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Georg Wolfgang Cernoch

DIE THEORIE DER THEORIEN ALS GRUNDLEGUNG DER


METHODOLOGIE DER ERKENNTNISLOGIK
BEI KARL RAIMUND POPPER .
Eine kritische Untersuchung der »Logik der Forschung«
unter dem Gesichtspunkt der Bestimmbarkeit der »logischen Form«
von Basissatz und Naturgesetz.

DIE THEORIE DER THEORIEN

1. Die fragliche Form des Satzes als Grund der Einheit der Aussage:
Allsätze, Sätze numerischer Allgemeinheit, spezifische allgemeine Sätze.
Dazu: Eine Kontroverse von Wolfgang Stegmüller mit Karl Popper

Man kann eine Arbeit über Grundlagen der Methodologie eines


Prüfungsverfahrens von naturwissenschaftlichen Theorien, welche die
»Leistung« solcher naturwissenschaftlichen Theorien vergleichbar machen soll,
schwerlich eine Erkenntnislogik nennen, wenn nicht ernsthaft der Versuch
unternommen worden ist, die Methode der (naturwissenschaftlichen)
Erkenntnis an formale Grundsätze der Logik und Mathematik zu binden. Daß
eine Erkenntnislogik hingegen nicht aus rein formalwissenschaftlichen
Grundsätzen gewonnen werden kann, sollte gerade im ausgehenden
Zwanzigsten Jahrhundert keinerlei Erwähnung mehr bedürfen. Diese
Selbstverständlichkeiten verhindern zuweilen, die Brisanz der
Inbeziehungsetzung solcher als selbstverständlich vorausgesetzen Grundsätze
wahrzunehmen.

Ich sehe in der »Logik der Forschung«1 das grundlegende Werk für alle
weiteren erkenntnistheoretischen Arbeiten von Karl Raimund Popper und ich
halte das dritte Kapitel (Theorie) für den Versuch, zunächst Begriffe wie Sätze
der Form nach zu bestimmen, um deren Tauglichkeit für
naturwissenschaftlichen Theorien zu beurteilen. Das geschieht, wie man sich
gleich überzeugen wird können, zuerst ohne Hinzuziehung des Prinzips der
Falsifizierbarkeit.

Die vorliegende Arbeit soll unter anderem zeigen, daß Poppers theoretischer
Grundlegungsversuch einer Methodologie des Prüfungsverfahrens
naturwissenschaftlicher Theorien schon im Kern der Bemühungen nicht

1 Karl Raimund Popper, Logik der Forschung, Verlag J. C. B. Mohr, Tübingen 5 1973. Seitenangaben
beziehen sich, wenn nich anders angegeben, auf diese Arbeit.
ausreicht, um qualifiziert von einer Erkenntnislogik zu sprechen. — Daß dies
nicht zu einer einfachen Widerlegung des Falsifikationsprinzips als das der
Vergleichung des Falsifizierbarkeitsgrades naturwissenschaftlicher Theorien
vorausgesetzte Prinzip führen muß, soll ebenfalls gleich im Anschluß
demonstriert werden.

Ich beginne mit der Untersuchung der klassischen Problemaufstellung jeder


Erkenntnistheorie, nämlich mit der Unterscheidung in Erkenntnisgründe und
in Seinsgründe. Popper behandelt diese Differenz am deutlichsten unter § 13
im dritten Kapitel anhand der Differenzen von Allsatz, spezifischer allgemeiner
Satz und Sätzen von numerischer Allgemeinheit. Obgleich sich herausstellt, daß
hier zwischendurch Erkenntnisgrund und Seinsgrund hinterrücks identifiziert
wird, wird der Fortgang der Untersuchung zeigen, daß schon hier der von
Popper eingeschlagene Weg fruchtbarer ist als die Strategie des von mir als
Referenz ausgewählten Autors, der von einer deutlich klareren Vorstellung
des Verhältnisses von Erkenntnisgrund und Seinsgrund ausgeht.

Popper behauptet zunächst, daß zwischen erkenntnislogischen Grundsätzen


und arithmetischen Grundsätzen ein wesentlicher Unterschied in der
Konsequenz hinsichtlich ihrer Satzformen besteht:

»Wir können synthetische Sätze von „spezifischer“ und von „numerischer


Allgemeinheit unterscheiden; nur die spezifisch-allgemeinen entsprechen dem,
was wir bisher allgemeine Sätze genannt haben — den Theorien, den
Naturgesetzen; die „numerisch-allgemeinen“ sind mit besonderen Sätzen
(oder Konjunktionen von besonderen Sätzen) äquivalent und werden von uns
auch so bezeichnet.«2

Vergleiche man diese Feststellung mit einer späteren Auffassung über den
»besonderen Satz«: In § 13 sind besondere Sätze eindeutig weder Allsätze noch
spezifische allgemeine Sätze. Sogenannte »besondere Sätze« beinhalten auch
Individualien (§ 14). Im X. Kapitel des neuen Anhangs (1973) hingegen sind
besondere Sätze von den allgemeinen empirischen Sätzen hinsichtlich ihrer
Allgemeinheit nicht zu unterscheiden. Von den Fortschritten, die Popper in der
Bestimmung der logischen Form des besonderen Satzes seit der Abfassung des
dritten Kapitels der Forschungslogik gemacht hat, ist auch die in § 13
unternommene Unterscheidung von Sätzen in spezifischer und in numerischer

2 S. 34
Allgemeinheit betroffen. Allsätze seien demnach in § 13 noch spezifische
allgemeine Sätze, die nicht nur für alle empirisch möglichen Individuen gelten
sollen, sondern für alle möglichen Individuen dieser Art überhaupt. Popper
wählt hier als Beispiel das Gesetz für Oszillatoren, das er der empirischen
Behauptung, daß Menschen eine empirisch angebbare Größe nicht
überschreiten können, gegenüberstellt. Letztere Aussage sei nur durch eine
endliche Konjunktion von empirischen Einzelaussagen zu bekommen, und
zwar, dadurch man die Größe eines jeden Menschen zu einem bestimmten
Zeitraum mißt.

»Vergleichen wir z. B. die beiden folgenden Sätze: (a) Für alle Oszillatoren gilt,
daß ihre Energie niemals unter einen gewissen Betrag (nämlich hυ/2) sinkt; (b)
für alle (jetzt, auf der Erde) lebende Menschen gilt, daß ihre Körperlänge
immer unter einem gewissen Betrag (etwa 2 1/2 Meter) bleibt. Für die nur an
der Theorie der Schlüsse interesierte Logik (oder Logistik) wären diese beiden
Sätze „generelle Sätze“ (bzw. „generelle Implikationen“). Wir legen aber Wert
auf den zwischen ihnen bestehenden Unterschied: Der Satz (a) beansprucht, für
jeden beliebigen Orts- und Zeitpunkt richtig zu sein. Der Satz (b) hingegen
bezieht sich auf eine endliche Klasse von Elementen innerhalb eines
individuellen Raum-Zeit-Bereichs; Sätze von dieser Art könnten aber
grundsätzlich durch eine Konjunktion von singulären Sätzen ersetzt werden.
[...] Wir sprechen deshalb in diesem Fall von numerischer Allgemeinheit.
Dagegen könnte der Satz über die Oszillatoren nur dann durch eine
Konjunktion von singulären Sätzen ersetzt werden, wenn wir annehmen, daß
die Welt zeitlich begrenzt ist und daß es in dieser Welt nur endlich viele
Oszillatoren gibt.«3

In X. des neuen Anhangs würde Popper die Tatsache, daß die Menschen eine
gewisse Körpergröße nicht überschreiten, zumindest auf Randbedingungen
zurückführen und so daraus doch allgemeine empirische Sätze machen, oder
gleich genetische Gründe dafür anführen. Die Gründe, die im gegebenen
Beispiel zur Unterscheidung in Allsätze und in Sätze von numerischer
Allgemeinheit angeführt werden, sind also unzureichend.

Es soll deshalb nur der rein formale Grund der Unterscheidung von
numerischer Allgemeinheit und erkenntnislogisch geprägter Allheit diskutiert
werden. Popper führt aus:

3 S. 34
»Wir [...] fassen den Satz (a) [den Allsatz für Oszillatoren] als eine Allsatz, d. h.
als eine Aussage über unbegrenzt viele Elemente auf. In dieser Interpretation
kann er natürlich durch eine Konjunktion von endlich vielen singulären Sätzen
nicht ersetzt werden.
Unser Gebrauch des Begriffes „Allsatz“ steht im Gegensatz zu der
Auffassung, daß synthetische Allsätze grundsätzlich eine Konjunktion von
endlich vielen singulären Sätzen übersetzbar sein müssen. Die Vertreter dieser
Meinung berufen sich darauf, daß ein spezifisch-allgemeiner Satz niemals
verifizierbar wäre, und lehnen nichtverifizierbare Sätze mit Rücksicht auf das
Sinnkriterium oder ähnlicher Überlegungen ab.
Es ist klar, daß einer solchen Auffassung der Naturgesetze, die den
Gegensatz zwischen Allsätzen und besonderen Sätzen verwischt, das
Induktionsproblem als lösbar erscheinen muß, denn Schlüsse von besonderen
Sätzen auf numerisch-allgemeine Sätze sind natürlich zulässig.«4

Damit erweist sich Popper im Moment der Grundlegung seiner Begriffe nicht
als Realist: er beansprucht eine Geltung für Allsätze (und spezifische allgemeine
Sätze), die nicht in der Existenz der als endliche Menge gegebener Individuen
begründet liegt, sondern in der inneren Notwendigkeit eines Konzepts. Wird
berücksichtigt, daß darauffolgend in § 14 ein Satz, der Individualien beinhaltet,
ebenso als besonderer Satz behandelt wird, wie die Sätze der Konjunktionen
der numerischen Allgemeinheit von Sätzen auch schon zu »besonderen
Sätzen« ernannt wurden, kann nicht die Rede davon sein, daß die zwei
Definitionen der »besonderen Sätze« im dritten Kapitel (13. und 14 Punkt) zu
einer einheitlichen Auffassung gebracht worden sind.

Allein die Behauptung in § 13, daß die numerische (endliche) Anzahl von
gleichlautetenden Befunden über Individuen einer mit einem Namen
bezeichneten Klasse notwendigerweise keine Allaussage ergeben kann, bleibt
also für Diskussion der entscheidene Gegenstand. — Die Lage ist nicht einfach:
Die numerische Allgemeinheit von der logischen Allheit zu unterscheiden,
besitzt durchaus gute Gründe. Die logische Allheit mag die Abzählbarkeit ihrer
Elemente behaupten, eine numerische Bestimmung ist (mit Ausnahme eines
möglichen singulären Urteils) von der logischen Quantifikation jedenfalls nicht
zu behaupten. Zweifellos ist das ein Argument, daß auch Popper im Auge
gehabt hat. Andererseits bleibt zu fragen, worin die Notwendigkeit der

4 S. 34 f.
numerischen Allgemeinheit des Zählens und Rechnens liegt, was weiters zur
rein logischen Frage nach den Gründen der Notwendigkeit der Geltung eines
Allsatzes und der Geltung der formalen Implikation führt. Zweifellos ist das ein
Argumentationsgang, den Popper hier nicht direkt ins Auge gefaßt hat,
obwohl gerade Popper die Identität der Menge A mit der Menge B als Grund
der Allheit gegenüber der bloß numerischen Allgemeinheit in Stellung
gebracht hat. Es ist zu vermuten, daß die Unterscheidung in bloßer
Abzählbarkeit und bloßen Größenvergleichs einerseits und in die rechnerische
Größenbestimmung einer Anzahl als Zahl andererseits stark genug ist, um die
Unterscheidung Poppers zu rechtfertigen.

Hinter diesem Argument verbirgt sich aber eine andere Unterscheidung, die
Popper vielleicht im Auge hat, aber wohlweislich an dieser Stelle nicht
diskutiert: Es handelt sich dabei um die nämliche Unterscheidung in den rein
logisch quantifizierenden Grund der Notwendigkeit der Allheit (der freilich
nichts mit einem rechnerischen Begriff von Einheit und Notwendigkeit zu tun
hat) und den Begriff einer Notwendigkeit, die weder auf die logische noch auf
die arithmetische Quantifikation zurückgeführt werden kann. Es ist hier aber
nicht die formale Implikation der Kandidat, diese Notwendigkeit zu
demonstrieren, sondern der spezifische allgemeine Satz, den Popper als die
erste nähere Bestimmung einer naturwissenschaftlichen Theorie
hervorgehoben hat. — Eigentlich geht es hier nicht vorrangig um die Form der
»besonderen Sätze« (obgleich solche als Randbedingungen auch »Ursache«
genannt werden), sondern es geht hier schon darum, die spezifischen
allgemeinen Sätze gemeinsam mit den Allsätzen von den Sätzen numerischer
Allgemeinheit und anderen »besonderen Sätzen« abzugrenzen. Popper stellt
spezifisch allgemeine Sätze (wie die Theorie der Oszillatoren) nur als Allsätze
dar und nicht als Es-gibt-Sätze. Diese Willkürlichkeit ist leicht zu übersehen,
aber für den Fortgang der Überlegungen Poppers zu einer Theorie der
Theorien, welche eine Methodologie der Erkenntnislogik rechtfertigen soll,
von Bedeutung: Hier verschmilzt mit dem spezifisch allgemeinen Satz und
dem Allsatz bereits der Grund der Notwendigkeit einer empirischen Aussage
mit dem Grund der Notwendigkeit einer logischen Aussage.

Die damit verbundenen Problemstellungen werden im Rahmen dieser Arbeit


im Kapitel »Allsätze und universielle Es-gibt-Sätze« eingehend behandelt. Hier
ist vorrangig die unterschlagene Unterscheidung des Grundes der
Notwendigkeit eines spezifischen allgemeinen Satzes vom Grund eines
logischen Allsatzes selbst von Bedeutung. — Diese Unterscheidung halte ich
deshalb für zentral, weil es Popper im dritten Kapitel um die grundlegenden
und konstituierenden Entscheidungen gehen muß, welche eine
Erkenntnislogik möglich machen soll, die selbstständig und aus Gründen, die
von den Grundsätzen der formalen Logik unabhängig sind, theoretisch
formuliert werden kann. Im dritten Kapitel hat sich Popper offenbar
entschlossen, in § 13 vorübergehend (logische) Erkenntnisgründe und
Seinsgründe zu identifizieren. (Es sollte nicht notwendig sein, ich füge aber für
alle Fälle hinzu, daß ich das nicht für charakteristisch für die Vorgangsweise in
der »Logik der Forschung« halte).

Eine ganz ähnliche Problematik, wenn auch unter den entgegengesetzten


Voraussetzungen einer induktiven Erkenntnislogik, ist bei Wolfgang
Stegmüller beobachten. Ich will zur Gegenbeleuchtung der Ausgangslage im
dritten Kapitel der »Logik der Forschung« die Auffassung von Stegmüller
skizzieren, die eines mit der Auffassung Poppers gemeinsam hat: beide
betreiben die Aufhebung des Unterschiedes zwischen logischem Grund der
Allaussage und einer Gesetzesaussage; bei beiden geht es um einen spezifisch
allgemeinen Satz in seiner Selbstständigkeit gegenüber der Möglichkeit der
logischen Form, als Allsatz formuliert werden zu können.

Um zum Vergleich mit Auffassung Wolfgang Stegmüllers in dieser Frage, die


dieser anhand von Goodmann diskutiert, fortgehen zu können, steht nun an,
die Auffassung von Allaussage und Gesetzesaussage von Popper und
Stegmüller gegenüberzustellen.

Stegmüller vertritt, was die Allklasse betrifft, soweit die entgegengesetzte


Auffassung Poppers, indem der bloßen Konjunktion von analytisch möglichen
Sätzen über rote Äpfel (»Alle Äpfel sind rot«) von Stegmüller die Eigenschaft
der »Allklasse« zugeschrieben wird. Was vordergründig bloß wie eine
terminologische Schwierigkeit ausssieht, hat einen tieferen Hintergrund:
Popper beansprucht im dritten Kapitel für Allsätze noch die Eigenschaft,
unabhängig von regionalen Randbedingungen zu gelten. Stegmüller
bezeichnet nun die Allaussage »Alle Äpfel sind rot« als akziendtiell, weil nicht
alle Äpfel ihre Reife mit der Farbe Rot anzeigen, sondern nur die im
betrachteten Korb befindlichen Äpfel alle rot sind. Der Grund, den Stegmüller
hier für den Allsatz anführt, ist frei von jeder Konnotation mit irgendwelchen
wesensnotwendigen Gründen der Verknüpfung der Röte mit den Äpfeln.
Was versteht nun Popper unter der »Akzidentialität« eines Allsatzes? Im neuen
Anhang wird die Randbedingung als akzidentiell bezeichnet (und zwar die
Viruserkrankung des Vogel Moa in der Frage des durchschnittlich erreichten
Lebensalters). Diese Interpretation aus dem neuen Anhang ist deutlich stärker
als Poppers Position im dritten Kapitel, denn sie vermag oberste allgemeine
empirische Sätze und Randbedingungen (besondere Sätze) mit gleich streng
allgemeinen Sätzen auszudrücken. Für Popper bedeutet dann der Terminus
»Allklasse« einmal mehr etwa so viel wie Stegmüllers Gesetzesbegriff. Das
heißt, Stegmüllers Beispiel »Alle Äpfel sind rot« erweist sich wegen der
Abwesenheit jedweiliger »empirischer« Gründe für die Notwendigkeit dieser
Aussage als sowohl von der Strategie Poppers im dritten Kapitel wie von der
Strategie im zehnten Kapitel des neuen Anhangs verschieden, da in beiden
Darstellungen Poppers ungeachtet der Differenzen hinsichtlich des besonderen
Satzes gerade die Verbindung von spezifischen allgemeinen Sätzen und
Allsätzen beschwört wird. — Es können hier nur die vordringlichsten
Problemstellungen behandelt werden:

Zwischen Stegmüller und Popper besteht zuerst Uneinigkeit in der Frage, was
»akzidentiell« bedeuten solle. — Popper versteht unter akzidentiell alle
Aussagen, die nicht universal für alle vorkommende Objekte gelten, sondern
durch geeignete Randbedingungen (besondere Sätze) einen endlichen Begriff
der logischen Allheit liefern können, der kontingent und zufällig ist. Seine
Schwierigkeit, besondere Sätze im neuen Anhang dann doch
konsequenterweise nicht nur als allgemeine Sätze, sondern auch als Allsätze
behandeln zu müssen, ändert nichts an der von Popper in Gang gesetzte
Annäherung des logischen Grundes und des empirischen Grundes.

Stegmüllers Bestimmung des Akzidentiellen ist nicht so stark, sondern


beschränkt sich von vorneherein auf den logischen Grund selbst, der bei
Stegmüller konsequenterweise auf die numerische Allgemeinheit aller
möglichen analytischen Sätze über rote Äpfel zurückgeführt wird. Stegmüllers
Kriterien bewegen sich auf der Ebene der Unterscheidung von Notwendigkeit
und Akzidenz als Kontingenz, sodaß akzidentielle Beziehungen solche genannt
werden, die weder im Sinne eines universiellen oder auch universalen
Naturgesetzes notwendig sind, auch wenn die Tatsache, daß alle Äpfel im
untersuchten Korb rot sind, unbestreitbar ist und auch den Naturgesetzen
nicht widerspricht.
2. Allaussage und Gesetzesaussage bei Wolfgang Stegmüller5

Zuerst stellt Stegmüller fest, daß auch innerhalb der Theorie der Induktion ein
Kriterium der Gesetzesartigkeit benötigt wird. Nachdem Stegmüller gezeigt
hat, daß aus Allaussagen und Einzelaussagen in einem Syllogismus nicht
notwendigerweise Naturgesetze gebildet werden, kommt er zu folgendem
Schluß (S. 275 f.):

»Die Adequatheitsbedingung B2 , welche verlangt, daß unter den Prämissen


zumindest eine Gesetzesaussage vorkommen müsse, ist also verletzt. Um
allerdings eine solche Verletzung auch nachweisen zu können, müßte ein
Kriterium der Gesetzesartigkeit verfügbar sein. Der [...] naheliegenste
Vorschlag würde vermutlich dahin gehen, Allsätze mit bloß endlich vielen
Anwendungsfällen nicht als Gesetze zuzulassen. [...] Dieser sowie andere
Lösungsvorschläge, die sich leider alle nicht als tauglich erweisen, sollen an
späterer Stelle genauer erörtert werden.«6

Hier ist an Popper zu denken, der zunächst zwischen »allgemeinen


empirischen Sätzen« und »besonderen Sätzen« (als Randbedingungen) auf eine
Weise unterscheidet, die gut zwischen gesetzesmäßige Allaussagen und
akzidentielle Allausagen zu diskriminieren scheint. Offensichtlich handelt es
sich um das Problem des Überganges von Allausagen über endliche Bereiche
zu Allaussagen über unendliche Bereiche.

Das Problem zwischen akzidentiellen Aussagen (»Alle Äpfel im Korb sind rot«)
und naturgesetzlichen Aussagen zu unterscheiden bleibt auch für Stegmüller
bestehen:

»H sei etwa der Satz, daß alles Kupfer Elektrizität leitet. Einige positive Fälle
bestätigen diese Hypothese, d.h. diese positiven Fälle erhöhen beträchtlich die
Glaubhaftigkeit der Behauptung, daß auch andere Kupfergegenstände
elektrische Leiter sind. Wenn hingegen H eine akzidentielle Aussage ist, so
erscheint ein solcher Schluß von den tatsächlich überprüften positiven
Einzelfällen auf noch nicht überprüfte Fälle als unberechtigt. Wenn ich erfahre,
daß einige Männer, die sich in einem Vortragssaal oder bei einer

5 Stegmüller, Probleme und Resultate der Wissenschaftstheorie und Analytischen Philosophie, Band I.
Wissenschaftliche Erklärung und Begründung, (Studienausgabe, Teil 2). Kap. V., Das Problem des
Naturgesetzes, der irrealen Konditionalsätze und des hypothetischen Räsonierens
6 cit. op., S. 275
Opernveranstaltung aufhalten, dritte Söhne sind, so erhöht dies, auch wenn
kein Gegenbeispiel vorhanden [schlage vor: bekannt] ist, nicht die
Glaubhaftigkeit der Hypothese H, daß alle Männer in diesem Raum dritte
Söhne sind.«7

Stegmüller wiederholt hier den Fehler, den er vorhin (V. 2, S. 274, »Alle Äpfel
in diesem Korb sind rot«) vermieden hat, nämlich deshalb, weil die Theorie der
elektrischen Ladung eine Hypothese formuliert, nur die gesetzesartigen
Allaussagen für empirisch bestätigbar zu halten, aber nicht die akzidentiellen
Allaussagen.8 Die diskutierten Beispiele Goodmans sind aber nicht alle analog,
wie Stegmüller behauptet.9 Daß bisher gefundene Smaragde alle grün waren,
schließt nicht aus, daß in Hinkunft rote gefunden werden könnten. Hier
handelt es sich um eine akzidentielle Aussage. Daß Kupfer Elektrizität leitet, ist
aber nicht bloß eine akzidentiell festgestellte Eigenschaft, sondern noch dazu
anhand einer Theorie »erklärt« worden, weshalb in Metallen freie Elektronen
vorkommen, die Metalle insgesamt zum Leiter machen. Kupfer ist ein Metall,
etc.. Würde man eine Erklärung finden, wie Smaragde entstehen und dabei
herausfinden, daß die grüne Färbung zur Entstehung nicht notwendig ist, dann
wäre es eine Erklärung dafür, das die Aussage, Smaragde seien grün, nur eine
akzidentielle Aussage ist. Trotzdem könnte sie eine Allaussage sein, erstens
weil bis jetzt nur grüne Smaragde gefunden worden sind, oder weil überall auf
der Erde eben derjenige Umstand bei der Entstehung von Smaragden
mitwirkt, der die grüne Farbe bewirkt, gleich ob dieser Umstand zur
Entstehung von Smaragden notwendig ist oder nicht.

Es gibt also durchaus eine Unterscheidung in gesetzesartige und in


akzidentielle Allaussagen. Die gesetzesartigen Allaussagen sind einer Ableitung
fähig, welche Gründe für die zu beobachtete Eigenschaft angiebt und erlaubt,
auch für noch nicht beobachteten Einzelfälle unter anderer Randbedingungen
eine Prognose zu erstellen. Allerdings hat diese Unterscheidung einen Nachteil:
sie garantiert mitnichten die Wahrheit oder Richtigkeit der Theorie, sondern
nur einen Vorteil in der Konkurrenz mit anderen Theorien.

Auf S. 318 geht Stegmüller selbst auf eine Schwierigkeit der Goodmanschen
Auffassung ein, deren Bedeutung m. E. von Stegmüller aber viel zu wenig

7 cit. op. S. 277, — Dieses Problem hat schon Bolzano in der Wissenschaftslehre II behandelt, und zwar
anhand der Unterscheidung in imaginäre und in gegenstandslose Vorstellungen.
8 cit. op. S. 280
9 cit. op. S. 281, N. Goodman, Forecast, III, S. 59. ff.
gewürdigt worden ist: Goodman diskutiert nur einzelne Aussagen anhand
eines syntaktisch zu formulierenden Kriteriums und nicht Aussagesysteme.
Diese Schwäche ist aber nicht nur eine vorläufige Unvollkommenheit, sondern
ist als entscheidender Nachteil zur Unterscheidbarkeit von gesetzesmäßigen
und akzidentiellen Allaussagen zu betrachten. Als gesetzmäßig sind immer
jene Aussagen zu betrachten, welche die Form oder den Inhalt besonderer
Sätze bestimmen; das aber verbietet soetwas wie akzidentielle Allausagen.
Popper zeigt nun im neuen Anhang, daß auch besondere Sätze Allsätze sind,
ohne dabei auf die bloß numerische Allgemeinheit von Sätzen zurückkommen
zu müssen. Nur das stimmt im übrigen mit der im dritten Kapitel exponierten
nach oben und unten offenen Hierarchie von immer allgemeineren (bzw.
immer weniger allgemeinen) Sätzen überein.

