der Brahman-Erkenntnis verankert ist,
zwischen Mensch und Tier, groß und klein, usw., wird sein nicht mit dem Körper, obwohl sie sich im Körper
Bewußtsein gereinigt, und er wird fähig, in seiner befindet.
spirituellen Identität KŠa-Bewußtsein zu entwickeln. Wie
er dann die Dinge sieht, wird im nächsten Vers erklärt. ERLÄUTERUNG

VERS 32 Luft ist in Wasser, Schlamm, Kot und allem, was es sonst
noch geben mag, enthalten; trotzdem vermischt sie sich mit
anāditvān nirguŠatvāt nichts. In ähnlicher Weise hat das Lebewesen aufgrund
paramātmāyam avyayaƒ seiner subtilen Natur mit all den verschiedenen Körpern, in
śarīra-stho'pi kaunteya denen es sich befinden mag, nichts zu tun. Deshalb ist es
na karoti na lipyate unmöglich, mit materiellen Augen zu sehen, wie das
Lebewesen mit dem Körper in Verbindung ist und nach der
anāditvāt—da ewig; nirguŠatvāt—da transzendental; Zerstörung des Körpers nicht mehr in ihm ist. Kein
param—jenseits der materiellen Natur; ātmā—spirituelle Wissenschaftler kann das feststellen.
Seele; ayam—diese; avyayaƒ—unerschöpflich;
śarīra-sthaƒ api—obwohl im Körper wohnend; kaunteya— VERS 34
o Sohn Kuntīs; na karoti—tut niemals etwas; na lipyate—
auch ist sie nicht verstrickt. yathā prakāśayaty ekaƒ
ktsnaˆ lokam imaˆ raviƒ
ÜBERSETZUNG ketraˆ ketrī tathā ktsnaˆ
prakāśayati bhārata
Wer mit den Augen der Ewigkeit sieht, kann verstehen,
daß die Seele transzendental und ewig ist und sich
271

yathā—wie; prakāśayati—erleuchtet; ekaƒ—eines;


ktsnam—das ganze; lokam— Universum; imam—dieses; Der Sinn des Dreizehnten Kapitels besteht darin, den
raviƒ—die Sonne; ksetram—diesen Körper; ksetrī—die Unterschied zwischen dem Körper, dem Besitzer des
Seele; tathā—in ähnlicher Weise; ktsnam—alles; Körpers und der Überseele zu verstehen. Ein gläubiger
prakāśayati—erleuchtet; bhārata—o Nachkomme Mensch sollte sich zunächst einer guten Gemeinschaft
Bhāratas. anschließen, um von Gott zu hören und so allmählich
erleuchtet zu werden. Wenn jemand einen spirituellen Mei-
ÜBERSETZUNG ster annimmt, kann er lernen, zwischen Materie und
spiritueller Natur zu unterscheiden, und dies ist das
O Nachkomme Bhāratas, so wie die Sonne allein das Sprungbrett zu weiterer spiritueller Verwirklichung. Ein
ganze Universum erleuchtet, so erleuchtet ein spiritueller Meister lehrt seine Schüler durch verschiedene
Lebewesen allein den ganzen Körper mit Bewußtsein. Anweisungen, von der materiellen Lebensauffassung frei
zu werden. In der Bhagavad-gītā zum Beispiel finden wir,
ERLÄUTERUNG daß KŠa Arjuna unterweist, um ihn von materialistischen
Überlegungen zu befreien.
Über das Bewußtsein gibt es verschiedene Theorien. Hier Man kann verstehen, daß der Körper Materie ist und aus
in der Bhagavad-gītā wird das Beispiel der Sonne und des vierundzwanzig Elementen besteht. Das ist die grobe
Sonnenscheins gegeben. So wie die Sonne an einem Ort Manifestation; die feinstoffliche Manifestation besteht aus
steht und trotzdem das ganze Universum erleuchtet, so dem Geist und den psychologischen Vorgängen. Und die
erleuchtet ein kleines Teilchen wie die Seele, obwohl es Symptome des Lebens sind die Wechselwirkungen dieser
sich im Herzen des Körpers befindet, den ganzen Körper Erscheinungen. Aber darüber hinaus gibt es noch die Seele
mit Bewußtsein. Somit ist Bewußtsein der Beweis für das und auch die Überseele. Die Seele und die Überseele sind
Vorhandensein der Seele, ähnlich wie Sonnenschein oder voneinander verschieden. Die materielle Welt ist durch die
Licht der Beweis für die Gegenwart der Sonne ist. Wenn Verbindung der Seele mit den vierundzwanzig materiellen
die Seele im Körper gegenwärtig ist, ist das Bewußtsein Elementen in Bewegung, und wer den Aufbau der ge-
über den gesamten Körper verbreitet, doch sobald die Seele samten materiellen Manifestation als die Verbindung der
den Korper verlassen hat, gibt es kein Bewußtsein mehr. Seele mit den materiellen Elementen versteht und auch die
Jeder intelligente Mensch kann dies ohne weiteres verste- Stellung der Höchsten Seele verstehen kann, qualifiziert
hen. Daher ist Bewußtsein kein Produkt materieller sich, in die spirituelle Welt erhoben zu werden. Diese
Verbindungen. Es ist das Symptom des Lebewesens. Das Dinge sind zur Betrachtung und Verwirklichung bestimmt,
Bewußtsein des Lebewesens, obwohl eigenschaftsmäßig und daher sollte man dieses Kapitel mit der Hilfe des
mit dem höchsten Bewußtsein eins, ist nicht von höchster spirituellen Meisters genau verstehen.
Natur, da das Bewußtsein eines bestimmten Körpers nicht
am Bewußtsein eines anderen Körpers teilhat. Die Hiermit enden die Bhaktivedanta-Erläuterungen zum
Überseele aber, die in allen Körpern als Freund der Dreizehnten Kapitel der Śrīmad-Bhagavad-gītā mit dem
individuellen Seele weilt, ist Sich aller Körper bewußt. Das Titel: "Natur, Genießer und Bewußtsein."
ist der Unterschied zwischen höchstem Bewußtsein und
individuellem Bewußtsein.

VERS 35

ketra-ketrajñayor evam
antaraˆ jñāna-cakuā
bhūta-prakti-mokaˆ ca
ye vidur yānti te param

ketra—Körper; ketrajñayoƒ—des Besitzers des Körpers;


evam—dieser; antaram—Unterschied; jñāna-cakuā—
durch Sicht des Wissens; bhūta—Lebewesen; prakti—
materielle Natur; mokam—Befreiung; ca—auch; ye—
jemand, der; viduƒ—weiß; yānti—nähert sich; te—sie;
param—dem Höchsten.

ÜBERSETZUNG

Wer bewußt den Unterschied zwischen dem Körper und


dem Besitzer des Körpers sieht und den Vorgang der
Befreiung aus dieser Knechtschaft verstehen kann,
erreicht ebenfalls das höchste Ziel.

ERLÄUTERUNG
272

VIERZEHNTES KAPITEL
idaˆ jñānam upāśritya
mama sādharmyam āgatāƒ
Die drei Erscheinungsweisen der sarge'pi nopajāyante
pralaye na vyathanti ca
materiellen Natur
idam—dieses; jñānam—Wissen; upāśritya—Zuflucht
VERS 1 suchend bei; mama—Meiner; sādharmyam—Natur;
āgatāƒ—erreichen; sarge api—selbst in der Schöpfung;
śrī bhagavān uvāca na— niemals; upajāyante—kommt hinein; pralaye—bei der
paraˆ bhūyaƒ pravakyāmi Vernichtung; na—auch nicht; vyathanti—gestört; ca—
jñānānāˆ jñānam uttamam auch.
yaj jñātvā munayaƒ sarve
parāˆ siddhim ito gatāƒ ÜBERSETZUNG

śrī bhagavān uvāca—die Höchste Persönlichkeit Gottes Wenn man in diesem Wissen gefestigt wird, kann man
sprach; param—transzendentales; bhūyaƒ—wieder; die transzendentale Natur erreichen, die Meiner eigenen
pravakyāmi—Ich werde sprechen; jñānānām—von allem Natur gleicht. So verankert, wird man weder zur Zeit
Wissen; jñānam—Wissen; uttamam—das höchste; yat— der Schöpfung geboren noch bei ihrer Auflösung ver-
was; jñātvā—kennend; munayaƒ—die Weisen; sarve-alle; nichtet.
parām—transzendentale; siddhim—Vollkommenheit;
itaƒ—von dieser Welt; gatāƒ—erreichen. ERLÄUTERUNG

ÜBERSETZUNG Nachdem man vollkommenes transzendentales Wissen


erlangt hat, wird man der Höchsten Persönlichkeit Gottes
Der Segenspendende Herr sprach: Abermals werde Ich eigenschaftsmäßig ebenbürtig und somit frei von der
dir diese erhabenste Weisheit verkünden, die Essenz Wiederholung von Geburt und Tod. Man verliert jedoch
allen Wissens, durch deren Kenntnis alle Weisen die nicht seine Identität als individuelle Seele. Aus der
höchste Vollkommenheit erreicht haben. vedischen Literatur kann man verstehen, daß die befreiten
Seelen, die die transzendentalen Planeten des spirituellen
ERLÄUTERUNG Himmels erreicht haben, immer zu den Lotosfußen des
Höchsten Herrn hinblicken, da sie in Seinem
Vom Siebten Kapitel bis zum Ende des Zwölften Kapitels transzendentalen liebevollen Dienst tätig sind. Die
offenbarte Śrī KŠa die Absolute Wahrheit, die Höchste Gottgeweihten verlieren also selbst nach der Befreiung ihre
Persönlichkeit Gottes, in allen Einzelheiten. Jetzt erleuchtet individuellen Identitäten nicht.
der Herr Arjuna mit weiterem Wissen. Wenn man dieses Im allgemeinen ist alles Wissen, das wir in der materiellen
Kapitel durch den Vorgang philosophischer Spekulation Welt bekommen, von den drei Erscheinungsweisen der
versteht, wird man ein Verständnis von hingebungsvollem materiellen Natur verunreinigt. Wissen jedoch, das nicht
Dienst bekommen. Im Dreizehnten Kapitel wurde eindeutig von den drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur
erklärt, daß man aus der materiellen Verstrickung befreit verunreinigt ist, wird transzendentales Wissen genannt.
werden kann, wenn man in einer demütigen Haltung Sobald man in diesem transzendentalen Wissen verankert
Wissen entwickelt. Es ist auch erklärt worden, daß das ist, befindet man sich auf der gleichen Ebene wie die
Lebewesen in die materielle Welt verstrickt ist, weil es mit Höchste Person. Diejenigen, die vom spirituellen Himmel
den drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur in nichts wissen, sind der Ansicht, die spirituelle Identität
Berührung ist. In diesem Kapitel nun erklärt die Höchste werde nach der Befreiung von den materiellen Tätigkeiten
Persönlichkeit, was diese Erscheinungsweisen der Natur der materiellen Form formlos, ohne jede
sind, wie sie wirken, in welcher Weise sie binden und wie Verschiedenartigkeit. Doch wie es materielle
sie Befreiung gewähren. Wie der Höchste Herr sagt, ist das Mannigfaltigkeit in dieser Welt gibt, so gibt es in der
Wissen, das in diesem Kapitel erklärt wird, dem Wissen spirituellen Welt ebenfalls Mannigfaltigkeit. Diejenigen,
übergeordnet, das bisher in anderen Kapiteln offenbart die sich hinsichtlich dieser Tatsache in Unwissenheit
wurde. Viele große Weise haben die Vollkommenheit befinden, denken, spirituelle Existenz sei das Gegenteil von
erreicht und sind in die spirituelle Welt erhoben worden, materieller Vielfalt. In Wirklichkeit aber nimmt man im
weil sie dieses Wissen verstanden haben. Der Herr erklärt spirituellen Himmel eine spirituelle Form an. Es gibt dort
nun das gleiche Wissen auf bessere Weise. Dieses Wissen spirituelle Tätigkeiten, und die spirituelle Situation wird
ist allen anderen Vorgängen des Wissens, die bisher erklärt hingebungsvolles Leben genannt. Diese Atmosphäre gilt als
wurden, weit überlegen, und viele erreichten die unverunreinigt, und man ist dort dem Höchsten Herrn
Vollkommenheit, nachdem sie es verstanden hatten. Es eigenschaftsmäßig gleichgestellt. Um solches Wissen zu
wird daher erwartet, daß jemand, der dieses Vierzehnte bekommen, muß man alle spirituellen Eigenschaften
Kapitel versteht, die Vollkommenheit erreicht. entwickeln. Wer solche spirituellen Eigenschaften
entwickelt, wird weder von der Erschaffung noch von der
VERS 2 Zerstörung der materiellen Welt beeinflußt.
273

aller Manifestationen von Lebewesen in der materiellen


VERS 3 Welt.

mama yonir mahad-brahma VERS 4


tasmin garbhaˆ dadhāmy aham
sambhavaƒ sarva-bhūtānāˆ sarva-yoniu kaunteya
tato bhavati bhārata mūrtayaƒ sambhavanti yāƒ
tāsāˆ brahma mahad yonir
mama—Meine; yoniƒ-Quelle der Geburt; mahat—die ahaˆ bīja-pradaƒ pitā
gesamte materielle Existenz; brahma—höchste; tasmin—in
dieser; garbham—Schwangerschaft; dadhāmi—schaffe; sarva-yoniu—in allen Lebensformen; kaunteya—o Sohn
aham—Ich; sambhavaƒ—Möglichkeit; sarva-bhūtānām— Kuntīs; mūrtayaƒ—Formen; sambhavanti—wie sie
aller Lebewesen; tathaƒ—danach; bhavati—wird; erscheinen; yāƒ—welche; tāsām—sie alle; brahma—
bhārata—o Sohn Bhāratas. höchste; mahat yoniƒ—die Quelle der Geburt in der
materiellen Substanz; aham—Ich Selbst; bīja-pradaƒ—
ÜBERSETZUNG samengebender; pitā—Vater.

Die gesamte materielle Substanz, Brahman genannt, ist ÜBERSETZUNG


die Quelle der Geburt, und es ist dieses Brahman, das
Ich befruchte, so daß die Geburten aller Lebewesen O Sohn Kuntīs, man sollte verstehen, daß alle Arten des
möglich werden, o Sohn Bhāratas. Lebens durch Geburt in der materiellen Natur
ermöglicht werden und daß Ich der samengebende
ERLÄUTERUNG Vater bin.

Das ist eine Erklärung der Welt: Alles, was geschieht, ist ERLÄUTERUNG
auf die Verbindung von ketra und ketrajña, dem Körper
und der spirituellen Seele, zurückzuführen. Diese In diesem Vers wird eindeutig erklärt, daß die Höchste
Verbindung der materiellen Natur und des Lebewesens Persönlichkeit Gottes, KŠa, der ursprüngliche Vater aller
wird vom Höchsten Gott Selbst ermöglicht. Das Lebewesen ist. Die Lebewesen sind Verbindungen der
mahat-tattva ist die gänzliche Ursache der gesamten kosmi- materiellen Natur mit der spirituellen Natur. Solche
schen Manifestation, und weil es in der gesamten Substanz Lebewesen kann man nicht nur auf diesem Planeten finden,
der materiellen Ursache drei Erscheinungsweisen der Natur sondern auf jedem anderen — sogar auf dem höchsten, wo
gibt, wird diese Substanz manchmal auch Brahman Brahmā lebt. Überall gibt es Lebewesen; in der Erde sind
genannt. Die Höchste Persönlichkeit befruchtet diese Lebewesen, sogar im Wasser und im Feuer. All diese
gesamte Substanz, und so werden unzählige Universen Erscheinungen haben ihren Ursprung in der Mutter, der
möglich. Diese gesamte materielle Substanz, das materiellen Natur, und in KŠas Samengebung. Die
mahat-tattva, wird in der vedischen Literatur als Brahman Lebewesen, die in die materielle Welt eingegeben wurden,
beschrieben: tasmād etad brahma nāma-rūpam annaˆ ca nehmen zur Zeit der Schöpfung entsprechend ihren
jāyate. In dieses Brahman werden die Samen der vergangenen Taten einen Körper an.
Lebewesen von der Höchsten Person eingegeben. Die
vierundzwanzig Elemente, angefangen mit Erde, Wasser, VERS 5
Feuer und Luft, bestehen alle aus materieller Energie, die
auch als mahā-brahma (das große Brahman) oder sattvaˆ rajas tama iti
materielle Natur bezeichnet wird. Wie im Siebten Kapitel guŠāƒ prakti-sambhavāƒ
erklärt wird, befindet sich jenseits davon eine andere, nibadhnanti mahā-bāho
höhere Natur — das Lebewesen. Durch den Willen der dehe dehinam avyayam
Höchsten Persönlichkeit Gottes wird die höhere Natur mit
der materiellen Natur vermischt, und dann werden alle sattvam—Erscheinungsweise der Tugend; rajaƒ—
Lebewesen aus dieser materiellen Natur geboren. Erscheinungsweise der Leidenschaft; tamaƒ—
Der Skorpion legt seine Eier in Reishaufen, und manchmal Erscheinungsweise der Unwissenheit; iti—so; guŠāƒ—
heißt es, der Skorpion sei aus dem Reis geboren; doch der Eigenschahen; prakti—materielle Natur; sambhavāƒ—
Reis ist nicht die Ursache des Skorpions. In Wirklichkeit erzeugt von; nibadhnanti—bedingt; mahā-bāho—o
wurden die Eier von der Mutter gelegt. In ähnlicher Weise Starkarmiger; dehe—in diesem Körper; dehinam—das
ist die materielle Natur nicht die Ursache der Geburt der Lebewesen; avyayam—ewig.
Lebewesen. Der Same wird von der Höchsten
Persönlichkeit Gottes gegeben, und es scheint nur, als seien ÜBERSETZUNG
die Lebewesen Produkte der materiellen Natur. Jedes
Lebewesen nimmt seinen vergangenen Tätigkeiten gemäß Die materielle Natur besteht aus den drei
einen Körper an, der von der materiellen Natur geschaffen Erscheinungsweisen — Tugend, Leidenschaft und
wird, und das Lebewesen kann je nach seinen vergangenen Unwissenheit. Wenn das Lebewesen mit der Natur in
Taten genießen oder muß leiden. Der Herr ist die Ursache
274

Berührung kommt, wird es von diesen Literatur heißt es, daß die Erscheinungsweise der Tugend
Erscheinungsweisen bedingt. größeres Wissen und ein höheres Glücksgefühl bedeute.
Die Schwierigkeit liegt darin, daß ein Lebewesen in der
ERLÄUTERUNG Erscheinungsweise der Tugend dadurch bedingt wird, daß
es glaubt, ein hohes Wissen zu besitzen und besser zu sein
Weil das Lebewesen transzendental ist, hat es mit der als andere. Auf diese Weise wird es bedingt. Die besten
materiellen Natur nichts zu tun. Doch weil es von der Beispiele sind Wissenschaftler und Philosophen: Beide sind
materiellen Welt bedingt worden ist, handelt es im Bann sehr stolz auf ihr Wissen, und weil sie im allgemeinen ihre
der drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur. Weil Lebensumstände verbessern können, empfinden sie eine An
Lebewesen verschiedene Körper haben, nämlich den materiellen Glücks. Dieses Gefühl fortgeschrittenen Glücks
verschiedenen Aspekten der Natur gemäß, werden sie im bedingten Leben bindet sie durch die Erscheinungsweise
veranlaßt, in Übereinstimmung mit dieser Natur zu der Tugend der materiellen Natur. Folglich fühlen sie sich
handeln. Hierin liegt die Ursache ihres unterschiedlichen dazu hingezogen, in der Erscheinungsweise der Tugend zu
Glücks und Leids. handeln, und solange sie eine Anziehung verspüren, in
dieser Weise tätig zu sein, müssen sie irgendeinen Körper
VERS 6 in den Erscheinungsweisen der Natur annehmen. Somit ist
es unwahrscheinlich, daß sie befreit werden oder in die
tatra sattvaˆ nirmalatvāt spirituelle Welt gelangen. Immer wieder mag man
prakāśakam anāmayam Philosoph, Wissenschaftler oder Dichter werden und sich
sukha-sa‰gena badhnāti somit wiederholt in die gleichen Nachteile von Geburt und
jñāna-sa‰gena cānagha Tod verstricken, doch aufgrund der illusionierenden
Wirkung der materiellen Energie glaubt man, ein solches
tatra—danach; sattvam—die Erscheinungsweise der Leben sei angenehm.
Tugend; nirmalatvāt—am reinsten in der materiellen Welt;
prakāśakam—erleuchtend; anāmayam—ohne jede VERS 7
sündhafte Reaktion; sukha—Glück; sa‰gena—
Gemeinschaft; badhnāti—bedingt; jñāna—Wissen; rajo rāgātmakaˆ viddhi
sa‰gena—Gemeinschaft; ca—auch; anagha—o Sündloser. tŠā-sa‰ga-samudbhavam
tan nibadhnāti kaunteya
ÜBERSETZUNG karma-sa‰gena dehinam

O Sündloser, die Erscheinungsweise der Tugend, da rajaƒ—die Erscheinungsweise der Leidenschaft;


reiner als die anderen, erleuchtet und befreit einen von rāga-ātmakam—aus Verlangen oder Lust geboren; viddhi—
allen sündhaften Reaktionen. Diejenigen, die sich in wisse; tnā—Begehren; sa‰ga—Gemeinschaft; samud-
dieser Erscheinungsweise befinden, entwickeln Wissen, bhavam—erzeugt von; tat—das; nibadhnāti—ist gebunden;
doch werden sie durch die Vorstellung, glücklich zu kaunteya—o Sohn Kuntīs; karma-sa‰gena—Gemeinschaft
sein, bedingt. mit fruchtbringendem Tun; dehinam—des Verkörperten.

ERLÄUTERUNG ÜBERSETZUNG

Die von der materiellen Natur bedingten Lebewesen sind Die Erscheinungsweise der Leidenschaft wird aus
von verschiedener Art. Eines ist glücklich, ein anderes sehr grenzenlosen Wünschen und Sehnsüchten geboren, o
aktiv und wieder ein anderes hilflos. All diese Arten Sohn Kuntīs, und deshalb ist man an materielle
psychologischer Manifestationen sind Ursachen für den fruchtbringende Tätigkeiten gebunden.
bedingten Zustand der Lebewesen in der materiellen Natur.
Wie sie auf unterschiedliche Weise bedingt sind, wird in ERLÄUTERUNG
diesem Teil der Bhagavad-gītā erklärt. Als erstes wird die
Erscheinungsweise der Tugend dargestellt. Die Folge Die Erscheinungsweise der Leidenschaft ist durch die
davon, daß man in der materiellen Welt die Anziehung zwischen Mann und Frau gekennzeichnet. Die
Erscheinungsweise der Tugend entwickelt, besteht darin, Frau verspürt eine Anziehung zum Mann, und der Mann
daß man weiser wird als diejenigen, die auf andere Weise verspürt eine Anziehung zur Frau. Das bezeichnet man als
bedingt sind. Ein Mensch in der Erscheinungsweise der Erscheinungsweise der Leidenschaft. Und wenn die
Tugend ist nicht so sehr von materiellen Leiden Erscheinungsweise der Leidenschaft zunimmt, entwickelt
heimgesucht, und er hat einen Sinn dafür, auf dem Gebiet man das Verlangen nach materiellem Genuß. Man möchte
materiellen Wissens Fortschritte zu machen. Der typische die Befriedigung der Sinne genießen. Um der
Vertreter ist der brāhmaŠa, von dem man annimmt, daß er Sinnenbefriedigung willen strebt ein Mann in der
sich in der Erscheinungsweise der Tugend befindet. Dieses Erscheinungsweise der Leidenschaft nach Ehre in der
Gefühl des Glücks hat seine Ursache im Verständnis, daß Gesellschaft oder Nation, nach einer glücklichen Familie
man in der Erscheinungsweise der Tugend mehr oder we- mit netten Kindern, einer schönen Frau und einem eigenen
niger frei von sündhaften Reaktionen ist. In der vedischen Haus. Das sind die Produkte der Erscheinungsweise der
Leidenschaft. Solange man sich nach diesen Dingen sehnt,
275

muß man sehr schwer arbeiten. Deshalb wird hier klar sich, Fortschritte im spirituellen Verständnis zu machen.
gesagt, daß man mit den Früchten seines Tuns in Solche Menschen sind sehr träge, und wenn sie
Berührung kommt und dementsprechend durch solches Tun aufgefordert werden, in unserer Gemeinschaft spirituelles
gebunden wird. Um seine Frau, seine Kinder und seine Verständnis zu entwickeln, haben sie kein großes Interesse.
Gesellschaft zu erfreuen und um sein Ansehen zu wahren, Sie sind nicht einmal aktiv wie der von der Erscheinungs-
muß man arbeiten. Deshalb steht die ganze materielle Welt weise der Leidenschaft beherrschte Mensch. Ein weiteres
mehr oder weniger unter dem Einfluß der Merkmal von jemandem, der in die Erscheinungsweise der
Erscheinungsweise der Leidenschaft. Die moderne Unwissenheit versunken ist, zeigt sich an seinem Bedürfnis,
Zivilisation hat in der Erscheinungsweise der Leidenschaft mehr zu schlafen als notwendig ist. Sechs Stunden Schlaf
großen Fortschritt gemacht. Vormals galt das Leben in der reichen aus, doch jemand in der Erscheinungsweise der
Erscheinungsweise der Tugend als fortgeschritten. Wenn es Unwissenheit schläft mindestens zehn bis zwölf Stunden
schon für Menschen in der Erscheinungsweise der Tugend täglich. Ein solcher Mensch scheint immer
keine Befreiung gibt, was soll man dann von denen sagen, niedergeschlagen zu sein und ist Rauschmitteln und dem
die in die Erscheinungsweise der Leidenschaft verstrickt Schlaf verfallen. Dies sind die Symptome eines Menschen,
sind? der durch die Erscheinungsweise der Unwissenheit bedingt
ist.
VERS 8
VERS 9
tamas tv ajñāna-jaˆ viddhi
mohanaˆ sarva-dehinām sattvaˆ sukhe sañjayati
pramādālasya-nidrābhis rajaƒ karmaŠi bhārata
tan nibadhnāti bhārata jñānam āvtya tu tamaƒ
pramāde sañjayaty uta
tamaƒ—die Erscheinungsweise der Unwissenheit; tu—aber;
ajñāna-jam—Erzeugnisse der Unwissenheit; viddhi— sattvam—die Erscheinungsweise der Tugend; sukhe—in
wissend; mohanam—Täuschung; sarva-dehinām-aller Glück; sañjayati—entwickelt; rajaƒ—die
verkörperten Wesen; pramāda—Irrsinn; ālasya—Trägheit; Erscheinungsweise der Leidenschaft; karmaŠi—Früchte der
nidrābhiƒ—Schlaf; tat—das; nibadhnāti—bindet; Tätigkeiten; bhārata—o Sohn Bhāratas; jñānam—Wissen;
bhārata—o Sohn Bhāratas. āvtya—bedeckend; tu—aber; tamaƒ—die
Erscheinungsweise der Unwissenheit; pramāde—in Irrsinn;
ÜBERSETZUNG sañjayati—entwickelt; uta—es wird gesagt.

O Sohn Bhāratas, die Erscheinungsweise der ÜBERSETZUNG


Unwissenheit verursacht die Täuschung aller
Lebewesen. Die Folgen dieser Erscheinungsweise sind In der Erscheinungsweise der Tugend wird man durch
Irrsinn, Trägheit und Schlaf, die die bedingte Seele Glück, in Leidenschaft durch die Früchte des Tuns und
binden. in Unwissenheit durch Irrsinn bedingt.

ERLÄUTERUNG ERLÄUTERUNG

In diesem Vers ist der besondere Gebrauch des Wortes tu Ein Mensch in der Erscheinungsweise da Tugend findet
sehr bemerkenswert. Dies bedeutet, daß die durch seine Arbeit oder sein intellektuelles Streben
Erscheinungsweise der Unwissenheit eine sehr seltsame Ei- Befriedigung. Ein Philosoph, Wissenschaftler oder Erzieher
genart der verkörperten Seele ist. Diese Erscheinungsweise zum Beispiel, der sich mit einem besonderen Wissensgebiet
ist genau das Gegenteil der Erscheinungsweise der Tugend. befaßt, mag auf diese Weise Befriedigung erfahren. Ein
In der Erscheinungsweise der Tugend kann man durch die Mensch in der Erscheinungsweise der Leidenschaft mag
Entwicklung von Wissen verstehen, was was ist, doch die fruchtbringenden Tätigkeiten nachgehen; er besitzt so viel,
Erscheinungsweise der Unwissenheit ist genau das wie er kann, und spendet für gute Zwecke. Manchmal
Gegenteil. Jeder im Bann der Unwissenheit wird verrückt, versucht er, Krankenhäuser zu eröffnen,
und ein Verrückter kann nicht verstehen, was was ist. Wohlfahrtseinrichtungen zu unterstützen usw. Das sind die
Anstatt vorwärts zu gehen, entartet man. Die Definition der Kennzeichen eines Menschen in der Erscheinungsweise der
Erscheinungsweise der Unwissenheit findet man in der Leidenschaft. Die Erscheinungsweise der Unwissenheit
vedischen Literatur: Im Bann der Unwissenheit kann man bedeckt Wissen. Was immer man in der Erscheinungsweise
ein Ding nicht so verstehen, wie es ist. Zum Beispiel kann der Unwissenheit tut, ist weder für einen selbst noch für
jeder verstehen, daß sein Großvater gestorben ist und daß er andere gut.
daher ebenfalls sterben wird — der Mensch ist also
sterblich. Die Kinder, die man bekommt, werden ebenfalls VERS 10
sterben. Der Tod ist also sicher. Dennoch raffen die
Menschen wie verrückt Geld zusammen und arbeiten Tag rajas tamaś cābhibhūya
und Nacht sehr schwer, ohne sich um die ewige Seele zu sattvaˆ bhavati bhārata
kümmern. Das ist Irrsinn. In ihrer Verrücktheit weigern sie rajaƒ sattvaˆ tamaś caiva
276

tamaƒ sattvaˆ rajas tathā


sarva-dvāreu dehe'smin
rajaƒ—die Erscheinungsweise der Leidenschaft; tamaƒ— prakāśa upajāyate
die Erscheinungsweise der Unwissenheit; ca—auch; jñānaˆ yadā tadā vidyād
abhibhūya—auch übertreffend; sattvam—die Erschei- vivddhaˆ sattvam iti uta
nungsweise der Tugend; bhavati—wird vorherrschend;
bhārata—o Nachkomme Bhāratas; rajaƒ—die sarva-dvāreu—alle Tore; dehe asmin—im Körper;
Erscheinungsweise der Leidenschaft; sattvam—die Erschei- prakāśaƒ—Eigenschaft der Erleuchtung; upajāyate—
nungsweise der Tugend; tamaƒ—die Erscheinungsweise entwickelt; jñānam—Wissen; yadā—wenn; tadā—zu dieser
der Unwissenheit; ca—auch; eva—wie das; tamaƒ—die Zeit; vidyāt—mußt wissen; vivddham—angewachsen;
Erscheinungsweise der Unwissenheit; sattvam—die sattvam—die Erscheinungsweise der Tugend; iti—so; uta—
Erscheinungsweise der Tugend; rajaƒ—die gesagt.
Erscheinungsweise der Leidenschaft; tathā—wie bei
diesem. ÜBERSETZUNG

ÜBERSETZUNG Die Manifestationen der Erscheinungsweise der Tugend


können erfahren werden, wenn alle Tore des Körpers
Manchmal gewinnt die Erscheinungsweise der durch Wissen erleuchtet sind.
Leidenschaft die Oberhand und besiegt die
Erscheinungsweise der Tugend, o Nachkomme ERLÄUTERUNG
Bhāratas, manchmal besiegt die Erscheinungsweise der
Tugend die Leidenschaft, und ein anderes Mal besiegt Es gibt neun Tore im Körper: zwei Augen, zwei Ohren,
die Erscheinungsweise der Unwissenheit Tugend und zwei Nasenlöcher, den Mund, das Geschlechtsteil und den
Leidenschaft. Auf diese Weise findet ein ständiger After. Wenn in jedem Tor das Zeichen der Tugend leuchtet,
Kampf um Vorherrschaft statt. sollte man verstehen, daß man die Erscheinungsweise der
Tugend entwickelt hat. In der Erscheinungsweise der
ERLÄUTERUNG Tugend kann man die Dinge in der richtigen Perspektive
sehen, hören und schmecken. Man wird innerlich und
Wenn die Erscheinungsweise der Leidenschaft vorherrscht, äußerlich gereinigt. In jedern Tor entwickeln sich
sind die Erscheinungsweisen der Tugend und Unwissenheit Symptome des Glücks — das ist der Zustand in der
besiegt. Wenn die Erscheinungsweise der Tugend Erscheinungsweise der Tugend.
vorherrscht, sind Leidenschaft und Unwissenheit besiegt.
Und wenn die Erscheinungsweise der Unwissenheit VERS 12
vorherrscht, sind Leidenschaft und Tugend besiegt. Dieser
Kampf findet ständig statt. Wenn man daher tatsächlich die lobhaƒ pravttir ārambhaƒ
Absicht hat, im KŠa-Bewußtsein Fortschritte zu machen, karmaŠām aśamaƒ sphā
muß man diese drei Erscheinungsweisen transzendieren. rajasy etāni jāyante
Die Vorherrschaft einer bestimmten Erscheinungsweise der vivddhe bharatarabha
Natur manifestiert sich bei einem Menschen in seinem
Verhalten, in seinen Tätigkeiten, in seinen Eßgewohnheiten lobhaƒ—Gier; pravttiƒ—Begehren; ārambhaƒ—
usw. All das wird in späteren Kapiteln erklärt werden. Anstrengung; karmaŠām—von Tätigkeiten; aśamaƒ—
Doch wenn man gewillt ist, kann man durch Übung die unbeherrschbares; sphā—Verlangen; rajasi—in der
Erscheinungsweise der Tugend entwickeln und so die Erscheinungsweise der Leidenschaft; etāni—all diese;
Erscheinungsweisen der Unwissenheit und Leidenschaft jāyante—entwickeln sich; vivddhe—wenn es ein Übermaß
besiegen. In ähnlicher Weise kann man die Erscheinungs- gibt; bharatarabha—o Oberhaupt der Nachkommen
weise der Leidenschaft entwickeln und Tugend und Bhāratas.
Unwissenheit besiegen. Oder man kann die
Erscheinungsweise der Unwissenheit entwickeln und ÜBERSETZUNG
Tugend und Leidenschaft besiegen. Obwohl diese drei
Erscheinungsweisen der materiellen Natur da sind, kann O Oberhaupt der Bhāratas, wenn die
man, wenn man entschlossen ist, mit der Erscheinungsweise der Leidenschaft zunimmt,
Erscheinungsweise der Tugend gesegnet werden, und entwickeln sich Anzeichen von großer Anhaftung,
indem man die Erscheinungsweise der Tugend transzen- unbeherrschtem Verlangen, Begehren und großer
diert, wird man in reiner Tugend verankert, was auch Anstrengung.
vāsudeva-Zustand genannt wird, ein Zustand, in dem man
die Wissenschaft von Gott verstehen kann. An der ERLÄUTERUNG
Manifestation bestimmter Tätigkeiten kann man erkennen,
in welcher Erscheinungsweise der Natur sich jemand Ein Mensch in der Erscheinungsweise der Leidenschaft ist
befindet. niemals mit der Position zufrieden, die er erreicht hat; er
strebt immer danach, seine Position zu verbessern. Wenn er
VERS 11 ein Haus bauen möchte, versucht er alles, um einen Palast
277

zu bekommen — als ob er in diesem Haus ewig wohnen von den Erscheinungsweisen der Leidenschaft und
könnte. Und er entwickelt ein starkes Verlangen nach Unwissenheit". Die materielle Welt ist voller Unreinheiten,
Sinnenbefriedigung. Sinnenbefriedigung kennt keine doch die Erscheinungsweise der Tugend ist die reinste
Grenzen. Er möchte für immer mit seiner Familie in seinem Form der Existenz in der materiellen Welt. Es gibt für die
Haus bleiben und seine Sinne befriedigen. Hierfür gibt es verschiedenen Arten der Lebewesen verschiedene Arten
kein Ende. All diese Symptome sollten als Kennzeichen der von Planeten. Diejenigen, die in der Erscheinungsweise der
Erscheinungsweise der Leidenschaft verstanden werden. Tugend sterben, werden zu den Planeten erhoben, auf
denen große Weise und Gottgeweihte leben.
VERS 13
VERS 15
aprakāśo'pravttiś ca
pramādo moha eva ca rajasi pralayaˆ gatvā
tamasy etāni jāyante karma-sa‰giu jāyate
vivddhe kuru-nandana tathā pralīnas tamasi
mūha-yoniu jāyate
aprakāśaƒ—Dunkelheit; apravttiƒ—Untätigkeit; ca—und;
pramādaƒ—Irrsinn; mohaƒ—Illusion; eva—gewiß; ca— rajasi—in Leidenschaft; pralayam—Auflösung; gatvā—
auch; tamasi—der Erscheinungsweise der Unwissenheit; erreichend; karma-sa‰giu—in der Gemeinschaft
etāni—diese; jāyante—sind manifestiert; vivddhe—ist fruchtbringender Tätigkeiten; jāyate—wird geboren;
entwickelt; kuru-nandana—o Sohn Kurus. tathā—danach; pralīnaƒ—aufgelöst; tamasi—in
Unwissenheit; mūha—tierische; yoniu—Arten; jāyate—
ÜBERSETZUNG wird geboren.

O Sohn Kurus, wenn die Erscheinungsweise der ÜBERSETZUNG


Unwissenheit zunimmt, machen sich Irrsinn, Illusion,
Untätigkeit und Dunkelheit deutlich bemerkbar. Wenn man in der Erscheinungsweise der Leidenschaft
stirbt, wird man unter denen geboren, die
ERLÄUTERUNG fruchtbringenden Tätigkeiten nachgehen, und wenn
man in der Erscheinungsweise der Unwissenheit stirbt,
Wenn Erleuchtung fehlt, ist kein Wissen da. Ein Mensch in wird man im Königreich der Tiere geboren.
der Erscheinungsweise der Unwissenheit handelt nach
keinem regulierenden Prinzip; er möchte seinen Launen ERLÄUTERUNG
nachgeben und sinnlos handeln. Obwohl er die Fähigkeit
hat zu arbeiten, bemüht er sich nicht. Das nennt man Manche Menschen haben den Eindruck, wenn die Seele
Illusion. Obwohl Bewußtsein da ist, verläuft das Leben in einmal die Stufe des menschlichen Lebens erreicht habe,
Untätigkeit. Das sind die Symptome eines Menschen in der falle sie nie wieder herunter. Das ist nicht richtig. Nach der
Erscheinungsweise der Unwissenheit. Aussage dieses Verses sinkt man nach dem Tod auf die
tierische Stufe des Lebens zurück, wenn man die
VERS 14 Erscheinungsweise der Unwissenheit entwickelt. Von dort
muß man sich durch den Evolutionsvorgang allmählich
yada sattve pravddhe tu wieder erheben, um erneut zur menschlichen Form des
pralayaˆ yāti deha-bht Lebens zu kommen. Daher sollten diejenigen, die das
tadottama-vidāˆ lokān menschliche Leben ernstnehmen, die Erscheinungsweise
amalān pratipadyate der Tugend entwickeln und darauf durch guten Umgang die
Erscheinungsweisen transzendieren und im
yadā—wenn; sattve—Erscheinungsweise der Tugend; KŠa-Bewußtsein verankert werden. Das ist das Ziel des
pravddhe—in der Entwicklung; tu—aber; pralayam— menschlichen Lebens. Ergreift der Mensch diese
Auflösung; yāti—geht; deha-bht—verkörpert; tadā—zu Gelegenheit nicht, ist es nicht sicher, daß er im nächsten
dieser Zeit; uttama-vidām—der großen Weisen; lokān—die Leben wieder die menschliche Stufe des Lebens erreicht.
Planeten; amalān—reinen; pratipadyate—erreicht.
VERS 16
ÜBERSETZUNG
karmaŠaƒ suktasyāhuƒ
Wer in der Erscheinungsweise der Tugend stirbt, sāttvikaˆ nirmalaˆ phalam
erreicht die reinen, höheren Planeten. rajasas tu phalaˆ duƒkham
ajñānaˆ tamasaƒ phalam
ERLÄUTERUNG
karmaŠaƒ—von Arbeit; suktasya—in der
Jemand in Tugend erreicht höhere Planetensysteme wie Erscheinungsweise der Tugend; āhuƒ—gesagt; sāttvikam—
Brahmaloka oder Janaloka und genießt dort himmlische Erscheinungsweise der Tugend; nirmalam—gereinigt; pha-
Freuden. Das Wort amalān ist wichtig; es bedeutet "frei lam—Ergebnis; rajasaƒ—in der Erscheinungsweise der
278

Leidenschaft; tu—aber; phalam—Ergebnis; duƒkham— gröbster Unwissenheit befindet, wenn er eine Kuh
Leid; ajñānam—Unsinn; tamasaƒ—der Erscheinungsweise schlachten will, obwohl er mit ihrer Milch völlig zufrieden
der Unwissenheit; phalam—Ergebnis. ist. In den vedischen Schriften finden wir auch folgendes
Gebet:
ÜBERSETZUNG
namo brahmaŠya-devāya
Indem man in der Erscheinungsweise der Tugend go-brāhmaŠa-hitāya ca
handelt, wird man gereinigt. Tätigkeiten, die in der jagaddhitāya kŠāya
Erscheinungsweise der Leidenschaft verrichtet werden, govindāya namo namaƒ
enden in Leid, und Handlungen, die in der
Erscheinungsweise der Unwissenheit ausgeführt "Mein Herr, Du bist der wohlmeinende Freund der Kühe
werden, enden in Dummheit. und der brāhmaŠas, und Du bist der wohlmeinende Freund
der ganzen menschlichen Gesellschaft und der Welt."
ERLÄUTERUNG Bedeutsam ist, daß in diesem Gebet besonders der Schutz
der Kühe und der brāhmaŠas erwähnt wird. BrāhmaŠas
Durch fromme Tätigkeiten in der Erscheinungsweise der sind das Symbol spiritueller Bildung, und die Kuh ist das
Tugend wird man gereinigt; deshalb sind die Weisen, die Symbol der wertvollsten Nahrung; daher muß diesen
frei von jeder Illusion sind, im Glück verankert. In beiden Geschöpfen, den brāhmaŠas und den Kühen, aller
ähnlicher Weise sind Tätigkeiten in der Erscheinungsweise Schutz gewährt werden — das ist wirklicher Fortschritt
der Leidenschaft nur leidvoll. Jede Handlung für einer Zivilisation. In der modernen menschlichen
materielles Glück ist zum Scheitern verurteilt. Will man Gesellschaft wird spirituelles Wissen vernachlässigt und
zum Beispiel ein Hochhaus bauen, muß so viel das Schlachten von Kühen gefördert.
menschliches Leid in Kauf genommen werden, bevor ein Man kann daraus schließen, daß die menschliche
solches Gebäude errichtet werden kann. Der Finanzierende Gesellschaft in die falsche Richtung geht und sich so den
muß sich sehr abmühen, um viel Geld anzuhäufen, und Weg zu ihrer eigenen Verdammung ebnet. Eine Zivilisa-
diejenigen, die das Haus bauen, müssen schwere tion, die die Bürger dahin führt, im nächsten Leben Tiere
körperliche Arbeit leisten und sich abplagen. Leiden sind zu werden, ist gewiß keine menschliche Zivilisation. Die
also da. Deshalb sagt die Bhagavad-gītā, daß jede gegenwärtige Gesellschaft ist offensichtlich sehr stark von
Tätigkeit, die im Bann der Erscheinungsweise der den Erscheinungsweisen der Leidenschaft und
Leidenschaft ausgeführt wird, mit Sicherheit viel Leid mit Unwissenheit irregeführt. Wir leben in einem sehr
sich bringt. Es mag ein wenig sogenanntes mentales Glück gefährlichen Zeitalter, und daher sollten sich alle Nationen
geben — "Ich besitze dieses Haus oder Geld" —, aber das darum bemühen, den einfachen Vorgang des
ist kein wahres Glück. Wer in der Erscheinungsweise der KŠa-Bewußtseins zu verbreiten, um die Menschheit vor
Unwissenheit handelt, verfügt über kein Wissen, und der größten Gefahr zu bewahren.
deshalb enden alle seine Tätigkeiten in diesem Leben in
Leid, und danach wird er auf die tierische Stufe des Lebens VERS 17
zurücksinken. Tierisches Leben ist immer leidvoll, obwohl
die Tiere dies im Bann der illusionierenden Energie, māyā, sattvāt sañjāyate jñānaˆ
nicht verstehen. Das Schlachten unschuldiger Tiere hat rajaso lobha eva ca
ebenfalls seine Ursache in der Erscheinungsweise der pramāda-mohau tamaso
Unwissenheit. Die Tiermörder wissen nicht, daß das Tier in bhavato 'jñānam eva ca
der Zukunft einen Körper haben wird, der geeignet ist, sie
zu töten. So lautet das Gesetz der Natur. Wenn jemand in sattvāt—aus der Erscheinungsweise der Tugend;
der menschlichen Gesellschaft einen anderen Menschen sañjāyate—entwickelt sich; jñānam—Wissen; rajasaƒ—aus
tötet, muß er dafür gehängt werden. Das ist das Gesetz des der Erscheinungsweise der Leidenschaft; lobhaƒ-Gier;
Staates. In ihrer Unwissenheit erkennen die Menschen eva—gewiß; ca—auch; pramāda—Irrsinn; mohau—
jedoch nicht, daß es einen vollkommenen Staat gibt, der Illusion; tamasaƒ—aus der Erscheinungsweise der
vom Höchsten Herrn regiert wird. Jedes Lebewesen ist ein Unwissenheit; bhavataƒ—entwickelt sich; ajñānam—
Sohn des Höchsten Herrn, und der Herr duldet nicht Unsinn; eva—gewiß; ca—auch.
einmal, daß eine Ameise getötet wird. Man muß dafür
bezahlen. Tiere zu töten, um die Zunge zu befriedigen, ist ÜBERSETZUNG
die gröbste Form von Unwissenheit. Der Mensch braucht
keine Tiere zu töten, denn Gott hat für so viele schöne Aus der Erscheinungsweise der Tugend entwickelt sich
Dinge gesorgt. Wenn man trotzdem Fleisch ißt, handelt wirkliches Wissen; aus der Erscheinungsweise der
man in der Erscheinungsweise der Unwissenheit und baut Leidenschaft entwickelt sich Leid, und aus der
sich eine sehr düstere Zukunft auf. Von allen Arten des Tie- Erscheinungsweise der Unwissenheit entwickeln sich
retötens ist das Töten der Kuh am niederträchtigsten, denn Dummheit, Irrsinn und Illusion.
die Kuh schenkt uns so viel Freude, indem sie uns mit
Milch versorgt. Das Schlachten der Kuh ist eine Handlung ERLÄUTERUNG
gröbster Unwissenheit. In der vedischen Literatur deuten
die Worte gobhiƒ prīŠita-matsaram an, daß sich jemand in
279

Weil die gegenwärtige Zivilisation den Lebewesen nicht Leidenschaft befinden; jaghanya—verabscheuungswürdig;
sehr zuträglich ist, wird KŠa-Bewußtsein empfohlen. Mit guŠa—Erscheinungsweise; vtti-sthāƒ—Tätigkeit; adhaƒ-
Hilfe des KŠa-Bewußtseins wird die Gesellschaft die abwärts; gacchanti-gehen; tāmasāƒ—Menschen in der
Erscheinungsweise der Tugend entwickeln. Wenn die Erscheinungsweise der Unwissenheit.
Erscheinungsweise der Tugend entwickelt ist, werden die
Menschen die Dinge so sehen, wie sie sind. In der ÜBERSETZUNG
Erscheinungsweise der Unwissenheit sind die Menschen
genau wie Tiere und können die Dinge nicht klar sehen. In Menschen, die sich in der Erscheinungsweise der
der Erscheinungsweise der Unwissenheit können die Tugend befinden, gehen allmählich aufwärts zu den
Menschen zum Beispiel nicht erkennen, daß sie beim höheren Planeten; diejenigen in der Erscheinungsweise
Schlachten von Tieren Gefahr laufen, im nächsten Leben der Leidenschaft leben auf den irdischen Planeten, und
vom gleichen Tier getötet zu werden. Weil den Menschen diejenigen in der Erscheinungsweise der Unwissenheit
nicht wirkliches Wissen vermittelt worden ist, handeln sie fallen in die höllischen Welten hinab.
verantwortungslos. Um diese Verantwortungslosigkeit zu
beenden, muß es eine Erziehung geben, die der Menschheit ERLÄUTERUNG
hilft, die Erscheinungsweise der Tugend zu entwickeln.
Wenn die Menschen in der Erscheinungsweise der Tugend In diesem Vers werden die Ergebnisse von Handlungen in
erzogen worden sind, werden sie besonnen werden, weil sie den drei Erscheinungsweisen der Natur ausführlicher
genau wissen, wie sich die Dinge verhalten. Dann werden beschrieben. Es gibt ein höheres Planetensystem, das aus
sie glücklich sein, und es wird allgemeiner Wohlstand den himmlischen Planeten besteht, wo jeder auf einer
herrschen. Selbst wenn die Mehrheit der Menschen nicht hohen Stufe steht. Je nachdem, wie weit man die
glücklich und wohlhabend ist, besteht die Möglichkeit für Erscheinungsweise der Tugend entwickelt hat, kann man
Frieden und Wohlstand auf der ganzen Welt, wenn ein auf verschiedene Planeten in diesem System gelangen. Der
gewisser Prozentsatz der Bevölkerung KŠa-Bewußtsein höchste Planet ist Satyaloka oder Brahmaloka, wo Brahmā,
entwickelt und in der Erscheinungsweise der Tugend das Hauptlebewesen im Universum, residiert. Wir haben
verankert wird. Andernfalls — wenn die Welt den Erschei- bereits festgestellt, daß wir uns die wunderbaren
nungsweisen der Leidenschaft und Unwissenheit ergeben Lebensbedingungen auf Brahmaloka kaum vorstellen
ist — wird es niemals Frieden oder Wohlstand geben. In können, doch die höchste Lebensart, die Erscheinungsweise
der Erscheinungsweise der Leidenschaft werden die der Tugend, kann uns dorthin bringen.
Menschen gierig, und ihr Begehren nach Die Erscheinungsweise der Leidenschaft ist gemischt. Sie
Sinnenbefriedigung kennt keine Grenzen. Aber selbst wenn liegt in der Mitte, zwischen den Erscheinungsweisen der
genügend Geld und ausreichende Möglichkeiten für Tugend und der Unwissenheit. Ein Mensch befindet sich
Sinnenbefriedigung vorhanden sind, kann man beobachten, nicht immer in einer unvermischten Erscheinungsweise,
daß sie weder Glück noch inneren Frieden gefunden haben. doch selbst wenn er sich ausschließlich in der
Glück und Frieden sind nicht möglich, solange man unter Erscheinungsweise der Leidenschaft befände, würde er
dem Einfluß der Erscheinungsweise der Leidenschaft steht. lediglich als König oder reicher Mann auf der Erde bleiben.
Wenn man glücklich sein will, kann einem Geld nicht Doch weil die Erscheinungsweisen gemischt auftreten,
helfen; man muß sich vielmehr zur Erscheinungsweise der kann man auch absinken. Menschen auf dieser Erde, die
Tugend erheben, indem man KŠa-Bewußtsein praktiziert. sich in den Erscheinungsweisen der Leidenschaft oder
Wer in der Erscheinungsweise der Leidenschaft handelt, ist Unwissenheit befinden, können die höheren Planeten nicht
nicht nur mental unglücklich, sondern auch sein Beruf und gewaltsam mit einer Maschine erreichen. Auch besteht in
seine Beschäftigung sind sehr mühsam. Er muß so viele der Erscheinungsweise der Leidenschaft die Möglichkeit,
Pläne und Programme entwerfen, um genug Geld für die im nächsten Leben verrückt zu werden.
Erhaltung seines Status quo zu verdienen. Das ist alles mit Die niedrigste Eigenschaft, die Erscheinungsweise der
Leid verbunden. In der Erscheinungsweise der Unwissenheit, wird hier als verabscheuungswürdig
Unwissenheit werden die Menschen verrückt. Weil ihre beschrieben. Es ist sehr gefährlich, die Erscheinungsweise
Lebensumstände leidvoll sind, suchen sie bei der Unwissenheit zu entwickeln. Sie ist die niedrigste
Rauschmitteln Zuflucht und sinken daher immer tiefer in Eigenschaft der materiellen Natur. Unterhalb der
Unwissenheit. Ihre Zukunft sieht sehr düster aus. menschlichen Stufe gibt es acht Millionen Lebensformen:
Säugetiere, Vögel, Reptilien, Bäume usw., und je nachdem,
VERS 18 wie weit die Menschen die Erscheinungsweise der
Unwissenheit entwickelt haben, werden sie in diese
ūrdhvaˆ gacchanti sattva-sthā erbärmlichen Lebensbedingungen versetzt. Das Wort
madhye ti˜hanti rājasāƒ tāmasāƒ ist hier sehr bedeutsam. Tāmasāƒ bezeichnet
jaghanya-guŠa-vtti-sthā diejenigen, die fortgesetzt in der Erscheinungsweise der
adho gacchanti tāmasāƒ Unwissenheit bleiben, ohne sich zu einer höheren
Erscheinungsweise zu erheben. Ihre Zukunft ist sehr düster.
ūrdhvam—aufwärts; gacchanti—geht; sattva-sthāƒ— Für Menschen in den Erscheinungsweisen der
jemand, der sich in der Erscheinungsweise der Tugend Unwissenheit und Leidenschaft gibt es eine Möglichkeit,
befindet; madhye—in der Mitte; ti˜hanti—verweilen; zur Erscheinungsweise der Tugend erhoben zu werden, und
rājasāƒ—diejenigen, die sich in der Erscheinungsweise der dieser Vorgang wird KŠa-Bewußtsein genannt; doch
280

wenn man diese Gelegenheit nicht nutzt, wird man ohne Folglich läßt für den, der die Dinge so sehen kann, wie sie
Zweifel weiter in den niederen Erscheinungsweisen wirklich sind, der Einfluß der materiellen Natur allmählich
bleiben. nach.

