THEMA ❚ FRANKFURT ❚ RAINER GÜTLICH

Hart aber Der Schreck sitzt noch in den Knochen:

Rainer Gütlich hat sich in der Nacht von
Freitag den 26.6. auf Samstag den 27.6. im

herzlich Alter von 49 Jahren das Leben genommen.

Der Rainer Gütlich, der das Community-
fest als kleines Straßenfest des Lesbisch-
Ein Nachruf auf schwulen Kulturhauses in der Klingerstraße
mitorganisierte. Unter seiner Regie wurde es
Rainer Gütlich 1993 fortgeführt und 1995 auf die Konstabler-
wache, mitten in die Frankfurter Innenstadt,
gehievt. Jener Rainer Gütlich, der sich gut 14
Jahre für das Fest engagiert hat. Mister CSD,
wie er sich lachend einmal selbst betitelte.
Ihm ist vor allem zu verdanken, dass der
CSD Frankfurt davor bewahrt wurde, zur
einer Schauparade von Werbung und Spon-
soren zu verkommen: "Der CSD ist für mich
keine Massenveranstaltung zum Gelderwerb
sondern eine Herzensangelegenheit" sagte
er 2004 in einem Interview mit dem gab-
Magazin "Ich möchte den CSD als ein Fest
von Lesben und Schwulen für Lesben und
Schwule mit einem verträglichen Hetenanteil
beibehalten. Es soll auch kein ‚Sound of
Frankfurt' werden und ich bekomme
Panik, wenn ich höre, dass es
Betriebsausflüge zum CSD
gibt!" Stattdessen soll-
te der CSD Mut
machen:
"Ein

„Esgibt
„Es gibtein
einRecht
Rechtauf
aufLeben,
Leben,
aberkeine
aber keinePflicht.“
Pflicht.“
RainerGütlich
Rainer Gütlichininseinem
seinemAbschiedsbrief
Abschiedsbrief

Bestürzt
Bestürzt und
und sehr
sehr traurig
traurig nehmen
nehmen wir
wir Abschied
Abschied von
von