Insofern empfiehlt es sich, trotz der verhehlten Identifizierung von Allsätzen


und spezifischen allgemeinen Sätzen im § 13 der L. d. F., den Überlegungen
von Karl Popper weiter zu folgen. Stegmüller stellt zwar das Problem
zwischen logischem Allsatz und Gesetzesaussage deutlicher heraus als Popper,
vermag aber diese Unterscheidung ebensowenig aufrecht zu erhalten wie
Popper. Diesem ist zweifellos zu Gute zu halten, daß er diese Schwierigkeit
gleich zu Beginn seines Grundlegungsversuches durch Identifizierung
kurzgeschlossen hat, und versucht hat, die nämliche Problemstellung anhand
der logischen Unterschiede von Allsätzen und universiellen Es-gibt-Sätzen zu
untersuchen.

Mit anderen Worten, der Begriff der Gesetzesartigkeit ist zwar das Ergebnis
der Methode, diese ist aber nicht im gleichen Sinne der Logik vorausgesetzt,
sondern die Logik ist sowohl der Methode wie ihrem Gegenstand, der
Gesetzesartigkeit, vorausgesetzt, gerade weil die Gesetzesartigkeit als Artefakt
der Methode auftritt. Den eigentümlichen Grund der Gesetzesartigkeit,
welcher von den logischen Gründen korrekten Aussagens und Schlußfolgerns
unabhängig ist, gilt es anhand der Bestimmung der Methode dingfest zu
machen. Vergleiche dazu den Grund der Asymmetrie zwischen Verifikation
und Falsifikation: Anfangs werden alleine logische Gründe für die
Falsifizierbarkeit ausfindig gemacht (§ 6):

»Unsere Auffassung stützt sich auf eine Asymmetrie zwischen Verifizierbarkeit


und Falsifizierbarkeit, die mit der logischen Form der allgemeinen Sätze
zusammenhängt; diese sind nämlich nie aus besonderen Sätzen ableitbar,
können aber mit besonderen Sätzen in Widerspruch stehen.«10

In § 15 kommt Popper dann zum Schluß:

»Denn wir sehen jetzt, daß eine Asymmetrie der logischen Verhältnisse nicht
vorausgesetzt wird; in diesen herrscht Symmetrie: Allsätze und universielle
Sätze sind zueinander symmetrisch gebaut. Erst unser Abgrenzungskriterium
zieht eine Grenzlinie, durch die die Asymmetrie entsteht.«11

Popper geht in § 15 womöglich schon davon aus, daß die Unterscheidung von
Allsätzen und universiellen Es-gibt-Sätzen nicht eine logische Unterscheidung,
sondern eine Angelegenheit d e s Falsifikationsprinzips als
Abgrenzungskriterium ist.

3. Die Interpretationsregeln der Axiome (Der Beschluß)

Popper hat in § 17 drei Fassungen eines axiomatischen Satzsystems mit dem
Zweck vorgestellt, mit der dritten Fassung eben jenen Verhältnisse genüge zu
tun, die für eine naturwissenschaftliche Theorie geeignet sind. Das heißt, die
Interpretation muß die Anwendung des Falsifikationsprinzip erlauben. Die
erste Darstellung Poppers bezieht sich auf uninterpretierte Satzsysteme, die
zweite auf anhand von Modellbegriffen interpretierte Satzsysteme, die er aus
der Naturwissenschaft ausschließen will, weil deren Folgesätze als analytisch
abgeleitete nicht falsizierbar sind. Dann stellt er drittens die Frage, wie es
möglich ist, ein axiomatisches Satzsystem als ein System von »empirischen«
Hypothesen zu interpretieren, was alleine naturwissenschaftlich genannt
werden kann.

»Als Festsetzungen aufgefaßt, legen die Axiome den Gebrauch der in ihnen


auftretenden Begriffe fest; es wird durch sie bestimmt, was von diesen
Begriffen ausgesagt werden darf und was nicht. Man pflegt zu sagen, daß die
Axiome die impliziten Definitionen der in ihnen auftretenden Begriffe sind.«12

10 S. 15 f., Hinweis auf das Postskript des Abschnitts 22


11 S. 41
12 S. 42
Nachdem Popper ein Beispiel gebracht hat, worin anhand des Unterschiedes
von (uninterpretierten) Aussagefunktionen u n d (interpretierten)
Aussagegleichungen die Analogie zwischen Mathematik und Logik in der
Axiomatik dargetan wird, schreibt Popper weiters:

»Ein Axiomensystem kann zunächst, da seine undefinierten Grundbegriffe als


Leerstellen betrachtet werden können, als ein System von Aussagefunktionen
aufgefaßt werden; setzt man fest, nur solche Wertsysteme zu substituieren, die
es befriedigen, so ist es ein System von Aussagegleichungen; als solche
definiert es implizit eine Klasse von Begriffsystemen. Jede das Axiomensystem
befriedigende Begriffssystem kann man auch ein „Modell“ des
Axiomensystems nennen.«13

»Wie kann nun ein Axiomensystem im Sinne eines Systems von empirisch-
wissenschaftlichen Hypothesen interpretiert werden? Die gewöhnliche
Auffassung ist, daß die in dem Axiomensystem auftretenden Zeichen nicht als
implizit definiert anzusehen sind, sondern als „außerlogische Konstanten“. So
können die in einem Axiomensystem der Geometrie auftretenden Begriffe
„Gerade“ und „Punkt“ als „Lichtstrahl“ und „Fadenkreuz“ interpretiert
werden. Damit, so meint man, werden die Sätze des Axiomensystems zu
Aussagen über empirische Gegenstände, zu synthetischen Sätzen.«14

Die in einem Axiomensystem der Geometrie auftretenden Zeichen für


»Gerade« und »Punkt« sind zwar als außerlogische, aber nicht als
außergeometrische Konstanten ohne jede explizite Definition anzusehen. Hier
handelt es sich meiner Auffassung nach vielmehr bereits um eine Zuordnung
zwischen zwei Axiomsystemen (Geometrie und Physik) und nicht um eine
Zuordnung von Geometrie als uninterpretiertes oder nur mittels implizit
definierter Universalien interpretiertes Axiomensystem einerseits und von
empirisch-wissenschaftlichen Hypothesen als mittels explizit definierter
Universalien interpretiertes Axiomensystem andererseits. Popper
berücksichtigt allem Anschein nach dieses Problem aber im nächsten Schritt:

»Diese vorerst einleuchtende Auffassung führt zu gewissen Schwierigkeiten,


die mit den Basisproblemen zusammenhängen. Es ist nämlich keineswegs klar,
wie ein Begriff empirisch zu definieren ist. Häufig spricht man von
„Zuordnungsdefinitionen“, womit man etwa folgendes meint: Dem Begriff

13 S. 43
14 l. c.
wird eine bestimmte empirische Bedeutung dadurch zugewiesen, daß man ihm
gewisse Gegenstände der wirklichen Welt zuordnet, ihn als Zeichen für diese
Gegenstände auffaßt. Aber durch Hinweis auf „wirkliche Gegenstände“
können wir offenbar nur den Gebrauch von Individualien festlegen — etwa in
der Weise, daß wir auf den betreffenden Gegenstand hinzeigen und einen
Namen nennen oder daß wir ihm ein Zeichen, seinen Namen, anheften usw.
Die Begriffe, die wir dem Axiomensystem zuordnen sollen, sind aber
Universalien, die wir nicht durch empirische Anweisung, Zuordnung oder dgl.,
sondern nur explizit mit Hilfe anderer Universalien definieren können oder
aber undefiniert lassen müssen. Es ist also unvermeidlich, gewisse Universalien
undefiniert zu lassen, und darin liegt die Schwierigkeit: Diese undefinierten
Begriffe können wir immer in nichtempirischem Sinn (i), d. h. wie implizit
definierte Begriffe verwenden, wodurch das System tautologisch wird. —
Diese Schwierigkeit werden wir nur durch den methodologischen Beschluß
beheben können, die undefinierten Begriffe nicht in dieser Weise zu
verwenden [...].«15

Der Gebrauch der Individualien wird mit dem Hinweis auf »wirkliche
Gegenstände« geregelt; wodurch wird der Gebrauch von Universalien
geregelt? Durch andere Universalien. Sind diese durch die Prädikation von
Universalien durch Universalien entstehenden Sätze Allsätze, universielle Es-
gibt-Sätze (§ 15), oder spezifische allgemeine Sätze (§ 13)? In § 15 bestimmt
Popper gleich zu Beginn, daß universielle Es-gibt-Sätze wie Allsätze Sätze sind,
die nur aus Universalien bestehen.

Die Erörterungen Poppers zum Gesamtproblem der Interpretation von


Axiomensysteme gehen vom letzten Punkt in § 17 (Interpretation durch
implizit und explizit definierte Universalien; S. 44) aus, und führen zu zwei
Fragen:
1) Wie steht der »methodologische Beschluß«, von dem Popper auf S. 44
spricht, welcher die empirische und nichtempirische Verwendung von implizit
definierten Universalien zur Interpretation von axiomatischen Satzsystemen
regelt, in näherem Zusammenhang mit der Unterscheidung in die zwei Arten
empirischer Interpretation eines axiomatischen Satzssystems, die Popper zuvor
zwischen »Modell« und »empirischer Hypothese« getroffen hat? Ich vermute,
daß doch nur die nichtempirische Verwendung von implizit definierten
Begriffen (Universalien) als Begriffe durch diesen Beschluß ausgeschlossen

15 S. 43
werden soll, und daß die empirische Verwendung von implizit definierten
Universalien zur Interpretation eines axiomatischen Satzssystems führt, die als
»Modell« desselben bezeichnet worden ist. Die Interpretation des Systems von
Aussagefunktionen mittels Modellbegriffen schließt Popper zwar ebenfalls von
der Interpretation des Axiomensystems mittels Hypothesen aus, welches er
natürlich für die alleinige Form einer naturwissenschaftlichen Theorie hält.
Doch wird hier offensichtlich die nichtempirische Verwendung implizit
definierter (undefinierter) Universalien aus anderen Gründen ausgeschlossen
als dort die Modellbegriffe, weil sie nicht falsifizierbare »analytische«
Folgesätze besitzen.

2) Die Interpretation mittels implizit definierten (undefinierten) Universalien in


empirischem Gebrauch, und die Interpretation mittels implizit definierten
Modellbegriffen (die offensichtlich doch explizite definierbar ist, wenn deren
Interpretation analytische Folgesätze besitzt), führt in der Axiomatik zu einer
Schwierigkeit, die ganz ähnlich auch bei der Festsetzung der logischen Form
des Basissatzes auftritt: Von den Instantialsätzen, die Popper dann doch aus
»negierten« Allsätzen ableitet, wird eben die gleiche Analyzität eines
naturwissenschaftlichen Axiomensystems behauptet (Wahrheits- oder
Falschheitswahrscheinlichkeit = 1, S. 204, Fußnote), wie in § 17 bei der
Interpretation als Modell aus impliziten Begriffen.

4. Undefinierte, implizit definierte und explizit definierte Universalien

Universalien enthalten immer irgend eine Art von Definition oder Merkmal;
weshalb werden sie einmal als undefiniert und einmal als implizit definiert
behandelt? Es sind mehrere Unterschungsschritte zu machen:

Ist die Behauptung richtig, daß Universalien nicht durch »empirische


Anweisung, Zuordnung oder dgl.« (S. 44) definiert werden können?
Vermutlich ist es nicht möglich, allein mit dem deictischen Gestus (Intention)
Universalien zu definieren, aber ist es möglich, ohne demselben Universalien
zu definieren? — Carnaps Darstellung des Individualiensproblems
(individuelle Verwendung und allgemeine Verwendung eines Begriffes
unterscheiden sich in rein logischer Hinsicht nicht, § 14)16 scheint darauf
hinzuweisen, daß dem nicht möglich ist. Doch übersieht Carnap, daß zwar

16 S. 38, Popper bezieht sich auf die Arbeit »Der logische Aufbau der Welt« (S. 213)
singuläre Es-gibt-Sätze ohne individualisierende Namen möglich sind, aber
gerade Individualien nicht ohne (freilich nur implizite) Raum-Zeit-Bestimmung,
und wird von Popper insofern zu recht kritisiert.

Popper meint also: Universalien können wir explizit nur mit Hilfe anderer
Universalien definieren, oder müssen sie undefiniert lassen. Es ist also
unvermeidlich, gewisse Universalien undefiniert zu lassen. — Die erste Frage
ist, was unter »explizite« an dieser Stelle nun genau verstanden wird: Die
explizite Definition bezieht sich offensichtlich auf inhaltliche Qualität, diese
kann in der Tat nur durch Universalien ausgedrückt werden. Das Individuelle
selbst kann mittels dem deictischen Gestus (der Intentionalität) nicht explizit
definiert werden in dem Sinne, daß damit ein Merkmal allgemein
ausgesprochen wird, sondern es werden durch den deictischen Gestus (und
somit aber auch durch Raum-Zeit-Bestimmungen) die universiellen Merkmale
zugesprochen oder aber bloß ein Name genannt, der zwar implizite Raum-
Zeit-Bestimmungen, aber kein allgemeines Merkmal des Gegenstandes (oder
seiner Klasse) bedeuten muß.17 — Namen sind selbst aber nicht
notwendigerweise nur als Individualien zu gebrauchen. Ein Name kann als
solcher sehr wohl auch als Bezeichnung einer Klasse von Gegenständen
dienen, auch wenn als »Name« zumeist derjenige Wortgebrauch bezeichnet
wird, der individualisiert. Eines der seltenen Beispiele, wo zunächst ein
eindeutig auf die individualisierende Funktion des Namens festgelegtes Wort
zur Bezeichnung einer Klasse herangezogen wurde, wäre »Caesar Augustus«.
Häufiger ist das umgekehrte Beispiele, wenn ein Haustier, daß vor Ort das
einzige seiner Gattung ist, obwohl es einen individualisierenden Namen hat,
mit seinem Gattungsnamen angesprochen wird.

Diese Ausdrucksweisen sind natürlich situativ normativ festzulegen, denn


zweifellos kann entweder durch einmalige Kombinationen von universiellen
Merkmalen, oder durch die Bestimmbarkeit des Prädikats vom Subjekt aus
(die Weiße des Knochens, die Weisheit des Sokrates) mehr oder weniger das
Individuelle auch mittels Universalien ausgedrückt werden. Im letzten Beispiel
(die Weiße des Knochens, die Weisheit des Sokrates) wird noch die universielle
Verwendung von Merkmalsbegriffen problematisiert, doch aber bleibt zu
sagen, daß mit dieser Art der Bestimmung des Individuellen sinnvoll die Rede
davon sein kann, daß mit den zuletzt gegebenen Beispielen von
Prädikatisierung eine »explizite« Darstellung gegeben werden konnte. — Im

17 »Nicht „Raum und Zeit“, sondern individuelle, also auf Eigennamen zurückgehende (Raum-, Zeit-
oder andere) Bestimmungen sind „Individuationsprinzipien“«, S. 37
Zusammenhang mit dem Individualen eben schon mit der Verminderung der
Geltung solcher Sätze, weshalb ich vorgezogen habe, in der ersten Frage lieber
von »expliziter Darstellung« als von Definition zu sprechen. Es ist die Frage
aufzuwerfen, ob ein derart bestimmter Begriff überhaupt zur Interpretation
von Axiomensystemen herangezogen werden kann, wenn er zwar ein
empirischer, in allgemein-logischer Hinsicht aber ein »undefinierter« Begriff ist.

Die zweite Frage ist, ob die »explizite Darstellung«« sinnvoll gemeinsam mit
dem Begriff der »expliziten Definition« verwendet werden kann. Hier einen
Unterschied zu machen, wie ich es eben mit der Verwendung des Ausdruckes
»explizite Darstellung« getan habe, scheint unumgänglich zu sein.

Die dritte Frage ist, ob das nun der Grund ist, deshalb zu beschließen, daß man
gewisse Universalien undefiniert lassen müsse. Ist damit gemeint, daß ein eben
nur implizit definiertes Universale zwar nicht als, aber wie ein Individuale
»definiert« wird? Allerdings ist zu sagen, daß dieser Art von Individualisierung
keine Raum-Zeit-Bedingung mehr ausspricht, und sich insofern von den
Individualien, wie Popper sie anhand von Eigennamen eingeführt hat,
unterscheidet:

»Hingegen können die Maßeinheiten des Koordinatensystems, die man


vorerst gleichfalls durch Individualien (Erdrehung, Pariser Urmeter) festlegt,
grundsätzlich durch Universalien definiert werden, z. B. durch die Wellenlänge
bzw. Frequenz des monochromatischen Lichtes, das in bestimmter Weise
behandelte Atome aussenden.«18

Dieser Individualisierung kann jede Universale unterzogen werden: dieser Ton


Rot, Färbigkeit, Räumlichkeit, Zeitlichkeit, das allgemeine Dreieck, der
allgemeine Kreis etc.. Jedes Konzept, sei es eines Dinges oder eines komplexen
Merkmales ist als solches nur eines. Napoleon Bonaparte ist in der Geschichte
einmalig, es gibt nur einen Raum, es gibt nur die Färbigkeit (und nicht noch
eine zweite), es gibt nur einen Begriff vom allgemeinsten Dreieck, etc..
Allerdings sollen einige Individualien doch grundsätzlich durch Universalien
definierbar sein: Poppers Beispiel der Definition der Maßeinheit anhand von
»Wellenlänge bzw. Frequenz des monochromatischen Lichtes, das in
bestimmter Weise behandelte Atome aussenden« hat aber den Mangel, daß
nicht nur die Weise, in welcher bestimmte Atome behandelt werden,

18 S. 36, Fußnote
entscheidend ist, sondern auch die Art der bestimmten Atome, die doch
gleichfalls Individualien sind.

Ich muß mich in dieser Frage der Auffassung von Russell und Withehead
anschließen, die chemische Elemente als Individuen betrachten, gestehe aber
zu, daß wesentliche Merkmale einer Klasse von Individuuen allgemein
ausgesprochen werden können. Popper geht auf die Unterschiede seiner
Auffassung zur Auffassung von Russell und Withehead näher ein:

»Auch die Unterscheidung, die Russell und Withead zwischen den


„Individuen“ (oder „Partikularien“) einerseits, den „Universalien“ andererseits
machen, hat mit der Unterscheidung von „Individualien“ und „Universalien“,
wie sie hier eingeführt wurde, nichts zu tun. Nach der Russellschen
Terminologie ist in dem Satz: »Napoeleon ist ein französischer Feldherr“ zwar
— wie bei uns — „Napoleon« ein „Individuum“, jedoch „französischer
Feldherr“ ein Universale; und umgekehrt in dem Satz: „Stickstoff ist ein
Nichtmetall“, zwar „Nichtmetall“ — wie bei uns — ein Universale, „Stickstoff“
jedoch ein Individuum“. Auch die „Kennzeichnungen“ („descriptions“)
entsprechen nicht unseren Individualien, da z. B. die Klasse der „Punkte meines
Körpers“ bei uns ein Individualbegriff ist, aber nicht durch eine
„Kennzeichnung“ dargestellt werden kann.«19

Popper hat eine Inkonsequenz in der Bestimmung des Individualbegriffs bei


Withehead und Russell ausgemacht: Wenn das Universale »Feldherr« trotz des
Attributs »französisch« ein Universalbegriff ist, weshalb sollte dann
ausgerechnet die spezifische Bezeichnung einer Klasse von Atomen ein
Individualbegriff sein? Popper entschließt sich offenbar für die der von
Withehead und Russell vertretenen genau entgegengesetzte Auffassung. Das
Attribut macht den Feldherrn zum Individualbegriff, die allgemeine Spezifizität
der mittels Universalien definierbaren Eigenschaften des chemischen Elements
den Stickstoff zum Universalbegriff. — Weshalb aber die Punkte meines
Körpers sich der Kennzeichnung entziehen und nicht gerade mit diesem
Beispiel die Definierbarkeit von Individualien mittels Universalien demonstriert
wird, und so allein wegen dem besitzanzeigenden Fürwort zum
Individualbegriff erklärt werden, steht wieder in direkten Widerspruch zur
Poppers Erklärung zur Begriffsform des Wortes »Stickstoff«: Wenn die

19 S. 38, Fußnote. Popper verwendet: Withehead-Russell, Prinzipia Mathematica (2. Auflage, 1925, Bd.
I) Introduction of the Second Edition, II. I, p. xix f.; deutsche Ausgabe von Mokre („Einführung in die
mathematische Logik“, 1932), S. 132
explizite Definierbarkeit eines Begriffes in dem einen Fall Popper nicht daran
hindert, weiterhin von einem Individualbegriff zu sprechen, warum soll die
gleiche Konstruktion mit einem besitzanzeigendem Fürwort in einem anderen
Fall falsch sein? Der für die Begriffsform entscheidende Unterschied zwischen
dem Satz »Die Punkte meines Körpers« und dem Satz »Das A des Stickstoffs«
vermag von Popper nicht deutlich gemacht zu werden.

— Ist es also unvermeidlich, gewisse Universalien undefiniert zu lassen? Wenn


ja, bedeutet das aber nicht, daß diese auch nicht demonstriert werden können,
also einer »expliziten« Darstellung entbehren müssen.

»Es ist also unvermeidlich, gewisse Universalien undefiniert zu lassen, und


darin liegt die Schwierigkeit: Diese undefinierten Begriffe können wir immer
im nichtempirischen Sinn, d. h. wie implizit definierte Begriffe verwenden,
wodurch das System tautologisch wird.«

Die von Popper genannte Schwierigkeit ist in der Tat mehrfach schwierig. Ich
frage mich nämlich andererseits, wie undefinierte Begriffe überhaupt noch
Verwendung finden können, und sogar noch im nichtempirischen Sinn, was
den deictischen Gestus auszuschließen scheint. Erweitert man aber den
deictischen Gestus zum allgemein Intentionalen des Bewußtseins, geraten
wieder die Konzepte in den Kreis der Überlegung, welche aus allen
Universalien nochmals Individualien macht (zumindest der Definitionsart
nach). — Ob das Popper aber mit seiner in § 17 als Schlußfolgerung
vorgestellten Behauptung der Tautologie wirklich gemeint hat, bleibt
dahingestellt: Wie man aus dem »empirischen« Gebrauch undefinierter (aber
doch nicht undefinierbarer?) Begriffe implizit definierte Begriffe macht,
worunter Popper schon einmal Modellbegriffe verstanden hat, die analytische
Folgesätze besitzen, wird in der diskutieren Darstellung in § 17 unterschlagen.
Im Anschluß daran ist dem »methodischen Beschluß« nur der Ausschluß der
»nichtempirischen« Verwendung implizit definierter Begriffe überlassen.

Die von Popper behauptete Tautologie von mittels implizit definierter


Universalien interpretierten Axiomensysteme findet nicht vorrangig in der
inhaltlichen Bestimmung oberster Universale ihren Grund, und hängt auch
nicht von der Unterscheidung in emprischer und nichtempirischer
Verwendung der Begriffe ab, sondern besteht vielmehr darin, daß die implizite
Definitionen der Universalien gerade anhand der Interpretation als
Grundbegriffe eines Axiomensystems als solche gesetzt werden, die zumindest
logische Widerspruchsfreiheit des Satzsystems garantiert. Die von Popper
geforderte Tautologie kann aber nur dann eine Folgerung sein, wenn die
Vereinbarung des logischen Kriteriums (eben der inneren
Widerspruchsfreiheit eines Satzsystems) mit der impliziten Definition der
Begriffe als bereits geleistet, zumindest als leistbar vorgestellt wird.

Demgegenüber ließe sich die explizite Definition noch als diejenige Form
denken, die in der Erfahrung falsifizierbar ist. Jedoch bleibt aufrecht, daß die
Widerspruchsfreiheit eines Satzsystems erst anhand von Sätzen, die der
Definition von Universalien durch weitere Universalien entstammen (also
unabhängig von jener Definition, die Popper als »explizit« bezeichnet hat)
gefordert werden kann. — Eigentlich ist nur dann die Widerspruchsfreiheit
eines Satzsystems darzustellen, wenn deren Sätze explizit dargestellt werden.
Genau das wurde der impliziten Definition von Begriffen schließlich aber
abgesprochen. Trotzdem soll mit den undefinierten Begriffen (also ohne
explizites Satzsystem) eine Tautologie möglich sein? — Man erinnere sich an
die analytischen Folgesätze des mittels »implizit definierter« Modellbegriffen
interpretierten Axiomensystems; die Definition von Universalien durch andere
Universalien kann aber ebenso analytisch verlaufen. Es kann keine Rede davon
sein, daß die Interpretation von Axiomensysteme mittels explizit definierter
Universalien garantiert, daß es sich um ein Satzsystem von Hypothesen
handelt, das geeignet ist, eine naturwissenschaftliche Theorie auszudrücken.