VERS 19 VERS 20

nānyaˆ guŠebhyaƒ kartāraˆ guŠān etān atītya trīn


yadā dra˜ānupaśyati dehī deha-samudbhavān
guŠebhyaś ca paraˆ vetti janma-mtyu-jarā-duƒkhair
mad-bhāvaˆ so'dhigacchati vimukto 'mtam aśnute

na—niemals; anyam—andere als; guŠebhyaƒ—von den guŠān—Erscheinungsweisen; etān-all diese; atītya—


Eigenschaften; kartāram—der Ausführende; yadā—wenn; überschreitend; trīn—drei; dehī—der Verkörperte; deha—
dra˜ā anupaśyati—derjenige, der richtig sieht; guŠebhyaƒ Körper; samudbhavān—geschaffen von; janma—Geburt;
ca—von den Erscheinungsweisen der Natur; param— mtyu—Tod; jarā—Alter; duƒkhaiƒ—Leiden; vimuktaƒ—
transzendental; vetti—wisse; mat-bhāvam—Meine befreit von; amtam—Nektar; aśnute—genießt.
spirituelle Natur; saƒ—er; adhigacchati—wird erhoben.
ÜBERSETZUNG
ÜBERSETZUNG
Wenn das verkörperte Wesen fähig ist, diese drei
Wenn du erkennst, daß es in allen Tätigkeiten nichts Erscheinungsweisen zu transzendieren, kann es von
außer diesen Erscheinungsweisen der Natur gibt und Geburt, Tod, Alter und den damit verbundenen Leiden
daß der Höchste Herr zu all diesen Erscheinungsweisen frei werden und schon in diesem Leben Nektar
in transzendentaler Stellung steht, kannst du Meine genießen.
spirituelle Natur verstehen.
ERLÄUTERUNG
ERLÄUTERUNG
In diesem Vers wird erklärt, wie man sogar im
Man kann alle Tätigkeiten der Erscheinungsweisen der gegenwärtigen Körper völlig KŠa-bewußt in der
materiellen Natur transzendieren, indem man sie einfach transzendentalen Stellung verankert bleiben kann. Das
von den geeigneten Seelen richtig verstehen lernt. Der Sanskritwort dehī bedeutet "verkörpert". Obwohl man sich
wahre spirituelle Meister ist KŠa, und Er offenbart dieses in einem materiellen Körper befindet, kann man durch
spirituelle Wissen Arjuna. In ähnlicher Weise muß man die Fortschritt im spirituellen Wissen vom Einfluß der Er-
Wissenschaft der Tatigkeiten in Beziehung zu den scheinungsweisen der Natur befreit werden. Man kann das
Erscheinungsweisen der Natur von vollkommen Glück spirituellen Lebens sogar schon im gegenwärtigen
KŠa-bewußten Menschen erlernen. Sonst wird man sein Körper genießen, da man nach Verlassen des Körpers mit
Leben in die falsche Richtung lenken. Durch die Sicherheit zum spirituellen Himmel zurückkehren wird.
Unterweisung eines echten spirituellen Meisters kann ein Aber schon in diesem Körper kann man spirituelles Glück
Lebewesen etwas über seine spirituelle Stellung, seinen genießen. Mit anderen Worten: Hingebungsvoller Dienst
materiellen Körper und seine Sinne erfahren und verstehen, im KŠa-Bewußtsein ist das Zeichen von Befreiung aus
wie es gefangen ist und wie es im Bann der materiellen Er- der materiellen Verstrickung. Das wird im Achtzehnten
scheinungsweisen der Natur steht. Es ist hilflos, da es sich Kapitel erklärt werden. Wenn man vom Einfluß der
in der Gewalt dieser Erscheinungsweisen befindet, doch Erscheinungsweisen der materiellen Natur frei geworden
wenn es seine wirkliche Position erkennt, kann es die ist, beginnt man mit hingebungsvollem Dienst.
transzendentale Ebene erreichen, da es eine Vorstellung
von spirituellem Leben bekommen hat. In Wirklichkeit ist VERS 21
es nicht das Lebewesen, das die verschiedenen Tätigkeiten
ausführt. Es ist gezwungen zu handeln, weil es sich in arjuna uvāca
einem bestimmten Körper befindet, der von einer kair li‰gais trīn guŠān etān
bestimmten Erscheinungsweise der materiellen Natur atīto bhavati prabho
dirigiert wird. Solange dem Lebewesen nicht von einer kim ācāraƒ kathaˆ caitāˆs
spirituellen Autorität geholfen wird, kann es nicht trīn guŠān ativartate
verstehen, in welcher Position es sich eigentlich befindet.
Durch das Zusammensein mit einem echten spirituellen arjunaƒ uvāca—Arjuna sagte; kaiƒ—durch welche;
Meister kann es seine wirkliche Stellung erkennen, und li‰gaiƒ—Symptome; trīn—drei; guŠān—Eigenschaften;
durch dieses Verständnis kann es in völligem etān-all diese; atītaƒ—überschreiten; bhavati—werden;
KŠa-Bewußtsein verankert werden. Ein KŠa-bewußter prabho—mein Herr; kim—welches; ācāraƒ—Verhalten;
Mensch steht nicht im Bann der materiellen katham—wie; ca—auch; etān—diese; trīn—drei; guŠān—
Erscheinungsweisen der Natur. Es wurde bereits im Siebten Eigenschaften; ativartate—transzendiert.
Kapitel erklärt, daß jemand, der sich KŠa ergeben hat,
von den Tätigkeiten der materiellen Natur befreit ist. ÜBERSETZUNG
281

Glück; svasthaƒ—in sich selbst verankert; sama—gleich;


Arjuna fragte: O mein lieber Herr, an welchen lo˜a—ein Klumpen Erde; aśma-Stein; kāñcanaƒ—Gold;
Symptomen erkennt man jemanden, der zu diesen tulya-gleichgesinnt; priya—lieb; apriyaƒ—unerwünscht;
Erscheinungsweisen in transzendentaler Stellung steht, dhīraƒ—stetig; tulya-gleich; nindā—in Schmähung;
wie verhält er sich, und wie transzendiert er die ātma-saˆstutiƒ—wenn er gelobt wird; māna—Ehre;
Erscheinungsweisen der Natur? apamānayoƒ—Schmach; tulyaƒ-gleich; tulyaƒ—gleich;
mitra—Freund; ari—Feind; paksayoƒ-parteiisch; sarva—
ERLÄUTERUNG alles; ārambhaƒ—Bemühen; parityāgī—Entsagender;
guŠa-atītaƒ—transzendental zu den materiellen
Arjunas Fragen in diesem Vers sind sehr aufschlußreich. Er Erscheinungsweisen der Natur; saƒ—er; ucyate—man sagt.
möchte wissen, welche Symptome ein Mensch zeigt, der
die materiellen Erscheinungsweisen bereits transzendiert ÜBERSETZUNG
hat. Er fragt zunächst nach den Merkmalen einer solchen
transzendentalen Person. Wie kann man erkennen, daß Der Segenspendende Herr sprach: Wer Erleuchtung,
jemand den Einfluß der Erscheinungsweisen der Anhaftung und Täuschung weder haßt, wenn sie
materiellen Natur bereits transzendiert hat? Als zweites gegenwärtig sind, noch nach ihnen verlangt, wenn sie
fragt er, wie ein solcher Mensch lebt und welchen verschwinden; wer dasitzt, als sei er unbeteiligt, weil er
Tätigkeiten er nachgeht. Sind diese reguliert oder sich jenseits der materiellen Reaktionen der
unreguliert? Dann fragt Arjuna nach den Mitteln, mit denen Erscheinungsweisen der Natur befindet; wer fest bleibt,
man die transzendentale Natur erreichen kann. Dies ist sehr da er weiß, daß allein die Erscheinungsweisen aktiv
wichtig, denn solange man nicht die direkten Mittel kennt, sind; wer Freude und Schmerz mit Gleichmut
mit deren Hilfe man immer in der Transzendenz verankert betrachtet und einen Erdklumpen, einen Stein und ein
sein kann, ist es nicht möglich, solche Merkmale zu zeigen. Golddück mit gleichen Augen sieht; wer weise ist und
All diese Fragen Arjunas sind also sehr wichtig und werden Ruhm und Schmach als gleich ansieht; wer in Ehre und
daher vom Herrn ausführlich beantwortet. Unehre unverändert bleibt; wer Freund und Feind
gleich behandelt und wer alle fruchtbringenden
VERS 22-25 Unternehmungen aufgegeben hat — von einem solchen
Menschen sagt man, er habe die Erscheinungsweisen
śrī bhagavān uvāca der Natur transzendiert.
prakāśaˆ ca pravttiˆ ca
moham eva ca pāŠava ERLÄUTERUNG
na dve˜i sampravttāni
na nivttāni kā‰kati Arjuna stellte drei Fragen, und der Herr beantwortet sie
eine nach der anderen. KŠa erklärt als erstes, daß ein in
udāsīnavad āsīno der Transzendenz verankerter Mensch niemanden beneidet
guŠair yo na vicālyate und nichts begehrt. Wenn ein Lebewesen in einen
guŠā vartanta ity evaˆ materiellen Körper eingeschlossen in der materiellen Welt
yo'vati˜hati ne‰gate bleibt, kann man davon ausgehen, daß es von einer der drei
Erscheinungsweisen der materiellen Natur beherrscht wird.
sama-duƒkha-sukhaƒ svasthaƒ Wenn es den materiellen Körper tatsächlich verlassen hat,
sama-lo˜āśma-kāñcanaƒ ist es nicht mehr in der Gewalt der materiellen
tulya-priyāpriyo dhīras Erscheinungsweisen der Natur. Solange es aber den Körper
tulya-nindātma-saˆstutiƒ nicht verlassen hat, sollte es unbeteiligt sein. Es sollte sich
im hingebungsvollen Dienst des Herrn betätigen, so daß es
mānāpamānayos tulyas seine Identifizierung mit dem materiellen Körper von selbst
tulyo mitrāri-pakayoƒ vergißt. Wenn man ein körperliches Bewußtsein hat,
sarvārambha-parityāgī handelt man nur, um die Sinne zu befriedigen, doch wenn
guŠātītaƒ sa ucyate man sein Bewußtsein auf KŠa lenkt, hört das Verlangen
nach Sinnenbefriedigung von allein auf. Man braucht den
śrī bhagavān uvāca-die Höchste Persönlichkeit Gottes materiellen Körper nicht, und man braucht auch nicht den
sprach; prakāśam ca—und Erleuchtung; pravttim ca—und Forderungen des materiellen Körpers nachzugeben. Die
Anhaftung; moham—IIlusion; eva ca—auch; pāŠava—o Eigenschaften der materiellen Erscheinungsweisen im
Sohn PāŠus; na dve˜i—haßt nicht; sampravttāni— Körper werden wirken, doch als spirituelle Seele ist das
obwohl entwickelt; na nivttāni—beendet auch nicht Selbst solchen Tätigkeiten fern. Wie kann es so losgelöst
Entwicklung; kā‰kati—wünscht; udāsīnavat-als ob werden? Es hat nicht mehr den Wunsch, den Körper zu ge-
unbeteiligt; āsīnaƒ—verankert; guŠaiƒ—durch die nießen; noch möchte es aus ihm herausgelangen. So in
Erscheinungsweisen; yaƒ—jemand, der; na—niemals; transzendentaler Stellung verankert, wird der Gottgeweihte
vicālyate—ist beunruhigt; guŠāƒ-die Erscheinungsweisen; von selbst frei. Er braucht nicht auf andere Weise zu
vartante—ist verankert; iti evam—so wissend; yaƒ— versuchen, vom Einfluß der Erscheinungsweisen der
jemand, der; avati˜hati—bleibt; na—niemals; i‰gate— materiellen Natur frei zu werden.
flackernd; sama—gleich; duƒkha—in Leid; sukhaƒ—in
282

Die nächste Frage betrifft das Verhalten einer in der Man sollte auch verstehen; daß alle Formen KŠas völlig
Transzendenz verankerten Person. Der Mensch mit transzendental, voll Glückseligkeit, voll Wissen und ewig
materiellem Bewußtsein ist von sogenannter Ehre und sind. Solche Persönlichkeiten Gottes sind allmächtig und
Schmach, die den Körper betreffen, berührt: doch der in der allwissend, und sie besitzen alle transzendentalen
Transzendenz verankerte Mensch ist weder von falscher Eigenschaften. Wenn man sich also mit unerschütterlicher
Ehre noch von falscher Schmach beeinflußt. Er erfüllt seine Entschlossenheit im Dienste KŠas oder Seiner
Pflichten im KŠa-Bewußtsein und kümmert sich nicht, ob vollständigen Erweiterungen beschäftigt, kann man diese
er geehrt oder beleidigt wird. Er nimmt Dinge an, die für Erscheinungsweisen der materiellen Natur, die sehr schwer
die Ausübung seiner Pflicht im KŠa-Bewußtsein nützlich zu überwinden sind, leicht überwinden. Dies wurde bereits
sind; ansonsten braucht er nichts Materielles — ganz im Siebten Kapitel erklärt. Wer sich KŠa ergibt,
gleich, ob es sich dabei um Steine oder Gold handelt. Er übersteigt sogleich den Einfluß der Erscheinungsweisen der
sieht in jedem einen guten Freund, der ihm hilft, im materiellen Natur. Im KŠa-Bewußtsein oder
KŠa-Bewußtsein zu handeln, und er haßt seinen soge- hingebungsvollen Dienst tätig zu sein bedeutet, auf die
nannten Feind nicht. Er ist jedem gleichgesinnt und sieht gleiche Ebene wie KŠa zu kommen. Der Herr sagt, daß
alles auf gleicher Ebene, denn er weiß sehr wohl, daß er Sein Wesen ewig, glückselig und voll Wissen ist, und die
nichts mit der materiellen Existenz zu tun hat. Soziale und Lebewesen sind winzige Bestandteile des Höchsten, ebenso
politische Probleme berühren ihn nicht, denn er kennt das wie Goldkörner Teile einer Goldmine sind.
Wesen zeitweiliger Umwälzungen und Störungen. Er Dementsprechend ist die spirituelle Stellung des
versucht nicht, etwas für sich selbst zu erlangen. Er kann Lebewesens qualitativ eins mit KŠa. Der Unterschied in
alles für KŠa versuchen, doch für sich selbst erstrebt er der Individualität besteht fort, denn sonst könnte von
nichts. Durch solches Verhalten wird man tatsächlich in der bhakti-yoga keine Rede sein. Bhakti-yoga bedeutet, daß es
Transzendenz verankert. den Herrn und den Gottgeweihten gibt und daß zwischen
dem Herrn und dem Gottgeweihten ein liebevoller
VERS 26 Austausch besteht. Deshalb sind sowohl die Höchste
Persönlichkeit Gottes als auch die individuelle Seele zwei
māˆ ca yo'vyabhicāreŠa verschiedene Individuen; andernfalls könnte es keinen
bhakti-yogena sevate bhakti-yoga geben. Solange man sich nicht in der gleichen
sa guŠān samatītyaitān transzendentalen Stellung wie der Herr befindet, kann man
brahma-bhūyāya kalpate Ihm nicht dienen. Um der persönliche Ratgeber eines
Königs zu sein, muß man sich qualifizieren. Qualifiziert zu
mām—Mir; ca—auch; yaƒ—Person; avyabhicāreŠa—ohne sein bedeutet Brahman zu werden, das heißt frei von jeder
Fehl; bhakti-yogena—durch hingebungsvollen Dienst; materiellen Verunreinigung. In der vedischen Literatur
sevate-dient; saƒ—er; guŠān—alle Erscheinungsweisen der heißt es: brahmaiva san brahmāpyeti. "Man kann das
materiellen Natur; samatītya—überschreitend; etān—all Höchste Brahman erreichen, wenn man selbst Brahman
diese; brahma-bhūyāya—auf die Brahman-Ebene erhoben; wird." Das bedeutet, daß man eigenschaftsmäßig mit dem
kalpate—wird angesehen. Brahman eins werden muß. Wenn man das Brahman
erreicht, verliert man jedoch nicht seine ewige
ÜBERSETZUNG Brahman-Identität als individuelle Seele.

Wer sich völlig in hingebungsvollem Dienst betätigt und VERS 27


unter keinen Umständen zu Fall kommt, transzendiert
augenblicklich die Erscheinungsweisen der materiellen brahmaŠo hi prati˜hāham
Natur und erreicht so die Ebene des Brahman. amtasyāvyayasya ca
śāśvatasya ca dharmasya
ERLÄUTERUNG sukhasyaikāntikasya ca

Dieser Vers ist die Antwort auf Arjunas dritte Frage: Was brahmaŠaƒ—des unpersönlichen brahmajyoti; hi—gewiß;
ist das Mittel, die transzendentale Stellung zu erreichen? prati˜hā—der Ruheort; aham—Ich bin; amtasya—des
Wie zuvor erklärt wurde, spielt sich das Geschehen in der unvergänglichen; avyayasya—unsterblichen; ca—auch;
materiellen Welt im Bann der Erscheinungsweisen der śāśvatasya—des ewigen; ca—und; dharmasya—der
materiellen Natur ab. Man sollte sich jedoch von den wesensgemäßen Position; sukhasya—Glück;
Tätigkeiten der Erscheinungsweisen der Natur nicht aikāntikasya—endgültigen; ca—auch.
verwirren lassen: anstatt sein Bewußtsein mit solchen
Tätigkeiten zu beschäftigen, sollte man sein Bewußtsein auf ÜBERSETZUNG
KŠa-bewußte Tätigkeiten übertragen. KŠa-bewußte
Tätigkeiten sind als bhakti-yoga bekannt — immer für Ich bin die Grundlage des unpersönlichen Brahman, das
KŠa zu handeln. Das bezieht sich nicht nur auf KŠa, die wesensgemäße Stellung endgültigen Glücks und das
sondern auch auf Seine verschiedenen vollständigen unsterblich, unvergänglich und ewig ist.
Erweiterungen wie Rāma und NārāyaŠa. Er hat unzählige
Erweiterungen. Wer sich im Dienste einer der Formen ERLÄUTERUNG
KŠas beschäftigt, gilt als in der Transzendenz verankert.
283

Das Brahman besteht aus Unsterblichkeit, Leidenschaft und Unwissenheit. Durch hingebungsvollen
Unvergänglichkeit, Ewigkeit und Glück. Das Brahman ist Dienst in völligem KŠa-Bewußtsein jedoch wird es au-
der Anfang transzendentaler Erkenntnis. Der Paramātmā, genblicklich auf der transzendentalen Ebene verankert, und
die Überseele, ist die mittlere, die zweite Stufe in der sein ungesetzliches Verlangen, die materielle Natur zu
transzendentalen Erkenntnis, und die Höchste beherrschen, vergeht. Deshalb sollte der Vorgang des
Persönlichkeit Gottes ist die endgültige Erkenntnis der hingebungsvollen Dienstes, der mit Hören, Chanten und
Absoluten Wahrheit. Daher sind sowohl der Paramātmā als Sicherinnern beginnt, in der Gemeinschaft von
auch das unpersönliche Brahman in der Höchsten Person Gottgeweihten praktiziert werden. Allmählich wird durch
enthalten. Im Siebten Kapitel wird erklärt, daß die mate- die Gemeinschaft von Gottgeweihten und durch den
rielle Natur die Manifestation der niederen Energie des Einfluß des spirituellen Meisters das materielle Verlangen
Höchsten Herrn ist. Der Herr befruchtet die niedere, zu herrschen beseitigt, und man wird fest im transzenden-
materielle Natur mit den Teilchen der höheren Natur — das talen liebevollen Dienst des Herrn verankert. Diese
ist der spirituelle Hauch in der materiellen Natur. Wenn ein Methode wird in diesem Kapitel vom zweiundzwanzigsten
durch die materielle Natur bedingtes Lebewesen spirituelles bis zum letzten Vers beschrieben. Hingebungsvoller Dienst
Wissen zu entwickeln beginnt, erhebt es sich über seine für den Herrn ist sehr einfach: Man sollte sich ständig im
Position in der materiellen Welt und steigt allmählich zur Dienst des Herrn beschäftigen; die Reste von Speisen essen,
Brahman-Auffassung vom Höchsten auf. Die die dem Herrn dargebracht wurden; die Blumen riechen,
Brahman-Auffassung vom Leben ist die erste Stufe der die den Lotosfüßen des Herrn geopfert wurden; die Orte
Selbstverwirklichung. Auf dieser Stufe ist der besuchen, an denen der Herr Seine transzendentalen Spiele
Brahman-verwirklichte Mensch transzendental zur offenbarte; von den verschiedenen Tätigkeiten des Herrn
materiellen Existenz, doch hat er noch nicht die und Seinem liebevollen Austausch mit Seinen Geweihten
Vollkommenheit der Brahman-Erkenntnis erreicht. Er kann lesen, immer die transzendentale Klangschwingung Hare
entweder auf der Ebene des Brahman bleiben oder von dort KŠa, Hare KŠa, KŠa KŠa, Hare Hare / Hare Rāma,
allmählich zur Erkenntnis des Paramātmā gelangen und Hare Rāma, Rāma Rāma, Hare Hare chanten und die
schließlich die Höchste Persönlichkeit Gottes erkennen. In Fasttage beachten, die an das Erscheinen und Fortgehen des
den vedischen Schriften gibt es hierfür viele Beispiele. Die Herrn und Seiner Geweihten erinnern. Wenn man diesem
vier Kumāras waren zunächst in der unpersönlichen Vorgang folgt, löst man sich allmählich von allen
Brahman-Auffassung von der Wahrheit verankert, doch materiellen Tätigkeiten. Wer sich auf diese Weise im
dann stiegen sie allmählich zur Ebene hingebungsvollen brahmajyoti verankern kann, ist der Höchsten
Dienstes auf. Wer über die unpersönliche Persönlichkeit Gottes eigenschaftsmäßig gleichgestellt.
Brahman-Auffassung nicht hinausgelangen kann, läuft
Gefahr, wieder herunterzufallen. Im Śrīmad-Bhāgavatam Hiermit enden die Bhaktivedanta-Erläuterungen zum
heißt es: Selbst wenn jemand bis zur Stufe des un- Vierzehnten Kapitel der Śrīmad-Bhagavad-gītā mit dem
persönlichen Brahman aufsteigt, ist seine Intelligenz immer Titel: „Die drei Erscheinungsweisen der materiellen
noch nicht völlig klar, solange er nicht fortschreitet und die Natur".
Höchste Person erkennt. Daher besteht, obwohl man zur
Brahman-Ebene emporgestiegen sein mag, immer die
Möglichkeit, wieder herunterzufallen, wenn man nicht im
hingebungsvollen Dienst des Herrn beschäftigt ist. In der
vedischen Sprache heißt es auch: raso vai saƒ; rasaˆ hy
evāyaˆ labdhvānandī bhavati. "Wenn man die
Persönlichkeit Gottes, das Behältnis aller Freude, KŠa,
versteht, erlangt man tatsächlich transzendentale
Glückseligkeit." Der Höchste Herr ist von sechs
Reichtümern erfüllt, und wenn sich der Gottgeweibte Ihm
zuwendet, findet ein Austausch dieser sechs Reichtümer
statt. Der Diener des Königs genießt fast auf der gleichen
Ebene wie der König. Hingebungsvoller Dienst wird daher
von ewiger Freude, unvergänglicher Glückseligkeit und
ewigem Leben begleitet. Folglich ist die Erkenntnis des
Brahman oder der Ewigkeit oder der Unvergänglichkeit im
hingebungsvollen Dienst enthalten. Jemand, der im hinge-
bungsvollen Dienst tätig ist, besitzt bereits all diese
Eigenschaften.
Das Lebewesen, obwohl von Natur aus Brahman, hat den
Wunsch, über die materielle Welt zu herrschen, und
deshalb fällt es. In seiner wesensgemäßen Stellung steht ein
Lebewesen über den drei Erscheinungsweisen der
materiellen Natur, doch die Gemeinschaft mit der
materiellen Energie verstrickt es in die verschiedenen Er-
scheinungsweisen der materiellen Natur, Tugend,
284

FÜNFZEHNTES KAPITEL Der Vorgang, die Anhaftung an die materielle Welt zu


brechen, wird zu Beginn dieses Kapitels erörtert. Die
Wurzel der materiellen Existenz wächst nach oben. Das
Der yoga der Höchsten Person bedeutet, daß sie von der gesamten materiellen Substanz
ausgeht, vom höchsten Planeten des Universums. Von dort
VERS 1 aus erweitert sich das gesamte Universum in so viele Äste,
die die verschiedenen Planetensysteme repräsentieren. Die
śrī bhagavān uvāca Früchte werden mit den Ergebnissen der Tätigkeiten der
ūrdhva-mūlam adhaƒ-śākham Lebewesen, nämlich Religion, wirtschaftliche Entwicklung,
aśvatthaˆ prāhur avyayam Sinnenbefriedigung und Befreiung verglichen.
chandāˆsi yasya parŠāni Nun, in dieser Welt kennen wir keinen Baum, dessen Äste
yas taˆ veda sa veda-vit nach unten und dessen Wurzeln nach oben zeigen, aber es
gibt so etwas. Diesen Baum kann man an einem See finden.
śrī bhagavān uvāca—die Höchste Persönlichkeit Gottes Wir können sehen, daß sich die Bäume am Ufer mit nach
sprach; ūrdhva-mūlam—mit den Wurzeln nach oben; unten gekehrten Ästen und nach oben gerichteten Wurzeln
adhaƒ—nach unten; śākham—Zweige; aśvattham— im Wasser spiegeln. Mit anderen Worten: Der Baum der
Banyanbaum; prāhuƒ—man sagt; avyayam—ewig; materiellen Welt ist nur eine Spiegelung des wirklichen
chandāˆsi—vedische Hymnen; yasya—von welchem; Baumes der spirituellen Welt. Diese Spiegelung der
parŠāni—die Blätter; yaƒ-jeder; tam—diesen; veda—kennt; spirituellen Welt beruht auf dem Wunsch, geradeso wie die
saƒ—er; veda-vit—der Kenner der Veden. Spiegelung des Baumes am Ufer auf dem Wasser ruht.
Wünsche sind die Ursache dafür, daß sich die Dinge im
ÜBERSETZUNG reflektierten materiellen Licht befinden. Wer vom
materiellen Dasein befreit werden will, muß den Baum der
Der Segenspendende Herr sprach: Es gibt einen materiellen Welt durch ein gründliches analytisches
Banyanbaum, dessen Wurzeln nach oben und dessen Studium kennenlernen. Dann kann er seine Verbindung mit
Zweige nach unten gerichtet sind und dessen Blätter die ihm durchtrennen.
vedischen Hymnen sind. Wer diesen Baum kennt, ist der Weil dieser Baum eine Spiegelung des wirklichen Baumes
Kenner der Veden. ist, ist er sein genaues Ebenbild. Alles ist in der spirituellen
Welt vorhanden. Die Unpersönlichkeitsanhänger halten
ERLÄUTERUNG Brahmā für die Wurzel dieses materiellen Baumes, und
nach den Lehren der sā‰khya-Philosophie entspringen
Nachdem die Wichtigkeit von bhakti-yoga erörtert worden dieser Wurzel prakti, purua, die drei guŠas, die fünf
ist, mag man sich fragen: "Wie steht es mit den Veden?" In groben Elemente (pañca-mahābhūta), die zehn Sinne
diesem Kapitel wird erklärt, daß es das Ziel des vedischen (daśendriya), der Verstand usw. Auf diese Weise
Studiums ist, KŠa zu verstehen. Wer daher im unterteilen sie die gesamte materielle Welt. Wenn Brahmā
KŠa-Bewußtsein verankert ist, das heißt, wer im das Zentrum aller Manifestationen ist, dann ist die
hingebungsvollen Dienst tätig ist, kennt die Veden bereits. materielle Welt eine um 180 Grad um das Zentrum
Die Verstrickung der materiellen Welt wird hier mit einem gedrehte Manifestation, und die anderen 180 Grad bilden
Banyanbaum verglichen. Für jemand, der fruchtbringenden die spirituelle Welt. Die materielle Welt ist eine verzerrte
Tätigkeiten nachgeht, breitet sich der Banyanbaum ins Spiegelung, und daher muß es in der spirituellen Welt die
Endlose aus. Er wandert von einem Zweig zum anderen, gleiche Mannigfaltigkeit geben, doch ist sie dort
von dort zum nächsten, dann wieder zu einem anderen. Der Wirklichkeit. Die prakti ist die äußere Energie des
Baum dieser materiellen Welt hat kein, Ende, und für Höchsten Herrn, und der purua ist der Höchste Herr
jemand, der an diesen Baum angehaftet ist, gibt es keine Selbst. Das wird in der Bhagavad-gītā erklärt. Weil die
Möglichkeit, befreit zu werden. Die vedischen Hymnen, die Manifestation des Universums materiell ist, ist sie
dafür bestimmt sind, uns zu erheben, werden mit den zeitweilig. Eine Spiegelung ist zeitweilig, denn sie ist
Blättern dieses Baumes verglichen. Die Wurzeln des manchmal sichtbar und manchmal nicht zu sehen. Der Ur-
Baumes wachsen nach oben, weil sie vom höchsten sprung jedoch, der gespiegelt wird, ist ewig. Man muß sich
Planeten des Universums, wo sich Brahmā aufhält, von der materiellen Spiegelung des wirklichen Baumes
ausgehen. Wenn man diesen unzerstörbaren Baum der lösen. Wenn es heißt, daß jemand die Veden kennt, so
Illusion versteht, kann man von ihm befreit werden. nimmt man an, daß er weiß, wie man sich von der
Dieser Vorgang der Befreiung sollte verstanden werden. In Anhaftung an die materielle Welt befreit. Wenn jemand mit
den vorangegangenen Kapiteln ist erklärt worden, daß es diesem Vorgang vertraut ist, kennt er die Veden tatsächlich.
viele Vorgänge gibt, durch die man aus der materiellen Wer sich zu den Ritualen der Veden hingezogen fühlt, ist
Verstrickung herausgelangen kann, und bis zum von den schönen grünen Blättern des Baumes angezogen.
Dreizehnten Kapitel haben wir gesehen, daß Er kennt das Ziel der Veden nicht genau. Das Ziel der
hingebungsvoller Dienst für den Höchsten Herrn der beste Veden, wie es von der Persönlichkeit Gottes Selbst erklärt
Weg ist. Das Grundprinzip für den hingebungsvollen wird, besteht darin, diesen gespiegelten Baum zu fällen und
Dienst ist die Loslösung von materiellen Tätigkeiten und den wirklichen Baum der spirituellen Welt zu erreichen.
die Anhaftung an den transzendentalen Dienst des Herrn.
VERS 2
285

auf die Erde zurück und erneuert sein karma, das heißt,
adhaś cordhvaˆ prastās tasya śākhā man geht wieder fruchtbringenden Tätigkeiten nach, um
guŠa-pravddhā viaya-pravālāƒ erneut erhoben zu werden. Dieser Planet der Menschen gilt
adhaś ca mūlāny anusantatāni als das Feld der Tätigkeiten.
karmānubandhīni manuya-loke
VERS 3-4
adhaƒ—nach unten; ca—und; ūrdhvam—nach oben;
prastāƒ—ausgebreitet; tasya-seine; śākhāƒ—Äste; guŠa— na rūpam asyeha tathopalabhyate
Erscheinungsweisen der materiellen Natur; pravddhāƒ— nānto na cādir na ca samprati˜hā
entwickelt; viaya—Sinnesobjekte; pravālāƒ—Zweige; aśvattham enaˆ suvirūha-mūlam
adhaƒ—nach unten; ca—und; mūlāni—Wurzeln; asa‰ga-śastreŠa dhena chittvā
anusantatāni—ausgebreitet; karma—der Arbeit gemäß;
anubandhīni—gebunden; manuya-loke—in der Welt der tataƒ padaˆ tat parimārgitavyaˆ
menschlichen Gesellschaft. yasmin gatā na nivartanti bhūyaƒ
tam eva cādyaˆ puruaˆ prapadye
ÜBERSETZUNG yataƒ pravttiƒ prastā purāŠī

Die Äste dieses Baumes, die von den drei na—nicht; rūpam—Form; asya—dieses Baumes; iha—in
Erscheinungsweisen der materiellen Natur genährt dieser; tathā—auch; upalabhyate—kann wahrgenommen
werden, breiten sich nach oben und nach unten aus. Die werden; na—niemals; antaƒ—Ende; na—niemals; ca—
Zweige sind die Objekte der Sinne. Dieser Baum hat auch; ādiƒ—Anfang; na—niemals; ca—auch;
auch Wurzeln, die nach unten reichen und an die samprati˜hā—die Grundlage; aśvattham—Banyanbaum;
fruchtbringenden Tätigkeiten der menschlichen enam—dieser; suvirūha—stark; mūlam—verwurzelt;
Gesellschaft gebunden sind. asa‰ga-śastreŠa—mit der Waffe der Loslösung; dhena—
stark; chittvā—durch Schneiden; tataƒ—danach; padam—
ERLÄUTERUNG Situation; tat—diese; parimārgitavyam—muß
herausgesucht werden; yasmin—wohin; gatāƒ—gehend;
In diesem Vers wird die Beschreibung des Banyanbaumes na—niemals; nivartanti—kommt zurück; bhūyaƒ—wieder;
fortgesetzt. Seine Äste breiten sich in alle Richtungen aus, tam—zu ihm; eva—gewiß; ca—auch; ādyam—
und in seinen unteren Bereichen existieren wechselvolle ursprünglich; puruam—die Persönlichkeit Gottes;
Arten des Lebens wie Menschen, wilde Tiere, Pferde, prapadye—sich ergeben; yataƒ—von der; pravttiƒ—
Kühe, Hunde, Katzen usw. Sie leben auf den unteren Ästen, Anfang; prastā—Ausweitung; purāŠī—sehr alt.
während im oberen Bereich höhere Lebensformen wie
Halbgötter, Gandharvas (Märchengestalten) und viele ÜBERSETZUNG
andere mehr existieren. Wie ein Baum vom Wasser genährt
wird, so wird dieser Baum von den drei Die wirkliche Form dieses Baumes kann nicht in dieser
Erscheinungsweisen der materiellen Natur genährt. Welt wahrgenommen werden. Niemand kann verstehen,
Manchmal kommt es vor, daß ein Gebiet unfruchtbar ist, wo er endet, wo er beginnt und wo sein Ursprung liegt.
weil es dort an Wasser mangelt, und bisweilen ist ein Doch mit Entschlossenheit muß man diesen Baum mit
Landstrich sehr grün. In ähnlicher Weise sind dort, wo die der Waffe der Loslösung fällen und den Ort suchen, von
Erscheinungsweisen der materiellen Natur in einer dem man, wenn man ihn einmal erreicht hat, nie wieder
verhältnismäßig größeren Anzahl auftreten, die verschie- zurückkehrt. Dort muß man sich dem Herrn, der
denen Arten des Lebens in diesem Verhältnis manifestiert. Höchsten Persönlichkeit Gottes, ergeben, von dem alles
Die Zweige des Baumes werden mit den Sinnesobjekten begonnen hat und in dem alles seit unvordenklicher Zeit
verglichen. Indem wir verschiedene Erscheinungsweisen ruht.
der Natur entwickeln, entwickeln wir verschiedene Sinne,
mit denen wir die Vielfalt der Sinnesobjekte genießen. Als ERLÄUTERUNG
Ursprung der Sinnesorgane, Ohren, Nase, Augen usw.,
gelten die oberen Zweige, die auf den Genuß verschiedener Hier wird nun klar gesagt, daß die wirkliche Form des
Sinnesobjekte abgestimmt sind. Die Sinnesobjekte, wie Banyanbaumes nicht in der materiellen Welt erkannt
Klang, Form, Geschmack usw., sind die Blätter. Die werden kann. Weil die Wurzel nach oben zeigt, breitet sich
Nebenwurzeln sind die Nebenprodukte in Form der wirkliche Baum in die entgegengesetzte Richtung aus.
verschiedener Leiden und Sinnengenüsse. So entwickeln Weder kann man sehen, wie weit sich der Baum erstreckt,
wir Anhaftung und Ablehnung. Die Neigungen zu noch kann jemand den Anfang dieses Baumes erkennen.
Frömmigkeit und Gottlosigkeit werden als die Trotzdem muß man die Ursache herausfinden. "Ich bin der
zweitrangigen Wurzeln angesehen, die sich in alle Sohn meines Vaters, mein Vater ist der Sohn seines Vaters
Richtungen ausbreiten. Die Hauptwurzel geht von usw.“ Wenn man auf diese Weise forscht, kommt man zu
Brahmaloka aus, während die Nebenwurzeln in den Brahmā, der von Garbhodakaśāyī ViŠu geschaffen wurde.
verschiedenen Planetensystemen der Menschen gründen. Wenn man schließlich zur Höchsten Persönlichkeit Gottes
Nachdem man die Ergebnisse tugendhafter Werke in den gelangt, hat man das Ziel seiner Suche erreicht. Man muß
oberen Planetensystemen genossen hat, kehrt man wieder den Ursprung dieses Baumes, die Höchste Persönlichkeit
286

Gottes, mit Hilfe der Gemeinschaft von Menschen suchen, In diesem Vers wird der Vorgang der Hingabe sehr schön
die diese Höchste Persönlichkeit Gottes schon kennen. erklärt. Die erste Qualifikation besteht darin, nicht von
Durch solches Verständnis kann man sich allmählich von Stolz getäuscht zu sein. Weil die bedingte Seele eingebildet
der falschen Spiegelung der Realität lösen, und durch ist und sich für den Herrn der materiellen Natur hält, fällt es
Wissen kann man die Verbindung durchtrennen und im ihr sehr schwer, sich der Höchsten Persönlichkeit Gottes zu
wirklichen Baum verankert werden. ergeben. Man sollte durch die Kultivierung wirklichen
Das Wort asa‰ga ist in diesem Zusammenhang sehr Wissens verstehen, daß man nicht der Herr der materiellen
wichtig, denn die Anhaftung an Sinnengenuß und das Natur ist — die Höchste Persönlichkeit Gottes ist der Herr.
Verlangen, die materielle Natur zu beherrschen, sind sehr Wenn man von dieser durch Stolz entstandenen Täuschung
stark. Deshalb muß man lernen, sich von diesen Fesseln zu befreit ist, kann man mit dem Vorgang der Hingabe
lösen, indem man die spirituelle Wissenschaft erörtert, die beginnen. Einem Menschen, der fortwährend Ehre in der
auf den autoritativen Schriften beruht, und von Menschen materiellen Welt erwartet, ist es nicht möglich, sich der
hört, die tatsächlich über Wissen verfügen. Als Ergebnis Höchsten Person zu ergeben. Stolz entsteht aufgrund von
solcher Gespräche in der Gemeinschaft von Gottgeweihten Illusion, denn obwohl man hierherkommt, für kurze Zeit
gelangt man zur Höchsten Persönlichkeit Gottes. Das erste, bleibt und dann wieder geht, glaubt man in seiner
was man dann zu tun hat, ist, sich dem Höchsten Herrn zu Verblendung, man sei der Herr der Welt. So macht man
ergeben. Hier wird die Beschreibung desjenigen Ortes alles sehr kompliziert und befindet sich ständig in
gegeben, von dem man, wenn man ihn einmal erreicht hat, Schwierigkeiten. Die ganze Welt bewegt sich unter diesem
nicht wieder zu dem falschen, gespiegelten Baum Eindruck. Die Menschen glauben, das Land, die Erde,
zurückkehren muß. Die Höchste Persönlichkeit Gottes, gehöre der menschlichen Gesellschaft, und unter dem
KŠa, ist die ursprüngliche Wurzel, von der alles ausgeht. falschen Eindruck, sie seien die Eigentümer, haben sie das
Um das Wohlwollen dieser Persönlichkeit Gottes zu Land aufgeteilt. Man muß sich von dieser falschen
erlangen, braucht man sich nur zu ergeben, und diese Vorstellung lösen, die menschliche Gesellschaft sei der
Hingabe ist das Ergebnis hingebungsvollen Dienstes, der Besitzer der Welt. Wenn man von solch einer falschen
aus Hören, Chanten usw. besteht. Der Herr ist die Ursache Annahme befreit ist, wird man auch von aller falschen
der Ausdehnung dieser materiellen Welt. Dies wurde Gemeinschaft frei, die durch familiäre, soziale und
bereits vom Herrn persönlich erklärt: ahaˆ sarvasya nationale Gefühle der Zuneigung bedingt ist. Diese falsche
prabhavaƒ "Ich bin der Ursprung allen Seins." Um daher Gemeinschaft bindet einen an die materielle Welt.
der Verstrickung in den starken Banyanbaum des Nachdem man diese Stufe erreicht hat, muß man
materiellen Lebens zu entkommen, muß man sich KŠa spirituelles Wissen entwickeln, das heißt, man muß lernen,
ergeben. Sobald man sich KŠa ergibt, löst man sich von was man sein eigen nennen darf und was nicht. Wenn man
selbst von der materiellen Welt. die Dinge so versteht, wie sie sind, wird man von allen
dualistischen Vorstellungen, wie Glück und Leid, Freude
VERS 5 und Schmerz usw., frei. So von Wissen erfüllt, ist es einem
möglich, sich der Höchsten Persönlichkeit Gottes zu
nirmāna-mohā jita-sa‰ga-doā ergeben.
adhyātma-nityā vinivtta-kāmāƒ
dvandvair vimuktāƒ sukha-duƒkha-saˆjñair VERS 6
gacchanty amūhāƒ padam avyayaˆ tat
na tad bhāsayate sūryo
nir—ohne; māna—Achtung; mohāƒ—Illusion; jita— na śaśā‰ko na pāvakaƒ
bezwungen; sa‰ga—Umgang; doāƒ—fehlerhaft; yad gatvā na nivartante
adhyātma-spirituelle; nityāƒ—Ewigkeit; vinivtta— tad dhāma paramaˆ mama
verbunden; kāmāƒ—Lüste; dvandvaiƒ—mit Dualität;
vimuktāƒ—befreit; sukha-duƒkha-Glück und Leid; na-nicht; tat—dieses; bhāsayate—erleuchtet; sūryaƒ—
saˆjñaiƒ—mit Namen; gacchanti—erreicht; amūhāƒ— Sonne; na—noch; śaśā‰kaƒ—der Mond; na—noch;
nicht verwirrt; padam—Situation; avyayam—ewig; tat— pāvakaƒ—Feuer oder Elektrizität; yat—wohin; gatvā—
diese. gehend; na—niemals; nivartante—kommt zurück; tat
dhāma—dieses Reich; paramam—von höchster Natur;
ÜBERSETZUNG mama—Mein.

Wer von Illusion, falschem Prestige und falscher ÜBERSETZUNG


Gemeinschaft frei ist, wer das Ewige versteht, die
materielle Lust hinter sich gelassen hat und von der Dieses Mein Reich wird weder von der Sonne noch vom
Dualität von Glück und Leid befreit ist und wer weiß, Mond, noch von Elektrizität erleuchtet. Wer es erreicht,
wie man sich der Höchsten Person ergibt, erreicht dieses kehrt nie wieder in die materielle Welt zurück.
ewige Königreich.
ERLÄUTERUNG
ERLÄUTERUNG
Hier wird die spirituelle Welt, das Reich der Höchsten
Persönlichkeit Gottes, KŠa, beschrieben, das als
287

KŠaloka oder Goloka Vndāvana bekannt ist. Im spiri-


tuellen Himmel sind weder Sonne noch Mond, noch Feuer, mamaivāˆśo jīva-loke
noch Elektrizität notwendig, denn alle Planeten leuchten jīva-bhūtaƒ sanātanaƒ
aus sich selbst heraus. In dem uns bekannten Universum manaƒ a˜hānīndriyvāŠi
gibt es nur einen Planeten, die Sonne, der aus sich selbst prakti-sthāni karati
heraus leuchtet, doch im spirituellen Himmel sind alle
Planeten selbstleuchtend. Die leuchtende Ausstrahlung all mama—Meine; eva—gewiß; aˆśaƒ—fragmentarischen
dieser Planeten, die man VaikuŠ˜has nennt, bildet den Teilchen; jīva-loke—Welt bedingten Lebens; jīva-bhūtaƒ—
leuchtenden Himmel, der als brahmajyoti bekannt ist. die bedingten Lebewesen; sanātanaƒ—ewig; manaƒ—
Eigentlich geht diese Ausstrahlung von dem Planeten Geist; a˜hāni—sechs; indriyāŠi—Sinne; prakti—
KŠas, Goloka Vndāvana, aus. Ein Teil dieser materielle Natur; sthāni—befindlich; karati—schwer
leuchtenden Ausstrahlung ist vom mahat-tattva, der kämpfend.
materiellen Welt, bedeckt, doch der größte Teil dieses
leuchtenden Himmels ist mit spirituellen Planeten übersät, ÜBERSETZUNG
die VaikuŠ˜has genannt werden, von denen Goloka
Vndāvana der höchste ist. Die Lebewesen in dieser bedingten Welt sind Meine
Solange sich ein Lebewesen in der dunklen materiellen ewigen fragmentarischen Teile. Weil sie ein bedingtes
Welt aufhält, führt es ein bedingtes Leben; doch sobald es Leben führen, kämpfen sie sehr schwer mit den sechs
den spirituellen Himmel erreicht, indem es den falschen, Sinnen, zu denen auch der Geist gehört.
verzerrten Baum der materiellen Welt fällt, wird es befreit
und muß nie wieder in diese Welt zurückkehren. Im ERLÄUTERUNG
bedingten Leben hält sich das Lebewesen für den Herrn der
materiellen Welt, doch in seinem befreiten Zustand tritt es In diesem Vers wird die Identität des Lebewesens eindeutig
in das spirituelle Königreich ein und wird der Gefährte des definiert. Das Lebewesen ist ein fragmentarisches Teilchen
Höchsten Herrn. Dort genießt es ewige Glückseligkeit, des Höchsten Herrn — ewiglich. Es ist nicht so, daß es in
ewiges Leben und vollkommenes Wissen. seinem bedingten Leben Individualität annimmt und in
Von dieser Information sollte man begeistert sein. Man seinem befreiten Zustand mit dem Höchsten Herrn eins
sollte den Wunsch haben, sich zu dieser ewigen Welt zu wird. Es ist ewig ein winziger Teil. Hier steht eindeutig:
erheben und sich von dieser falschen Spiegelung der sanātanaƒ. Der vedischen Darstellung gemäß manifestiert
Wirklichkeit zu befreien. Für einen Menschen, der zu sehr und erweitert Sich der Höchste Herr in unzählige
an der materiellen Welt hängt, ist es sehr schwer, diese Erweiterungen, von denen die Haupterweiterungen als
Anhaftung zu durchtrennen; doch wenn man sich dem ViŠu-tattva und die zweitrangigen als Lebewesen
KŠa-Bewußtsein zuwendet, ist es möglich, allmählich frei bezeichnet werden. Mit anderen Worten: Das ViŠu-tattva
zu werden. Man muß sich den Gottgeweihten anschließen, ist die persönliche Erweiterung, und die Lebewesen sind
das heißt Menschen, die KŠa-bewußt sind. Man sollte abgesonderte Erweiterungen. Durch Seine persönlichen
eine Gemeinschaft ausfindig machen, die sich dem KŠa-- Erweiterungen ist der Herr in verschiedenen Formen
Bewußtsein widmet, und lernen, wie man hingebungsvollen manifestiert wie Rāma, Nsiˆhadeva, ViŠumūrti und all
Dienst ausführen kann. Auf diese Weise kann man seine den herrschenden Gottheiten auf den VaikuŠ˜ha-Planeten.
Anhaftung an die materielle Welt aufgeben. Man kann sich Die abgesonderten Erweiterungen, die Lebewesen, sind
von der Anziehung an die materielle Welt nicht lösen, ewig Diener. Die persönlichen Erweiterungen der Höchsten
indem man sich nur in ein safranfarbenes Tuch kleidet. Persönlichkeit Gottes, die individuellen Identitäten Gottes,
Man muß vom hingebungsvollen Dienst des Herrn sind immer da. In ähnlicher Weise haben die abgesonderten
angezogen sein. Deshalb sollte man es sehr ernst nehmen, Erweiterungen, die Lebewesen, ihre Identitäten. Als
daß hingebungsvoller Dienst, wie er im Zwölften Kapitel fragmentarische Teile des Höchsten Herrn haben die
beschrieben wird, der einzige Weg ist, der falschen Lebewesen auch fragmentarische Eigenschaften, von denen
Repräsentation des wirklichen Baumes zu entkommen. Das Unabhängigkeit eine ist. Jedes Lebewesen hat eine
Vierzehnte Kapitel beschreibt, wie die verschiedenen individuelle Seele, seine persönliche Individualitat und eine
Vorgänge der Selbsterkenntnis durch die materielle Natur winzige Unabhängigkeit. Durch den Mißbrauch dieser
verunreinigt sind. Nur hingebungsvoller Dienst wird als Unabhängigkeit wird es zu einer bedingten Seele, und wenn
völlig transzendental beschrieben. es diese Unabhängigkeit richtig gebraucht, ist es eine ewig
Die Worte paramaˆ mama sind hier sehr wichtig. Im befreite Seele. In jedem Fall aber ist das Lebewesen, wie
Grunde ist alles Existierende das Eigentum des Höchsten der Höchste Herr, seiner Eigenschaft nach ewig. Im
Herrn, aber die spirituelle Welt ist paramam oder von sechs befreiten Zustand ist es von der materiellen Bedingtheit frei
Reichtümern erfüllt. In den Upaniaden wird ebenfalls und beschäftigt sich im transzendentalen Dienst des Herrn.
bestätigt, daß in der spirituellen Welt weder Sonnen- noch In seinem bedingten Leben wird es von den materiellen
Mondschein notwendig sind, da der gesamte spirituelle Erscheinungsweisen der Natur beherrscht und vergißt den
Himmel durch die innere Energie des Höchsten Herrn transzendentalen liebevollen Dienst für den Herrn. Folglich
erleuchtet wird. Dieses höchste Reich kann nur durch muß es sehr schwer kämpfen, um in der materiellen Welt
Hingabe, und kein anderes Mittel, erreicht werden. zu überleben. Die Lebewesen, nicht nur die Menschen und
die Katzen und Hunde, selbst die größeren Herrscher der
VERS 7 materiellen Welt, wie Brahmā, Śiva und sogar ViŠu, sind
288

alle Teile des Höchsten Herrn. Sie sind alle ewige, nicht Bestandteil des Höchsten Herrn, eigenschaftsmäßig mit
zeitweilige Manifestationen. Das Wort karati (schwer Ihm eins ist, genau wie Goldstücke auch Gold sind.
kämpfen oder ringen) ist von großer Bedeutung. Die be-
dingte Seele ist gebunden, als ob sie in eisernen Ketten VERS 8
läge. Sie ist durch das falsche Ego gefesselt, und der Geist
ist die Hauptkraft, die sie im materiellen Dasein vorantreibt. śarīraˆ yad avāpnoti
Wenn sich der Geist in der Erscheinungsweise der Tugend yac cāpy utkrāmatīśvaraƒ
befindet, sind die Tätigkeiten der bedingten Seele ghītvaitāni saˆyāti
vorteilhaft; wenn sich der Geist in der Erscheinungsweise vāyur gandhān ivāśayāt
der Leidenschaft befindet, sind alle Tätigkeiten
leidbringend, und wenn sich der Geist in der śarīram—Körper; yat-so viel wie; avāpnoti—bekommt;
Erscheinungsweise der Unwissenheit befindet, fällt das yat—das, was; ca—auch; api—wirklich; utkrāmati—gibt
Lebewesen in die niederen Arten des Lebens zurück. In auf; īśvaraƒ—der Herr des Körpers; ghītvā—nehmend;
diesem Vers wird gesagt, daß die bedingte Seele vom etāni-all diese; saˆyāti—geht fort; vāyuƒ—Luft;
materiellen Körper, das heißt vom Geist und den Sinnen, gandhān—Duft; iva—wie; āśayāt—von der Blume.
bedeckt ist. Wenn sie befreit ist, verschwindet diese
materielle Bedeckung, und der spirituelle Körper ÜBERSETZUNG
manifestiert sich gemäß seiner individuellen Eigenart. In
der Mādhyandināyana-śruti finden wir folgende Auskunft: Das Lebewesen in der materiellen Welt trägt seine
verschiedenen Lebensauffassungen von einem Körper
sa vā ea brahma-ni˜ha idaˆ śarīraˆ zum anderen, wie der Wind Düfte mit sich trägt.
marttyam atisjya brahmābhisampadya
brahmaŠā paśyati brahmaŠā śŠoti ERLÄUTERUNG
brahmaŠaivedaˆ sarvam anubhavati
Hier wird das Lebewesen als īśvara oder der Beherrscher
Hier wird erklärt, daß ein Lebewesen seinen spirituellen seines Körpers beschrieben. Wenn es möchte, kann es
Körper wiederbelebt, wenn es die materielle Verkörperung seinen Körper wechseln und einen Körper auf einer
verläßt und in die spirituelle Welt eintritt, und in seinem höheren Ebene annehmen, oder es kann, wenn es will, eine
spirituellen Körper kann es der Höchsten Persönlichkeit niedere Lebensform annehmen. Es besitzt eine winzige
Gottes von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen; es Unabhängigkeit. Der Wechsel, den sein Körper
kann Ihr zuhören, mit Ihr sprechen, und es kann die durchmacht, hängt vom Lebewesen ab. Zum Zeitpunkt des
Höchste Persönlichkeit so verstehen, wie Sie wirklich ist. Todes wird es von dem Bewußtsein, das es entwickelt hat,
Auch aus der smti können wir erfahren, daß alle zum nächsten Körper getragen. Wenn es das Bewußtsein
Lebewesen auf den spirituellen Planeten in Körpern leben, einer Katze oder das eines Hundes entwickelt hat, wird es
die dem der Höchsten Persönlichkeit Gottes gleichen. mit Sicherheit den Körper einer Katze oder den eines
Hinsichtlich des Körperbaus besteht zwischen den Hundes annehmen müssen. Wenn es sein Bewußtsein auf
Lebewesen, den winzigen Bestandteilen, und den göttliche Eigenschaften gerichtet hat, wird es in die Form
ViŠumūrti-Erweiterungen kein Unterschied. Mit anderen eines Halbgottes überwechseln. Und wenn das Lebewesen
Worten: Bei der Befreiung bekommt das Lebewesen durch KŠa-bewußt ist, wird es nach KŠaloka, in die spirituelle
die Gnade der Höchsten Persönlichkeit Gottes einen Welt, gebracht werden und dort mit KŠa zusammensein.
spirituellen Körper. Die Behauptung, nach der Vernichtung des Körpers sei
Das Wort mamaivāˆśaƒ (fragmentarischer Bestandteil des alles zu Ende, ist falsch. Die individuelle Seele wandert von
Höchsten Herrn) ist ebenfalls sehr bedeutsam. Der einem Körper zum anderen, und ihr gegenwärtiger Körper
fragmentarische Teil des Höchsten Herrn ist nicht mit und ihre gegenwärtigen Tätigkeiten sind der Hintergrund
einem materiellen fehlerhaften Teil vergleichbar. Wir ihres nächsten Körpers. Je nach seinem karma bekommt
haben schon im Zweiten Kapitel verstanden, daß die man einen anderen Körper, und das Gesetz des karma
spirituelle Seele nicht in Stücke geschnitten werden kann. bestimmt auch, wann man diesen Körper wieder verlassen
Dieses Fragment kann nicht mit materiellen Begriffen muß. Es heißt hier, daß der feinstoffliche Körper, der die
definiert werden. Es ist nicht wie Materie, die in Stücke Vorstellung vom nächsten Körper mit sich trägt, einen
geschnitten und wieder zusammengesetzt werden kann. anderen Körper im nächsten Leben entwickelt. Dieser
Diese Auffassung ist hier nicht anwendbar, denn es wird Vorgang, von einem Körper zum anderen zu wandern und
das Sanskritwort sanātana gebraucht. Der fragmentarische zu kämpfen, während man sich in einem Körper befindet,
Teil ist ewig. Zu Beginn des Zweiten Kapitels wird auch wird karati oder Kampf ums Dasein genannt.
gesagt (dehino 'smin yathā), daß in jedem individuellen
Körper der fragmentarische Teil des Höchsten Herrn VERS 9
anwesend ist. Wenn dieser fragmentarische Teil aus der
körperlichen Verstrickung befreit ist, erweckt er seinen śrotraˆ cakuƒ sparśanaˆ ca
ursprünglichen spirituellen Körper im spirituellen Himmel rasanaˆ ghrāŠam eva ca
auf einem spirituellen Planeten und erfreut sich dort des adhi˜hāya manaś cāyaˆ
Zusammenseins mit dem Höchsten Herrn. Hieraus geht viayān upasevate
deutlich hervor, daß das Lebewesen, als winziger
289

śrotram-Ohren; cakuƒ—Augen; sparśanam—Tastsinn;


ca—auch; rasanam—Zunge; ghrāŠam-Geruchssinn; eva— Das Wort jñāna-cakuaƒ ist in diesem Zusammenhang von
auch; ca—und; adhi˜hāya—sich befindend; manaƒ-Geist; Bedeutung. Ohne Wissen kann man weder verstehen, wie
ca—auch; ayam—dieser; viayān—Sinnesobjekte; ein Lebewesen seinen gegenwärtigen Körper verläßt, noch
upasevate—genießt. welche Art von Körper es im nächsten Leben annehmen
wird, noch warum es in einem bestimmten Körper lebt. Um
ÜBERSETZUNG all dies zu verstehen, braucht man umfangreiches Wissen
aus der Bhagavad-gītā und ähnlichen Schriften, die man
Das Lebewesen, das einen neuen grobstofflichen Körper von einem echten spirituellen Meister gehört haben muß.
annimmt, erhält eine bestimmte Art von Ohren, Zunge, Wer gelernt hat, all diese Dinge zu erkennen, kann sich
Nase und Tastsinn, die um den Geist gruppiert sind. Auf glücklich schätzen. Jedes Lebewesen verläßt seinen Körper
diese Weise genießt es eine bestimmte Auswahl von Sin- unter bestimmten Umständen, und es lebt und genießt im
nesobjekten. Banne der materiellen Natur unter ganz bestimmten
Umständen. Als Folge davon erleidet es in der Illusion,
ERLÄUTERUNG seine Sinne zu genießen, verschiedene Arten von Glück
und Leid. Menschen, die fortwährend von Lust und
Mit anderen Worten: Wenn das Lebewesen sein Verlangen zum Narren gehalten werden, verlieren jede
Bewußtsein mit den Eigenschaften von Katzen und Hunden Fähigkeit, den Wechsel ihres Körpers und den Aufenthalt
vermischt, bekommt es in seinem nächsten Leben den in einem bestimmten Körper zu verstehen. Sie können all
Körper einer Katze oder den eines Hundes und genießt dies nicht begreifen. Diejenigen jedoch, die spirituelles
dementsprechend. Bewußtsein ist ursprünglich rein, wie Wissen entwickelt haben, können erkennen, daß die Seele
Wasser, doch wenn wir Wasser mit einer bestimmten Farbe vom Körper verschieden ist und ihren Körper auf
vermischen, verändert es sich. In ähnlicher Weise ist verschiedene Weise wechselt und genießt. Wer über
Bewußtsein rein, denn die spirituelle Seele ist rein, doch solches Wissen verfügt, kann verstehen, wie sehr das
Bewußtsein verändert sich je nach der Berührung mit den bedingte Lebewesen im materiellen Dasein leidet. Deshalb
Eigenschaften der Materie. Wirkliches Bewußtsein ist versuchen diejenigen, die im KŠa-Bewußtsein weit
KŠa-Bewußtsein. Wenn man daher im KŠa-Bewußtsein fortgeschritten sind, ihr Bestes, der Masse der Menschen,
verankert ist, hat man sein echtes Leben erreicht. Wenn deren bedingtes Leben sehr beschwerlich ist, dieses Wissen
aber das Bewußtsein durch materielle Lebensauffassungen zu vermitteln. Alle Menschen sollten ihr bedingtes Leben
verfälscht ist, bekommt man im nächsten Leben einen verlassen, KŠa-bewußt werden und sich befreien, um in
entsprechenden Körper. Es ist nicht sicher, daß man erneut die spirituelle Welt zurückzukehren.
einen menschlichen Körper erhält; es kann ebensogut sein,
daß man den Körper einer Katze, eines Hundes, Schweines, VERS 11
Halbgottes oder irgendeiner anderen Art annimmt, denn es
gibt 8 400 000 verschiedene Lebensformen. yatanto yoginaś cainaˆ
paśyanty ātmany avasthitam
VERS 10 yatanto’py aktātmāno
nainaˆ paśyanty acetasaƒ
ukrāmantaˆ sthitaˆ vāpi
bhuñjānaˆ vā guŠānvitam yatantaƒ—sich bemühend; yoginaƒ—Transzendentalisten;
vimūhā nānupaśyanti ca—auch; enam—dieses; paśyanti—können sehen;
paśyanti jñāna-cakuaƒ ātmani—im Selbst; avasthitam—befindlich; yatantaƒ—
obwohl sie sich bemühen; api—obgleich; akta-ātmānaƒ—
utkrāmantam—den Körper aufgebend; sthitam—im Körper ohne Selbstverwirklichung; na—nicht; enam—dieses;
situiert; vāpi—entweder; bhuñjānam—genießend; vā— paśyanti—können sehen; acetasaƒ—unentwickelter Geist.
oder; guŠa-anvitam—im Bann der Erscheinungsweisen der
materiellen Natur; vimūhāƒ—törichte Menschen; na— ÜBERSETZUNG
niemals; anupaśyanti—können nicht sehen; paśyanti—
können sehen; jñāna-cakuaƒ—diejenigen, die die Augen Der sich bemühende Transzendentalist, der
des Wissens haben. Selbstverwirklichung erreicht hat, kann all dies deutlich
erkennen. Diejenigen aber, die nicht selbstverwirklicht
ÜBERSETZUNG sind, können trotz ihrer Bemühung nicht sehen, was vor
sich geht.
Die Dummköpfe können nicht verstehen, wie ein
Lebewesen seinen Körper verläßt, noch können sie ERLÄUTERUNG
verstehen, welche Art von Körper es im Banne der
Erscheinungsweisen der Natur genießt. Diejenigen aber, Es gibt viele Transzendentalisten auf dem Pfad spiritueller
deren Augen in Wissen geschult sind, können all dies Selbstverwirklichung, doch wer nicht selbstverwirklicht ist,
sehen. kann nicht erkennen, wie sich der Körper des Lebewesens
verändert. Das Wort yoginaƒ ist in diesem Zusammenhang
ERLÄUTERUNG bedeutsam. Heutzutage gibt es viele sogenannte yogīs und
290

yoga-Gesellschaften, doch in bezug auf sind Sonnenaufgang, Feuer und Mondlicht den Lebewesen
Selbstverwirklichung sind sie im Grunde blind. Sie sind so angenehm. Ohne ihre Hilfe kann kein Lebewesen
lediglich in einige gymnastische Übungen vernarrt und sind existieren. Wenn wir also verstehen können, daß das Licht
zufrieden, wenn der Körper gut gebaut und gesund ist. und die Ausstrahlung der Sonne, des Mondes und des
Weiter reichen ihre Kenntnisse nicht. Sie werden als Feuers von der Höchsten Persönlichkeit Gottes, KŠa,
yatanto'py aktātmānaƒ bezeichnet. Obwohl sie sich ausgehen, wird unser KŠa-Bewußtsein beginnen. Durch
bemühen, in einem sogenannten yoga-System Fortschritte das Mondlicht wird alles Gemüse genährt. Das Mondlicht
zu machen, sind sie nicht selbstverwirklicht. Solche ist so wohltuend, daß die Menschen leicht verstehen
Menschen können den Vorgang der Seelenwanderung nicht können, daß sie nur durch die Barmherzigkeit der Höchsten
verstehen. Nur diejenigen, die tatsächlich im yoga-System Persönlichkeit Gottes, KŠa, leben. Ohne Seine
verankert sind und das Selbst, die Welt und den Höchsten Barmherzigkeit kann es keine Sonne geben; ohne Seine
Herrn verstanden haben, mit anderen Worten, die Barmherzigkeit kann es keinen Mond geben; ohne Seine
bhakti-yogīs oder diejenigen, die im reinen hinge- Barmherzigkeit kann es kein Feuer geben, und ohne die
bungsvollen Dienst im KŠa-Bewußtsein beschäftigt sind, Hilfe der Sonne, des Mondes und des Feuers kann niemand
können die Dinge im richtigen Licht sehen. leben. Dies sind einige Gedanken, um KŠa-Bewußtsein in
der bedingten Seele hervorzurufen.
VERS 12
VERS 13
yad āditya-gataˆ tejo
jagad bhāsayate'khilam gām āviśya ca bhūtāni
yac candramasi yac cāgnau dhārayāmy aham ojasā
tat tejo viddhi māmakam puŠāmi cauadhīƒ sarvāƒ
somo bhūtvā rasātmakaƒ
yat—das, was; āditya-gatam—im Sonnenschein; tejaƒ—
Glanz; jagat—die ganze Welt; bhāsayate—erleuchtet; gām—in die Planeten; āviśya—eingehend; ca—auch;
akhilam—völlig; yat-das, was; candramasi—im Mond; bhūtāni—die Lebewesen; dhārayāmi—erhaltend; aham—
yat—das, was; ca—auch; agnau—im Feuer; tat—dieser; Ich; ojasā—durch Meine Energie; puŠāmi—nährend; ca—
tejaƒ—Glanz; viddhi—verstehe; māmakam—von Mir. und; auadhīƒ—alles Gemüse; sarvāƒ-alles; somaƒ—der
Mond; bhūtvā—werdend; rasa-ātmakaƒ—sorge für Saft.
ÜBERSETZUNG
ÜBERSETZUNG
Das Licht der Sonne, das die Dunkelheit dieser ganzen
Welt vertreibt, kommt von Mir. Und das Leuchten des Ich gehe in jeden Planeten ein, und durch Meine
Mondes und der Schein des Feuers gehen ebenfalls von Energie bleiben sie in ihrer Bahn. Ich werde zum Mond
Mir aus. und versorge dadurch alles Gemüse mit dem Saft des
Lebens.
ERLÄUTERUNG
ERLÄUTERUNG
Menschen ohne Intelligenz können nicht verstehen, wie
etwas geschieht. Wissen beginnt, wenn man versteht, was Alle Planeten schweben allein durch die Energie des Herrn
der Herr in diesem Vers erklärt. Jeder sieht die Sonne, den im All. Der Herr geht in jedes Atom, in jeden Planeten und
Mond, Feuer und Elektrizität. Man sollte einfach zu in jedes Lebewesen ein. Dies wird in der Brahma-saˆhitā
verstehen versuchen, daß das Licht der Sonne, das Licht beschrieben. Es wird dort gesagt, daß ein vollständiger Teil
des Mondes und das Licht der Elektrizität oder des Feuers der Höchsten Persönlichkeit Gottes — der Paramātmā — in
von der Höchsten Persönlichkeit Gottes ausgehen. In einer die Planeten, das Universum, das Lebewesen und sogar das
solchen Lebensauffassung, die den Beginn von Atom eingeht. Weil Er in alles eingeht, wird alles
KŠa-Bewußtsein darstellt, liegt ein beträchtlicher manifestiert. Solange die Seele gegenwärtig ist, kann ein
Fortschritt für die bedingte Seele in der materiellen Welt. lebendiger Mann im Wasser schwimmen, aber sowie der
Dem Wesen nach sind die Lebewesen Teile des Höchsten lebendige Funken den Körper verlassen hat und der Körper
Herrn, und Er gibt ihnen hiermit den Hinweis, wie sie tot ist, geht er unter. Wenn sich der Körper zersetzt hat,
zurück zu Gott, zurück nach Hause, kommen können. schwimmt er natürlich ebenso wie Stroh und andere Dinge,
Dieser Vers gibt uns zu verstehen, daß die Sonne das ganze doch sobald der Mann tot ist, versinkt er im Wasser. In
Sonnensystem erleuchtet. Es gibt verschiedene Universen ähnlicher Weise schweben die Planeten im All; sie bleiben
und Sonnensysteme und in ihnen auch verschiedene Son- in ihrer Bahn, weil die höchste Energie der Höchsten
nen, Monde und Planeten. Das Sonnenlicht hat seine Persönlichkeit Gottes in sie eingegangen ist. Diese Energie
Ursache in der spirituellen Ausstrahlung des Höchsten hält alle Planeten, als wären sie eine Handvoll Staub. Wenn
Herrn im spirituellen Himmel. Mit dem Sonnenaufgang man Staub in der Hand hält, ist es nicht möglich, daß dieser
beginnen die Tätigkeiten der Menschen: Sie entzünden herunterfällt, doch wenn man den Staub in die Luft wirft,
Feuer, um sich ihr Essen zu bereiten; sie entfachen Feuer, wird er zu Boden fallen. In ähnlicher Weise werden die
um die Maschinen in den Fabriken anlaufen zu lassen usw. Planeten, die im All schweben, in der Faust der universalen
So viele Dinge geschehen mit Hilfe des Feuers. Deshalb Form des Höchsten Herrn gehalten. Durch Seine Kraft und
291