Rainer
Rainer Gütlich
Gütlich
1959-2009
1959-2009
Die
Die AIDS-Hilfe Frankfurt verliert mit ihm einen langjährigen
AIDS-Hilfe Frankfurt verliert mit ihm einen langjährigen Freund,
Freund, Förderer
Förderer und
und Unterstützer.
Unterstützer.
In
In all
all seinem
seinem Tun
Tun hat
hat sich
sich Rainer
Rainer immer
immer für
für unsere
unsere Arbeit
Arbeit stark
stark gemacht
gemacht und
und zahlreiche
zahlreiche Projekte
Projekte auf
auf
den Weg gebracht.
den Weg gebracht.
Wir
Wir empfinden
empfinden eine eine große
große Dankbarkeit,
Dankbarkeit, ihn
ihn in
in unseren
unseren Reihen
Reihen gewusst
gewusst zu
zu haben
haben und
und
eine tiefe Trauer über den Verlust.
eine tiefe Trauer über den Verlust.
Wir
Wir werden
werden Rainer
Rainer sehr
sehr vermissen.
vermissen.
AIDS-Hilfe
AIDS-Hilfe Frankfurt
Frankfurt e.V.
e.V.
Förderverein
Förderverein der AIDS-Hilfe Frankfurt e.V.
der AIDS-Hilfe Frankfurt e.V.
wesentlicher Grund den CSD zu machen,
liegt damals wie heute darin, mehr Selbstbe-
wusstsein durch eine unübersehbare, öffent-
liche Masse zu schaffen und dadurch eine
Änderung im Bewusstsein bei Lesben und
Schwulen und in der Gesellschaft zu erreichen."
Rainers Engagement galt immer auch der
AIDS-Hilfe: sein Freund Carlos starb in den
1990ern an den Folgen von Aids. Die Schweige-
minute an jedem CSD-Samstag seit 1995,
während der der gesamte Festplatz in An-
dacht verstummt, rührt aus dieser Erfahrung.
Andere CSDs schlossen sich dieser Idee an
und richteten ebenfalls die Schweigeminute
ein. Auch die Tombola zugunsten der AIDS-
Hilfe hatte Gütlich ins Leben gerufen, ebenso
wie er verschiedene Benefiz-Abende initiiert
und organisiert hat: zum Beispiel 1999 die
"Regenbogenbrücke" zum Museumsuferfest,
der Vorläufer des heutigen Regenbogenufers.
Die Liste seiner Projekte lässt sich noch lange
weiterführen.
Rainer Gütlichs Lebensinhalt war - so
scheint es - ganz die Arbeit in der Community.
Platz für Privates gab es offenbar wenig. "Er
hat mal erzählt, dass er sogar im Darkroom
angesprochen wurde, wann denn der nächste
CSD sei", erzählt Reinhard Dietmann (DJ
Reinhard), der Gütlich seit den 1980ern
kannte. Beide arbeiteten schon damals als
Kellner im Blue Angel zusammen und
Dietmann ist seit den Anfängen des CSD in
der Klingerstraße an der Orga beteiligt.
Einen Lebenspartner hinterlässt Gütlich
nicht, wohl aber seinen heute 14-jährigen
Ziehsohn. Die im Februar 2004 geschlossene
Verpartnerung mit Anderson Santos hielt
nur ein Jahr. Im Anschluss hieß es immer öfter
"Ich finde keinen Mann".
Dennoch: Jammern war keine von Rainers
Eigenschaften. Sein Motto lautete "Es gibt
immer eine Lösung", erinnert sich Dietmann.
Rainer Gütlich war auch immer der "Mann
fürs Grobe", wie Bäppi La Belle es einmal
treffend formulierte. "Wenn's irgendwo eine
Panne gab und alle nur noch hysterisch rum-
geschrieen haben, kam der Gütlich, brum-
melte was und hat halt den Strom wieder an-
geschlossen oder die kaputten Schläuche
ausgetauscht." Ein bisschen grob war er auch,
wenn es ihm um die Durchsetzung seiner
Ideen, Ideale und Ziele ging. Damit hatten
viele ihre Schwierigkeiten - insgeheim war
man irgendwie froh, dass der Rainer das alles
macht. Oder man hätte es sein sollen, denn
darin zeigte sich eine eiserne Unbestechlichkeit,
die nun mal keine Kompromisse zulässt.
So auch Ende der 1990er: nach internen
Unstimmigkeiten im "Frankfurt Community"-
Verein verließ Gütlich 1996 zum ersten Mal
das CSD-Orga-Team; der CSD 1997 fand offi-
ziell ohne ihn statt. "Im Hintergrund hat er
natürlich mitgewirkt" erinnert sich Reinhard
Dietmann. 1998 holte ihn der Verein zurück
und gab ihm gleich auch noch die alleinige
Organisationsgewalt über das Fest.
Im vergangenen Jahr überraschte die
Frankfurter die Nachricht über seinen Ab-
schied als Organisator des CSD Frankfurt.
Rainer hatte die Aufgaben an seine langjährige
Mitarbeiterin Anika Pilger übertragen. Er habe
den Job lange genug gemacht und "keine Lust
mehr", sagte er damals in einem Gespräch
mit dem gab-Magazin.
Sein Selbstmord Ende Juni 2009 kam über-
raschend, niemand ahnte etwas. Auch die-
sen Weg hat Rainer Gütlich alleine angetre-
ten. Der mehrdeutige Satz "Es gibt ein Recht
auf das Leben, aber keine Pflicht", stand in
seinem Abschiedbrief. Die Familie möchte
den gesamten Inhalt des Briefs nicht veröf-
fentlichen. Wir respektieren das, und daher
bleiben die Beweggründe für seine Entschei-
dung unbekannt.
Er bat darum, anstatt Blumen lieber Lose
bei der CSD-Tombola der AIDS-Hilfe zu
kaufen. Ganz Rainer: die Sache zählt, der
Einzelne nicht.
Das stimmt leider nicht ganz: denn die
Sache ist immer nur so gut, wie die Macher,
die dahinter stehen. Und die Szene Frankfurt
hat nun leider einen ganz großen
Macher weniger. (bjö)