Es wird also ein »methodologischer Beschluß« gefordert, der den Gebrauch des
Wortes »empirisch« von vorneherein dahingehend einschränkt, daß damit nur
solche Begriffsbestimmungen zugelassen sind, welche mittels »empirisch-
wissenschaftlicher« Hypothesen interpretierbare Axiomensysteme ergeben.
Unter dieser Voraussetzung sagt der methodologische Beschluß,
explizit definierte Universalien nur in empirischer Verwendung zuzulassen,
genau die Bedingung aus, unter welcher ein Axiomensystem als mittels
empirisch-wissenschaftlicher Hypothesen interpretierbar angesehen werden
kann. Popper hält hingegen den Ausschluß der nichtempirischen Verwendung
implizit definierter Universalien für entscheidend und glaubt, damit zur
Einschränkung auf mittels »empirisch-wissenschaftlichen« Hypothesen
interpretierte Axiomensysteme gekommen, und der Tautologie entkommen
zu sein.

Was Popper dennoch∫ möglich macht, ist, daß die explizite Darstellung einer
Universalie durch andere Universalien sowohl in der Erfahrung exponiert, wie
auch allererst der Prüfung auf Widerspruchsfreiheit unterzogen werden kann.
— Zwischen der Interpretation eines Satzsystems mittels Modellbegriffe, die
wegen der Nichtfalsifizierbarkeit der Folgesätze aus den Naturwissenschaften
ausgeschlossen wird und der Interpretation eines Satzsystems mittels
empirischen Hypothesen kann aber gerade die von Popper in § 17 gegebene
Darstellung der »expliziten Definition« von Universalien nicht unterscheiden,
ohne auf die tautologische Definition des Wortes »empirisch«
zurückzukommen.

DIE LOGISCHE FORM DER NATURGESETZE

5. Allsätze und universielle Es-gibt-Sätze

Im § 15 des dritten Kapitels unternimmt Popper die Bestimmung der logischen
Form der Sätze, die zur Formulierung von Naturgesetzen geeignet sein sollen.
Da dieser Paragraph die Problematik der Bestimmung einer Erkenntnislogik
gegenüber den Gründen der formalen Logik deutlich erkennen läßt, soll hier
der erste Abschnitt vollständig wiedergegeben werden:

»Es genügt nicht, die allgemeinen Sätze etwa dadurch zu kennzeichnen, daß in
ihnen keine Individualien auftreten, Verwendet man das Wort „Rabe“ als
Universale, so ist der Satz: „Alle Raben sind schwarz“ ein Allsatz; in anderen
Sätzen, z. B.: „Viele Raben sind schwarz“ oder „Es gibt schwarze Raben“,
treten zwar auch nur Universalien auf, aber wir werden solche Sätze doch nicht
Allsätze nennen.
Sätze, in denen nur Universalien auftreten, wollen wir „universielle Sätze“
nennen. Von diesen sind für uns neben den Allsätzen vor allem die Sätze von
der Form: „Es gibt einen schwarzen Raben“,*[1] die wir universielle Es-gibt-
Sätze nennen, von Bedeutung.
Negiert man einen Allsatz, so erhält man einen universiellen Es-gibt-Satz
(und umgekehrt); z. B.: „Nicht alle Raben sind schwarz“ ist äquivalent mit: „Es
gibt nichtschwarze Raben“.*[2]
Da die naturwissenschaftlichen Theorien, die Naturgesetze, die logische
Form von Allsätzen haben, so kann man sie auch in Form der Negation eines
universiellen Es-gibt-Satzes aussprechen, d. h. in Form eines „Es-gibt-nicht-
Satzes“. So kann man den Satz von der Erhaltung der Energie bekanntlich auch
in der Form aussprechen: „Es gibt kein perpetum mobile“; oder die Hypothese
des elektrischen Elemetarquantums in der Form: „Es gibt keine elektrische
Ladung, die nicht ein ganzzahliges Vielfaches des elektrischen
Elementarquantums wäre“.*[3]
An diesen Formulierungen sieht man deutlich, daß man die Naturgesetze
als „Verbote“ auffassen kann: Sie behaupten nicht, daß etwas existiert, sondern
daß etwas nicht existiert.*[4] Gerade wegen dieser Form sind sie falsifizierbar :
wird ein besonderer Satz anerkannt, durch den das Verbot durchbrochen
erscheint, der die Existenz eines „verbotenen Vorganges“ behauptet („Der
dort und dort befindliche Apparat ist ein perpetum mobile“), so ist damit das
betreffende Naturgesetz widerlegt.*[5]«20

Es sollen nun in Folge die einzelnen Punkte und deren Implikationen in


logischer und erkenntnistheoretischer Hinsicht behandelt werden.

ad (1)
Es werden alle Sätze, die erstens aus Universalien bestehen und zweitens von
der Form »Es gibt AB« sind, als »universielle Es-gibt-Sätze« qualifiziert. Hier ist
von einer Einschränkung hinsichtlich der Quantifizierbarkeit solcher Aussagen
nichts zu bemerken. Im Gegenteil: Poppers Formulierung der für universielle
Es-gibt-Sätze charakteristischen logischen Form »Es gibt einen schwarzen
Raben« besitzt die Schwierigkeit, auch als singulärer Es-gibt-Satz verstanden
werden zu können. Popper läßt sich davon aber nicht beirren und setzt, wie im
Anschluß zu sehen sein wird, die Erörterung der universiellen Es-gibt-Sätze als
von einer bestimmten logischen Quantifikation unberührten Aussageform
fort.

ad (2)
Hier sind zwei Behauptungen getrennt zu betrachten: Die erste verlangt, daß
aus der Negation eines Allsatzes ein universieller Es-gibt-nicht-Satz entspringt.
Das ist offensichtlich nicht der Fall; aus der logischen Operation der
Verneinung eines Allsatzes entspringt ein Satz mit der Form »Nicht alle A sind
B«. Die dem freilich äquivalente logische Form »Es gibt A, die nicht B« ist die
hier nach der logischen Operation der Negation eines Allsatzes erfolgte
Übersetzung. Es steht allerdings frei, von hier aus darüber zu spekulieren, ob
ich den Allsatz deshalb negieren will, weil ich einen Beobachtungssatz der
Form »Es gibt nichtschwarze Raben« nicht länger auf Grund einer
Täuschungsmöglichkeit ausschließen kann. Dann wäre der Es-gibt-Satz »Es

20 S. 39 f.
gibt A, die nicht B« zwar der Grund der Negation, aber nicht das Ergebnis der
Negation des Allsatzes. — Schließlich könnte noch jenseits der Grenzen
formaler Logik bedacht werden, daß die Negation eines Allsatzes auch aus
dem Grund ausgesprochen werden könnte, weil man der Auffassung ist, daß
zu gelten habe: »Kein A ist B«.

Es ist zu bemerken, daß Poppers Definition des universiellen Es-gibt-Satzes als


logisch unquantifizierte Ausage auch für Sätze der Form »Es gibt A, die nicht
B« gilt.

Die zweite zu diskutierende Behauptung sehe ich im Klammerausdruck »und


umgekehrt« repräsentiert; also darin, daß die Negation eines universiellen Es-
gibt-Satzes auch zu einem Allsatz werden muß. Das ist die Kernaussage
Poppers: Er glaubt mit den universiellen Es-gibt-Sätzen jene »logische Form«
empirischer Sätze gefunden zu haben, die eine logische Negation erlaubt,
welche zu logisch eindeutigen Allsätzen führen soll. Es geht gerade hier um die
Möglichkeit eines Überganges von empirischen Sätzen zu theoretischen
Sätzen.

Führt nun die Negation eines universiellen Es-gibt-Satzes, der von Popper
bekanntlich bar jeder logischen Quantifikation ausgesprochen wird, wirklich zu
einem Allsatz? Mache man die Probe aufs Exempel: Der als universieller Es-
gibt-Satz ausdrücklich akzeptierte Satz der Form »Es gibt A, die nicht B« ergibt
negiert zwei Möglichkeiten, Gründe für seine Falschheit zu denken. Der erste
Grund liegt darin, daß vielleicht aus anderen Gründen einsichtig geworden ist,
daß es überhaupt kein A gäbe, der nächste Grund darin, daß es sich doch als
wahr herausgestellt hat, daß es kein A gäbe, das nicht auch B ist. — Negiert
man den Satz »Es gibt AB«, so wird noch deutlicher, daß nicht zwingend ein
Allsatz zu erwarten ist: Ich sehe Sätze der Form »Es gibt kein AB« oder »Es gibt
A, die nicht B« als mögliches Ergebnis, aber doch keinen Allsatz.

ad (3)
Popper geht davon aus, daß Naturgesetze die logische Form von Allsätzen
haben. Weil Popper erwartet, daß alle Arten von universiellen Es-gibt-Sätze
mittels Negation zu Allsätze werden, glaubt er auch, Allsätze logisch
äquivalent als Negation universieller Es-gibt-Sätze darstellen zu können. Er
glaubt aber auch weiters, daß er damit den Grund besitzt, weshalb
Naturgesetze, als allgemeine, aber doch empirische Sätze, überhaupt als
Allsätze auftreten können. — Die beigefügte Erklärung, was unter der
Negation eines universiellen Es-gibt-Satzes zu verstehen sein soll (nämlich die
logische Form eines Es-gibt-nicht-Satzes) legt aber der »logischen Form« der
Naturgesetze eine strikte Beschränkung auf, um als Verbote ausgesprochen
werden zu können. Im vierten Punkt wird diese radikale Auffassung
bekräftigt: »An diesen Formulierungen sieht man deutlich, daß man die
Naturgesetze als „Verbote“ auffassen kann: Sie behaupten nicht, daß etwas
existiert, sondern daß etwas nicht existiert.«

Popper gibt nun zwei Beispiele von der »Verbotsform«, die er den
naturgesetzlichen Aussagen hier noch als unleugbare Möglichkeit, späterhin
aber als methodologisch zwingende Regel der Formulierung vorstellig macht.
Das eine Beispiel ist das des Verbotes der Möglichkeit eines perpetum mobile
als Ausdruck für den Energieerhaltungssatz. Abgesehen von der Überlegung,
daß das Verbot nicht äquivalent dem Gebot sein muß, schon weil letzteres
mehr Informationen beinhaltet, muß doch entschieden festgehalten werden,
daß dieser Verbotssatz nicht die logische Form eines Allsatzes besitzt. — Erst
die darauf folgende Schlußfolgerung aus dem Gegenteil (dem Gegenteil der
verbotenen Möglichkeit eines perpetum mobile) führt zu einem Allsatz.

Die letzte und entscheidene Inkonsequenz begeht Popper hier aber damit, daß
mit dem Beispiel der Hypothese des elektrischen Elementarquantums
eindeutig ein Satz mit der Form »Es gibt kein A, das nicht B« vorgestellt
worden ist. Das ist nun eben kein Verbot, wie behauptet, aber sicherlich ein
Allsatz. — Allsätze ergeben sich ansonsten aus der Negation universieller Es-
gibt-Sätze auch in der Seitenlinie der Annahme, Sätze der Form »Es gibt ein A,
das nicht B« seien universielle Es-gibt-Sätze, aber nur möglicherweise. —
Popper vermag nicht die Negation eines Satzes von der Negation innerhalb
des Satzes zu unterscheiden: Es ist erst Fall für Fall zu entscheiden, welche
Konsequenz die Negation eines Operators oder Quantifikators, oder der
Kopula, des Prädikats oder des Subjekts für die Satzaussage (von deren
Negation vorrangig die Rede sein soll) jeweils besitzt. Nur mit der Annahme
einer solchen Fehlleistung ist verständlich zu machen, weshalb Popper die
Allaussage »Es gibt kein A, das nicht B« für eine Negation eines universiellen
Satzes gehalten haben kann.

Als Nebenprodukt stellt sich heraus, daß der von Popper zielgerichtet
betriebene Versuch, die universiellen Es-gibt-Sätze als plurative Urteile zu
definieren, die weder generelle Affirmation oder Negation ausdrücken, aber
auch keine singulären Es-gibt-Satz sein sollen, ebenfalls gescheitert ist. Mit der
intensionalen Darstellung des Allsatzes mittels eines Es-gibt-Satzes der Form
»Es gibt kein A, das nicht B« kann gezeigt werden, daß erstens ein Allsatz in
extensionaler Darstellung (»Alle A sind B«) auch ohne Negation seiner Aussage
als universieller Es-gibt-Satz formuliert werden kann, und daß zweitens der in
Punkt eins akzeptierte Definition der universiellen Es-gibt-Sätze, solche müssen
aus Universalien zusammengesetzt sein und die Form von Es-gibt-Sätzen
haben, auch genüge tut. Die eigentümliche Bestimmung durch Popper,
universielle Es-gibt-Sätze seien hinsichtlich ihrer logischen Quantifikation
plurative Urteile, ist also keine Schlußfolgerung aus den ersten zwei
Bestimmungen derselben hinsichtlich ihrer Universalität und
Existenzbehauptung, sondern seine willentliche Festsetzung, deren
Sinnhaftigkeit aber rätselhaft bleibt.

ad (5)
Der vierte Punkt wurde weiter oben schon in die Erörterung mit einbezogen.
Der fünfte Punkt bezieht seine Brisanz aus der Behauptung, die strenge
Verbotsform, die nicht behauptet, daß etwas existiert, sondern daß etwas nicht
existiert, sei die Voraussetzung, daß ein Satz falsifzierbar sei.

Diese Behauptung ist nicht ohne Witz. Wird behauptet: nichts existiert, so ist
diese Behauptung freilich mit dem Akt des Behauptens auch schon falsifiziert.
Insofern könnte man noch sagen, daß diese »transzendentale«
Falsifizierbarkeit die logische Bedingung unseres empirischen Bewußtseins ist.
— Derlei führt aber an den hier gestellten Ansprüchen vorbei: Offensichtlich
meint Popper nicht, daß der Satz »Es gibt A«, sondern daß der Satz »Es gibt
AB« verboten ist. Das trifft auf sein erstes Beispiel vom perpetum mobile auch
irgendwie zu. Hier ist aber entscheidend, daß nur die erkenntnistheoretisch
interessantere logische Form ein Naturgesetz zu formulieren (»Kein A, das
nicht B«), ein Allsatz, also eine generelle Affirmation und keine generelle
Negation (»Kein A ist B«) ist, und daß Sätze von dieser Form keine
Verbotssätze im Sinne der Negation von Aussagen sein können.

Die Falsifizierbarkeit eines Satzes hängt nun nicht davon ab, ob er extensional
oder intensional dargestellt wird. Die Unterscheidung von Allsätze und
universielle Es-gibt-Sätze ist demnach nicht die Grundlage der Unterscheidung
in falsifizierbare und verifizierbare Sätze, sondern den Unterschied von
Allsätzen und dem Umfang nach eingeschränkten plurativen Sätzen, also den
Unterschied von universaler Affirmation und partikularer Affirmation bzw.
partikularer Negation. Seine Definition »universieller« Es-gibt-Sätze als
plurative Urteile schließt fälschlicherweise sowohl die universale Affirmation
wie die universale Negation aus, nur um den logischen Grund in Stellung
bringen zu können, um zwischen falsifizierbare und verifizierbare Sätze zu
unterscheiden. —

Der haltbare Kern der Darstellung Poppers beschränkt sich darauf, daß die
partikuläre Affirmation (Es gibt AB, Es gibt A nicht-B) nicht falsifizierbar ist,
weil zur Falsifizierbarkeit ein Allsatz (oder auch ein spezifischer allgemeiner
Satz, der Notwendigkeit ausdrückt) vorausgesetzt ist. — Die extensionale
Formulierung des Popperschen »universiellen Es-gibt-Satzes« (bei Popper ein
pluratives Urteil, aber keine universale Affirmation) von der Form »Nicht alle
A sind B« würde aber ebenso die Falsifikation eines Allsatzes liefern. Jedoch
wird sowohl der Satz »Kein A, daß nicht B« wie der Satz »Alle A sind B« logisch
schon durch ein singuläres Urteil »Es gibt ein A, das nicht-B« falsifiziert (was
den Satz »Nicht alle A sind B« erfüllt); nicht falsifizierbar sind hingegen alle
partikulare Urteile, die kein singuläres Urteil sind, oder wie Popper in seiner
Definition des »universiellen Es-gibt-Satzes nahelegt, die plurative Urteile, die
aber doch keine generelle Affirmationen sind.

Popper glaubt allen Ernstes, daß die Form der Naturgesetze, die er zuerst nur
beispielsweise als Verbot formuliert, sich aus der Negation von universiellen
Es-gibt-Sätzen ergeben und so Es-gibt-nicht-Sätze sein müssen. Vielmehr
erweist sich abermals die — vorausgesetzte — universale Affirmation als
logische Form des Naturgesetzes. Ein universieller Es-gibt-nicht-Satz wäre von
der Form »Es gibt kein A, das B«. Nicht auszuschließen ist freilich, daß sich ein
Naturgesetz konträr in der Form der generellen Negation ausprechen läßt (Es
gibt kein A, das B); nur es fehlt der logische und der erkenntnislogische Grund,
weshalb Popper ausschließlich nur diese Form des Verbotes zulassen sollte.
Popper befindet sich demnach mehrfach in einem offenen Widerspruch mit
sich selbst und zur Tradition der extensionalen und intensionalen Logik.

6. Die Darstellung des Syllogismus von Franz Brentano. Eine Alternative?

Es gibt allerdings eine anderes Verfahren, Allsätze der quantifizierten


Prädikatenlogik der Form »Alle A sind B« und deren inneren und äußeren
Negationsformen in diejenige Form zu überführen, die Popper universielle Es-
gibt-Sätze nennt. Das bedeutet: »Alle A sind B« (Allsatz) wird zu »Ein A nicht-B
ist nicht« (universieller Es-gibt-Satz). Dies wäre die Fassung der Syllogistik von
Franz Brentano21 aufgrund Leibnizianischer Vorentscheidungen für eine
intensionale Logik22 und kein Übergang von Allsatz zu Es-gibt-Satz durch
Negation, der die Unterscheidung von klassischer Logik und Logistik
einerseits zur Erkenntnislogik andererseits rechtfertigen soll.23 — Die
Formulierung von »ist« und »ist nicht« Brentanos ist nun äquivalent der
Formulierung Poppers von »es gibt« und »es gibt nicht«; diese Formulierung
wird übrigens auch von Brentano abwechselnd gebraucht. Die Identifikation
der Es-gibt-Sätze Poppers mit dem Produkt der Umformung der
syllogistischen Sätze durch Brentano liegt demnach nahe. Popper hält den Satz
»Es gibt ein AB« für einen universiellen Es-gibt Satz und für ein pluratives
Urteil, während Brentano diesen Satz (er sagt: »AB ist«) für eine partikulär
bejahende Aussage hält. Das eine wie das andere fällt unter die sogenannten
»plurativen Urteilsformen«. Doch benützt man nicht die Negationsformen wie
Popper, fällt ein Unterschied der Bedeutungsnormierung der Sätze bei
Brentano und Popper auf: Für Brentano ist der Satz »Ein A nicht-B ist« eine
partikulär verneinende Aussage und kann nicht ohne weitere Bedingung als
singuläre Urteilsform aufgefaßt werden. Für Popper ist der Satz »Es gibt
nichtschwarze Raben« entschieden ein pluratives Urteil und sonst nichts.

Beide Ansätze sind mit der Absicht ins Werk gesetzt worden, sich von der
Unsicherheit der bloßen Phänomenologie (dem Abzählen und Überprüfen
aller Individuen) zu emanzipieren; wie sich zeigt, bei Popper ohne Erfolg: die
Falsifikation der Allsätze wie die Verifikation der universiellen Es-gibt-Sätze
benötigten eigentlich eine ins Unendliche gehende phänomenologische
Untersuchung. Zwar kann vermutet werden, daß die falsifizierbaren Allsätze
falsifiziert werden können, bevor alle möglichen Individuen geprüft worden
sind, während die Verifikation von bloßen nicht weiter qualifizierten (und
deshalb auch nicht falsifizierbaren) Es-gibt-Sätzen im strengen Sinn nach
Totalität verlangt. Doch kann diese Vermutung nicht
wahrscheinlichkeitstheoretisch ausgedrückt werden; und schon gar nicht,
wenn nur von Es-gibt-Sätzen und Allsätzen im allgemeinen gehandelt wird.24

21 Franz Brentano, Psychologie vom empirischen Standpunkt, 2. Bd.: Von der Klassifikation der
psychischen Phänomene, Hrsg. Oskar Kraus, Hamburg 1959 (Nachdruck von 1925), 3. Kap., § 7,
insbes. ab S. 57
22 Alfred Kastil, Die Philosophie Franz Brentanos, Francke-Verlag, Bern 1951, S. 202
23 L. d. F, Fußnote zu S. 34
24 »Die universiellen Sätze sind raum-zeitlich nicht beschränkt, auf kein durch Individualien
ausgezeichnetes Koordinatensystem bezogen. Damit hängt die Nichtfalsifizierbarkeit der
universiellen Es-gibt-Sätze zusammen — wir können nicht die ganze Welt absuchen, um zu beweisen,
daß es etwas nicht gibt — und ebenso die Nichtverifizierbarkeit der Allsätze: wir müßten gleichfalls
(genau so wie vorher) die ganze Welt absuchen, um dann sagen zu können, daß etwas nicht gibt.
Brentano glaubt hingegen in der Evidenz des Erkenntnissubjekts ein
ontologisches Unterpfand freigelegt zu haben, was in dieser Transformation
der syllogistischen Sätze zu Existentialurteile zum Ausdruck kommen soll. Die
entscheidende Verbindung in der Behandlung des Verhältnisses von Allsätzen
und Es-gibt-Sätzen ist aber doch die, daß Brentano mit der Formulierung der
allgemeinen Bejahung die nämliche Strategie wie Popper in § 15 anwendet.
Brentano gibt eine Fußnote, was unter den vier Klassen kateorischer Urteile zu
verstehen sei:

»Die partikulär bejahenden, die allgemein verneinenden, und die irrtümlich


sogenannten allgemein bejahenden und partikulär verneinenden. In Wahrheit
ist, wie die obige Rückführung auf die existentiale Formel deutlich erkennen
läßt, kein bejahendes Urteil allgemein (es müßte denn ein Urteil mit
individueller Materie allgemein genannt werden) und kein verneinendes Urteil
partikulär.«25

Popper geht ganz ähnlich vor. Allerdings bedeutet bei ihm die »existentiale
Formel« nicht modale Ontologie, die völlig abstrakt bleiben muß, sondern
wird zur wissenschaftstheoretischen Problemstellung, welche Eigenschaft Sätze
haben müssen, um Sätze einer naturwissenschaftlichen Theorie sein zu
können, die von der Erfahrung widerlegt werden kann. Popper führt in § 15
das Falsifikationsprinzip zum ersten Mal als entscheidendes Argument in die
Bestimmung der logischen Form von Sätzen, die für naturwissenschaftliche
Theorien geeignet sind, ein. Allerdings besitzt die Einführung bloß
vergleichenden aber nicht quantifizierenden Charakter: wie vorhin gezeigt,
kann Popper nicht ausschließen, daß auch zur Falsifikation eines Allsatzes die
ganze empirische Mannigfaltigkeit durchlaufen werden muß.

So bescheidet sich Popper zumindest in § 15 noch damit, daß man


Naturgesetze auch  in Form von Verboten ausprechen kann. Poppers Motiv ist
dabei, wie schon gesagt, daß dadurch, weil Naturgesetze als universielle Es-
gibt-Sätze behandelt werden können sollen, diese mit Erfahrungssätzen
(empirische Sätze) in Verbindung gebracht werden können: Obwohl er
universielle Es-gibt-Sätze als »metaphysisch« aus der Wissenschaft
ausgeschlossen hat, weil sie seiner Auffassung nach keine Allsätze sein können

Dennoch sind sind sowohl die universiellen Es-gibt-Sätze als auch die Allsätze einseitig
entscheidbar: Wenn wir feststellen, daß es hier oder dort „etwas gibt“, so kann dadurch ein univer-
sieller Es-gibt-Satz verfiziert bzw. ein Allsatz falsifiziert wird.« (S. 40)
25 Brentano, Psychologie vom empirischen Standpunkt, Bd. 2, cit. op., S. 57
(§ 15, S. 40), kann er doch auf diese in § 28 (S. 68) nicht verzichten. Und zwar
nicht, um durch die Hinzufügung von Raum-Zeit-Bedingungen aus
universiellen Es-gibt-Sätze singuläre Es-gibt-Sätze zu machen, wie es immerhin
möglich ist, sondern um aus singuläre Es-gibt-Sätze erst durch Wegnahme der
Raum-Zeit-Bedingung universielle Es-gibt-Sätze zu machen. Letztere können
dann Theorien widersprechen. Wie, wenn sie schon als metaphysisch
überhaupt ausgeschlossen worden sind? — Poppers Absicht in § 28 ist
allerdings bemerkenswert: Er will den Unterschied des logischen modus
tollens, nach welchem ein singulärer Es-gibt-Satz einen Allsatz falsifizieren
kann, zum erkenntnislogischen Falsifikationsprinzip anhand der Bedingung
definieren, daß Allsätze, die Naturgesetze aussagen, nicht durch einen
singulären Es-gibt-Satz falsifiziert werden können.

Es hat sich zeigen lassen, daß Popper das gleiche Kalkül der Es-gibt-Sätze wie
Brentano verwendet, handelt es sich doch in beiden Fällen um eine
Transformation von extensionaler Logik in intensionale Logik. Poppers
Auffassung unterscheidet sich vom Kalkül Brentanos schon äußerlich dadurch,
daß die Falsifikation wie Verifikation von Sätzen auf die Totalität der
Erfahrung angewiesen bleibt, während bei Brentano die ganze Erfahrung als
bereits gemachte Evidenz (womöglich als Wesenserkenntnis aus der
Erfahrung) vorausgesetzt wird. Poppers logische Festsetzung des
Unterschiedes des logischen modus tollens und des erkenntnislogischen
Falsifikationsprinzips wird sich zwar als brauchbar für die Bedingungen eines
Prüfungsverfahren von Basissätzen im Vergleich von naturwissenschaftlichen
Theorien erweisen,26 doch erkauft sich Popper diese Festsetzung mit einem
nicht auflösbaren Widerspruch.