Energie bleiben alle sich bewegenden und sich nicht Arten von Nahrung: solche die geschluckt, gekaut,
bewegenden Dinge an ihrem Ort. Es heißt, daß die Höchste aufgeleckt und geschlürft wird, und KŠa ist die
Persönlichkeit Gottes die Ursache dafür ist, daß die Sonne verdauende Kraft für sie alle.
scheint und die Planeten stetig in ihrer Bahn kreisen. Wenn
Sie nicht wäre, würden alle Planeten wie Staub in der Luft VERS 15
durcheinanderwirbeln und vergehen. Die Höchste
Persönlichkeit Gottes ist auch die Ursache dafür, daß der sarvasya cāhaˆ hdi sannivi˜ho
Mond alles Gemüse nährt. Durch den Einfluß des Mondes mattaƒ smtir jñānam apohanaˆ ca
wird Gemüse wohlschmeckend; ohne Mondlicht kann vedaiś ca sarvair aham eva vedyo
Gemüse weder wachsen noch saftig werden. Die vedānta-kd veda-vid eva cāham
menschliche Gesellschaft arbeitet, lebt bequem und genießt
Nahrung, weil sie vom Höchsten Herrn versorgt wird. Ohne sarvasya-aller Lebewesen; ca—und; aham—Ich; hdi—im
Ihn könnte die Menschheit nicht überleben. Das Wort Herzen; sannivi˜aƒ—weilend; mattaƒ—von Mir; smtiƒ—
rasātmakaƒ ist in diesem Zusammenhang von großer Erinnerung; jñānam—Wissen; apohanam ca—und
Bedeutung, denn mit Hilfe des Höchsten Herrn bekommt Vergessen; vedaiƒ—durch die Veden; ca—auch; sarvaiƒ-
das Gemüse durch den Einfluß des Mondes seinen alle; aham—Ich bin; eva-gewiß; vedyaƒ—erkennbar;
Geschmack. vedānta-kt—der Verfasser des Vedānta; veda-vit—der
Kenner der Veden; eva-gewiß; ca—und; aham—Ich.
VERS 14
ÜBERSETZUNG
ahaˆ vaiśvānaro bhūtvā
prāŠināˆ deham āśritaƒ Ich weile im Herzen eines jeden, und von Mir kommen
prāŠāpāna-samāyuktaƒ Erinnerung, Wissen und Vergessen. Durch alle Veden
pacāmy annaˆ catur-vidham bin Ich zu erkennen; ja, Ich bin der Verfasser des
Vedānta, und Ich bin der Kenner der Veden.
aham—Ich; vaiśvānaraƒ—durch Meine vollständige
Erweiterung als das Verdauungsfeuer; bhūtvā—werden; ERLÄUTERUNG
prāŠinām—aller Lebewesen; deham—Körper; āśritaƒ—
befindlich; prāŠa—ausströmende Luft; apāna—abwärts Der Höchste Herr weilt als Paramātmā im Herzen eines
strömende Luft; samāyuktaƒ—halte Gleichgewicht; jeden, und von Ihm werden alle Tätigkeiten veranlaßt. Das
pacāmi—verdaue; annam—Nahrung; catur-vidham—vier Lebewesen vergißt alles, was in seinem vergangenen Leben
Arten von. geschehen ist, doch weil es unter der Führung des Höchsten
Herrn handeln muß, der als Zeuge alle seine Handlungen
ÜBERSETZUNG beobachtet, betätigt es sich entsprechend seinen
vergangenen Taten. Das notwendige Wissen wird ihm
Ich bin das Feuer der Verdauung in jedem lebendigen gegeben; für Erinnerung wird gesorgt, und es vergißt alles,
Körper, und Ich bin die ein- und ausströmende was in seinem vergangenen Leben geschehen ist. Der Herr
Lebensluft, durch die Ich die vier Arten von Nahrung ist also nicht nur alldurchdringend, sondern Er weilt auch in
verdaue. jedem individuellen Herzen. Er gewährt die verschiedenen
fruchtbringenden Ergebnisse. Er ist nicht nur als das
ERLÄUTERUNG unpersönliche Brahman, der lokalisierte Paramātmā und die
Höchste Persönlichkeit Gottes verehrenswert, sondern auch
Aus dem Āyur Veda erfahren wir, daß im Magen ein Feuer als die Inkarnation der Veden. Die Veden geben den
brennt, das alle Nahrung verdaut. Wenn dieses Feuer nicht Menschen die richtige Wegweisung, so daß sie ihr Leben in
lodert, verspürt man keinen Hunger, doch wenn dieses geeigneter Weise gestalten und nach Hause, zu Gott,
Feuer in Ordnung ist, werden wir hungrig. Wenn das Feuer zurückkehren können. Die Veden vermitteln Wissen von
nicht richtig brennt, ist eine Behandlung erforderlich. Auf der Höchsten Persönlichkeit Gottes, KŠa, und KŠa ist in
jeden Fall repräsentiert dieses Feuer die Höchste Seiner Inkarnation als Vyāsadeva der Verfasser des
Persönlichkeit Gottes, und auch die vedischen mantras Vedānta-sūtra. Der Kommentar, den Vyāsadeva in Form
bestätigen, daß Sich der Höchste Herr oder das Höchste des Śrīmad-Bhāgavatam zum Vedānta-sūtra gab, vermittelt
Brahman in Form von Feuer im Magen befindet und alle das richtige Verständnis dieser Schrift. Der Höchste Herr ist
Arten von Nahrung verdaut. Weil Er also bei der so umfassend, daß Er zur Befreiung der bedingten Seele für
Verdauung aller Arten von Nahrung hilft, ist das Nahrung und Verdauung sorgt, der Zeuge ihrer Tätigkeiten
Lebewesen beim Essen nicht unabhängig. Wäre der ist, Wissen in Form der Veden gibt und als Höchste
Höchste Herr bei der Verdauung nicht behilflich, könnten Persönlichkeit Gottes, Śrī KŠa, die Bhagavad-gītā lehrt.
wir keine Nahrung zu uns nehmen. Er erzeugt und verdaut Er ist daher für die bedingte Seele verehrenswert. Gott ist
also die Nahrung, und durch Seine Gnade genießen wir das also allgut; Er ist allbarmherzig.
Leben. Im Vedānta-sūtra wird dies ebenfalls bestätigt: Antaƒpravi˜aƒ śāstā janānām. Das Lebewesen vergißt,
śabdādibhyo 'ntaƒ prati˜hānāc ca. Der Herr ist im Klang, sobald es seinen gegenwärtigen Körper verläßt, doch
im Körper und in der Luft gegenwärtig und befindet Sich beginnt es, veranlaßt vom Höchsten Herrn, seine Be-
im Magen als die verdauungsfördernde Kraft. Es gibt vier tätigung von neuem. Obwohl es vergißt, kann es sein Tun
292

dort wiederaufnehmen, wo es in seinem letzten Leben Persönlichkeit Gottes. Wenn sie mit der materiellen Welt in
aufgehört hat, weil der Herr ihm die Intelligenz dazu gibt. Berührung sind, nennt man sie jīva-bhūtāƒ, und die hier
Ein Lebewesen genießt oder leidet also nicht nur in dieser gebrauchten Sanskritwörter (sarvāŠi bhūtāni) bedeuten,
Welt nach der Weisung des Höchsten Herrn, der in seinem daß sie fehlbar sind. Jene aber, die mit der Höchsten
Herzen weilt, sondern es bekommt von Ihm auch die Persönlichkeit Gottes eins sind, werden als unfehlbar be-
Gelegenheit, die Veden zu verstehen. Wenn man ernsthaft zeichnet. Einheit bedeutet hier nicht, daß sie keine
bemüht ist, das vedische Wissen zu verstehen, dann gibt Individualität haben, sondern daß es keine Uneinigkeit gibt.
KŠa die erforderliche Intelligenz. Warum präsentiert Er Sie sind alle mit dem Zweck der Schöpfung einverstanden.
das vedische Wissen für unser Verständnis? Weil es für je- Natürlich gibt es in der spirituellen Welt nicht so etwas wie
den einzelnen von uns notwendig ist, KŠa zu verstehen. eine Schöpfung, doch weil der Herr, die Höchste
Dies wird in den vedischen Schriften bestätigt: yo'sau Persönlichkeit Gottes, im Vedānta-sūtra erklärt hat, daß Er
sarvair vedair gīyate. In allen vedischen Schriften, die Quelle aller Emanationen ist, wird diese Auffassung
angefangen mit den vier Veden, dem Vedānta-sūtra, den erklärt.
Upaniaden und den PurāŠas, wird die Herrlichkeit des Gemäß der Aussage der Höchsten Persönlichkeit Gottes,
Höchsten Herrn gepriesen. Wenn man die vedischen Śrī KŠas, gibt es zwei Arten von Menschen. Die Veden
Rituale vollzieht, die vedische Philosophie erörtert und den liefern den Beweis für diese Aussage, und daher kann es
Herrn durch hingebungsvollen Dienst verehrt, gelangt man keinen Zweifel geben. Die Lebewesen, die in dieser Welt
zu Ihm. Folglich ist es das Ziel der Veden, KŠa zu mit dem Geist und den fünf Sinnen kämpfen, haben einen
verstehen. Die Veden zeigen uns, wie wir KŠa verstehen materiellen Körper, der sich so lange verändert, wie die
und den Vorgang des Verstehens erlernen können. Das Lebewesen bedingt sind. Der Körper verändert sich nur,
endgültige Ziel ist die Höchste Persönlichkeit Gottes. Das weil er aus materiellen Elementen besteht; die Materie
Vedānta-sūtra bestätigt dies mit den folgenden Worten: tat verändert sich, und daher scheint sich das Lebewesen zu
tu samanvayāt. Man kann die Vollkommenheit erlangen, verändern. In der spirituellen Welt aber besteht der Körper
wenn man die vedischen Schriften versteht, und man kann nicht aus Materie, und folglich gibt es dort auch keine
seine Beziehung zur Höchsten Persönlichkeit Gottes Veränderung. In der materiellen Welt unterliegt das
verstehen, wenn man die verschiedenen Vorgänge Lebewesen sechs Veränderungen: Geburt, Wachstum,
praktiziert. Auf diese Weise kann man sich dem Herrn Dauer, Fortpflanzung, Verfall und Verschwinden. Dies sind
nähern und schließlich das höchste Ziel erreichen, das die Veränderungen des materiellen Körpers. Doch in der
nichts anderes ist als die Höchste Persönlichkeit Gottes. In spirituellen Welt verändert sich der Körper nicht; dort gibt
diesem Vers werden der Zweck, das Verständnis und das es kein Alter, keine Geburt und keinen Tod. Alles existiert
Ziel der Veden eindeutig definiert. dort in Einheit. Dies ist deutlicher mit den Worten
sarvāŠi-bhūtāni erklärt: Jedes Lebewesen, das mit der
VERS 16 Materie in Berührung gekommen ist, angefangen mit dem
ersten erschaffenen Lebewesen, Brahmā, bis hinunter zur
dvāv imau puruau loke kleinen Ameise, wechselt seinen Körper, und daher sind sie
karaś cākara eva ca alle fehlbar. In der spirituellen Welt jedoch sind die
karaƒ sarvāŠi bhūtāni Lebewesen immer in Einheit und befreit.
kū˜astho'kara ucyate
VERS 17
dvau—zwei; imau—in dieser (Welt); puruau—Lebewesen;
loke—in der Welt; karaƒ—fehlbare; ca—und; akaraƒ— uttamaƒ puruas tv anyaƒ
unfehlbare; eva—gewiß; ca—und; karaƒ—fehlbar; paramātmety udāhtaƒ
sarvāŠi-alle; bhūtāni—Lebewesen; kū˜asthaƒ—in Einheit; yo loka-trayam āviśya
akaraƒ—unfehlbar; ucyate—es wird gesagt. bibharty avyaya īśvaraƒ

ÜBERSETZUNG uttamaƒ—die beste; puruaƒ—Persönlichkeit; tu—aber;


anyaƒ—eine andere; param—das Höchste; ātmā—Selbst;
Es gibt zwei Arten von Wesen — die Fehlbaren und die iti—so; udāhtaƒ—beschrieben; yaƒ—als jemand, der;
Unfehlbaren. In der materiellen Welt ist jedes loka—des Universums; trayam—die drei Einteilungen;
Lebewesen fehlbar, und in der spirituellen Welt ist jedes āviśya—eingehend; bibharti—erhaltend; avyayaƒ—
Wesen unfehlbar. unerschöpflich; īśvaraƒ—der Herr.

ERLÄUTERUNG ÜBERSETZUNG

Wie bereits erklärt wurde, verfaßte der Herr in Seiner Außer diesen beiden gibt es die größte lebendige
Inkarnation als Vyāsadeva das Vedānta-sūtra. Hier gibt der Persönlichkeit, den Herrn Selbst, der in diese Welten
Herr nun eine inhaltliche Zusammenfassung des eingegangen ist und sie erhält.
Vedānta-sūtra: Er sagt, daß die zahllosen Lebewesen in
zwei Gruppen eingeteilt werden können — in die Fehlbaren ERLÄUTERUNG
und die Unfehlbaren. Die Lebewesen sind ewig
abgesonderte winzige Bestandteile der Höchsten
293

Dieser Vers wird sehr schön in der Ka˜ha Upaniad und der sowohl in der Welt als auch in den Veden berühmt als
Śvetāśvatara Upaniad zum Ausdruck gebracht. Es heißt die Höchste Person.
dort, daß über den unzähligen Lebewesen, von denen einige
bedingt und andere befreit sind, die Höchste Persönlichkeit ERLÄUTERUNG
steht, die Paramātmā ist. Der Vers in den Upaniaden lautet
wie folgt nityo nityānāˆ cetanaś cetanānām. Sinngemäß Niemand kann die Höchste Persönlichkeit Gottes, KŠa,
beschreibt dieser Vers, daß es unter allen Lebewesen, übertreffen — weder eine bedingte noch eine befreite
sowohl den bedingten als auch den befreiten, eine höchste Seele. Deshalb ist Er die größte aller Persönlichkeiten. Aus
lebendige Persönlichkeit gibt, die Höchste Persönlichkeit diesem Vers geht nun eindeutig hervor, daß die Lebewesen
Gottes, die alle anderen erhält und ihnen je nach ihren und der Höchste Persönliche Gott Individuen sind. Der
verschiedenen Tätigkeiten jede Möglichkeit zum Genuß Unterschied zwischen ihnen besteht darin, daß die
bietet. Diese Höchste Persönlichkeit Gottes befindet Sich Lebewesen, weder im bedingten noch im befreiten Zustand,
als Paramātmā im Herzen eines jeden. Ein weiser Mensch, die unbegreiflichen Energien der Höchsten Persönlichkeit
der Ihn verstehen kann, ist geeignet, vollkommenen Gottes an Quantität übertreffen können.
Frieden zu erlangen, andere nicht.
Es ist falsch, anzunehmen, der Höchste Herr und die VERS 19
Lebewesen befänden sich auf der gleichen Ebene oder
seien in jeder Hinsicht gleich. In bezug auf ihre Persön- yo mām evam asammūho
lichkeiten stellt sich immer die Frage von Über- und jānāti puruottamam
Untergeordnetsein. Das Wort uttama ist hier von großer sa sarva-vid bhajati māˆ
Bedeutung. Niemand kann die Höchste Persönlichkeit sarva-bhāvena bhārata
Gottes übertreffen. Das Wort loke ist ebenfalls sehr wichtig,
denn in der Paurua, einer vedischen Schrift, heißt es: yaƒ—irgend jemand; mām—Mich; evam—gewiß;
lokyate vedārtho 'nena. Der Höchste Herr erklärt in Seinem asammūdhaƒ—ohne Zweifel; jānāti—kennt;
lokalisierten Aspekt als Paramātmā den Sinn der Veden. puruottamam—die Höchste Persönlichkeit Gottes; saƒ—
Der folgende Vers erscheint ebenfalls in den Veden: er; sarva-vit—Kenner aller Dinge; bhajati—dient
hingebungsvoll; mām—Mir; sarva-bhāvena—in jeder
tāvad ea samprasādo 'smāc Hinsicht; bhārata—o Nachkomme Bhāratas.
charīrāt samutthāya paraˆ
jyoti-rūpaˆ sampadya svena ÜBERSETZUNG
rūpeŠābhinipadyate sa uttamaƒ puruaƒ
O Nachkomme Bhāratas, jeder, der Mich als Höchste
"Wenn die Überseele den Körper verläßt, geht Sie in das Persönlichkeit Gottes kennt und daran nicht zweifelt,
unpersönliche brahmajyoti ein; dann bleibt Sie in Ihrer muß als Kenner aller Dinge betrachtet werden, und er
Form in Ihrer spirituellen Identität. Dieser Höchste wird als beschäftigt sich daher völlig im hingebungsvollen
die Höchste Persönlichkeit bezeichnet." Dienst.
Dies bedeutet, daß die Höchste Persönlichkeit Ihre
spirituelle Ausstrahlung, die letztliche Erleuchtung, ERLÄUTERUNG
entfaltet und verbreitet. Diese Höchste Persönlichkeit hat
als Paramātmā auch einen lokalisierten Aspekt. Indem Er Es gibt viele philosophische Spekulationen über die
Sich als der Sohn von Satyavatī und Parāśara inkarniert, wesensgemäße Stellung der Lebewesen und der Höchsten
erklärt Er das vedische Wissen als Vyāsadeva. Absoluten Wahrheit. In diesem Vers nun erklärt die
Höchste Persönlichkeit Gottes unmißverständlich, daß
VERS 18 jeder, der Śrī KŠa als die Höchste Person kennt, im
Grunde der Kenner aller Dinge ist. Der unvollkommene
yasmāt karam atīto'ham Kenner spekuliert einfach weiter über die Absolute
akarād api cottamaƒ Wahrheit, aber der vollkommene Kenner betätigt sich, ohne
ato'smi loke vede ca seine kostbare Zeit zu vergeuden, direkt im KŠa--
prathitaƒ puruottamaƒ Bewußtsein, dem hingebungsvollen Dienst für den
Höchsten Herrn. Die ganze Bhagavad-gītā hindurch wird
yasmāt—weil; karam—zu den Fehlbaren; atītaƒ— diese Tatsache immer wieder betont. Und trotzdem gibt es
transzendental; aham—Ich; akarāt—zu den Unfehlbaren; so viele uneinsichtige Kommentatoren der Bhagavad-gītā,
api—besser als sie; ca—und; uttamaƒ—der Beste; ataƒ— die meinen, die Höchste Absolute Wahrheit und die
deshalb; asmi—Ich bin; loke—in der Welt; vede—in der Lebewesen seien ein und dasselbe.
vedischen Literatur; ca—und; prathitaƒ—berühmt; Das vedische Wissen wird śruti genannt (das, was man
puruottamaƒ—als die Höchste Persönlichkeit. durch Hören lernt). Im Grunde sollte man das vedische
Wissen von Autoritäten, wie KŠa und Seinen Re-
ÜBERSETZUNG präsentanten, empfangen. Hier macht KŠa sehr klare
Unterschiede, und deshalb sollte man aus dieser Quelle
Weil Ich transzendental bin, jenseits der Fehlbaren und hören. Es genügt nicht, nur wie die Schweine zu hören;
Unfehlbaren, und weil Ich der Größte bin, bin Ich man muß fähig sein, von den Autoritäten zu verstehen.
294

Man sollte nicht bloß akademische Spekulationen anstellen. Verständnis. Wo immer hingebungsvoller Dienst besteht,
Man sollte in ergebener Haltung aus der Bhagavad-gītā kann die materielle Verunreinigung nicht gleichzeitig
hören, daß die Lebewesen der Höchsten Persönlichkeit vorhanden sein. Hingebungsvoller Dienst für den Herrn
Gottes immer unter geordnet sind. Jeder, der imstande ist, und der Herr Selbst sind ein und dasselbe, weil sie
das zu verstehen, kennt — wie die Höchste Persönlichkeit spirituell, das heißt die innere Energie des Höchsten Herrn
Gottes, Śrī KŠa, Selbst sagt — das Ziel der Veden; sind. Der Herr wird mit der Sonne, und Unwissenheit wird
niemand sonst kennt das Ziel der Veden. mit Dunkelheit verglichen. Wo die Sonne scheint, kann es
Das Wort bhajate ist sehr bedeutsam. An vielen Stellen keine Dunkelheit geben. Daher kann es überall dort, wo
wird bhajate im Zusammenhang mit dem Dienst für den unter der kundigen Führung eines echten spirituellen
Höchsten Herrn verwendet. Wenn jemand in völligem Meisters hingebungsvoller Dienst praktiziert wird, keine
KŠa-Bewußtsein im hingebungsvollen Dienst des Herrn Unwissenheit geben.
tätig ist, kann man sagen, daß er das gesamte vedische Jeder muß dieses Bewußtsein über KŠa annehmen und
Wissen verstanden hat. In der VaiŠava-paramparā wird sich im hingebungsvollen Dienst betätigen, um intelligent
gesagt, daß es nicht mehr notwendig ist, einen spirituellen und rein zu werden. Solange man nicht die Ebene erreicht,
Vorgang anzuwenden, um die Höchste Absolute Wahrheit auf der man KŠa versteht und sich im hingebungsvollen
zu verstehen, wenn man im hingebungsvollen Dienst Dienst beschäftigt, ist man nicht in vollkommener Weise
KŠas beschäftigt ist. Man hat diese Stufe bereits erreicht, intelligent — ganz gleich, für wie intelligent man von
weil man dem Höchsten Herrn in Hingabe dient. Man hat gewöhnlichen Menschen gehalten werden mag.
alle Vorstufen der Erkenntnis hinter sich gelassen. Wenn Das Wort anagha, mit dem Arjuna hier angeredet wird, ist
nun jemand, nachdem er Hunderttausende von Leben in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung.
hindurch spekuliert hat, nicht zu der Erkenntnis kommt, Anagha, o Sündloser, bedeutet, daß es sehr schwierig ist,
daß KŠa die Höchste Persönlichkeit Gottes ist und daß KŠa zu verstehen, solange man nicht von allen sündhaften
man sich Ihm ergeben muß, so ist seine ganze Spekulation Reaktionen befreit ist. Man muß von aller Verunreinigung,
in den vielen Jahren und Leben nichts als sinnlose von allen sündigen Tätigkeiten frei werden — dann kann
Zeitverschwendung gewesen. man KŠa verstehen. Doch hingebungsvoller Dienst ist so
rein und mächtig, daß man die Stufe der Sündlosigkeit von
VERS 20 selbst erreicht, wenn man einmal im hingebungsvollen
Dienst tätig ist.
iti guhyatamaˆ śāstram Während man in der Gemeinschaft reiner Gottgeweihter in
idam uktaˆ mayānagha völligem KŠa-Bewußtsein hingebungsvollen Dienst
etad buddhvā buddhimān syāt verrichtet, gibt es gewisse Dinge, die vollständig
kta-ktyaś ca bhārata überwunden werden müssen. Das Wichtigste, was zu
überwinden ist, ist die Schwäche des Herzens. Der erste
iti—so; guhyatamam—das Vertraulichste; śāstram— Fall wird von dem Verlangen verursacht, über die
offenbarte Schriften; idam—dieses; uktam—enthüllt; materielle Natur zu herrschen. Deshalb gibt man den
mayā—von Mir; anagha—o Sündloser; etat—dieses; transzendentalen liebevollen Dienst für den Höchsten Herrn
buddhvā—verstehend; buddhimān—intelligent; syāt—man auf. Die zweite Schwäche des Herzens besteht darin, daß
wird; kta-ktyaƒ—der Vollkommenste; ca—und; man in dem Maße, wie das Verlangen, über die materielle
bhārata—o Nachkomme Bhāratas. Natur zu herrschen, wächst, die Anhaftung an Materie und
den Besitz von Materie zunimmt. Die Probleme des
ÜBERSETZUNG materiellen Dasein sind nur auf diese beiden Schwächen
des Herzens zurückzuführen.
Dies ist der vertraulichste Teil der vedischen Schriften,
o Sündloser, und Ich habe ihn dir jetzt offenbart. Wer Hiermit enden die Bhaktivedanta-Erläuterungen zum
auch immer dieses Wissen versteht, wird weise werden, Fünfzehnten Kapitel der Śrīmad-Bhagavad-gītā mit dem
und seine Bemühungen werden die Vollkommenheit Titel: "Der yoga der Höchsten Person".
erreichen.

ERLÄUTERUNG

Der Herr erklärt hier unmißverständlich, daß dieses Wissen


die Substanz aller offenbarten Schriften ist. Man sollte es so
verstehen, wie es von der Höchsten Persönlichkeit Gottes
offenbart wird. Auf diese Weise wird man Intelligenz
entwickeln und im transzendentalen Wissen vollkommen
werden. Mit anderen Worten: Jeder kann von allen
Verunreinigungen der drei Erscheinungsweisen der
materiellen Natur befreit werden, wenn er die Philosophie
von der Höchsten Persönlichkeit Gottes versteht und sich in
Ihrem hingebungsvollen Dienst beschäftigt. Durch
hingebungsvollen Dienst erlangt man spirituelles
295

SECHZEHNTES KAPITEL
ERLÄUTERUNG

Die göttlichen und die dämonischen Zu Beginn des Fünfzehnten Kapitels wurde der
Banyanbaum der materiellen Welt erklärt. Seine
Naturen Nebenwurzeln wurden mit den Tätigkeiten der Lebewesen
verglichen, von denen manche glück- und manche
VERS 1-3 unglückbringend sind. Im Neunten Kapitel wurden die
devas oder göttlichen Menschen und die asuras, die
śrī bhagavān uvāca gottlosen Menschen oder Dämonen, beschrieben.
abhayaˆ sattva-saˆśuddhir Vedischen Ritualen gemäß gelten Tätigkeiten in der
jñāna-yoga-vyavasthitiƒ Erscheinungsweise der Tugend als günstig für den
dānaˆ damaś ca yajñaś ca Fortschritt auf dem Pfad der Befreiung, und solche
svādhyāyas tapa ārjavam Tätigkeiten sind als deva-prakti bekannt, als von Natur aus
transzendental. Diejenigen, die in der transzendentalen
ahiˆsā satyam akrodhas Natur verankert sind, schreiten auf dem Pfad der Befreiung
tyāgaƒ śāntir apaiśunam vorwärts. Aber für diejenigen, die in den
dayā bhūtev aloluptvaˆ Erscheinungsweisen der Leidenschaft und Unwissenheit
mārdavaˆ hrīr acāpalam handeln, besteht keine Aussicht auf Befreiung. Sie werden
in der materiellen Welt entweder als Menschen bleiben
tejaƒ kamā dhtiƒ śaucam müssen, oder sie werden auf die Stufe der Tiere oder sogar
adroho nātimānitā zu noch niederen Arten des Lebens hinabsinken. In diesem
bhavanti sampadaˆ daivīm Sechzehnten Kapitel erklärt der Herr sowohl die
abhijātasya bhārata transzendentale Natur und die sie begleitenden
Eigenschaften als auch die dämonische Natur und ihre
śrī bhagavān uvāca—die Höchste Persönlichkeit Gottes Eigenschaften. Außerdem erklärt Er die Vor- und Nachteile
sprach; abhayam— Furchtlosigkeit; sattva-saˆśuddhiƒ— dieser Eigenschaften.
Läuterung seines Daseins; jñāna—Wissen; yoga—des Das Wort abhijātasya, das auf einen mit transzendentalen
Verbindens; vyavasthitiƒ—die Situation; dānam— Eigenschaften oder göttlichen Neigungen geborenen
Mildtätigkeit; damaƒ ca—und Beherrschung des Geistes; Menschen hinweist, ist sehr bedeutsam. Ein Kind in einer
yajñaƒ ca—und Durchführung von Opfern; svādhyāyaƒ— göttlichen Atmosphäre zu zeugen, wird in den vedischen
Studium der vedischen Schriften; tapaƒ—Enthaltung; Schriften garbhādhāna-saˆskāra genannt. Wenn sich
ārjavam—Einfachheit; ahiˆsā-Gewaltlosigkeit; satyam— Eltern ein Kind mit göttlichen Eigenschaften wünschen,
Wahrhaftigkeit; akrodhaƒ—Freisein von Zorn; tyāgaƒ— sollten sie den zehn Prinzipien folgen, die für das
Entsagung; śāntiƒ—Gleichmut; apaiśunam—Abneigung menschliche Leben bestimmt sind. Im Siebten Kapitel
gegen Fehlerfinden; dayā—Barmherzigkeit; bhūteu—mit haben wir bereits erfahren, daß sexuelle Betätigung mit der
allen Lebewesen; aloluptvam—Freiheit von Gier; Absicht, ein gutes Kind zu zeugen, KŠa Selbst ist.
mārdavam—Freundlichkeit; hrīƒ—Bescheidenheit; acāpa- Sexualität wird nicht verurteilt, vorausgesetzt, daß man sie
lam—Entschlossenheit; tejaƒ—Stärke; kamā—Nachsicht; im KŠa-Bewußtsein benutzt. Zumindest sollten
dhtiƒ—Standhaftigkeit; śaucam—Sauberkeit; adrohaƒ— KŠa-bewußte Menschen Kinder nicht wie Katzen und
Freisein von Neid; na—nicht; atimānitā—Erwartung von Hunde zeugen; sie sollten sie so zeugen, daß sie nach der
Ehre; bhavanti—werden; sampadam—Eigenschaften; Geburt KŠa-bewußt werden können. Das sollte der
daivīm—transzendental; abhijātasya—jemand, der geboren Vorteil für Kinder sein, die von KŠa-bewußten Eltern
ist von; bhārata—o Sohn Bhāratas. geboren werden. Die soziale Einrichtung des
varŠāśrama-dharma, das heißt, die Einrichtung, die die
ÜBERSETZUNG Gesellschaft in vier Einteilungen oder Kasten gliedert, ist
nicht dafür bestimmt, die menschliche Gesellschaft nach
Der Segenspendende Herr sprach: Furchtlosigkeit, Geburt oder Herkunft zu unterteilen. Solche Einteilungen
Läuterung seines Daseins, Kultivierung spirituellen richten sich nach bildungsmäßigen Qualifikationen. Sie
Wissens, Mildtätigkeit, Selbstbeherrschung, sollen der Gesellschaft Frieden und Wohlstand
Darbringung von Opfern, Studium der Veden, tapasya gewährleisten. Die in diesem Vers aufgeführten Ei-
und Einfachheit; Gewaltlosigkeit, Wahrhaftigkeit und genschaften werden als transzendentale Eigenschaften
Freisein von Zorn; Entsagung, Gleichmut, Abneigung beschrieben, die einen Menschen im spirituellen
gegen Fehlerfinden, Mitleid und Freisein von Gier; Verständnis fortschreiten lassen sollen, so daß er aus der
Freundlichkeit, Bescheidenheit und feste materiellen Welt befreit werden kann.
Entschlossenheit; Stärke, Nachsicht, Standhaftigkeit, In der varŠāśrama-Einrichtung gilt der sannyāsī (Mensch
Sauberkeit und Freisein von Neid und dem im Lebensstand der Entsagung) als Oberhaupt oder
leidenschaftlichen Verlangen nach Ehre — diese spiritueller Meister aller gesellschaftlichen Schichten und
transzendentalen Eigenschaften, o Sohn Bhāratas, Lebensstände. Ein brāhmaŠa gilt als spiritueller Meister der
zeichnen heilige Menschen aus, die von göttlichem drei anderen Gesellschaftsklassen, nämlich der katriyas,
Wesen sind. vaiśyas und śūdras, doch ein sannyāsī, der an der Spitze
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der Gesellschaft steht, wird auch als spiritueller Meister der als daß sich solche unzulässigen Begierden in ihm regten."
brāhmaŠas angesehen. Das also sind die Vorgänge der Läuterung.
Die erste Qualifikation eines sannyāsī sollte Furchtlosigkeit Der nächste Punkt (jñāna-yoga vyavasthitiƒ) behandelt die
(abhayam) sein. Weil ein sannyāsī ganz auf sich selbst Kultivierung von Wissen. Das Leben eines sannyāsī ist
gestellt sein muß, ohne jede Unterstützung oder Garantie dafür bestimmt, Wissen an Haushälter und andere zu
auf Unterstützung, muß er allein von der Barmherzigkeit verteilen, die ihr wirkliches Leben spirituellen Fortschritts
der Höchsten Persönlichkeit Gottes abhängig sein. Wenn er vergessen haben. Es wird von einem sannyāsī erwartet, daß
denkt: "Wer wird mich beschützen, nachdem ich meine er von Tür zu Tür zieht, um seinen Lebensunterhalt zu
Verbindungen aufgegeben habe?", sollte er nicht in den erbetteln; aber das bedeutet nicht, daß er ein Bettler ist.
Lebensstand der Entsagung treten. Man muß fest davon Demut ist ebenfalls eine der Qualifikationen eines in der
überzeugt sein, daß KŠa, die Höchste Persönlichkeit Transzendenz verankerten Menschen, und aus reiner Demut
Gottes, in Seinem lokalisierten Aspekt als Paramātmā stän- zieht der sannyāsī von Tür zu Tür — weniger um des
dig im Innern gegenwärtig ist, daß Er alles sieht und daß Er Bettelns willen, als um die Haushälter zu besuchen und
immer weiß, was man zu tun gedenkt. Man muß daher der zum KŠa-Bewußtsein zu erwecken. Das ist die Pflicht
festen Überzeugung sein, daß KŠa sich einer Ihm eines sannyāsī. Wenn er tatsächlich fortgeschritten ist und
ergebenen Seele annehmen wird. Man sollte denken: "Ich es ihm von seinem spirituellen Meister so befohlen wurde,
werde niemals allein sein. Selbst wenn ich im tiefsten Wald sollte er KŠa-Bewußtsein mit Logik und Verständnis
lebe, wird mich KŠa begleiten und mir jeden Schutz predigen; wenn er jedoch nicht so weit fortgeschritten ist,
gewähren." Diese Überzeugung wird abhayam oder sollte er nicht den Lebensstand der Entsagung annehmen.
Furchtlosigkeit genannt und ist für einen Menschen im Aber selbst wenn er in den Lebensstand der Entsagung
Lebensstand der Entsagung unbedingt notwendig. Als eingetreten ist, ohne über ausreichendes Wissen zu
nächstes muß der sannyāsī seine Existenz läutern verfügen, sollte er sich völlig damit beschäftigen, von
(sattva-saˆśuddiƒ). Es gibt so viele Regeln und einem echten spirituellen Meister zu hören, um Wissen zu
Regulierungen, die im Lebensstand der Entsagung einge- kultivieren. Ein sannyāsī oder jemand im Lebensstand der
halten werden müssen. Am wichtigsten ist, daß es einem Entsagung muß in abhayam (Furchtlosigkeit),
sannyāsī streng verboten ist, mit einer Frau intime sattva-saˆśuddhiƒ (Reinheit) und jñāna-yoga (Wissen)
Beziehungen zu haben. Es ist ihm sogar verboten, mit einer verankert sein.
Frau an einem abgelegenen Ort zu sprechen. Śrī Caitanya Als nächstes kommt das Geben von Spenden. Mildtätigkeit
war ein vorbildlicher sannyāsī; als Er Sich in Puri aufhielt, ist für die Haushälter bestimmt. Die Haushälter sollten
war es Seinen weiblichen Geweihten nicht einmal gestattet, ihren Lebensunterhalt auf ehrliche Weise verdienen und
sich Ihm zu nähern, um Ihm ihre Achtung zu erweisen. Es fünfzig Prozent ihres Einkommens abgeben, um die
wurde ihnen gesagt, daß sie sich in angemessener Verbreitung von KŠa-Bewußtsein überall auf der Welt zu
Entfernung verneigen sollten. Das ist kein Zeichen von Haß unterstützen. Ein Haushälter sollte also solchen
gegen die Frauen als Klasse, sondern es ist eine strenge Gesellschaften Spenden zukommen lassen, die in dieser
Richtlinie, die dem sannyāsī auferlegt wird und ihm Weise tätig sind.
verbietet, engen Kontakt mit Frauen zu haben. Um seine Mildtätigkeit sollte den richtigen Empfänger erreichen. Wie
Existenz zu läutern, muß man den Regeln und später noch erklärt werden wird, gibt es verschiedene Arten
Regulierungen eines bestimmten Lebensstandes folgen. von Mildtätigkeit: Mildtätigkeit in den Erscheinungsweisen
Einem sannyāsī sind Beziehungen zu Frauen und der Besitz der Tugend, Leidenschaft und Unwissenheit. Mildtätigkeit
von Reichtümern als Mittel zur Sinnenbefriedigung streng in der Erscheinungsweise der Tugend wird in den Schriften
verboten. Śrī Caitanya Selbst war der ideale sannyāsī, und empfohlen, doch von Mildtätigkeit in den
wir können aus Seinem Leben lernen, daß Er in bezug auf Erscheinungsweisen der Leidenschaft und Unwissenheit
Frauen sehr streng war. Obwohl Er als die großmütigste wird abgeraten, da sie nichts als Geldverschwendung ist.
Inkarnation Gottes gilt, da Er die am tiefsten gefallenen Spenden sollten nur gegeben werden, um
bedingten Seelen annimmt, befolgte Er dennoch, was das KŠa-Bewußtsein überall auf der Welt zu verbreiten. Das
Zusammensein mit Frauen anging, streng die Regeln und ist Mildtätigkeit in der Erscheinungsweise der Tugend.
Regulierungen des sannyāsa-Lebensstandes. Als einer Damaƒ (Selbstbeherrschung) ist nicht nur für die anderen
Seiner persönlichen Gefährten, Cho˜a Haridāsa, der Lebensstände einer religiösen Gesellschaft bestimmt,
zusammen mit einigen anderen Gottgeweihten eine sehr sondern vor allem für den Haushälter. Obwohl er eine Frau
vertraute Beziehung zu Śrī Caitanya hatte, aus irgendeinem hat, sollte ein Haushälter seine Sinne nicht unnötig für
Grunde lustvoll nach einer jungen Frau schaute, war Śrī Sexualität gebrauchen. Es gibt selbst im Geschlechtsleben
Caitanya so streng, daß Er ihn sogleich aus der für die Haushälter Einschränkungen und sie sollten nur
Gemeinschaft Seiner persönlichen Gefährten ausschloß. Śrī miteinander verkehren, um Kinder zu zeugen. Wenn er
Caitanya sagte: "Es ist auf das schärfste zu verurteilen, keine Kinder benötigt, sollte er mit seiner Frau auch keine
wenn ein sannyāsī oder jemand, der danach strebt, den Sexualität genießen. Die moderne Gesellschaft genießt
Klauen der materiellen Natur zu entkommen und zurück Sexualität mit Hilfe empfangnisverhütender Mittel oder
nach Hause, zurück zu Gott, zu gehen, nach materiellem noch abscheulicherer Methoden, um der Verantwortung,
Besitz oder Frauen Ausschau hält, um seine Sinne zu die das Zeugen von Kindern mit sich bringt, aus dem Wege
befriedigen. Er braucht sie nicht einmal zu genießen — zu gehen. Das ist keine transzendentale Eigenschaft, son-
allein die Tatsache, daß er mit dieser Absicht auf sie blickt, dern dämonisch. Wenn jemand, selbst wenn er Haushälter
ist so verwerflich, daß er besser Selbstmord begangen hätte, ist, Fortschritte im spirituellen Leben machen will, muß er
297

seinen Geschlechtstrieb beherrschen und sollte kein Kind Studenten noch ihr eigenes ein. Aber diese Methode wird
zeugen, ohne KŠa damit dienen zu wollen. Wenn ein von den Veden nicht gutgeheißen.
Haushälter fähig ist, Kinder zu zeugen, die KŠa-bewußt Was Einfachheit betrifft, so sollte nicht nur ein bestimmter
werden, kann er Hunderte von Kinder zeugen, doch ohne Lebensstand, sondern jedes Mitglied der Gesellschaft
diese Fähigkeit — nur um seine Sinne zu befriedigen — diesem Prinzip folgen — ganz gleich ob es im
sollte man keinen Geschlechtsverkehr haben. brahmacarya-āśrama, ghastha-āśrama oder
Auch sollten die Haushälter Opfer darbringen, denn für vānaprastha-āśrama lebt.
Opfer sind große Geldbeträge erforderlich. Diejenigen, die Ahiˆsā bedeutet, das fortschreitende Leben eines
sich in den anderen Lebensständen befinden, nämlich Lebewesens nicht aufzuhalten. Man sollte nicht denken, da
brahmacarya, vānaprastha und sannyāsa, besitzen kein der spirituelle Funke nie getötet wird, selbst wenn man den
Geld; sie leben vom Betteln. Die Darbringung Körper tötet, dürfe man um der Sinnenbefriedigung willen
verschiedener Opfer ist also ausschließlich für die Haus- Tiere töten. Heutzutage sind die Menschen praktisch
hälter bestimmt. Sie sollten die in den vedischen Schriften süchtig danach, Tiere zu essen, obwohl ihnen ausreichende
vorgeschriebenen agnihotra-Opfer durchführen, doch sind Mengen an Getreide, Früchten und Milch zur Verfügung
solche Opfer in der heutigen Zeit sehr kostspielig, und stehen. Es besteht keine Notwendigkeit, Tiere zu
daher ist es keinem Haushälter möglich, sie durchzuführen. schlachten. Diese Anweisung gilt für jeden. Wenn es keine
Das für dieses Zeitalter empfohlene Opfer wird andere Möglichkeit gibt, mag man ein Tier töten, doch
saˆkīrtana-yajña genannt, das Chanten von Hare KŠa, dann sollte es als Opfer dargebracht werden. Auf jeden Fall
Hare KŠa, KŠa KŠa, Hare Hare / Hare Rāma, Hare — wenn es genügend Nahrungsmittel gibt, sollten
Rāma, Rāma Rāma, Hare Hare. Es ist das beste und am Menschen, die Fortschritte in spiritueller Erkenntnis
wenigsten aufwendige Opfer — jeder kann daran machen wollen, den Tieren keine Gewalt antun. Wirkliche
teilnehmen und seinen Nutzen daraus ziehen. Mildtätigkeit, ahiˆsā bedeutet, das fortschreitende Leben eines
Sinnenbeherrschung und die Darbringung von Opfern sind Lebewesens nicht aufzuhalten, denn auch die Tiere machen
also für die Haushälter bestimmt. Fortschritte im Evolutionsvorgang, indem sie von einer Art
Svādhyāyaƒ (das Studium der Veden), tapas (Enthaltung) des tierischen Lebens zur nächsten wandern. Wenn man ein
und ārjavam (Freundlichkeit bzw. Einfachheit) sind für das Tier tötet, hält man seinen Fortschritt auf. Ein Tier muß für
brahmacarya- oder Studentenleben bestimmt. Brahmacārīs eine bestimmte Anzahl von Tagen oder Jahren in einem
sollten keine Verbindung mit Frauen haben; sie sollten in bestimmten Körper bleiben, doch wenn es vorzeitig getötet
sexueller Enthaltsamkeit leben und den Geist mit dem wird, muß es noch einmal in die gleiche Lebensform
Studium der vedischen Schriften beschäftigen, um zurückkehren und dort die noch ausstehenden Tage
spirituelles Wissen zu kultivieren. Das nennt man verbringen, bevor es zur nächsten Lebensform erhoben
svādhyāyaƒ. werden kann. Ein Tier sollte also nicht daran gehindert
Tapas oder tapasya ist besonders für das Leben in werden, im Evolutionsvorgang aufzusteigen, nur weil man
Zurückgezogenheit bestimmt; man sollte nicht das ganze seinen Gaumen befriedigen will. Das ist ahiˆsā.
Leben Haushälter bleiben, sondern sich stets daran erin- Satyam. Dieses Wort bedeutet, daß man die Wahrheit nicht
nern, daß es vier Stufen des Lebens gibt: brahmacarya, aus persönlichen Motiven verdrehen soll. In der vedischen
ghastha, vānaprastha und sannyāsa. Nach dem Leben als Literatur gibt es einige schwierige Stellen, deren Bedeutung
ghastha oder Haushälter sollte man sich daher zu- und Sinn man von einem echten spirituellen Meister lernen
rückziehen. Wenn man hundert Jahre lebt, sollte man sollte. Das ist der Weg, die Veden zu verstehen. Śruti
fünfundzwanzig Jahre als Student verbringen, bedeutet, von einer Autorität zu hören. Man sollte daher
fünfundzwanzig Jahre im Haushälterleben, fünfundzwanzig keine Interpretation aus persönlichen Motiven vornehmen.
Jahre im zurückgezogenen Leben und fünfundzwanzig Es gibt viele Kommentare zur Bhagavad-gītā, die den
Jahre im Lebensstand der Entsagung. Das sind die ursprünglichen Text falsch auslegen. Die wahre Bedeutung
Regulierungen der religiösen Ordnung in der vedischen des Wortes sollte präsentiert werden, und das sollte man
Kultur. Jemand, der sich vom Haushälterleben von einem echten spirituellen Meister lernen.
zurückgezogen hat, muß sich Enthaltungen des Geistes, des Akrodhaƒ bedeutet, Zorn zu unterdrücken. Selbst wenn
Körpers und der Zunge auferlegen. Das wird tapasyā ge- man provoziert wird, sollte man duldsam sein, denn wenn
nannt. Die gesamte varŠāśrama-dharma-Gesellschaft ist man zornig ist, wird der ganze Körper vergiftet. Zorn ist ein
für tapasyā bestimmt. Ohne tapasyā kann kein Mensch Produkt der Erscheinungsweise der Leidenschaft und der
Befreiung erlangen. Die Theorie, Enthaltung sei im Leben Lust; wer in der Transzendenz verankert ist, sollte also
nicht notwendig, sondern man könne fortfahren, zu niemals Zorn in sich aufkommen lassen.
spekulieren und brauche sich um nichts zu sorgen, wird Apaiśunam bedeutet, nicht unnötig bei anderen Fehler zu
weder in den vedischen Schriften noch in der finden oder sie zu berichtigen. Einen Dieb als Dieb zu
Bhagavad-gītā unterstützt. Solche Theorien werden von bezeichnen hat natürlich nichts mit Fehlerfinden zu tun,
fadenscheinigen Spiritualisten fabriziert, die nur versuchen, doch wenn jemand, der im spirituellen Leben Fortschritt
viele Anhänger zu gewinnen. Sie befürchten, die Menschen machen will, einen ehrlichen Menschen als Dieb
würden von Einschränkungen, Regeln und Regulierungen bezeichnet, begeht er ein großes Vergehen.
abgeschreckt, und da sie unter dem Deckmantel der Hrīƒ bedeutet, sehr bescheiden zu sein und keine
Religion nur der Zurschaustellung wegen Anhänger abscheulichen Handlungen zu begehen.
gewinnen wollen, schränken sie weder das Leben ihrer Acāpalam (Entschlossenheit) bedeutet, bei Versuchen nicht
erregt oder frustriert zu werden. Ein Versuch mag
298

fehlerhaft sein, doch sollte man darüber nicht den Mut ihren eigenen Wünschen und erkennen keine Autorität an.
verlieren, sondern mit Geduld und Entschlossenheit Diese dämonischen Eigenschaften nehmen sie schon mit
weitermachen. dem Beginn des Körpers in den Schößen ihrer Mütter an,
Das Wort tejaƒ, das hier gebraucht wird, bezieht sich auf und während sie heranwachsen, treten all diese
die katriyas. Die katriyas sollten immer sehr stark sein, unheilvollen Eigenschaften deutlich hervor.
damit sie fähig sind, die Schwachen zu beschützen. Sie
sollten sich nicht als gewaltlos ausgeben. Wenn es VERS 5
notwendig ist, müssen Sie Gewalt anwenden.
Śaucam (Sauberkeit) bezieht sich nicht nur auf den Körper daivī sampad vimokāya
und den Geist, sondern auch auf das, was man tut. Dies gilt nibandhāyāsurī matā
besonders für Kaufleute, die nicht auf dem Schwarzmarkt mā śucaƒ sampadaˆ daivīm
handeln sollten. abhijāto'si pāŠava
Nātimānitā (keine Ehre erwarten) bezieht sich auf die
śūdras, die Arbeiterklasse, die nach den Unterweisungen daivī—transzendentale; sampat—Natur; vimokāya—für
der Veden als die niedrigste der vier Klassen gilt. Sie Befreiung bestimmt; nibandhāya—für Bindung; āsurī—
sollten nicht durch unnötiges Ansehen oder unnötige Ehre dämonische Eigenschaften; matā—es wird angesehen;
hochmütig werden, sondern in ihrem Stand bleiben. Es ist mā—nicht; śucaƒ—sorge dich; sampadam—Natur;
die Pflicht der śūdras, den höheren Klassen Achtung zu daivīm—transzendentale; abhijātaƒ—geboren; asi—du bist;
erweisen, damit die soziale Ordnung aufrechterhalten pāŠava—o Sohn PāŠus.
bleibt.
All diese sechzehn erwähnten Qualifikationen sind ÜBERSETZUNG
transzendentale Eigenschaften. Sie sollten in Entsprechung
zu den verschiedenen Einteilungen der sozialen Ordnung Die transzendentalen Eigenschaften führen zu
entwickelt werden, denn wenn alle Klassen diese Befreiung, wohingegen die dämonischen Eigenschaften
Eigenschaften durch Übung entwickeln, ist es trotz Gefangenschaft verursachen. Sorge dich nicht, o Sohn
schlechter materieller Bedingungen möglich, allmählich bis PāŠus, denn du bist mit den göttlichen Eigenschaften
zur höchsten Ebene transzendentaler Erkenntnis geboren.
aufzusteigen.
ERLÄUTERUNG
VERS 4
Śrī KŠa ermutigte Arjuna, indem Er ihm mitteilte, daß er
dambho darpo'bhimānaś ca nicht mit dämonischen Eigenschaften geboren sei. Seine
krodhaƒ pāruyam eva ca Teilnahme am Kampf war nicht dämonisch, denn er wägte
ajñānaˆ cābhijātasya Für und Wider sorgfältig ab. Er erwog, ob achtbare
pārtha sampadam āsurīm Persönlichkeiten, wie Bhīma und DroŠa, getötet werden
sollten oder nicht, er handelte also nicht unter dem Einfluß
dambhaƒ—Stolz; darpaƒ—Hochmut; abhimānaƒ— von Zorn, falschem Prestige oder Grobheit. Er war daher
Selbstgefälligkeit; ca—und; krodaƒ—Zorn; pāruyam— nicht von dämonischer Natur. Für einen katriya, einen
Grobheit; eva—gewiß; ca—und; ajñānam—Unwissenheit; Krieger, ist es transzendental, seine Feinde mit Pfeilen zu
ca—und; abhijātasya—jemand, der geboren ist; pārtha—o beschießen, und sich dieser Pflicht zu entziehen, ist dämo-
Sohn Pthās; sampadam—Natur; āsurīm—dämonisch. nisch. Daher gab es für Arjuna keinen Grund zu klagen.
Jeder, der die regulierenden Prinzipien befolgt, die für seine
ÜBERSETZUNG jeweilige Klasse gelten, ist in der Transzendenz verankert.

Hochmut, Stolz, Zorn, Selbstgefälligkeit, Grobheit und VERS 6


Unwissenheit sind die Eigenschaften der Menschen, die
von dämonischer Natur sind, o Sohn Pthās. dvau bhūta-sargau loke'smin
daiva āsura eva ca
ERLÄUTERUNG daivo vistaraśaƒ prokta
āsuraˆ pārtha me śŠu
In diesem Vers wird die königliche Straße zur Hölle
beschrieben. Die Dämonen wollen mit Religion und dvau—zwei; bhūta-sargau—erschaffene Lebewesen;
Fortschritt in der spirituellen Wissenschaft prahlen, obwohl loke—in dieser Welt; asmin—dies; daivaƒ—göttlich;
sie die vorgeschriebenen Prinzipien nicht befolgen. Sie sind āsuraƒ—dämonisch; eva—gewiß; ca—und; daivaƒ—
immer hochmütig oder stolz, daß sie über eine sogenannte göttlich; vistaraśaƒ—sehr ausführlich; proktaƒ—gesagt;
Bildung verfügen oder so viel Reichtum besitzen. Sie āsuram—dämonisch; pārtha—o Sohn Pthās; me—von Mir;
wollen von anderen verehrt werden und verlangen Respekt, śŠu—höre nur.
obwohl ihnen kein Respekt gebührt. Sie ärgern sich über
unwesentliche Dinge, werden leicht grob und sind ÜBERSETZUNG
unfreundlich. Sie wissen nicht, was getan und was nicht
getan werden sollte. Sie handeln stets launenhaft und nach
299

O Sohn Pthās, in dieser Welt gibt es zwei Arten von wenn ihnen einige von diesen Regeln bekannt sind, haben
Lebewesen. Die einen nennt man göttlich und die sie kein Interesse, sie zu beachten. Sie haben keinen
anderen dämonisch. Ich habe dir bereits ausführlich die Glauben und sind nicht gewillt, im Sinne der vedischen
göttlichen Eigenschaften erklärt. Höre jetzt von Mir Unterweisungen zu handeln. Die Dämonen sind weder
über die dämonischen. äußerlich noch innerlich sauber. Man sollte immer darauf
achten, seinen Körper sauberzuhalten, indem man badet,
ERLÄUTERUNG sich die Zähne putzt, die Kleidung wechselt, usw. Um
innerlich sauber zu sein, sollte man sich ständig an die
Nachdem Śrī KŠa Arjuna versichert hat, daß dieser mit Heiligen Namen Gottes erinnern und Hare KŠa, Hare
göttlichen Eigenschaften geboren war, beschreibt Er jetzt KŠa, KŠa KŠa, Hare Hare / Hare Rāma, Hare Rāma,
die Eigenschaften der Dämonen. Die bedingten Lebewesen Rāma Rāma, Hare Hare chanten. Die Dämonen halten nicht
dieser Welt werden in zwei Gruppen unterteilt. Diejenigen, viel von all diesen Regeln für innere und äußere Sauberkeit
die mit göttlichen Eigenschaften geboren sind, führen ein und befolgen sie daher auch nicht.
reguliertes Leben, das heißt, sie richten sich nach den Es gibt viele Verhaltensmaßregeln und Anweisungen, die
Anweisungen der Schriften und Autoritäten. Man sollte das Leben des Menschen bestimmen. Die Manu-saˆhitā
Pflichten im Licht der autoritativen Schriften ausführen; zum Beispiel, das Gesetzbuch der Menschheit, ist eine
diese Haltung wird göttlich genannt. Wer den regulierenden solche Schrift, und die Hindus folgen ihr sogar noch heute.
Prinzipien nicht folgt, wie sie in den Schriften niedergelegt Erbrechte und andere Gesetze sind diesem Buch
sind, sondern launenhaft handelt, wird als dämonisch oder entnommen. In der Manu-saˆhitā heißt es klar, daß den
asurisch bezeichnet. Es gibt kein anderes Kriterium als Frauen keine Freiheit gegeben werden sollte. Dies bedeutet
Gehorsam gegenüber den regulierenden Prinzipien der nicht, daß man sie wie Sklaven halten soll; doch sie sind
Schriften. Es wird in den vedischen Schriften erwähnt, daß wie Kinder. Kindern gewährt man keine Freiheit, aber das
sowohl die Halbgötter als auch die Dämonen vom Prajāpati bedeutet nicht, daß man sie wie Sklaven hält. Die Dämonen
geboren wurden; der einzige Unterschied zwischen ihnen vernachlässigen diese Anweisung und sind der Ansicht,
besteht darin, daß die einen den vedischen Anweisungen man sollte den Frauen ebensoviel Freiheit gewähren wie
gehorchen und die anderen nicht. den Männern. Dieses Verhalten hat die sozialen Zustände
der Welt jedoch nicht verbessert. Eigentlich sollte eine Frau
VERS 7 in jedem Stadium ihres Lebens beschützt werden. In der
Kindheit sollte sie von ihrem Vater beschützt werden, in
pravttiˆ ca nivttiˆ ca der Jugend von ihrem Ehemann und im Alter von ihren
janā na vidur āsurāƒ erwachsenen Söhnen. Dies ist nach der Manu-saˆhitā das
na śaucaˆ nāpi cācāro richtige soziale Verhalten. Die moderne Erziehung hat
na satyaˆ teu vidyate jedoch künstlich eine eingebildete Auffassung vom Leben
der Frau entworfen, und daher ist heute eine glückliche Ehe
pravttim—richtige Handlung; ca—auch; nivttim—falsche in der menschlichen Gesellschaft praktisch nur noch ein
Handlung; ca—und; janāƒ—Menschen; na—niemals; schöner Traum. Ebenso ist die moralische Verfassung der
viduƒ—wisse; āsurāƒ—von dämonischer Natur; na— Frau heute nicht sehr gut. Die Dämonen nehmen also keine
niemals; śaucam—Sauberkeit; na—auch nicht; api—auch; Anweisung an, die für die Gesellschaft gut ist, und weil sie
ca—und; ācāraƒ—Benehmen; na—niemals; satyam— den Erfahrungen der großen Weisen und den Regeln und
Wahrheit; teu—in ihnen; vidyate—gibt es. Regulierungen, die von ihnen niedergelegt worden sind,
nicht folgen, sind die sozialen Verhältnisse der
ÜBERSETZUNG dämonischen Menschen recht erbärmlich.

Die Dämonen wissen nicht, was getan werden muß und VERS 8
was nicht getan werden darf. In ihnen ist weder
Sauberkeit noch richtiges Betragen, noch Wahrheit zu asatyam aprati˜haˆ te
finden. jagad āhur anīśvaram
aparaspara-sambhūtaˆ
ERLÄUTERUNG kim anyat kāma-haitukam

In jeder zivilisierten menschlichen Gesellschaft gibt es eine asatyam—unwirklich; aprati˜ham—ohne Grundlage; te—
Reihe von Regeln und Regulierungen, die in den Schriften sie; jagat—die kosmische Manifestation; āhuƒ—wird
niedergelegt sind und schon seit Beginn der Schöpfung beschrieben; anīśvaram—ohne Herrscher; aparaspara—
befolgt werden. Besonders die Āryas, die die vedische durch gegenseitige Lust; sambhūtam—verursacht; kim
Zivilisation annehmen und als die fortgeschrittensten und anyat—es gibt keine andere Ursache; kāma-haitukam—sie
zivilisiertesten Menschen gelten, folgen diesen ist nur auf Lust zurückzuführen.
Vorschriften. Diejenigen, die die Unterweisungen der
Schriften nicht befolgen, werden als Dämonen angesehen. ÜBERSETZUNG
Deshalb heißt es hier, daß die Dämonen weder die Regeln
der Schriften kennen noch die Neigung haben, ihnen zu Sie sagen, die Welt sei unwirklich; sie habe keinen
folgen. Die meisten von ihnen kennen sie nicht, und selbst Ursprung und es gebe keinen Gott, der sie beherrsche.
300

Sie sei durch sexuelles Verlangen erzeugt worden und māŠaƒ—in schmerzhaften Tätigkeiten; kayāya—für
habe keine andere Ursache als Lust. Zerstörung; jagataƒ—der Welt; ahitāƒ—nachteilig.