7. Die entscheidende Differenz zwischen extensionaler und intensionaler


Darstellung der universiellen Sätze

Im Anschluß an den mißglückten Versuch in § 15, der »logischen Form« von


Naturgesetzen über die Bedingung, die Form von Allsätzen besitzen zu
müssen, um nach modus tollens falsifizierbar zu sein, hinausgehend eigene
erkenntnislogische Bestimmungen beizubringen, schränkt Popper die
universiellen Sätze weiter ein, um zu Sätzen zu gelangen, die eine
naturwissenschaftliche Theorie formulieren lassen. Die universiellen Es-gibt-

26 Singuläre Es-gibt-Sätze müssen erst zu bewährten Basissätzen qualifiziert werden, um eine Theorie
zu falsifizieren.
Sätze sollen, weil nicht falsifizierbar, als metaphysische Sätze ausgeschlossen
werden. In der Tat sind die universiellen Es-gibt-Sätze gemäß den Definitionen
Poppers (also samt der eigenwilligen Einschränkung auf das plurative Urteil)
nicht falsifizierbar, und nur deshalb aus Satzsystemen auszuschließen, die
gemäß dem Falsifikationsprinzip für naturwissenschaftliche Theorien tauglich
sein sollen. Weshalb diese Sätze aber metaphysische Sätze sein sollen, wird
daraus nicht klar.

Popper schließt in § 15 universielle Es-gibt-Sätze der Form »Es gibt AB« aus:

»Die universiellen Sätze sind raum-zeitlich nicht beschränkt, auf kein durch
Individualien ausgezeichnetes Koordinatensystem bezogen. Damit hängt die
Nichtfalsifizierbarkeit der universiellen Es-gibt-Sätze zusammen.«27 Das
bedeutet wohl, daß auch universielle Es-gibt-Sätze die Eigenschaft der raum-
zeitlichen Unbeschränktheit ungeteilt und ganz besitzen wie die universiellen
Sätze überhaupt. Das trifft auf alle Es-gibt-Sätze zu; folglich darf ich vermuten,
daß vom Ausschluß alle von Popper angeführten Arten universieller Es-gibt-
Sätze betroffen sind: universale (generelle) Affirmation und Negation,
partikulare Affirmation und Negation. — Oder meint Popper doch nur die Es-
gibt-Sätze der Form »Es gibt ein AB«, also nur die partikulare Affirmation? So
ist die partikulare Affirmation in intensionaler Darstellung als Es-gibt-Satz (die
extensionale Darstellung wäre »Mindestens ein A ist B«) in der gleichen
Verlegenheit wie Carnaps Auffassung, der gleich den Unterschied von
individueller und allgemeiner Verwendung von Begriffen aufheben wollte
(S. 38): Sie kann erstens als Metaausssage über das Konzept von A verstanden
werden und insofern als spezifischer allgemeiner Satz, sie kann zweitens als
singulärer Es-gibt-Satz als »Irgendein A« verstanden werden, und sie kann
drittens als partikulare Affirmation verstanden werden.28 Ein solcher Satz ist
freilich aus der Wissenschaft auszuschließen.

Daß der Ausschluß von universiellen Es-gibt-Sätzen trotz der Einschränkung


auf plurative Urteile problematisch genug bleibt, zeigt sich schließlich daran,
daß Popper in § 28 universielle Es-gibt-Sätze voraussetzt, damit Basissätze von
der Form singulärer Es-gibt-Sätze nach der Wegnahme von Raum-Zeit-
Bestimmungen allererst den Allsätzen einer Theorie widersprechen können

27 S. 40
28 Edmund Husserl, Logische Untersuchungen II, Untersuchungen zur Phänomenologie und Theorie des
Erkennens: Die ideale Einheit der Spezies und die neueren Abstraktionstheorien (erste Auflage 1901,
Nachdruck von 2 1913, Tübingen: Niemeyer, 1980); Lockes allgemeinstes Dreieck (§§ 9-23)
(S. 68 oben). Die Skizzierung des Übergangs von der logischen Bestimmung,
daß der (wahre) Satz »Es gibt ein A in k, das nicht B« den Allsatz »Kein A, das
nicht B« widerlegt, zur erkenntnislogischen Bestimmung, welche universielle
Es-gibt-Sätze zur Widerlegung von Allsätzen fordert, wird nicht leicht fallen.
Zumal der logische modus tollens, daß kein Folgesatz widerlegt werden kann,
ohne die Prämisse zu widerlegen, nicht selbst fordert, daß zur Widerlegung
einer Hypothese die Bewährung einer entgegengesetzten Hypothese
erforderlich ist, kann nur vermutet werden, daß Popper in § 28 vom
universiellen Es-gibt-Satz bereits verlangt, ein Allsatz zu sein.

Es ist aber gerade in dieser problematischen Einschränkung auf plurative


Urteile womöglich ein Grund zu finden, weshalb Popper die universiellen Es-
gibt-Sätze als »metaphysische« Sätze ausgeschlossen hat.

Es wird aufgefallen sein, daß Popper zu erlauben scheint, aus universiellen Es-
gibt-Sätzen, sofern sie keine Allsätze sein können, singuläre Es-gibt-Sätze
abzuleiten, obgleich logisch verboten ist, aus Allsätzen die Existenz von etwas
abzuleiten. Und zwar allein deshalb, indem er aus der Negation des Allsatzes in
extensionaler Darstellung einen Es-gibt-Satz folgert, der, gerade weil als
unabhängig von jeder logischen Quantifikation aufgefaßt, keinen rein
formalen Grund zu seiner allgemeinen Behauptung beanspruchen kann. —
Verfolgt man diesen Gedankengang, wird man auch einen Grund ausfindig
machen können, weshalb Popper die universiellen Es-gibt-Sätze (mit seiner
Beschränkung auf ein pluratives Urteil) als »metaphysisch« aus dem Katalog
naturwissenschaftlicher Theorien ausschließt.

Zwar hat Popper insofern recht, wenn er sagt, daß singuläre Es-gibt-Sätze nicht
aus Allsätzen ableitbar sind, das könnte aber unabhängig von der
Formulierung in extensionaler oder in intensionaler Darstellung gelten. In
extensionaler Darstellung muß eine Entscheidung getroffen werden, ob es eine
leere Klasse gibt oder nicht: Wenn gesagt wird, es gilt »Alle A sind B«, aber es
gibt kein A, dann folgt aus dem Allsatz die leere Menge und nicht, daß es ein A
gäbe, das nicht-B. Gleiches gilt aber auch für die Formulierung »Es gibt kein A,
das nicht B«. Der Schluß: Wenn es kein A gibt, dann deshalb nicht, weil kein A
auch B ist, ist durchaus nicht zwingend, sondern kann in der Konsequenz wie
in der extensionalen Darstellung auch darauf zurückgeführt werden, daß es
nun überhaupt kein A gibt; würde es aber eines geben, dann müßte auch B
gelten. Das heißt aber, daß auch aus dem universiellen Es-gibt-Satz in generell
(universal) affimierender Form nicht notwendigerweise ein singulärer Es-gibt-
Satz folgen muß.

Das stimmt offensichtlich für generelle (universale) Affirmationen, gleich ob in


extensionaler oder intensionaler Darstellung. Stimmt das aber auch wirklich für
partikulare Affirmationen? — Der Satz »Es gibt ein A, das nicht-B« behauptet
nicht nur, daß, wenn es ein A gibt, dieses nicht-B oder auch B sein könne,
sondern zuerst, daß es (mindestens) ein A gibt. Der Satz »Nicht alle A sind B«
kann aber nicht daraufhin festgelegt werden, daß es mindestens ein A
überhaupt gibt, sondern könnte genausogut auch bedeuten, daß, falls es ein A
gibt, es nicht auch der Fall sein müsse, daß dieses A auch B ist. In der
partikularen Affirmation unterscheidet sich die intensionale Formulierung
dann doch von der extensionalen Formulierung. Dieser Unterschied
verschwindet, wenn man die Existenz von A voraussetzt. — Insofern kann
Poppers streng genommen falsche Vorstellung des universiellen Es-gibt-Satzes
als »Negation« des Allsatzes und des Allsatzes als »Negation« eines
universiellen Es-gibt-Satzes in § 15 mittelbar doch noch die Bedeutung einer,
zwar fehlgeleiteten, aber doch bemerkenswerten »Fulguration« in der
Reflexion der diskutierten Verhältnisse gegeben werden.

Popper verbindet mit der Transformation der universiellen Sätze (nichts als ein
nur aus Universalien zusammengesetzter Satz) von extensionaler Logik in
intensionale Logik bekanntlich den Übergang von falsifizierbaren Allsätzen zu
nichtfalsifizierbaren und nur verifizierbaren universiellen Es-gibt-Sätzen.
Warum ist aber diese Verminderung der Aussagekraft universieller Es-gibt-
Sätze, die nur ein Artefakt seiner willkürlichen Festsetzung der Indifferenz
hinsichtlich der logischen Quantifikation ist, für Popper überhaupt interessant?
Er kann anhand des Überganges von singulären zu universiellen Es-gibt-Sätze
mittels Wegnahme einer Raum-Zeit-Bedingung eine Eigenschaft bestimmen,
die sowohl Basissätze wie allgemeine Sätze haben müssen (und, wie gezeigt,
auch umgekehrt). Popper bezeichnet anfangs (§ 15, Allsätze und universielle
Es-gibt-Sätze) sowohl Allsätze wie universielle Es-gibt-Sätze zuerst als
»allgemeine« Sätze, dann gleich als »universielle« Sätze (S. 39). Da man nun
Allsätze in universielle Es-gibt-Sätze verwandeln kann (da beide universielle
Sätze sind), die letzteren aber wiederum mittels Raum-Zeit-Bedingung in
singuläre Es-gibt-Sätze, will Popper auf diese Weise im Dunkel der von ihm
verborgenen möglichen Umkehrung der Wegnahme von Raum-Zeit-
Bestimmungen zur Hinzufügung derselben das logische Verbot umgehen, daß
aus Allsätze keine singulären Sätze gefolgert werden können, die auch
Basissätze sein könnten. — Die universiellen Es-gibt-Sätze in der
Einschränkung auf plurative Urteile werden derart zur realitätshaltigen
Alltagssprache, welche der Sprache wissenschaftlicher Theorien vorausgesetzt
wird.

Aus metaphysischen universiellen Es-gibt-Sätzen wie »Es gibt Naturgesetze«


oder »Die Welt wird von strengen Gesetzen beherrscht« kann Popper aber
doch nicht einen singulären Es-gibt-Satz ableiten, der ein Basissatz sein könnte.
So stellt Popper zwei Forderungen auf, welche die Festsetzung, daß »die
Basissätze die Form singulärer Es-gibt-Sätze haben sollen.«29 garantieren
sollen:

(a) »aus einem Allsatz, d. h. einem universiellen Es-gibt-nicht-Satz kann nie ein
singulärer Es-gibt-Satz deduziert werden«

(b) »aus jedem singulären Es-gibt-Satz [ist] durch Weglassen der Raum-Zeit-


Bestimmung ein universieller Es-gibt-Satz ableitbar«30

Sieht man von dem Unsinn ab, daß Allsätze universielle Es-gibt-nicht Sätze sein
sollen, nur weil sie Naturgesetze aussagen, wird von diesen Bedingungen in
der Tat garantiert, daß Basissätze (ohne Randbedingungen) nicht aus diesen
ableitbar sind, sondern von den Allsätzen unabhängige singuläre Es-gibt-Sätze
zur Bildung von Basisätzen vorausgesetzt sind.

8. Die »logische Form« einer empirischen Theorie

Im vierten Kapitel (Falsifizierbarkeit) kommt Popper zu einer


befriedigenderen Darstellung der Forderungen, unter welchen man von einer
empirischen Interpretation eines Axiomensystems (von einer empirischen
Theorie) sprechen kann:

»Man könnte zunächst versuchen, eine Theorie dann empirisch zu nennen,


wenn aus ihr besondere Sätze ableitbar sind; das läßt sich aber nicht
durchführen, weil zur Deduktion besonderer Sätze immer besondere Sätze,
Randbedingungen substituiert werden müssen. Aber auch der Versuch, jene

29 S. 68
30 l. c.
Theorien empirisch zu nennen, aus denen bei Substitution besonderer Sätze
andere besondere Sätze ableitbar sind, mißlingt, denn aus nichtempirischen,
z. B. tautologischen Sätzen können in Verbindung mit besonderen Sätzen
immer besondere Sätze abgeleitet werden. (Nach den Regeln der Logik dürfen
wir z. B. sagen: Aus der Konjunktion von „Zwei und zwei ist vier“ und „Hier
ist ein schwarzer Rabe“ folgt u. a. »Hier ist ein Rabe“.) Aber es genügt nicht
einmal die Forderung, daß aus der Theorie in Verbindung mit einer
Randbedingung mehr deduzierbar sein soll als aus der Randbedingung allein;
denn das würde zwar tautologische Theorien ausschalten, jedoch nicht
synthetisch-metaphysische Sätze. (Beispiel: Aus „Jedes Ereignis hat eine
Ursache“ und „Hier ereignet sich eine Katastrophe“ folgt „Diese Katastrophe
hat eine Ursache“.)
Wir müßten also etwa verlangen, daß mit Hilfe der Theorie mehr
besondere (singuläre) empirische Sätze deduziert werden können, als aus den
Randbedingungen allein ableitbar sind, d. h., wir werden unsere Definition auf
eine bestimmte Klasse von besonderen Sätzen, eben die Basissätze stützen
müssen.«31

Popper gibt hier in § 21 eine Reihe von weiteren Bedingungen, die er in § 17 bei
der Bestimmung der Interpretation von Axiomensysteme nicht behandelt hat
und nicht behandeln konnte. Popper bezieht sich hier allem Anschein nach auf
diejenigen Problemstellungen, die ich im Kapitel »Die Interpretationsregeln der
Axiome« behandelt habe und versucht die Schwierigkeit, anhand der expliziten
Definitionen von Universalien zwischen einem analytischen Modell und einem
System von Hypothesen unterscheiden zu können, dadurch zu lösen, indem er
die Sätze der Theorie als Obersatz, die Randbedingungen (besondere Sätze) als
Untersatz vorstellt. Daß besondere Sätze die logische Form singulärer Es-gibt-
Sätze besitzen, reicht aber nicht aus, das ließe sich auch mit einer
tautologischen Theorie erreichen, aus welche mittels Randbedingungen
weitere besondere Sätze analytisch ableitbar wären. — Es sollen nunmehr
Basissätze die logische Eigenschaft besitzen, mehr singuläre Sätze abzuleiten,
als in den Randbedingungen (also den besonderen Sätzen, die doch selbst
schon die Form singulärer Es-gibt Sätze haben sollten) enthalten ist. Der
Grund, dies zu können, muß dann wohl in den allgemeinen Sätzen der Theorie
liegen, die verdient, eine empirische Theorie genannt zu werden, welche aus
den möglichen empirischen Sätzen (Beobachtungsätze) diejenigen auswählt,
welche Basissätze der spezifischen Theorie genannt werden können.

31 S. 52, § 21 Logische Untersuchung der Falsifizierbarkeit


Wie ersichtlich, hängt die erforderliche Eigenschaft einer Theorie, um eine
empirische genannt werden zu können, an der Fähigkeit, einen Basissatz
bestimmen zu können, der mehr aussagt als der Untersatz (der besondere
Satz). Trotzdem werden Basissätze nicht als von den Sätzen der Theorie
erzeugt oder abgeleitet betrachtet, sondern die Sätze der Theorie teilen die
Basissätze nur in zwei Klassen ein:

»Mit Rücksicht darauf, daß es gar nicht durchsichtig ist, in welcher Weise ein
komplizierteres theoretische System bei der Deduktion von Basissätzen
mitwirkt, wählen wir folgende Definition: Eine Theorie heißt „empirisch“ bzw.
„falsifizierbar“, wenn sie die Klasse aller überhaupt möglichen Basissätze
eindeutig in zwei nichtleere Teilklassen zerlegt: in die Klasse jener, mit denen
sie in Widerspruch steht, die sie „verbietet“ — wir nennen sie die Klasse der
Falsifikationsmöglichkeiten der Theorie —, und die Klasse jener, mit denen sie
nicht in Widerspruch steht, die sie „erlaubt“. Oder kürzer: Eine Theorie ist
falsifizierbar, wenn die Klasse ihrer Falsifikationsmöglichkeiten nicht leer ist.«32

Die Basissätze bleiben unabhängig von einer bestimmten Theorie; die Menge
aller überhaupt möglicher Basissätze (empirischer Sätze) ist der geforderten
Leistung einer spezifischen Theorie vorausgesetzt; diese Leistung besteht in
der Einteilung dieser vorausgesetzten Menge von möglichen Basissätzen in
zwei Klassen. — Da Basissätze gegenüber den Protokollsätzen, insbesondere
wenn sie bloß sinnliche Erlebnisse aussagen, den Vorzug besitzen sollen, die
Vorausgesetztheit einer Theorie reflektiert zu haben, wird damit eine Theorie
der Naturwissenschaften überhaupt vorausgesetzt, bevor eine spezifische
naturwissenschaftliche Theorie die Menge der Basissätze überhaupt
(empirische Sätze) in zwei entgegengesetzter Mengen von Basissätzen
zerlegen kann.

»Hier setzen wir voraus, daß es falsifizierbare Basissätze gibt; wir bemerken, daß
wir unter Basissätzen nicht etwa ein System von anerkannten Sätzen
verstehen; vielmehr enthält das System der Basissätze alle überhaupt
nichtwiderspruchsvollen besonderen Sätze einer gewissen Form — sozusagen
alle überhaupt denkbaren Tatsachenfeststellungen; es enthält daher auch Sätze,
die einander widersprechen.«33

32 S. 53 f., Hervorhebung von mir


33 S. 52
Eine Bestätigung einer eigenen Klasse von Basissätzen überhaupt (empirische
Sätze), die von der Einteilung in »erlaubte« und »verbotene« Basissätze
unabhängig ist. Jedoch erlaubt Popper sonderbarerweise, daß das System der
Basissätze als »alle [...] nichtwiderspruchsvollen besonderen Sätze einer
gewissen Form« daher auch Sätze enthalten soll, die einander widersprechen.
Dieses sonderbare »daher« läßt sich nicht anders als dadurch erklären, daß
Popper etwas unter den Tisch fallen hat lassen, was die damit ausgesprochene
Schlußfolgerung erst ermöglichen könnte: nämlich die Annahme, daß
einerseits die Menge der Sätze »einer gewissen Form« für die Idee einer
einheitlichen Theorie der Naturwissenschaft stehen könnte, die andererseits
erst nach einer regionalontologischen Vorentscheidung im Rahmen der
Konkurrenz von (spezifischen) Theorien einen weiteren Einteilungsgrund
erhält, um zwischen erlaubten und verbotenen Basisätzen zu unterscheiden.

»Die Basissätze spielen also zwei verschiedene Rollen: Einerseits ist das System
aller logisch-möglichen Basissätze sozusagen ein Bezugssystem, mit dessen
Hilfe wir die Form empirischer Sätze logisch kennzeichen können; andererseits
sind die anerkannten Basissätze Grundlage für die Bewährung von Hypothesen.
Widersprechen anerkannte Basissätze einer Theorie, so sind sie nur dann
Grundlage für deren Falsifikation, wenn sie gleichzeitig eine falsifizierende
Hypothese bewähren.«34

Das ist die wesentliche Unterscheidung, welche die Erkenntnislogik von der
formalen und reinen Logik unterscheidet: ein bloßer vereinzelter Widerspruch
eines besonderen Satzes (als von der Form eines singulären Es-gibt-Satzes)
reicht nicht zur Widerlegung eines allgemeinen Satzes einer Theorie, es muß
ein anerkannter Basissatz, d. h. ein »verbotener« Basissatz sein. — Das, was die
Basissätze mehr aussagen können sollen als die Randbedingungen (besondere
Sätze, empirische Sätze) ist offensichtlich allgemein ausgedrückt die
Eigenschaft, ein »verbotener« Basissatz zu sein, was einschließen soll, eine
entgegengesetzte Hypothese (eine widersprechende Theorie) zu bewähren.

Es wurde in dieser Arbeit eingangs schon erwähnt, daß Popper die Auffassung,
ein besonderer Satz müsse ein singulärer empirischer Satz sein, später wieder
aufgibt. Diese Auffassung wird weiter unten im Abschnitt »Die

34 S. 54
metaphysischen Sätze« ausführlich diskutiert; hier geht es um die »logische
Form« einer Theorie, die eine »empirische« Theorie genannt werden kann. Ich
will aber festhalten, daß diese Änderung der Auffassung nicht aus einer
Untersuchung des zweiten Teils der L. d. F.: Bausteine zu einer Theorie der
Erfahrung, ferngehalten werden kann, nur weil dies eine Überlegung aus dem
neuen Anhang ist. Schon in § 18 (Relativität des Basissätzes) wird die
Beschränkung der Basissätze und besonderer Sätze auf die Form singulärer Es-
gibt-Sätze zurückgenommen. In § 29 behandelt Popper ausdrücklich die
»Relativität des Basissatzes«:

»Jede Nachprüfung einer Theorie, gleichgültig, ob sie als deren Bewährung


oder als Falsifikation ausfällt, muß bei irgendwelchen Basissätzen haltmachen,
die anerkannt werden. Kommt es nicht zu einer Anerkennung von
Basissätzen, so hat die Überprüfung überhaupt kein Ergebnis. Aber niemals
zwingen uns die logischen Verhältnisse dazu, bei bestimmten ausgezeichneten
Basissätzen stehenzubleiben und gerade diese anzuerkennen; jeder Basissatz
kann neuerdings durch Deduktion anderer Basissätze überprüft werden;
wobei unter Umständen die gleiche Theorie wieder verwendet werden muß
oder auch eine andere.«35

Demnach können Basissätze auch nicht singuläre Es-gibt-Sätze sein, wenn sie
durch andere Basissätze überprüft werden können. Insofern tut Popper Mach
mit seiner Kritik unrecht, wenn dieser die Fouriersche Theorie der
Wärmeleitung eine »physikalische Mustertheorie« nennt, weil »dieselbe [...]
sich nicht auf eine Hypothese [gründet], sondern auf eine beobachtbare
Tatsache.« Als Tatsache nennt Mach den Satz, daß »... die
Ausgleichgeschwindigkeit (kleiner) Temperaturdifferenzen diesen Differenzen
selbst proportional ist«. Popper kann das nicht gelten lassen und sagt dazu:
»ein Allsatz, dessen hypothetischer Charakter außer Zweifel steht«. (S. 45)
Popper hat zweifellos recht, obgleich ich mir gerade in diesem Fall gut
vorstellen kann, daß dieser Theorie eine Beobachtung zugrundeliegt, die man
erst dann als Hypothese formuliert hat. Jedenfalls hat Popper recht, wenn er
diesen Satz für einen Allsatz hält. Jedoch kann auch Popper von der Bedingung
der Beobachtbarkeit des Gehalts eines Basissatzes nicht absehen. Das Problem
liegt darin, daß auch Popper vom Basissatz fordert, eine Tatsachenaussage zu
behaupten; er aber weiters auch fordert, daß der Basissatz selbst als Hypothese
noch ein allgemeiner Satz sei. Daß soll mit der späteren Festsetzung des

35 S. 69
Basissatzes zum singulären Es-gibt-Satz deshalb zu keinen Widerspruch
führen, weil schon der singuläre Basissatz aus Universalien zusammengesetzt
ist. — Ich halte demnach die Beurteilung der Äußerung Machs von dem
»methodologischen Beschluß« abhängig, ob ich sie als Basissatz einer
Hypothese, oder als Hypothese für einen weiteren Basissatz betrachte.

9. Das Problem einer Regel der Anerkenntnis von Basissätzen

Ich möchte ein oben schon behandeltes Zitat noch hinsichtlich der Regeln der
Anerkenntnis von Basissätzen vertiefen:

»Wenn wir verlangen, daß diese Hypothese empirisch, also falsifizierbar sein
muß, so ist damit nur ihre logische Beziehung zu möglichen Basissätzen
gemeint, d.h., diese Forderung bezieht sich auf die logische Form der
Hypothese. Die Bemerkung hingegen, daß sich die Hypothese bewährt,
bezieht sich auf ihre Prüfung durch anerkannte Basissätze*. Die Basissätze
spielen also zwei verschiedene Rollen: Einerseits ist das System aller logischen-
möglichen Basissätze sozusagen ein Bezugssystem, mit dessen Hilfe wir die
Form empirischer Sätze logisch kennzeichnen können; andererseits sind die
anerkannten Basissätze Grundlage für die Bewährung von Hypothesen.
Widersprechen anerkannte Basissätze einer Theorie, so sind sie nur dann
Grundlage für deren Falsifikation, wenn sie gleichzeitig eine falsifizierende
Hypothese bewähren.« 36

Poppers Anmerkung dazu (*) bezieht sich auf den Regreß der Basissätze:

»Es könnte scheinen, als enthielte diese Bezugnahme auf anerkannte Basissätze
den Keim eines unendlichen Regresses. Denn unser Problem ist hier folgendes.
Da eine Hypothese durch Anerkennung eines Basissatzes falsifiziert wird,
brauchen wir methodologische Regeln für die Anerkennung von Basissätzen.
Wenn sich nun diese Regeln ihrerseits auf anerkannte Basissätze berufen,
können wir in einen unendlichen Regreß geraten. Darauf erwidere ich, daß die
Regeln, die wir brauchen, nur Regeln für die Anerkennung derjenigen
Basissätze sind, die eine bestimmte gut geprüfte und bisher erfolgreiche
Hypothese falsifizieren; und daß die anerkannten Basissätze, auf die sich die
Regel selbst stützt, diese Eigenschaft nicht zu haben brauchen.«

36 S. 54 f.
In der hier wiedergegebenen Anmerkung geht Popper auf das entscheidende
Problem ein: wie ist der Anerkenntnis Kriterien zu geben? Im Versuch, darauf
eine Antwort zu geben, weist Popper auf die Charakteristik seiner
Untersuchung hin: Diese Regeln der Anerkenntnis beziehen sich nur auf
»Basissätze, die eine bestimmte, gut geprüfte und bisher erfolgreiche
Hypothese falsifizieren«.

Die Eigenschaft, die die Basissätze, auf welche sich die Regel selbst stützt, nicht
zu haben braucht, ist aber die, Basissätze einer »bestimmten, gut geprüften
und bisher erfolgreichen Hypothese« zu sein. Woher nimmt diese Regel der
Anerkenntnis von falsifizierenden (mit Wahrheit behaupteten „verbotenen“)
Basissätze aber dann ihre Sicherheit? Doch wohl von der Forderung, der
regelgerecht anerkannte falsifizierende Basisssatz müsse die Hypothese einer
vergleichbar gut überprüften und bewährten Theorie bewähren (da Popper
doch im dazugehörigen Text fordert, daß ein solcher Basissatz auch immer eine
der falsifizierten Hypothese entgegengesetzte Hypothese bewähren könne),
und nicht von einer Reihe regellos erlaubter Basissätze. Dem wäre doch
abermals die allgemeine Form der Regel der Anerkenntnis von Basissätzen
einer Theorie zunächst durchaus zu entnehmen: Erstens müssen die
Festsetzungen in der Interpretation der Axiome zu obersten allgemeinen
empirischen Sätzen, grob gesagt, einen möglichst großen Grad an
Exponierbarkeit der Theorie in der Erfahrung gewährleisten (viele
falsifizierbare Hypothesen produizieren), und zweitens muß die Theorie samt
ihren Basissätzen, deren Menge eben deren größtmögliche Falsifizierbarkeit
garantieren sollen, bereits über längere Zeit bewährt sein.

Es stellt sich nun die Frage, weshalb Popper hier das Problem von Basissätzen,
auf welche diese Regel sich selbst stützt, eigens aufwirft. Die Antwort kann
meiner Meinung nach nur in der Schwierigkeit gesucht werden, die die
Bedingung nach sich zieht, daß die durch Tatsachenfeststellung widerlegten
anerkannten Basissätze einer Theorie nur dann Grundlage für deren
Falsifikation sein können, wenn sie gleichzeitig eine falsifizierende Hypothese
bewähren. Popper verlangt dies deshalb, um die Möglichkeit eines logischen
Widerspruches zwischen Basissatz und Tatsachenfeststellung garantieren zu
können.

Daraus ergibt sich allerdings, daß eben zwei Reihen von ableitbaren
Basissätzen zu vergleichen sind: die Reihe von Basissätzen, die aus einer
überprüfbaren Hypothese der Theorie ableitbar sind — deren Regel wurde
eben vorhin umrissen. Die Bewährung setzt aber die Möglichkeit eines logisch
eindeutigen Widerspruches von abgeleiteten verbotenen Basissatz und einer
diesen widersprechenden Tatsachenfeststellung voraus, deren Eindeutigkeit
Popper mit der Bedingung, daß mit der Falsifikation der betrachteten
Hypothese zugleich eine falsifizierende Hypothese bewährt wird, garantieren
will. Damit beruht ein Teil der Regel der Anerkenntnis von Basissätzen der
betrachteten Theorie auf eine Reihe von Basissätzen, die aus der Erfahrung von
den Verhältnissen zweier widerstreitender Theorien stammen, aber eben nicht
zu der Reihe der jeweiligen Basissätze einer bestimmten Theorie gehören
können. Weshalb Popper nun meint, die Eigenschaft, die die anerkannten
Basissätze, auf welche sich die Regel selbst stützt, nicht zu haben braucht, sei
die, Basissätze einer »bestimmten, gut geprüften und bisher erfolgreichen
Hypothese« zu sein, bleibt von hier aus unverständlich. Vorläufig kann dazu
nur soviel vermutet werden, daß Popper verhindern will, daß die Metatheorie
der Methode der wissenschaftlichen Erkenntnis selbst nichts anderes sei als
eine empirische Wissenschaft. Er verweist auf Kap. V., 29..

In Kap. V., § 29, verfolgt Popper den in der oben wiedergegebenen


Anmerkung vorgestellten Gedankengang weiter:

»Wie steht es nun mit dem Friesschen Trilemma: Dogmatismus — unendlicher


Regreß — Psychologismus? (Vgl. 25.) Die Basissätze, bei denen wir jeweils
stehen bleiben, bei denen wir uns befriedigt erklären, die wir als hinreichend
geprüft anerkennen — sie haben wohl insofern den Charakter von Dogmen,
als sie ihrerseits nicht weiter begründet werden. Aber diese Art von
Dogmatismus ist harmlos, denn sie können ja, falls doch noch ein Bedürfnis
danach auftreten sollte, weiter nachgeprüft werden. Wohl ist dabei die Kette
der Deduktion grundsätzlich unendlich, aber dieser „unend-liche Degress“ ist
unbedenklich, weil durch ihn [nach unserer Theorie] keine Sätze bewiesen
werden sollen oder können.«37

Das gesuchte Kriterium für die Anerkenntnis von Basissätzen nach Regeln liegt
demnach in der Vermeidung des Frieschen Trilemmas, wovon Popper den
Vorwurf des Psychologismus überzeugend, den des Dogmatismus
hinreichend, den des unendlichen Regressus aber nur ungenügend abwehren
kann. Die Fußnote zu diesem Absatz vermag die Richtung anzugeben, in

37 S. 70 f.
welcher die Basissätze zu suchen seien, worauf die Regel der Anerkenntnis von
falsifizierenden Basissätzen zu gründen wären, ohne abermals auf Theorien
Bezug zu nehmen, die selbst gut geprüft und bewährt sind:

»Es scheint mir, daß die hier vertretene Auffassung der „kritizistischen“ (etwa
in der Friesschen Form) näher steht als dem Positivismus. Denn während Fries
durch seine Lehre vom „Vorurteil des Beweises“ betont, daß das (logische)
Verhältnis der Sätze untereinander ein ganz anderes ist als das zwischen den
Sätzen und den Erlebnissen (der „Anschauung“), versucht der Positivismus
immer wieder diesen Gegensatz aufzuheben: entweder wird alle Wissenschaft
zum Wissen, zu „meinem“ Erlebnis („Empfindungsmonismus“), oder die
„Erlebnisse“ werden in Form von „Protokollsätzen“ in den objektiven
wissenschaftlichen B e g r ü n d u n g s z u s a m m e n h a n g einbezogen
(„Satzmonismus“).« 38

Genau das beansprucht Popper aber selbst, wenn er den psychologischen


Aspekt der mit dem Konzept des Basissatzes notwendigerweise verbundenen
»Beobachtbarkeit« mit der »objektiven« Prozesshaftigkeit von Ereignissen und
Bewegungen zu ersetzen vorhat.39 Wenngleich Rüdiger Bubner40 die
Abhängigkeit Poppers von Fries auch als Indiz ansieht, den gerade von Popper
thematisierten „Wissenschaftsfortschritt“ nicht gebührend behandeln zu
können, ist diese Abhängigkeit doch auch ein Hinweis auf die Eigentümlichkeit
jener Basissätze, auf welche die Regel der Anerkenntnis der die Hypothesen
einer geprüften und bislang bewährten Theorie widersprechenden Basissätze
beruhen soll.

Die für die Regel zur Anerkenntnis von den die Hypothesen der betrachteten
Theorie falsifizierenden Basissätzen vorausgesetzen Basissätze lassen sich nun
gar nicht im Degressus der Basissätze selbst auffinden. Aus diesem Degressus
allein wäre womöglich nicht mehr abzuleiten, als daß aus jedem beliebigen
Satz jeder beliebige Satz ableitbar sei — die stoische Implikation (Vgl. Poppers

38 S. 71
39 S. 68
40 Rüdiger Bubner, Dialektik und Wisssenschaft, Suhrkamp 2 1974, S. 136, Anmk. 11: »Der
Kantianismus wurde Popper offenbar in der metaphysikabstinenten und psychologienahen Version
von Jac. Friedr. Fries vermittelt, die zu Anfang dieses Jahrhunderts in der Schule Leonard Nelsons
vertreten wurde. Der Urvater des Wiener Positivismus, Ernst Mach, zitierte Fries gelegentlich lobend
in seinem Buch „Erkenntnis und Irrtum“. Gegen Mach: L. Nelson, Ist metaphysikfreie
Naturwissenschaft möglich? (1908). In: L.N., Die Reformation der Philosophie durch die Kritik der
Vernunft, Leipzig 1918. Popper bezieht sich (Logik der Forschung [LdF] [1935], 2 1966, § 25, s. a.
Anm. S. 70) auf die „Neue oder anthropologische Kritik der Vernunft“ (1828-31) von Fries.«
Kritik an Neuraths Protokollsatz).41 Es bleibt hier nur mehr die Möglichkeit,
diesen Regreß nicht allein logisch zu betrachten, sondern zunächst
kommunikationstheoretisch und wissenschaftshistorisch. D i e hier
herausgearbeitete Problematik kommentiert Rüdiger Bubner insofern
treffend, wenn er auch den Entschluß der Wissenschaftstreibenden zur
Rationalität mit der rationalen Begründung einer Methode selbst verwechselt:

»Die Falsifikation als solche bedeutet ein logisches Verfahren, der Vorgang der
Falsifikation einer bestimmten Hypothese oder Theorie durch einen
bestimmten, ihr widersprechenden Basissatz spielt sich dagegen im Rahmen
einer diskutierenden, experimentiell interagierenden und verbindliche
Beschlüsse fassenden Forschergemeinschaft ab. Ein Basissatz wird als
falsifizierende Instanz vorgeschlagen und gilt also zunächst ebenso
hypothetisch wie die Theorie, zu deren Widerlegung er beigebracht wurde.«

»Die Rationalität solcher Einigung und die Kriterien der Entscheidung wurden
befragt, nachdem Popper für diese Grundlage aller Methodologie einen
Entschluß zu Rationalität und Diskusssion verantwortlich gemacht hatte. Der
die Rationalität begründende Entschluß sei seinerseits nicht mehr rationaler
Natur, sondern eher eine Art Glauben zu nennen.« [Anmk. 16, Popper, Die
offene Gesellschaft und ihre Feinde (1945), Bern 1957, II, 284 f., 304. Die Lösung,
die W. Bartley (Rationality vs. the Theory of Rationality. In: M. Bunge
Ed.,Critical Approach to Science and Phil. F. S. Popper, London 1962) bereithält,
greift zu kurz. Es genügt nicht den Kritizismus vom Begründungsproblem
abzutrennen, um Rationalität widerspruchsfrei zu legitimieren.] »In dem
irrationalen Glauben an die Vernunft hat man die transzendentale
Restproblematik aufgespürt, die Popper aus der Anknüpfung an Kants
Erkenntnistheorie verblieben war.«42

10. Die »logische Form« des Basissatzes. Instantialsätze

Nunmehr kehrt meine Überlegung wieder zur Bestimmung der »logischen


Form« des Basissatzes zurück, um in der von Bubner nur angedeutete
Schwierigkeit des »hypothetischen« Charakters von Basissätzen über den
kommunikativ und soziologisch relevanten Problemabschnitt »gut bewährter«

41 L. d. F., S. 62. Gegen Neuraths Auffassung des Protokollsatzes verwehrt sich Popper besonders, da
das Kriterium fehlt, welche Wahrnehmungen und Evidenzerlebnisse relevant sind.
42 Rüdiger Bubner, cit. op., S. 137
Theorien hinaus-, und wieder zur Problematik des Überganges von logischen
zu erkenntnislogischen Bestimmungen zurückzukommen.

Da nun nur »verbotene« Basissätze zur Bewährung bzw. zur Falsifizierung von
naturwissenschaftlichen Theorien herangezogen werden,43 diese aber nicht
abgeleitet, sondern nur aus empirischen Sätzen zu Basissätzen einer Theorie
»qualifiziert« worden sind, stellt sich auch die logische Form des Basissatzes
zwischen der Formulierung desselben als Hypothese und als Instantialsatz
schließlich nur über einen »methodologischen Beschluß« her. —

Es soll wegen der Unübersichtlichkeit, die in der Bestimmung der logischen


Form des Basissatzes herrscht, die entscheidende Stelle zuerst im
Zusammenhang gegeben werden, bevor die einzelnen Abschnitte behandelt
werden:

»Zunächst: nichts Beobachtbares folgt aus einem reinen Allsatz — „Alle


Schwäne sind weiß“ zum Beispiel. Dies sieht man leicht ein, wenn man
bedenkt, daß „alle Schwäne sind weiß“ und „Alle Schwäne sind schwarz“
einander natürlich nicht widersprechen, sondern zusammen nur implizieren,
daß es keine Schwäne gibt, was offensichtlich kein Beobachtungssatz ist, nicht
einmal einer, der „verifiziert“ werden kann. (Ein einseitig falsifizierbarer Satz
wie „Alle Schwäne sind weiß“ hat übrigens diesselbe logische Form wie „Es
gibt keine Schwäne“, denn er ist dem Satz „Es gibt keine nichtweißen
Schwäne“ äquivalent).
Gibt man dies zu, dann sieht man sofort, daß diejenigen singulären Sätze,
die tatsächlich aus reinen Allsätzen ableitbar sind, keine Basissätze sein können.
Ich denke an Sätze der Form: „Wenn ein Schwan am Ort k ist, dann ist ein
weißer Schwan am Ort k.“ (Oder: „In k ist entweder kein Schwan oder ein
weißer Schwan.“) Wir sehen nun sofort, warum diese „Instantialsätze“ (wie
man sie nennen kann) keine Basissätze sind. Der Grund dafür ist, daß diese
Instantialsätze nicht die Rolle von Prüfsätzen (Falsifikationsmöglichkeiten)
spielen können, und das ist gerade die Funktion, die Basissätze erfüllen sollen.
Wenn wir Instantialsätze als Prüfsätze annehmen wollten, würden wir für jede
beliebige Theorie (und daher sowohl für „Alle Schwäne sind weiß“ als auch für
„Alle Schwäne sind schwarz) eine überwältigend große Zahl von
Verifikationen erhalten — ja sogar eine unendlich große Zahl, da ja der

43 S. 54, § 22
überwiegende Teil der Welt keine Schwäne enthält. (Das führt für
Instantialsätze zu einer „Bewährungsparadoxie“; siehe S. 204-205.)
Da „Instantialsätze“ aus allgemeinen Sätzen ableitbar sind, müssen ihre
Negationen Falsifikationsmöglichkeiten sein und können daher Basissätze sein
(wenn die weiter unten im Text angegebenen Bedingungen erfüllt sind).
Umgekehrt werden dann Instantialsätze die Form von negierten Basisätzen
haben (vgl. dazu auch Anm.*4 zu 80). Es ist interessant, daß Basissätze (die zu
stark sind, um aus allgemeinen Gesetzen allein ableitbar zu sein) einen
größeren informativen Gehalt haben als die Instantialsätze, die aus ihnen durch
Negation entstehen; das bedeutet, daß der Gehalt von Basisätzen ihre logische
Wahrscheinlichkeit übersteigt (denn er muß 1/2 übersteigen).
Dies sind einige der Überlegungen, auf denen meine Theorie der logischen
Form der Basisätze beruht.«44

Ich will zuerst auf die Behauptung, Instantialsätze führten zu einer


»Bewährungsparadoxie« eingehen. Meiner Auffassung nach können die in der
zitierten Fußnote gegebenen Beispiele von Instantialsätzen nicht die Forderung
erfüllen, eine Theorie mit Instantialsätzen der Form »Wenn A in k, dann AB in
k« an Stelle von Basisätzen besitze die Wahrheitswahrscheinlichkeit = 1. In der
Fußnote der diesbezüglich von Popper angegebenen Stelle ist zu lesen:

»Wie in 28 erläutert wurde, gilt für die singulären Sätze, die aus einer Theorie
ableitbar sind — die „Instantialsätze“ —, daß sie nicht den Charakter von
Basissätzen oder Beobachtungssätzen haben. Wenn wir dennoch beschließen,
daß unsere Wahrscheinlichkeit auf der Wahrheitshäufigkeit innerhalb der
Folge dieser Sätze beruhen soll, dann wird die Wahrscheinlichkeit immer 1
sein, so oft auch die Theorie falsifiziert wird; denn wie in Anm. *1 zu 28 gezeigt
wurde, wird fast jede Theorie durch fast alle Instanzen (d. h. fast alle Stellen k)
„verifiziert“. Die hier im Text folgende Analyse enthält einen sehr ähnlichen
Gedankengang, der auch auf dem Begriff der „Instantialsätze“ (.d. h. der
negierten Basisätze) beruht und zeigen soll, daß die Wahrscheinlichkeit jeder
Hypothese, wenn sie auf diesen Instantialsätzen beruht, paradoxerweise gleich
eins wird.«45

Ist unter »negierter Basissatz« nun ein verbotener Basissatz, oder ein
Instantialsatz zu verstehen? In diesem Zusammenhang natürlich letzteres.
Popper gibt in § 28 (Fußnote S. 66 f.) ein Beispiel eines Instantialsatzes der

44 S. 67 f, Fußnote beginnt auf S. 66


45 S. 204
Form: »Wenn A in k, dann ist AB in k«, das zwar keinesfalls eine Theorie »Alle
A sind B« (fast) endlos verifizieren kann, wie Popper im Anschluß behauptet,
aber doch deutlich kein Basissatz ist. Meine Vermutung geht dahin, daß in
dieser schwachen Fassung des Instantialsatzes, die vom Basissatz abhängig
bleibt, nichts als die Fassung des Basissatzes als Hypothese zu sehen ist, die
gemäß der zunächst nach oben und unten offenen Hierarchie von je
allgemeineren Sätzen, von den Basisätzen als Teildefinition deren »logischen
Form« in § 21 gefordert worden ist (Basissätze sind bereits von einer Theorie
qualifiziert). — Dann aber ist die in der Fußnote gegebene Definition des
Instantialsatzes (Wenn A in k, dann ist AB in k) zwar kein Basissatz, aber doch
auch ohne eigene Festsetzung kein Instantialsatz m i t der
»Wahrheitswahrscheinlichkeit = 1«

Wenn aber wirklich, wie von Popper behauptet, die Instantialssätze aus
Naturgesetze abgeleitet werden, und diese als Verbote formuliert »negierte Es-
gibt-Sätze« bzw. »Es-gibt-nicht-Sätze« sind, dann muß die Ableitung daraus ein
singulärer Es-gibt-nicht-Satz sein, und nicht eine falsifizierbare Hypothese. Ein
Instantialssatz ist ein singulärer Satz, der kein Es-gibt-Satz sein kann, weil er
aus einem Allsatz abgeleitet wurde. Deshalb kann er nur ein singulärer Es-gibt-
nicht Satz sein. — Das ist eine konsequente in sich richtige Schlußfolgerung,
doch dürften dann nur Sätze, die aus generellen Negationen der Form »Es gibt
kein A, das B« abgeleitet werden sollten, Instantialsätze sein, und könnten
keinesfalls aus »negierten Allsätzen«, worunter Popper abwechselnd auch die
generelle Affirmation der Form »Es gibt kein A, das nicht B« versteht,
abgeleitet werden. Die Folgen dieser doppelten Definitionsweise der
»logischen Form« von Naturgesetzen, einmal nach der generellen Negation,
einmal nach der generellen Affirmation, zu verschleiern hat hier Popper sogar
dazu verführt, die Aufhebung des Satzes vom Widerspruch zu riskieren.

Die Absicht Poppers, die Instantialsätze als die deduktive Darstellung eines
empirischen Satzsystems vorzustellen (gewissermassen als Gegenbild zur
Interpretation der Axiome mittels Modellbegriffen), scheint schon an der
Radikalität der Vorstellung zu scheitern, aus »negierten universiellen Es-gibt-
Sätzen« (S. 39) strenge singuläre Es-gibt-nicht-Sätze abzuleiten zu müssen. Das
von Popper anhand des Instantialsatzes gedachte Satzsystem soll aber die
Wahrscheinlichkeit = 1 besitzen (§ 80, S. 204), weil nach Poppers
undifferenzierten Auffassung von »Verbote« Sätze der Form »Wenn A in k,
dann ist AB in k« gleich als singuläre Es-gibt-nicht-Sätze ausgegeben werden,
die schon unentwegt zur Verifizierung der Hypothesen führen müßten.

Die diskutierte Fußnote von S. 66 klärt zunächst, was Popper mit seiner
zweideutigen Verwendung der Negation meint: Eben nicht die streng
erkenntnislogischen Bedeutung als Verbot, daß etwas existiert (S. 39 u.),
sondern Sätze der Form »Wenn ein Schwan am Ort k ist, dann ist ein weißer
Schwan am Ort k« oder »In k ist entweder kein Schwan oder ein weißer
Schwan« (S. 67, Fußnote). Diese Sätze kann man nicht als definitive singuläre
Es-gibt-nicht-Sätze bezeichnen, aber Popper macht keineswegs deutlich,
weshalb solche Sätze nicht die Rolle von Prüfsätzen übernehmen können. Sie
sollen deshalb keine Basissätze sein können. — Doch dann wird es
abenteuerlich:

»Wenn wir Instantialsätze als Prüfsätze annehmen wollten, würden wir für
jede beliebige Theorie (und daher sowohl für „Alle Schwäne sind weiß“
als auch für „Alle Schwäne sind schwarz“) eine überwältigend große Zahl von
Verifikationen erhalten« (S. 67). Wie kommt Popper darauf? Doch nicht unter
Heranziehung obiger Beispiele »Wenn ein Schwan am Ort k ist, dann ist ein
weißer Schwan am Ort k« oder »In k ist entweder kein Schwan oder ein weißer
Schwan«. — Es gelte: Alle A sind B oder Alle A sind C. Der Satz: Wenn A in k,
dann ist AB in k (Wenn irgend ein x in k, dann ist kein A oder es ist AB) als
Prüfsatz kann die erste Behauptung singulär verifizieren, wenn er wahr ist,
oder falsifizieren, wenn er falsch ist. »Wenn A in k, dann ist AB in k« ist eine
Hypothese des Allsatzes »Alle A sind B«, und muß von Basissätze widerlegt
oder bejaht werden, bevor er als Hypothese den Allsatz falsifiziert oder
bewährt. Popper begeht hier den Irrtum, den Allsatz durch eine Hypothese
»verifizieren« oder »falsifizieren« zu wollen, die selbst nicht entschieden
worden ist. — Gleiches gilt für die Sätze »Alle A sind C«, und »Wenn A in k,
dann ist AC in k«. Dieser Prüfsatz ist eben nur wegen seiner allgemeinen
Fassung kein Basissatz, sondern eine allgemeine Hypothese, die erst dadurch
falsifiziert wird, wenn ein empirischer Satz, der als Basissatz zugelassen ist,
dieser Hypothese widerspricht.

Popper übersieht offensichtlich, daß zwischen den Sätzen der Form »Wenn A
in k, dann ist AB in k« und »Alle A sind B« nur zwei Beziehungen existieren:
Erstens die Übersetzung eines Allsatzes in eine Hypothese (»Wenn A, dann
AB«) und zweitens die Hinzufügung einer Raum-Zeit-Bestimmung. Damit ist
die Umformung eines Allsatzes in die Gestalt einer Satzfolge, die von
Basissätzen verifiziert oder falsifiziert werden kann, erfolgt; aber gerade nicht
die logische Form eines Basissatzes näher bestimmt worden. Diese
Umformung hat mit Basissätzen nichts zu tun; in diesem Zusammenhang von
»Verifikation« oder »Falsifikation« zu sprechen, ist völlig verfehlt. Popper
bringt dies aber damit in Verbindung, daß jeder Basissatz als Hypothese
formulierbar sein soll. Damit stellt sich eine Fatalität ein, die ich im Zuge dieser
Untersuchung gar nicht richtig würdigen kann: Kann ein qualifizierter
Basissatz (also sowohl ein »erlaubter« wie ein »verbotener« Basissatz) als
Hypothese formuliert werden, so ist dieser falsifizierbar. Popper hat in § 21
dieses Problem damit sistiert, indem er einen Basisatz qua »Anerkenntnis« als
»verbotenen« Basissatz festlegt, wenn dieser imstand ist, einer Hypothese
gegebenenfalls zu widersprechen, welche dann ihren Allsatz gegebenenfalls
falsifiziert. Ist diese Möglichkeit gegeben, so besteht kein Grund, diesen
Basissatz abermals als Hypothese zu formulieren.