ERLÄUTERUNG ÜBERSETZUNG

Die Dämonen gelangen zum Schluß, die Welt sei ein Weil sie sich nach solchen Schlußfolgerungen richten,
Trugbild. Es gebe keine Ursache, keine Wirkung, keine gehen die Dämonen, die sich selbst ausgeliefert sind und
Kontrolle und keinen Sinn: alles sei unwirklich. Sie sagen, keine Intelligenz haben, abscheulichen, unheilvollen
die kosmische Manifestation sei durch zufällige materielle Tätigkeiten nach, die dafür bestimmt sind, die Welt zu
Aktionen und Reaktionen entstanden. Sie glauben nicht, zerstören.
daß die Welt von Gott für einen bestimmten Zweck
geschaffen wurde. Sie haben ihre eigene Theorie, nach der ERLÄUTERUNG
die Welt von selbst entstanden sei und es keinen Grund
gebe zu glauben, daß hinter ihr ein Gott steht. Für sie gibt Die Dämonen gehen Tätigkeiten nach, die die Welt ins
es keinen Unterschied zwischen spiritueller Natur und Verderben stürzen werden. Der Herr sagt hier, daß sie
Materie, und sie erkennen das Höchste Spirituelle Wesen weniger intelligent sind. Die Materialisten, die keine
nicht an. Sie sagen, alles sei nur Materie und der gesamte Vorstellung von Gott haben, glauben, sie würden
Kosmos eine Masse von Unwissenheit. Ihrer Ansicht nach Fortschritte machen, doch den Lehren der Bhagavad-gītā
ist alles leer, und alle existierenden Manifestationen zufolge sind sie unintelligent und ohne jede Vernunft. Sie
beruhen nur auf unserer Unwissenheit bei der versuchen, die materielle Welt bis zum äußersten zu
Wahrnehmung. Sie halten es für erwiesen, daß jegliche genießen, und erfinden daher immer wieder etwas Neues
Manifestation von Vielfalt eine Entfaltung von für die Befriedigung ihrer Sinne. Solche materialistischen
Unwissenheit ist. Sie vergleichen das Leben mit einem Erfindungen gelten als Fortschritt der menschlichen
Traum, in dem wir so viele Dinge sehen, die in Gesellschaft, doch als Folge solcher Erfindungen werden
Wirklichkeit nicht existieren. Wenn wir aufwachen, werden die Menschen immer gewalttätiger und grausamer —
wir erkennen, daß alles nur ein Traum war. Aber obwohl grausam zu Tieren und grausam zu anderen Menschen. Sie
die Dämonen sagen, das Leben sei nur ein Traum, sind sie haben keine Ahnung, wie sie sich anderen Lebewesen
sehr geschickt darin, diesen Traum zu genießen, und statt gegenüber zu verhalten haben. Unter dämonischen
Wissen zu erwerben, verstricken sie sich immer mehr in ihr Menschen ist das Töten von Tieren sehr häufig. Solche
Traumland. Ihrer Ansicht nach ist ein Kind lediglich die Menschen sind als Feinde der Welt anzusehen, da sie früher
Folge eines Geschlechtsverkehrs zwischen Mann und Frau, oder später etwas erfinden oder schaffen werden, was allen
und so ziehen sie den Schluß, die Welt sei ohne eine Seele die Vernichtung bringen wird. Indirekt sagt dieser Vers die
geboren. Sie glauben, sie sei nur eine Verbindung von Erfindung der Nuklearwaffen voraus, auf die heute die
Materie, die die Lebewesen erzeugt habe; von der Existenz ganze Welt so stolz ist. Jeden Augenblick kann ein Krieg
einer Seele könne keine Rede sein. Ebenso wie viele ausbrechen, in dem diese atomaren Waffen verheerenden
Geschöpfe ohne Ursache aus Schweiß und aus einem toten Schaden anrichten können. Solche Dinge werden einzig
Körper entständen, so sei auch die gesamte lebendige Welt und allein für die Zerstörung der Welt geschaffen, und das
aus den materiellen Verbindungen der kosmischen wird hier angedeutet. Derartige Waffen werden erfunden,
Manifestation entstanden. Daher sei die materielle Natur wenn die menschliche Gesellschaft gottlos ist; sie sind nicht
die Ursache dieser Manifestation und es gebe keine andere für den Frieden und den Wohlstand der Welt bestimmt.
Ursache. Sie glauben nicht an die Worte KŠas in der
Bhagavad-gītā: mayādhyakeŠa praktiƒ sūyate VERS 10
sa-carācaram. "Unter Meiner Führung bewegt sich die
gesamte materielle Welt". Mit anderen Worten, die kāmam āśritya dupūraˆ
Dämonen haben kein vollkommenes Wissen von der dambha-māna-madānvitāƒ
Schöpfung der Welt; jeder von ihnen hat seine eigene mohād ghītvāsad-grāhān
Theorie. Ihrer Meinung nach ist eine Interpretation der pravartante'śuci-vratāƒ
Schriften so gut wie die andere, denn sie glauben nicht, daß
es festgelegt und vorgeschrieben ist, wie die kāmam—Lust; āśritya—Zuflucht suchend bei; dupūram—
Unterweisungen der Schriften zu verstehen sind. unersättlich; dambha—Stolz; māna—falsches Prestige;
mada-anvitāƒ—nur an Täuschung denkend; mohāt—durch
VERS 9 Illusion; ghītvā—nehmend; asat—unbeständige; grāhān—
Dinge; pravartante—gedeihen; aśuci—unsauber; vratāƒ—
etāˆ d˜im ava˜abhya verschworen.
na˜ātmāno'lpa-buddhayaƒ
prabhavanty ugra-karmāŠaƒ ÜBERSETZUNG
kayāya jagato'hitāƒ
Die Dämonen, die bei unersättlicher Lust, Stolz und
etām—so; d˜im—Sicht; ava˜abhya—annehmend; falschem Prestige Zuflucht suchen und sich so in Illusion
na˜a—verloren; ātmānaƒ—Selbst; alpa-buddhayaƒ— befinden, sind unsauberer Arbeit verschworen und
weniger intelligent; prabhavanti-gedeihen; ugra-kar- fühlen sich zum Unbeständigen hingezogen.
301

ERLÄUTERUNG ERLÄUTERUNG

Hier wird die Mentalität der dämonischen Menschen Die Dämonen glauben, der Genuß der Sinne sei das
beschrieben. Die Lust der Dämonen kann niemals gesättigt endgültige Ziel des Lebens, und diese Auffassung vertreten
werden, und so steigern sich ihre unersättlichen Wünsche sie bis zum Tode. Sie glauben nicht an ein Leben nach dem
nach materiellem Genuß immer mehr. Obwohl sie ständig Tode, und daher glauben sie auch nicht, daß man seinem
voller Ängste sind, weil sie unbeständige Dinge karma oder Tun in dieser Welt gemäß verschiedene Körper
akzeptieren, gehen sie in ihrer Illusion weiterhin solchen annimmt. Ihre Pläne fürs Leben haben kein Ende, und sie
Tätigkeiten nach. Sie haben kein Wissen und können nicht schmieden ständig neue Pläne, die nie zu Ende geführt
erkennen, daß sie sich auf dem falschen Weg befinden. Da werden. Wir haben einen Menschen von solch dämonischer
solche dämonischen Menschen unbeständige Dinge Mentalität erlebt, der noch im Augenblick des Todes den
akzeptieren, schaffen sie sich ihren eigenen Gott und ihre Arzt bat, sein Leben um vier Jahre zu verlängern, weil
eigenen Hymnen. Als Folge davon fühlen sie sich immer seine Pläne noch nicht vollendet waren. Solch verblendete
mehr zu zwei Dingen hingezogen: zu sexuellem Genuß und Menschen wissen nicht, daß ein Arzt das Leben nicht
zur Anhäufung von materiellem Reichtum. Das Wort einmal um eine Sekunde verlängern kann. Wenn die Zeit
aśuci-vratāƒ, unsauberes Gelübde, ist in diesem abgelaufen ist, werden die Wünsche eines Menschen nicht
Zusammenhang sehr bedeutsam. Solche dämonischen berücksichtigt. Die Gesetze der Natur erlauben es ihm
Menschen fühlen sich nur zu Wein, Frauen, Glücksspiel nicht, auch nur eine Sekunde länger zu genießen als ihm
und Fleischessen hingezogen; das sind ihre aśuci, bestimmt ist.
unsauberen Gewohnheiten. Von Stolz und falschem Der dämonische Mensch, der keinen Glauben an Gott oder
Prestige getrieben, schaffen sie sich religiöse Prinzipien, die Überseele in seinem Innern hat, begeht alle Arten von
die mit den vedischen Unterweisungen nicht Sünden, nur um seine Sinne zu befriedigen. Er weiß nichts
übereinstimmen. Obwohl solche Menschen höchst vom Zeugen, der in seinem Herzen weilt. Die Überseele
verabscheuenswert sind, werden sie durch künstliche Mittel beobachtet die Tätigkeiten der individuellen Seele. In den
von der Welt mit falscher Ehre bedacht, und obwohl sie zur vedischen Schriften, den Upaniaden, wird erklärt, daß die
Hölle hinabgleiten, halten sie sich für sehr fortgeschritten. Überseele und die jīva-Seele wie zwei Vögel sind, die auf
dem Baum des Körpers sitzen. Die individuelle Seele
VERS 11-12 handelt und genießt oder erleidet die Früchte der Zweige,
während die Überseele als Zeuge ihre Handlungen
cintām aparimeyāˆ ca beobachtet. Wer jedoch von dämonischer Natur ist, kennt
pralayāntām upāśritāƒ die vedischen Schriften nicht und hat nicht den geringsten
kāmopabhoga-paramā Glauben. Folglich denkt er, er habe die Freiheit, alles zu
etāvad iti niścitāƒ tun, was seine Sinne befriedigt, ungeachtet der Folgen.

āśā-pāśa-śatair baddhāƒ VERS 13-15


kāma-krodha-parāyaŠāƒ
īhante kāma-bhogārtham idam adya mayā labdham
anyāyenārtha-sañcayān imaˆ prāpsye manoratham
idam astīdam api me
cintām—Ängste und Sorgen; aparimeyām—unermeßliche; bhaviyati punar dhanam
ca—und; pralaya-antām—bis zum Punkt des Todes;
upāśritāƒ—bei ihnen Zuflucht gesucht habend; asau mayā hataƒ śatrur
kāma-upabhoga—Sinnenbefriedigung; paramāƒ—das haniye cāparān api
höchste Ziel des Lebens; etāvat—so; iti—auf diese Weise; īśvaro'ham ahaˆ bhogī
niścitāƒ—versichern; āśā-pāśa—Verstrickung in das siddho'haˆ balavān sukhī
Netzwerk der Hoffnung; śataiƒ—durch Hunderte;
baddhāƒ—gebunden; kāma—Lust; krodha—Zorn; āhyo'bhijanavān asmi
parāyaŠāƒ—immer mit dieser Geisteshaltung; īhante— ko'nyo'sti sadśo mayā
Wünsche; kāma—Lust; bhoga—Sinnengenuß; artham-zu yakye dāsyāmi modiya
diesem Zweck; anyāyena—illegal; artha—Reichtum; ity ajñāna-vimohitāƒ
sañcayān—häufen an.
idam—dieses; adya—heute; mayā—von mir; labdham—
ÜBERSETZUNG gewonnen; imam—jenes; prāpsye—ich werde gewinnen;
manoratham—meinen Wünschen gemäß; idam—dieses;
Sie glauben, die Sinne bis ans Ende des Lebens zu asti—ist da; idam—dieses; api-auch; me—mein;
befriedigen sei die größte Notwendigkeit der bhaviyati—wird in der Zukunft anwachsen; punaƒ—
menschlichen Zivilisation. Daher haben ihre Sorgen wieder; dhanam—Reichtum; asau-jener; mayā—von mir;
kein Ende. Durch Hunderttausende von Wünschen und hataƒ—ist getötet worden; śatruƒ—Feind; haniye—ich
durch Lust und Zorn gebunden, sichern sie sich mit werde töten; ca-auch; aparān—andere; api-gewiß;
illegalen Mitteln Geld für Sinnenbefriedigung. īśvaraƒ—der Herr; aham—ich bin; aham—ich bin; bhogī—
302

der Genießer; siddhaƒ—vollkommen; aham—ich bin; Ursachen, die in der Vergangenheit liegen. Er denkt, daß er
balavān—mächtig; sukhī-glücklich; āhyaƒ—reich; durch eigene Bemühung zu seinem Reichtum gekommen
abhijanavān—von adligen Verwandten umgeben; asmi— sei. Ein dämonischer Mensch glaubt an die Macht seiner
ich bin; kaƒ—wer sonst; anyaƒ-anderer; asti—ist da; eigenen Arbeit und nicht an das Gesetz des karma. Nach
sadsaƒ—wie; mayā—ich; yakye—ich werde opfern; dem Gesetz des karma wird ein Mensch als Folge seiner
dāsyāmi—ich werde als Spende geben; modiye—ich werde guten Werke in der Vergangenheit in einer hohen Familie
genießen; iti—so; ajñāna—Unwissenheit; vimohitāƒ— geboren oder mit Reichtum, Bildung oder körperlicher
verführt durch. Schönheit gesegnet. Der Dämon denkt, all diese Dinge
seien Zufall und hätten ihre Ursache in seinen persönlichen
ÜBERSETZUNG Fähigkeiten. Es sieht keine ordnende Hand hinter der
Vielfalt von Menschen, Schönheit, Bildung usw. Jeder, der
Der dämonische Mensch denkt: „So viel Reichtum mit einem solchen dämonischen Menschen konkurriert, ist
besitze ich heute, und nach meinen Plänen werde ich dessen Feind. Es gibt viele Dämonen, und jeder ist der
noch mehr erlangen. So viel gehört mir jetzt, und es Feind des anderen. Diese Feindschaft wächst ständig — erst
wird in Zukunft mehr und mehr werden. Er ist mein zwischen Personen, dann zwischen Familien, zwischen
Feind, und ich habe ihn umgebracht, und meinen Gesellschaften und schließlich zwischen Nationen. Deshalb
anderen Feind werde ich ebenfalls töten. Ich bin der gibt es überall auf der Welt fortwährend Feindschaft, Streit
Herr über alles; ich bin der Genießer; ich bin vollkom- und Krieg.
men, mächtig und glücklich. Ich bin der reichste Mann, Jeder dämonische Mensch denkt, er könne auf Kosten aller
umgeben von adligen Verwandten. Niemand ist so anderen leben. Im allgemeinen hält sich der dämonische
glücklich und mächtig wie ich. Ich werde Opfer Mensch selbst für den Höchsten Gott, und ein dämonischer
darbringen; ich werde einige Spenden geben, und so Prediger wird seinen Anhängern verkünden: "Warum sucht
werde ich genießen.“ Auf diese Weise werden solche ihr Gott woanders? Ihr selbst seid Gott! Tut, was Euch
Menschen durch Unwissenheit getäuscht. gefällt! Glaubt nicht an Gott! Werft Gott fort! Gott ist tot!"
So lauten die Predigten der Dämonen. Obwohl der dämoni-
VERS 16 sche Mensch sieht, daß andere ebenso wohlhabend und
einflußreich sind wie er selbst — oder ihn sogar übertreffen
aneka-citta-vibhrāntā — glaubt er, niemand sei reicher und habe mehr Einfluß als
moha-jāla-samāvtāƒ er. Er glaubt nicht, daß er durch die Darbringung von
prasaktāƒ kāma-bhogeu yajñas (Opfern) zu höheren Planeten erhoben werden kann.
patanti narake'śucau Die Dämonen denken, sie könnten sich ihre eigenen yajñas
schaffen und eine Maschine bauen, mit deren Hilfe sie
aneka—zahlreiche; citta-vibhrāntāƒ—von Ängsten fähig seien, jeden beliebigen höheren Planeten zu erreichen.
verwirrt; moha—von Illusionen; jāla—von einem Das beste Beispiel für einen solchen Dämonen ist RāvaŠa.
Netzwerk; samāvtāƒ—umgeben; prasaktāƒ—angehaftet; Er hatte den Plan, eine Treppe zu bauen, mit deren Hilfe es
kāma—Lust; bhogeu—Sinnenbefriedigung; patanti— jedem möglich sein sollte, die höheren Planetensysteme zu
gleiten hinab; narake—in die Hölle; aśucau—unsauber. erreichen, ohne Opfer darzubringen, wie sie in den Veden
vorgeschrieben sind. Auch in der heutigen Zeit versuchen
ÜBERSETZUNG dämonische Menschen, die höheren Planetensysteme durch
mechanische Vorrichtungen zu erreichen. Solche Versuche
So von vielfachen Ängsten verwirrt und in einem sind Beispiele von Verwirrung. Als Folge davon gleiten sie,
Netzwerk von IIlusionen gefangen, wird man zu stark ohne es zu wissen, in die Hölle hinab. In diesem
an Sinnengenuß angehaftet und fällt in die Hölle hinab. Zusammenhang ist das Sanskritwort moha-jāla sehr
wichtig. Jāla bedeutet Netz. Wie für Fische, die in einem
ERLÄUTERUNG Netz gefangen sind, gibt es für solche Menschen kein
Entrinnen.
Der dämonische Mensch kennt in seinem Verlangen, Geld
anzuhäufen, keine Grenzen. Dieses Verlangen ist VERS 17
grenzenlos. Er denkt nur daran, wieviel Besitz er jetzt hat,
und schmiedet Pläne, wie er seinen Reichtum noch mehr ātma-sambhāvitāƒ stabdhā
vergrößern kann. Aus diesem Grunde zögert er nicht, jede dhana-māna-madānvitāh
beliebige Sünde zu begehen, und macht sogar auf dem yajante nāma-yajñais te
Schwarzmarkt Geschäfte, um seine Sinne auf illegale dambhenāvidhi-pūrvakam
Weise zu befriedigen. Er ist von den Besitztümern
verblendet, die er bereits sein eigen nennt, wie zum Bei- ātma-sambhāvitāƒ—selbstgefällig; stabdhāh—
spiel Land, Familie, Haus und Bankkonto, und er plant unverschämt; dhana-māna—Reichtum und falsches
ständig, seinen Besitz zu vergrößern. Ein Dämon vertraut Prestige; mada-anvitāƒ—stolzerfüllt; yajante—führen
auf seine eigene Stärke, denn er weiß nicht, daß er alles, Opfer aus; nāma—nur dem Namen nach; yajñaiƒ—mit
was er gewinnt, aufgrund vergangener guter Taten solchem Opfer; te—sie; dambhena—aus Stolz;
bekommt. Ihm wird zwar die Gelegenheit gegeben, solche avidhi-pūrvakam—ohne irgendwelchen Regeln und
Dinge anzuhäufen, aber er hat keine Vorstellung von den Regulierungen zu folgen.
303

Weil ein dämonischer Mensch immer gegen Gottes höchste


ÜBERSETZUNG Stellung ist, will er den Schriften keinen Glauben schenken.
Er beneidet sowohl die Schriften als auch die Existenz der
Selbstgefällig und immer unverschämt, von Reichtum Höchsten Persönlichkeit Gottes. Der Grund für diese
und falschem Prestige getäuscht, bringen sie manchmal Haltung ist sein sogenanntes Prestige, sein angesammelter
Opfer nur dem Namen nach dar, ohne irgendwelche Reichtum und seine Kraft. Er weiß nicht, daß das
Regeln und Regulierungen zu beachten. gegenwärtige Leben die Vorbereitung auf das nächste ist.
Weil er davon keine Kenntnis hat, mißachtet er im Grunde
ERLÄUTERUNG sein eigenes Selbst und das anderer. Er tut anderen Körpern
und seinem eigenen Gewalt an. Er kümmert sich nicht um
Die Dämonen vollziehen manchmal sogenannte religiöse die höchste Kontrolle der Persönlichkeit Gottes, denn er hat
Rituale oder Opferriten, wobei sie sich für das ein und alles kein Wissen. Weil er die Schriften und die Höchste
halten und sich um keine Autorität oder Schrift kümmern. Persönlichkeit Gottes beneidet, erhebt er gegen die Existenz
Und da sie keine Autorität anerkennen, sind sie sehr Gottes falsche Argumente und lehnt die Autorität der
unverschämt. Eine solche Mentalität ist die Folge von Schriften ab. Er hält sich bei allem, was er tut, für
Illusion, die durch angehäuften Reichtum und falsches unabhängig und mächtig. Er denkt, weil niemand ihm an
Prestige entsteht. Manchmal übernehmen solche Dämonen Stärke, Macht oder Reichtum gleichkomme, könne er nach
die Rolle von Predigern, führen die Menschen in die Irre Belieben handeln und niemand könne ihn dabei aufhalten.
und werden sogar als religiöse Reformer und Inkarnationen Wenn er einen Feind hat, der die Befriedigung seiner Sinne
Gottes bekannt. Sie machen eine Schau von behindern könnte, schmiedet er Pläne, ihn aus dem Weg zu
Opferdarbringungen, verehren die Halbgötter oder schaffen.
fabrizieren sich ihren eigenen Gott. Gewöhnliche
Menschen verkünden, solche Heuchler seien Gott, und VERS 19
verehren sie, und die Dummen glauben, sie seien in den
Prinzipien der Religion bzw. des spirituellen Wissens tān ahaˆ dviataƒ krūrān
fortgeschritten. Sie nehmen das Gewand derer, die im saˆsāreu narādhamān
Lebensstand der Entsagung stehen, und treiben in diesem kipāmy ajasram aśubhān
Gewand allen möglichen Unsinn. Für jemand, der dieser āsurīv eva yoniu
Welt tatsächlich entsagt hat, gibt es viele Einschränkungen;
die Dämonen jedoch kümmern sich nicht um solche tān—jene; aham—Ich; dviataƒ—neidisch; krūrān—übel
Einschränkungen. Sie glauben, jeder könne seinen eigenen gesinnt; saˆsāreu—in den Ozean des materiellen Daseins;
Weg erfinden und gehen und es gebe nicht so etwas wie narādhamān—die Niedrigsten der Menschheit; kipāmi—
einen vorgeschriebenen Pfad, dem man folgen müsse. Das werfe; ajasram—unzählig; aśubhān—unglückbringend;
Wort avidhi-pūrvakam, das auf die Vernachlässigung der āsurīu—dämonisch; eva—gewiß; yoniu—in die Schöße.
Regeln und Regulierungen hinweist, wird hier besonders
betont. Alle diese Dinge haben ihre Ursache in ÜBERSETZUNG
Unwissenheit und Illusion.
Die Neidischen und Boshaften, die die Niedrigsten unter
VERS 18 den Menschen sind, werden von Mir in den Ozean der
materiellen Existenz in verschiedene dämonische Arten
aha‰kāraˆ balaˆ darpaˆ des Lebens geworfen.
kāmaˆ krodhaˆ ca saˆśritāƒ
mām ātma-para-deheu ERLÄUTERUNG
pradvianto'bhyasūyakāƒ
In diesem Vers wird klar darauf hingewiesen, daß es das
aha‰kāram—falsches Ego; balam—Stärke; darpam—Stolz; Vorrecht des höchsten Willens ist, eine bestimmte
kāmam—Lust; krodham—Zorn; ca—auch; saˆśritāƒ— individuelle Seele in einen bestimmten Körper zu setzen.
Zuflucht gesucht habend bei; mām—Mich; ātma—im Der dämonische Mensch mag nicht damit einverstanden
eigenen; para-deheu—in anderen Körpern; pradviantaƒ— sein, die Oberhoheit des Herrn anzuerkennen, und es ist
lästert; abhyasūyakāƒ—neidisch. auch eine Tatsache, daß er nach seinen eigenen Launen
handeln mag, doch seine nächste Geburt wird von der
ÜBERSETZUNG Entscheidung der Höchsten Persönlichkeit Gottes
abhängen, nicht von seiner eigenen. Im Śrīmad
Verwirrt durch falsches Ego, Stärke, Stolz, Lust und Bhāgavatam heißt es im Dritten Canto, daß die individuelle
Zorn, wird der Dämon neidisch auf den Herrn, die Seele nach dem Tod in den Schoß einer Mutter gesetzt
Höchste Persönlichkeit Gottes, der in seinem eigenen wird, wo sie unter der Aufsicht einer höheren Macht einen
Körper und in den Körpern der anderen gegenwärtig bestimmten Körper bekommt. Deshalb finden wir in der
ist, und lästert die wirkliche Religion. materiellen Existenz so viele Arten wie Insekten,
Säugetiere, Menschen usw. Sie alle bekommen von der
ERLÄUTERUNG höheren Macht ihren Platz zugewiesen. Sie entstehen nicht
zufällig. Es wird hier eindeutig gesagt, daß die
304

dämonischen Menschen immer wieder in die Schöße von


Dämonen gesetzt werden, und so bleiben sie weiter tri-vidhaˆ narakasyedaˆ
neidisch und die Niedrigsten der Menschheit. Solche dvāraˆ nāśanam ātmanaƒ
dämonischen Lebensformen sind immer voller Lust, immer kāmaƒ krodhas tathā lobhas
gewalttätig und haßerfüllt und immer unsauber. Sie sind tasmād etat trayaˆ tyajet
wie wilde Tiere im Dschungel.
tri-vidham—drei Arten von; narakasya—höllisch; idam—
VERS 20 diese; dvāram—Tore; nāśanam—zerstörerisch; ātmanaƒ—
für das Selbst; kāmaƒ—Lust; krodhaƒ—Zorn; tathā—
āsurīˆ yonim āpannā sowie; lobhaƒ—Gier; tasmāt—deshalb; etat—diese;
mūhā janmani janmani trayam—drei; tyajet—muß aufgeben.
mām aprāpyaiva kaunteya
tato yānty adhamāˆ gatim ÜBERSETZUNG

āsurīm—dämonische; yonim—Arten; āpannāƒ— Es gibt drei Tore, die zu dieser Hölle führen — Lust,
bekommend; mūdhāƒ—die Dummköpfe; janmani Zorn und Gier. Jeder vernünftige Mensch sollte diese
janmani—Geburt für Geburt; mām—Mich; aprāpya—ohne drei Dinge aufgeben, denn sie führen zur Erniedrigung
zu erreichen; eva—gewiß; kaunteya—o Sohn Kuntīs; der Seele.
tataƒ—danach; yānti—geht; adhamām—verdammtes;
gatim—Ziel. ERLÄUTERUNG

ÜBERSETZUNG Hier wird der Beginn dämonischen Lebens beschrieben.


Zuerst versucht man, seine Lust zu befriedigen, und wenn
Da solche Menschen immer wieder unter den dies nicht gelingt, entstehen Zorn und Gier. Ein
dämonischen Lebensformen geboren werden, können vernünftiger Mensch, der nicht in die dämonischen Arten
sie sich Mir niemals nähern. Nach und nach sinken sie des Lebens hinabgleiten will, muß versuchen, diese drei
in die abscheulichsten Formen des Daseins hinab. Feinde zu besiegen, die das Selbst soweit töten können, daß
es nicht mehr möglich sein wird, aus der materiellen
ERLÄUTERUNG Verstrickung frei zu werden.

Es ist bekannt, daß Gott allbarmherzig ist, doch hier sehen VERS 22
wir, daß Gott den Dämonen gegenüber niemals barmherzig
ist. Es wird hier klar gesagt, daß die dämonischen etair vimuktaƒ kaunteya
Menschen Leben auf Leben in die Schöße ähnlicher tamo-dvārais tribhir naraƒ
Dämonen gesetzt werden, und weil sie nicht die ācaraty ātmanaƒ śreyas
Barmherzigkeit des Höchsten Herrn erlangen, sinken sie tato yāti parāˆ gatim
immer tiefer hinab, bis sie zuletzt Körper wie die von
Katzen, Hunden und Schweinen erhalten. Es heißt etaiƒ—durch diese; vimuktaƒ—befreit; kaunteya—o Sohn
eindeutig, daß solche Dämonen so gut wie keine Kuntīs; tamaƒ-dvāraiƒ—die Tore der Unwissenheit;
Möglichkeit haben, auf irgendeiner Stufe ihres späteren tribhiƒ—drei Arten von; naraƒ—ein Mensch; ācarati—
Lebens die Barmherzigkeit Gottes zu erlangen. Auch in den führt aus; ātmanaƒ—Selbst; śreyaƒ-Segnung; tataƒ—
Veden steht, daß solche Menschen allmählich so weit danach; yāti—geht; parām—höchstem; gatim—Ziel.
hinabsinken, daß sie zu Hunden und Schweinen werden.
Man mag nun den Einwand erheben, Gott könne nicht als ÜBERSETZUNG
allbarmherzig bezeichnet werden, wenn Er nicht auch mit
den Dämonen Erbarmen habe. Als Antwort auf diese Frage Derjenige, der diesen drei Toren zur Hölle entgangen
heißt es im Vedānta-sūtra, daß der Herr niemandem ist, o Sohn Kuntīs, führt Handlungen aus, die ihn zur
gegenüber Haß empfindet. Wenn Er die asuras, die Dä- Selbstverwirklichung erheben, und erreicht so
monen, auf die niedrigste Stufe des Lebens setzt, so ist das allmählich das höchste Ziel.
nur ein anderer Aspekt Seiner Barmherzigkeit. Manchmal
werden die asuras vom Höchsten Herrn auch getötet, doch ERLÄUTERUNG
dieses „getötet werden“ ist ebenfalls gut für sie, denn aus
den vedischen Schriften erfahren wir, daß jeder, den der Man sollte sich vor den drei Feinden des menschlichen
Höchste Herr tötet, befreit wird. In der Geschichte gibt es Lebens — Lust, Zorn und Gier — sehr hüten. Je mehr ein
Beispiele vieler asuras, wie Rāva‰a, Kaˆsa und Mensch von Lust, Zorn und Gier frei wird, desto reiner
Hira‰yakaśipu, vor denen der Herr in verschiedenen wird seine Existenz. Dann erst kann er den in den
Inkarnationen erschien, nur um sie zu töten. Den asuras vedischen Schriften vorgeschriebenen Regeln und
wird also die Barmherzigkeit Gottes zuteil, wenn sie das Regulierungen folgen. Wenn man die regulierenden Prinzi-
Glück haben, von Ihm getötet zu werden. pien menschlichen Lebens einhält, erhebt man sich
allmählich auf die Ebene spiritueller Erkenntnis, und wenn
VERS 21 man das Glück hat, durch solche Übung die Ebene von
305

KŠa-Bewußtsein zu erreichen, ist der Erfolg sicher. Um erheben, denn nur so, und nicht anders, kann man die
den Menschen zu befähigen, auf die Stufe der Läuterung zu höchste Stufe der Vollkommenheit erreichen.
gelangen, werden in den vedischen Schriften die Das Wort kāma-cārataƒ ist hier sehr bedeutsam. Jemand,
Wirkungsweisen von Aktion und Reaktion beschrieben. der wissentlich die Regeln der śāstras verletzt, handelt aus
Die ganze Methode basiert auf dem Freiwerden von Lust, Lust. Obwohl er weiß, daß etwas verboten ist, tut er es
Gier und Zorn. Wer sich in diesem Vorgang übt, kann zur dennoch. Das wird als launenhaftes Handeln bezeichnet. Er
höchsten Stufe der Selbsterkenntnis erhoben werden, die weiß, daß er sich auf eine bestimmte Art und Weise
ihre Vollkommenheit im hingebungsvollen Dienst findet. verhalten sollte, und verhält sich dennoch anders —
Wenn sich die bedingte Seele im hingebungsvollen Dienst deshalb wird er launenhaft genannt. Solche Menschen sind
beschäftigt, ist es sicher, daß sie befreit wird. Dem vedi- dazu verurteilt, vom Herrn verdammt zu werden. Sie
schen System gemäß gibt es daher die vier Einteilungen können nicht die Vollkommenheit erlangen, die für das
und die vier Stufen des Lebens, die als Kastensystem und menschliche Leben bestimmt ist. Das menschliche Leben
das System der spirituellen Ordnung bekannt sind. Es gibt ist ganz besonders dafür bestimmt, daß man sein Dasein
verschiedene Regeln und Regulierungen für verschiedene läutert, doch wer die Regeln und Regulierungen der
Kasten oder Einteilungen in der Gesellschaft, und wenn Schriften nicht befolgt, kann weder geläutert werden noch
jemand imstande ist, ihnen zu folgen, wird er von selbst auf die Ebene wahren Glücks erreichen.
die höchste Ebene spiritueller Erkenntnis erhoben. Dann
kann er zweifellos befreit werden. VERS 24

VERS 23 tasmāc chāstraˆ pramāŠaˆ te


kāryākārya-vyavasthitau
yaƒ śāstra-vidhim utsjya jñātvā śāstra-vidhānoktaˆ
vartate kāma-kārataƒ karma kartum ihārhasi
na sa siddhim avāpnoti
na sukhaˆ na parāˆ gatim tasmāt—deshalb; śāstram—Schriften; pramānam—
Beweis; te—deine; kārya—Pflicht; akārya—verbotene
yaƒ—irgend jemand; śāstra-vidhim—die Regulierungen der Tätigkeiten; vyavasthitau—beim Bestimmen; jñatvā—
Schriften; utsjya—aufgebend; vartate—bleibt; kennend; śāstra—der Schrift; vidhāna—Regulierungen;
kāma-kārataƒ—lustvoll und launenhaft handelnd; na— uktam—wie erklärt; karma—Arbeit; kartum—zu tun; iha
niemals; saƒ—er; siddhim—Vollkommenheit; avāpnoti— arhasi—du solltest es tun.
erreicht; na—niemals; sukham-Glück; na—niemals;
parām—die höchste; gatim—Stufe der Vollkommenheit. ÜBERSETZUNG

ÜBERSETZUNG Man sollte aus den Unterweisungen der Schriften


verstehen, was Pflicht und was nicht Pflicht ist. Wenn
Wer aber die Anweisungen der Schriften mißachtet und man diese Regeln und Regulierungen kennt, sollte man
nach seinen Launen handelt, erreicht weder die so handeln, daß man allmählich erhoben wird.
Vollkommenheit noch Glück, noch das höchste Ziel.
ERLÄUTERUNG
ERLÄUTERUNG
Wie es im Fünfzehnten Kapitel heißt, sind alle Regeln und
Wie zuvor beschrieben wurde, ist den verschiedenen Regulierungen der Veden dafür bestimmt, KŠa zu
Kasten und Einteilungen der menschlichen Gesellschaft die erkennen. Wenn man KŠa aus der Bhagavad-gītā
śāstra-vidhim oder Anweisung der śāstras gegeben worden. versteht, daraufhin im KŠa-Bewußtsein verankert wird
Man erwartet, daß jeder diese Regeln und Regulierungen und sich im hingebungsvollen Dienst betätigt, hat man die
einhält. Wenn man sie nicht befolgt und statt dessen Lust, höchste Vollkommenheit von Wissen erreicht, die die
Gier und seinen Wünschen nachgibt, wird man niemals die vedische Literatur bietet. Śrī KŠa Caitanya Mahāprabhu
Vollkommenheit des Lebens erreichen. Mit anderen machte diesen Weg sehr leicht: Er bat die Menschen,
Worten: Jemand mag all diese Dinge theoretisch wissen, einfach Hare KŠa, Hare KŠa, KŠa KŠa, Hare Hare /
doch wenn er sie in seinem Leben nicht anwendet, muß er Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma Rāma, Hare Hare zu
als der Niedrigste der Menschheit angesehen werden. Es chanten, sich im hingebungsvollen Dienst des Herrn zu
wird erwartet, daß ein Lebewesen in der menschlichen beschäftigen und die Reste von Speisen zu sich zu nehmen,
Form des Lebens vernünftig ist und die Regulierungen die der transzendentalen Bildgestalt des Herrn geopfert
beachtet, die die Schriften geben, um sein Leben auf die wurden. Man sollte wissen, daß jemand, der sich direkt in
höchste Ebene zu erheben. Wenn man diese all diesen hingebungsvollen Tätigkeiten beschäftigt, bereits
Unterweisungen mißachtet, erniedrigt man sich. Doch alle vedischen Schriften studiert hat. Er ist auf voll-
selbst wenn jemand den Regeln und Regulierungen und kommene Weise zur Schlußfolgerung gekommen. Für die
Moralprinzipien folgt, aber letztlich nicht dahin gelangt, gewöhnlichen Menschen, die nicht im KŠa-Bewußtsein
den Höchsten Herrn zu verstehen, ist alles Wissen wertlos. leben oder nicht im hingebungsvollen Dienst tätig sind,
Deshalb sollte man sich allmählich auf die Ebene des muß natürlich anhand der Anweisungen der Veden
KŠa-Bewußtseins und des hingebungsvollen Dienstes entschieden werden, was zu tun und was nicht zu tun ist.
306

Man sollte diesen Anweisungen widerspruchslos folgen.


Das versteht man unter wirklichem Befolgen der Prinzipien
der śāstras oder Schriften. Die śāstras sind frei von den
vier Grundmängeln der bedingten Seele: unvollkommene
Sinne, die Neigung zum Betrügen, die Unvermeidbarkeit,
Fehler zu begehen, und die Unvermeidbarkeit, sich zu
täuschen. Diese vier grundlegenden Unvollkommenheiten
des bedingten Lebens disqualifizieren jeden Menschen,
eigene Regeln und Regulierungen aufzustellen. Weil die
Regeln und Regulierungen der śāstras frei von diesen
Mängeln sind, werden sie von allen großen Heiligen,
ācāryas und großen Seelen unverändert anerkannt.
In Indien gibt es viele Gruppen mit einem
unterschiedlichen spirituellen Verständnis. Sie werden im
allgemeinen in zwei Hauptgruppen unterteilt: in die Unper-
sönlichkeitsanhänger und die Anhänger des Persönlichen.
Beide Gruppen führen ihr Leben jedoch in
Übereinstimmung mit den Prinzipien der Veden. Solange
man den Prinzipien der Schriften nicht folgt, kann man sich
nicht zur Stufe der Vollkommenheit erheben. Wer daher die
wirkliche Bedeutung der śāstras versteht, kann sich
glücklich schätzen.
Die Ablehnung von Prinzipien, mit deren Hilfe man die
Höchste Persönlichkeit Gottes verstehen kann, ist die
Ursache für die fortschreitende Entartung der menschlichen
Gesellschaft. Es ist das größte Vergehen des menschlichen
Lebens. Deshalb bereitet uns māyā, die materielle Energie
der Höchsten Persönlichkeit Gottes, in Form der dreifachen
Leiden ständig Schwierigkeiten. Diese materielle Energie
setzt sich aus den drei Erscheinungsweisen der materiellen
Natur zusammen. Man muß sich wenigstens zur
Erscheinungsweise der Tugend erheben, bevor es möglich
ist, die Höchste Persönlichkeit Gottes zu verstehen. Ohne
sich zur Ebene der Erscheinungsweise der Tugend zu
erheben, bleibt man in Unwissenheit und Leidenschaft, die
die Ursachen dämonischen Lebens sind. Diejenigen, die
sich in den Erscheinungsweisen der Leidenschaft und
Unwissenheit befinden, verspotten die Schriften, die
Heiligen und das richtige Verständnis vom spirituellen
Meister und kümmern sich nicht um die Regulierungen der
Schriften. Obwohl sie von der Herrlichkeit des
hingebungsvollen Dienstes hören, verspüren sie keinerlei
Anziehung. Folglich fabrizieren sie sich ihren eigenen Weg
der Erhebung. Das sind einige der Fehler der menschlichen
Gesellschaft, die zum dämonischen Leben führen. Wenn
aber jemand das Glück hat, von einem echten spirituellen
Meister auf den Pfad der Erhebung, das heißt auf eine
höhere Ebene geführt zu werden, wird sein Leben er-
folgreich.

Hiermit enden die Bhaktivedanta-Erläuterungen zum


Sechzehnten Kapitel der Śrīmad Bhagavad-gītā mit dem
Titel: "Die göttlichen und die dämonischen Naturen".
307

SIEBZEHNTES KAPITEL dehināˆ sā svabhāva-jā


sāttvikī rājasī caiva
tāmasī ceti tāˆ śŠu
Die verschiedenen Arten des
śrī bhagavān uvāca—die Höchste Persönlichkeit Gottes
Glaubens sprach; trī-vidhā—drei Arten; bhavati—werden; śraddhā—
Glaube; dehinām—des Verkörperten; sā—dieses;
VERS 1 sva-bhāva-jā—seiner Erscheinungsweise der materiellen
Natur gemäß; sāttvikī—Erscheinungsweise der Tugend;
arjuna uvāca rājasī—Erscheinungsweise der Leidenschaft; ca—auch;
ye śāstra-vidhim utsjya eva—gewiß; tāmasī—Erscheinungsweise der Unwissenheit;
yajante śraddhayānvitāƒ ca—und; iti—so; tām—dieses; śŠu—höre von Mir.
teāˆ ni˜hā tu kā kŠa
sattvam āho rajas tamaƒ ÜBERSETZUNG

arjunaƒ uvāca—Arjuna sagte; ye—jene; śāstra-vidhim—die Der Höchste Herr sprach: Den Erscheinungsweisen der
Regulierungen der Schrift; utsjya—aufgebend; yajante— Natur gemäß, die von der verkörperten Seele
verehren; śraddhayā—voller Glauben; anvitāƒ—besessen angenommen werden, kann ihr Glaube von dreierlei Art
von; teām—von ihnen; ni˜hā—Glauben; tu—aber; kā— sein — von Tugend, Leidenschaft oder Unwissenheit.
was ist das; kŠa—o KŠa; sattvam—in Tugend; āho— Höre jetzt darüber.
man sagt; rajaƒ—in Leidenschaft; tamaƒ—in Unwissenheit.
ERLÄUTERUNG
ÜBERSETZUNG
Diejenigen, die die Regeln und Regulierungen der Schriften
Arjuna sagte: O KŠa, in welcher Lage befindet sich kennen, aber aus Faulheit oder Trägheit diese Vorschriften
jemand, der die Prinzipien der Schriften nicht befolgt, nicht beachten, werden von den Erscheinungsweisen der
sondern nach eigenen Vorstellungen Verehrung materiellen Natur beherrscht. Je nach ihren früheren
ausführt? Befindet er sich in Tugend, Leidenschaft oder Tätigkeiten in den Erscheinungsweisen der Tugend,
Unwissenheit? Leidenschaft oder Unwissenheit nehmen sie eine bestimmte
Wesensart an. Die Gemeinschaft des Lebewesens mit den
ERLÄUTERUNG verschiedenen Erscheinungsweisen der materiellen Natur
besteht, seitdem das Lebewesen mit der materiellen Natur
Im neununddreißigsten Vers des Vierten Kapitels heißt es, in Berührung ist. Je nachdem, mit welchen materiellen
daß jemand, der sein Vertrauen in eine bestimmte Art von Erscheinungsweisen es Kontakt hat, nimmt es
Verehrung setzt, allmählich zur Stufe des Wissens erhoben verschiedenartige Gesinnungen an. Doch diese Mentalität
wird und die am höchsten vervollkommnete Stufe von kann verändert werden, wenn man mit einem echten spiri-
Frieden und Wohlstand erreicht. Die Schlußfolgerung, die tuellen Meister zusammenkommt und sich nach seinen
im Sechzehnten Kapitel gezogen wurde, lautet: Wer nicht Regeln und den Unterweisungen der Schriften richtet. Dann
den Prinzipien folgt, die in den Schriften niedergelegt sind, kann man sich allmählich vom Zustand der Unwissenheit
ist als asura oder Dämon zu bezeichnen, und wer mit oder Leidenschaft zur Stufe der Tugend erheben. Die
Vertrauen den Anweisungen der Schriften folgt, wird deva Schlußfolgerung lautet, daß blinder Glaube in einer
oder Halbgott genannt. Wie verhält es sich nun mit einem bestimmten Erscheinungsweise einem Menschen nicht
Menschen, der gläubig Regeln befolgt, die nicht in den helfen kann, auf die Stufe der Vollkommenheit erhoben zu
Anweisungen der Schriften erwähnt werden? Dieser werden. Man muß sorgsam, mit Intelligenz, in der
Zweifel Arjunas muß von KŠa geklärt werden. Befindet Gemeinschaft eines echten spirituellen Meisters
sich die Verehrung derer, die irgendeinen Menschen zum Überlegungen anstellen. Auf diese Weise kann man sich zu
Gott erheben, in der Erscheinungsweise der Tugend, einer höheren Erscheinungsweise der Natur erheben.
Leidenschaft oder Unwissenheit? Erreichen solche
Menschen die Vollkommenheit des Lebens? Ist es ihnen VERS 3
möglich, auf diese Weise in wahrem Wissen verankert zu
werden und sich zur höchsten Stufe der Vollkommenheit zu sattvānurūpā sarvasya
erheben? Haben diejenigen, die nicht den Regeln und śraddhā bhavati bhārata
Regulierungen der Schriften folgen, sondern an irgend śraddhāmayo’yaˆ puruo
etwas glauben und Götter, Halbgötter und Menschen yo yac chraddhaƒ sa eva saƒ
verehren, mit ihrer Bemühung Erfolg? Arjuna stellt KŠa
diese Fragen. sattva-anurupā—der Existenz gemäß; sarvasya—eines
jeden; śraddhā—Glaube; bhavati—wird; bhārata—o Sohn
VERS 2 Bhāratas; śraddhā—Glaube; mayaƒ—voll; ayam—dieser;
puruaƒ—Lebewesen; yaƒ—irgendeines; yat—dieser;
śrī bhagavān uvāca śraddhaƒ-Glaube; saƒ—diesen; eva—gewiß; saƒ—es.
tri-vidhā bhavati śraddhā
308

ÜBERSETZUNG Tugend. Wenn sich das Herz in der Erscheinungsweise der


Leidenschaft befindet, ist der Glaube ebenfalls in der
Je nach dem Leben, das man unter dem Einfluß der Erscheinungsweise der Leidenschaft. Und wenn sich das
verschiedenen Erscheinungsweisen der Natur führt, Herz in der Erscheinungsweise der Dunkelheit, in Illusion,
entwickelt man eine bestimmte Art von Glauben. Man befindet, ist der Glaube ebenfalls in dieser Weise
sagt, das Lebewesen habe je nach den verunreinigt. Somit finden wir in dieser Welt verschiedene
Erscheinungsweisen, die es angenommen habe, einen Arten von Glauben, und aufgrund dieser unterschiedlichen
bestimmten Glauben. Glaubensarten gibt es verschiedene Formen der Religion.
Wahre Religion befindet sich in der Erscheinungsweise
ERLÄUTERUNG reiner Tugend, aber weil das Herz vergiftet ist, gibt es ver-
schiedene Arten religiöser Prinzipien. Folglich gibt es je
Jeder hat eine bestimmte Art von Glauben — ganz gleich, nach den unterschiedlichen Glaubensrichtungen
was er ist. Der Mentalität entsprechend, die ein Mensch verschiedene Methoden der Verehrung.
entwickelt hat, gilt sein Glaube als gut, leidenschaftlich
oder unwissend. Folglich verkehrt man, seinem bestimmten VERS 4
Glauben gemäß, mit bestimmten Menschen. Nun ist aber in
Wirklichkeit jedes Lebewesen, wie im Fünfzehnten Kapitel yajante sāttvikā devān
erklärt wird, ursprünglich ein fragmentarischer Bestandteil yaka-rakāˆsi rājasāƒ
des Höchsten Herrn. Ursprünglich steht man daher zu allen pretān bhūta-gaŠāˆś cānye
Erscheinungsweisen der materiellen Natur in yajante tāmasā janāƒ
transzendentaler Stellung. Doch wenn man seine Beziehung
zur Höchsten Persönlichkeit Gottes vergißt und mit der yajante—verehren; sāttvikāƒ—diejenigen in der
materiellen Natur im bedingten Leben in Kontakt kommt, Erscheinungsweise der Tugend; devān—Halbgötter;
schafft man sich durch Gemeinschaft mit den yaka-rakāˆsi rājasāƒ—diejenigen in der
unterschiedlichen Mannigfaltigkeiten der materiellen Natur Erscheinungsweise der Leidenschaft verehren Dämonen;
seine eigene Stellung. Die sich daraus ergebende künstliche pretān—Totengeister; bhūta-gaŠān—Geister; ca anye—und
Existenz und der dazugehörige Glaube sind materiell. andere; yajante—verehren; tāmasāƒ—in der
Obwohl man sich von irgendeiner Vorstellung oder Erscheinungsweise der Unwissenheit; janāƒ—Menschen.
Lebensauffassung leiten lassen mag, ist man ursprünglich
nirguŠa oder von transzendentaler Natur. Daher muß man, ÜBERSETZUNG
um seine Beziehung zum Höchsten Herrn wiederzu-
gewinnen, von der angesammelten materiellen Menschen in der Erscheinungsweise der Tugend
Verunreinigung geläutert werden. Das ist der einzige verehren die Halbgötter; diejenigen, die sich in der
angstfreie Weg zurück zu Gott. Wenn man im KŠa- Erscheinungsweise der Leidenschaft befinden, verehren
Bewußtsein verankert ist, befindet man sich mit Sicherheit die Dämonen, und diejenigen, die in Unwissenheit sind,
auf dem Pfad, der zur Erhebung auf die vollkommene Stufe verehren Geister und Gespenster.
führt. Wenn man sich diesem Pfad der Selbst-
verwirklichung jedoch nicht zuwendet, wird man mit ERLÄUTERUNG
Sicherheit durch den Einfluß der Erscheinungsweisen der
Natur gelenkt werden. In diesem Vers beschreibt die Höchste Persönlichkeit
Das Wort śraddhā oder Glaube ist in diesem Vers sehr Gottes verschiedene Arten von Verehrern in bezug auf
bedeutsam. Glaube entsteht immer aus Handlungen in deren äußere Tätigkeiten. Nach den Anweisungen der
Tugend. Man mag an einen Halbgott, einen selbst- Schriften ist allein die Höchste Persönlichkeit Gottes der
gemachten Gott oder irgend etwas Erdachtes glauben. Man Verehrung würdig, aber diejenigen, die mit den
sagt, es sei der unerschütterliche Glaube an etwas, der Unterweisungen der Schriften nicht sehr vertraut sind oder
Handlungen in materieller Tugend hervorbringe. Doch im nicht an sie glauben, verehren je nach ihrer Position in den
bedingten materiellen Leben sind keine Handlungen der Erscheinungsweisen der materiellen Natur andere
materiellen Natur völlig rein. Sie sind vermischt. Sie Lebewesen. Diejenigen, die sich in Tugend befinden, ver-
befinden sich nicht in reiner Tugend. Reine Tugend ist ehren im allgemeinen die Halbgötter. Zu den Halbgöttern
transzendental, und nur in reiner Tugend kann man das zählen Brahmā, Śiva und andere wie Indra, Candra und der
wirkliche Wesen der Höchsten Persönlichkeit Gottes Sonnengott. Es gibt viele verschiedene Halbgötter.
verstehen. Solange sich der Glaube eines Menschen nicht Diejenigen, die sich in Tugend befinden, verehren aus
vollstandig in geläuterter Tugend befindet, ist dieser einem bestimmten Motiv heraus einen bestimmten
Glaube der Verunreinigung durch eine der Halbgott. In ähnlicher Weise verehren diejenigen, die sich
Erscheinungsweisen der materiellen Natur ausgesetzt. Die in der Erscheinungsweise der Leidenschaft befinden, die
verunreinigten Erscheinungsweisen der materiellen Natur Dämonen. Wir erinnern uns, daß während des Zweiten
erstrecken sich bis zum Herzen. Daher richtet sich der Weltkrieges ein Mann in Kalkutta Hitler verehrte, weil er
Glaube eines Lebewesens danach, welche Erschei- dank des Krieges durch Geschäfte auf dem Schwarzmarkt
nungsweise der materiellen Natur sein Herz beeinflußt. sehr viel Reichtum anhäufen konnte. In ähnlicher Weise
Wenn sich das Herz in der Erscheinungsweise der Tugend suchen sich jene in den Erscheinungsweisen der
befindet, ist auch der Glaube in der Erscheinungsweise der Unwissenheit und Leidenschaft einen mächtigen Menschen
309

und verehren ihn als Gott. Sie glauben, jeder könne als Gott auf sich; ye—jene; tapaƒ—Enthaltungen; janāƒ—
verehrt werden und man bekomme das gleiche Ergebnis. Menschen; dambha—Stolz; aha‰kāra—Egoismus;
In diesem Vers nun wird unmißverständlich gesagt, daß saˆyuktāƒ—beschäftigt; kāma—Lust; rāga—Anhaftung;
diejenigen, die sich in der Erscheinungsweise der bala—Kraft; anvitāƒ—getrieben von; karayantaƒ-quälend;
Leidenschaft befinden, solche Götter schaffen und vereh- śarīra-stham—im Körper befindlich; bhūta-grāmam—
ren, und daß diejenigen, die sich in Unwissenheit bzw. Verbindung materieller Elemente; acetasaƒ—durch eine
Dunkelheit befinden, die Geister von Toten verehren. solche irregeführte Mentalität; mām—Mich; ca—auch;
Manchmal verehren Menschen auch das Grabmal eines eva—gewiß; antaƒ—innen; śarīra-stham—im Körper
Verstorbenen. Sexueller Kult ist ebenfalls der befindlich; tān—sie; viddhi—verstehe; āsura—Dämonen;
Erscheinungsweise der Dunkelheit zuzuordnen. In manchen niścayān—gewiß.
abgelegenen Dörfern Indiens gibt es Menschen, die
Gespenster verehren. Es ist bekannt, daß in Indien ÜBERSETZUNG
manchmal Menschen der niederen Klasse in den Wald
gehen, um dort einen Baum zu verehren und Opfer Diejenigen, die sich aus Stolz, Geltungsbedürfnis, Lust
darbringen, wenn sie wissen, daß in diesem Baum ein und Anhaftung strenge, nicht in den Schriften
Gespenst haust. Diese verschiedenen Arten der Verehrung empfohlene Entbehrungen und Bußen auferlegen, die
sind im Grunde genommen keine Gottesverehrung. Die von Leidenschaft getrieben werden und sowohl ihre
Verehrung Gottes wird von Menschen ausgeführt, die sich Körperorgane als auch die Überseele in ihrem Innern
auf der transzendentalen Ebene in reiner Tugend befinden. quälen, sind als Dämonen anzusehen.
Im Śrīmad-Bhāgavatam heißt es: sattvaˆ viśuddhaˆ vā-
sudeva-śabditam. "Wenn ein Mensch in reiner Tugend ERLÄUTERUNG
verankert ist, verehrt er Vāsudeva." Dies bedeutet, daß nur
diejenigen, die von den materiellen Erscheinungsweisen der Es gibt Menschen, die sich nach eigenem Gutdünken
Natur völlig frei geworden sind und sich auf der Entbehrungen und Bußen auferlegen, die nicht in den
transzendentalen Ebene befinden, die Höchste Unterweisungen der Schriften erwähnt werden. Fasten um
Persönlichkeit Gottes verehren können. eines niedrigen Motives willen, wie zum Beispiel, um ein
Von den Unpersönlichkeitsanhängern heißt es, daß sie sich rein politisches Ziel zu erreichen, ist nicht in den
in der Erscheinungsweise der Tugend befinden. Sie Anweisungen der Schriften erwähnt. Die Schriften
verehren den unpersönlichen ViŠu, daß heißt die Form empfehlen Fasten für spirituellen Fortschritt, nicht, um
ViŠus in der materiellen Welt, die als philosophisch politische oder soziale Ziele zu erreichen. Menschen, die
betrachteter ViŠu bekannt ist. ViŠu ist die Erweiterung solche Entbehrungen auf sich nehmen, sind, der
der Höchsten Persönlichkeit Gottes, doch weil die Bhagavad-gītā gemäß, zweifellos dämonisch. Mit ihren
Unpersönlichkeitsanhänger letztlich nicht an die Höchste Handlungen verletzen sie die Anweisungen der Schriften
Persönlichkeit Gottes glauben, stellen sie sich vor, die Form und nützen der Allgemeinheit nicht. Sie handeln im Grunde
ViŠus sei nur ein anderer Aspekt des unpersönlichen nur aus Stolz, falschem Ego, Lust und Anhaftung an
Brahman. In ähnlicher Weise denken sie, Brahmā sei die materiellen Genuß. Durch solches Handeln werden nicht
unpersönliche Form der materiellen Erscheinungsweise der nur die Verbindungen der materiellen Elemente gestört, aus
Leidenschaft. Auf diese Weise sprechen sie manchmal von denen der Körper aufgebaut ist, sondern auch die Höchste
fünf Göttern, die der Verehrung würdig seien, aber weil sie Persönlichkeit Gottes Selbst, die im Körper weilt. Solch
das unpersönliche Brahman für die endgültige Wahrheit unautorisiertes Fasten oder Entbehrungen um politischer
halten, verwerfen sie letzten Endes alle Ziele willen stören andere Menschen nur. Sie sind in der
verehrungswürdigen Objekte. Die Schlußfolgerung lautet, vedischen Literatur nicht erwähnt. Ein dämonischer
daß die verschiedenen Eigenschaften der materiellen Mensch glaubt vielleicht, er könne mit dieser Methode
Erscheinungsweisen der Natur gereinigt werden können, seinen Feind oder andere Parteien zwingen, seinen Wün-
wenn man mit Menschen Gemeinschaft pflegt, die von schen nachzugeben, doch manchmal stirbt man auch durch
transzendentaler Natur sind. solches Fasten. Solches Handeln wird von der Höchsten
Persönlichkeit Gottes nicht gebilligt, und der Herr sagt, daß
VERS 5-6 diejenigen, die sich so verhalten, Dämonen sind. Solche
Unternehmungen beleidigen die Höchste Persönlichkeit
aśāstra-vihitaˆ ghoraˆ Gottes, denn sie werden im Ungehorsam gegenüber den
tapyante ye tapo janāƒ Anweisungen der vedischen Schriften ausgeführt.
dambhāha‰kāra-saˆyuktāƒ Das Wort acetasaƒ ist in diesem Zusammenhang von
kāma-rāga-balānvitāƒ Bedeutung — Menschen in einem normalen Geisteszustand
müssen den Anweisungen der Schrift gehorchen.
karayantaƒ śarīra-sthaˆ Diejenigen, die sich nicht in einer solchen Position
bhūta-grāmam acetasaƒ befinden, vernachlässigen und verletzen die
māˆ caivāntaƒ śarīra-sthaˆ Unterweisungen der Schriften und erfinden ihre eigenen
tān viddhy āsura-niścayān Entbehrungen und Bußen. Man sollte sich immer an das
letztliche Schicksal der dämonischen Menschen erinnern,
aśāstra—nicht in den Schriften erwähnt; vihitam—gelenkt; das im vorangegangenen Kapitel beschrieben wurde. Der
ghoram—für andere schädlich; tapyante—nehmen Bußen Herr zwingt sie, in den Schößen dämonischer Mütter
310

geboren zu werden. Folglich werden sie Geburt für Geburt yāta-yāmaˆ gata-rasaˆ
nach dämonischen Prinzipien leben müssen, ohne ihre pūti paryuitaˆ ca yat
Beziehung zur Höchsten Persönlichkeit Gottes zu kennen. ucchi˜am api cāmedhyaˆ
Wenn solche Menschen jedoch das Glück haben, von bhojanaˆ tāmasa-priyam
einem spirituellen Meister unterwiesen zu werden, der sie
auf den Pfad der vedischen Weisheit führen kann, können āyuƒ—Lebensdauer; sattva—Existenz; bala—Stärke;
sie dieser Verstrickung entkommen und schließlich das ārogya—Gesundheit; sukha—Glück; prīti—Zufriedenheit;
höchste Ziel erreichen. vivardhanāƒ—zunehmend; rasyāƒ—saftig; snigdhāƒ—
fettig; sthirāƒ—verlängernd; hdyāƒ—für das Herz
VERS 7 angenehm; āhārāƒ—Nahrung; sāttvika—Tugend; priyāƒ—
wohlschmeckend; ka˜u—bitter; amla—sauer; lavaŠa—
āhāras tv api sarvasya salzig; ati-uŠa—sehr heiß; tīkna—beißend; rūka—
tri-vidho bhavati priyaƒ trocken; vidāhinaƒ—brennend; āhārāƒ—Nahrung;
yajñas tapas tathā dānaˆ rājasasya—in der Erscheinungsweise der Leidenschaft;
teāˆ bhedam imaˆ śŠu i˜āƒ—wohlschmeckend; duƒkha—Leid; śoka—Elend;
āmaya-pradāƒ—Krankheit verursachend; yāta-yāmam—
āhāraƒ—Essen; tu—gewiß; api—auch; sarvasya—von Nahrung, die drei Stunden vor dem Essen gekocht wurde;
jedem; trividhaƒ—drei Arten; bhavati—es gibt; priyaƒ— gata-rasam—ohne Geschmack; pūti—übelriechend; paryu-
lieb; yajñaƒ-Opfer; tapaƒ—Entbehrung; tathā—auch; itam—verfault; ca—auch; yat—das, was; ucchi˜am—
dānam—Mildtätigkeit; teām—von ihnen; bhedam— Speisereste anderer; api—auch; ca—und; amedhyam—
Unterschiede; imam—so; śŠu—höre. unberührbar; bhajanam—essend; tāmasa—in der
Erscheinungsweise der Dunkelheit; priyam—lieb.
ÜBERSETZUNG
ÜBERSETZUNG
Selbst Nahrung — die jeder zu sich nehmen muß — ist
von dreierlei Art, je nach den drei Erscheinungsweisen Nahrungsmittel in der Erscheinungsweise der Tugend
der materiellen Natur. Das gleiche gilt für Opfer, verlängern die Lebensdauer, reinigen das Dasein und
Entbehrungen und Mildtätigkeit. Höre, und Ich werde geben Kraft, Gesundheit, Glück und Zufriedenheit.
die Unterschiede erklären. Solch nahrhafte Speisen sind süß, saftig, fetthaltig und
wohlschmeckend. Nahrungsmittel, die zu bitter, zu
ERLÄUTERUNG sauer, zu salzig, zu scharf, zu trocken und zu heiß sind,
werden von Menschen geschätzt, die sich in der
Je nach unterschiedlichen Situationen und den Erscheinungsweise der Leidenschaft befinden. Solche
Erscheinungsweisen der materiellen Natur gibt es Nahrung verursacht Schmerz, Leid und Krankheit.
Unterschiede in den Gewohnheiten zu essen, zu opfern, Nahrungsmittel, die länger als drei Stunden vor dem
sich Entbehrungen aufzuerlegen und mildtätig zu sein. Essen gekocht wurden, die ohne Geschmack, abgestan-
Diese werden nicht alle auf der gleichen Ebene den, faul, verwest und unsauber sind, werden von
durchgeführt. Diejenigen, die analytisch verstehen können, Menschen bevorzugt, die sich in der Erscheinungsweise
welche Art der Durchführung sich in welchen der Unwissenheit befinden.
Erscheinungsweisen befindet, sind wahrhaft weise.
Diejenigen, die die verschiedenen Arten von Opfern, ERLÄUTERUNG
Nahrung oder Mildtätigkeit als gleichwärtig betrachten,
haben kein Unterscheidungsvermögen und sind töricht. Es Der Zweck von Nahrung besteht darin, die Lebensdauer zu
gibt sogenannte Missionare, die erklären, man könne tun, verlängern, den Geist zu läutern und die Körperkraft zu
was man wolle, und so die Vollkommenheit erreichen. erhöhen. Das ist der einzige Zweck. In der Vergangenheit
Doch diese verblendeten Führer handeln nicht in wählten große Autoritäten solche Nahrungsmittel aus, die
Übereinstimmung mit den Schriften. Sie erfinden Wege der Gesundheit am zuträglichsten sind und die Lebensdauer
und führen die Allgemeinheit in die Irre. verlängern, wie Milchprodukte, Zucker, Reis, Weizen,
Früchte und Gemüse. Solche Nahrungsmittel sind denjeni-
VERS 8-10 gen, die sich in der Erscheinungsweise der Tugend
befinden, sehr lieb. Andere Nahrung, zum Beispiel
āyuƒ sattva-balārogya- gebackener Mais und Melasse, die unzubereitet nicht sehr
sukha-prīti-vivardhanāƒ wohlschmeckend sind, können schmackhaft gemacht
rasyāƒ snigdhāƒ sthirā hdyā werden, wenn sie mit Milch oder anderen Nahrungsmitteln
āhārāƒ sāttvika-priyāƒ vermischt werden. Sie befinden sich dann ebenfalls in der
Erscheinungsweise der Tugend. All diese Nahrungsmittel
ka˜v-amla-lavaŠāty-uŠa- sind von Natur aus rein.
tīkŠa-rūka-vidāhinaƒ Sie sind grundverschieden von unberührbaren Dingen wie
āhārā rājasasye˜ā Fleisch und Alkohol. Die im achten Vers erwähnte
duƒkha-śokāmaya-pradāƒ fetthaltige Nahrung hat nichts mit Tierfett zu tun, das durch
Schlachten gewonnen wird. Tierisches Fett ist in Form von
311

Milch erhältlich, die von allen Nahrungsmitteln am manaƒ—Geist; samādhāya—gefestigt in; saƒ—er;
wundervollsten ist. Milch, Butter, Käse und ähnliche sāttvikaƒ—ist in der Erscheinungsweise der Tugend.
Erzeugnisse geben Tierfett in einer Form, die das Töten
unschuldiger Tiere unnötig macht. Nur aufgrund einer ÜBERSETZUNG
brutalen Mentalität wird solches Töten fortgesetzt. Die
zivilisierte Methode, das notwendige Fett zu bekommen, Das Opfer, das pflichtgemäß und nach den Regeln der
besteht darin, es aus Milch zu gewinnen. Schlachten ist die Schriften dargebracht wird und bei dem man keine
Methode von Untermenschen. Protein ist in ausreichender Belohnung erwartet, befindet sich in der
Menge in Spalterbsen, dāl, Vollkornweizen usw. enthalten. Erscheinungsweise der Tugend.
Nahrung in der Erscheinungsweise der Leidenschaft, die
bitter, zu salzig, zu scharf oder übermäßig mit rotem Pfeffer ERLÄUTERUNG
vermischt ist, verursacht Leid, weil sie im Magen Schleim
erzeugt, der zu Krankheit führt. Insbesondere Es besteht allgemein die Neigung, Opfer mit einem
Nahrungsmittel, die nicht frisch sind, befinden sich in der Hintergedanken darzubringen, doch hier wird erklärt, daß
Erscheinungsweise der Unwissenheit oder Dunkelheit. Jede Opfer ohne solches Verlangen dargebracht werden sollten.
Nahrung, die mehr als drei Stunden vor dem Essen gekocht Ihre Ausführung sollte man als Pflicht ansehen. Nehmen
wurde (außer prasāda, Speise, die dem Herrn geopfert wir zum Beispiel die Vollziehung von Ritualen in Tempeln
wurde), befindet sich in der Erscheinungsweise der oder Kirchen. Gewöhnlich werden solche Rituale mit der
Dunkelheit. Weil diese Nahrung schlecht wird, entströmt Absicht ausgeführt, einen materiellen Vorteil zu erlangen,
ihr ein übler Geruch, der Menschen in dieser doch solches Verhalten befindet sich nicht in der
Erscheinungsweise oft anlockt, aber diejenigen abstößt, die Erscheinungsweise der Tugend. Man sollte es als seine
sich in der Erscheinungsweise der Tugend befinden. Pflicht ansehen, den Tempel oder die Kirche zu besuchen,
Speisereste sollten nur gegessen werden, wenn sie zu einem um dort den Höchsten Herrn zu verehren und Ihm Blumen
Gericht gehören, das zuerst dem Höchsten Herrn geopfert und Speisen zu opfern. Jeder denkt, es sei sinnlos, in den
wurde oder von dem zuerst Heilige, insbesondere der Tempel zu gehen, nur um Gott zu verehren; doch
spirituelle Meister, gegessen haben. Ansonsten befinden Verehrung, um einen wirtschaftlichen Nutzen zu gewinnen,
sich die Reste von Nahrung in der Erscheinungsweise der wird in den Unterweisungen der Schriften nicht empfohlen.
Dunkelheit und erhöhen die Gefahr einer Infektion oder Man sollte nur in den Tempel gehen, um der transzen-
Krankheit. Solche Nahrungsmittel mögen Menschen in der dentalen Bildgestalt des Herrn seine Ehrerbietungen zu
Erscheinungsweise der Dunkelheit sehr wohlschmeckend erweisen. Das wird einen Menschen zur Erscheinungsweise
erscheinen, doch Menschen in der Erscheinungsweise der der Tugend erheben. Es ist die Pflicht jedes zivilisierten
Tugend schätzen solche Nahrung nicht, ja berühren sie Menschen, die Anweisungen der Schriften zu befolgen und
nicht einmal. Die beste Nahrung sind die Reste von der Höchsten Persönlichkeit Gottes Ehre zu erweisen.
Speisen, die dem Höchsten Herrn geopfert wurden. In der
Bhagavad-gītā sagt der Herr, daß Er aus Gemüse, Mehl VERS 12
und Milch zubereitete Speisen annimmt, wenn sie mit
Hingabe geopfert werden (patraˆ pupaˆ phalaˆ toyam). abhisandhāya tu phalaˆ
Selbstverständlich sind Liebe und Hingabe für die Höchste dambhārtham api caiva yat
Persönlichkeit Gottes das wichtigste, doch es wird auch ijyate bharata-śre˜ha
erwähnt, daß prasāda auf besondere Art zubereitet werden taˆ yajñaˆ viddhi rājasam
sollte. Jede Speise, die nach den Anweisungen der Schriften
zubereitet und der Höchsten Persönlichkeit Gottes geopfert abhisandhāya—wünschend; tu—aber; phalam—das
wird, kann selbst dann noch gegessen werden, wenn sie Ergebnis; dambha—Stolz; artham—materielle Vorteile;
bereits vor langer Zeit gekocht wurde, denn solche api—auch; ca—und; eva—gewiß; yat—das, was; ijyate—
Nahrung ist transzendental. Um daher die Nahrung für alle Verehrung; bharata-śre˜ha—o Oberhaupt der Bhāratas;
Menschen antiseptisch, eßbar und wohlschmeckend zu tam—dieses; yajñam—Opfer; viddhi—wisse; rājasam—in
machen, sollte man sie zuerst der Höchsten Persönlichkeit der Erscheinungsweise der Leidenschaft.
Gottes opfern.
ÜBERSETZUNG
VERS 11
Doch jenes Opfer, das für einen materiellen Zweck oder
aphalākāŠkibhir yajño Nutzen oder prahlerisch, aus Stolz, dargebracht wird,
vidhi-d˜o ya ijyate ist von leidenschaftlicher Natur, o Oberhaupt der
ya˜avyam eveti manaƒ Bhāratas.
samādhāya sa sāttvikaƒ
ERLÄUTERUNG
aphala-kāñkibhiƒ—ohne nach einem Ergebnis zu
verlangen; yajñaƒ—Opfer; vidhi—entsprechend; dtaƒ— Manchmal werden Opfer und Rituale ausgeführt, um zum
Weisung; yaƒ—irgend jemand; ijyate—führt aus; ya- himmlischen Königreich erhoben zu werden oder
˜avyam—muß ausgeführt werden; eva—gewiß; iti—so; materielle Vorteile in dieser Welt zu gewinnen. Solche
312

Opfer oder Zeremonien befinden sich in der Gewaltlosigkeit sind ebenfalls Enthaltungen des
Erscheinungsweise der Leidenschaft. Körpers.

VERS 13 ERLÄUTERUNG

vidhi-hīnam as˜ānnaˆ Der Höchste Gott erklärt hier die verschiedenen Arten von
mantra-hīnam adakiŠam Enthaltung und Buße. Als erstes erklärt Er die Enthaltungen
śraddhā-virahitam yajñam und Bußen, die sich auf den Körper beziehen. Man sollte
tāmasaˆ paricakate Gott, den Halbgöttern, den vollkommenen und
qualifizierten brāhmaŠas, dem spirituellen Meister und
vidhi-hīnam—ohne Weisung der Schriften; a˜a-annam— Höherstehenden, wie Vater und Mutter, oder irgend
ohne die Verteilung von prasāda; mantra-hīnam—ohne das jemandem, der mit dem vedischen Wissen vertraut ist, Ehre
Chanten vedischer Hymnen; adakiŠam—ohne Lohn für erweisen oder lernen, dies zu tun. All diesen Personen
die Priester; śraddhā-glauben; virahitam—ohne; yajñam— sollte gebührende Achtung entgegengebracht werden. Man
Opfer; tāmasam—in der Erscheinungsweise der sollte sich ebenfalls darin üben, sich äußerlich und innerlich
Unwissenheit; paricakate—muß angesehen werden. zu säubern, und lernen, in seinem Verhalten einfach zu
werden. Man sollte nichts tun, was nicht von den
ÜBERSETZUNG Unterweisungen der Schriften gebilligt wird. Man sollte
außerhalb der Ehe nichts mit Sexualität zu tun haben, denn
Und jenes Opfer, das entgegen den Anweisungen der den Schriften gemäß ist Sexualität nur gestattet, wenn man
Schriften dargebracht wird, bei dem keine spirituellen verheiratet ist, sonst nicht. Das nennt man Zölibat. Diese
Speisen verteilt und keine Hymnen gechantet werden, Regeln sind Bußen und Enthaltungen, die sich auf den
den Priestern kein Entgelt gegeben und das ohne Glau- Körper beziehen.
ben ausgeführt wird — ein solches Opfer befindet sich
in der Erscheiaungsweise der Unwissenheit. VERS 15

ERLÄUTERUNG anudvega-karaˆ vākyaˆ


satyaˆ priya-hitaˆ ca yat
Glaube in der Erscheinungsweise der Dunkelheit oder svādhyāyābhyasanaˆ caiva
Unwissenheit ist eigentlich Unglaube. Manchmal verehren vā‰mayaˆ tapa ucyate
Menschen einen Halbgott, nur um zu Geld zu kommen, und
dann geben sie das Geld für ihr eigenes Wohlbefinden aus anudvega—nicht erregend; karam—erzeugend; vākyam—
und mißachten damit die Anweisungen der Schriften. Worte; satyam—wahr; priya—lieb; hitam—nützlich; ca—
Solche zeremoniellen Zurschaustellungen von Religiosität auch; yat—was; svādhyāya—vedisches Studium;
sind nicht als echt anzuerkennen. Sie befinden sich alle in abhyasanam—Praxis; ca—auch; eva—gewiß; vā‰mayaˆ—
der Erscheinungsweise der Dunkelheit; sie erzeugen eine der Stimme; tapaƒ—Enthaltung; ucyate—wird angesehen
dämonische Mentalität und bringen der menschlichen als.
Gesellschaft keinen Nutzen.
ÜBERSETZUNG
VERS 14
Enthaltung in der Rede bedeutet, wahrheitsgemäß und
deva-dvija-guru-prājña- zum Wohl anderer zu sprechen und Gerede zu
pūjanaˆ śaucam ārjavam vermeiden, das andere verletzt. Auch sollte man
brahma-caryam ahiˆsā ca regelmäßig die Veden vortragen.
śarīraˆ tapa ucyate
ERLÄUTERUNG
deva—der Höchste Herr; dvija—der brāhmaŠa; guru—der
spirituelle Meister; prājña—verehrenswerte Man sollte nicht in einer Weise reden, die andere erregt.
Persönlichkeiten; pūjanam—Verehrung; śaucam—Sau- Ein Lehrer kann natürlich die Wahrheit aussprechen, um
berkeit; ārjavam—Einfachheit; brahma-caryam—Zölibat; seinen Schülern Unterweisungen zu erteilen, doch sollte er
ahiˆsā—Gewaltlosigkeit; ca—auch; śarīram—den Körper durch seine Worte andere, die nicht seine Schüler sind,
betreffend; tapaƒ—Enthaltung; ucyate—wird angesehen nicht erregen. Das ist Entsagung, die sich auf Sprechen
als. bezieht. Abgesehen davon sollte man keinen Unsinn reden.
Wenn man in spirituellen Kreisen spricht, müssen die
ÜBERSETZUNG Aussagen, die man macht, anhand der Schriften belegt
werden können. Man sollte sofort aus den autorisierten
Die Enthaltung des Körpers besteht in der Verehrung Schriften zitieren, um seine Aussagen zu erhärten. Zur
des Höchsten Herrn, der brāhmanas, des spirituellen gleichen Zeit sollte ein solches Gespräch sehr angenehm für
Meisters und Höherstehender wie Vater und Mutter. das Ohr sein. Aus derartigen Diskussionen kann man den
Sauberkeit, Einfachheit, sexuelle Enthaltsamkeit und höchsten Nutzen ziehen und die menschliche Gesellschaft
erheben. Es gibt einen unbegrenzten Vorrat an vedischer
313

Literatur, und man sollte diesen studieren. Das nennt man śraddhayā—mit Glauben; parayā—transzendental;
Enthaltung in der Rede. taptam—ausgeführt; tapaƒ—Entbehrung; tat—dieser;
tri-vidham—drei Arten; naraiƒ—von Menschen;
VERS 16 aphala-ākāŠkibhiƒ—ohne Wünsche nach Früchten;
yuktaiƒ—beschäftigt; sāttvikam—in der Erscheinungsweise
manaƒ-prasādaƒ saumyatvaˆ der Tugend; pari-cakate—wird genannt.
maunam ātma-vinigrahaƒ
bhāva-saˆśuddhir ity etat ÜBERSETZUNG
tapo mānasam ucyate
Diese dreifache Enthaltung, die sich Menschen
manaƒ-prasādaƒ—Zufriedenheit des Geistes; auferlegen, die nicht das Ziel haben, sich selbst materiell
saumyatvam—ohne Zweideutigkeit anderen gegenüber; zu nützen, sondern den Höchsten zu erfreuen, befindet
maunam—Ernst; ātma—Selbst; vinigrahaƒ— sich in der Erscheinungsweise der Tugend.
Beherrschung; bhāva—Natur; saˆśuddhiƒ—Läuterung;
iti—so; etat—das ist; tapaƒ—Enthaltung; mānasam—des VERS 18
Geistes; ucyate—wird angesehen als.
satkāra-māna-pūjārtham
ÜBERSETZUNG tapo dambhena caiva yat
kriyate tad iha proktaˆ
Und heitere Gemütsruhe, Einfachheit, Ernsthaftigkeit, rājasaˆ calam adhruvam
Selbstbeherrschung und Reinheit der Gedanken sind
Enthaltungen des Geistes. satkāra—Achtung; māna—Ehre; pūjā-artham—für
Verehrung; tapaƒ—Enthaltung; dambhena—mit Stolz;
ERLÄUTERUNG ca—auch; eva—gewiß; yat—was ist; kriyate—ausgeführt;
tat—dieses; iha—in dieser Welt; proktam—wird angesehen
Dem Geist Enthaltungen aufzuerlegen bedeutet, ihn von als; rājasam—in der Erscheinungsweise der Tugend;
Sinnenbefriedigung zurückzuziehen. Er sollte in solcher calam—flackernd; adhruvam—zeitweilig.
Weise geschult werden, daß er immer imstande ist, daran
zu denken, Gutes für andere zu tun. Die beste Schulung für ÜBERSETZUNG
den Geist ist Ernsthaftigkeit im Denken. Man sollte nicht
vom KŠa-Bewußtsein abweichen und es immer Die prahlerischen Bußen und Enthaltungen, die man
vermeiden, die Sinne zu befriedigen. Indem man sein sich auferlegt, um Achtung, Ehre und Verehrung zu
Wesen läutert, wird man KŠa-bewußt. Man kann inneren gewinnen, befinden sich in der Erscheinungsweise der
Frieden nur erreichen, wenn man den Geist von Gedanken Leidenschaft. Sie sind weder beständig noch von Dauer.
an Sinnengenuß zurückzieht. Je mehr wir an Sinnengenuß
denken, desto unzufriedener wird unser Geist. Im ERLÄUTERUNG
gegenwärtigen Zeitalter beschäftigen wir den Geist
unnötigerweise mit so vielen Arten der Sinnenbefriedigung, Manche Menschen nehmen Bußen und Enthaltungen auf
daß keine Aussicht auf inneren Frieden besteht. Das beste sich, um andere zu beeindrucken und von ihnen Ehre,
ist, wenn man den Geist auf die vedischen Schriften, wie Achtung und Verehrung zu empfangen. Menschen in der
die PurāŠas und das Mahābhārata, lenkt, die viele wunder- Erscheinungsweise der Leidenschaft richten es so ein, daß
schöne Geschichten enthalten. Man kann dieses Wissen sie von Untergebenen verehrt werden, und lassen sich von
nutzen und so gereinigt werden. Der Geist sollte frei von ihnen die Füße waschen und Reichtümer anbieten. Solche
Falschheit sein, und man sollte an das Wohl aber denken. Zurschaustellung durch künstliches Durchführen von
Schweigsamkeit bedeutet, immer an Selbstverwirklichung Bußen befindet sich in der Erscheinungsweise der
zu denken. In diesem Sinne ist ein Mensch im Leidenschaft. Die Ergebnisse sind zeitweilig. Sie können
KŠa-Bewußtsein völlig schweigsam. Beherrschung des eine Zeitlang beibehalten werden, sind jedoch nicht von
Geistes bedeutet, den Geist vom Sinnengenuß zu lösen. Dauer.
Man sollte im Umgang mit anderen offen und ehrlich sein
und dadurch seine Existenz läutern. All diese Eigenschaften VERS 19
zusammen machen Enthaltung in den Tätigkeiten des
Geistes aus. mūha-grāheŠātmanaƒ yat
pīayā kriyate tapaƒ
VERS 17 parasyotsādanārthaˆ vā
tat tāmasam udāhtam
śraddhayā parayā taptaˆ
tapas tat tri-vidhaˆ naraiƒ mūha—töricht; grāheŠa—mit Anstrengung; ātmanaƒ—des
aphalākāŠkibhir yuktaiƒ eigenen Selbst; yat—was; pīayā—durch Qual; kriyate—
sāttvikaˆ paricakate ausgeführt wird; tapaƒ—Buße; parasya—von anderen;
utsādanārtham—Vernichtung verursachend; vā—oder;
314

tat—dieses; tāmasam—in der Erscheinungsweise der


Dunkelheit; udāhtam—wird angesehen als. VERS 21

ÜBERSETZUNG yat tu pratyupakārārthaˆ


phalam uddiśya vā punaƒ
Und solche Bußen und Enthaltungen, die auf törichte dīyate ca parikli˜aˆ
Weise durchgeführt werden, indem man sich aus tad dānaˆ rājasaˆ smtam
Starrsinn selbst quält, oder um andere zu zerstören
oder zu verletzen, befinden sich in der yat—das, was; tu—aber; prati-upakāra-artham—um etwas
Erscheinungsweise der Unwissenheit. als Gegenwert zu bekommen; phalam—Ergebnis;
uddiśya—wünschend; vā—oder; punaƒ—wieder; dīyate—
ERLÄUTERUNG wird als Spende gegeben; ca—auch; parikli˜am—grollend;
tat—dieses; dānam—Mildtätigkeit; rājasam—in der
Es gibt viele Beispiele törichter Bußen, die Dämonen auf Erscheinungsweise der Leidenschaft; smtam—wird
sich nahmen, wie HiraŠyakaśipu, der sich strenge Bußen verstanden als.
auferlegte, um unsterblich zu werden und die Halbgötter zu
töten. Er betete zu Brahmā, um diese Segnung zu erhalten, ÜBERSETZUNG
doch letztlich wurde er von der Höchsten Persönlichkeit
Gottes getötet. Wenn man sich Bußen auferlegt, um etwas Doch wenn man nur wohltätig ist, weil man sich einen
Unmögliches zu erreichen, befindet man sich zweifellos in Nutzen davon verspricht oder weil man sich
der Erscheinungsweise der Unwissenheit. fruchttragende Ergebnisse wünscht, oder wenn man nur
mit Widerwillen spendet, so befindet sich diese
VERS 20 Wohltätigkeit in der Erscheinungsweise der
Leidenschaft.
dātavyam iti yad dānaˆ
dīyate'nupakāriŠe ERLÄUTERUNG
deśe kāle ca pātre ca
tad dānaˆ sāttvikaˆ smtam Manchmal sind Menschen wohltätig, weil sie zum
himmlischen Königreich erhoben werden wollen, und
dātavyam—des Gebens wert; iti—so; yat-das, was; manchmal fällt es ihnen sehr schwer, wohltätig zu sein, und
dānam—Wohltätigkeit; dīyate—gegeben; anupakāriŠe— hinterher bereuen sie es: "Warum habe ich soviel Geld
irgend jemandem, ohne zu beachten, ob man etwas Gutes ausgegeben?" Spenden werden manchmal auch gegeben,
tut; deśe—am rechten Ort; kāle—zur rechten Zeit; ca— weil man einer Verpflichtung nachkommen muß, das heißt,
auch; pātre—geeignete Person; ca—und; tat—dieses; weil man von einem anderen darum gebeten wurde. Man
dānam—Mildtätigkeit; sāttvikam—in der Erschei- sagt, diese Art von Spenden befinde sich in der
nungsweise der Tugend; smtam—wird angesehen als. Erscheinungsweise der Leidenschaft.
Es gibt viele Wohltätigkeitsorganisationen, die ihre
ÜBERSETZUNG Spenden Institutionen zukommen lassen, wo eigentlich nur
der Sinnenbefriedigung gedient wird. Solche Spenden sind
Jene Gabe, die man aus Pflichtgefühl, zur rechten Zeit in den vedischen Schriften nicht empfohlen. Nur
und am rechten Ort einem würdigen Menschen gibt, Wohltätigkeit in der Erscheinungsweise der Tugend ist
ohne etwas dafür zu erwarten, gilt als Wohltätigkeit in empfohlen.
der Erscheinungsweise der Tugend.
VERS 22
ERLÄUTERUNG
adeśa-kāle yad dānam
In der vedischen Literatur wird empfohlen, Spenden einem apātrebhyaś ca dīyate
Menschen zu geben, der spirituellen Tätigkeiten nachgeht. asatktam avajñātaˆ
Es wird dort nicht empfohlen, Spenden wahllos zu tat tāmasam udāhtam
verteilen. Spirituelle Vollkommenheit ist immer mit
Besonnenheit verbunden. Es wird daher empfohlen, adeśa—nicht gereinigter Ort; kāle—nicht geläuterte Zeit;
Spenden an einer Pilgerstätte, bei Mond- oder Sonnenfin- yat—das, was; dānam —Spende; apātrebhyaƒ—
sternissen, am Monatsende, einem qualifizierten brāhmaŠa, unwürdigen Personen; ca—auch; dīyate—wird gegeben;
einem VaiŠava (Gottgeweihten) oder einem Tempel zu asatktam—ohne Achtung; avajñātam—ohne richtige
geben. Solche Spenden sollte man geben, ohne etwas dafür Aufmerksamkeit; tat—dieses; tāmasam—in der
zu erwarten. Oft werden den Armen aus Mitleid Almosen Erscheinungsweise der Dunkelheit; udāhtam—wird ange-
gegeben, doch wenn ein armer Mensch es nicht wert ist, sehen als.
Almosen zu empfangen, macht der Spender keinen
spirituellen Fortschritt. Mit anderen Worten: Wahlloses ÜBERSETZUNG
Verteilen von Spenden wird in der vedischen Literatur
nicht empfohlen.
315

Und Spenden, die an einem ungeeigneten Ort, zu einer von Opfern und die Auferlegung von Bußen in der
ungünstigen Zeit und unwürdigen Menschen ohne Erscheinungsweise der Tugend ausgeführt werden müssen.
Achtung und mit Geringschätzung gegeben werden, Wenn diese Tätigkeiten in den Erscheinungsweisen der
gelten als Wohltätigkeit in der Erscheinungsweise der Leidenschaft oder Unwissenheit verrichtet werden, sind sie
Unwissenheit. sicherlich von geringerer Qualität. Die drei Worte om tat
sat werden in Verbindung mit dem Heiligen Namen des
ERLÄUTERUNG Höchsten Herrn ausgesprochen: om tat viŠoƒ. Immer wenn
eine vedische Hymne oder der Heilige Name des Höchsten
Spenden, die für Berauschung und Glücksspiel verwendet Herrn gechantet wird, fügt man om hinzu. So lautet die
werden, werden hier nicht gebilligt. Diese Art von Spenden Anweisung der vedischen Schriften. Diese drei Worte sind
befindet sich in der Erscheinungsweise der Unwissenheit. den vedischen Hymnen entnommen. Om ity etad brahmaŠo
Solche Wohltätigkeit ist nicht segensreich — im Gegenteil, nedi˜aˆ nāma weist auf das erste Ziel hin. Tattvamasi
auf diese Weise werden sündige Menschen in ihrem Tun weist auf das zweite Ziel hin, und sad eva saumya weist auf
bestärkt. In ähnlicher Weise befinden sich auch Spenden, das dritte Ziel hin. Zusammengenommen werden sie zu om
die einem würdigen Menschen ohne Respekt und Aufmerk- tat sat. Als Brahmā, das ersterschaffene Lebewesen, Opfer
samkeit gegeben werden, in der Erscheinungsweise der darbrachte, chantete er diese drei Namen der Höchsten
Dunkelheit. Persönlichkeit Gottes. Das gleiche Prinzip wird durch die
Nachfolge der spirituellen Meister überliefert. Diese
VERS 23 Hymne ist also von großer Bedeutung. Die Bhagavad-gītā
empfiehlt daher, jede Arbeit, die getan wird, für om tat sat
om-tat-sad iti nirdeśo oder die Höchste Persönlichkeit Gottes zu verrichten. Wenn
brahmaŠas tri-vidhaƒ smtaƒ man sich Bußen auferlegt, wohltätig handelt und Opfer
brāhmaŠās tena vedāś ca darbringt, während man diese drei Worte chantet, handelt
yajñāś ca vihitāƒ purā man im KŠa-Bewußtsein. KŠa-Bewußtsein ist die
Wissenschaft, die lehrt, transzendentale Tätigkeiten
om—Hinweis auf den Höchsten; tat—dieses; sat—ewig; auszuführen, welche es dem Menschen ermöglichen, nach
iti—jenes; nirdeśaƒ— Andeutung; brāhmaŠaƒ—des Hause, zu Gott, zurückzukehren. Man verliert keine
Höchsten; tri-vidhaƒ—drei Arten; smtaƒ—betrachten; Energie, wenn man auf solch transzendentale Weise
brāhmaŠāƒ—die brāhmaŠas; tena-daher; vedāƒ—die handelt.
vedische Literatur; ca—auch; yajñāƒ-Opfer; ca—auch;
vihitāƒ—Opfer; purā—vormals. VERS 24

ÜBERSETZUNG tasmād om ity udāhtya


yajña-dāna-tapaƒ-kriyāƒ
Seit dem Beginn der Schöpfung wurden die drei Silben pravartante vidhānoktāƒ
— om tat sat— verwendet, um auf die Höchste Absolute satatam brahma-vādinām
Wahrheit [Brahman] hinzuweisen. Sie wurden von
brāhmaŠas ausgesprochen, um den Höchsten tasmāt—daher; om—beginnend mit om; iti—so; udāhtya—
zufriedenzustellen, während sie vedische Hymnen andeutend; yajña—Opfer; dāna—Wohltätigkeit; tapaƒ—
chanteten und Opfer darbrachten. Buße; kriyāƒ—Durchführungen; pravartante—beginnt;
vidhāna-uktāƒ—nach spirituellen Regeln; satatam—immer;
ERLÄUTERUNG brahma-vādinām—der Transzendentalisten.

Es wurde erklärt, daß Nahrung, Opfer, Bußen und ÜBERSETZUNG


Wohltätigkeit in drei Kategorien eingeteilt sind: die
Erscheinungsweisen der Tugend, Leidenschaft und Unwis- Um daher den Höchsten zu erreichen, bringen die
senheit. Doch ob erstklassig, zweitklassig oder drittklassig, Transzendentalisten Opfer dar, sind wohltätig und
sie alle sind bedingt und durch die drei Erscheinungsweisen nehmen Bußen auf sich, indem sie immer mit om
der materiellen Natur verunreinigt. Wenn sie aber auf den beginnen.
Höchsten gerichtet werden — om tat sat, die Höchste
Persönlichkeit Gottes, den Ewigen —, werden sie zu ERLÄUTERUNG
Mitteln spiritueller Erhebung. In den Unterweisungen der
Schriften ist ein solches Ziel angedeutet. Die drei Worte om Om tad viŠoƒ paramaˆ padam. Die Lotosfüße ViŠus
tat sat weisen insbesondere auf die Absolute Wahrheit, die sind die Ebene höchster Hingabe. Wenn man alles für die
Höchste Persönlichkeit Gottes, hin. In den vedischen Höchste Persönlichkeit Gottes tut, ist es sicher, daß man in
Hymnen ist das Wort om immer zu finden. jeder Tätigkeit die Vollkommenheit erreicht.
Wer handelt, ohne die Regulierungen der Schriften zu
beachten, wird die Absolute Wahrheit nicht erreichen. Er VERS 25
wird ein zeitweiliges Ergebnis bekommen, aber nicht das
endgültige Ziel des Lebens erreichen. Daraus kann man tad ity anabhisandhāya
schließen, daß das Geben von Spenden, die Darbringung phalaˆ yajña-tapaƒ-kriyāƒ
316

dāna-kriyāś ca vividhāƒ Die Wörter praśaste karmaŠi (vorgeschriebene Pflichten)


kriyante moka-kā‰kibhiƒ weisen darauf hin, daß in den vedischen Schriften viele
Tätigkeiten, das heißt Reinigungsvorgänge, vorgeschrieben
tat—dieses; iti—sie; anabhisandhāya—ohne werden, die mit der elterlichen Fürsorge beginnen und bis
fruchtbringendes Ergebnis; phalam-Opferergebnis; yajña- ans Lebensende fortgesetzt werden. Solche
Opfer; tapaƒ—Buße; kriyāƒ—Tätigkeiten; dāna—Wohl- Reinigungsvorgänge werden mit dem Ziel durchgeführt,
tätigkeit; kriyāƒ—Tätigkeiten; ca—auch; vividhāƒ— das Lebewesen endgültig zu befreien. Es ist empfohlen, bei
Vielfalt; kriyante—getan; moka-kā‰kibhiƒ—diejenigen, all diesen Tätigkeiten om tat sat zu chanten. Die Wörter
die tatsächlich nach Befreiung streben. sad-bhāve und sādhū-bhāve deuten die transzendentale
Situation an. Jemand, der im KŠa-Bewußtsein handelt,
ÜBERSETZUNG wird sattva genannt, und jemand, der sich der Tätigkeiten
im KŠa-Bewußtsein völlig bewußt ist, wird svarūpa
Man sollte Opfer darbringen, sich Bußen auferlegen genannt. Im Śrīmad-Bhāgavatam heißt es, daß die Höchste
und wohltätig sein, indem man dabei das Wort tat Absolute Wahrheit durch die Gemeinschaft mit
spricht. Der Zweck solch transzendentaler Tätigkeiten Gottgeweihten verständlich wird. Ohne guten Umgang
besteht darin, von der materiellen Verstrickung frei zu kann man kein transzendentales Wissen erwerben. Wenn
werden. man jemand einweiht oder ihm die heilige Schnur
überreicht, chantet man die Worte om tat sat. In ähnlicher
ERLÄUTERUNG Weise wird auch bei allen Arten von yoga-Übungen das
höchste Ziel, om tat sat. angerufen. Die Worte om tat sat
Um auf die spirituelle Ebene erhoben zu werden, sollte man werden verwendet, um alle Tätigkeiten zu
nicht aus dem Motiv heraus handeln, einen materiellen vervollkommnen. Dieses erhabene om tat sat macht alles
Gewinn zu erlangen. Handlungen sollten mit dem Ziel vollständig.
ausgeführt werden, zum spirituellen Königreich erhoben zu
werden und nach Hause, zu Gott, zurückzukehren. VERS 28

VERS 26-27 aśraddhayā hutaˆ dattaˆ


tapas taptaˆ ktaˆ ca yat
sad-bhāve sādhu-bhāve ca asad ity ucyate pārtha
sad ity etat prayujyate na ca tat pretya no iha
praśaste karmaŠi tathā
sac-chabdaƒ pārtha yujyate aśraddhayā—ohne Glauben; hutam—ausgeführt; dattam—
gegeben; tapaƒ—Buße; taptam—ausgeführt; ktam—getan;
yajñe tapasi dāne ca ca—auch; yat—das, was; asat—fällt; iti—so; ucyate—wird
sthitiƒ sad iti cocyate angesehen als; pārtha—o Sohn Pthās; na—niemals; ca—
karma caiva tad-arthīyaˆ auch; tat—dieses; pretya—nach dem Tod; no—noch; iha—
sad ity evābhidhīyate in diesem Leben.

sat-bhāve—im Sinne der Natur des Höchsten; ÜBERSETZUNG


sādhu-bhāve—im Sinne der Natur der Hingabe; ca—auch;
sat—der Höchste; iti—so; etat—dieses; prayujyate—wird Doch Opfer, Enthaltungen und Wohltätigkeiten, die
gebraucht; praśaste—echt; karmaŠi—Tätigkeiten; tathā— ohne Glauben an den Höchsten ausgeführt werden, sind
auch; sat-śabdaƒ—Klang; pārtha—o Sohn Pthās; nicht von Dauer, o Sohn Pthās, welche Rituale auch
yujyate—wird gebraucht; yajñe—Opfer; tapasi—bei Buße; immer vollzogen werden. Man bezeichnet sie als asat,
dāne—bei Wohltätigkeit; ca—auch; sthitiƒ—befindlich; und sie bringen weder in diesem noch im nächsten
sat—der Höchste; iti—so; ca—und; ucyate— Leben einen Nutzen.
ausgesprochen; karma—Arbeit; ca—auch; eva—gewiß;
tat—dieses; arthīyam—sind bestimmt; sat—der Höchste; ERLÄUTERUNG
iti—so; eva—gewiß; abhidhīyate—wird praktiziert.
Alles, was man tut, ohne das transzendentale Ziel im Auge
ÜBERSETZUNG zu haben — ob Opfer, Wohltätigkeit oder Buße — ist
nutzlos. Deshalb wird in diesem Vers erklärt, daß solche
O Sohn Pthās, die Absolute Wahrheit ist das Ziel des Tätigkeiten verabscheuenswert sind. Alles sollte für den
hingebungsvollen Opfers, und Sie wird durch das Wort Höchsten im KŠa-Bewußtsein getan werden. Ohne
sat angedeutet. Diese Werke des Opfers, der Buße und solchen Glauben und ohne die richtige Führung kann es
der Wohltätigkeit, die von absoluter Natur sind, sind niemals eine Frucht geben. In allen vedischen Schriften
zur Freude der Höchsten Person bestimmt. wird Glauben an den Höchsten gefordert. Alle vedischen
Unterweisungen laufen auf das Endziel hinaus, KŠa zu
ERLÄUTERUNG verstehen. Niemand kann Erfolg haben, ohne dieses Prinzip
zu befolgen. Deshalb ist es das beste, von Anfang an unter
der Führung eines echten spirituellen Meisters im
317

KŠa-Bewußtsein zu handeln. Das ist der Weg, in jeder


Hinsicht erfolgreich zu sein.
Im bedingten Zustand fühlen sich die Menschen dazu
hingezogen, Halbgötter, Geister oder Yakas wie Kuvera zu
verehren. Die Erscheinungsweise der Tugend ist besser als
die Erscheinungsweisen der Leidenschaft und
Unwissenheit, doch wer sich direkt dem KŠa-Bewußtsein
zuwendet, steht zu allen drei Erscheinungsweisen der
materiellen Natur in transzendentaler Stellung. Obwohl es
einen Vorgang der allmählichen Erhebung gibt, ist es das
beste, wenn man sich, durch den Umgang mit reinen
Gottgeweihten, dem KŠa-Bewußtsein direkt widmet. Das
wird in diesem Kapitel empfohlen. Um auf diesem Weg
erfolgreich zu sein, muß man als erstes einen echten
spirituellen Meister finden und unter seiner Führung ge-
schult werden. Nur so kann man Glauben an den Höchsten
gewinnen. Wenn dieser Glaube im Laufe der Zeit
heranreift, wird er als Liebe zu Gott bezeichnet. Diese
Liebe ist das endgültige Ziel der Lebewesen. Man sollte
daher das KŠa-Bewußtsein direkt annehmen. Das ist die
Botschaft des Siebzehnten Kapitels.

Hiermit enden die Bhaktivedanta-Erläuterungen zum


Siebzehnten Kapitel der Śrīmad Bhagavad-gītā mit dem
Titel: "Die verschiedenen Arten des Glaubens"
318

ACHTZEHNTES KAPITEL im Fünfzehnten Kapitel beschrieben. In jeder Schrift, in


jedem Veda, ist hingebungsvoller Dienst das Ziel. Das wird
in der Bhagavad-gītā erklärt.
Schlußfolgerung — die Ähnlich wie im Zweiten Kapitel eine Übersicht über den
gesamten Inhalt gegeben wurde, so gibt das Achtzehnte
Vollkommenheit der Entsagung Kapitel eine Zusammenfassung aller Unterweisungen. Als
Sinn des Lebens werden Entsagung und das Erreichen der
VERS 1 transzendentalen Ebene, jenseits der drei
Erscheinungsweisen der materiellen Natur, angedeutet.
arjuna uvāca Arjuna möchte insbesondere diese beiden Themen der
sannyāsasya mahābāho Bhagavad-gītā näher erklärt haben, nämlich Entsagung
tattvam icchāmi veditum (tyāga) und den Lebensstand der Entsagung (sannyāsa).
tyāgasya ca hīkeśa Aus diesem Grund fragt er nach der Bedeutung dieser
pthak keśiniūdana beiden Begriffe.
Die in diesem Vers als Anrede für den Höchsten Herrn
arjunaƒ uvāca—Arjuna sagte; sannyāsasya—des gebrauchten zwei Wörter —Hīkeśa und Keśinisūdana —
Lebensstandes der Entsagung; mahā-bāho—o sind von Bedeutung. Hīkeśa ist KŠa, der Herr aller
Starkarmiger; tattvam—Wahrheit; icchāmi—ich möchte; Sinne, der uns immer helfen kann, heitere Gemütsruhe zu
veditum—verstehen; tyāgasya—von Entsagung; ca—auch; erreichen. Arjuna bittet Ihn, alles in solcher Weise
hīkeśa—o Herr der Sinne; pthak—unterschiedlich; zusammenzufassen, daß er seine geistige Ausgeglichenheit
keśi-nisūdana—o Töter des Keśī-Dämons. bewahren kann. Immer noch quälen ihn einige Zweifel, und
Zweifel werden immer mit Dämonen verglichen. Er redet
ÜBERSETZUNG daher KŠa mit Keśinisūdana an. Keśi war ein furchtbarer
Dämon, der vom Herrn getötet wurde. Jetzt erwartet Arjuna
Arjuna sagte: O Starkarmiger, ich möchte den Zweck von KŠa, daß dieser auch den Dämon des Zweifels tötet.
von Entsagung [tyāga] und des Lebensstandes der
Entsagung [sannyāsa] verstehen, o Hīkeśa, Töter des VERS 2
Keśī-Dämons.
śrī bhagavān uvāca
ERLÄUTERUNG kāmyānāˆ karmaŠāˆ nyāsaˆ
sannyāsaˆ kavayo viduƒ
Eigentlich ist die Bhagavad-gītā mit dem Siebzehnten sarva-karma-phala-tyāgaˆ
Kapitel abgeschlossen. Das Achtzehnte Kapitel ist eine prāhus tyāgaˆ vicakaŠāƒ
ergänzende Zusammenfassung der Themen, die zuvor
erörtert wurden. In jedem Kapitel der Bhagavad-gītā betont śrī bhagavān uvāca—die Höchste Persönlichkeit Gottes
Śrī KŠa, daß hingebungsvoller Dienst für die Höchste sprach; kāmyānām—mit Wunsch; karmaŠām—Tätigkeiten;
Persönlichkeit Gottes das endgültige Ziel des Lebens ist. nyāsam—Entsagung; sannyāsam—der Lebensstand der
Das wird nun im Achtzehnten Kapitel als der vertraulichste Entsagung; kavayaƒ—die Gelehrten; viduƒ—kennen;
Pfad des Wissens zusammengefaßt. In den ersten sechs sarva—alle; karma—Tätigkeiten; phala—der Ergebnisse;
Kapiteln wurde hingebungsvoller Dienst besonders betont: tyāgam—Entsagung; prāhuƒ—nennen; tyāgam—
yoginām api sarveām... "Von allen yogīs oder Entsagung; vicakaŠāƒ—die Erfahrenen.
Transzendentalisten ist derjenige, der ständig im Innern an
Mich denkt, der beste." In den folgenden sechs Kapiteln ÜBERSETZUNG
wurden reiner hingebungsvoller Dienst, sein Wesen und
seine Tätigkeiten erörtert. In den letzten sechs Kapiteln Der Höchste Herr sprach: Auf die Ergebnisse aller
wurden Wissen, Entsagung, die Tätigkeiten der materiellen Tätigkeiten zu verzichten, wird von den Weisen als
und der transzendentalen Natur und hingebungsvoller Entsagung [tyāga] bezeichnet. Und dieser Zustand wird
Dienst beschrieben. Es wurde die Schlußfolgerung von großen Gelehrten der Lebensstand der Entsagung
gezogen, daß alle Handlungen in Beziehung zum Höchsten [sannyāsa] genannt.
Herrn ausgeführt werden sollten, zusammengefaßt durch
die Worte om tat sat, die auf ViŠu, die Höchste Person, ERLÄUTERUNG
hinweisen. Im dritten Teil der Bhagavad-gītā wurde
hingebungsvoller Dienst am Beispiel vorangegangener Man sollte es aufgeben, etwas nur zu tun, um ein Ergebnis
ācāryas verdeutlicht und durch Zitate aus dem zu bekommen. So lautet die Unterweisung der
Brahma-sūtra (Vedānta-sūtra) belegt, das feststellt, daß Bhagavad-gītā. Doch Tätigkeiten, die zu fortgeschrittenem
hingebungsvoller Dienst, und nichts anderes, der letztliche spirituellem Wissen führen, sollten nicht aufgegeben
Sinn des Lebens ist. Gewisse Unpersönlichkeitsanhänger werden. Das wird im nächsten Vers näher erläutert werden.
glauben, sie allein besäßen das Wissen vom Vedānta-sūtra, In den vedischen Schriften gibt es viele Anweisungen in
doch im Grunde ist das Vedānta-sūtra dafür bestimmt, bezug auf Opferhandlungen, die mit einer bestimmten
hingebungsvollen Dienst zu verstehen, denn der Herr Selbst Absicht ausgeführt werden. Es gibt zum Beispiel Opfer, die
ist der Verfasser und Kenner des Vedānta-sūtra. Dies wird dargebracht werden, weil man sich einen guten Sohn
319

wünscht oder weil man auf höhere Planeten erhoben ÜBERSETZUNG


werden will; doch Opfer, die von Verlangen veranlaßt
werden, sollte man unterlassen. Opfer aber, die das Herz O bester der Bhāratas, höre von Mir jetzt über
reinigen oder zu Fortschritt im spirituellen Wissen führen, Entsagung. O Tiger unter den Menschen, es gibt drei
sollte man nicht aufgeben. Arten von Entsagung, die in den Schriften erklärt
werden.
VERS 3
ERLÄUTERUNG
tyājyaˆ doavad ity eke
karma prāhur manīiŠaƒ Über Entsagung gibt es verschiedene Auffassungen, und
yajña-dāna-tapaƒ-karma hier fällt Śrī KŠa, die Höchste Persönlichkeit Gottes, Sein
na tyājyam iti cāpare Urteil, das als endgültig akzeptiert werden sollte. Immerhin
sind die Veden Gesetze, die vom Herrn erlassen wurden.
tyājyam—müssen aufgegeben werden; doavat—als ein Hier ist der Herr persönlich gegenwärtig, und Sein Wort
Übel; iti—so; eke—eine Gruppe; karma—Tun; prāhuƒ— sollte als endgültig akzeptiert werden. Der Herr sagt, der
gesagt; manīiŠaƒ—von großen Denkern; yajña—Opfer; Vorgang der Entsagung solle in bezug auf die
dāna—Mildtätigkeit; tapaƒ—Buße; karma—Tun; na— Erscheinungsweisen der materiellen Natur betrachtet
niemals; tyājyam—darf aufgegeben werden; iti—so; ca— werden, in denen man Entsagung übe.
gewiß; apare—andere.
VERS 5
ÜBERSETZUNG
yajña-dāna-tapaƒ-karma
Einige Gelehrte erklären, daß alle Arten na tyājyaˆ kāryam eva tat
fruchtbringender Tätigkeiten aufgegeben werden yajño dānaˆ tapaś caiva
sollten; doch es gibt andere Weise, die der Meinung pāvanāni manīiŠām
sind, Opfer, Wohltätigkeit und Buße solle man niemals
aufgeben. yajña—Opfer; dāna—Wohltätigkeit; tapaƒ—Buße;
karma—Tätigkeiten; na—niemals; tyājyam—aufzugeben;
ERLÄUTERUNG kāryam—muß getan werden; eva—gewiß; tat—dieses;
yajñaƒ—Opfer; dānam—Wohltätigkeit; tapaƒ—Buße; ca-
In den vedischen Schriften werden viele Tätigkeiten auch; eva—gewiß; pāvanāni—läuternd; manīiŠām-selbst
erwähnt, die Anlaß zu Wortgefechten geben. Zum Beispiel für große Seelen.
heißt es, in einem Opfer dürfe ein Tier getötet werden, aber
dennoch behaupten manche, das Töten von Tieren sei in ÜBERSETZUNG
jedem Falle verwerflich. In den vedischen Schriften wird
zwar das Opfern von Tieren empfohlen, doch das geopferte Opferhandlungen, Wohltätigkeit und Buße sollten nicht
Tier gilt nicht als getötet. Das Opfer ist dafür da, dem Tier aufgegeben, sondern ausgeführt werden. Selbst die
ein neues Leben zu schenken. Manchmal wird dem Tier, großen Seelen werden durch Opfer, Wohltätigkeit und
nachdem es im Opfer getötet wurde, ein neues tierisches Buße gereinigt.
Leben gegeben, und manchmal wird es sofort zur
menschlichen Form des Lebens erhoben. Trotzdem gibt es ERLÄUTERUNG
unter den Weisen unterschiedliche Auffassungen. Einige
sagen, das Töten von Tieren solle immer vermieden Yogīs sollten für den Fortschritt der menschlichen
werden, wohingegen andere meinen, daß dies für ein Gesellschaft tätig sein. Es gibt viele Läuterungsvorgänge,
bestimmtes Opfer zu empfehlen sei. All diese um einen Menschen zum spirituellen Leben zu erheben.
verschiedenen Ansichten hinsichtlich Opferhandlungen Die Hochzeitszeremonie zum Beispiel gilt als eines dieser
werden jetzt vom Herrn Selbst klargestellt. Opfer. Sie wird vivāha-yajña genannt. Soll ein sannyāsī,
der im Lebensstand der Entsagung steht und alle
VERS 4 Familienverbindungen aufgegeben hat, anderen zur Heirat
raten? Der Herr sagt hier, daß jedes Opfer, das für das
niścayaˆ śŠu me tatra Wohl der Menschen bestimmt sei, niemals aufgegeben
tyāge bharata-sattama werden solle. Vivāha-yajña, die Hochzeitszeremonie, ist
tyāgo hi purua-vyāghra dafür gedacht, den menschlichen Geist zu regulieren, so
tri-vidhaƒ samprakīrtitaƒ daß er friedlich wird und sich somit für spirituellen
Fortschritt eignet. Den meisten Männern sollte zu diesem
niścayam—gewiß; śŠu—höre; me—von Mir; tatra—dort; vivāha-yajña geraten werden — sogar von Menschen im
tyāge—in bezug auf Entsagung; bharata-sattama—o bester Lebensstand der Entsagung. Sannyāsīs sollten niemals mit
der Bhāratas; tyāgaƒ—Entsagung; hi—gewiß; Frauen zusammensein, aber das bedeutet nicht, daß ein
purua-vyāghra—o Tiger unter den Menschen; junger Mann, der sich auf einer niedrigeren Lebensstufe
tri-vidhaƒ—drei Arten; samprakīrtitaƒ—wird verkündet. befindet, keine Frau durch die Hochzeitszeremonie
annehmen soll. Alle vorgeschriebenen Opfer sind dafür da,
320

den Höchsten Herrn zu erreichen. Deshalb sollten sie auf vorgeschriebenen Pflichten aufgibt, befindet sich solche
den unteren Stufen nicht aufgegeben werden. In ähnlicher Entsagung in der Erscheinungsweise der Unwissenheit.
Weise ist Wohltätigkeit für die Reinigung des Herzens
bestimmt. Wenn Wohltätigkeit — wie zuvor beschrieben ERLÄUTERUNG
wurde — geeigneten Menschen erwiesen wird, führt sie zu
Fortschritt im spirituellen Leben. Arbeit für materielle Befriedigung muß aufgegeben
werden, doch Tätigkeiten, die einen zu spirituellem
VERS 6 Handeln führen, wie für den Herrn kochen, Ihm die Speisen
opfern und danach die geopferte Nahrung essen, sind
etāny api tu karmāŠi empfohlen. Es wird gesagt, daß ein Mensch im
sa‰gaˆ tyaktvā phalāni ca Lebensstand der Entsagung nicht für sich selbst kochen
kartavyānīti me pārtha sollte. Es ist verboten, für sich selbst zu kochen, aber es ist
niścitaˆ matam uttamam durchaus nicht untersagt, für den Höchsten Herrn Speisen
zuzubereiten. In ähnlicher Weise kann ein sannyāsī auch
etāni—all diese; api—gewiß; tu—aber; karmāni— eine Hochzeitszeremonie durchführen, um seinem Schüler
Tätigkeiten; sa‰gam-Gemeinschaft; tyaktvā—aufgebend; zu helfen, im KŠa-Bewußtsein Fortschritte zu machen.
phalāni—Ergebnisse; ca—auch; kartavyāni—als Pflicht; Wer solche Handlungen ablehnt, handelt in der
iti—so; me—Meine; pārtha—o Sohn Pthās; niścitam— Erscheinungsweise der Dunkelheit.
endgültige; matam—Meinung; uttamam—die beste.
VERS 8
ÜBERSETZUNG
duƒkham ity eva yat karma
All diese Tätigkeiten sollte man ausführen, ohne ein kāya-kleśa-bhayāt tyajet
Ergebnis zu erwarten. Man sollte ihre Ausführung als sa ktvā rājasaˆ tyāgaˆ
Pflicht betrachten, o Sohn Pthās. Das ist Meine naiva tyāga-phalam labhet
endgültige Meinung.
duƒkham—unglücklich; iti—so; eva—gewiß; yat—das,
ERLÄUTERUNG was; karma—Arbeit; kāya—Körper; kleśa—mühevoll;
bhayāt—aus Furcht; tyajet—gibt auf; saƒ—dieses; ktvā—
Alle Opfer haben eine reinigende Wirkung, doch sollte man nachdem man getan hat; rājasam—in der
von ihnen keine Ergebnisse erwarten. Mit anderen Worten: Erscheinungsweise der Leidenschaft; tyāgam—Entsagung;
Alle Opfer, die für materiellen Fortschritt im Leben na—nicht; eva—gewiß; tyāga—entsagt; phalam—
bestimmt sind, sollten aufgegeben werden; aber Opfer, die Ergebnisse; labhet—gewinnt.
die Existenz reinigen und einen zur spirituellen Ebene
erheben, sollten nicht eingestellt werden. Alles, was zum ÜBERSETZUNG
KŠa-Bewußtsein führt, muß gefördert werden. Auch im
Śrīmad Bhāgavatam heißt es, daß jede Tätigkeit Wer vorgeschriebene Pflichten aus Furcht aufgibt oder
angenommen werden sollte, die zum hingebungsvollen weil sie ihm zu mühsam erscheinen, befindet sich in der
Dienst für den Herrn führt. Das ist das höchste Kriterium Erscheinungsweise der Leidenschaft. Solches Handeln
für Religion. Ein Gottgeweihter sollte jede Art von Arbeit, führt niemals zur Stufe der Entsagung.
Opfer oder Wohltätigkeit auf sich nehmen, die ihm bei der
Ausführung hingebungsvollen Dienstes für den Herrn hilft. ERLÄUTERUNG

VERS 7 Wer im KŠa-Bewußtsein lebt, sollte nicht aus Angst,


fruchtbringende Tätigkeiten zu verrichten, das
niyatasya tu sannyāsaƒ Geldverdienen aufgeben. Wenn man sein Geld im KŠa--
karmaŠo nopapadyate Bewußtsein verwenden kann oder wenn man durch frühes
mohāt tasya parityāgas Aufstehen sein transzendentales KŠa-Bewußtsein fördern
tāmasaƒ parikīrtitaƒ kann, sollte man nicht aus Furcht oder weil solche
Tätigkeiten mühevoll erscheinen, davon Abstand nehmen.
niyatasya—vorgeschriebene Pflichten; tu—aber; Solche Entsagung befindet sich in der Erscheinungsweise
sannyāsaƒ—Entsagung; karmaŠaƒ—Tätigkeiten; na— der Leidenschaft. Das Ergebnis leidenschaftlicher Arbeit ist
niemals; upapadyate—ist verdient; mohāt—durch Illusion; immer leidvoll. Aber auch wenn jemand solcher Arbeit
tasya—von welchem; parityāgaƒ—Entsagung; tāmasaƒ— entsagt, bekommt er mit dieser Einstellung niemals das
in der Erscheinungsweise der Unwissenheit; parikīrtitaƒ— Ergebnis von Entsagung.
verkündet.
VERS 9
ÜBERSETZUNG
kāryam ity eva yat karma
Vorgeschriebene Pflichten sollten niemals aufgegeben niyataˆ kriyate'rjuna
werden. Wenn jemand aufgrund von Illusion seine sa‰gaˆ tyaktvā phalaˆ caiva
321

sa tyāgaƒ sāttviko mataƒ sannyāsīs und befinden sich im Lebensstand der


Entsagung. Es wird hier klar dargelegt, wie man den
kāryam—muß getan werden; iti—so; eva—gewiß; yat— Früchten der Arbeit entsagen kann und für welchen Zweck
das, was; karma—Arbeit; niyatam—vorgeschriebene; auf die Früchte verzichtet werden sollte.
kriyate—ausgeführt; arjuna—o Arjuna; sa‰gam—
Gemeinschaft; tyaktvā—aufgebend; phalam—Ergebnis; VERS 11
ca—auch; eva—gewiß; saƒ—diese; tyāgaƒ—Entsagung;
sāttvikaƒ—in der Erscheinungsweise der Tugend; mataƒ— na hi deha-bhtā śakyaˆ
Meiner Ansicht nach. tyaktuˆ karmāŠy aśeataƒ
yas tu karma-phala-tyāgī
ÜBERSETZUNG sa tyāgīty abhidhīyate

Die Entsagung eines Menschen jedoch, der seine na—niemals; hi—gewiß; deha-bhtā—des Verkörperten;
vorgeschriebene Pflicht erfüllt, weil sie getan werden śakyam—möglich; tyaktum—zu entsagen; karmāŠi—
muß, und der jede Anhaftung an die Früchte seines Tätigkeiten des; aśeataƒ—zusammen; yaƒ tu—jeder, der;
Tuns aufgibt, befindet sich in der Erscheinungsweise der karma—Arbeit; phala—Ergebnis; tyāgī—Entsagender;
Tugend, o Arjuna. saƒ—er; tyāgī—der Entsagende; iti—so; abhidhīyate—es
heißt.
ERLÄUTERUNG
ÜBERSETZUNG
Vorgeschriebene Pflichten müssen in diesem Bewußtsein
efüllt werden. Man sollte handeln, ohne am Ergebnis zu Es ist in der Tat unmöglich für verkörperte Wesen, alle
haften, und weder eine bestimmte Arbeit bevorzugen noch Tätigkeiten aufzugeben. Deshalb heißt es, daß derjenige,
eine andere ablehnen. Ein Mensch, der im der auf die Früchte des Handelns verzichtet, wahrhaft
KŠa-Bewußtsein in einer Fabrik arbeitet, identifiziert sich entsagungsvoll ist.
nicht mit seiner Arbeit und verkehrt auch nicht mit den
Arbeitern der Fabrik. Er arbeitet nur für KŠa. Und weil er ERLÄUTERUNG
für KŠa auf das Ergebnis verzichtet, ist sein Handeln
transzendental. Ein Mensch im KŠa-Bewußtsein, der im Wissen um seine
Beziehung zu KŠa handelt, ist immer befreit. Deshalb
VERS 10 braucht er nach dem Tod die Ergebnisse seiner Handlungen
weder zu genießen noch zu erleiden.
na dve˜y akuśalaˆ karma
kuśale nānuajjate VERS 12
tyāgī sattva-samāvi˜o
medhāvī chinna-saˆśayaƒ ani˜am i˜aˆ miśraˆ ca
tri-vidhaˆ karmaŠaƒ phalam
na—niemals; dve˜i—haßt; akuśalam-ungünstige; karma— bhavaty atyāgināˆ pretya
Arbeit; kuśale—günstige; na—noch; anuajjate—wird na tu sannyāsināˆ kvacit
angehaftet; tyāgī—der Entsagende; sattva—Tugend;
samāvi˜aƒ—vertieft in; medhāvī—intelligent; chinna— ani˜am—zur Hölle führend; i˜am—zum Himmel führend;
zerschneiden; saˆśayaƒ-alle Zweifel. miśram—Mischung; ca—und; tri-vidham—drei Arten;
karmaŠaƒ—Arbeit; phalam—Ergebnis; bhavati—wird;
ÜBERSETZUNG atyāginām—der Entsagenden; pretya—nach dem Tod; na—
nicht; tu—aber; sannyāsinām—von jenen im Lebensstand
Dieienigen, die in der Erscheinungsweise der Tugend der Entsagung; kvacit—zu irgendeiner Zeit.
verankert sind, die weder ungünstige Arbeit hassen
noch an günstiger Arbeit haften, sind hinsichtlich ihrer ÜBERSETZUNG
Arbeit nicht unschlüssig.
Einem Menschen, der nicht entsagungsvoll ist, fallen die
ERLÄUTERUNG dreifachen Früchte des Handelns — wünschenswerte,
unerwünschte und vermischte — nach dem Tode zu.
In der Bhagavad-gītā heißt es, daß man zu keiner Zeit Diejenigen aber, die im Lebensstand der Entsagung ste-
Aktivität aufgeben kann. Wer daher für KŠa arbeitet und hen, brauchen solche Ergebnisse nicht zu erleiden oder
die fruchttragenden Ergebnisse nicht genießt, sondern alles zu genießen.
KŠa opfert, ist wahrhaft entsagungsvoll. Es gibt viele
Mitglieder der Internationalen Gesellschaft für ERLÄUTERUNG
Krischna-Bewußtsein, die in ihrem Büro, in der Fabrik oder
an irgendeinem anderen Ort sehr schwer arbeiten und ihren Ein Mensch im KŠa-Bewußtsein oder in der
ganzen Verdienst der Gesellschaft zur Verfügung stellen. Erscheinungsweise der Tugend haßt niemanden und nichts,
Solche weit fortgeschrittenen Seelen sind im Grunde was seinem Körper Schwierigkeiten bereitet. Er arbeitet am
322

richtigen Ort und zur rechten Zeit, ohne die mühevollen Die Werkzeuge der Handlung sind die Sinne; durch die
Folgen seiner Pflicht zu fürchten. Man sollte wissen, daß Sinne handelt die Seele auf verschiedene Weise, und für
ein solcher, in der Transzendenz verankerter Mensch im jede einzelne Handlung wird eine unterschiedliche
höchsten Maße intelligent ist und daß seine Tätigkeiten Bemühung unternommen. Doch alle Tätigkeiten sind
über alle Zweifel erhaben sind. letztlich vom Willen der Überseele abhängig, die als
Freund im Herzen weilt. Der Höchste Herr ist die über-
VERS 13-14 geordnete Ursache. Unter diesen Umständen ist also
jemand, der KŠa-bewußt ist und nach der Weisung der
pañcaitāni mahā-bāho Überseele handelt, natürlich von keiner Tätigkeit gebunden.
kāraŠāni nibodha me Diejenigen, die völlig KŠa-bewußt sind, tragen letzten
sā‰khye ktānte proktāni Endes für ihre Handlungen keine Verantwortung. Ihr
siddhaye sarva-karmaŠām ganzes Handeln ist vom höchsten Willen abhängig, von der
Überseele, der Höchsten Persönlichkeit Gottes.
adhi˜hānaˆ tathā kartā
karaŠaˆ ca pthag-vidham VERS 15
vividhāś ca pthak ce˜ā
daivam caivātra pañcamam śarīra-vānmanobhir yat
karma prārabhate naraƒ
pañca—fünf; etāni-all diese; mahā-bāho—o Starkarmiger; nyāyyaˆ vā viparītaˆ vā
kāraŠāni—Ursachen; nibodha—verstehe nur; me—von Mir; pañcaite tasya hetavaƒ
sā‰khye—in den Veden; ktānte—nach der Ausführung;
proktāni—erklärt; siddhaye—Vollkommenheit; sarva-alle; śarīra—Körper; vāk—Sprache; manobhiƒ—durch den
karmaŠām—in Tätigkeit gesetzt; adhi˜hānam—Ort; tathā- Geist; yat—irgend etwas; karma—Arbeit; prārabhate—
auch; kartā—Arbeiter; karaŠam—Werkzeuge; ca—und; beginnt; naraƒ—ein Mensch; nyāyyam—richtig; vā—oder;
pthak-vidham—verschiedene Arten; vividhāƒ—Vielfalt; viparītam—das Gegenteil; vā—oder; pañca—fünf; ete—all
ca—und; pthak—gesonderte; ce˜āƒ—Bemühung; diese; tasya-seine; hetavaƒ—Ursachen.
daivam—der Höchste; ca—auch; eva—gewiß; atra—hier;
pañcamam—fünf. ÜBERSETZUNG

ÜBERSETZUNG Jede richtige oder falsche Handlung, die ein Mensch mit
Körper, Geist oder Worten ausführt, wird von diesen
O starkarmiger Arjuna, lerne von Mir die fünf fünf Faktoren verursacht.
Faktoren, die das Zustandekommen jeder Handlung
bewirken. Sie werden in der sā‰khya-Philosophie ERLÄUTERUNG
beschrieben als der Ort der Handlung, der
Ausführende, die Sinne, die Bemühung und schließlich Die Worte "richtig" und "falsch" sind in diesem Vers sehr
die Überseele. bedeutsam. Richtiges Handeln ist Handeln im Einklang mit
den in den Schriften vorgeschriebenen Richtlinien, und
ERLÄUTERUNG falsches Handeln ist Handeln entgegen den Prinzipien der
Unterweisungen der Schriften. Aber für die Ausführung
Es mag in diesem Zusammenhang folgende Frage aller Handlungen sind diese fünf Faktoren erforderlich.
auftauchen: Wenn auf jede ausgeführte Tätigkeit eine
Reaktion folgt, wie kommt es dann, daß ein Mensch im VERS 16
KŠa-Bewußtsein die Reaktionen auf sein Handeln weder
genießen noch erleiden muß? Um zu erklären, wie dies tatraivaˆ sati kartāram
möglich ist, zitiert der Herr die Philosophie des Vedānta. Er ātmānaˆ kevalaˆ tu yaƒ
sagt, daß es fünf Ursachen für alle Tätigkeiten und den paśyaty akta-buddhitvān
Erfolg bei allem Tun gibt und daß man diese fünf Ursachen na sa paśyati durmatiƒ
kennen soll. Sā‰khya bedeutet die Stütze des Wissens, und
Vedānta ist die entscheidende Stütze des Wissens, die von tatra—dort; evam—gewiß; sati—so sein; kartāram—des
allen führenden ācāryas akzeptiert wird. Selbst Śa‰kara Handelnden; ātmānam—die Seele; kevalam—einziger; tu—
akzeptierte das Vedānta-sūtra als solche. Daher sollte man aber; yaƒ—irgend jemand; paśyati-sieht;
sich an eine solche Autorität wenden. akta-buddhitvāt—aufgrund von mangelnder Intelligenz;
Wie es in der Bhagavad-gītā heißt ("sarvasya cāhaˆ na—niemals; saƒ—er; paśyati-sieht; durmatiƒ—töricht.
hdi"), verfügt der Paramātmā, die Überseele, über den
entscheidenden Willen. Er beschäftigt jeden mit be- ÜBERSETZUNG
stimmten Tätigkeiten. Handlungen, die nach Seiner von
innen her kommenden Weisung ausgeführt werden, bringen Daher ist jemand, der sich für den alleinigen
weder in diesem Leben noch im Leben nach dem Tode Handelnden hält und diese fünf Faktoren nicht in
Reaktionen mit sich. Betracht zieht, gewiß nicht sehr intelligent und kann die
Dinge nicht so sehen, wie sie sind.
323

karaŠaˆ karma karteti


ERLÄUTERUNG tri-vidhaƒ karma sa‰grahaƒ

Ein törichter Mensch kann nicht verstehen, daß die jñānam—Wissen; jñeyam—Ziel; parijñātā—der Kenner;
Überseele als Freund in seinem Innern weilt und seine tri-vidhā—drei Arten; karma—Arbeit; codanā—Antrieb;
Handlungen lenkt. Der Ort, der Ausführende, die Be- karaŠam—die Sinne; karma—Handlung; kartā—der
mühung und die Sinne sind zwar die materiellen Ursachen, Handelnde; iti—so; tri-vidhaƒ—drei Arten; karma—
aber die endgültige Ursache ist der Höchste, die Handlung; sa‰grahaƒ—Anhäufung.
Persönlichkeit Gottes. Deshalb sollte man nicht nur die vier
materiellen Ursachen sehen, sondern auch die höchste ÜBERSETZUNG
Ursache. Wer den Höchsten nicht sieht, hält sich selbst für
den Handelnden. Wissen, das Ziel des Wissens und der Wissende sind die
drei Faktoren, die eine Handlung motivieren. Die Sinne,
VERS 17 die Arbeit und der Ausführende bilden die dreifache
Grundlage einer Handlung.
yasya nāha‰kto bhāvo
buddhir yasya na lipyate ERLÄUTERUNG
hatvāpi sa imā‡ lokān
na hanti na nibadhyate Für jede Handlung gibt es drei Faktoren: Wissen, das Ziel
des Wissens und den Wissenden. Die Werkzeuge der
yasya—von jemand, der; na—niemals; aha‰ktaƒ—falsches Handlung, die Handlung selbst und der Ausführende
Ego; bhāvaƒ—Natur; buddhiƒ—Intelligenz; yasya—von werden die Bestandteile der Handlung genannt. Jede von
jemand, der; na—niemals; lipyate—ist angehaftet; hatvā— Menschen ausgeführte Handlung beinhaltet diese Elemente.
tötend; api—sogar; saƒ—er; imān—diese; lokān—Welt; Bevor man handelt, ist ein Anstoß vorhanden, der
na—niemals; hanti— tötet; na—niemals; nibadhyate—wird Anregung genannt wird. Jeder Schluß, zu dem man bereits
verstrickt. vor der eigentlichen Handlung kommt, ist eine subtile Form
der Handlung. Dann wird diese feine Form der Handlung in
ÜBERSETZUNG die Tat umgesetzt. Zunächst finden die psychologischen
Vorgänge des Denkens, Fühlens und Wollens statt, was
Wer nicht vom falschen Ego motiviert und wessen man als Anregung bezeichnet. Das Vertrauen, das
Intelligenz nicht verstrickt ist, ist selbst dann kein notwendig ist, um Handlungen auszuführen, ist im Grunde
Mörder, wenn er in dieser Welt Menschen tötet. Er wird Wissen. Zwischen den Anregungen zur Arbeit, die von den
durch seine Handlungen nicht gebunden. Schriften, und den Unterweisungen, die vom spirituellen
Meister gegeben werden, besteht kein Unterschied. Wenn
ERLÄUTERUNG die Anregung und der Ausführende vorhanden sind, kommt
die eigentliche Tätigkeit mit Hilfe der Sinne zustande. Der
Der Herr gibt in diesem Vers Arjuna zu verstehen, daß sein Geist ist das Zentrum aller Sinne, und das Ziel ist die
Wunsch, nicht zu kämpfen, dem falschen Ego entspringt. Handlung selbst. Das sind die verschiedenen Phasen der
Arjuna hielt sich selbst für den Handelnden, ohne die Handlungen, wie sie in der Bhagavad-gītā beschrieben
innere und äußere Sanktion des Höchsten zu werden. Die Gesamtsumme aller Tätigkeiten wird als
berücksichtigen. Wenn man nicht weiß, daß es eine höhere Anhäufung von Handlungen bezeichnet.
Sanktion gibt, handelt man in Illusion. Wer jedoch zu
unterscheiden vermag zwischen dem Werkzeug der VERS 19
Handlung, sich selbst als dem Handelnden und dem Herrn
als dem höchsten Erlaubnisgeber, ist in allem, was er tut, jñānaˆ karma ca kartā ca
vollkommen. Solch ein Mensch ist nie in Illusion. Eigenes tridhaiva guŠa-bhedataƒ
Handeln und persönliche Verantwortlichkeit entstehen aus procyate guŠa-sa‰khyāne
falschem Ego und Gottlosigkeit, das heißt aus mangelndem yathāvac chŠu tāny api
KŠa-Bewußtsein. Jeder, der im KŠa-Bewußtsein unter
der Führung der Überseele, der Höchsten Persönlichkeit jñānam—Wissen; karma—Handlung; ca—auch; kartā—
Gottes, handelt, tötet nicht, obwohl er anscheinend tötet. Handelnder; ca—auch; tridhā—drei Arten; eva—gewiß;
Noch wird er jemals von der Reaktion auf solches Töten guŠa-bhedataƒ—entsprechend verschiedenen Er-
beeinflußt. Wenn ein Soldat auf Befehl eines höheren scheinungsweisen der Natur; procyate—wird gesagt;
Offiziers tötet, ist er keiner Bestrafung ausgesetzt; wenn er guŠa-sa‰khyāne—entsprechend verschiedenen
aber auf eigene Verantwortung tötet, wird er zweifellos von Erscheinungsweisen; yathāvat—wie sie wirken; śŠu—
einem Gericht verurteilt. höre; tāni—sie alle; api—auch.