Prinzipiell bleibt aber das Problem bestehen, daß der Basissatz gerade wegen
seiner Qualifikation als Basissatz einer bestimmten Theorie, welche ihn aus
allen möglichen empirischen Sätzen herausgehoben hat, eben ein Satz dieser
Theorie geworden ist, und so auch als Hypothese (und weiters als
falsifizierbarer Allsatz) darstellbar ist. Es ist zwar aus denkökonomischen
Gründen nicht sinnvoll, einen anerkannten Basissatz weiters als Hypothese zu
formulieren, doch gibt es keinen prinzipiellen Grund, dies nicht zu tun. Daraus
ergeben sich Konsequenzen für die nicht-logischen Abschnitte der Definition
der »logischen Form« des Basissatzes im Rahmen der beabsichtigten
Erkenntnislogik. So wird die Eigenschaft der Beobachtbarkeit des Inhalts einer
Satzaussage zwar von Popper von jeder Notwendigkeit, psychologisch
werden zu müssen, dadurch befreit, indem er an Stelle der Beobachtungssätze
Sätze physikalischer Prozesse setzt (was der Interpretation mit Modellbegriffen
zu entsprechen scheint), doch wird damit nicht jede Quelle des Irrtums
ausgeräumt:

»Man könnte meinen, daß durch die Forderung der Beobachtbarkeit doch ein
psychologistisches Element in unsere Überlegung Einlaß findet. Daß das nicht
der Fall ist, sieht man daran, daß wir den Begriff „beobachtbar“ zwar auch
psychologistisch erläutern können, aber, wenn wir wollten, statt von einem
„beobachtbaren Vorgang“ auch von einem Bewegungsvorgang an
(makroskopischen) physischen Körpern“ sprechen könnten; genauer: wir
könnten festsetzen, daß jeder Basissatz entweder selbst ein Satz über
Lagebeziehungen zwischen physischen Körpern sein oder solchen
„mechanistischen“ (oder materialistischen) Basissätzen äquivalent sein muß.«46

Mit dieser Festsetzung beansprucht Popper doch wieder ein synthetisches


Urteil a priori; oder er setzt einfach das Ergebnis der empirischen Theorie a
fortiori der logischen Form des Basissatzes voraus. Daraus ist zu schließen, daß
zwar ein Basissatz, unabhängig ob aus psychologischen oder aus theoretischen
Gründen, in der Konsequenz nach Popper falsch sein kann, aber nicht ein
Beobachtungssatz (empirischer Satz). Ein Beobachtungssatz kann nur aus
Gründen sinnlicher Täuschung falsch sein. Man darf wohl sagen, daß Popper
denjenigen Basissatz sicherer findet, welcher der Bewährung der
aussagekräftigeren Theorie nicht widerspricht.

Poppers Forderung in der diskutierten Fußnote aus § 28 (S. 67), daß jede
Fassung des Instantialsatzes der Form »Wenn A in k, dann ist AB« jede Theorie
(fast?) endlos verifizieren könne, kann sichtlich sowenig erfüllt werden wie die
Auffassung, Instantialsätze dieser »logischen Form« könnten eine spezifische
Theorie falsifizieren. Ohne Basissatz kann eine Hypothese den Allsatz einer
Theorie weder verifizieren noch falsifizieren. — Meint er im Fortgang seines
Gedankenganges in der diskutierten Fußnote nun doch wieder, der singuläre
Es-gibt-nicht-Satz in logisch strenger Fassung: »Es gibt kein AB in k1-n « sei der
Instantialsatz? Es scheint so: Popper setzt im Text nach dem obigen Zitat
nämlich fort zu behaupten, daß die Zahl der von Instantialsätzen zu erhaltenen
Verifikationen eine unendlich große Zahl sei, »da ja der überwiegende Teil der
Welt keine Schwäne enthält. (Das führt für Instantialsätze zu einer
„Bewährungsparadoxie“; siehe S. 204-205).«47

Der Hinweis auf die Wahrheitswahrscheinlichkeit = 1 deduktiv dargestellter


Theorien mit Instantialsätze an Stelle von Basissätzen paßt mit der hier von
Popper geäußerten Absicht zusammen, aber nicht mit seinen gegebenen
Beispielen. Weder Sätze der Form »Es gibt kein AB in k1-n« noch die
hypothetische Formulierung des Allsatzes »Alle A sind B«, vermögen die
Bedingungen der »Wahrheitswahrscheinlichkeit = 1« zu erfüllen. Das bedarf
vielleicht einer Erinnerung: Seit § 15 wird die Eigenschaft der »logischen Form«
der Naturgesetze sowohl mit der generellen Negation wie mit der generellen

46 S. 68
47 S. 67, Fußnote
Affirmation beschrieben; und zwar im Glauben, damit in beiden Fällen von
negierten universiellen Es-gibt-Sätzen auszugehen. Der Nachweis, daß dies ein
Irrtum ist, zeigt, daß eigentlich nur eine Ableitung singulärer Sätze aus den in
Verbotsform formulierten Naturgesetze zu bedenken wäre; nämlich die
Ableitungen aus Naturgesetzlichkeit aussagenden Sätzen der Form »Es gibt
kein A, das nicht B«. Eine solche Ableitung wird aber von rein logischer Seite
verboten: Diese Form hat exakt die Bedeutung eines Allsatzes, und weil aus
Allsätze keine singulären Es-gibt-Sätze abgeleitet werden können, kann gerade
aus jener Verbotsform der Naturgesetze, die allein sinnvoll weiters zu erörten
sein dürfte, kein strenger Instantialsatz ableitbar sein. — Allein die in der
diskutierten Fußnote ebenfalls behandelte schwache Version der
Instantialssätze (die bloß keine Basissätze sind) ließe sich als Ableitung aus der
von Popper (fälschlicherweise so genannten) zweiten »Verbotsform« denken.
Diese Überlegung bedient sich bekanntlich der Möglichkeit des Basissatzes, als
Hypothese formuliert werden zu können, die mit den Formulierung eines
Allsatzes als Hypothese allerdings nichts zu tun hat. Um diese beiden Ansätze
(Deduktion »von oben« und Deduktion »von unten«) zu vereinigen, müßte
man das logische Verbot, aus einem bloßen Allsatz einen singulären Es-gibt-
Satz ableiten zu können, hinsichtlich des Projektes einer »Erkenntnislogik«
umbiegen.

Um aber überhaupt strenge Instantialsätze zu denken, die an Stelle von


Baissätzen eine Theorie die »Wahrheitswahrscheinlichkeit = 1« zusprechen
lassen müßte sich Popper schon dazu versteigen, die Behauptung von A für
unmöglich zu halten, um zu erreichen, daß die Negation der Behauptung der
Unmöglichkeit von A von allen Dingen des Universums verifiziert wird.

11. Dialektik oder Täuschung?

Sieht man nun auf die Feststellungen, die am Anfang der in der diskutierten
Fußnote von Popper zusätzlich gegebenen Erläuterung getroffen werden, so
verdichtet sich der Verdacht zur Gewißheit, daß Popper bei der Bestimmung
der logischen Form des Basissatzes im großen Stil scheitert. Zunächst beginnt
es ganz harmlos mit zwei Feststellungen zur Frage, weshalb aus Allsätze keine
singulären Es-gibt-Sätze abgeleitet werden können:

»Zunächst: nichts Beobachtbares folgt aus einem reinen Allsatz — „Alle


Schwäne sind weiß“ zum Beispiel.« — Sieht man davon ab, Popper gerade
hierin widersprechen zu wollen, da sowohl Schwäne wie die Weiße Konzepte
sind, die nur als Beobachtbares zu denken sind, kann man auch der
Fortsetzung insofern zustimmend folgen: »Das sieht man leicht ein, wenn man
bedenkt, daß „Alle Schwäne sind weiß“ und „Alle Schwäne sind schwarz“
einander natürlich nicht widersprechen«, wenn man bloß diese
Widerspruchslosigkeit bedenkt. — Völlig unverständlich wird es aber, wenn
Popper allen Ernstes darin eine Erklärung sieht: »Das sieht man leicht ein,
wenn man bedenkt, daß „Alle Schwäne sind weiß“ und „Alle Schwäne sind
schwarz“ einander natürlich nicht widersprechen, sondern zusammen nur
implizieren, daß es keine Schwäne gibt, was offensichtlich kein
Beobachtungssatz ist, nicht einmal einer, der „verifiziert“ werden kann.«

Popper impliziert also, daß es keine weiß-schwarze Schwäne gibt, und wenn
man auf die billige Möglichkeit verzichtet, auf beobachtbare weiß-schwarze
Schwäne hinzuweisen, weil vorauszusetzen ist, daß es sich bei den behandelten
Beispielfällen nur um rein weiße oder nur um rein schwarze Schwäne handeln
soll, so hält er zurecht erst die gemeinsame Behauptung der beiden Allsätze für
unmöglich, und nicht die Sätze „Alle Schwäne sind weiß“ und „Alle Schwäne
sind schwarz“ selbst für von vorneherein einander aus logischen
Gründenwidersprechend. Wie auch die mögliche Erfahrung über die beiden
alternativen Allsätze entscheidet, eines kann vor jeder Erfahrung gewiß sein:
ich kann nicht beide Allsätze zugleich mit Wahrheit behaupten. — Soweit kann
man Poppers Gedankengang folgen, und er hätte auch damit recht, würde er
unter der oben explizit gemachten Voraussetzung behaupten, daß ein weiß-
schwarzer Schwan unmöglich ist, und ein Satz, der dieses ausdrückt kein
Beobachtungssatz ist »und nicht einmal verifiziert werden kann«. — Popper
behauptet hier aber, daß, weil aus der Zusammenbehauptung beider Allsätze
unmögliches behauptet würde, auch daraus zu folgern ist, daß es überhaupt
keine Schwäne gibt, weder schwarze, weiße, karierte oder rosa Schwäne.

Das ist eine unvollständige Dialektik zwischen Logik und Modalität,48 die als
ganze Dialektik auszugeben selbst geeichte Rezensenten posthegelianischer
Literatur beeindrucken müßte. — Der nachfolgende Klammerausdruck zeigt,
daß Popper seit der Exponation der universiellen Es-gibt-Sätze und der
Verbotsform der Naturgesetze in § 15 nur wenig dazugelernt hat. Bislang hat
Popper Sätze der Form »Es gibt kein AB« und »Es gibt kein A, das nicht B«
beide abwechselnd für die logische Form der Formulierung der Naturgesetze

48 Eine Argumentationsfigur, die seit der mittelalterlichen Philosophie in der philosophischen Literatur
als ontologischer Gottesbeweis bekannt ist (Anselm von Canterbury).
als »Verbote« gehalten. Obwohl er endlich einsieht, daß die Sätze »Alle A sind
B« und »Kein A, das nicht B« äquivalent sind, und nicht »Es gibt ein AB« und
»Kein A, das nicht B«, gesteht er nicht einen Irrtum ein, sondern glaubt in der
Tat lieber, daß die generelle Negation (Kein AB ist) und die generelle
Affirmation (Alle A sind B) von »der selben logischen Form« sind. — Popper
schreibt unmittelbar im Anschluß an obiges Zitat:

»(Ein einseitig falsifizierbarer Satz wie „Alle Schwäne sind weiß“ hat übrigens
dieselbe logische Form wie „Es gibt keine Schwäne“, denn er ist dem Satz „Es
gibt keine nichtweißen Schwäne“ äquivalent)«

Man darf davon ausgehen, daß das »er« im zweiten Hauptsatz auf den Allsatz
zu beziehen ist, denn in der Tat sind beide gleichbedeutende Allsätze. Daß aber
die extensionale Darstellung »Alle A sind B« die selbe logische Form wie »Es
gibt kein A« besitzen soll, ist doch verwunderlich: Ich würde meinen, daß,
abgesehen von der naheliegensten Verschiedenheit der extensionalen und der
intensionalen Darstellung, der Unterschied der Sätze, die mit A und B gebildet
werden können und der Sätze, die entweder nur mit A oder nur mit B gebildet
werden können, doch durch einen ursprünglichen Unterschied in der logischen
Form gekennzeichnet ist. Dazu gibt es im zweiten Satz keinen Quantifikator.
Was versteht Popper in diesem Zusammenhang unter »logische Form« eines
Satzes?

Die einzig sinnvolle Interpretation dieser Fehlleistung scheint nur sein zu


können, daß Popper nunmehr die Modalität von allgemeinen (oder
universalen) Sätzen überhaupt vergleicht, und das mit der »logischen Form«
verwechselt. Denn in der Tat besitzen generelle Affirmationen und generelle
Negationen ihrem Anspruch nach gleichermaßen Notwendigkeit. — Popper
demonstriert womöglich, daß er hier letztlich wie Brentano glaubt, daß die
Regeln des richtigen Urteilens auf Existenzurteile zurückzuführen sind, wenn
er in dieser Hinsicht von »logischer Form« spricht. Diese Vermutung würde
aber bloß das Problem verschieben und Poppers Ableitung aus den
Verbotsformen der Naturgesetze deshalb nicht als richtige Ableitung
verstehen lassen können. — Die Darstellung derselben einmal als generelle
Affirmation und einmal als generelle Negation ist, was letzteres betrifft, nicht
nur von Seiten der Naturwissenschaft zu bezweifeln, sondern beginnt, den
Satz vom Widerspruch aufzuweichen, weil Popper offensichtlich beabsichtigt,
die generelle Negation aus ihrer Opposition zur generellen Affirmation
herauszuholen, um sein Argument zur Bestimmung der logischen Form des
Verbotes als Form von naturgesetzlichen Aussagen zu stützen. Keine noch so
subtil interpretierte »logische Form« kann aber aus der generellen Negation
einen Allsatz machen; und das Naturgesetze Allsätze sein sollen, daß setzt
Popper doch allenthalben voraus. — So behauptet Popper auf der selben Seite
das genaue Gegenteil: »Sätze die eine andere logische Form haben wie ihre
Negate, haben wir schon kennengelernt: Allsätze und universielle Es-gibt-Sätze
gehen auseinander hervor und haben dabei verschiedene logische Form.«

Ich denke, daß Popper in aller Schlichtheit wegen der Gleichheit der
Operatoren beim Satzsubjekt allein (es gibt kein) auf »dieselbe« logische Form
des ganzen Satzes geschlossen hat. Ein offensichtlich unzureichender Schluß,
der zu einem falschen Ergebnis kommt und ganz zu der Hilflosigkeit paßt, die
Popper zwischen Allsätzen und universiellen Es-gibt-Sätzen befällt.

Meine obige Kritik an der Darstellung des Instantialsatzes im darauffolgenden


Absatzes der behandelten Erläuterung ist also völlig zu Recht erfolgt: Popper
greift zur Rettung seiner unhaltbaren Grundannahmen aus § 15 sogar auf die
Dialektik von Existenzurteilen zurück. — Nachdem Popper im zweiten Absatz
der diskutierten Fußnote die Instantialssätze auf die weiter oben kritisierte Art
und Weise zu einer »Bewährungsparadoxie« (S. 204-205) geführt hat,
behauptet Popper gleich am Anfang des dritten Absatzes das Gegenteil:

»Da „Instantialsätze“ aus allgemeinen Sätzen ableitbar sind, müssen ihre


Negationen Falsifikationsmöglichkeiten sein und können daher Basissätze sein.«
— Nur der Präzision zuliebe hätte ich es vorgezogen, die Instantialsätze nicht
bloß aus allgemeinen Sätzen abzuleiten, denn alle Sätze, die aus Universalien
zusammengesetzt sind, sind allgemeine (oder universale) Sätze, nicht nur
Allsätze (§ 15; S. 39). Auch sieht man davon ab, kann man nur dann
zustimmen, daß die Negationen der Instantialsätze Falsifikationsmöglichkeiten
sein müssen, wenn zuvor (wie wieder im Schlußteil des zweiten Absatzes der
Fußnote) festgesetzt worden ist, daß Instantialsätze durch die Negation von
Verbotssätzen (universiellen Es-gibt-nicht-Sätze zu singuläre Es-gibt-nicht-
Sätze) erzeugt werden. Die »Verbotsform« von Naturgesetzen wird aber nicht
nur von der Form der generellen Negation bestimmt. Geht man davon aus,
was der im Zitat gegebene Satz grammatikalisch aussagt, dann sollten wegen
dieser möglichen Negation der Negation von »negierten Allsätzen« die
Instantialsätze dann doch selbst auch Basissätze sein können. Popper setzt
jedenfalls fort, daß die Instantialsätze ... daher Basissätze sein können , »wenn
die weiter unten im Text angegebenen Bedingungen erfüllt sind«.
Bezieht sich das auf den Fortgang in § 28, dann kann daraus für diese Stelle
keine weitere Entscheidungshilfe erwartet werden, da desweiteren
diesbezüglich zunächst nur von der Umwandlung eines singulären Es-gibt-
Satzes in einen universiellen Es-gibt-Satzes mittels Wegnahme der Raum-Zeit-
Bestimmung (k) gehandelt wird. Universielle Es-gibt-Sätze sollen nun (obwohl
in § 15 ausgeschlossen) dann doch zur Widerlegung von Allsätzen notwendig
sein. Im nächsten Absatz wird gezeigt, wie ein Basissatz aus einen allgemeinen
Satz und einen Basissatz zusammengesetzt werden kann. Abermals wird
deshalb aus einem Instantialsatz (dann in der Fassung »Wenn A in k, dann AB
in k«) aber kein Basissatz, sondern Popper zeigt dort nur, daß ein Satz, der kein
Basissatz ist, gemeinsam mit einem anderen Satz, der als Basissatz qualifiziert
worden ist, einen Satz bilden kann, der selbst die Funktion eines Basissatzes
übernehmen kann. — Hier interessiert, daß daraus für die Umwandlung eines
Instantialsatzes in einen Basissatz nichts zu erwarten ist. — Ich setze das Zitat
unmittelbar fort:

»Umgekehrt werden dann Instantialsätze die Form von negierten Basissätzen


haben (vgl. auch Anmk. *4 zu 80 [S. 204]).«

Damit werden doch alle »verbotenen« Basissätze zu Instantialsätze erklärt. Wie


nun eine Theorie mittels Basissätze geprüft werden soll, die schon die
»Wahrheitswahrscheinlichkeit = 1« besitzen, wird auch Popper nicht mehr
erklären können. Popper hat hier zwar schon einmal bemerkt, daß seine
Doppelstrategie der Negation (generelle Negation und generelle Affirmation
als die »logische Form« der Verbotssätze) nicht tragfähig genug für seine
Zwecke ist (so wird im § 80 die von Instantialsätzen interpretierte Theorie
wahlweise auch die »Falschheitswahrscheinlichkeit« zugeordnet), zieht hier
aber daraus in Fortgang seiner Darstellung keine Schlußfolgerungen
hinsichtlich des schon weiter oben aufgezeigten Ungenügens dieser Strategie.

12. Die schwache und die starke Definition der Instantialsätze. Die Analogie
zur »logischen Form« der Basissätze

Zur Gleichsetzung von Instantialsätzen und negierten Basissätzen müßte


Popper jene Stelle heranziehen, die jeder Theorie eine Menge von Basissätzen
zuordnet (»erkenntnis«-logisch mögliche Basissätze einer Theorie) und diese in
zwei Teilklassen zerlegt: den »verbotenen« und den »erlaubten« Basissätzen
(§ 21). Popper gibt nun kein Beispiel oder eine sonstige Grundlage, woraus
Vermutungen angestellt werden könnten, wie die »logische Form« eines
»verbotenen« Basissatzes aussehen könnte, außer, daß er kein besonderer Satz
von der Form eines singulären Es-gibt-Satzes sein kann. Es liegt aber in der Tat
nahe, diesen als »singulären Es-gibt-nicht-Satz« zu bezeichnen. Demnach
besitzen die Instantialsätze doch die Form der »verbotenen« Basissätze,
obgleich im zweiten Absatz der untersuchten Fußnote behauptet wird, daß sie
keine Basissätze sein können. Was aber schwerer wiegt als dieser weitere
Widerspruch in einem Abschnitt, der Popper offensichtlich völlig mißlungen
ist, ist, daß damit auch die Falsifizierbarkeit von Hypothesen einer Theorie
mittels »verbotenen« Basissätzen in Frage gestellt wird, weil doch
Instantialsätze die »Wahrheitswahrscheinlichkeit = 1« besitzen sollen.

Eine nähere Bestimmung der »logischen Form«, die zu einer eventuellen


Unterscheidung von »verbotenen« Basissätzen und Instantialsätzen kommen
könnte, kann hier aber nun weder aus der Ableitung von singulären Sätzen
aus der einen »Verbotsform« (generelle Negation) noch aus der anderen
(generelle Affirmation in Gestalt eines Es-gibt-Satzes) gewonnen werden,
sondern nur mehr aus dem Vergleich von Eigenschaften der »verbotenen«
Basissätze und den Eigenschaften der behaupteten Instantialsätze als Ableitung
von »negierten Allsätzen« selbst. Und zwar, weil einerseits aus einer generellen
Negation Beliebiges gefolgert werden kann, und andererseits, weil die
Ableitung eines singulären Es-gibt-Satzes aus einer generellen Affirmation aus
logischen Gründen gleich verboten ist. — Über dem Umweg der einer
naturwissenschaftlichen Theorie implizite vorauszusetzenden Basissätze ist aus
»erkenntnislogischen« Gründen zur Formulierung eines Basissatzes bereits die
»logische« Eigenschaft, als Hypothese formuliert werden zu können, zu
antizpieren. Das aber führt nicht selbst zu Basissätzen, sondern nur zu der
schwachen Version der Instantialsätze der Form »Wenn A in k, dann AB in k«.
— Daraus ist zu folgern, daß eine Ähnlichkeit der »logischen Form« zwischen
der schwachen Definition der Instantialsätze der Form »Wenn A in k, dann AB
in k« und dem Basissatz wegen der geforderten Eigenschaft, selbst als
Hypothese formuliert werden zu können, behauptet werden kann, aber mit
der strengen Definition des Instantialsatzes als singulärer Es-gibt-nicht-Satz
nichts zu tun hat. Dieser wiederum besitzt zwar eine äußerliche Ähnlichkeit mit
dem »verbotenen« Basissätzen, doch soll gerade die »Negation« des
Instantialsatzes gleich zu Basissätze führen, die die Form singulärer Es-gibt-
Sätze besitzen und nicht die Form singulärer Es-gibt-nicht-Sätze.

Über Poppers Absichten bezüglich der »logischen Form« des Basissatzes lassen
sich letztlich nur Vermutungen anstellen. Neben den bisher behandelten
Eigenschaften des Basissatzes in § 28, eine Beobachtung auszudrücken,49 ein
singulärer Es-gibt-Satz mit Raum-Zeit-Bestimmungen zu sein und als
Hypothese formuliert werden zu können, kommt die Forderung hinzu, daß
die logische Form des Basissätzes eine Ableitung aus allgemeineren
empirischen Sätzen zu sein habe, weil Basissätze solche sein sollen, die mehr
aussagen als die bloße Randbedingung in Gestalt besonderer Sätze der Form
singulärer Es-gibt-Sätze (§ 21). Daß diese Forderung nach deduktiver
Ableitung auf das logische Problem stößt, daß aus Allsätze keine singulären Es-
gibt-Sätze abgeleitet werden können, Basissätze nunmal aber nach § 28
entgegen den Ausführungen in § 21 gerade nichts anderes als eben solche sind,
ist nur die eine Seite der Problemstellung. Die andere ist, wie aus »empirischen
Sätzen« Basissätze einer Theorie werden können.

Zweifellos stellt Poppers klare methodisch wie systematisch relevante


Entscheidung, Psychologie aus seiner Erkenntnislogik auszuscheiden, bereits
Anforderungen an den einfachen Beobachtungssatz. Poppers Ersetzung des
Psychologismus, der im Beobachtungssatz steckt, durch den Übergang auf den
wirklichen Vorgang (Ereignisreihe) ist in sich durchaus konsequent. Ich habe
aber vorhin gezeigt, daß dies nicht mittels der von Popper vorgeschlagene
Weise der Ersetzung von Beobachtungssätze durch physikalische Sätze
gelingen kann, weil gerade dann die Theorie die
Wahrheitswahrscheinlichkeit = 1 beanspruchen würde — und zwar nicht
wegen strenger Instantialsätze der Theorie sondern wegen der Interpretation
der »Axiome« der Theorie mittels empirischer Modellbegriffe, die bekanntlich
gleichfalls nur nicht falsifizierbare Folgesätze nach sich zieht. Die
Anforderungen, die an den einfachen Beobachtungsatz (empirischen Satz)
gestellt werden, um sich zum Basissatz einer Theorie zu qualifizieren, sind also
auf einen anderen Weg der Argumentation festzustellen: Der
Beobachtungssatz hat bereits aus Universalien zu bestehen, die zwar nicht von
der spezifischen Theorie abgeleitet werden, aber sowohl den Sätzen einer
spezifischen Theorie wie dem Beobachtungssatz gemein sind. Auf diese Weise

49 »Basissätze sind — also in realistischer Ausdrucksweise — Sätze, die behaupten. daß sin in einem
individuellen Raum-Zeit-Gebiet einbeobachtbarer Vorgang abspielt. Wie die in dieser Definition
auftretenden Termini — bis auf den undefinierten, aber erlauterungsfähigen Grundbegriff
„beobachtbar“ — präzisiert werden können, wurde bereits (in 23) besprochen.«, S. 69
soll eine Theorie aus den möglichen Beobachtungssätzen ihre Basissätze
überhaupt erst qualifizieren können.