VERS 18 ÜBERSETZUNG

jñānaˆ jñeyaˆ parijñātā In Entsprechung zu den drei Erscheinungsweisen der


tri-vidhā karma-codanā materiellen Natur gibt es drei Arten des Wissens, der
324

Handlung und der Ausführenden. Höre, wie Ich sie bendige Energie ist unvergänglich, während die Körper
beschreibe. vergänglich sind. Unterschiede werden nur in bezug auf
den Körper wahrgenommen, denn im bedingten Leben
ERLÄUTERUNG existieren viele Formen des materiellen Daseins, und daher
scheinen die Lebewesen aufgeteilt zu sein. Solch
Im Vierzehnten Kapitel wurden die drei unpersönliches Wissen führt letztlich zur Selbstver-
Erscheinungsweisen der materiellen Natur ausführlich wirklichung.
beschrieben. Dort wurde gesagt, daß die Erscheinungsweise
der Tugend erleuchtet, die Erscheinungsweise der VERS 21
Leidenschaft materialistisch ist und die Erscheinungsweise
der Unwissenheit zu Faulheit und Trägheit führt. Alle pthaktvena tu yaj jñānaˆ
Erscheinungsweisen der Natur binden das Lebewesen; sie nānā-bhāvān-pthag-vidhān
sind nicht die Ursache der Befreiung. Sogar in der vetti sarveu bhūteu
Erscheinungsweise der Tugend ist man immer noch taj jñānaˆ viddhi rājasam
bedingt. Im Siebzehnten Kapitel wurden die
unterschiedlichen Arten der Verehrung beschrieben, die pthaktvena—aufgrund von Aufteilung; tu—aber; yat—
von verschiedenartigen Menschen in verschiedenen welches; jñānam—Wissen; nānā-bhāvān—vielfältige
Erscheinungsweisen der materiellen Natur ausgeführt Situationen; pthak-vidhān—unterschiedlich; vetti—
werden. In diesem Vers möchte der Herr über die ver- jemand, der weiß; sarveu—in allen; bhūteu—Lebewesen;
schiedenen Arten des Wissens, den Handelnden und die tat—dieses; jñānam— Wissen; viddhi—ist zu kennen;
Handlung selbst, in bezug auf die drei materiellen rājasam—in der Erscheinungsweise der Leidenschaft.
Erscheinungsweisen, sprechen.
ÜBERSETZUNG
VERS 20
Das Wissen, durch das man verschiedenartige
sarva-bhūteu yenaikaˆ Lebewesen in verschiedenen Körpern zu sehen glaubt,
bhāvam avyayam īkate ist Wissen in der Erscheinungsweise der Leidenschaft.
avibhaktaˆ vibhakteu
taj jñānaˆ viddhi sāttvikam ERLÄUTERUNG

ÜBERSETZUNG Die Auffassung, der materielle Körper sei das Lebewesen


und mit der Zerstörung des Körpers werde auch das
sarva-bhūteu—in allen Lebewesen; yena—von dem; Bewußtsein zerstört, wird Wissen in der Erscheinungsweise
ekam—eine; bhāvam—Situation; avyayam—unvergänglich; der Leidenschaft genannt. Nach diesem Wissen würden
īkate—sieht; avibhaktam—ungeteilt; vibhakteu— sich die Körper durch die Entwicklung verschiedener Arten
unzählige Male geteilt; tat—dieses; jñānam—Wissen; von Bewußtsein unterscheiden, und es gäbe keine
viddhi—weiß; sāttvikam—in der Erscheinungsweise der gesonderte Seele, die das Bewußtsein manifestiert. Der
Tugend. Körper selbst wäre die Seele, und es gäbe keine Seele
jenseits des Körpers. Solchem Wissen gemäß wäre
ÜBERSETZUNG Bewußtsein zeitweilig, und es würden keine individuellen
Seelen und keine Höchste Seele existieren, sondern eine
Jenes Wissen, durch das die eine ungeteilte spirituelle alldurchdringende Seele, die voller Wissen wäre, und der
Natur in allen Daseinsformen gesehen wird — ungeteilt Körper wäre nur eine Manifestation zeitweiliger
im Geteilten — ist Wissen in der Erscheinungsweise der Unwissenheit. Oder jenseits des Körpers gäbe es keine
Tugend. besondere oder Höchste Seele. All diese Vorstellungen
werden als Produkte der Erscheinungsweise der
ERLÄUTERUNG Leidenschaft angesehen.

Jemand, der in jedem Körper die spirituelle Seele sieht — VERS 22


ob es sich dabei um einen Halbgott, einen Menschen, ein
Säugetier, einen Vogel, ein Raubtier, ein Wassertier oder yat tu ktsnavad ekasmin
eine Pflanze handelt —, verfügt über Wissen in der kārye saktam ahaitukam
Erscheinungsweise der Tugend. In allen Lebewesen ist eine atattvārthavad alpaˆ ca
spirituelle Seele gegenwärtig, wenngleich sie ihren tat tāmasam udāhtam
vorangegangenen Tätigkeiten gemäß unterschiedliche
Körper angenommen haben mögen. Wie im Siebten Kapitel yat—das, was; tu—aber; ktsnavat—ein und alles;
beschrieben wird, manifestiert sich die lebendige Kraft in ekasmin—in einer; kārye— Tätigkeit; saktam—angehaftet;
allen Körpern aufgrund der höheren Energie des Höchsten ahaitukam—ohne Ursache; atattva-arthavat—ohne
Herrn. Wenn man daher sieht, daß diese eine höhere Natur, Wirklichkeit; alpam—sehr gering; ca—und; tat—dieses;
diese lebendige Kraft, in jedem Körper gegenwärtig ist, tāmasam—in der Erscheinungsweise der Dunkelheit;
sieht man in der Erscheinungsweise der Tugend. Diese le- udāhtam—ist gesprochen.
325

der Gesellschaft vorgeschrieben sind, die ohne Anhaftung


ÜBERSETZUNG oder Anspruch auf Eigentum und daher ohne Liebe oder
Haß und im KŠa-Bewußtsein für die Zufriedenstellung
Und Wissen, durch das man an einer bestimmten Art des Höchsten erfüllt werden, ohne den Wunsch nach
von Beschäftigung als dem ein und alles haftet, ohne von eigener Zufriedenheit oder Befriedigung, werden als
der Wahrheit zu wissen, und das sehr dürftig ist, Handlungen in der Erscheinungsweise der Tugend
befindet sich in der Erscheinungsweise der bezeichnet.
Unwissenheit.
VERS 24
ERLÄUTERUNG
yat tu kāmepsunā karma
Das "Wissen" des gewöhnlichen Menschen befindet sich sāha‰kāreŠa vā punaƒ
immer in der Erscheinungsweise der Unwissenheit oder kriyate bahulāyāsaˆ
Dunkelheit, denn jedes Lebewesen im bedingten Leben ist tad rājasam udāhtam
in der Erscheinungsweise der Unwissenheit geboren. Wer
nicht mit Hilfe der Autoritäten oder der Anweisungen der yat—das, was; tu—aber; kāma-īpsunā—ohne
Schriften Wissen entwickelt, verfügt über Wissen, daß sich fruchttragendes Ergebnis; karma—Arbeit; sāha‰kāreŠa—
auf den Körper beschrankt. Er kümmert sich nicht darum, mit falschem Ego; vā—oder; punaƒ—wieder; kriyate—
ob er nach den Anweisungen der Schrift handelt oder nicht. ausgeführt; bahula-āyāsam—mit großer Mühe; tat—diese;
Gott ist für ihn Geld, und Wissen bedeutet für ihn zu rājasam—in der Erscheinungsweise der Leidenschaft;
wissen, wie man die Bedürfnisse des Körpers am besten udāhtam—wird angesehen als.
befriedigt. Solches Wissen hat keine Verbindung mit der
Absoluten Wahrheit. Es gleicht mehr oder weniger dem ÜBERSETZUNG
Wissen der gewöhnlichen Tiere, die auch wissen, wie man
ißt, schläft, sich verteidigt und sich paart. Solches Wissen Aber Handlungen, die mit großer Anstrengung von
wird hier als ein Produkt der Erscheinungsweise der jemand ausgeführt werden, der seine Wünsche zu
Dunkelheit beschrieben. Mit anderen Worten: Wissen, das befriedigen sucht, und die vom falschen Ego ausgehen,
die spirituelle Seele betrifft, die sich jenseits des Körpers werden als Handlungen in der Erscheinungsweise der
befindet, wird Wissen in der Erscheinungsweise der Leidenschaft bezeichnet.
Tugend genannt. Wissen, das mit Hilfe weltlicher Logik
und gedanklicher Spekulation viele Theorien und VERS 25
Doktrinen hervorbringt, ist ein Produkt der
Erscheinungsweise der Leidenschaft, und Wissen, das sich anubandhaˆ kayaˆ hiˆsām
nur mit der Bequemlichkeit des Körpers befaßt, befindet anapekya ca pauruam
sich in der Erscheinungsweise der Unwissenheit. mohād ārabhyate karma
yat tat tāmasam ucyate
VERS 23
anubandham—zukünftige Knechtschaft; kayam—verwirrt;
niyataˆ sa‰ga-rahitam hiˆsām—Gewalt; anapekya—ohne Berücksichtigung der
arāga-dveataƒ ktam Folgen; ca—auch; pauruam—leidvoll für andere; mohāt—
aphala-prepsunā karma durch Illusion; ārabhyate—begonnene; karma—Tun; yat—
yat tat sāttvikam ucyare diese; tat—welche; tāmasam—in der Erscheinungsweise
der Unwissenheit; ucyate—wird angesehen als.
niyatam—regulierend; sa‰ga-rahitam—ohne Anhaftung;
arāga-dveataƒ—ohne Liebe oder Haß; ktam—getan; ÜBERSETZUNG
aphala-prepsunā—ohne fruchttragendes Ergebnis; karma—
Handlungen; yat—das, was; tat—dieses; sāttvikam—in der Und jene Handlungen, die in Unwissenheit und Illusion,
Erscheinungsweise der Tugend; ucyate—wird genannt. ohne Rücksicht auf zukünftige Knechtschaft oder
Folgen ausgeführt werden, die anderen Leid zufügen
ÜBERSETZUNG und sinnlos sind, gelten als Handlungen in der
Erscheinungsweise der Unwissenheit.
Was Handlungen betrifft, so wird jene pflichtgemäße
Handlung, die ohne Anhaftung und ohne Liebe oder ERLÄUTERUNG
Haß von jemand ausgeführt wird, der fruchttragenden
Ergebnissen entsagt hat, als Handlung in der Man muß entweder dem Staat oder den Boten des Höchsten
Erscheinungsweise der Tugend bezeichnet. Herrn, den Yamadūtas, über sein Handeln Rechenschaft
ablegen. Unverantwortliche Handlungen stiften
ERLÄUTERUNG Verwirrung, weil sie die in den Schriften gegebenen
regulierenden Prinzipien verletzen. Sie beruhen oft auf
Geregelte tätigkeitsgemäße Pflichten, wie sie in den Gewalt und bringen anderen Lebewesen Leid. Solch unver-
Schriften für die verschiedenen Stufen und Einteilungen antwortliche Handlungen werden unter Heranziehung
326

persönlicher Erfahrung ausgeführt. Das nennt man Illusion. ERLÄUTERUNG


Solche von Illusion geprägten Handlungen sind ein Produkt
der Erscheinungsweise der Unwissenheit. Ein Mensch haftet zu sehr an einer bestimmten Arbeit oder
deren Ergebnis, weil er zu materialistisch ist, oder genauer
VERS 26 gesagt, weil er zu sehr an Heim und Herd sowie an Frau
und Kindern hängt. Solch ein Mensch ist nicht bestrebt,
mukta-sa‰go'nahaˆvādī sein Leben auf eine höhere Ebene zu erheben. Ihm geht es
dhty-utsāha-samanvitaƒ nur darum, die Welt in materieller Hinsicht so bequem wie
siddhy-asiddhyor nirvikāraƒ möglich zu gestalten. Er ist im allgemeinen sehr gierig und
kartā sāttvika ucyate denkt, daß alles, was er erreicht habe, von Dauer sei und
niemals verloren gehe. Ein solcher Mensch ist auf andere
mukta-sa‰gaƒ—befreit von aller materiellen Gemeinschaft; neidisch und bereit, alles Schlechte zu tun, um seine Sinne
anaham-vādī—ohne falsches Ego; dhti-utsāha—mit großer zu befriedigen. Folglich ist er unsauber, und es ist ihm
Begeisterung; samanvitaƒ—in dieser Weise befähigt; gleich, ob er sein Geld auf ehrliche oder unehrliche Weise
siddhi—Vollkommenheit; asiddhyoƒ—Fehlschlag; verdient. Er ist sehr glücklich, wenn seine Arbeit
nirvikāraƒ—ohne Veränderung; kartā—Handelnder; erfolgreich ist, und sehr niedergeschlagen, wenn sie
sāttvikaƒ—in der Erscheinungsweise der Tugend; ucyate— erfolglos bleibt. Von solchem Wesen ist ein Mann in der
gilt als. Erscheinungsweise der Leidenschaft.

ÜBERSETZUNG VERS 28

Wer frei von allen materiellen Anhaftungen und frei ayuktaƒ prāktaƒ stabdhaƒ
vom falschen Ego, wer entschlossen und enthusiastisch śa˜ho naiktiko'lasaƒ
ist und Erfolg und Mißerfolg gleichgültig viādī dīrgha-sūtrī ca
gegenübersteht, handelt in der Erscheinungsweise der kartā tāmasa ucyate
Tugend.
ayuktaƒ—ohne Bezug auf die Unterweisungen der
ERLÄUTERUNG Schriften; prāktaƒ—materialistisch; stabdhaƒ—starrsinnig;
śa˜haƒ—betrügerisch; naiktikaƒ—geschickt darin, andere
Ein Mensch im KŠa-Bewußtsein steht zu den materiellen zu beleidigen; alasaƒ—träge; viādī—niedergeschlagen;
Erscheinungsweisen der Natur immer in transzendentaler dīrgha-sūtrī—zögernd; ca—auch; kartā—Handelnder;
Stellung. Er erwartet kein Ergebnis von der Arbeit, die ihm tāmasaƒ—in der Erscheinungsweise der Unwissenheit;
anvertraut wurde, denn er steht über falschem Ego und ucyate—gilt als.
Stolz. Trotzdem ist er bis zur Vollendung solcher Arbeit
immer begeistert. Ihn kümmert nicht die damit verbundene ÜBERSETZUNG
Mühe; er ist immer begeistert. Ihn kümmern weder Erfolg
noch Mißerfolg; er bleibt in Leid oder Glück gleichmütig. Und wer fortwährend entgegen den Anweisungen der
Wer so handelt, befindet sich in der Erscheinungsweise der Schriften handelt, wer materialistisch, eigensinnig und
Tugend. betrügerisch ist und es versteht, andere zu beleidigen,
wer faul, immer verdrießlich und von zögernder Natur
VERS 27 ist, handelt in der Erscheinungsweise der Unwissenheit.

rāgī karma-phala-prepsur ERLÄUTERUNG


lubdho hiˆsātmako'śuciƒ
hara-śokānvitaƒ kartā Aus den Anweisungen der Schriften können wir verstehen,
rājasaƒ parikīrtitaƒ welche Art von Tätigkeit verrichtet werden sollte und
welche Art von Tätigkeit nicht verrichtet werden sollte.
rāgī—sehr angehaftet; karma-phala—an die Frucht der Diejenigen, die sich um solche Anweisungen nicht
Arbeit; prepsuƒ—begehrend; lubdhaƒ—gierig; kümmern, gehen verbotenen Beschäftigungen nach, und
hiˆsā-ātmakaƒ—und immer neidisch; aśuciƒ—unsauber; solche Menschen sind im allgemeinen Materialisten. Sie
hara-śoka-anvitaƒ—von Glück und Leid bewegt; kartā— handeln den Erscheinungsweisen der Natur gemäß, und
solch ein Handelnder; rājasaƒ—in der Erscheinungsweise nicht nach den Anweisungen der Schriften. Solche
der Leidenschaft; parikīrtitaƒ—wird erklärt. Menschen sind nicht sehr freundlich, sondern für ge-
wöhnlich hinterlistig und darin geübt, andere zu beleidigen.
ÜBERSETZUNG Auch sind sie sehr faul, und obwohl sie Pflichten haben,
erfüllen sie diese nicht richtig, sondern verschieben sie, um
Wer jedoch an den Früchten seiner Arbeit haftet und sie später zu erledigen. Deshalb machen sie einen
sie leidenschaftlich genießen will, wer gierig, neidisch verdrießlichen Eindruck; sie sind von zögernder Natur.
und unrein ist und von Glück und Leid bewegt wird, Was innerhalb einer Stunde erledigt werden kann, zögern
handelt in der Erscheinungsweise der Leidenschaft. sie über Jahre hinaus. Solche Menschen befinden sich in
der Erscheinungsweise der Unwissenheit.
327

Schriften nicht kennt, wird in die Aktionen und Reaktionen


VERS 29 seines Tuns verstrickt. Verständnis, das durch Intelligenz
unterscheidet, befindet sich in der Erscheinungsweise der
buddher bhedaˆ dhteś caiva Tugend.
guŠatas tri-vidham śŠu
procyamānam aśeeŠa VERS 31
pthaktvena dhanañjaya
yayā dharmam adharmaˆ ca
buddheƒ—von Intelligenz; bhedam—Unterschiede; kāryaˆ cākāryam eva ca
dhteƒ—von Beständigkeit; ca—auch; eva—gewiß; ayathāvat prajānāti
guŠataƒ—durch die Erscheinungsweisen der materiellen buddhiƒ sā pārtha rājasī
Natur; tri-vidham—die drei Arten von; śŠu—höre nur;
procyamānam—wie von Mir beschrieben; aśeeŠa—im yayā—durch das; dharmam—Prinzipien der Religion;
einzelnen; pthaktvena—unterschiedlich; dhanañjaya—o adharmam—Irreligion; ca—und; kāryam—Handlungen;
Gewinner von Reichtum. ca—auch; akāryam—was nicht getan werden sollte; eva-
gewiß; ca-auch; ayathāvat—nicht in vollkommener Weise;
ÜBERSETZUNG prajānāti—weiß; buddhiƒ—Intelligenz; sā—diese; pārtha—
o Sohn Pthās; rājasī—in der Erscheinungsweise der
Jetzt, o Gewinner von Reichtum, höre bitte, wie Ich dir Leidenschaft.
im einzelnen die drei Arten von Verständnis und
Entschlossenheit in Entsprechung zu den drei ÜBERSETZUNG
Erscheinungsweisen der Natur erkläre.
Jenes Verständis, das zwischen religiöser und
ERLÄUTERUNG irreligiöser Lebensweise nicht unterscheiden kann,
zwischen Handlungen, die ausgeführt, und Handlungen,
Nachdem der Herr nun das Wissen, das Ziel des Wissens die nicht ausgeführt werden sollten — solch
und den Wissenden in drei verschiedenen Unterteilungen unvollkommenes Verständnis, o Sohn Pthās, befindet
gemäß den Erscheinungsweisen der materiellen Natur sich in der Erscheinungsweise der Leidenschaft.
erklärt hat, definiert Er nun die Intelligenz und
Entschlossenheit des Handelnden auf gleiche Weise. ERLÄUTERUNG

VERS 30 Intelligenz in der Erscheinungsweise der Leidenschaft


arbeitet immer auf verzerrte Weise. Sie nimmt Religionen
pravttiˆ ca nivttiˆ ca an, die eigentlich keine Religionen sind, und lehnt wahre
kāryākārye bhayābhaye Religion ab. Alle Betrachtungsweisen und Handlungen sind
bandhaˆ mokaˆ ca yā vetti fehlgeleitet. Menschen von leidenschaftlicher Intelligenz
buddhiƒ sā pārtha sāttvikī halten eine große Seele für einen gewöhnlichen Menschen
und einen gewöhnlichen Menschen für eine große Seele.
pravttim—verdienend; ca—auch; nivttim—nicht Sie halten Wahrheit für Unwahrheit und akzeptieren
verdienend; ca—auch; kārya—Arbeit; akārye—Reaktion; Unwahrheit als Wahrheit. Sie schlagen bei allem, was sie
bhaya—furchtsam; abhaye—Furchtlosigkeit; bandham— tun, den falschen Weg ein; deshalb befindet sich ihre In-
Verpflichtung; mokam—Befreiung; ca-und; yā—das, was; telligenz in der Erscheinungsweise der Leidenschaft.
vetti—kennt; buddhiƒ—Verständnis; sā—dieses; pārtha—o
Sohn Pthās; sāttvikī—in der Erscheinungsweise der VERS 32
Tugend.
adharmaˆ dharmam iti yā
ÜBERSETZUNG manyate tamasāvtā
sarvārthān viparītāˆś ca
O Sohn Pthās, das Verständnis, durch das man buddhiƒ sā pārtha tāmasī
erkennt, was getan werden sollte und was nicht getan
werden sollte, wovor man sich fürchten muß und wovor adharmam—Irreligion; dharmam—Religion; iti—so; yā—
man sich nicht zu fürchten braucht, was bindend und was; manyate—denkt; tamasā—durch Illusion; āvtā—
was befreiend ist, solches Verständnis gründet in der bedeckt; sarva-arthān-alle Dinge; viparītān—die falsche
Erscheinungsweise der Tugend. Richtung; ca—auch; buddhiƒ—Intelligenz; sā—diese;
pārtha—o Sohn Pthās; tāmasī—in der Erscheinungsweise
ERLÄUTERUNG der Unwissenheit.

Handlungen, die im Sinne der Schriften ausgeführt werden, ÜBERSETZUNG


nennt man pravtti oder Handlungen, die der Ausführung
wert sind, und Handlungen, die andersgeartet sind, sollten Und solches Verständnis, o Pārtha, das Irreligion für
nicht ausgeführt werden. Wer die Anweisungen der Religion und Religion für Irreligion hält, das im Bann
328

der Illusion und Dunkelheit steht und immer in die strebt, befindet sich in der Erscheinungsweise der
falsche Richtung strebt, befindet sich in der Leidenschaft.
Erscheinungsweise der Unwissenheit.
ERLÄUTERUNG
VERS 33
Jeder, der ständig nach fruchttragenden Ergebnissen in
dhtyā yayā dhārayate religiösen oder ökonomischen Tätigkeiten strebt, dessen
manaƒ prāŠendriya-kriyāƒ einziger Wunsch die Befriedigung der Sinne ist und der
yogenāvyabhicāriŠyā seinen Geist, sein Leben und seine Sinne in diese Richtung
dhtiƒ sā pārtha sāttvikī lenkt, befindet sich in der Erscheinungsweise der
Leidenschaft.
dhtyā—Entschlossenheit; yayā—durch die; dhārayate—
wird gestützt; manaƒ-Geist; prāŠa—das Leben; indriya— VERS 35
die Sinne; kriyāƒ—Tätigkeiten; yogena—durch
yoga-Praxis; avyabhicāriŠyā—ohne Unterbrechung; yayā svapnaˆ bhayaˆ śokaˆ
dhtiƒ—solche Entschlossenheit; sā—diese; pārtha—o viādaˆ madam eva ca
Sohn Pthās; sāttvikī—in der Erscheinungsweise der Tu- na vimuñcati durmedhā
gend. dhtiƒ sā pārtha tāmasī

ÜBERSETZUNG yayā—durch die; svapnam—Traum; bhayam—


Furchtlosigkeit; śokam—Klage; viādam—
O Sohn Pthās, jene Entschlossenheit, die niemals Niedergeschlagenheit; madam—Illusion; eva—gewiß; ca—
gebrochen werden kann, die durch das Praktizieren von auch; na—niemals; vimuñcati—ist befreit; durmedhāƒ—
yoga mit Standhaftigkeit aufrechterhalten wird und so unintelligent; dhtiƒ—Entschlossenheit; sā—diese;
den Geist, das Leben und die Tätigkeiten der Sinne be- pārtha—o Sohn Pthās; tāmasī—in der Erscheinungsweise
herrscht, befindet sich in der Erscheinungsweise der der Unwissenheit.
Tugend.
ÜBERSETZUNG
ERLÄUTERUNG
Und die Entschlossenheit, die über Träume, Angst,
Yoga ist ein Mittel, die Höchste Seele zu verstehen. Wer Klagen, Verdrießlichkeit und Illusion nicht hinausgeht
ständig mit Entschlossenheit in der Höchsten Seele — solch unintelligente Entschlossenheit befindet sich in
verankert ist und seinen Geist, sein Leben und Seine der Erscheinungsweise der Dunkelheit.
Sinnestätigkeiten auf den Höchsten richtet, beschäftigt sich
im KŠa-Bewußtsein. Diese Art von Entschlossenheit ERLÄUTERUNG
befindet sich in der Erscheinungsweise der Tugend. Das
Wort avyabhicāriŠya ist sehr bedeutsam, denn es bezieht Man sollte hieraus nicht schließen, ein Mensch in der
sich auf Menschen, die im KŠa-Bewußtsein handeln und Erscheinungsweise der Tugend träume nicht. Hier bedeutet
niemals von anderen Tätigkeiten abgelenkt werden. Traum zuviel Schlaf. Träume gibt es immer — ob in der
Erscheinungsweise der Tugend, Leidenschaft oder
VERS 34 Unwissenheit. Träume sind ein natürliches Phänomen. Aber
diejenigen, die übermäßigen Schlaf nicht vermeiden
yayā tu dharma-kāmārthān können, die den Stolz, materielle Objekte zu genießen,
dhtyā dhārayate'rjuna nicht vermeiden können und die immer davon träumen,
prasa‰gena phalākā‰kī über die materielle Welt zu herrschen, und deren Leben,
dhtiƒ sā pārtha rājasī Geist und Sinne in dieser Weise tätig sind, befinden sich in
der Erscheinungsweise der Unwissenheit.
yayā—durch die; tu—aber; dharma-kāma-arthān—für
Religiosität und wirtschaftliche Entwicklung; dhtyā— VERS 36-37
durch Entschlossenheit; dhārayate—in solchen Begriffen;
arjuna—o Arjuna; prasa‰gena—dafür; phala-ākānkī— sukhaˆ tv idānīˆ tri-vidhaˆ
fruchttragendes Ergebnis begehren; dhtiƒ— śŠu me bharatarabha
Entschlossenheit; sā—dieses; pārtha—o Sohn Pthās; abhyāsād ramate yatra
rajasī—in der Erscheinungsweise der Leidenschaft. duƒkhāntaˆ ca nigacchati

ÜBERSETZUNG yat tad agre viam iva


pariŠāme'mtopamam
Und die Entschlossenheit, mit der man nach tat sukhaˆ sāttvikaˆ proktam
fruchttragenden Ergebnissen in Religion, ātma-buddhi-prasāda-jam
wirtschaftlicher Entwicklung und Sinnenbefriedigung
329

sukham—Glück; tu—aber; idānīm—jetzt; tri-vidham—drei Jenes Glück, das aus dem Kontakt der Sinne mit ihren
Arten; śŠu—höre; me—von Mir; bharatarabha—o Bester Objekten gewonnen wird und das am Anfang wie
unter den Bhāratas; abhyāsāt—durch Übung; ramate— Nektar erscheint, doch am Ende wie Gift wirkt, gilt als
Genießer; yatra—wo; duƒkha—Leid; antam—Ende; ca— Glück in der Erscheinungsweise der Leidenschaft.
auch; nigacchati—gewinnt; yat—das, was; tat—dieses;
agre—am Anfang; viam—Gift; iva—wie; pariŠāme—am ERLÄUTERUNG
Ende; amta—Nektar; upamam—verglichen mit; tat—
dieses; sukham—Glück; sāttvikam—in der Ein junger Mann und eine junge Frau treffen sich, und die
Erscheinungsweise der Tugend; proktam—wird bezeichnet; Sinne treiben den jungen Mann dazu, die Frau anzusehen,
ātma—Selbst; buddhi—Intelligenz; prasāda-jam— sie zu berühren und mit ihr Geschlechtsverkehr zu haben.
zufriedenstellend. Am Anfang mag dies für die Sinne sehr angenehm sein,
doch am Ende, oder nach einiger Zeit, wird es zu Gift. Die
ÜBERSETZUNG beiden leben getrennt oder lassen sich scheiden — es gibt
Klagen, es gibt Kummer usw. Solches Glück befindet sich
O bester der Bhāratas, höre jetzt bitte von Mir über die immer in der Erscheinungsweise der Leidenschaft. Glück,
drei Arten des Glücks, das die bedingte Seele genießt das aus dem Kontakt der Sinne mit den Sinnesobjekten
und durch die sie manchmal an das Ende allen Leids erfahren wird, ist immer die Ursache von Leid und sollte
gelangt. Das, was am Anfang wie Gift, doch am Ende daher unter allen Umständen vermieden werden.
wie Nektar ist und einen zur Selbsterkenntnis erweckt,
gilt als Glück in der Erscheinungsweise der Tugend. VERS 39

ERLÄUTERUNG yad agre cānubandhe ca


sukhaˆ mohanam ātmanaƒ
Eine bedingte Seele versucht immer wieder, materielles nidrālasya-pramādotthaˆ
Glück zu genießen, und kaut somit fortwährend das bereits tat tāmasam udāhtam
Gekaute; doch manchmal wird sie, während sie in dieser
Weise genießt, durch die Gemeinschaft mit einer großen yat—das, was; agre—am Anfang; ca—auch; anubandhe—
Seele aus der materiellen Verstrickung befreit. Mit anderen durch Binden; ca—auch; sukham—Glück; mohanam—
Worten: Eine bedingte Seele ist ständig mit irgendeiner Art Illusion; ātmanaƒ—das Selbst; nidrā—Schlaf; ālasya—
von Sinnenbefriedigung beschäftigt, doch wenn sie durch Trägheit; pramāda—Täuschung; uttham—erzeugt von;
guten Umgang versteht, daß dieser Genuß nur die tat—dieses; tāmasam—in der Erscheinungsweise der
Wiederholung der gleichen Sache ist, und wenn sie zu Unwissenheit; udāhtam—wird bezeichnet als.
ihrem wahren KŠa-Bewußtsein erweckt wird, kann sie
von diesem sich immer wiederholenden sogenannten Glück ÜBERSETZUNG
befreit werden.
Wenn man Selbstverwirklichung erlangen will, muß man Und das Glück, das für Selbsterkenntnis blind macht,
viele Regeln und Regulierungen beachten, um Geist und das von Anfang bis Ende Täuschung ist und aus Schlaf,
Sinne zu beherrschen und den Geist auf das Selbst Faulheit und Illusion entsteht, gilt als Glück in der
konzentrieren zu können. All diese Vorgänge sind sehr Erscheinungsweise der Unwissenheit.
schwierig, bitter wie Gift, doch wenn man diese
Regulierungen mit Erfolg einhält und auf die transzen- ERLÄUTERUNG
dentale Ebene gelangt, beginnt man wahren Nektar zu
trinken und das Leben zu genießen. Wer an Trägheit und Schlaf Freude findet, wird mit
Sicherheit von der Erscheinungsweise der Dunkelheit
VERS 38 beeinflußt, und wer keine Ahnung hat, wie er handeln muß
und wie er nicht handeln darf, befindet sich ebenfalls in der
viayendriya-saˆyogād Erscheinungsweise der Unwissenheit. Der Mensch in der
yat tad agre'mtopamam Erscheinungsweise der Unwissenheit lebt völlig in Illusion.
pariŠāme viam iva Für ihn gibt es weder am Anfang noch am Ende Glück. Für
tat sukhaˆ rājasaˆ smtam den Menschen in der Erscheinungsweise der Leidenschaft
mag es zu Beginn flüchtiges Glück geben und am Ende
viaya—Sinnesobjekte; indriya—Sinne; saˆyogāt— Leid, doch für den Menschen in der Erscheinungsweise der
Verbindung; yat—das; tat—was; agre—am Anfang; Unwissenheit gibt es sowohl am Anfang als auch am Ende
amta-upamam-genau wie Nektar; pariŠāme—am Ende; nur Leid.
viam—Gift; iva—wie; tat—dieses; sukham-Glück;
rājasam—in der Erscheinungsweise der Leidenschaft; VERS 40
smtam—gilt als.
na tad asti pthivyāˆ vā
ÜBERSETZUNG divi deveu vā punaƒ
sattvaˆ prakti-jair muktaˆ
yad ebhiƒ syāt tribhir guŠaiƒ
330

Weisheit und Religiosität sind die Eigenschaften, die die


na—nicht; tat—dieses; asti—es gibt; pthivyām—im Handlungsweise der brāhmaŠas bestimmen.
Universum; vā—oder; divi—im höheren Planetensystem;
deveu-unter den Halbgöttern; vā—oder; punaƒ—wieder; VERS 43
sattvam—Dasein; prakti-jaiƒ—unter dem Einfluß der
materiellen Natur; muktam-befreit; yat—dieses; ebhiƒ— śauryaˆ tejo dhtir dākyaˆ
durch dieses; syāt—wird so; tribhiƒ—durch drei; guŠaiƒ— yuddhe cāpy apalāyanam
Erscheinungsweisen der materiellen Natur. dānam īśvara-bhāvaś ca
kātraˆ karma svabhāva-jam
ÜBERSETZUNG
śauryam—Heldenmut; tejaƒ—Macht; dhtiƒ—
Es existiert kein Wesen — weder hier noch unter den Entschlossenheit; dāksyam— Geschicklichkeit; yuddhe—in
Halbgöttern auf den höheren Planetensystemen —, das der Schlacht; ca—und; api-auch; apalāyanam—nicht
vom Einfluß der drei Erscheinungsweisen der fliehend; dānam-Großzügigkeit; īśvara—Führungskunst;
materiellen Natur frei ist. bhāvaƒ—Natur; ca—und; kātram—katriya; karma—
Pflicht; svabhāva-jam-aus seiner eigenen Natur geboren.
ERLÄUTERUNG
ÜBERSETZUNG
Der Herr faßt hier den alles erfassenden, überall im
Universum herrschenden Einfluß der drei Heldentum, Macht, Entschlossenheit, Geschicklichkeit,
Erscheinungsweisen der materiellen Natur zusammen. Mut in der Schlacht, Großzügigkeit und Führungskunst
sind die Eigenschaften, die die Handlungsweise der
VERS 41 katriyas bestimmen.

brāhmaŠa-katriya-viśāˆ VERS 44
śūdrāŠāˆ ca parantapa
karmāŠi pravibhaktāni ki-gorakya-vāŠijyaˆ
svabhāva-prabhavair guŠaiƒ vaiśya-karma svabhāva-jam
paricaryātmakaˆ karma
brāhmaŠa—die brāhmaŠas; katriya—die katriyas; śudrasyāpi svabhāva-jam
viśām—die vaiśyas; śūdrāŠām—die śūdras; ca—und;
parantapa—o Bezwinger der Feinde; karmāŠi—Tä- ki—Pflügen; go—Kühe; rakya-Schutz; vāŠijyam—
tigkeiten; pravibhaktāni—sind unterteilt; svabhāva—eigene Handel; vaiśya—vaiśya; karma—Pflicht; svabhāva-jam—
Natur; prabhavaiƒ-geboren aus; guŠaiƒ—durch die aus seiner eigenen Natur geboren; paricaryā—Dienst;
Erscheinungsweisen der materiellen Natur. ātmakam—Natur; karma—Pflicht; śūdrasya—des śūdra;
api—auch; svabhāva-jam—aus seiner eigenen Natur
ÜBERSETZUNG geboren.

BrāhmaŠas, katriyas, vaiśyas und śūdras unterscheiden ÜBERSETZUNG


sich durch die Eigenschaften ihres Handelns in
Entsprechung zu den Erscheinungsweisen der Ackerhau, Kuhschutz und Handel sind die
materiellen Natur, o Bezwinger der Feinde. Eigenschaften der Arbeit für die vaiśyas, und die
Aufgabe der śūdras besteht darin, körperliche Arbeit zu
VERS 42 verrichten und anderen Dienste zu leisten.

śamo damas tapaƒ śaucaˆ VERS 45


kāntir ārjavam eva ca
jñānaˆ vijñānam āstikyaˆ sve sve karmaŠy abhirataƒ
brahma-karma svabhāva-jam saˆsiddhiˆ labhate naraƒ
svakarma-nirataƒ siddhiˆ
śamaƒ—Friedfertigkeit; damaƒ-Selbstbeherrschung; yathā vindati tac chŠu
tapaƒ—Enthalturg; śaucam—Reinheit; kāntiƒ—
Duldsamkeit; ārjavam—Ehrlichkeit; eva—gewiß; ca—und; sve—eigene; sve—eigene; karmaŠi—bei Arbeit;
jñānam—Weisheit; vijñānam—Wissen; āstikyam— abhirataƒ—folgend; saˆsiddhim-Vollkommenheit;
Religiosität; brahma—eines brāhmaŠa; karma—Pflicht; labhate—erreicht; naraƒ—ein Mensch; svakarma—durch
svabhāva-jam-aus seiner eigenen Natur geboren. seine Pflicht; nirataƒ—beschäftigt; siddhim—
Vollkommenheit; yathā—wie; vindati— erreicht; tat—
ÜBERSETZUNG dieses; śŠu—höre zu.

Friedfertigkeit, Selbstbeherrschung, Enthaltsamkeit, ÜBERSETZUNG


Reinheit, Duldsamkeit, Ehrlichkeit, Gelehrsamkeit,
331

Jeder Mensch kann die Vollkommenheit erreichen,


wenn er entsprechend den Eigenschaften seiner Arbeit VERS 47
handelt. Höre bitte jetzt von Mir, wie das geschehen
kann. śreyān sva-dharmo viguŠaƒ
para-dharmāt svanu˜hitāt
VERS 46 svabhāva-niyataˆ karma
kurvan nāpnoti kilbiam
yataƒ pravttir bhūtānāˆ
yena sarvam idaˆ tatam śreyān—besser; sva-dharmaƒ—die eigene Beschäftigung;
svakarmaŠā tam abhyarcya viguŠaƒ—unvollkommen ausgeführt; para-dharmāt—die
siddhiˆ vindati mānavaƒ Tätigkeit eines anderen; svanu˜hitāt—vollkommen
ausgeführt; svabhāva-niyatam—dem eigenen Wesen gemäß
yataƒ—von dem; pravttiƒ—Emanation; bhūtānām—aller vorgeschriebene Pflichten; karma—Arbeit; kurvan—
Lebewesen; yena—durch den; sarvam—alle; idam—dieses; ausführend; na—niemals; āpnoti—erreicht; kilbiam—
tatam—ist durchdrungen; svakarmaŠā—in seinen Pflichten; sündhafte Reaktionen.
tam—Ihn; abhyarcya—durch Verehren; siddhim—
Vollkommenheit; vindati—erreicht; mānavaƒ—ein Mensch. ÜBERSETZUNG

ÜBERSETZUNG Es ist besser, die eigene Tätigkeit zu verrichten — selbst


wenn man sie unvollkommen ausführt —, als die
Durch die Verehrung des Herrn, der die Quelle aller Tätigkeit eines anderen zu übernehmen und sie
Lebewesen ist und der alles durchdringt, kann ein vollendet auszuführen. Vorgeschriebene Pflichten, die
Mensch in der Erfüllung seiner Pflicht die mit der eigenen Natur übereinstimmen, werden niemals
Vollkommenheit erreichen. von sündhaften Reaktionen beeinflußt.

ERLÄUTERUNG ERLÄUTERUNG

Wie es im Fünfzehnten Kapitel heißt, sind alle Lebewesen Welche tätigkeitsgemäße Pflicht man hat, wird in der
fragmentarische, winzige Bestandteile des Höchsten Herrn. Bhagavad-gītā vorgeschrieben. Wie bereits in
Folglich ist der Höchste Herr der Anfang aller Lebewesen. vorangegangenen Versen erklärt wurde, richten sich die
Dies wird im Vedānta-sūtra bestätigt: janmādy asya yataƒ. Pflichten eines brāhmaŠa, katriya, vaiśya oder śūdra nach
Der Höchste Herr ist daher der Beginn des Lebens eines den jeweiligen Erscheinungsweisen der materiellen Natur.
jeden Lebewesens, und durch Seine beiden Energien, die Man sollte nicht die Pflicht eines anderen imitieren. Ein
innere und äußere Energie, ist Er alldurchdringend. Mann, der sich von Natur aus zu śūdra-Arbeit hingezogen
Deshalb sollte man den Höchsten Herrn durch Seine fühlt, sollte sich nicht künstlich für einen brāhmaŠa
Energien verehren. Im allgemeinen verehren die ausgeben, obwohl er in einer brāhmaŠa-Familie geboren
VaiŠava-Geweihten den Höchsten Herrn durch Seine sein mag. Man sollte also seiner Natur gemäß handeln;
innere Energie. Seine äußere Energie ist eine verzerrte keine Arbeit ist verabscheuenswert, wenn sie im Dienst des
Spiegelung der inneren Energie. Die äußere Energie ist eine Höchsten Herrn verrichtet wird.
Art Hintergrund, und der Herr ist durch die Erweiterung Die tätigkeitsgemäße Pflicht eines brāhmaŠa befindet sich
Seines vollständigen Teils als Paramātmā überall zweifellos in der Erscheinungsweise der Tugend, doch
gegenwärtig. Er ist die Überseele aller Halbgötter, aller wenn sich jemand nicht von Natur aus in der Er-
Menschen, aller Tiere, überall. Man sollte daher wissen, scheinungsweise der Tugend befindet, sollte er nicht die
daß man als winziges Teilchen des Höchsten Herrn die tätigkeitsgemäße Pflicht eines brāhmaŠa nachahmen.
Pflicht hat, Ihm zu dienen. Jeder sollte sich völlig Für einen katriya oder Verwalter gibt es so viele
KŠa-bewußt im hingebungsvollen Dienst des Herrn verabscheuenswerte Dinge zu tun: ein katriya muß Gewalt
beschäftigen. So lautet die Empfehlung dieses Verses. anwenden, um seine Feinde zu töten, und manchmal ist er
Jeder sollte denken, daß ihm von Hīkeśa, dem Herrn der aus diplomatischen Gründen gezwungen zu lügen. Gewalt
Sinne, eine bestimmte Tätigkeit gegeben worden ist und und Falschheit sind in der Politik an der Tagesordnung,
daß mit dem Ergebnis der Arbeit die Höchste Per- aber ein katriya soll deshalb nicht seine tätigkeitsgemäße
sönlichkeit Gottes, Śrī KŠa, verehrt werden sollte. Wenn Pflicht aufgeben und versuchen, die Pflichten eines
man auf diese Art und Weise ständig in völligem brāhmaŠa zu erfüllen.
KŠa-Bewußtsein denkt, wird man sich durch die Gnade Man soll handeln, um den Höchsten Herrn
des Herrn aller Dinge bewußt. Das ist die Vollkommenheit zufriedenzustellen. Arjuna zum Beispiel war ein katriya.
des Lebens. Der Herr sagt in der Bhagavad-gītā: teām Er zögerte, gegen die andere Partei zu kämpfen; aber wenn
ahaˆ samuddhartā. Der Höchste Herr kümmert Sich ein solcher Kampf für KŠa, die Höchste Persönlichkeit
persönlich darum, einen solchen Gottgeweihten zu Gottes, ausgetragen wird, braucht man sich vor
befreien. Das ist die höchste Vollkommenheit des Lebens. Entwürdigung nicht zu fürchten.
Welcher Tätigkeit man auch nachgeht, wenn man dem Auch im Geschäftsleben muß ein Händler zuweilen lügen,
Höchsten Herrn dient, wird man die höchste um Profit zu machen. Tut er das nicht, kann er nicht
Vollkommenheit erreichen. profitieren. Manchmal sagt ein Händler: „Mein werter
332

Kunde, an Ihnen verdiene ich nichts“, aber man sollte er die Befehle seines Herrn ausführen, selbst wenn etwas
wissen, daß der Händler ohne Profit nicht existieren kann, nicht getan werden sollte. Trotz all dieser Mängel sollte
und es daher als eine schlichte Lüge betrachten, wenn er man weiter seine vorgeschriebenen Pflichten erfüllen, denn
behauptet, keinen Gewinn zu machen. Doch der Händler sie entspringen der eigenen Natur.
sollte nicht denken, nur weil er gezwungen sei zu lügen, In diesem Vers wird ein sehr schönes Beispiel gegeben.
solle er seinen Beruf aufgeben und die Tätigkeit eines Obwohl Feuer rein ist, gibt es Rauch. Aber Rauch macht
brāhmaŠa aufnehmen. Das wird nicht empfohlen, wenn das Feuer nicht unrein. Obwohl es im Feuer Rauch gibt, gilt
man mit seiner Arbeit der Höchsten Persönlichkeit Gottes Feuer als das reinste aller Elemente. Wenn man zum
dient. Ob man ein brāhmaŠa, katriya, vaiśya oder śūdra Beispiel die Arbeit eines katriya aufgeben möchte, um die
ist, bleibt sich gleich. Sogar brāhmaŠas, die verschiedene Tätigkeit eines brāhmaŠa aufzunehmen, kann man nicht
Arten von Opfer darbringen, müssen manchmal Tiere töten, sicher sein, daß es nicht auch bei dieser Tätigkeit unange-
denn hin und wieder werden auch Tiere in solchen nehme Pflichten gibt. Man kann daher den Schluß ziehen,
Zeremonien geopfert. Auch ein katriya, der seine Pflicht daß niemand in der materiellen Welt von der
erfüllt, lädt keine Sünde auf sich, wenn er einen Feind tötet. Verunreinigung der materiellen Natur völlig frei ist. Das
Im Dritten Kapitel sind diese Dinge klar und ausführlich Beispiel von Feuer und Rauch ist in diesem Zusammenhang
erklärt worden. Jeder sollte für yajña oder ViŠu, die sehr treffend. Wenn man im Winter einen Stein vom Feuer
Höchste Persönlichkeit Gottes, arbeiten. Alles, was für nimmt, stört manchmal Rauch die Augen und andere Teile
persönliche Sinnenbefriedigung getan wird, ist eine des Körpers, aber dennoch muß man trotz dieser
Ursache von Bindung. unangenehmen Begleiterscheinungen vom Feuer Gebrauch
Die Schlußfolgerung lautet, daß jeder entsprechend der machen. In ähnlicher Weise sollte man nicht seine
jeweiligen Erscheinungsweise der Natur, die er natürliche Tätigkeit aufgeben, nur weil einige störende
angenommen hat, beschäftigt werden sollte, und er sollte Elemente auftreten. Man sollte vielmehr entschlossen sein,
den Entschluß fassen, der erhabenen Sache des Höchsten dem Höchsten Herrn durch die Erfüllung seiner
Herrn zu dienen. tätigkeitsgemäßen Pflicht im KŠa-Bewußtsein zu dienen.
Das ist die Stufe der Vollkommenheit. Wenn eine
VERS 48 bestimmte Tätigkeit verrichtet wird, um den Höchsten
Herrn zufriedenzustellen, sind alle Fehler dieser Tätigkeit
saha-jaˆ karma kaunteya geläutert. Wenn die Ergebnisse der Arbeit gereinigt sind,
sa-doam api na tyajet weil sie mit dem hingebungsvollen Dienst Verbindung
sarvārambhā hi doeŠa haben, erreicht man die Vollkommenheit, das Selbst im
dhūmenāgnir ivāvtāƒ Innern zu sehen. Das ist Selbsterkenntnis.

saha-jam—gleichzeitig geboren; karma—Tätigkeit; VERS 49


kaunteya—o Sohn Kuntīs; sa-doam—fehlerhaft; api—
obwohl; na—niemals; tyajet—aufzugeben; sarva-āram- asakta-buddhiƒ sarvatra
bhāƒ—jede Unternehmung; hi—ist gewiß; doeŠa—mit jitātmā vigata-sphaƒ
Fehler; dhūmena—mit Rauch; agniƒ—Feuer; iva—wie; naikarmya-siddhiˆ paramāˆ
āvtāƒ—bedeckt. sannyāsenādhigacchati

ÜBERSETZUNG asakta-buddhiƒ—unangehaftete Intelligenz; sarvatra—


überall; jita-ātmā—Beherrschung des Geistes;
Jede Bemühung ist von einem Fehler überschattet, vigata-sphaƒ—ohne materielle Wünsche; naikarmya-
ebenso wie Feuer von Rauch verhüllt ist. Deshalb sollte siddhim—Vollkommenheit der Reaktionslosigkeit;
man die Tätigkeit, die der eigenen Natur entspringt, paramām—höchste; sannyāsena—durch den Lebensstand
nicht aufgeben, o Sohn Kuntīs, auch wenn solche Arbeit der Entsagung; adhigacchati—erreicht.
fehlerhaft ist.
ÜBERSETZUNG
ERLÄUTERUNG
Man kann die Ergebnisse der Entsagung bekommen,
Im bedingten Leben ist jede Arbeit durch die indem man einfach den Geist beherrscht, die Anhaftung
Erscheinungsweisen der materiellen Natur verunreinigt. an materielle Dinge aufgibt und materiellen Genüssen
Selbst wenn man ein brāhmaŠa ist, muß man zuweilen keine Beachtung schenkt. Das ist die am höchsten
Opfer vollziehen, bei denen es notwendig ist, Tiere zu vervollkommnete Stufe von Entsagung.
töten. In ähnlicher Weise muß ein katriya, ganz gleich wie
fromm er sein mag, Feinde bekämpfen. Er kann es nicht ERLÄUTERUNG
vermeiden. Und auch ein Händler, mag er noch so fromm
sein, muß manchmal seinen Profit verheimlichen, um im Wahre Entsagung bedeutet, sich immer als winzigen
Geschäft zu bleiben, und es kann sogar vorkommen, daß er Bestandteil des Höchsten Herrn zu sehen. Deshalb hat man
gezwungen ist, auf dem Schwarzmarkt zu handeln. Diese kein Recht, die Ergebnisse seiner Arbeit zu genießen. Da
Dinge sind notwendig; man kann sie nicht vermeiden. Auch man ein winziger Bestandteil des Höchsten Herrn ist,
wenn ein śūdra einem schlechten Herrn dienen mag, muß müssen die Ergebnisse der Arbeit vom Höchsten Herrn
333

genossen werden. Das ist wahres KŠa-Bewußtsein. Ein yata-vāk-kāya-mānasaƒ


Mensch, der im KŠa-Bewußtsein handelt, ist ein dhyāna-yoga-paro nityaˆ
wirklicher sannyāsī, das heißt jemand, der im Lebensstand vairāgyaˆ samupāśritaƒ
der Entsagung steht. Durch ein solches Bewußtsein wird
man zufrieden, denn man handelt im Grunde für den aha‰kāraˆ balaˆ darpaˆ
Höchsten Herrn. Folglich haftet man nicht an materiellen kāmaˆ krodhaˆ parigraham
Dingen, sondern gewöhnt sich vielmehr daran, sich an vimucya nirmamaƒ śānto
nichts zu erfreuen, was außerhalb des transzendentalen brahma-bhūyāya kalpate
Glücks liegt, das im Dienst für den Herrn erfahren wird.
Von einem sannyāsī sagt man, daß er von den Reaktionen buddhyā—durch die Intelligenz; viśuddhayā—völlig
seiner vergangenen Handlungen frei ist; doch ein Mensch geläuterte; yuktaƒ-solches Tun; dhtyā—Entschlossenheit;
im KŠa-Bewußtsein erreicht von selbst — sogar ohne in ātmānam—das Selbst; niyamya—reguliert; ca—auch;
den sogenannten Stand der Entsagung einzutreten — diese śabdādīn—die Sinnesobjekte, wie Klang usw.; viayān—
Vollkommenheit. Dieser Zustand des Geistes heißt Sinnesobjekte; tyaktvā—aufgebend; rāga—Anhaftungen;
yogārūha oder die vollkommene Stufe des yoga, wie im dveau—Haß; vyudasya—beiseite gelegt habend; ca—
Dritten Kapitel bestätigt wird: yas tv ātma-ratir eva syāt. auch; vivikta-sevī—an einem abgelegenen Ort lebend;
Wer in sich selbst zufrieden ist, fürchtet sich vor keiner laghu-āśī—eine kleine Menge essend; yata-vāk—
Reaktion auf sein Tun. Beherrschung der Sprache; kāya—Körper; mānasaƒ—
Beherrschung des Geistes; dhyāna-yoga-paraƒ—immer in
VERS 50 Trance versunken; nityam—vierundzwanzig Stunden am
Tag; vairāgyam—Loslösung; samupāśritaƒ—Zuflucht
siddhiˆ prāpto yathā brahma gesucht bei; aha‰kāram—falsches Ego; balam—falscher
tathāpnoti nibodha me Stärke; darpam—falschem Stolz; kāmam—Lust;
samāsenaiva kaunteya krodham—Zorn; parigraham—Annahme materieller
ni˜hā jñānasya yā parā Dinge; vimucya—befreit; nirmamaƒ—ohne Besitzanspruch;
śāntaƒ—friedvoll; brahma-bhūyāya—selbstverwirklicht
siddhim—Vollkommenheit; prāptaƒ—erreichend; yathā— werden; kalpate—wird verstanden.
wie; brahma—das Höchste; tathā—so; āpnoti—erreicht;
nibodha—versuche zu verstehen; me—von Mir; ÜBERSETZUNG
samāsena—zusammenfassend; eva—gewiß; kaunteya—o
Sohn Kuntīs; ni˜hā—Stufe; jñānasya—des Wissens; yā— Wer durch seine Intelligenz geläutert ist und den Geist
welche; parā—transzendental. mit Entschlossenheit beherrscht, die Objekte der
Sinnenbefriedigung aufgibt, da er von Anhaftung und
ÜBERSETZUNG Haß befreit ist, wer an einem abgelegenen Ort lebt,
wenig ißt, Körper und Zunge beherrscht, immer in
O Sohn Kuntīs, lerne von Mir in Kürze, wie man die Trance versunken und losgelöst ist, wer ohne falsches
höchste Stufe der Vollkommenheit, das Brahman, Ego, falsche Stärke, falschen Stolz, Lust und Zorn ist
erreichen kann, indem man so handelt, wie Ich es jetzt und wer keine materiellen Dinge annimmt — ein solcher
zusammenfassen werde. Mensch wird gewiß zur Stufe der Selbstverwirklichung
erhoben.
ERLÄUTERUNG
ERLÄUTERUNG
Der Herr erklärt Arjuna, wie man die höchste Stufe der
Vollkommenheit erreichen kann, indem man einfach seine Wenn jemand durch Wissen geläutert ist, hält er sich in der
tätigkeitsgemäße Pflicht erfüllt und diese Pflicht für die Erscheinungsweise der Tugend. So wird er zum
Höchste Persönlichkeit Gottes verrichtet. Man erreicht die Beherrscher seines Geistes und ist immer in Trance. Weil er
höchste Stufe des Brahman, indem man einfach auf das nicht an den Objekten der Sinnenbefriedigung haftet, ißt er
Ergebnis seiner Arbeit für die Zufriedenstellung des nicht mehr als notwendig und beherrscht die Tätigkeiten
Höchsten Herrn verzichtet. Das ist der Vorgang der des Körpers und des Geistes. Er hat kein falsches Ego, denn
Selbstverwirklichung. Die wahre Vollkommenheit des er hält den Körper nicht für sein Selbst und hat auch nicht
Wissens besteht darin, reines KŠa-Bewußtsein zu den Wunsch, den Körper durch das Annehmen so vieler
erlangen. Das wird in den folgenden Versen beschrieben. materieller Dinge fett und stark zu machen. Weil er keine
körperliche Auffassung vom Leben hat, ist er nicht von
VERS 51-53 falschem Stolz erfüllt. Er ist mit dem zufrieden, was ihm
durch die Gnade des Herrn gegeben wird, und er ist niemals
buddhyā viśuddhayā yukto zornig, wenn er seine Sinne nicht befriedigen kann. Er
dhtyātmānaˆ niyamya ca bemüht sich auch nicht, Sinnesobjekte zu bekommen.
śabdādīn viayāˆs tyaktvā Wenn er somit völlig von falschem Ego befreit ist, verliert
rāga-dveau vyudasya ca er jegliche Anhaftung an materielle Dinge. Das ist die Stufe
der Selbsterkenntnis des Brahman. Diese Stufe nennt man
vivikta-sevī laghv-āśī brahma-bhūta-Stufe. Wenn man von der materiellen
334

Lebensauffassung frei ist, wird man friedvoll und kann die bald wieder verschwinden, nichts zu tun. Für ihn sind
nicht mehr erregt werden. Stein und Gold von gleichem Wert. Das ist die
brahma-bhūta-Stufe, und diese Stufe erreicht der reine
VERS 54 Gottgeweihte sehr leicht. Auf dieser Stufe des Daseins wird
die Vorstellung mit dem Höchsten Brahman eins zu werden
brahma-bhūtaƒ prasannātmā und die eigene Individualität zu vernichten, zur Hölle, und
na śocati na kā‰kati die Idee, das himmlische Königreich zu erreichen, wird zu
samaƒ sarveu bhūteu einem Trugbild, und die Sinne gleichen gebrochenen
mad-bhaktiˆ labhate parām Giftzähnen von Schlangen. Ähnlich, wie man Schlangen
mit gebrochenen Zähnen nicht zu fürchten braucht, so
brahma-bhūtaƒ—eins mit dem Absoluten; braucht man sich vor den Sinnen nicht zu fürchten, wenn
prasanna-ātmā—freudvoll; na—niemals; śocati—klagt; sie von selbst beherrscht sind. Für den unter dem Einfluß
na—niemals; kā‰kati—begehrt; samaƒ—gleichgesinnt; der Materie stehenden Menschen ist die Welt leidvoll, doch
sarveu—allen; bhūteu—Lebewesen; mat-bhaktim— für einen Gottgeweihten ist die ganze Welt so gut wie
Meinen hingebungsvollen Dienst; labhate—gewinnt; VaikuŠ˜ha, der spirituelle Himmel. Für einen
parām—transzendentalen. Gottgeweihten ist die höchste Persönlichkeit im materiellen
Universum nicht bedeutender als eine Ameise. Diese Stufe
ÜBERSETZUNG kann durch die Barmherzigkeit Śrī Caitanyas erreicht
werden, der in diesem Zeitalter reinen hingebungsvollen
Wer so in der Transzendenz verankert ist, erkennt Dienst predigte.
sogleich das Höchste Brahman. Er klagt niemals, noch
begehrt er irgend etwas. Er ist jedem Lebewesen VERS 55
gleichgesinnt. In diesem Zustand erreicht er reinen
hingebungsvollen Dienst für Mich. bhaktyā mām abhijānāti
yāvān yaś cāsmi tattvataƒ
ERLÄUTERUNG tato māˆ tattvato jñātvā
viśate tad-anantaram
Für den Unpersönlichkeitsanhänger ist die
brahma-bhūta-Stufe oder das Einswerden mit dem bhaktyā—durch reinen hingebungsvollen Dienst; mām—
Absoluten die höchste Vollkommenheit. Was aber den An- Mich; abhijānāti—man kann kennen; yāvān—so viel wie;
hänger des Persönlichen, den reinen Gottgeweihten, yaƒ ca asmi—wie Ich bin; tattvataƒ—in Wahrheit; tataƒ—
betrifft, so muß er diese Stufe hinter sich lassen, um im danach; mām—Mich; tattvataƒ—in Wahrheit; jñātvā—
reinen hingebungsvollen Dienst für den Herrn beschäftigt kennend; viśate—geht ein in; tat-jenes; anantaram—
zu werden. Dies bedeutet, daß jemand, der im höchste Reich.
hingebungsvollen Dienst des Höchsten Herrn tätig ist, die
Stufe der Befreiung bereits erreicht hat. Diese Stufe wird ÜBERSETZUNG
brahma-bhūta oder Einssein mit dem Absoluten genannt.
Ohne mit dem Höchsten, dem Absoluten, eins zu sein, kann Nur durch hingebungsvollen Dienst kann man die
man Ihm nicht dienen. Im absoluten Sinne gibt es keinen Höchste Persönlichkeit so verstehen, wie Sie ist. Und
Unterschied zwischen demjenigen, dem gedient wird, und wenn man sich durch solche Hingabe des Höchsten
demjenigen, der dient; doch in einem höheren, spirituellen Herrn völlig bewußt ist, kann man in das Königreich
Sinne besteht ein Unterschied. Gottes eintreten.
In der materiellen Auffassung vom Leben, wenn man für
Sinnenbefriedigung arbeitet, entsteht Leid, doch in der ERLÄUTERUNG
absoluten Welt, wo man reinen hingebungsvollen Dienst
verrichtet, gibt es kein Leid. Der Gottgeweihte im KŠa, die Höchste Persönlichkeit Gottes, und Seine
KŠa-Bewußtsein hat nichts zu beklagen oder zu begehren. vollständigen Teile können weder durch gedankliche
Weil Gott in Sich erfüllt ist, wird auch ein Lebewesen, das Spekulation noch von Nichtgottgeweihten verstanden wer-
im Dienst Gottes, im KŠa-Bewußtsein, tätig ist, in sich den. Wenn jemand die Höchste Persönlichkeit Gottes
erfüllt. Es gleicht einem Fluß, der von allem schmutzigen verstehen will, muß er sich unter der Führung eines reinen
Wasser gereinigt ist. Weil ein reiner Gottgeweihter an Gottgeweihten reinem hingebungsvollem Dienst widmen.
nichts anderes als KŠa denkt, ist es natürlich, daß er Sonst wird ihm die Wahrheit über die Höchste
immer voll Freude ist. Er beklagt weder materiellen Persönlichkeit Gottes immer verborgen bleiben. Es wurde
Verlust, noch begehrt er materiellen Gewinn, denn er ist bereits erklärt (nāhaˆ prakāśaƒ), daß der Herr nicht jedem
vom Dienst des Herrn erfüllt. Er hat kein Verlangen nach offenbar ist. Man kann Gott nicht einfach durch
materiellem Genuß, denn er weiß, daß jedes Lebewesen ein akademische Gelehrsamkeit oder gedankliche Spekulation
fragmentarischer, winziger Bestandteil des Höchsten Herrn verstehen. Nur wer tatsächlich im KŠa-Bewußtsein und
und daher Sein ewiger Diener ist. Er sieht niemand in der im hingebungsvollen Dienst tätig ist, kann verstehen, was
materiellen Welt als höher oder niedriger an, denn hohe KŠa ist. Universitätstitel sind nicht hilfreich.
und niedrige Positionen bestehen nur vorübergehend, und Wer mit der Wissenschaft von KŠa völlig vertraut ist,
ein Gottgeweihter hat mit vorübergehenden Erscheinungen, eignet sich dafür, in das spirituelle Königreich, das Reich
335

KŠas, einzutreten. Brahman zu werden bedeutet nicht, Befreiung hört dieser Dienst nicht auf. Wahre Befreiung
seine Identität zu verlieren. Hingebungsvoller Dienst bedeutet, von falschen Lebensauffassungen frei zu werden.
existiert, und solange es hingebungsvollen Dienst gibt, muß
es auch Gott, den Gottgeweihten und den Vorgang des VERS 56
hingebungsvollen Dienstes geben. Solches Wissen vergeht
nie — nicht einmal nach der Befreiung. Zur Befreiung sarva-karmāŠy api sadā
gehört, daß man von der materiellen Lebensauffassung frei kurvāŠo mad-vyapāśrayaƒ
wird. Im spirituellen Leben gibt es den gleichen mat-prasādād avāpnoti
Unterschied, die gleiche Individualität, aber in reinem śāśvataˆ padam avyayam
KŠa-Bewußtsein. Man sollte nicht dem Mißverständnis
unterliegen, das Wort viśate ("tritt in Mich ein") unterstütze sarva-alle; karmāŠi—Tätigkeiten; api—obwohl; sadā—
die monistische Theorie, daß man mit dem unpersönlichen immer; kurvāŠaƒ—ausführend; mat—unter Meinem;
Brahman verschmelze. Nein, viśate bedeutet, daß man in vyapāśrayaƒ—Schutz; mat—Meine; prasādāt—Barm-
seiner Individualität in das Reich des Höchsten Herrn herzigkeit; avāpnoti—erlangt; śāśvatam—ewiges; padam—
eintreten und dort mit Ihm zusammensein und Ihm dienen Reich; avyayam—unvergänglich.
kann. Ein grüner Vogel zum Beispiel fliegt nicht in einen
grünen Baum, um mit diesem eins zu werden, sondern um ÜBERSETZUNG
die Früchte zu genießen. Unpersönlichkeitsanhänger geben
im allgemeinen das Beispiel eines Flusses, der in den Obwohl Mein Geweihter allen möglichen Tätigkeiten
Ozean fließt und sich mit diesem vermischt, und für den nachgehen mag, erreicht er unter Meinem Schutz und
Unpersönlichkeitsanhänger mag dieses Eingehen eine durch Meine Gnade das ewige, unvergängliche Reich.
Quelle des Glücks sein, doch der Anhänger des
Persönlichen bewahrt seine persönliche Individualität wie ERLÄUTERUNG
ein Wasserlebewesen im Ozean. Wenn wir tief in den
Ozean tauchen, werden wir dort viele Lebewesen finden. Das Wort mad-vyapāśrayaƒ bedeutet "unter dem Schutz
Es genügt nicht, nur die Oberfläche des Ozeans zu kennen; des Höchsten Herrn". Um von materieller Verunreinigung
man muß auch vollständiges Wissen von den frei zu sein, handelt ein reiner Gottgeweihter unter der
Wasserlebewesen haben, die in den Tiefen des Ozeans Führung des Höchsten Herrn oder Seines Stellvertreters,
leben. des spirituellen Meisters. Für einen reinen Gottgeweihten
Dank seines reinen hingebungsvollen Dienstes kann ein gibt es keine zeitliche Begrenzung. Er ist ständig,
Gottgeweihter die transzendentalen Eigenschaften und vierundzwanzig Stunden am Tag, hundertprozentig unter
Reichtümer des Höchsten Herrn in Wahrheit verstehen. der Führung des Höchsten Herrn tätig. Zu einem
Wie es im Elften Kapitel heißt, kann man KŠa nur durch Gottgeweihten, der sich auf diese Weise im KŠa-
hingebungsvollen Dienst verstehen. Das gleiche wird hier Bewußtsein betätigt, ist der Herr sehr, sehr gütig. Trotz
bestätigt: Nur durch hingebungsvollen Dienst kann man aller Schwierigkeiten wird er schließlich in das
den Herrn, die Höchste Persönlichkeit Gottes, verstehen transzendentale Reich, KŠaloka, aufgenommen. Der
und in Sein Königreich eintreten. Einlaß dort ist ihm garantiert; darüber besteht kein Zweifel.
Nachdem man die brahma-bhūta-Stufe oder Freiheit von In diesem höchsten Reich gibt es keinen Wandel; alles dort
materiellen Vorstellungen erreicht hat, beginnt ist ewig, unvergänglich und voller Wissen.
hingebungsvoller Dienst, indem man über den Höchsten
Herrn hört. Wenn man über den Höchsten Herrn hört, VERS 57
entwickelt sich die brahmabhūta-Stufe von selbst, denn die
materielle Verunreinigung, das heißt Gier und Lust nach cetasā sarva-karmāŠi
Sinnengenuß, verschwindet. Wenn Lust und Begierden aus mayi sannyasya mat-paraƒ
dem Herzen eines Gottgeweihten verschwinden, fühlt er buddhi-yogam upāśritya
sich zum Dienst des Herrn mehr hingezogen, und durch maccittaƒ satatam bhava
solche Anhaftung wird er von materieller Verunreinigung
frei. Auf dieser Stufe des Lebens kann er den Höchsten cetasā—durch Intelligenz; sarva-karmāŠi-alle Arten von
Herrn verstehen. So lautet auch die Aussage des Tätigkeiten; mayi—für Mich; sannyasya—aufgebend;
Śrīmad-Bhāgavatam. Auch nach der Befreiung bleibt der mat-paraƒ—Mein Schutz; buddhi-yogam—hingebungsvolle
Vorgang der bhakti oder des transzendentalen Dienstes Tätigkeiten; upāśritya—Zuflucht suchend bei; mat-cittaƒ—
bestehen. Das Vedānta-sūtra bestätigt dies wie folgt: Bewußtsein; satatam—vierundzwanzig Stunden täglich;
āprāyaŠāt tatrāpi hi d˜am. Dies bedeutet, daß der bhava—werde einfach.
Vorgang des hingebungsvollen Dienstes selbst nach der
Befreiung fortbesteht. Das Śrīmad-Bhāgavatam definiert ÜBERSETZUNG
echte hingebungsvolle Befreiung als "die Rückkehr des
Lebewesens zu seiner ursprünglichen Identität, seiner Vertraue bei allem, was du tust, einfach auf Mich, und
wesensgemäßen Position". Diese wesensgemäße Position handle immer unter Meinem Schutz. Sei dir bei solchem
ist bereits erklärt worden: Jedes Lebewesen ist ein winziger, hingebungsvollem Dienst Meiner voll bewußt.
fragmentarischer Teil des Höchsten Herrn. Deshalb ist es
seine wesensgemäße Position zu dienen. Nach der ERLÄUTERUNG
336

Ein völlig KŠa-bewußter Mensch ist nicht übermäßig


Wenn man im KŠa-Bewußtsein handelt, tut man nicht so, ängstlich bemüht, die Pflichten seines Daseins zu erfüllen.
als sei man der Herr der Welt. Genau wie ein Diener sollte Die Toren können diese große Freiheit von aller Angst
man völlig unter der Führung des Höchsten Herrn handeln. nicht begreifen. Für einen Menschen, der im
Ein Diener hat keine individuelle Unabhängigkeit. Er KŠa-Bewußtsein handelt, wird KŠa zum vertrautesten
handelt nur auf Befehl seines Herrn. Ein Diener, der für den Freund. KŠa ist immer um das Wohl Seines Freundes
Höchsten Herrn handelt, kümmert sich weder um Gewinn besorgt und schenkt Sich sogar seinem Freund, der mit so
noch um Verlust. Er erfüllt einfach treu seine Pflicht, so viel Hingabe vierundzwanzig Stunden am Tag arbeitet, um
wie der Herr es ihm aufgetragen hat. Man mag nun den Herrn zu erfreuen. Niemand sollte sich daher vom
einwenden, Arjuna habe unter der persönlichen Führung falschen Ego der körperlichen Lebensauffassung
KŠas gehandelt, während sich für uns die Frage stellt, wie überwältigen lassen. Man sollte nicht fälschlich denken,
wir in KŠas Abwesenheit handeln sollen. Die Antwort man sei von den Gesetzen der materiellen Natur
lautet: Wenn man nach den Anweisungen KŠas, wie sie in unabhängig oder könne nach Belieben handeln. Man ist den
diesem Buch gegeben werden, und unter der Führung von strengen materiellen Gesetzen bereits unterworfen. Doch
KŠas Stellvertreter handelt, wird man das gleiche sobald man im KŠa-Bewußtsein handelt, ist man erlöst
Ergebnis erhalten. und von den materiellen Verwirrungen frei. Man sollte sehr
Das Sanskritwort mat-paraƒ ist in diesem Vers sehr sorgsam zur Kenntnis nehmen, daß sich jeder, der nicht im
bedeutsam. Es weist darauf hin, daß es kein anderes KŠa-Bewußtsein tätig ist, im materiellen Strudel, im
Lebensziel gibt, als einfach im KŠa-Bewußtsein zu han- Ozean von Geburt und Tod, verliert. Keine bedingte Seele
deln, um KŠa zu erfreuen. Während man in dieser Weise weiß, was eigentlich getan werden muß und was nicht
tätig ist, sollte man nur an KŠa denken: "Mir ist von getan werden darf; doch jemand, der im KŠa-Bewußtsein
KŠa aufgetragen worden, diese bestimmte Pflicht zu handelt, besitzt wahre Handlungsfreiheit, denn KŠa gibt
erfüllen." Wenn man so handelt, muß man natürlicherweise ihm von innen her Anweisungen, die vom spirituellen
an KŠa denken. Meister bestätigt werden.
Das ist vollkommenes KŠa-Bewußtsein. Man sollte
jedoch bedenken, daß man nicht, nachdem man etwas nach VERS 59
seinem Gutdünken getan hat, das Ergebnis dem Höchsten
Herrn anbieten sollte. Diese Art von Pflicht ist kein yad aha‰kāram āśritya
hingebungsvoller Dienst im KŠa-Bewußtsein. Man sollte na yotsya iti manyase
nach der Anweisung KŠas handeln. Das ist ein sehr mithyaia vyavasāyas te
wichtiger Punkt. Diese Anweisung KŠas kommt durch die praktis tvāˆ niyokyati
Schülernachfolge vom echten spirituellen Meister. Deshalb
sollte man die Anweisung des spirituellen Meisters als die yat—deshalb; aha‰kāram—falsches Ego; āśritya—
Hauptpflicht im Leben betrachten. Wenn jemand einen Zuflucht suchend; na—nicht; yotsya—werde kämpfen; iti—
echten spirituellen Meister bekommt und nach seiner so; manyase—denkst; mithyā—falsch; eaƒ—all dieses;
Weisung handelt, ist die Vollkommenheit seines Lebens im vyavasāyaƒ—Entschlossenheit; te—deine; praktiƒ—
KŠa-Bewußtsein garantiert. materielle Natur; tvām—dich; niyokyati—wird dich
beschäftigen.
VERS 58
ÜBERSETZUNG
mac-cittaƒ sarva-durgāŠi
mat-prasādāt tariyasi Wenn du nicht Meiner Anweisung gemäß handelst und
atha cet tvam aha‰kārān nicht kämpfst, wirst du in die Irre gehen. Deine Natur
na śroyasi vina‰kyasi wird dich zwingen, am Kriegshandwerk teilzunehmen.

mat—Meiner; cittaƒ—Bewußtsein; sarva-alle; durgāŠi— ERLÄUTERUNG


Hindernisse; mat—Meine; prasādāt—Barmherzigkeit;
tariyasi—du wirst überwinden; atha—daher; cet—wenn; Arjuna war ein Krieger und mit dem Wesen des katriya
tvam—du; aha‰kārāt—durch falsches Ego; na—nicht; geboren. Daher war es seine natürliche Pflicht zu kämpfen.
śroyasi—hörst nicht; vina‰kyasi—dann verlierst du dich. Doch aufgrund falschen Egos befürchtete er, sündhafte
Reaktionen auf sich zu laden, wenn er seinen Lehrer, seinen
ÜBERSETZUNG Großvater und seine Freunde tötete. Er hielt sich selbst für
den Herrn seiner Handlungen, als ob er die guten und
Wenn du dir über Mich bewußt wirst, wirst du durch schlechten Ergebnisse solchen Tuns bestimmen würde. Er
Meine Gnade alle Hindernisse des bedingten Lebens vergaß, daß die Höchste Persönlichkeit Gottes vor ihm
überwinden. Wenn du jedoch nicht in diesem stand und ihm die Anweisung gab zu kämpfen. Dies ist ein
Bewußtsein, sondern aus falschem Ich heraus handelst, Beispiel dafür, wie leicht die bedingte Seele vergißt. Die
und nicht auf Mich hörst, wirst du verloren sein. Höchste Persönlichkeit Gottes lehrt uns, was gut und was
schlecht ist, und man braucht nur im KŠa-Bewußtsein zu
ERLÄUTERUNG handeln, um die Vollkommenheit des Lebens zu erreichen.
Niemand kann sein Schicksal so voraussehen, wie es der
337

Höchste Herr kann; daher ist es das beste, sich vom


Höchsten unterweisen zu lassen und dementsprechend zu ERLÄUTERUNG
handeln. Niemand sollte die Anordnung der Höchsten Per-
sönlichkeit Gottes oder die Unterweisungen des spirituellen Arjuna war nicht allwissend, und seine Entscheidung, zu
Meisters, der Gottes Stellvertreter ist, vernachlässigen. Man kämpfen oder nicht zu kämpfen, war daher durch seine
sollte der Anweisung der Höchsten Persönlichkeit Gottes begrenzte Sicht beschränkt. Śrī KŠa erklärte, daß das
ohne Zögern nachkommen — das wird einen unter allen Lebewesen nicht das ein und alles ist. Die Höchste
Umständen schützen. Persönlichkeit Gottes, Er Selbst, KŠa, die lokalisierte
Überseele, sitzt im Herzen und lenkt das Lebewesen.
VERS 60 Nachdem das Lebewesen den Körper gewechselt hat,
vergißt es seine vergangenen Taten, doch die Überseele
svabhāva-jena kaunteya bleibt als der Kenner von Vergangenheit, Gegenwart und
nibaddhaƒ svena karmaŠā Zukunft der Zeuge all seines Tuns. Deshalb werden alle
kartuˆ necchasi yan mohāt Tätigkeiten der Lebewesen von der Überseele gelenkt.
kariyasy avaśo’pi tat Das Lebewesen bekommt, was es verdient, und wird von
einem materiellen Körper getragen, der unter der
sva-bhāva-jena—durch die eigene Natur; kaunteya—o Anweisung der Überseele in der materiellen Energie ge-
Sohn Kuntīs; nibaddhaƒ—bedingt; svena—durch die schaffen wird. Sobald ein Lebewesen in einen bestimmten
eigenen; karmaŠā—Tätigkeiten; kartum—zu tun; na— Körper gesetzt wird, ist es gezwungen, im Banne dieser
nicht; icchasi—magst; yat—dieses; mohāt—durch Illusion; körperlichen Lage zu handeln. Wer in einem schnellen
kariyasi—du wirst handeln; avaśaƒ—unmerklich; api— Wagen sitzt, fährt schneller als jemand, der in einem
sogar; tat—dieses. langsameren sitzt, obwohl die Lebewesen, die Fahrer, die
gleichen sind. Die materielle Natur fertigt nach der An-
ÜBERSETZUNG weisung der Höchsten Seele einem bestimmten Lebewesen
einen bestimmten Körper an, so daß es seinen vergangenen
Im Banne der Illusion weigerst du dich jetzt, Meiner Wünschen gemäß handeln kann. Das Lebewesen ist nicht
Anweisung gemäß zu handeln. Doch gezwungen durch unabhängig. Man sollte nicht denken, man sei von der
deine eigene Natur, o Sohn Kuntīs, wirst du ohnehin Höchsten Persönlichkeit Gottes unabhängig. Das
nicht anders handeln können. Individuum untersteht immer der Herrschaft des Herrn.
Deshalb hat es die Pflicht, sich hinzugeben, und so lautet
ERLÄUTERUNG auch die Unterweisung des nächsten Verses.

Wenn man sich weigert, nach der Weisung des Höchsten VERS 62
Herrn zu handeln, ist man gezwungen, unter dem Einfluß
der Erscheinungsweisen der materiellen Natur, in denen tam eva śaraŠaˆ gaccha
man sich befindet, zu handeln. Jeder befindet sich im sarva-bhāvena bhārata
Banne einer bestimmten Verbindung der tat prasādāt parāˆ śāntiˆ
Erscheinungsweisen und handelt dementsprechend. Doch sthānaˆ prāpsyasi śāśvatam
jeder, der sich freiwillig der Führung des Höchsten Herrn
anvertraut, wird ruhmreich. tam—Ihm; eva—gewiß; śaraŠam—ergib dich; gaccha—
geh; sarva-bhāvena—in jeder Hinsicht; bhārata—o Sohn
VERS 61 Bhāratas; tat-prasādāt—durch Seine Gnade; parām—
transzendentalen; śāntim—Frieden; sthānam—Reich;
īśvaraƒ sarva-bhūtānāˆ prāpsyasi—du wirst erlangen; śāśvatam—ewig.
hd-deśe'rjuna ti˜hati
bhrāmayan sarva-bhūtāni ÜBERSETZUNG
yantrārūhāni māyayā
O Nachkomme Bhāratas, ergib dich Ihm ohne
īśvaraƒ—der Höchste Herr; sarva-bhūtānām—aller Vorbehalt. Durch Seine Gnade wirst du
Lebewesen; hd-deśe—in der Gegend des Herzens; transzendentalen Frieden und das höchste, ewige Reich
arjuna—o Arjuna; ti˜hati—wohnt; bhrāmayan— erlangen.
veranlassend zu reisen; sarva-bhūtāni—alle Lebewesen;
yantra—Maschine; ārūhāni—so gesetzt; māyayā—im ERLÄUTERUNG
Banne der materiellen Natur.
Das Lebewesen sollte sich daher der Höchsten
ÜBERSETZUNG Persönlichkeit Gottes ergeben, die im Herzen eines jeden
weilt, denn auf diese Weise wird es von allen Leiden des
Der Höchste Herr weilt im Herzen eines jeden, o materiellen Daseins frei werden. Durch solche Hingabe
Arjuna, und lenkt die Wege aller Lebewesen, die im wird man nicht nur von allen Leiden des Lebens befreit,
Körper wie auf einer Maschine aus materieller Energie sondern man wird am Ende des Lebens auch den Höchsten
sitzen. Gott erreichen. Die transzendentale Welt wird in den
338

vedischen Schriften als tad viŠoƒ paramaˆ padam eigentliche Interesse der Lebewesen; es ist nicht das
beschrieben. Da die gesamte Schöpfung das Königreich Interesse des Höchsten. Bevor man sich hingibt, hat man
Gottes ist, ist alles Materielle eigentlich spirituell, doch die Freiheit, sich diese Entscheidung, soweit die Intelligenz
paramaˆ padam bezieht sich insbesondere auf das ewige reicht, reiflich zu überlegen; das ist der beste Weg, die
Reich, das "der spirituelle Himmel" oder "VaikuŠ˜ha" Anweisung der Höchsten Persönlichkeit Gottes zu
genannt wird. akzeptieren. Solche Unterweisung kommt auch durch den
Im Fünfzehnten Kapitel der Bhagavad-gītā heißt es: spirituellen Meister, den echten Repräsentanten KŠas.
sarvasya cāham hdi sannivi˜aƒ. "Der Herr weilt im
Herzen eines jeden." Die Empfehlung, sich der Überseele VERS 64
zu ergeben, die im Innern weilt, bedeutet also, sich KŠa,
der Höchsten Persönlichkeit Gottes, zu ergeben. KŠa ist sarva-guhyatamaˆ bhūyaƒ
von Arjuna bereits als der Höchste akzeptiert worden, denn śŠu me paramaˆ vacaƒ
Er wurde von ihm im Zehnten Kapitel als paraˆ brahma i˜o'si me dham iti
paraˆ dhāma anerkannt. Arjuna akzeptierte KŠa nicht tato vakyāmi te hitam
nur aufgrund seiner persönlichen Erfahrung als die Höchste
Persönlichkeit Gottes und das höchste Reich aller sarva-guhyatamam—das vertraulichste; bhūyaƒ—wieder;
Lebewesen, sondern auch, weil große Autoritäten wie śŠu—höre nur; me—von Mir; paramam—die höchste;
Nārada, Asita, Devala und Vyāsa dies bestätigt haben. vacaƒ—Unterweisung; i˜aƒ asi—du bist Mir sehr lieb;
me—von Mir; dham—sehr; iti—so; tataƒ—deshalb;
VERS 63 vakyāmi—sprechend; te—zu deinem; hitam—Nutzen.

iti te jñānam ākhyātaˆ ÜBERSETZUNG


guhyād guhyataraˆ mayā
vimśyaitad aśeena Weil Du Mein lieber Freund bist, teile Ich dir den
yathecchasi tathā kuru vertraulichsten Teil des Wissens mit. Höre also von Mir,
denn es ist zu deinem Nutzen.
iti—so; te—dir; jñānam—Wissen; ākhyātam—beschrieben;
guhyāt—vertrauliches; guhyataram—noch vertraulicheres; ERLÄUTERUNG
mayā—von Mir; vimśya—durch Überlegung; etat—dieses;
aśeena—voll; yathā—wie du; icchasi—möchtest; tathā— Der Herr hat Arjuna vertrauliches Wissen von der
das; kuru—tu. Überseele im Herzen jedes Lebewesens offenbart, und jetzt
teilt Er ihm den vertraulichsten Teil dieses Wissens mit, der
ÜBERSETZUNG besagt, daß man sich der Höchsten Persönlichkeit Gottes
einfach ergeben soll. Am Ende des Neunten Kapitels hatte
Ich habe dir somit den vertraulichsten Teil allen Er gesagt: "Denke einfach immer an Mich." Die gleiche
Wissens erklärt. Denke in Ruhe darüber nach, und tu Anweisung wird hier wiederholt, um die Essenz der Lehren
dann, was du für richtig hältst. der Bhagavad-gītā zu betonen. Diese Essenz kann der
gewöhnliche Mensch nicht verstehen, nur jemand, der
ERLÄUTERUNG KŠa sehr lieb ist, das heißt ein reiner Geweihter KŠas.
Das ist die wichtigste Unterweisung in allen vedischen
Der Herr hat Arjuna das Wissen um brahma-bhūta bereits Schriften. Was KŠa in diesem Zusammenhang sagt, ist
erklärt. Wer sich auf der brahma-bhūta-Stufe befindet, ist der essentiellste Teil des Wissens, und diese Unterweisung
voller Freude; er beklagt sich niemals und begehrt nichts. sollte nicht nur von Arjuna, sondern von allen Lebewesen
Das ist auf vertrauliches Wissen zurückzuführen. KŠa beachtet werden.
offenbarte auch Wissen über die Überseele. Auch das ist
Brahman-Wissen oder Wissen vom Brahman, doch auf VERS 65
einer höheren Ebene.
Hier sagt KŠa zu Arjuna, daß dieser nach eigener Wahl manmanā bhava mad-bhakto
handeln könne. Gott mischt Sich in die winzige mad-yājī māˆ namaskuru
Unabhängigkeit des Lebewesens nicht ein. In der mām evaiyasi satyaˆ te
Bhagavad-gītā hat der Herr in allen Einzelheiten erklärt, pratijāne priyo'si me
wie man sein Leben auf eine höhere Stufe erheben kann.
Der beste Rat, den Arjuna bekam, lautete, sich der man-manāƒ-denke an Mich; bhava—werde einfach;
Überseele im Herzen zu ergeben. Dank richtiger mat-bhaktaƒ—Mein Geweihter; mat-yājī—Mein Verehrer;
Unterscheidung sollte man sich bereit finden, nach den mām—Mir; namaskuru—erweise deine Ehrerbietungen;
Unterweisungen der Überseele zu handeln. Das wird einem mām—zu Mir; eva—gewiß; eyasi—kommst; satyam—
helfen, fortwährend im KŠa-Bewußtsein, der am höchsten wahrlich; te—dir; pratijāne—Ich verspreche; priyaƒ—lieb;
vervollkommneten Stufe des menschlichen Lebens, asi—du bist; me—Mein.
verankert zu sein. Arjuna bekommt direkt von der Per-
sönlichkeit Gottes den Befehl zu kämpfen. Sich der ÜBERSETZUNG
Höchsten Persönlichkeit Gottes zu ergeben, ist das
339

Denke ständig an Mich, und werde Mein Geweihter.


Verehre Mich, und bringe Mir deine Ehrerbietungen Der Herr hat verschiedene Arten von Wissen beschrieben,
dar. Auf diese Weise wirst du ohne Fehl zu Mir verschiedene Vorgänge der Religion, Wissen vom
kommen. Ich verspreche dir dies, weil du Mein inniger Höchsten Brahman, Wissen von der Überseele, Wissen von
Freund bist. den verschiedenen Einteilungen und Stufen des sozialen
Lebens, Wissen vom Lebensstand der Entsagung, Wissen
ERLÄUTERUNG von Loslösung, Beherrschung der Sinne und des Geistes,
Meditation usw. Er hat auf viele Weise verschiedene Arten
Der vertraulichste Teil des Wissens ist der Rat, ein reiner von Religion beschrieben. Hier nun sagt der Herr als
Geweihter KŠas zu werden und immer an Ihn zu denken Zusammenfassung der Bhagavad-gītā, daß Arjuna alle
und für Ihn zu handeln. Man sollte nicht nach außen hin Vorgänge, die ihm bisher erklärt worden seien, aufgeben
vorgeben zu meditieren, sondern immer auf eine Art und und sich einfach Ihm ergeben soll. Diese Hingabe wird
Weise handeln, daß alle täglichen Arbeiten mit KŠa Arjuna vor allen sündhaften Reaktionen bewahren, denn
verbunden sind. Man sollte sein Leben so einrichten, daß der Herr verspricht persönlich, ihn zu beschützen.
man während der vierundzwanzig Stunden des Tages nichts Im Achten Kapitel wurde gesagt, daß nur jemand, der von
anderes tun kann, als an KŠa zu denken. Und der Herr allen sündhaften Reaktionen frei geworden ist, sich der
verspricht, daß jeder, der in solch reinem Verehrung KŠas weihen kann. Man mag deshalb denken,
KŠa-Bewußtsein verankert ist, ohne Zweifel in Sein man könne sich nicht ergeben, solange man nicht von allen
Königreich zurückkehren wird, wo er Ihm von Angesicht sündhaften Reaktionen befreit sei, doch als Antwort auf
zu Angesicht gegenüberstehen und sich in Seiner solche Zweifel heißt es hier, daß man von selbst von allen
unmittelbaren Nähe beschäftigen kann. Dieser sündhaften Reaktionen befreit wird, wenn man sich einfach
vertraulichste Teil des Wissens wird Arjuna nur mitgeteilt, Śrī KŠa hingibt. Es ist nicht notwendig, große
weil er KŠas inniger Freund ist. Jeder, der Arjunas Pfad Anstrengungen zu unternehmen, um sich aus eigener Kraft
folgt, kann ein Freund KŠas werden und die gleiche von sündhaften Reaktionen zu befreien. Man sollte KŠa,
Vollkommenheit wie Arjuna erreichen. ohne zu zögern, als den höchsten Retter aller Lebewesen
Diese Worte betonen, daß man seinen Geist auf KŠa akzeptieren. Mit Glauben und Liebe sollte man sich Ihm
richten soll — die Gestalt mit den zwei Händen, die eine ergeben. Den Lehren des hingebungsvollen Dienstes
Flöte halten; den blauschwarzen Knaben mit dem schönen zufolge sollte man nur solche religiösen Prinzipien
Antlitz, dessen Haar Pfauenfedern schmücken. In der akzeptieren, die einen letztlich zum hingebungsvollen
Brahma-saˆhitā und anderen Schriften kann man nähere Dienst des Herrn führen. Man mag zwar eine bestimmte
Beschreibungen KŠas finden. Man soll seinen Geist auf tätigkeitsgemäße Pflicht erfüllen, die der Stellung
diese ursprüngliche Gestalt Gottes, auf KŠa, richten. Man entspricht, die man in der sozialen Ordnung einnimmt,
soll seine Aufmerksamkeit nicht einmal auf andere Formen doch wenn man bei der Erfüllung seiner Pflicht nicht zum
des Herrn richten. Der Herr hat zahllose Formen, wie Punkt des KŠa-Bewußtseins kommt, ist alles, was man
ViŠu, NārāyaŠa, Rāma, Varāha usw., doch ein getan hat, umsonst gewesen. Alles, was nicht zur
Gottgeweihter sollte seinen Geist auf die Form richten, die vollkommenen Stufe des KŠa-Bewußtseins hinführt,
vor Arjuna gegenwärtig war. Die Konzentration des Geistes sollte vermieden werden. Man sollte darauf vertrauen, daß
auf KŠa stellt den vertraulichsten Teil des Wissens dar, man unter allen Umständen von KŠa vor allen
und das wird Arjuna offenbart, weil er KŠas liebster Schwierigkeiten beschützt wird. Es ist nicht notwendig,
Freund ist. daran zu denken, wie man Körper und Seele
zusammenhalten soll. KŠa wird Sich darum kümmern.
VERS 66 Man soll sich immer als hilflos sehen und KŠa als die
einzige Grundlage für seinen Fortschritt im Leben
sarva-dharmān parityajya betrachten. Sobald man sich ernsthaft und völlig
mām ekaˆ śaraŠaˆ vraja KŠa-bewußt im hingebungsvollen Dienst für den Herrn
ahaˆ tvāˆ sarva-pāpebhyo beschäftigt, wird man sogleich von aller Verunreinigung
mokayiyāmi mā śucaƒ des materiellen Daseins befreit. Es gibt verschiedene
Vorgänge der Religion und Läuterungsmethoden durch die
sarva-dharmān—alle Arten von Religion; parityajya— Kultivierung von Wissen, Meditation im mystischen
aufgebend; mām—Mir; ekam—nur; śaraŠam—ergib dich; yoga-System usw., doch wer sich KŠa ergibt, braucht
vraja—geh; aham—Ich; tvām—dich; sarva—alle; nicht so viele Methoden anzuwenden. Wer sich einfach
pāpebhyaƒ—von sündhaften Reaktionen; mokayiyāmi— KŠa ergibt, wird davor bewahrt, seine Zeit unnötig zu
befreie; mā—nicht; śucaƒ—sorge dich. verschwenden. Auf diese Weise kann man sofort allen
Fortschritt machen und von allen sündhaften Reaktionen
ÜBERSETZUNG befreit werden.
Man sollte sich zu der schönen Erscheinung KŠas
Gib alle Arten von Religion auf, und ergib dich einfach hingezogen fühlen. Sein Name ist KŠa, weil Er
Mir. Ich werde dich von allen sündhaften Reaktionen allanziehend ist. Jemand, der sich zu KŠa, der so schön,
befreien. Fürchte dich nicht. allmächtig und allgewaltig ist, hingezogen fühlt, ist
glücklich zu schätzen. Es gibt verschiedene Arten von
ERLÄUTERUNG Transzendentalisten — einige von ihnen ziehen das unper-
340

sönliche Brahman vor, andere den Überseelen-Aspekt usw., man sich für einen Geweihten KŠas ausgibt, doch nicht
doch wer sich zum persönlichen Aspekt der Höchsten KŠa-bewußten Tätigkeiten nachgeht, kann man KŠa
Persönlichkeh Gottes, und vor allem, wer sich zur Höchsten nicht verstehen. Es gibt viele Menschen, die KŠa
Persönlichkeit Gottes als KŠa Selbst hingezogen fühlt, ist beneiden, weil Er in der Bhagavad-gītā erklärt, daß Er der
der vollkommenste Transzendentalist. Mit anderen Worten: Höchste ist und niemand über Ihm steht oder Ihm
Hingebungsvoller Dienst für KŠa in völligem Bewußtsein gleichkommt. Solchen Menschen sollte man nichts von der
ist der vertraulichste Teil des Wissens; das ist die Essenz Bhagavad-gītā erzählen, denn sie können nichts davon
der ganzen Bhagavad-gītā. Karma-yogīs, empirische verstehen. Menschen ohne Glauben haben keine
Philosophen, Mystiker und Gottgeweihte werden alle als Möglichkeit, die Bhagavad-gītā und KŠa zu verstehen.
Transzendentalisten bezeichnet, doch ein reiner Gottge- Ohne KŠa durch die Autorität eines reinen Gottgeweihten
weihter ist von allen der beste. In diesem Zusammenhang zu verstehen, sollte man nicht versuchen, die
sind die Worte mā śucaƒ ("Fürchte dich nicht, zögere nicht, Bhagavad-gītā zu kommentieren.
sorge dich nicht") sehr bedeutsam. Man mag sich fragen,
wie es möglich sein soll, alle verschiedenen VERS 68
Religionsformen aufzugeben und sich einfach KŠa zu
ergeben, doch solche Sorgen sind unnötig. ya idaˆ paramaˆ guhyaˆ
mad-bhaktev abhidhāsyati
VERS 67 bhaktiˆ mayi parāˆ ktvā
mām evaiyaty asaˆśayaƒ
idaˆ te nātapaskāya
nābhaktāya kadācana yaƒ—jemand; idam—dieses; paramam—höchst; guhyam—
na cāśuśrūave vācyaˆ vertrauliche; mat-bhakteu—unter Meinen Geweihten;
na ca māˆ yo'bhyasūyati abhidhāsyati—erklärt; bhaktim—hingebungsvoller Dienst;
mayi—für Mich; parām—transzendentaler; ktvā—getan
idam—dieses; te—dir; na—niemals; atapaskāya—jemand, habend; mām—zu Mir; eva—gewiß; esyati—kommt;
der keine Enthaltung auf sich nimmt; na—niemals; asaˆśayaƒ—ohne Zweifel.
abhaktāya—jemand, der kein Gottgeweihter ist; kadā-
cana—zu irgendeiner Zeit; na—niemals; ca-auch; ÜBERSETZUNG
aśuśrūave—jemand, der nicht im hingebungsvollen Dienst
tätig ist; vācyam—zu sprechen; na—niemals; ca-auch; Jemandem, der dieses höchste Geheimnis den
mām-auf Mich; yaƒ—irgend jemand; abhyasūyati— Gottgeweihten erklärt, ist hingebungsvoller Dienst
neidisch. garantiert, und am Ende wird er zu Mir zurückkehren.

ÜBERSETZUNG ERLÄUTERUNG

Dieses vertrauliche Wissen darf nicht denen erklärt Im allgemeinen wird dazu geraten, die Bhagavad-gītā nur
werden, die sich keine Entbehrung auferlegen, die nicht unter Gottgeweihten zu erörtern, denn diejenigen, die keine
hingegeben sind, nicht im hingebungsvollen Dienst tätig Gottgeweihten sind, werden weder KŠa noch die
sind oder die Mich beneiden. Bhagavad-gītā verstehen. Diejenigen, die KŠa, wie Er ist,
und die Bhagavad-gītā, wie sie ist, nicht akzeptieren,
ERLÄUTERUNG sollten nicht versuchen, die Bhagavad-gītā nach ihrem
Gutdünken zu erklären, und so ein Vergehen auf sich laden.
Menschen, die nicht die Enthaltungen des religiösen Die Bhagavad-gītā sollte Menschen erklärt werden, die
Vorgangs auf sich genommen haben, die niemals versucht bereit sind, KŠa als die Höchste Persönlichkeit Gottes
haben, hingebungsvollen Dienst im KŠa-Bewußtsein zu anzuerkennen. Die Bhagavad-gītā ist nur für Gottgeweihte,
praktizieren oder dem Beispiel eines reinen Gottgeweihten nicht für philosophische Spekulanten bestimmt. Doch jeder,
zu folgen, und insbesondere denen, die KŠa für eine der ernsthaft versucht, die Bhagavad-gītā so zu
historische Persönlichkeit halten oder auf die Größe KŠas präsentieren, wie sie ist, wird in hingebungsvollen
neidisch sind, sollte dieser vertraulichste Teil des Wissens Tätigkeiten Fortschritte machen und die Stufe reiner
nicht mitgeteilt werden. Es kommt indes vor, daß sogar Hingabe erreichen. Als Ergebnis solch reiner Hingabe wird
dämonische Menschen, die KŠa beneiden, Ihn also auf er mit Sicherheit nach Hause, zu Gott, zurückkehren.
andere Art verehren, den Beruf ergreifen, die
Bhagavad-gītā auf ihre Weise zu erklären, um ein Geschäft VERS 69
zu machen; doch jeder, der KŠa wirklich verstehen
möchte, muß sich vor solchen Kommentaren zur na ca tasmān manuyeu
Bhagavad-gītā hüten. Die Bedeutung der Bhagavad-gītā ist kaścin me priya-kttamaƒ
für Menschen auf der sinnlichen Ebene unverständlich, bhavitā na ca me tasmād
doch auch wenn man sich nicht auf der Ebene der Sinne anyaƒ priyataro bhuvi
befindet, sondern streng den Regeln folgt, die in den
vedischen Schriften angegeben sind, kann man KŠa nicht na—niemals; ca—und; tasmāt—deshalb; manuyeu—
verstehen, wenn man kein Gottgeweihter ist. Selbst wenn unter den Menschen; kaścit—irgend jemand; me—Mir;
341

priya-kttamaƒ—lieber; bhavitā—wird werden; na—keiner; erreichen das Planetensystem, wo alle rechtschaffenen


ca—und; me—Mir; tasmāt—als er; anyaƒ—anderer; Menschen leben. Einfach durch das Hören der
priyataraƒ—lieber; bhuvi—auf dieser Welt. Bhagavad-gītā bekommt daher sogar jemand, der nicht
versucht, ein reiner Gottgeweihter zu sein, das Ergebnis
ÜBERSETZUNG rechtschaffenen Tuns. Ein reiner Geweihter des Herrn gibt
also jedem die Möglichkeit, sich von allen sündhaften
Kein Diener auf dieser Welt ist Mir lieber als er, noch Reaktionen zu befreien und ein Geweihter des Herrn zu
wird Mir jemals einer lieber sein. werden.
Im allgemeinen sind diejenigen, die von allen sündhaften
VERS 70 Reaktionen frei sind, rechtschaffen. Solchen Menschen fällt
es sehr leicht, KŠa-Bewußtsein anzunehmen. In diesem
adhyeyate ca ya imaˆ Zusammenhang ist das Wort puŠya-karmaŠām sehr
dharmyaˆ saˆvādam āvayoƒ bedeutsam. Es bezieht sich auf die Darbringung großer
jñāna-yajñena tenāham Opfer. Diejenigen, die in der Ausübung hingebungsvollen
i˜aƒ syām iti me matiƒ Dienstes rechtschaffen, aber nicht rein sind, können das
Planetensystem des Polarsterns, Dhruvalokas, erreichen,
adhyeyate—wird studieren; ca—auch; yaƒ—er; imam— das von Dhruva Mahārāja regiert wird. Er ist ein großer
dieses; dharmyam—heilige; saˆvādam—Gespräch; Geweihter des Herrn, und er residiert auf einem besonderen
āvayoƒ—von uns; jñāna—Wissen; yajñena—durch Opfer; Planeten, den man Polarstern nennt.
tena—von ihm; aham—Ich; i˜aƒ—verehrt; syām—wird
sein; iti—so; me—Meine; matiƒ—Meinung. VERS 72

ÜBERSETZUNG kaccid etac chrutaˆ pārtha


tvayaikāgreŠa cetasā
Und Ich erkläre, daß jemand, der dieses heilige kaccid ajñāna-saˆmohaƒ
Gespräch studiert, Mich mit seiner Intelligenz verehrt. praŠa˜as te dhanañjaya

VERS 71 kaccit—ob; etat—dieses; śrutam—gehört; pārtha—o Sohn


Pthās; tvayā—von dir; ekāgreŠa—mit voller
śraddhāvān anasūyaś ca Aufmerksamkeit; cetasā—mit dem Geist; kaccit—ob;
śŠuyād api yo naraƒ ajñāna—unwissend; saˆmohaƒ—Illusion; praŠa˜aƒ—
so'pi muktaƒ śubhā‡ lokān beseitigt; te—von dir; dhanañjaya—o Eroberer von
prāpnuyāt puŠya-karmaŠām Reichtum (Arjuna).

śraddhāvān-gläubig; anasūyaƒ—nicht neidisch; ca—und; ÜBERSETZUNG


śŠuyāt—hört; api-gewiß; yaƒ—jemand; naraƒ—Mensch;
saƒ—er; api—auch; muktaƒ-nefreit sein; śubhān-günstige; O Arjuna, Eroberer von Reichtum, hast du all dies mit
lokān—Planeten; prāpnuyāt—erreicht; puŠya-karmaŠām— wachem Geist vernommen? Sind Illusion und
der Frommen. Unwissenheit jetzt von dir gewichen?

ÜBERSETZUNG ERLÄUTERUNG

Und jemand, der mit Vertrauen und ohne Neid zuhört, Der Herr spielte die Rolle des spirituellen Meisters von
wird von allen sündhaften Reaktionen frei und erreicht Arjuna. Deshalb war es Seine Pflicht, Arjuna zu fragen, ob
die Planeten, auf denen die Frommen leben. er die ganze Bhagavad-gītā in rechter Weise verstanden
hatte. Wenn nicht, war der Herr bereit, jeden beliebigen
ERLÄUTERUNG Punkt oder sogar, wenn nötig, die ganze Bhagavad-gītā
noch einmal zu erklären. Jeder, der die Bhagavad-gītā von
Im 67. Vers dieses Kapitels verbot der Herr ausdrücklich, einem echten spirituellen Meister wie KŠa oder dessen
die Gītā Menschen zu verkünden, die Ihn beneiden. Mit Stellvertreter hört, wird feststellen, daß seine Unwissenheit
anderen Worten: Die Bhagavad-gītā ist nur für von ihm weicht. Die Bhagavad-gītā ist kein gewöhnliches
Gottgeweihte bestimmt, aber es kommt vor, daß ein Buch, das von einem Dichter oder Schriftsteller verfaßt
Geweihter des Herrn öffentliche Vorlesungen hält, bei worden ist; sie wurde von der Höchsten Persönlichkeit
denen nicht erwartet werden kann, daß alle Zuhörer Gott- Gottes gesprochen. Jeder, der das Glück hat, diese Lehre
geweihte sind. Warum halten solche Menschen öffentliche von KŠa oder Seinem echten spirituellen Stellvertreter zu
Vorlesungen? Wie in diesem Vers erklärt wird, gibt es, hören, wird mit Sicherheit befreit werden und der
obwohl nicht jeder ein Gottgeweihter ist, viele Menschen, Dunkelheit der Unwissenheit entkommen.
die KŠa nicht beneiden. Sie glauben an Ihn als die
Höchste Persönlichkeit Gottes. Wenn solche Menschen von VERS 73
einem echten Gottgeweihten über den Herrn hören, werden
sie sogleich von allen sündhaften Reaktionen befreit und arjuna uvāca
342

na˜o mohaƒ smtir labdhā Illusion. Diese Illusion kann durch die Barmherzigkeit des
tvat prasādān mayācyuta Herrn oder die Barmherzigkeit eines reinen Gottgeweihten
sthito'smi gata-sandehaƒ überwunden werden. Wenn einem diese Illusion genommen
kariye vacanaˆ tava ist, erklärt man sich bereit, im KŠa-Bewußtsein zu
handeln.
arjunaƒ uvāca—Arjuna sagte; na˜aƒ—vertrieben; KŠa-Bewußtsein bedeutet, nach KŠas Anweisung zu
mohaƒ—Illusion; smtiƒ—Erinnerung; labdhā— handeln. Eine bedingte Seele, die durch die äußere Energie,
wiedergewonnen; tvat—durch Deine; prasādāt— die Materie, in Illusion versetzt ist, weiß nicht, daß der
Barmherzigkeit; mayā—von mir; acyuta—o unfehlbarer Höchste Herr der Meister ist, der alles Wissen in Sich birgt
KŠa; sthitaƒ—situiert; asmi—ich bin; gata—beseitigt; und dem alles gehört. Was immer Er wünscht, kann Er
sandehaƒ-alle Zweifel; kariye—ich werde ausführen; Seinen Geweihten gewähren. Er ist der Freund eines jeden,
vacanam— Anweisung; tava—Deine. doch ist Er besonders Seinem Geweihten zugeneigt. Er be-
herrscht die materielle Natur und alle Lebewesen. Auch die
ÜBERSETZUNG unerschöpfliche Zeit untersteht Seiner Herrschaft, und Er
birgt alle Reichtümer und Kräfte in Sich. Der Herr, die
Arjuna sagte: Mein lieber KŠa, o Unfehlbarer, meine Höchste Persönlichkeit Gottes, kann Sich Selbst Seinem
Illusion ist jetzt vergangen. Durch Deine Geweihten sogar schenken. Wer Ihn nicht kennt, befindet
Barmherzigkeit habe ich meine Erinnerung zu- sich in Illusion; er wird kein Diener Gottes, sondern ein
rückgewonnen und bin nun gefestigt und frei von Diener māyās. Arjuna jedoch wurde, nachdem er die
Zweifel. Ich bin bereit, nach Deinen Anweisungen zu Bhagavad-gītā von der Höchsten Persönlichkeit Gottes
handeln. gehört hatte, von jeder Illusion befreit. Er konnte verstehen,
daß KŠa nicht nur sein Freund, sondern auch die Höchste
ERLÄUTERUNG Persönlichkeit Gottes war. Er verstand KŠa tatsächlich.
Die Bhagavad-gītā zu studieren bedeutet also, KŠa
Arjuna repräsentiert hier die wesensgemäße Position des wahrhaft zu verstehen. Wenn ein Mensch vollkommenes
Lebewesens, nämlich der Unterweisung des Höchsten Wissen besitzt, gibt er sich KŠa von selbst hin. Als
Herrn gemäß zu handeln. Es ist seine Pflicht, sich Arjuna erkannte, daß es KŠas Plan war, das unnötige
Selbstdisziplin aufzuerlegen. Śrī Caitanya Mahāprabhu Anwachsen der Bevölkerung zu vermindern, erklärte er
sagt, daß die wirkliche Position des Lebewesens darin sich bereit, nach KŠas Wunsch zu kämpfen. Er nahm
besteht, der ewige Diener des Herrn zu sein. Weil es dieses seinen Bogen und seine Pfeile wieder auf, um unter dem
Prinzip vergißt, wird das Lebewesen von der materiellen Befehl der Höchsten Persönlichkeit Gottes zu kämpfen.
Natur bedingt; doch wenn es dem Höchsten Herrn wieder
dient, wird es der befreite Diener Gottes. Es ist die VERS 74
wesensgemäße Position des Lebewesens, Diener zu sein;
entweder muß es der illusionierenden māyā oder dem sañjaya uvāca
Höchsten Herrn dienen. Wenn es dem Höchsten Herrn ity ahaˆ vāsudevasya
dient, befindet es sich in seinem normalen Zustand, doch pārthasya ca mahātmanaƒ
wenn es lieber der illusionierenden äußeren Energie dient, saˆvādam imam aśrauam
wird es mit Gewißheit in Knechtschaft leben. In Illusion adbhutaˆ roma-haraŠam
dient das Lebewesen in der materiellen Welt. Es ist von
Lust und Begierden gebunden, und trotzdem hält es sich für sañjayaƒ—Sañjaya; uvāca—sagte; iti—so; aham—ich;
den Herrn der Welt. Das wird Illusion genannt. Wenn ein vāsudevasya—von KŠa; pārthasya—von Arjuna; ca—
Mensch befreit ist, ist seine Illusion vergangen, und er gibt auch; mahātmanaƒ—zwei große Seelen; saˆvādam—
sich freiwillig dem Höchsten hin, um Seinen Wünschen erörternd; imam—dieses; aśrauam—gehört; adbhutam—
gemäß zu handeln. Die letzte Illusion, die letzte Schlinge Erstaunen; roma-haraŠam—Haarsträuben.
māyās, um das Lebewesen zu fangen, ist die Vorstellung,
selbst Gott zu sein. Das Lebewesen glaubt, es sei nicht ÜBERSETZUNG
länger bedingte Seele, sondern Gott. Es ist so unintelligent,
daß es nicht bedenkt, wie es Zweifel haben kann, wenn es Sañjaya sprach: Somit hörte ich das Gespräch der
Gott ist. Diese Überlegung kommt ihm nicht. Das ist also beiden großen Seelen KŠa und Arjuna. Und so
die letzte Falle der Illusion. Von der illusionierenden wunderbar ist diese Botschaft, daß sich mir die Haare
Energie tatsächlich frei zu werden bedeutet, KŠa, die sträuben.
Höchste Persönlichkeit Gottes, zu verstehen und bereit zu
sein, nach Seiner Anweisung zu handeln. Das Wort mohaƒ ERLÄUTERUNG
ist in diesem Vers sehr bedeutsam. Mohaƒ bezieht sich auf
das, was das Gegenteil von Wissen ist. Wahres Wissen Zu Beginn der Bhagavad-gītā fragte Dhtarā˜ra seinen
bedeutet im Grunde zu verstehen, daß jedes Lebewesen Sekretär Sañjaya: „Was geschah auf dem Schlachtfeld von
ewig der Diener des Herrn ist. Doch statt sich in dieser Kuruketra?“ Das ganze Geschehen wurde dem Herzen
Position zu sehen, sieht sich das Lebewesen nicht als Sañjayas durch die Barmherzigkeit Vyāsas, seines
Diener, sondern als Herrn über die materielle Natur, denn spirituellen Meisters, offenbart, und so konnte er die
es möchte die materielle Natur beherrschen. Das ist seine Ereignisse auf dem Schlachtfeld schildern. Das Gespräch
343

zwischen KŠa und Arjuna war wunderbar, weil noch nie In der Bhagavad-gītā werden alle yoga-Systeme —
zuvor eine solch wichtige Unterhaltung zwischen zwei karma-yoga, jñana-yoga und bhakti-yoga — erklärt. KŠa
großen Seelen stattgefunden hatte und auch niemals wieder ist der Meister all solcher Mystik. Man sollte jedoch
stattfinden würde. Es ist wunderbar, weil die Höchste verstehen, daß Sañjaya durch die Gnade Vyāsas, ähnlich
Persönlichkeit Gottes zum Lebewesen Arjuna, einem wie Arjuna, KŠa direkt hören konnte. Im Grunde
großen Geweihten des Herrn, über Sich Selbst und Ihre genommen macht es keinen Unterschied, ob man direkt
Energien spricht. Wenn wir dem Beispiel Arjunas folgen von KŠa oder über einen echten spirituellen Meister wie
und versuchen, KŠa zu verstehen, wird unser Leben Vyāsadeva direkt von KŠa hört. Der spirituelle Meister ist
glücklich und erfolgreich sein. Sañjaya erkannte dies, und auch der Stellvertreter Vyāsadevas. Nach vedischem
als er es zu verstehen begann, teilte er den Dialog Brauch feiern die Schüler am Geburtstag des spirituellen
Dhtarā˜ra mit. Man kann nun den Schluß ziehen, daß Meisters eine Zeremonie, die man Vyāsa-pūjā nennt.
überall dort, wo KŠa und Arjuna gegenwärtig sind, immer
Sieg zu finden ist. VERS 76

VERS 75 rājan saˆsmtya saˆsmtya


saˆvādam imam adbhutam
vyāsa-prasādāc chrutavān keśavārjunayoƒ puŠyaˆ
etad guhyam ahaˆ param hyāmi ca muhur muhuƒ
yogaˆ yogeśvarāt kŠāt
sākāt kathayataƒ svayam rājan—o König; saˆsmtya—mich erinnernd;
saˆsmtya—mich erinnernd; saˆvādam—Botschaft;
vyāsa-prasādāt—durch die Barmherzigkeit Vyāsas; imam—diese; adbhutam—wunderbare; keśava—Śrī KŠa;
śrutavān—hörte; etat—dieses; guhyam—vertrauliche; arjunayoƒ—und Arjuna; puŠyam—fromme; hyāmi—mich
aham—ich; param—die höchste; yogam—Mystik; freuend; ca—auch; muhuƒ muhuƒ—immer wieder.
yogeśvarāt—vom Meister aller Mystik; kŠāt—von KŠa;
sākāt—direkt; kathayataƒ—sprechend; svayam— ÜBERSETZUNG
persönlich.
O König, wenn ich mir dieses wunderbare und heilige
ÜBERSETZUNG Gespräch zwischen KŠa und Arjuna ins Gedächtnis
rufe, erbebe ich jeden Augenblick vor Freude.
Durch die Barmherzigkeit Vyāsas habe ich diese höchst
vertrauliche Unterredung direkt vom Meister aller ERLÄUTERUNG
Mystik, KŠa, gehört, der persönlich zu Arjuna sprach.
Die Bhagavad-gītā zu verstehen ist solch ein
ERLÄUTERUNG transzendentales Erlebnis, daß jeder, der mit den Inhalten
vertraut wird, die zwischen Arjuna und KŠa besprochen
Vyāsa war der spirituelle Meister Sañjayas, und Sañjaya wurden, rechtschaffen wird und dieses Gespräch nicht mehr
gesteht, daß er nur durch die Barmherzigkeit Vyāsas die vergessen kann. Das ist die transzendentale Natur
Höchste Persönlichkeit Gottes verstehen konnte. Dies spirituellen Lebens. Mit anderen Worten: Jeder, der die
bedeutet, daß man KŠa nicht direkt, sondern nur durch Gītā aus der richtigen Quelle hört, nämlich direkt von
das Medium des spirituellen Meisters verstehen kann. Der KŠa, erlangt völliges KŠa-Bewußtsein. Die Folge von
spirituelle Meister ist das transparente Medium, wenngleich KŠa-Bewußtsein ist, daß man immer mehr erleuchtet wird
es wahr ist, daß man die eigene Erfahrung direkt macht. und so das Leben in jedem Augenblick, nicht nur kurze
Wenn der spirituelle Meister echt ist, kann man, wie Zeit, voll Ekstase genießt.
Arjuna, die Bhagavad-gītā direkt hören. Es gibt überall auf
der Welt viele Mystiker und yogīs, doch KŠa ist der VERS 77
Meister aller yoga-Systeme. Seine eindeutige Anweisung
finden wir in der Bhagavad-gītā: Ergib dich einfach Mir. tac ca saˆsmtya saˆsmtya
Wer das tut ist der höchste yogī. Dies wird im letzten Vers rūpam atyadbhutaˆ hareƒ
des Sechsten Kapitels bestätigt: yoginām api sarveām. vismayo me mahān rājan
Nārada ist der direkte Schüler KŠas und der spirituelle hyāmi ca punaƒ punaƒ
Meister Vyāsas. Deshalb ist Vyāsa genauso autorisiert wie
Arjuna, denn er befindet sich in der Schülernachfolge, und tat—dieses; ca—auch; saˆsmtya—mich erinnernd;
Sañjaya ist der direkte Schüler Vyāsas. Deshalb wurden saˆsmtya—mich erinnernd; rūpam—Form; ati—überaus;
seine Sinne durch die Gnade Vyāsas geläutert, und er adbhutam—wunderbar; hareƒ—von Śrī KŠa; vismayaƒ—
komme KŠa direkt sehen und hören. Jemand, der KŠa Erstaunen; me—mein; mahān—groß; rājan—o König;
direkt hört, kann dieses vertrauliche Wissen verstehen. hyāmi—genießend; ca—auch; punaƒ punaƒ—wiederholt.
Wenn sich jemand nicht an die Schülernachfolge wendet,
kann er KŠa nicht verstehen; deshalb bleibt sein Wissen ÜBERSETZUNG
immer unvollkommen, zumindest was das Verständnis der
Bhagavad-gītā betrifft.
344

O König, wenn ich mich an die wunderbare Form Śrī Yudhi˜hiras Seite standen, war diesem der Sieg gewiß. Die
KŠas erinnere, überkommt mich noch größere Schlacht sollte entscheiden, wer die Welt regieren würde,
Verwunderung, und ich erfahre immer wieder neue und Sañjaya prophezeite, daß die Macht Yudhi˜hira
Freude. übertragen werden würde. Es wird hier ebenfalls
vorausgesagt, daß sich Yudhi˜hira nach seinem Sieg in
ERLÄUTERUNG dieser Schlacht immer mehr entfalten würde, denn er war
nicht nur rechtschaffen und fromm, sondern auch ein
Offensichtlich konnte auch Sañjaya, durch die Gnade strenger Moralist. Niemals kam eine Lüge über seine
Vyāsas, die universale Form KŠas sehen, die Arjuna Lippen.
offenbart wurde. Es wird ebenfalls gesagt, daß KŠa Es gibt viele weniger intelligente Menschen, die die
niemals zuvor diese Form gezeigt hatte. Sie wurde nur Bhagavad-gītā nur für ein Gespräch zwischen zwei
Arjuna gezeigt, doch konnten auch einige andere große Freunden auf einem Schlachtfeld halten. Aber ein solches
Gottgeweihte die universale Form KŠas sehen, als Er sie Buch könnte nicht als heilige Schrift gelten. Andere mögen
Arjuna zeigte, und Vyāsa war einer von ihnen. Er ist einer einwenden, daß KŠa Arjuna zum Kampf anspornte, was
der großen Geweihten des Herrn und gilt außerdem als unmoralisch sei, doch die wirkliche Situation ist klar
mächtige Inkarnation KŠas. Vyāsa offenbarte dies seinem definiert. Die Bhagavad-gītā ist die höchste Unterweisung
Schüler Sañjaya, der sich ständig an diese wunderbare über Moral. Die höchste Unterweisung in bezug auf Moral
Form, die KŠa Arjuna gezeigt hatte, erinnerte und sich findet man im vierunddreißigsten Vers des Neunten
immer wieder an ihr erfreute. Kapitels: manmanā bhava mad-bhaktaƒ. Man muß ein
Geweihter KŠas werden, und die Essenz aller Religion
VERS 78 besteht darin, sich KŠa zu ergeben — sarva-dharmān.
Die Unterweisungen der Bhagavad-gītā sind gleichzeitig
yatra yogeśvaraƒ kŠo höchste Religion und höchste Moral. Alle anderen
yatra pārtho dhanur-dharaƒ Vorgänge mögen reinigen und letztlich auch zu diesem
tatra śrīr vijayo bhūtir Vorgang führen, doch die letzte Unterweisung der Gītā ist
dhruvā nītir matir mama zugleich das letzte Wort in bezug auf Moral und Religion:
Hingabe an KŠa. Das ist die Aussage des Achtzehnten
yatra—wo; yogeśvaraƒ—der Meister aller Mystik; kŠaƒ— Kapitels.
Śrī KŠa; yatra—wo; pārthaƒ—der Sohn Pthās; Aus der Bhagavad-gītā können wir verstehen, daß
dhanur-dharaƒ—der Träger von Bogen und Pfeilen; tatra— philosophische Spekulation und Meditation nur einer von
dort; śrīƒ—Reichtum; vijayaƒ—Sieg; bhūtiƒ— vielen Vorgängen zur Selbsterkenntnis ist, daß aber
außergewöhnliche Macht; dhruvā—gewiß; nītiƒ—Moral; Hingabe an KŠa die höchste Vollkommenheit darstellt.
matiƒ—Meinung; mama—meine. Das ist die Essenz der Lehren der Bhagavad-gītā. Der Pfad
der regulierenden Prinzipien gemäß den Einteilungen des
ÜBERSETZUNG sozialen Lebens und den verschiedenen
Glaubensrichtungen mag ein vertraulicher Pfad des
Überall dort, wo KŠa, der Meister aller Mystiker, und Wissens sein, soweit religiöse Rituale vertraulich sind, aber
Arjuna, der größte Bogenschütze, anwesend sind, immer noch befaßt man sich mit Meditation und
werden gewiß auch Reichtum, Sieg, außergewöhnliche Kultivierung von Wissen. Hingabe an KŠa durch
Macht und Moral zu finden sein. Das ist meine Ansicht. hingebungsvollen Dienst in völligem KŠa-Bewußtsein ist
die vertraulichste Unterweisung und die Essenz des
ERLÄUTERUNG Achtzehnten Kapitels.
Ein anderer Aspekt der Bhagavad-gītā besteht darin, daß
Die Bhagavad-gītā begann mit einer Frage Dhtarā˜ras. Er die Höchste Persönlichkeit Gottes, KŠa, die tatsächliche
hoffte auf den Sieg seiner Söhne, denen große Krieger wie Wahrheit ist. Die Absolute Wahrheit wird in drei Aspekten
Bhīma, DroŠa und KarŠa zur Seite standen. Er hoffte sehr, erkannt: als unpersönliches Brahman, als lokalisierter
daß der Sieg auf seiner Seite wäre. Aber nachdem Sañjaya Paramātmā und als die Höchste Persönlichkeit Gottes,
die Lage auf dem Schlachtfeld geschildert hatte, sagte er zu KŠa. Vollkommenes Wissen von der Absoluten Wahrheit
dem König: "Du hoffst auf Sieg, doch meiner Ansicht nach bedeutet vollkommenes Wissen von KŠa. Wenn man
sind Glück und Sieg nur dort zu finden, wo KŠa und KŠa versteht, sind alle anderen Wissenszweige Teile
Arjuna anwesend sind." Damit erklärte er ganz offen, daß dieses Verständnisses. KŠa ist transzendental, denn Er
Dhtarā˜ra für seine Seite keinen Sieg erwarten konnte. befindet Sich immer in Seiner ewigen inneren Energie. Die
Sieg war der Seite Arjunas gewiß, da KŠa dort Lebewesen sind in zwei Gruppen manifestiert und
gegenwärtig war. Als KŠa freiwillig Arjunas eingeteilt: in die ewig bedingten und die ewig befreiten
Wagenlenker wurde, entfaltete Er einen weiteren Reichtum. Seelen. Es gibt unzählig viele solcher Lebewesen, und sie
KŠa birgt alle Reichtümer in Sich, wovon einer Seine gelten als fundamentale Teile KŠas. Die materielle
Entsagung ist. Es gibt viele Beispiele solcher Entsagung, Energie ist in vierundzwanzig Unterteilungen manifestiert.
denn KŠa ist auch der Meister der Entsagung. Die Schöpfung wird durch die ewige Zeit bewirkt und
Der Kampf fand eigentlich zwischen Duryodhana und durch die äußere Energie geschaffen und zerstört. Die
Yudhi˜hira statt. Arjuna kämpfte auf seiten seines älteren Manifestation der kosmischen Welt wird immer wieder
Bruders Yudhi˜hira. Weil KŠa und Arjuna auf sichtbar und unsichtbar.
345

In der Bhagavad-gītā sind fünf Hauptthemen erörtert


worden: die Höchste Persönlichkeit Gottes, die materielle
Natur, die Lebewesen, die ewige Zeit und alle möglichen
Arten von Tätigkeiten. Die vier letzteren sind von der
Höchsten Persönlichkeit Gottes, KŠa, abhängig. Alle
Auffassungen von der Absoluten Wahrheit — das
unpersönliche Brahman, der lokalisierte Paramātmā und
jede andere transzendentale Betrachtungsweise — sind
verschiedene Stufen der Erkenntnis der Höchsten
Persönlichkeit Gottes. Obwohl es oberflächlich betrachtet
so scheint, als wären die Höchste Persönlichkeit Gottes, die
Lebewesen, die materielle Natur und die Zeit voneinander
verschieden, ist nichts vom Höchsten verschieden. Aber der
Höchste ist immer verschieden von allem. Die Philosophie
Śrī Caitanyas ist daher die des "unbegreiflicherweise Eins-
und Verschiedenseins". Dieses philosophische System stellt
das vollkommene Wissen von der Absoluten Wahrheit dar.
Das Lebewesen ist in seiner ursprünglichen Stellung reine
Seele. Es ist wie ein winziges Teilchen des Höchsten
Spirituellen Wesens. Das bedingte Lebewesen gehört
jedoch zur marginalen Energie des Herrn; es neigt dazu,
sowohl mit der materiellen als auch mit der spirituellen
Energie in Kontakt zu sein. Mit anderen Worten: Das
Lebewesen befindet sich zwischen den beiden Energien des
Herrn, und weil es zur höheren Energie gehört, hat es eine
winzige Unabhängigkeit. Durch den richtigen Gebrauch
dieser Unabhängigkeit kommt es unter die direkte Führung
KŠas und gelangt so in seinen natürlichen Zustand in der
freudespendenden Energie.