Kann aber ein »verbotener« Basissatz, wenn die Theorie wahr ist, überhaupt
jemals ein Basissatz im Sinne eines Beobachtungssatzes sein? Offensichtlich
nein. Ein »verbotener« Basissatz einer bewährten Theorie nähert sich also dem
Status eines Instantialsatzes. Der Instantialsatz soll aber darüberhinaus
gewissermaßen wegen seiner Form als Verbot einerseits das Verbot, daß aus
Allsätze keine singulären Es-gibt-Sätze abgeleitet werden können, umgehen
können, indem in der strengen Fassung Instantialsätze Ableitungen aus einer
generellen Negation sein sollen. Popper übersieht aber in diesem
Zusammenhang, daß aus einer generellen Neagtion Beliebiges abgeleitet
werden kann. Andererseits soll gerade der Instantialsatz, in strenger Definition
als Negation formuliert,eine Analogie zum »verbotenen« Basissatz als von der
Theorie aus der Menge möglicher »empirischer Sätze« (Beobachtungssätze)
ausgewählter Satz herstellen. Das scheint abgesehen von den internen
Schwierigkeiten (Verbot ist nicht äquivalent mit Negation) zumindest die
Absicht Poppers zu qualifizieren, anhand der starken Definition der
Instantialsätze eine deduktive Darstellung der Theorie denken zu können und
anhand der schwachen Definition der Instantialsätze die falsifizierbare
Darstellung der gleichen Theorie.

DIE METAPHSISCHEN SÄTZE

13. Der allgemeinste Satz

Grundsätzlich versuche ich Sätze, die Popper als metaphysisch mit dem
Argument der Nichtfalsifizierbarkeit aus der Wissenschaft ausschließt,
daraufhin zu prüfen, ob sie eine Interpretation eines solchen Axiomensystems
mittels implizit definierter (undefinierter) Universalien sein könnten, das bei
der Interpretation mittels explizit definierter Universalien bei geeigneten
Randbedingungen zu einer empirischen Theorie werden kann.

Anhand zweier schon im ersten Abschnitt (Theorie der Theorien) erörterter


Zitate will ich die damit aufgeworfene Problematik metaphysischer und
empirischer Sätze nochmals beleuchten:
»Ein Axiomensystem kann zunächst, da seine undefinierten Grundbegriffe als
Leerstellen betrachtet werden können, als ein System von Aussagefunktionen
aufgefaßt werden; setzt man fest, nur solche Wertsysteme zu substituieren, die
es befriedigen, so ist es ein System von Aussagegleichungen; als solches
definiert es implizit eine Klasse von Begriffsystemen. Jedes das
Axiomensystems befriedigende Begriffssystem kann man auch ein „Modell“
des Axiomensystems nennen.« [Anmk.: »Heute würde ich klar unterscheiden
zwischen den Systemen von Objekten, die ein Axiomensystem befriedigen, und
dem System der Namen dieser Objekte, die in die Axiome eingesetzt werden
können (und sie wahr machen), und ich würde nur das erstgenannte System
ein „Modell“ nennen. Daher würde ich jetzt schreiben: „nur Namen von
Objekten, die ein Modell darstellen, sind zur Substitution zugelassen.“«]50

»Innerhalb eines theoretischen Systems können wir Sätze von verschiedener


Allgemeinheitsstufe unterscheiden. Die allgemeinsten Sätze sind die Axiome;
aus ihnen kann man weniger allgemeine Sätze deduzieren [wohl aber nur durch
Einsetzung von „Namen“  GWC]. Allgemeine empirische Sätze haben in bezug
auf die aus ihnen ableitbaren weniger allgemeinen immer den Charakter von
Hypothesen, d. h., sie können durch Falsifikation eine von den weniger
allgemeinen Sätzen falsifiziert werden. Aber auch die weniger allgemeinen
Sätzen eines solchen hypothetisch-deduktiven Systems sind noch immer im
Sinne unserer Begriffsbestimmungen „allgemeine Sätze“.«51

Hier ist auf das Verhältnis von Axiome und deren undefinierten Grundbegriffe
im ersten Zitat und den allgemeinsten Sätzen im zweiten Zitat zu achten. Der
Unterschied, der zu machen ist, ist im zweiten Satz genau abzulesen: Zuerst
spricht Popper von allgemeinsten Sätzen, die Axiome sind, im nächsten Satz
nur von allgemeinen empirischen Sätzen, die immer schon den Charakter von
Hypothesen besitzen. Axiome selbst sind aber weder verifizierbar noch
falsifizierbar. Und zwar, weil sie »allgemeinste« Sätze sind, die erst mittels
Einsetzung von »Namen« in Übereinstimmung mit einem möglichen Modell
von Objekten zu »allgemeine empirische Sätze« werden. Wobei die
»allgemeinen empirischen Sätze« im Falle, die Objekte wären
grammatikalische oder mathematische Gegenstände, hinsichtlich des Attributs
»empirisch« entsprechend auf ihren Anwendungsbereich modifiziert werden
müßten.

50 S. 43
51 S. 44
Allgemeinste Sätze sind nach dieser Auffassung uninterpretierte Axiome und
als solche nicht falsifizierbar, der Unterschied von allgemeinsten Sätzen und
allgemeinen empirischen Sätzen liegt darin, daß die ersteren nicht interpretiert
und nur die zweiteren interpretiert sind, was man daran erkennen kann, daß
Popper erst im nächsten Satz von allgemeinen empirischen Sätzen, aber
nirgends von allgemeinsten empirischen Sätzen spricht. Die
Nichtfalsifizierbarkeit von uninterpretierten Axiomen ist die Folge der
Popperschen Darstellung und steht nicht im Widerspruch dazu.

Wie schon im Kapitel »Die Interpretation der Axiome« von mir deutlich
gemacht, ist aber nicht eindeutig und klar, ob Popper hier unter den Axiomen
bloß logische oder auch mathematische Axiome versteht, und warum hier
unter Axiome nicht auch naturwissenschaftliche Axiome verstanden werden
sollten. Diese Schwierigkeit ergibt sich aus dem Interpretationsspielraum, der
sich zwischen uninterpretierten Axiomen und mit undefinierten Universalien
interpretierten Axiomen herstellt. Die uninterpretierten Axiome als Formen
der Aussagefunktionen, und so als Modell der logischen Theorie (oder gleich
als diese selbst) zu verstehen, wäre naheliegend. Die mittels undefinierter
Universalien interpretierten Axiome ergeben zweierlei Aussagensysteme, je
nachdem, ob die undefinierten Universalien implizit definierter Begriffe in
empirischer oder in nichtempirischer Verwendung stehen. Das könnte als
Hinweis auf physikalische und mathematische Axiome verstanden werden. —
Doch steht dieser bloßen systematischen Denkmöglichkeit eine andere
systematische Denkmöglichkeit gegenüber, welche ich oben schon angerissen
habe: die uninterpretierten wie die mittels undefinierter Universalien
interpretierten Axiome stehen den explizit interpretierten Axiomen gegenüber;
der Gebrauch des Wortes »empirisch« hat dann keine eigenständige
Bedeutung mehr, sondern bezieht diese nur aus dem Gegenverhältnis
impliziert und explizit definierter Begriffe, wobei letztere den
Gegenstandsbereich der Anwendung der Axiome bestimmen.

Soweit zu den Interpretationsmöglichkeiten des axiomatischen Systems von


Aussagefunktionen. Ich habe nun das wegen der »allgemeinsten Sätze« wieder
strapazierte Zitat aus § 18 schon deshalb als Unterscheidung eines
uninterpretierten (allgemeinsten Sätze) und eines interpretierten axiomatischen
Satzsystems (allgemeine empirische Sätze) verstanden, weil Popper, wie er im
letzten Absatz des § 17 selbst feststellt, das Verhältnis zweier Interpretationen
(hier der geometrischen und der physikalischen) grundsätzlich als
Interpretation eines Axiomensystems mittels explizit definierten Universalien
behandelt, die bemerkenswerterweise für Popper beide unter die
Interpretationsart mit empirischen Hypothesen fallen. Es zeigt sich also eine
Präferenz Poppers für die zweite Fassung des systematischen
Zusammenhanges von uninterpretierten und interpretierten Axiomen. — Es
bleibt also in der Tat in einem präzisen Sinne fraglich, was Popper unter
»allgemeinste Sätze« verstanden hat: den Energieerhaltungssatz, die obersten
geometrischen Postulate, die Regeln des reinen Systems von
Aussagefunktionen? Insofern sehe ich durchaus die Notwendigkeit, auch nach
der Möglichkeit rein naturwissenschaftlicher Axiome (Postulate) zu fragen.

Popper macht in § 20 im Zusammenhang mit den methodologischen Regeln


zur Vermeidung konventionalistischer Immunisierung eine Bemerkung, die
überraschenderweise gut zu der hier aufgeworfenen Fragestellung paßt:

»Was die undefinierten Universalien betrifft, so müssen wir zwei


Möglichkeiten unterscheiden: Es gibt (1) undefinierte Begriffe, die nur in Sätzen
höchster Allgemeinheitstufe auftreten, deren Gebrauch dadurch festgelegt ist,
daß wir von anderen Begriffen wissen, in welchem logischen Verhältnis sie zu
ihnen stehen; sie können im Verlauf der Deduktion eliminiert werden (Beispiel:
„Energie“); ferner (2) solche, die auch in Sätzen niedrigerer Allgemeinheitsstufe
vorkommen und deren Verwendung durch den Sprachgebrauch festgelegt ist
(Beispiel: „Bewegung“, „Massepunkt“, „Lage“.«52

Bemerkenswert bleibt die Charakterisierung der Begriffsverhältnisse, welche


den Gebrauch der Begriffe bestimmen sollen: In (1) sollen logische Verhältnisse
zu anderen Begriffen, in (2) der bloße Sprachgebrauch die Verwendung der
»undefinierten« Begriffe regeln. Angesichts der schon differenzierteren
Darstellungen in § 17 und § 21 bleibt diese Äußerung reichlich unbestimmt. Ich
verzichte darauf, nunmehr anhand undefinierter, implizit definierter, einmal in
empirischer einmal in nichtempirischer Verwendung stehender, oder explizit
definierter Universalien den zwischen (1) und (2) skizzierten Übergang von
»Allgemeinheitsstufen« nochmals genau zu diskutieren. Der entscheidende
Streitpunkt hinsichtlich des Programms, die logische Form der für
naturwissenschaftliche Theorien tauglichen Sätze zu finden, ist primär nicht der
Status allgemeiner oder weniger allgemeiner Sätze, wovon womöglich die

52 S. 52
»höchste Allgemeinheitsstufe« den »allgemeinsten Sätzen« entspricht. Der
Streitpunkt dürfte die Falsifizierbarkeit solcher allgemeinster (oder bloß
»oberster« allgemeiner empirischer) Sätze sein.

Es wäre also zu untersuchen, ob der beispielsweise als oberstes Axiom


(Postulat) aufgefaßte Energierhaltungssatz als aus implizit definierten
Universalien bestehender Satz (als Modell) oder als Instantialsatz aufgefaßt
werden kann, oder nicht, um zu entscheiden, ob dieser Satz falsifizierbar ist
oder nicht. Offensichtlich setzt der Energieerhaltungssatz ein geschlossenes
System voraus, was m. E. einen Modellgedanken voraussetzt, welcher auch in
der notwendigen Idealisierung der Phänomene zur mathematischen
Formulierbarkeit enthalten ist. Die Idealisierung sieht zur Erreichung des
Modellgedankens das Absehen von anderen, ebenfalls eindeutig darstellbaren
Effekte vor. Ein oberster allgemeiner empirischer Satz wie der
Energieerhaltungssatz benötigt, diesen Gedankengang weiter verfolgend, eine
»analytische« Darstellungsweise seines Konzeptes, das der Interpretation eines
axiomatischen Satzsystems mit Modellbegriffen (vermutlich also mit empirisch
gebrauchten implizit definierten Universalien) gleicht und als solches nicht
falsifizierbar ist. Da es von den Modellbegriffen abhängt, ob ich die
verwendeten Universalien explizit durch weitere Universalien definieren kann,
kann es m. E. aber keinen prinzipiellen und allgemeinen Hindernisgrund
geben, gegebenenfalls aus einer Interpretation mittels empirisch gebrauchter
implizit definierter Universalien eine Interpretation mittels explizit definierter
Universalien abzuleiten, die, soweit Popper in § 17, die logische Voraussetzung
zur Interpretation eines axiomatischen Satzsystems mit empirischen
Hypothesen sein soll.

Im Gegenzug werde ich allerdings in den letzten zwei Kapiteln dieses


Abschnittes feststellen, daß auch der von Popper wegen der
Nichtfalsifizierbarkeit als metaphysisch ausgeschlossene Satz »Es gibt
Naturgesetze«53 (oder »Die Welt wird von strengen Gesetzen beherrscht«)54
durchaus auch in eine falsifizierbare Form gebracht werden kann; und zwar
mit jeder naturwissenschaftlichen Hypothese. Allerdings wurden
Falsifizierungen bislang niemals auf diese obersten Sätze zurückgeführt. Die
beiden letzteren Sätze haben darüberhinaus aber noch die Eigenschaft, als
Voraussetzung und Grundannahme einer jeden naturwissenschaftlichen
Tätigkeit erweisbar zu sein, was nun nicht von allen allgemeinen empirischen

53 S. 392
54 S. 33
Sätzen einer naturwissenschaftlichen Theorie behauptet werden kann.
Vielleicht ließe sich auch vom Energieerhaltungssatz zeigen, daß er ebenfalls zu
solchen »allgemeinsten« Sätzen gehört, ohne welchen Naturwissenschaft gar
nicht möglich ist.

Ich habe schon von Anfang an bezweifelt, daß die sich bei Popper
einschleifende Identifizierung v o n Abgrenzungskriterium und
Falsifikationsprinzip für die Untersuchung der Frage, was sind metaphysische
Sätze, wirklich hilfreich ist.

14. Die erwartete Gesetzmäßigkeit der Universalien und die Strukturtheorie

Popper bedenkt nun, wie schon bekannt, durchaus die Schwierigkeit einer
jedem Basissatz vor jeder Theorie, woraus dieser Basissatz als »verbotener«,
aber zunächst auch als »erlaubter« Basissatz abgeleitet gedacht wird,
vorausgesetzten Theorie. Dies ist nicht zuletzt in V, 28 erkenntlich geworden:

»Basissätze sind also — in realistischer Ausdrucksweise — Sätze, die


behaupten, daß sich in einem individuellen Raum-Zeit-Gebiet ein
beobachtbarer Vorgang abspielt. Wie die in dieser Definition auftretenden
Termini — bis auf den undefinierten, aber erläuterungsfähigen Grundbegriff
„beobachtbar“ — präzisiert werden können, wurde bereits (in 23 )
besprochen.«55

Verstärkt und eindeutig thematisiert wird diese Problemstellung im »Neuen


Anhang, X. Universalien, Dispositionen und Naturnotwendigkeit«. Dort nimmt
Popper zum Problem der Verifikation des Einzelfalles nochmals Stellung:

»Bei diesen Theorien über die Struktur der Welt ist die Schwierigkeit nicht so
sehr, die Allgemeingültigkeit des Gesetzes aus dem wiederholten Auftreten
von Einzelfällen abzuleiten, sondern sie liegt schon in der Frage, wie man
nachweisen kann, daß das Gesetz auch nur in einem Fall gilt; denn die
Beschreibung und Überprüfung jedes einzelnen Falles setzt ihrerseits schon
Strukturtheorien voraus«56

55 S. 69
56 S. 377
Hier kommt es auch zu der unmittelbaren Gegenüberstellung, die mich über
die Schwierigkeit mit den Erlebnisaussagen hinaus interessiert: Einerseits
vergewissert sich Popper nochmals, daß der Einzelfall überhaupt unter eine
naturwissenschaftliche Theorie fallen kann: Tatsachenaussagen enthalten
Universalien, wo Universalien gelten, liegt immer ein gesetzmäßiges Verhalten
vor.57 Andererseits soll dieses gesetzmäßige Verhalten nicht nur eine
allgemeine Behauptung von Naturgesetzlichkeit überhaupt bedeuten, sondern
findet sein Gegenstück in einer bestimmten »Strukturtheorie«, welcher den
einzelnen Axiomen der verschiedenen Zweige der Naturwissenschaften
inhaltlich vorausgesetzt ist.

Die dispositionale Charakteristik von Universalien, die sich immer auf eine
offene Reihe von Gegenständen der gleichen Art beziehen, beziehen sich
gemeinsam auf eine Strukturtheorie, deren Einheitlichkeit zwar in Frage steht,
von der aber zumindest regional eine Kompatibilität mit den »dispositionalen«
Konzepten erwartet wird. Von Verifikation in einem eingeschränkten oder
schwachem Sinne kann deshalb dann auch wieder die Rede sein, wenn ein
Konzept sich als kompatibel mit der »Strukturtheorie« erweist.58 — Von daher
ist auch die Unterscheidung von »obersten« allgemeinen empirischen Sätzen
und Hypothesen, die Popper im Zuge seiner »wissenschaftslogischen«
Untersuchung wieder einschränkt, zu verstehen: die obersten allgemeinen
empirischen Sätze der »höchsten Allgemeinheitsstufe« (§ 20) spezifizieren nicht
eine bestimmte physikalistische Theorie, sondern sind Sätze der
»Strukturtheorie«. Daß Popper schließlich jede Einzelhypothese (einschließlich
der »dispositionalen« Universalien) zur Theorie erklärt, gerät aber nicht in
Widerspruch zur älteren Einteilung, wie es den Anschein haben kann, da auch
die »Strukturtheorie« Hypothesen bildet.

Daß Popper auch späterhin auf eine Unterscheidung in Theorie und Basissätze
wert legt, zeigt folgendes Zitat: »Daß Theorien die Erfahrung in dem hier
erläuterten Sinn transzendentieren, wurde an vielen Stellen meines Buches
behauptet. Zugleich wurden Theorien als streng allgemeine Sätze
bezeichnet.«59

57 S. 378
58 Freilich reicht eine einmalige Falsifikation zur Widerlegung einer Hypothese nicht aus, sodaß
komplementär auch diese schwache Definition von einer einmaligen »Verifikation« eines verbotenen
(oder der Widerlegung eines erlaubten) Basissatzes von Popper für wissenschaftliche Aussagen
zurecht abgelehnt wird.
59 Logik der Forschung, cit. op., S. 380
15. Allgemeine empirische Sätze und Randbedingungen (besondere Sätze)

Was Popper unter »allgemeine empirische Sätze« von »höchster


Allgemeinheitsstufe« verstehen könnte, kann nun gerade vor dem
Hintergrund der Auseinandersetzung von spezifischer Theorie und
»Strukturtheorie« in Verbindung mit der Frage des Grundes der »logischen
Form« der Basissätze keineswegs als eindeutig gesichert ausgegeben werden.
Ich will nun anhand der gegenüber dem dritten Kapitel fortgeschrittenere
Fassung im neuen Anhang (X. Universalien, Dispositionen und
Naturnotwendigkeit) zeigen, daß Popper mit dem dort geprägten Ausdruck
»streng allgemeine Sätze« keineswegs beabsichtigt, Naturgesetze und
Randbedingungen eindeutig und von vornherein a priori unterscheiden zu
können. — Popper behandelt nämlich im X. Kapitel des neuen Anhangs zuerst
das entgegengesetzte Problem: Wie der Widerspruch des zur Falsifikation
geforderten logischen Verhältnisses des Enthaltenseins von weniger
allgemeineren Sätzen in allgemeinere Sätze zum Verhältnis von allgemeinen
empirischen Sätzen und Randbedingungen (besondere Sätze) eine
erkenntnislogische Interpretation finden kann.

Popper schließt sich hier aus mehreren Gründen der Kritik Kneales an; er hofft
in der Diskussion der Positionen Kneales selbst deutlicher seine Argumente
herausarbeiten zu können. Kneale kritisiert die Auffassung, »daß eine
Charakterisierung der Naturgesetze als allgemeine Sätze
logisch zureichend und intuitiv befriedigend ist.«60

Popper bringt das Beispiel des ausgestorbenen neuseeländischen Riesenvogels


»Moa«, der zwar nach unseren Erkenntnissen mindestens sechzig Jahre hätte
werden können, aber wegen der Schwächung durch eine chronische
Viruserkrankung niemals über fünfzig Jahre alt geworden ist. Da diese
Viruserkrankung nur ein zufälliger oder kontingenter Umstand ist, zeigt dieses
Beispiel, »daß es wahre, streng allgemeine Sätze gibt, die nicht den Charakter
wahrer universaler Naturgesetze, sondern einen zufälligen Charakter
haben.«61

Diese strenge Allgemeinheit ergibt sich bei Popper aus dem selbst empirischen
Umstand, daß kein Fall bekannt geworden ist, daß ein Moa ohne diese

60 S. 381, William Kneale, Probability and Induction, 1949


61 S. 382
Viruserkrankung zu finden gewesen wäre. Offensichtlich verbindet Popper in
diesem Beispiel das Argument mit einem epidemologischen Befund, der als
solcher keine wissenschaftliche Besonderheit darstellt: nämlich daß eine
Gattung während ihrer Lebenszeit immer mit einem Parasiten konfrontiert
wird, nicht weil es genetisch der Gattung notwendig wäre, sondern weil es
ökologisch sich im Zuge der Anpassung der Evolution der Arten so ergeben
hat, und die einfache Notwendigkeit eines Faktums bekommt. Insofern
handelt es sich um eine gut abgesicherte wissenschaftliche Behauptung, wenn
Popper diesen »zufälligen und kontingenten« Umstand der Viruserkrankung
den Rang eines wahren, streng allgemeinen Satzes zubilligt.

Im Kap. III unterscheidet Popper die Sätze einer Theorie z. B. folgendermaßen:
Allgemeine Sätze (Hypothesen, Naturgesetze) — Besondere Sätze
(Randbedingungen). Randbedingungen werden auch Ursache genannt.62 Hier
wird aber die logische Unterscheidung der Randbedingungen als »besondere
Sätze« von den allgemeinen empirischen Sätzen (als »Naturgesetze«) im
Rahmen der Untersuchung der »wahren, streng allgemeinen Sätze« nahezu
aufgehoben: Da die Viruserkrankung des Vogels Moa nur ein zufälliger oder
kontingenter Umstand ist, der allerdings empirisch immer in Verbindung mit
den Moa aufgetreten ist, zeige dieses Beispiel, » d a ß es
wahre, streng allgemeine Sätze gibt, die nicht den Charakter wahrer universaler
Naturgesetze, sondern einen zufälligen Charakter haben.«63 Was aber soll
»strenge« Allgemeinheit, die (empirische) allgemeine Sätze wie
Randbedingungen umfaßt, gegenüber den »wahren universalen
Naturgesetzen« einerseits und den »besonderen Sätzen« andererseits in
diesem Zusammenhang bedeuten?

Die kontingenten Sätze als streng allgemeine Sätze haben in diesem Beispiel
erstens die Randbedingung auszusagen: Das bedeutet erstens, daß das
Verbreitungsgebiet eines bestimmten Virus und eines bestimmten Vogels
übereinstimmt und bedeutet zweitens, daß der Virus ein Parasit des Vogels ist.
Das kann man eine kontingente Aussage nennen, doch beinhaltet die
Bezeichnung des Virus als Parasit eine dritte Theorie, die von der des fraglichen
Virus wie von der physiologischen Theorie der Moa zwar aus verschieden
Gründen abhängig ist, sich aber doch von diesen unterscheiden läßt.

62 S 32
63 S. 382
Doch worin unterscheidet sich die Notwendigkeit dieser Kontingenz von der
bloß logischen Allgemeinheit einer anderen kontingenten Aussage, wie etwa
»Alle Äpfel in diesem Korb sind rot«? Wolfgang Stegmüller diskutiert
akzidentielle Allaussagen (Alle Äpfel sind rot) und naturgesetzliche Aussagen
der Form »Alle Metalle leiten Elektrizität« (Stegmüller, Probleme und Resultate
der Wissenschaftstheorie und Analytischen Philosophie, Band I.
Wissenschaftliche Erklärung und Begründung, (Studienausgabe, Teil 2),
S. 280 f.). Popper stellt den gleichen Unterschied mit »spezifisch allgemeinen
Sätzen« (§ 13) und »Allsätzen« vor, deren Deutlichkeit allerdings noch
zusätzlich von den Schwierigkeiten in der Bestimmung des Verhältnisses der
Allsätze zu universiellen Es-gibt-Sätzen (§ 15, § 28) einerseits und zu den Sätzen
»numerischer Allgemeinheit« (§ 13) andererseits beeinträchtigt wird. Die
Schwierigkeiten bei Popper wie bei Stegmüller hinsichtlich der Unterscheidung
von logischer Allgemeinheit aus der Allquantifikation und »spezifischer«
Allgemeinheit aus Notwendigkeit (worunter wohl auch die formale
Implikation fallen müßte) wurde andernorts schon eingehend behandelt; hier
reicht aus, Poppers wie Stegmüllers abnehmende Fähigkeit festzustellen,
zwischen akzidentiellem Allsatz und naturgesetzlicher Aussage bzw. zunächst
zwischen Allsatz und spezifisch allgemeinen Sätzen unterscheiden zu können.
Der einzige Unterschied zwischen dem Vogel-Beispiel und dem Apfel-Beispiel
ist der, daß Popper von einer naturwissenschaftlichen Erklärung der
Randbedingung ausgegangen ist, während im Apfel-Beispiel Stegmüllers eine
solche Erklärung nicht mitgegeben worden ist, die Röte aller Äpfel im Korb in
diesem Sinne also auch zufällig genannt werden könnte, was im Vogel-Beispiel
(an dieser Viruserkrankung zu leiden) nicht mehr möglich ist, weil eben die
Bestimmung der Deckungsgleichheit des Verbreitungsgebietes bereits eine
allgemeine Regel ausspricht. —

Popper kann die der Falsifikation vorausgesetzte logische Unterscheidung


anhand der Hierarchie von immer weniger allgemeinen Sätzen einerseits und
immer allgemeineren Sätzen andererseits zwischen naturwissenschaftlicher
Erklärung des möglichen Lebensalters des Vogels Mao und der
naturwissenschaftlichen Erklärung, daß der Parasit, da er alle Vögel befallen
hat, diese an der Erreichung des möglichen Lebensalters gehindert hat, nicht
mehr mit Sicherheit behaupten.