Hiermit enden die Bhaktivedanta-Erläuterungen zum


Achtzehnten Kapitel der Śrīmad Bhagavad-gītā mit dem
Titel: "Schlußfolgerung — die Vollkommenheit der
Entsagung".
346

Anhang

Der Autor
His Divine Grace A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupāda erschien auf diesem Planeten im Jahre 1896 in Kalkutta, Indien,
und dort begegnete er auch seinem spirituellen Meister, Śrīla Bhaktisiddhānta Sarasvatī Gosvāmī, zum ersten Mal 1922.
Bhaktisiddhānta Sarasvatī, ein bekannter gottergebener Gelehrter und der Gründer von vierundsechzig Gauīya Ma˜has
(vedischen Instituten), fand Gefallen an dem gebildeten jungen Mann und überzeugte ihn davon, seine Lebensaufgabe darin
zu sehen, das vedische Wissen zu lehren. Śrīla Prabhupāda wurde sein Schüler, und elf Jahre später (1933) empfing er in
Allahabad die formelle Einweihung.
Schon bei der ersten Begegnung, 1922, bat Śrīla Bhaktisiddhānta Sarasvat µhākura seinen zukünftigen Schüler, Śrīla
Prabhupāda, das vedische Wissen durch die englische Sprache zu verbreiten. In den darauffolgenden Jahren schrieb Śrīla
Prabhupāda einen Kommentar zur Bhagavad-gītā, unterstützte die Gauīya Ma˜ha in ihrer Arbeit und begann 1944, ohne
fremde Hilfe, ein halbmonatliches Magazin in englischer Sprache zu veröffentlichen. Er editierte es selbst, schrieb die
Manuskripte mit der Maschine und überprüfte die Korrekturfahnen. Eigenhändig verteilte er die einzelnen Exemplare
großzügig und versuchte unter großen Anstrengungen, die Publikation aufrechtzuerhalten. Einmal begonnen, wurde das
Magazin nicht wieder eingestellt; es wird heute von seinen Schülern im Westen weitergeführt und in 19 Sprachen
veröffentlicht.
Als Anerkennung für Śrīla Prabhupādas philosophische Gelehrsamkeit und Hingabe ehrte ihn die
Gauīya-VaiŠava-Gesellschaft 1947 mit dem Titel "Bhaktivedanta". 1950, im Alter von vierundfünfzig Jahren, zog sich
Śrīla Prabhupāda aus dem Familienleben zurück, und vier Jahre später trat er in den vānaprastha-Stand (Leben in
Zurückgezogenheit) ein, um seinen Studien und seiner Schreibtätigkeit mehr Zeit widmen zu können. Śrīla Prabhupāda
reiste nach der heiligen Stadt Vndāvana, wo er in dem historischen, mittelalterlichen Tempel von Rādhā-Dāmodara in sehr
bescheidenen Verhältnissen lebte. Dort vertiefte er sich mehrere Jahre in eingehende Studien und verfaßte Bücher und
Schriften. 1959 trat er in den Lebensstand der Entsagung (sannyāsa). Im Rādhā-Damodara-Tempel begann Śrīla
Prabhupāda mit der Arbeit an seinem Lebenswerk — einer vielbändigen Übersetzung mit Kommentar des achtzehntausend
Verse umfassenden Śrīmad-Bhāgavatam (Bhāgavata PurāŠa). Dort entstand auch das Buch Easy Journey to Other Planets
(dt.: Jenseits von Raum und Zeit).
Nach der Veröffentlichung von drei Bänden des Bhāgavatam reiste Śrīla Prabhupāda 1965 in die Vereinigten Staaten von
Amerika, um die Mission seines spirituellen Meisters zu erfüllen. Bis zu seinem Dahinscheiden am 14. November 1977
verfaßte His Divine Grace mehr als 80 Bände autoritativer Übersetzungen, Kommentare und zusammenfassende Studien
der philosophischen und religiösen Klassiker Indiens.
Als Śrīla Prabhupāda 1965 mit dem Schiff im Bostoner Hafen einlief, war er so gut wie mittellos. Erst nach fast einem Jahr
großer Schwierigkeiten gründete er im Juli 1966 die International Society für Krishna Consciousness (Internationale
Gesellschaft für Krischna-Bewußtsein), auch als ISKCON bekannt, die sich innerhalb eines Jahrzehnts zu einer weltweiten
Gemeinde von etwa einhundert āśramas, Schulen, Tempeln, Instituten und Farmgemeinschaften entwickelte.
1968 gründete Śrīla Prabhupāda New Vrindaban, eine experimentelle vedische Gemeinde in den Bergen von West Virginia.
Angeregt durch den Erfolg von New Vrindaban, das heute eine blühende Farmgemeinschaft mit mehr als eintausend
Morgen Land ist, haben seine Schüler seither mehrere ähnliche Gemeinden in den Vereinigten Staaten und anderen Ländern
gebildet.
1972 führte His Divine Grace mit der Gründung der gurukula-Schule in Dallas, Texas, in der westlichen Welt das vedische
System der Elementar- und Sekundärerziehung ein. Mit der ständig wachsenden Schülerzahl entstanden bis 1978 bereits
zehn neue Schulen; so zum Beispiel in Los Angeles, Berkeley und in der Farmgemeinde bei Paris. Das
Haupterziehungszentrum hat seinen Sitz in Vndāvana, Indien.
Śrīla Prabhupāda legte auch den Grundstein für den Bau eines weitläufigen internationalen Zentrums in Śrīdhāma
Māyāpura in Westbengalen, Indien, wo außerdem ein Institut für vedische Studien entstehen soll. Ein ähnliches Projekt ist
der eindrucksvolle KŠa-Balarāma-Tempel mit internationalem Gästehaus in Vndāvana, Indien. Diese Zentren dienen vor
allem der Unterbringung westlicher Besucher, die dort wohnen und so einen unmittelbaren Einblick in die vedische Kultur
bekommen können. Ein weiteres bedeutendes Kultur- und Bildungszentrum wurde Anfang 1978 in Bombay eröffnet.
Śrīla Prabhupādas bedeutendster Beitrag indes sind seine Bücher. Hochgeachtet in akademischen Kreisen wegen ihrer
Authentizität, Tiefe und Klarheit, werden sie an zahlreichen Hochschulen und Universitäten als Lehrmittel benutzt.
Seine Schriften sind bisher in 30 Sprachen übersetzt worden. Somit ist der Bhaktivedanta Book Trust, der 1972 gegründet
wurde, um die Werke Śrīla Prabhupādas zu veröffentlichen, heute der größte Verleger im Bereich indisch-religiöser und
-philosophischer Bücher.
Bis zum März 1977 war Śrīla Prabhupāda, trotz seines vorgeschrittenen Alters, auf Vorlesungsreisen, die ihn auf fünf
Kontinente führten, vierzehnmal um die Welt gereist. Ungeachtet eines solch straffen Zeitplans entstanden fortlaufend Bü-
cher, die eine wahre Bibliothek an vedischer Philosophie, Religion, Literatur und Kultur bilden.
347

Quellennachweis
Die Aussagen der Bhagavad-gītā Wie Sie Ist werden von maßgeblichen Autoritäten bestätigt. Folgende vedische Schriften
werden in diesem Buch zitiert:

Atharva Veda—10.8

Bhakti-rāsamta-sindhu—4.10, 5.2, 6.10, 6.31, 7.3, 7.16, 11.55


Brahma-saˆhitā—S.24, 2.2, 3.13, 4.1, 4.5, 4.9, 6.15, 6.30, 7.7, 9.4, 9.9, 13.14
Bhan-nāradīya PurāŠa—6.11-12

Caitanya-caritāmta—S.35, 2.8, 2.41, 4.8

Garga Upaniad—2.7, 9.6

Katha Upaniad—2.12, 2.20, 2.23, 2.29, 7.6, 15.17


Kūrma PurāŠa—9.34

Mādhyandi-nāyana-śruti—15.7
Mahābhārata—4.1
Moka-dharma—10.8
MuŠaka Upaniad—2.17, 2.22

Nārada-pañcarātra—6.31
NārāyaŠīya—12.6-7
Nirukti (vedisches Wörterbuch)-2.44

Padma PurāŠa—5.22, 6.8, 7.3


Parāśara-smti—2.32
Paurua—15.17

Śrīmad-Bhāgavatam—1.28, 1.41, 2.2, 2.17, 2.38, 2.40, 2.46, 2.51, 2.61, 3.5, 3.10, 3.24, 3.37, 3.40, 3.41, 4.11, 4.34, 4.35,
5.2, 5.22, 5.26, 6.14, 6.18,
6.40, 6.44, 6.47, 7.1, 7.5, 7.18, 7.25, 9.1, 9.2, 10.18, 10.20, 12.13-14,
13.8-12, 17.4
Svatvata Tantra—7.4
Śvetāśvalara Upaniad—2.17, 3.22, 5.13, 7.7, 7.19, 13.15, 13.18

Taittirīya Upaniad—7.21, 13.17

Varāha PurāŠa—10.8, 12.6-7


Vedānta-sūtra—5.15, 9.2, 9.21, 15.14, 18.46, 18.55
ViŠu PurāŠa—2.16, 3.9, 11.40

Yoga-sūtra (Patañjali)-6.20-23
348

Erklärung der wichtigsten Sanskritwörter

A
Ācārya—ein spiritueller Meister, der durch sein eigenes Beispiel lehrt.
Acintya—unbegreiflich.
Acintya-bhedābheda-tattva—Śrī KŠa Caitanyas Lehre, nach der die Absolute Wahrheit "auf unbegreifliche Weise
gleichzeitig eins und doch verschieden ist", das heißt sowohl persönlich als auch unpersönlich.
Acyuta-(wörtl. einer, der niemals herunterfällt) unfehlbar, eine Eigenschaft KŠas.
Adhibhūtam—die materielle Natur.
Adhidaivatam—die universale Form des Höchsten Herrn.
Adhiyajña—die Überseele, die vollständige Erweiterung des Herrn im Herzen jedes Lebewesens.
Adhyātma-cetasā—jemand, der einzig und allein auf KŠa vertraut.
Aditi—die Mutter der Halbgötter.
Ādityas—die Halbgötter-Söhne Aditis.
Advaita—nicht verschieden (auf den Herrn bezogen, weist es darauf hin, daß zwischen Seinem Körper und Ihm Selbst kein
Unterschied besteht).
Advaitācārya—einer der vier vertrauten Gefährten Śrī KŠa Caitanya Mahāprabhus.
Agni—der Halbgott des Feuers.
Agni-hotra-yajña—Feueropfer.
Ahiˆsā—Gewaltlosigkeit
Ajam—ungeboren.
Akarma (naikarma)—eine Handlung, für die man keine Reaktionen zu erleiden hat, weil sie im KŠa-Bewußtsein
ausgeführt wurde.
Ānanda—transzendentale Glückseligkeit.
Ananta—der Name der Schlange mit den unendlich vielen Köpfen, auf der ViŠu ruht.
Anantavijaya—das Muschelhorn König Yudi˜hiras.
AŠu-ātmā—die winzige Seele, die ein Bestandteil KŠas ist.
Apāna-vāyu—eine der Luftarten im Körper, die durch das a˜ā‰ga-yoga-System kontrolliert wird. Die apāna-vāyu bewegt
sich nach unten.
Aparā-prakti—die niedere, materielle Natur des Herrn.
Apaurueya—nicht von Menschen gemacht (das bedeutet, von Gott offenbart).
Arcanā—die Verehrung der transzendentalen Bildgestalt Śrī KŠas, das heißt die Beschäftigung aller Sinne im Dienst des
Herrn.
Arca-vigraha—die Inkarnation des Höchsten Herrn, die in einer Gestalt aus Materie erscheint, um den Neulingen die
Verehrung zu erleichtern.
Ārya—jemand, der den Wert des Lebens kennt und in einer Zivilisation lebt, die auf spiritueller Erkenntnis gründet.
Asā‰ga—Loslösung vom materiellen Bewußtsein.
Asat—zeitweilig.
Āśrama—eine der vier Unterteilungen des spirituellen Lebens: brahmacārī-āśrama, das Leben des Schülers;
ghastha-āśrama, das Leben des Haushälters (Ehe); vānaprastha-āśrama, das zurückgezogene Leben und
sannyāsa-āśrama, die Lebensstufe der Entsagung.
A˜ā‰ga-yoga—(a˜a—acht + a‰ga—Teil) ein mystisches yoga-System, das von Patañjali in seinen Yoga-sūtras entworfen
wurde und aus acht Teilen besteht: yama, niyama, āsana, prāŠāyāma, pratyāhāra, dhāraŠā, dhyāna und sa-
mādhi.
Asura-(a—nicht + sura—göttlich) Dämon; jemand, der nicht den Prinzipien der Schriften folgt.
Āsuraˆ-bhāvam-āśrita—Menschen, die unverhüllt atheistisch sind.
Ātma—das Selbst (bezieht sich manchmal auf den Körper, den Geist, die Seele oder die Sinne).
Avatāra—(wörtl. jemand, der herabsteigt) eine Inkarnation des Herrn, die mit einer ganz bestimmten Botschaft, die in den
Schriften beschrieben wird, von der spirituellen Welt in die materielle Welt herabsteigt.
Avidyā-(a—kein + vidyā—Wissen) Unkenntnis, Unwissenheit.
Avyakta—unmanifestiert.

B
Bhagavān-(bhaga—Fülle + van—besitzen) der Besitzer aller Füllen — Reichtum, Kraft, Ruhm, Schönheit, Wissen und
Entsagung; ein Beiname der Höchsten Persönlichkeit Gottes.
Bhakta—ein Gottgeweihter; jemand, der sich hingibt.
349

Bhakti—Liebe zu Gott; gereinigtes Dienen der eigenen Sinne für die Zufriedenstellung der Sinne KŠas.
Bhaktisiddhānta Sarasvatī Gosvāmī Mahārāja Prabhupāda—der spirituelle Meister von His Divine Grace A. C.
Bhaktivedanta Swami Prabhupāda.
Bhaktivinoda µhākura—ein spiritueller Meister in der guru paramparā; der Vater von Bhaktisiddhānta Sarasvatī
Gosvāmī Mahārāja Prabhupāda.
Bhakti-yoga—die Methode, bhakti, reinen hingebungsvollen Dienst, zu entwickeln, der frei von Sinnenbefriedigung oder
philosophischer Spekulation ist.
Bhāva—die erste Stufe der transzendentalen Liebe zu Gott.
Bhīma—einer der fünf PāŠava-Brüder.
Bhīma—ein großer Gottgeweihter und älteres Familienmitglied der Kuru-Dynastie.
Brahmā—das erste erschaffene Lebewesen.
Brahma-bhūta—der Zustand, in dem man frei von materieller Verunreinigung ist. Ein Mensch, der sich auf dieser Ebene
befindet, ist mit transzendentaler Glückseligkeit erfüllt und beschäftigt sich im Dienst des Höchsten Herrn.
Brahmacārī—ein Schüler, der sich unter der Aufsicht eines echten spirituellen Meisters befindet und im Zölibat lebt.
Brahmacarya—das Gelübde, sich der Sexualität streng zu enthalten.
Brahma-jijñāsā—die spirituelle Frage nach der eigenen Identität.
Brahmajyoti-(brahma—spirituell + jyoti—Licht) die unpersönliche Ausstrahlung, die vom Körper KŠas ausgeht.
Brahmaloka—das Reich Brahmās.
Brahman—1. die winzig kleine Seele; 2. der alldurchdringende, unpersönliche Aspekt KŠas; 3. die Höchste
Persönlichkeit Gottes; 4. die gesamte materielle Substanz.
BrāhmaŠa—nach dem System der vier sozialen und spirituellen Einteilungen die intelligente Gruppe der Menschen.
Brahma-saˆhitā—eine sehr alte Sanskritschrift mit den Gebeten Brahmās zu Govinda, die von Śrī KŠa Caitanya in
einem Tempel in Südindien wiederentdeckt wurde.
Brahma-sūtra—siehe: Vedānta-sūtra.

Buddhi-yoga-(buddhi—Intelligenz + yoga—mystische Vervollkommnung). Die Ausübung des hingebungsvollen Dienstes.


Handlungen im KŠa-Bewußtsein sind buddhi-yoga, denn sie bedeuten höchste Intelligenz.

C
Caitanya-caritāmta—die autoritative Schrift von KŠadāsa Kavirāja, die die Lehre und das Leben Śrī KŠa Caitanyas
beschreibt.
Caitanya Mahāprabhu—eine Inkarnation KŠas, die im 15. Jahrhundert in Navadvīpa, Bengalen, erschien. Er führte das
gemeinsame Chanten des HareKŠa-mahā-mantra ein, und Sein Leben war das vollkommenste Beispiel dafür,
wie man die Lehren der Bhagavad-gītā praktizieren kann.
CaŠālas—Hundeesser, die niedrigste Gruppe der Menschen.
Candra—der Halbgott, der über den Mond herrscht.
Candraloka—der Mond.
Caturmasya—ein Gelübde der Entsagung, das man sich für vier Monate im Jahr auferlegt.
Citi-śakti-(citi—Wissen + śakti—Kraft) die innere oder erleuchtende Kraft des Herrn.

D
Daśendriya—die zehn Sinnesorgane: Ohren, Augen, Zunge, Nase, Haut, Hände, Beine, Sprache, Anus und Genitalien.
Deva—ein Halbgott oder eine göttliche Person.
Devakī—die Mutter Śrī KŠas. Wenn KŠa in der materiellen Welt erscheint, sendet Er einige Seiner Geweihten voraus,
die die Rolle Seines Vaters, Seiner Mutter usw. spielen.
Devakī-nandana—(Devakī—KŠas Mutter + nandana—Freude) KŠa, die Freude Devakīs.
Dharma—die Fähigkeit zu dienen, die die wesentliche Eigenschaft des Lebewesens ist.
Dharmaketre-eine heilige Pilgerstätte.
Dhīra-jemand, der von der materiellen Energie nicht beeinflußt wird.
Dh˜adyumna—der Sohn Drupadas, der auf dem Schlachtfeld von Kuruketra die Streitkräfte der PāŠavas aufstellte.
Dhtarā˜ra—der Vater der Kurus. Ihm wurde die Bhagavad-gītā von seinem Sekretär so wiedergegeben, wie sie auf dem
Schlachtheld von Kuruketra von KŠa gesprochen wurde.
Draupadī—die Tochter König Drupadas und die Frau der PāŠavas.
DroŠācārya—der militärische Ausbilder Arjunas und der anderen PāŠavas und der Oberbefehlshaber der Kurus auf dem
Schlachtield von Kuruketra.
Drupada—ein Krieger der PāŠavas auf dem Schlachtfeld von Kuruketra. Seine Tochter Draupadī war die Frau der
PāŠavas, und sein Sohn Dh˜adyumna stellte deren Streitkräfte auf.
350

Duryodhana—das Oberhaupt der übelgesinnten Söhne Dhtarā˜ras. Die Kurus kämpften in der Schlacht von Kuruketra,
um Duryodhana als König der Welt einzusetzen.
Duktam—Schurken, die sich KŠa nicht ergeben.
Dvāpara-yuga—das dritte Zeitalter im Kreislauf eines mahā-yuga. Es dauert 864 000 Jahre.

E
Ekādaśī—ein besonderer Tag, der dazu dient, sich mehr an KŠa zu erinnern, indem man fastet und von den
Herrlichkeiten des Herrn hört und sie lobpreist. Die Gottgeweihten feiern diesen Tag zweimal im Monat.

G
Gandharvas-die Sänger auf den himmlischen Planeten.
GāŠiva—der Name von Arjunas Bogen.
Ga‰gā—der heilige Fluß, der den Lotosfüßen ViŠus entspringt und durch das gesamte Universum fließt. Es wird
empfohlen, in der Ga‰gā zu baden, um gereinigt zu werden.
Garbhodakaśāyī ViŠu—die ViŠu-Erweiterung des Höchsten Herrn, die in jedes Universum eingeht, um dort
Mannigfaltigkeit zu erschaffen.
Garuda—ein riesiger Adler, der Śrī ViŠu trägt.
Gāyatrī—eine transzendentale Klangschwingung, die von den wahrhaft qualifizierten Zweimalgeborenen zur spirituellen
Verwirklichung gechantet wird.
Godāsa—(go-Sinne + dāsa—Diener) Diener der Sinne.
Goloka—ein Name von KŠas Planeten.
Gosvāmī-(go-Sinne + svāmī—Meister) Meister der Sinne.
Govinda—"einer, der das Land, die Kühe und die Sinne erfreut", ein Name KŠas.
Ghastha—Haushälter. Ein Mann, der Gottes-bewußt und zu gleicher Zeit verheiratet ist und eine Familie im
KŠa-Bewußtsein aufzieht.
GuŠa—eine materielle Erscheinungsweise. Es gibt drei Erscheinungsweisen: Unwissenheit, Leidenschaft und Tugend.
GuŠāvatāras—die drei Inkarnationen, die die drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur kontrollieren. Brahmā
kontrolliert die Leidenschaft, ViŠu die Tugend und Śiva die Unwissenheit.
Guru—der spirituelle Meister.

H
Hanumān—ein berühmter Gottgeweihter in der Gestalt eines Affen, der dem Höchsten Herrn in dessen Inkarnation als
Rāmacandra diente und Ihm dabei half, den Dämon RāvaŠa zu besiegen.
Hare KŠa, Hare KŠa, KŠa KŠa, Hare Hare / Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma Rāma, Hare Hare—der
mahā-mantra, der Gesang der Befreiung. KŠa und Rāma sind Namen des Herrn, und Hare richtet sich an die
innere Energie des Herrn. Das Chanten dieser Namen wird besonders für das gegenwärtige Zeitalter empfohlen.
Haridāsa µhākur—ein großer Gottgeweihter, der von Śrī KŠa Caitanya zum nāmācārya (ein Lehrer, der das Chanten
des Heiligen Namens lehrt) ernannt wurde.
Ha˜ha-yoga—ein System körperlicher Übungen, die helfen, die Sinne zu kontrollieren.
HiraŠyakaśipu—ein großer Atheist, der von KŠa in Seiner Inkarnation als Nsiˆhadeva getötet wurde. Der Sohn
HiraŠyakaśipus war der große Gottgeweihte Prahlāda Mahārāja.
Hīkeśa—"der Meister aller Sinne", ein Name KŠas.

I
Ikvāku—ein Sohn Manus, der in der Vorzeit das Wissen der Bhagavad-gītā empfing.
Indra—der König der himmlischen Planeten.
Indraloka—der Planet, auf dem König Indra lebt.
Īśāvāsya-(īśā—der Herr + vāsya—Kontrolle) die Auffassung, daß alles KŠa gehört und von Ihm kontrolliert wird und
daher in Seinem Dienst verwendet werden sollte.
Īśvara—ein Herrscher. KŠa ist parameśvara, der höchste Herrscher.

J
Janaka—ein großer selbstverwirklichter König und der Schwiegervater Rāmacandras.
Japa—das halblaute Chanten der Heiligen Namen Gottes mit Hilfe von 108 Gebetsperlen.
351

Jiva (jivātmā)—die Seele, das winzig kleine Lebewesen.


Jñāna—Wissen. Materielles jñāna geht nicht über die Grenzen des materiellen Körpers hinaus. Transzendentales jñāna
unterscheidet zwischen Materie und spiritueller Natur. Vollkommenes jñāna ist das Wissen vom Körper, von der
Seele und vom Höchsten Herrn.
Jñāna-kāŠa—der Teil der Veden, der das empirische Spekulieren über die Wahrheit beinhaltet.
Jñāna-yoga—der Vorgang, durch den man sich hauptsächlich durch Forschung mit dem Höchsten verbindet und der von
einem Menschen ausgeführt wird, der immer noch an gedanklicher Spekulation haftet.
Jñānī—jemand, der damit beschäftigt ist sein Wissen zu erweitern (besonders durch philosophische Spekulation). Wenn
ein jñānī die Vollkommenheit erreicht, ergibt er sich KŠa.

K
Kaivalyam—der Zustand, in dem man seine wesensgemäße Stellung als Bestandteil des Höchsten Herrn erkennt. Auf
dieser Stufe befindet man sich, kurz bevor man die Tätigkeiten auf der Ebene des hingebungsvollen Dienens er-
reicht.
Kāla—die ewige Zeit.
Kālī—eine Halbgöttin, der ihre Geweihten Fleisch opfern dürfen.
Kālī-yuga—das Zeitalter des Streites; das vierte und letzte Zeitalter im Kreislauf eines mahā-yugas. Es ist das Zeitalter, in
dem wir jetzt leben. Es währt 432 000 Jahre, von denen 5 000 Jahre bereits vergangen sind.
Kalpa—ein Tag in der Zeitrechnung Brahmās.
Kaˆsa—der Onkel KŠas, der fortwährend versuchte, KŠa zu töten.
Kapila—eine Inkarnation KŠas, die im Satya-yuga als der Sohn Devahūtis und Kardama Munis erschien und die
sā‰khya-Philosophie der Hingabe begründete. (Es gibt auch einen Atheisten namens Kapila, der aber keine In-
karnation des Herrn ist.)
KāraŠodakaśāyī ViŠu (Mahā-ViŠu)—die Erweiterung Śrī KŠas, von der alle materiellen Universen ausgehen.
Karma—1. materielle Handlungen, die nach den Regulierungen der Schriften ausgeführt werden; 2. die Handlungen, die
mit der Entwicklung des materiellen Körpers zusammenhängen; 3. jede materielle Handlung, die eine Reaktion
nach sich zieht; 4. die materielle Reaktion, die man aufgrund fruchtbringender Tätigkeiten erhält.
Karma-kāŠa—der Teil der Veden, der die fruchtbringenden Handlungen behandelt, die mit dem Ziel ausgeführt werden,
den stark verstrickten Materialisten allmählich zu reinigen.
Karma-yoga—1. Handlungen im hingebungsvollen Dienst; 2. Handlungen eines Mannes, der weiß, daß KŠa das Ziel des
Lebens ist, der sich aber von den Früchten seines Tuns nicht lösen kann.
KarŠa—ein Sohn Kuntīs und Halbbruder Arjunas. Er kämpfte gegen die PāŠavas auf dem Schlachtheld von Kuruketra.
Kaunteya—der Sohn Kuntīs (Arjuna).
Kīrtana—die Ruhmpreisung Śrī KŠas.
KpaŠa—jemand, der geizig ist und keinen Gebrauch von wertvollem Besitz macht; besonders ein Mensch, der nicht nach
spiritueller Verwirklichung strebt.
KŠa—(wörtl. der "Alles-Anziehende") der ursprüngliche Name des Höchsten Herrn in Seiner ursprünglichen
transzendentalen Gestalt, die Höchste Göttliche Person, der Sprecher der Bhagavad-gītā.
KŠadāsa Kavirāja Gosvāmī—der Verfasser des Caitanya-caritāmta.
KŠa-karma—alle Arbeit verrichten, um KŠa zufriedenzustellen.
KŠaloka—der Planet in der spirituellen Welt, auf dem KŠa weilt.
Kara—vergänglich.
Katriya—nach dem System der vier sozialen und spirituellen Einteilungen die verwaltende Klasse.
Ketra—das Tätigkeitsfeld, der Körper der bedingten Seele.
Ketrajña—(ketra—Feld oder Körper + jña—wissend) jemand, der sich des Körpers bewußt ist. Sowohl die Seele als
auch die Überseele sind ketrajña, denn die individuelle Seele ist sich ihres eigenen Körpers bewußt, und die
Überseele ist Sich der Körper aller Lebewesen bewußt.
Kirodakaśāyī ViŠu—die ViŠu-Erweiterung des Höchsten Herrn, die in jedes Atom und zwischen jedes Atom des
Universums sowie in das Herz eines jeden Lebewesens eingeht. Er wird auch die Überseele genannt.
Kumāras—die vier bedeutenden Weisen und Söhne Brahmās, die Anhänger des Unpersönlichen waren, doch später große
Geweihte des Herrn und bedeutende Autoritäten im hingebungsvollen Dienst wurden.
Kumbhaka-yoga—das vollkommene Beenden der Luftzirkulation im Körper. Kumbhaka-yoga ist ein Teil des achtfachen
mystischen yoga.
Kuntī—Pthā, die Mutter Arjunas und Tante KŠas.
Kuruketra—der Name der Pilgerstätte, die seit unvordenklichen Zeiten heilig gehalten wird. Sie liegt in der Nähe des
heutigen Neu Delhi (Indien).
Kurus—alle Nachkommen König Kurus, aber besonders die hundert Söhne Dhtarā˜ras. Die PāŠavas waren auch
Nachkommen König Kurus, doch Dhtarā˜ra wollte sie aus der Familie ausschließen.
Kuvera—der Schatzmeister der Halbgötter.
352

L
Lakmī-die Glücksgöttin, die Gefährtin des Höchsten Herrn.
Līlā—transzendentales Spiel.
Līlāvatāras—unzählige Inkarnationen, wie Matsya, Kūrma, Rāma und Nsiˆha, die in der materiellen Welt erscheinen, um
die spirituellen Spiele der Höchsten Persönlichkeit Gottes zu offenbaren.
Loka—Planet.
Lokāyatikas-eine Gruppe von Philosophen, die existierten, als Śrī KŠa die Bhagavad-gītā sprach, und die, ähnlich wie
die Buddhisten, glaubten, Leben sei das Produkt einer günstigen Verbindung materieller Elemente.

M
Madhusūdana—"Vernichter des Dämons Madhu", ein Name KŠas.
Mahābhārata—ein großes Epos, das von Vyāsadeva aufgezeichnet wurde und die Abenteuer der PāŠavas beschreibt. Die
Bhagavad-gītā ist ein Teil des Mahābhārata.
Mahābhūta-(mahā—groß + bhūta—Element) die fünf wesentlichen materiellen Elemente: Erde, Wasser, Feuer, Luft und
Äther.
Mahā-mantra—der große Gesang der Befreiung: Hare KŠa, Hare KŠa, KŠa KŠa, Hare Hare / Hare Rāma, Hare
Rāma, Rāma Rāma, Hare Hare.
Mahātmā—eine große Seele; ein Mensch, der tatsächlich versteht, daß KŠa alles ist, und sich Ihm daher ergibt.
Mahat-tattva—die gesamte materielle Energie.
Mahā-ViŠu—siehe: Kāranodakaśāyī ViŠu.
Mantra-(man—Geist + tra—Befreiung) eine reine Klangschwingung, die den Geist von seinen materiellen Neigungen
reinigt.
Manu—ein verwaltender Halbgott, der Vater der Menschheit.
Manu-saˆhitā—das Gesetzbuch der Menschheit, das von Manu geschrieben wurde.
Manvantara-avatāras—die Manu-Inkarnationen; an einem Tag Brahmās erscheinen vierzehn von ihnen.
Māyā-(ma—nicht + ya—dieses); Illusion; eine Energie KŠas, die die Lebewesen verwirrt, so daß sie den Höchsten Herrn
vergessen.
Māyāvādī—die Unpersönlichkeitsanhänger oder Anhänger der Lehre vom Nichts. Sie vertreten den Glauben, daß Gott
formlos und unpersönlich sei.
Mukti—Befreiung, Freisein vom materiellen Bewußtsein.
Mukunda—"derjenige, der Befreiung gewährt", ein Name KŠas.
Muni—ein Weiser, bzw. eine selbstverwirklichte Seele.

N
Naikarma—siehe: Akarma.
Nakula—einer der jüngeren Brüder Arjunas.
Nanda Mahārāja—der Pflegevater Śrī KŠas.
Nārada Muni—ein großer Geweihter des Höchsten Herrn, der in jeden beliebigen Teil der spirituellen oder materiellen
Welt reisen kann, um die Herrlichkeiten des Herrn zu verbreiten.
Narādhama-(wörtl. die Niedrigsten der Menschheit) diejenigen, die zwar im sozialen und politischen Bereich sehr
fortgeschritten sind, aber keine religiösen Prinzipien kennen.
NirguŠa-(nir—ohne + guŠa—Eigenschaft) ohne Eigenschaften (wenn es sich auf Gott bezieht, bedeutet nirguŠa "ohne
materielle Eigenschaften").
Nirmama-das Bewußtsein, daß mir selbst nichts gehört.
NirvaŠa—das Ende des materialistischen Lebens.
Nitya-baddha—ewig bedingt.
Nsiˆha—eine Inkarnation KŠas in einer Halb-Mensch-halb-Löwengestalt.

O
Omkāra—om, die transzendentale Silbe, die KŠa repräsentiert und zur Erlangung des Höchsten von Transzendentalisten
gechantet wird, wenn sie Opfer darbringen, Spenden geben und sich Bußen auferlegen.
353

Om tat sat—die brāhmaŠas verwenden diese drei transzendentalen Silben, während sie Opfer darbringen oder vedische
Hymnen chanten, um auf diese Weise den Höchsten zu erfreuen. Diese drei Silben weisen auf die Absolute
Wahrheit, die Höchste Persönlichkeit Gottes, hin.

P
Pāñcajanya—das Muschelhorn Śrī KŠas.
Pañca-mahābhūta—die fünf groben Elemente: Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther.
PāŠaves—die fünf Söhne König PāŠus; Yudhi˜hira, Arjuna, Bhīma, Nakula und Sahadeva.
PāŠu—ein jüngerer Bruder Dhtarā˜ras, der früh starb und seine fünf Söhne, die PāŠavas, unter der Obhut Dhtarā˜ras
zurückließ.
Parag-ātmā—die Seele, die am materiellen Sinnengenuß haftet.
Paramahaˆsa—die höchste Gruppe der selbstverwirklichten Transzendentalisten.
Paramātmā—die Überseele; der an einem bestimmten Ort befindliche Aspekt des Höchsten Herrn im Herzen aller
Lebewesen.
Param Brahman-das Höchste Brahman; die Höchste Persönlichkeit Gottes; Śrī KŠa.
Param dhāma—das höchste Reich; die ewigen Planeten der spirituellen Welt.
Paramparā—die Nachfolge der spirituellen Meister, durch die das spirituelle Wissen überliefert wird.
Parantapaƒ—"Bezwinger der Feinde", ein Name Arjunas.
Parā-prakti—die höhere, spirituelle Energie des Höchsten Herrn.
Parāśara Muni—der Vater Vyāsadevas, ein großer Weiser.
Parasurāma—eine Inkarnation Śrī KŠas, die vor langer Zeit erschien, um die ehrlos gewordenen Krieger zu besiegen.
Pārtha-sarathi—"der Wagenlenker Arjunas" (Pārthas), ein Name KŠas.

PāaŠī—ein Atheist, der glaubt, daß sich Gott und die Halbgötter auf der gleichen Ebene befinden.
Patañjali—eine große Autorität des a˜ā‰ga-yoga-Systems und der Verfasser des Yoga-sūtra.
Pavitram—rein.
Pitloka—der Planet der verstorbenen Vorväter.
Prajāpati—1. ein Erzeuger der Lebewesen; 2. Brahmā.
Prahlāda Mahārāja—ein großer Geweihter des Herrn. Sein atheistischer Vater trachtete ihm nach dem Leben, doch der
Herr beschützte ihn.
Prakti—Natur (wörtl. das beherrscht wird). Es gibt zwei praktis — aparā prakti, die materielle Natur, und parā prakti,
die spirituelle Natur (die Lebewesen) -, die beide von der Höchsten Persönlichkeit Gottes beherrscht werden.
PrāŠa—die Lebensluft.
Pranāva omkāra—siehe: Omkāra
PrāŠāyāma—die Kontrolle des Atemvorganges (eine der acht Stufen im a˜ā‰ga-yoga-System).
Prasāda—zu KŠa geopferte Speise, die durch die Opferung spirituell wird und somit das Lebewesen reinigen kann.
Pratyag-ātmā—die Seele, die von materieller Anhaftung gereinigt ist.
Pratyāhāra—die Loslösung von den sinnlichen Tätigkeiten (eine der acht Stufen im a˜ā‰ga-yoga-System).
Prema—reine Liebe zu Gott, die am höchsten vervollkommnete Stufe des Lebens.
Pthā—die Frau König PāŠus, Mutter der PāŠavas und Tante Śrī KŠas.
Pūraka—die Stufe der Ausgeglichenheit, die man erreicht, wenn man gleichzeitig ein- und ausatmet.
PurāŠas—die achtzehn sehr alten Bücher, die die Geschichte unseres und anderer Planeten beinhalten.
Puruam—die höchste Genießende.
Puruāvatāras—die ursprünglichen ViŠu-Erweiterungen Śrī KŠas, die die Schöpfung, Erhaltung und Zerstörung der
materiellen Welt bewirken.

R
Rajo-guŠa—die Erscheinungsweise der Leidenschaft in der materiellen Natur.
Rāma—1. der Name der Absoluten Wahrheit als die Quelle unendlicher Freude für die Transzendentalisten; 2. die
Inkarnation des Höchsten Herrn als vollkommener König (Rāmacandra).
Rasa—die Beziehung zwischen dem Herrn und den Lebewesen. Es gibt fünf grundlegende Arten: die neutrale Beziehung
(śānta-rasa), die Beziehung als Diener (dāsya-rasa), als Freund (sākhya-rasa), als Elternteil (vātsalya-rasa) und
als eheliche Geliebte (mādhurya-rasa).
RāvaŠa—ein mächtiger Dämon, der eine Treppe zum Himmel bauen wollte, jedoch von KŠa in der Inkarnation als
Rāmacandra getötet wurde.
Recaka—die Stufe der Ausgeglichenheit, die man erreicht, wenn man gleichzeitig aus- und einatmet.
Rūpa Gosvāmī—das Oberhaupt der sechs großen spirituellen Meister aus Vndāvana, die von Śrī KŠa Caitanya
Mahāprabhu ermächtigt wurden, die Philosophie des KŠa-Bewußtseins niederzuschreiben und zu verbreiten.
354

S
Śabda-brahma—die Unterweisungen der Veden und Upaniaden.
Sac-cid-ānanda vigraha—(sat—ewiges Dasein + cit—Wissen + ānanda—Glückseligkeit; vigraha—Gestalt) die ewige
Gestalt des Höchsten Herrn, die voller Glückseligkeit und Wissen ist; oder, die ewige transzendentale Gestalt des
Lebewesens.
Sādhaka-jemand, der geeignet ist, befreit zu werden.
Sādhu—ein Heiliger, ein Gottgeweihter.
SaguŠa—mit Eigenschaften; (wenn es sich auf Gott bezieht, bedeutet es spirituelle Eigenschaften).
Sahadeva—einer der jüngeren Brüder Arjunas.
Samādhi—Trance, Versenkung in das Gottesbewußtsein.
Samāna-vāyu—die innere Körperluft, die die Ausgeglichenheit reguliert. Sie ist eine der fünf Luftarten des Körpers, die
durch die Atemübungen des a˜ā‰ga-yoga-Systems kontrolliert werden.
Sanātana—ewig.
Sanātana-dhāma—das ewige Reich, die VaikuŠ˜ha-Planeten im spirituellen Himmel.
Sanātana-dhārma—die ewige Religion des Lebewesens, nämlich dem Höchsten Herrn zu dienen.
Sanātana Gosvāmī—einer der sechs großen spirituellen Meister aus Vndāvana, die von Śrī KŠa Caitanya Mahāprabhu
ermächtigt wurden, die Philosophie des KŠa-Bewußtseins niederzuschreiben und zu verbreiten.
Sanātana-yoga—die ewigen Tätigkeiten, die das Lebewesen ausführt.
Sañjaya—der Sekretär Dhtarā˜ras, der die Bhagavad-gītā so wiedergab, wie sie auf dem Schlachtteld von Kuruketra von
KŠa gesprochen wurde.
Śa‰karācārya—eine Inkarnation Śivas, die im 8. Jahrhundert erschien, um Unpersönlichkeitsphilosophie zu verkünden,
mit dem Ziel, den Buddhismus aus Indien zu vertreiben und die Autorität der Veden wiederherzustellen.
Sā‰khya—1. der yoga-Vorgang der Hingabe, der von Kapila im Śrīmad-Bhāgavatam beschrieben wird; 2. das analytische
Verstehen des Körpers und der Seele.
Sa‰kīrtana-yajña—das Opfer, das für das Zeitalter des Kali vorgeschrieben ist, nämlich das gemeinsame Chanten des
Namens, des Ruhms und der Spiele der Höchsten Persönlichkeit Gottes.
Sannyāsa—die Lebensstufe der Entsagung, auf der man alle Familienbeziehungen aufgegeben hat und alle Tätigkeiten
vollständig KŠa geweiht werden.
Sarasvatī—die Halbgöttin des Lernens.
Śāstra—die offenbarten Schriften.
Sattva—die Erscheinungsweise der Tugend in der materiellen Natur.
Satya-yuga—das erste der vier Zeitalter eines mahā-yugas. Das Satya-yuga wird durch Tugend, Weisheit und Religion
gekennzeichnet und währt 1 728 000 Jahre.
Sītā—die Gefährtin Rāmacandras, einer Inkarnation KŠas.
Śiva—die Persönlichkeit, die für die Erscheinungsweise der Unwissenheit und die Zerstörung des materiellen Universums
verantwortlich ist.
Smaranam—das fortwährende Sicherinnern an KŠa (eine der neun Methoden des hingebungsvollen Dienstes).
Smti—die Schriften, die von Lebewesen unter transzendentaler Anleitung zusammengestellt wurden.
Soma-rasa—ein himmlischer Trank, der auf dem Mond genossen werden kann.
Śravanam—das Hören von einer autorisierten Quelle (dies ist die wichtigste der neun Methoden des hingebungsvollen
Dienstes).
Śrīmad-Bhāgavatam—die Schrift, die von Vyāsadeva verfaßt wurde, um die Spiele KŠas zu beschreiben und zu
erklären.
Śruti—die Schriften, die direkt von Gott empfangen wurden.
Sthita-dhīra-muni-(sthita—immer + dhīra—ungestört + muni—der Weise) jemand, der immer im KŠa-Bewußtsein
verankert ist und folglich nicht von der materiellen Natur beeinflußt wird.
Śūdra—nach dem System der vier sozialen und spirituellen Einteilungen die körperlich arbeitende Klasse der Menschen.
Śukadeva Gosvāmī—ein großer Gottgeweihter, der König Parīkit das ŚrīmadBhāgavatam vortrug, als der König nur noch
sieben Tage zu leben hatte.
Sukham—Glück und Freude.
Suktina—fromme Menschen, die die Regeln der Schriften befolgen und dem Höchsten Herrn ergeben sind.
Surabhi—die Kühe auf KŠaloka. Sie können unbegrenzte Mengen Milch geben.
Sūryaloka—die Sonne.
Svadharmas—die besonderen Pflichten, die mit dem jeweiligen Körper eines Menschen zusammenhängen und in
Entsprechung zu den religiösen Prinzipien ausgeführt werden, um Befreiung zu erlangen.
Svāmī—jemand, der Geist und Sinne kontrollieren kann.
Svargaloka—die himmlischen Planeten, das Reich der Halbgötter.
355

Svarūpa—(sva—eigene + rūpa—Gestalt) Dienen; die ewige Beziehung des Lebewesens zum Herrn, die wirkliche Gestalt
der Seele.
Svarūpa-siddhi—die Vollkommenheit der wesenseigenen Position.
Śyāmasundara-(śyāma—schwarz + sundara—wunderschön) ein Name der ursprünglichen Gestalt Śrī KŠas.

T
Tamo-guŠa—die Erscheinungsweise der Unwissenheit in der materiellen Natur.
Tapasya—das freiwillige Auf-Sich-Nehmen von Unbequemlichkeiten, um Fortschritt in spirituellem Leben zu machen.
Tattvavit—jemand, der die Absolute Wahrheit in ihren verschiedenen Aspekten kennt.
Tretā-yuga—das zweite Zeitalter im Kreislauf eines mahā-yuga. Es währt 1 296 000 Jahre.
Tulasī—eine große Gottgeweihte in der Gestalt einer Pflanze. Diese Pflanze ist dem Herrn sehr lieb, und ihre Blätter
werden Seinen Lotosfüßen geopfert.
Tyāga—die Entsagung materieller Tätigkeiten, die im materiellen Bewußtsein ausgeführt werden.

U
Uccsiƒśravā—ein Pferd, das aus Nektar geboren wurde und als Repräsentant KŠas angesehen wird.
Udāna-vāyu—die Luft, die im Körper nach oben steigt und durch die Atemübungen des a˜ā‰ga-yoga-Systems kontrolliert
wird.
Upaniaden—der philosophische Teil der Veden, wie zum Beispiel Īśa Upaniad, Ka˜ha Upaniad usw. Es gibt 108
Upaniaden.

V
Vaibhāikas-eine Gruppe von Philosophen, die existierten, als Śrī KŠa die Bhagavad-gītā sprach, und die, ähnlich wie
die Buddhisten, glauben, Leben sei das Produkt einer günstigen Verbindung materieller Elemente.
VaikuŠ˜has—(wörtl. ohne Angst) die ewigen Planeten des spirituellen Himmels.
Vairāgya—die Loslösung von der Materie und das Versenken des Geistes in die spirituelle Natur.
VaiŠava—ein Geweihter des Höchsten Herrn, ViŠus bzw. KŠas.
Vaiśya—nach dem System der vier sozialen und spirituellen Einteilungen die Kaufleute und Bauern.
Vānaprastha—das zurückgezogene Leben, bei dem man sein Heim verläßt und von einem heiligen Ort zum anderen reist,
um sich auf die Lebensstufe der Entsagung vorzubereiten.
Varāha—die Inkarnation KŠas als riesiger Eber.
Vasudeva—der Vater KŠas.
Vāsudeva—1. Śrī KŠa; „der Sohn Vasudevas“; 2. der Zustand transzendentaler Tugend, durch den man die materiellen
Erscheinungsweisen der Natur überwinden und den Höchsten Herrn verstehen kann.
Vedānta-sūtra (Brahma-sūtra)—eine philosophische Abhandlung, die von Vyāsadeva geschrieben wurde, um die
Schlußfolgerung aller Veden zu geben.
Veden—die vier vedischen Schriften (¬g-, Yajur-, Sāma- und Atharva-Veda) und ihre Ergänzungen wie die Upaniaden,
die PurāŠas, das Mahābhārata, das Vedānta-sūtra usw.
Vibhu-ātmā—die Überseele.
Vibhūti—eine der Füllen, mit der KŠa die gesamte materielle Manifestation beherrscht.
Vidyā—Wissen.
Vijñānam—das Wissen von der Seele, ihrer wesenseigenen Position und ihrer Beziehung zur Höchsten Seele.
Vikarma—unautorisierte oder sündige Handlungen, die entgegen den Anweisungen der offenbarten Schriften ausgefuhrt
werden.
Virā˜a-rupa—siehe: Viśva-rūpa.
ViŠu—die alldurchdringende Persönlichkeit Gottes (eine vollständige Erweiterung KŠas), die vor der Schöpfung in jedes
materielle Universum eingeht.
ViŠu-tattva—unzählige ursprüngliche bzw. ViŠu-Erweiterungen KŠas.
Viśvakośa—ein sehr altes Sanskrit-Wörterbuch.
Viśva-rūpa (virā˜a-rūpa)—die universale Form KŠas, die im Elften Kapitel der Bhagavad-gītā beschrieben wird.
Vivasvān—der Name des gegenwärtigen Sonnengottes, dem die Bhagavad-gītā vor ungefähr 120 400 000 Jahren
verkündet wurde.
Vndāvana—der Ort, an dem KŠa Seine transzendentalen Spiele offenbarte, als Er vor 5000 Jahren erschien.
Vyāna-vāyu—eine der inneren Lüfte im Körper, die durch das a˜ā‰ga-yoga-System kontrolliert wird. Die vyāna-vāyu
zieht den Körper zusammen und erweitert ihn.
356

Vyāsadeva—der bedeutendste Philosoph der Vorzeit. Er ist eine Inkarnation ViŠus und zu literarischer Tätigkeit
ermächtigt; er stellte die Veden, die Upaniaden, die PurāŠas, das Mahābhārata, das Vedānta sūtra usw.
zusammen.

Y
Yajña—Opfer.
Yajñeśvara—"Herr des Opfers", ein Beiname KŠas.
Yamarāja—der Halbgott, der die sündigen Lebewesen nach dem Tode bestraft.
Yamunācārya—ein bedeutender spiritueller Meister in der Śrī-sampradāya, einer der wichtigen Schülernachfolgen.
Yaśodā—KŠas Pflegemutter.
Yaśodā-nandana—"die Freude Yaśodas", ein Name KŠas.
Yoga—der Vorgang, das Bewußtsein des winzig kleinen Lebewesens mit dem höchsten Lebewesen, KŠa, zu verbinden.
Yoga-māyā—die innere Kraft des Herrn, die Ihn vor den Nichtgottgeweihten verbirgt.
Yogārūha—die höchste Stufe des yoga.
Yogāruruka—die Anfangsstufe des yoga.
Yogeśvara—"der Meister aller mystischen Kräfte", ein Name KŠas.
Yudhi˜hira—der älteste der fünf PāŠava-Brüder.
Yuga—eines der vier Zeitalter, die sich in ihrer Dauer voneinander unterscheiden und sich wie Jahreszeiten abwechseln.
Siehe auch: Satya-yuga, Tretā-yuga, Dvārpara-yuga und Kali-yuga.
Yugāvatāras—die Inkarnationen des Herrn, die in jedem einzelnen der vier verschiedenen Zeitalter erscheinen, um die
geeignete Form der spirituellen Verwirklichung für das jeweilige Zeitalter zu lehren.
357

Anleitung zur Aussprache des Sanskrit


Die Vokale werden wie folgt ausgesprochen:

a — wie das a in hat


ā — wie das a in haben (doppelt so lang wie das kurze a)
i — wie das i in ritten
ī — wie das i in Bibel (doppelt so lang wie das kurze i)
u — wie das u in Butter
ū — wie das u in Hut (doppelt so lang wie das kurze u)
 — wie das ri in rinnen
— wie das rie in rieseln
ŀ - wie l gefolgt von ri
e — wie das ay im engl. way
ai — wie das ei in weise
o — wie das o im engl. go (ou)
au — wie das au in Haus
ˆ (anusvara) — ein Nasal wie das n im franz. Bon
ƒ (visarga) — in der Mitte eines Wortes wie das ch in wachen; am Ende eines Wortes wird der vorausgehende Vokal
wiederholt; also iƒ wie ihi, aƒ wie aha usw.

Die Konsonanten werden wie folgt ausgesprochen:

Die Gutturale spricht man, ähnlich wie im Deutschen, von der Kehle aus.

k — wie in kann
kh — wie in Ekhart
g — wie in geben
gh — wie in wegholen
‰ — wie in singen

Die Platale spricht man mit der Zungenmitte vom Gaumen aus.

c — wie das tsch in Tscheche


ch — getrennt wie im engl. staunch-heart
j — wie das dsch in Dschungel
jh — getrennt wie im engl. hedge-hog
ñ — wie in Canyon

Die Alveolare spricht man, indem man die Zungenspitze gegen den hinteren Teil des Gaumens drückt.

˜ — wie in tönen
˜h — wie in Sanftheit
 — wie in dann
h — wie in Südhälfte
Š — wie in nähren

Die Dentale spricht man wie Alveolare, jedoch mit der Zungenspitze gegen die Zähne.

t — wie in tönen
th — wie in Sanftheit
d — wie m danken
dh — wie In Südhalfte
n — wie in nähren

p — wie in pressen
ph — wie im engl. uphill
b — wie in Butter
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bh — wie in Grobheit
m — wie in Milch

y — wie in yoga
r — wie in reden
l — wie in lieben
v — wie in Vene

ś (palatal) — wie in schwarz


 (alveolar) — wie in schön
s (dental) — wie in fasten

h — wie in helfen

Im Sanskrit gibt es weder starke Betonungen der Silben noch Pausen zwischen Wörtern in einer Zeile, sondern ein Fließen
kurzer und langer Silben. Eine lange Silbe ist eine Silbe mit einem langen Vokal (ā, ī, ū, e, ai, o, au) oder eine Silbe mit
einem kurzen Vokal, dem ein Konsonant folgt (auch anusvāra und visarga). Konsonanten mit nachfolgendem Hauchlaut
(wie kha und gha) gelten als kurze Konsonanten.
Abkürzungen
Bg.—Bhagavad-gītā
Bh.r.s.—Bhakti-rasāmta-sindhu
Bs.—Brahma-saˆhitā

Cc.A.—Śrī Caitanya-caritāmta, Antya-līlā


Cc.Ā.—Śrī Caftanya-caritāmta, Ādi-līlā
Cc.M.-Śrī Caitanya-caritāmta, Madhya-līlā

Forts.—Fortsetzung

gr.—griechisch

Jh.—Jahrhundert
jmd.—jemand

Kap.—Kapitel
Ka˜.U.—Ka˜ha Upaniad

lat.—lateinisch

sanskr.—sanskritisch
SB.—Śrīmad-Bhāgavatam
Śvet. U.—Śvetāśvatara Upaniad

usw.—und so weiter
v. Chr.—vor Christus
Vs.—Vedanta-sūtra

Ende der Bhagavad-gītā Wie Sie Ist


von A.C. Bhaktivedanta Swāmī Prabhupāda

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