Hier macht zuerst die Quantifizierung die Kontingenz aus, und qualifiziert die
naturwissenschaftliche Erklärung, die als Theorie von Parasiten
»unbeschränkt« allgemein gelten könnte (d. h., ohne bestimmte Beziehung auf
den Moa), erst zur Randbedingung. Die Bestimmung des Lebensalters der Mao
ohne Parasiten liegt gleichfalls in der impliziten Quantifikation, für (nahezu)
alle Individuuen der Art zu gelten. Die Naturgesetzlichkeit (Notwendigkeit)
beider Behauptungen aber liegt darin, auf allgemeinere Prinzipien der
Physiologie und Biologie bezogen zu sein. — Es bleibt die Frage, was Popper
mit der Wendung von »wahren, streng allgemeinen Sätzen« letztlich
hinsichtlich der Unterscheidung in Naturgesetze (oberste »allgemeine
empirische Sätze«) und Randbedingungen aus dem dritten Kapitel zur Klärung
beigetragen hat.

Zwar vermag klar zu werden, weshalb eine naturwissenschaftliche


Gesetzesaussage (Allaussage über einen Parasiten) anhand von bestimmten
Raum-Zeit-Bedingungen zu einem besonderen Satz werden kann, aber nicht
nur deren Eigentümlichkeit, trotzdem auch als kontingente Aussage gleich
»streng« allgemein zu gelten, sondern auch umgekehrt die davon
unabhängige Allaussage, alle Moa könnten ohne diese Viruserkrankung
durchschnittlich sechzig Jahre alt werden, bleibt doch trotz des Mangels
empirischer Überprüfbarkeit wiederum gerade genauso kontingent wie die
Behauptung, daß alle Moa an diesen Parasiten gelitten haben.

Die Unterscheidung in »allgemeine empirische Sätze« und in »besondere


Sätze« gelingt also auch anhand der Raum-Zeit-Bedingung der selbst
unbeschränkten Allaussage über Parasiten nicht, weil auch die körperlichen
Eigenschaften der Moa selbst nur Gründe für Aussagen sein können, die eine
nur auf die Art der Moa, und somit nach Raum-Zeit-Bedingungen
bestimmbare Verbreitung dieser Art beschränkte Gültigkeit besitzen.

16. Die logische Stärke der Naturgesetze und deren Kontingenz

Die »Prinzipien der Notwendigkeit« sollten die der »dispositionalen«


Universalien zugrundeliegende »Strukturtheorie« sein.64 Für Popper haben die
Naturgesetze aber den Charakter von Verboten. Das wird hier scholastisch
begründet: Der Punkt 9 seiner Untersuchung beginnt mit der einfachen
scholastischen Unterscheidung von »logisch möglich « und »real möglich «:
ersteres darf nicht widerspruchsvoll sein, zweiteres nicht den Naturgesetzen
widersprechen. Das reicht als modallogisches Unterscheidungsmerkmal allein

64 S. 393, vgl. hier Kap. 18


aber nicht aus, wie offensichtlich auch Popper gleich darauf bemerkt hat. Auch
findet Popper hierfür nur eine negative Formulierung:

»Im Vergleich zu logischen Tautologien haben Naturgesetze einen


kontingenten, zufälligen Charakter.« Doch aber seien die Naturgesetze
gegenüber den selbst »in einem höheren Grad« kontingenten Einzeltatsachen
für notwendig anzusehen.65

Popper vertritt also nach der inzwischen erfolgten Charakterisierung


besonderer Sätze als allgemeine Sätze wieder die Auffassung einer in Graden
unterschiedene »Allgemeinheit« zwischen verschiedenen Arten von Sätzen,
wobei die Axiome der Logik, zuvor als »Tautologien« apostrophiert, als Ideal
der Notwendigkeit vorgeführt werden. In Punkt 10 kommt Popper auf die
Frage nach der Kontingenz der Sätze, die Naturgesetze aussagen, noch näher
zu sprechen:

»Das Gegenteil — die Ansicht, daß Naturgesetze in keinem Sinn kontingent


sind — scheint Kneale zu vertreten, wenn ich ihn recht verstehe. Meiner
Auffassung nach ist diese Ansicht genauso verfehlt wie die von Kneale mit
Recht kritisierte These, daß Naturgesetze nichts als wahre allgemeine Sätze
sind.«66

Popper bleibt aber bei dem Beschluß, trotz dieser Zurücksetzung des
universalen Anspruches in der modernen Auffassung von Naturgesetzen auf
eine Hierachie von Graden der Allgemeinheit zu bestehen:

»Wenn Naturgesetze nicht bloß streng universale Sätze sind, müssen sie
logisch stärker sein als die bloß streng allgemeinen Sätze, da die letzteren aus
ihnen ableitbar sein müssen.«

»Daher verlangt der hier eingenommene Standpunkt keinerlei Umgestaltung


meiner Methodologie. Nur auf ontologischem oder metaphysischem Gebiet
sind gewisse Änderungen nötig, die man folgendermaßen umreißen kann:
wenn wir vermuten, daß a ein Naturgesetz ist, meinen wir, daß a eine
strukturelle Eigenschaft unserer Welt aussagt, eine Eigenschaft, die das

65 S. 384
66 S. 385
Vorkommen gewisser logisch möglicher Einzelvorgänge oder Zustände
verhindert.«67

Naturgesetze können also als Prinzipien jener »Strukturtheorie« angesehen


werden, die vorhin als Konzept der den »verbotenen« Basissätzen
entgegengesetzten Tatsachenaussagen im Falle einer Falsifikation der
betrachteten Theorie vorgestellt worden sind, gleich ob deren Gewißheit mit
der Gewißheit logischer Prinzipien vergleichbar ist oder nicht.

Popper hat nun die Auffassung diskutiert, daß wir im Falle der von uns
exponierten Naturgesetze nie sicher sein könnten, ob deren allgemeiner Satz
nicht bloß wegen einer regionalen Randbedingung (wie im Beispiel des »Moa«)
ein allgemeiner empirischer Satz ist. — Derart würde schließlich erst der
gedachte ideale Satz eines Naturgesetzes der Notwendigkeit nach den
logischen Axiomen gleichgestellt sein. Doch genau diese nur denkmögliche
Identifizierung der logischen Möglichkeit mit der physikalischen Möglichkeit
will Popper zu recht nicht einmal als logische Möglichkeit gelten lassen. D. h.,
die Unterscheidung in Naturgesetze und besondere Sätze gelingt nicht, weil
mit beiden Allaussagen über Regeln von Naturgegenstände und deren
Verhältnisse getroffen werden, die auf einen kontingenten Gültigkeitsbereich
eingeschränkt werden. Es stellt sich heraus, daß hier beide als besondere Sätze
gelten. Jedoch sind beide doch auch wahre allgemeine Sätze; darüber hinaus
sagen diese Sätze Regel von Verhältnissen in der Natur aus, und könnten doch
insofern noch als Naturgesetze angesprochen werden. — Wie sind dann aber
»oberste« allgemeine empirische Sätze als »wahre universale Naturgesetze«
noch zu denken möglich; sind sie überhaupt notwendig? Oder anders gefragt:
»Gibt es sie«?

17. Der Ausschluß metaphysischer Sätze:


»Die Welt ist von strengen Gesetzen beherrscht.«

Nun hat Popper im Zusammenhang, daß eine Theorie Prognosen liefern


»kann«, schon vor seiner Erklärung zur Axiomatik bezüglich »metaphysischer
Sätze« festgestellt:

67 S. 387
»„Kausalsatz“ nennt man einen Satz, der behauptet, daß jeder beliebige
Vorgang „kausal erklärt“, d. h. prognostiziert werden kann, je nach dem, wie
man dieses Wort „kann“ auffaßt, hat ein solcher Satz die Form einer
Tautologie (eines analytischen Urteils) oder einer Wirklichkeitsaussage (eines
synthetischen Urteils). Soll „kann“ auf eine logische Möglichkeit hinweisen, so
ist der Satz tautologisch, denn zu jeder beliebigen Prognose lassen sich immer
allgemeine Sätze und Randbedingungen auffinden, aus denen sie ableitbar ist
(womit nichts darüber gesagt ist, ob sich diese allgemeinen Sätze auch sonst
immer bewähren). Soll „kann“ aber etwa andeuten, die Welt sei von strengen
Gesetzen beherrscht, sie sei so gebaut, daß jeder Vorgang Sonderfall einer
allgemeinen Gesetzmäßigkeit ist (oder dgl.), so ist der Satz synthetisch, aber,
wie wir auch noch später (78 ) sehen werden, nicht falsifizierbar; wir werden
ihn also weder vertreten noch bestreiten, sondern uns damit begnügen, ihn als
„metaphysisch“ aus der Wissenschaft auszuschalten.«68

Die logische Möglichkeit ist hier in Verbindung, daß eine Tautologie mittels
Randbedingungen zu allgemeinen Sätzen kommt, die sich gegebenenfalls
bewähren, nicht von Interesse. Ich diskutiere die zweite Bedeutung des
»kann«.

Zunächst verwundert, daß Popper den Satz, der behauptet, (die Form) eines
jeden Vorganges sei ein Sonderfall einer allgemeinen Gesetzmäßigkeit als
synthetisch und nicht als analytisch bezeichnet. Ich unterstelle hier einmal, daß
Popper, hier nur teilweise verständig, einen Kantianismus als Argument
vorgeschoben hat. Denn hier benützt Popper die Doppeldeutigkeit des
Kantschen Begriffs der Synthesis, einmal als Charakteristikum der Erfahrung
(gegenüber den analytischen Satzsystemen), und einmal als Charakteristikum
der Metaphysik (als spekulative und schlechte Metaphysik) zu gelten.69 — Daß
ein synthetischer Satz nicht falsifizierbar ist, stimmt aber ganz und gar nicht;
nur ein synthetischer Satz a priori ist nicht falsifizierbar. Das geht auch
eindeutig aus dem ganzen Zitat hervor.

Poppers eigentliches Problem im letzten Zitat ist nun der strikte


Determinismus, der aus der Annahme eines obersten Naturgesetzes angeblich
mit Notwendigkeit zu folgern wäre. Um dieser Schwierigkeit auszuweichen ,

68 S. 33
69 Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft, B 416 f. (Die Widerlegung des Mendelssohnschen
Beweises der Beharrlichkeit der Seele)
benützt Popper die Doppeldeutigkeit Kants im Begriff der Synthesis (die auf
dessen Boden durchaus aufzulösen wäre). Popper rechnet eben hier nicht mit
der trivialen Möglichkeit, daß verschiedene strenge Determinationen
zusammen ein Phänomen, einen Horizont, eine »Welt« konstituieren, die
selbst keineswegs streng deterministisch abläuft. Ein komplexes Ereignis ist
selbst keinesfalls als streng deterministisch zu kennzeichnen, nur weil
verschiedene Naturgesetze daran beteiligt sind.

In diesem Zusammenhang ist auf die Eigenschaften von Naturgesetzen zu


verweisen, wie sie die Untersuchung des Abschnitts X im Anhang von L. d. F.5
anhand des Beispiels der Moa ergeben haben, wo sowohl Randbedingungen
wie allgemeine empirische Sätze von Popper als »streng allgemeine Sätze«
bezeichnet werden. Dort hat sich gezeigt, daß Sätze, auch wenn sie
Naturgesetze nicht als »oberste« allgemeine empirische Sätze aussagen, gleich
mit welcher Sicherheit sie ausgesagt werden können, immer ihr Gesetz als
streng und nicht als irgendwie geltend behaupten.

Die Formulierung Poppers, daß die Welt von strengen Gesetzen beherrscht
werde, thematisiert zwar den (von ihm abgelehnten) strengen Determinismus
auf eine hinreichend deutliche Weise, doch reproduziert Popper einen
Denkfehler, den nicht er zum ersten Mal begangen hat: Auch die Naturgesetze,
welche die allgemeinen empirischen Sätze und die besonderen Sätze als
Randbedingungen im Beispiel der Moa aussagen, haben, solange sie nicht als
Ableitungen aus bewährten allgemeineren Sätzen falsifiziert sind, den gleichen
Geltungsanspruch wie mathematische oder logische Gesetze. Auch statistische
Gesetze gelten dem Anspruch nach unbedingt, und nicht einmal mehr und
einmal weniger. Beobachtete Änderungen von Hypothesen bewährter
naturwissenschaftlicher Theorien müssen auf eine neu hinzugetretene
Randbedingung zurückgeführt werden können. — Was ich damit sagen will
ist, daß die Formulierung Poppers, die Welt sei von strengen Gesetzen
beherrscht, nicht durch eine Kritik, solche Gesetze könnten wir gar nicht
erkennen, aus der Wissenschaft ausgeschlossen werden kann, weil diese
Formulierung auch für eine weichere Fassung von Naturgesetz gilt. Und zwar,
weil es nicht möglich ist, die Strenge des Gesetzes zu vermindern. Das ist völlig
unabhängig von der Frage, ob wir Naturgesetze, wie sie sind, erkennen
können. — Wir könnten auch Naturgesetze, wie sie sind, erkennen. Aber
leider: wir wissen es nicht mit letzter Sicherheit, ob und wann wir dies erreicht
haben. Es bleibt diesbezüglich also alles beim Alten.
Wir hätten also zumindest zuerst für einen Verständnishintergrund zu sorgen,
um Gesetzesbegriffe (Konzepte) von geregelten Naturvorgängen zu erhalten,
die anzeigen, daß man zu antizipieren habe, daß es die Regel ist (aber eben
nicht als Gesetz für alle möglichen Fälle formulierbar), daß unbekannte
Randbedingungen mitwirken, die entscheidenden Einfluß auf das Ergebnis
besitzen. Das könnte vielleicht in der Tiefenpsychologie oder in der
alternativen Medizin Sinn machen. In der mathematischen Naturwissenschaft
zumindest halte ich den strengen Gesetzesbegriff als Anspruch für
unverzichtbar. Ebensowenig kann ich von Graden der Notwendigkeit
sprechen. Der Anspruch von Gesetzen ist also streng, oder es ist kein Gesetz.
— Modal ist demnach zwischen bloßer »Naturgesetzlichkeit« der Sätze der
Randbedingungen, dem nächst allgemeineren naturwissenschaftlichen
Satzsystem und einem obersten Naturgesetz kein Unterschied zu machen.

Der Denkfehler liegt also nochmals darin, daß die Annahme strenger
Gesetzlichkeit notwendigerweise die Vorstellung eines strengen
Determinismus in der Natur zur Folge haben müßte. Deshalb will Popper auch
die Auffassung, daß die Welt von strengen Gesetzen beherrscht wird, als
metaphysisch aus den Wissenschaften ausschließen. Die Rückführung des
Ausschlusses auf die Nichtfalsifizierbarkeit von Es-gibt-Sätzen ist zwar in der
Tat befriedigend, kann aber nicht verhindern, daß die von Popper aus den
naturwissenschaftlichen Theorien ausgeschlossene Behauptung »die Welt wird
von strengen Gesetzen beherrscht« in der Erkenntnislogik als Voraussetzung
der Behauptung von falsifizierbaren Allsätzen wieder auftaucht. Und zwar,
weil ohne Allsätze als solche zu behaupten, auch keine Falsifikation möglich ist.
Deshalb bleibt der Satz »die Welt ist von strengen Gesetzen beherrscht« für die
Erkenntnislogik wie f ü r die Methoden d e r Überprüfung
naturwissenschaftlicher Theorien notwendig als Voraussetzung in Stellung.

Mein Punkt liegt darin, daß ich nicht nur irgendwie metaphysische Sätze im
Rahmen einer Erkenntnislogik gelten lasse, über die man noch reden darf,
ohne a priori den Sinnlosigkeitsverdacht auf sich zu ziehen (im übrigen
zumeist eine bloße Höflichkeitsfloskel), sondern daß ich auch zu zeigen
imstande bin, welche Funktion metaphysische Sätze in der Erkenntnistheorie
und auch in der Erkenntnislogik Poppers haben. Popper betont zwar bei vielen
Gelegenheiten, daß metaphysische Sätze nicht an sich sinnlos seien, lehnt aber
bei der Behandlung metaphysischer Sätze ab, den Sinn metaphysischer Sätze
für die Erkenntnislogik zu debattieren, sondern spricht nur vom
Transzendendieren der Sätze einer empirischen Theorie. Da mag einerseits der
positivistische und sprachanalytische Gegenwind ein Grund für diese Haltung
gewesen sein, andererseits vielleicht auch die Bemühung, zu verhindern, daß
die Naturwissenschaft dazu mißbraucht wird, metaphysische Theorien zu
beweisen. Das muß hier offen bleiben.

18. Der Ausschluß metaphysischer Sätze:


Es gibt Naturgesetze. Der ontologische Status allgemeiner Gesetze70

»Das eine kann man offenbar nicht tun: den Satz daß es Naturgesetze gibt,
kann man nicht verifizieren (man kann ihn nicht einmal falsifizieren). Wenn
aber ein Satz nicht verifizierbar ist (und selbst wenn er nichtfalsifizierbar ist),
dann bedeutet das nicht. daß er sinnlos ist, daß man ihn nicht verstehen kann
oder daß „man das nicht sagen“ kann, wie Wittgenstein meinte.«71

»Es gibt«-Sätze sind bloß Geltungsbehauptungen und für uns nicht von einer
platonischen Behauptung einer eigenen Seinsweise als von der objektiven
Wirklichkeit getrennten Existenz eines Gesetzes zu unterscheiden. Deshalb hat
Popper die Es-gibt-Sätze, sofern deren logische Form zu einer bestimmbaren
logischen Quantifikation indifferent sind, auch aus den Sätzen ausgeschlossen,
die für eine naturwissenschaftliche Theorie tauglich sein sollen. Freilich heißt
daß auch, daß weder im jeden Fall die Annahme platonischer Ideen sinnlos sein
muß, wie gerne von Positivsiten und Realisten behauptet wird, noch daß jede
Geltungsbehauptung als reine Idee ins Reich ewiger Wahrheiten zu entrücken
ist:

Die »Naturgesetzlichkeit« der Theorien ist weder für die Allaussagen über das
»natürliche« Lebensalter der Moa ohne Parasit noch für die Allaussagen über
das Lebensalter der Moa mit dem Parasiten in Frage gestellt, auch nicht, daß es
allgemeinere Allaussagen gibt, wovon beide Aussagensysteme abhängen, die
abermals »naturgesetzlich« zu nennen sind. — Daß es Naturgesetze gibt, kann
nicht bezweifelt werden, wenn man Naturwissenschaft betreibt. Doch ist die
Frage, ob »wahre universale Naturgesetze« möglich sind, nicht schlüssig zu

70 Hier ist vielleicht die beste Gelegenheit auf die Fruchtbarkeit eines Briefwechsels hinzuweisen, dem
ich in einigen Fällen den Zwang zur Präzisierung meiner Ideen wie meiner Ausdrucksweise verdanke:
Insbesondere in der Frage der Bedeutung metaphysischer Sätze im Rahmen der Popperschen
Erkenntnislogik haben sich meine Überlegungen im Widerspruch zu Wolfram Gorisch (München)
entwickelt, dessen kollegiale und freundschaftliche Anteilnahme aber nicht nur in dieser Frage
wertvoll gewesen ist . So soll auf diesem Wege der gebührende Dank abgestattet werden .
71 S. 392, Fußnote
beantworten. Auch die Überlegung der mit undefinierten Universalien
interpretierten »allgemeinsten Sätze« aus der Axiomatik im dritten Kapitel
(§ 16-18, insbesondere S. 43 ff.) scheint seltsam in der Luft zu hängen, die
weder abgewiesen, noch positiv als systematische Möglichkeit einer aus einem
inhaltlich bestimmten einzelnen Prinzip abgeleiteten Naturwissenschaft
erwiesen werden könnte.

Schließlich sagt im Anschluß an das vorhin gegebene Zitat zur


Nichtfalsifizierbarkeit und Nichtverifizierbarkeit von Naturgesetzen aus dem
Anhang (Abschnitt X) Popper nochmals:

»Ich gehe aber hier über das in diesen Abschnitten gesagte hinaus, indem ich
den eigentümlichen ontologischen Status allgemeiner Gesetze betone (etwa
dadurch, daß ich von ihrer „Notwendigkeit“ oder ihrem „strukturellen
Charakter“ spreche), und auch durch die Hervorhebung der Tatsache, daß der
metaphysische Charakter und die Unwiderlegbarkeit der Behauptung, es gebe
Naturgesetze, uns nicht daran zu hindern braucht, diese Behauptung rational
— d. h. kritisch — zu diskutieren.«72

Hieraus (wie auch aus dem Verlauf der Argumentation dieses Textabschnittes)
geht hervor, daß Popper mit dem »strukturellen Charakter« doch von
»obersten« allgemeinen empirischen Sätzen ausgeht, die nicht gleich
Bestandteil derjenigen Theorien sind, welche die konkreten
»Naturgesetzlichkeiten« unter Randbedingungen als allgemeine empirische
Sätze formulieren, sondern diesen sogar vorausgesetzt sind, weil sie nur dann
als logisch gerechtfertigt gedacht werden können, wenn diese aus jenen
abgeleitet worden sind.

Popper behauptet also zweierlei: Erstens, daß metaphysische Sätze gibt (»Die
Welt wird von strengen Gesetzen beherrscht«, »Es gibt Naturgesetze«), die
zwar wegen ihrer Nichtfalsifizierbarkeit aus den naturwissenschaftlichen
Theorien auszuschließen, aber für eine Theorie der Theorien der
Erkenntnislogik doch in Stellung zu halten sind. Zweitens wird zuletzt der
ontologische Status allgemeiner Gesetze durch die »Notwendigkeit« und den
»strukturellen Charakter« charakterisiert. Diese Charakterisierung impliziert
aber noch ein weiteres: Wie im Kapitel »Die erwartete Gesetzmäßigkeit der
Universalien und die Strukturtheorie« bereits ausgeführt, beansprucht eine

72 S. 393
»Strukturtheorie« sehrwohl empirischen Charakter, auch wenn diese Theorie
zunächst nur im Rahmen der Untersuchung der logischen Form des
Basissatzes als Vorausetzung für die mit der Verwendung von Universalien
gegebenen Erwartung der Gesetzmäßigkeit exponiert wird. — Da die logische
Form des Basissatzes zwar prinzipiell von der Theorie abhängt, indem formal
der Basissatz als Hypothese formulierbar sein sollte und inhaltlich die
Basissätze wegen ihrer »Deduktion« aus allgemeineren empirischen Sätzen
mehr aussagen sollen als die bloßen empirischen Sätze (§ 21), aber darüber
hinausgehend auch inhaltlich unabhängig von den allgemeinen empirischen
Sätzen einer spezifischen Theorie sein muß, um eine Hypothese derselben
falsifizieren zu können, muß die bloß spekulativ gedachte Möglichkeit einer
Strukturtheorie auch einen empirischen Anspruch erheben.

Die Vorstellung einer Strukturtheorie bietet den Universalien zumindest einen


abstrakten Grund, weshalb sie sich überhaupt zu sinnvollen Sätzen (allgemeine
und universielle Sätze) zusammensetzen lassen (eine Frage, auf die Popper
nicht eingeht). Und sie bietet den Grund, von einer logischen Form der
Basissätze zu reden, die inhaltlich sowohl von der Theorie der falsifizierten
Hypothese wie von der Theorie der falsifizierenden Hypothese unabhängig ist.
— Ich verstehe Popper dahingehend, daß er parallel zur Theorie der
Erkenntnislogik (Theorie der Theorien), wo er die logischen und
erkenntnislogischen Bedingungen der logischen Form v o n für
naturwissenschaftliche Theorien taugliche Sätze formal untersucht hat,
nunmehr im X. Kapitel des neuen Anhangs anhand des Konzepts einer
»Strukturtheorie« für den Satz »Es gibt Naturgesetze« über dessen formale
allgemeine Bedeutung der Naturgesetzlichkeit hinausgehend einmal einen
empirischen Anspruch und einmal einen ontologischen Anspruch erhoben hat.
Und zwar beide säuberlich von einander getrennt: Die Demonstration des
empirischen Anspruches einer Strukturtheorie anhand des diskutierten
Beispieles eines von einem Parasiten befallenen Vogels hat — auch insofern
konsequent — zur Auflösung des Unterschiedes von allgemein empirischen
Sätzen und besonderen Sätzen geführt. Dieser Widerspruch des neuen
Anhangs zur logischen Bedingung der Falsifizierbarkeit von allgemeinen
Sätzen, dessen Konsequenzen im Rahmen dieser Arbeit vielleicht bisher nicht
genügend beachtet worden sind, führt jedenfalls nicht deshalb zu ungelösten
Problemstellungen in der Erkenntnislogik von Karl Popper, weil mit der
»Strukturtheorie« ein metaphysischer Anspruch erhoben worden ist, sondern
verweist vielmehr auf eine formulierbar gedachte Einheit der
Naturwissenschaften, die selbst als Theorie ihren empirischen Charakter nicht
verliert.

Davon ist der ontologische Anspruch zu unterscheiden. Abermals sind zwei


Alternativen zu bedenken: Wird dieser ontologische Anspruch nur im Sinne
einer abstrakt als vorausgesetzte Bedingung allgemein behaupteten
Naturgesetzlichkeit erhoben, oder zieht dieser Anspruch die inhaltliche
Bestimmung »wahrer universaler Naturgesetze« in Gestalt von »obersten
allgemeinen empirischen Sätzen« einer einheitlichen naturwissenschaftlichen
Theorie nach sich?

Man sieht, die Frage nach der Möglichkeit einer einheitlichen


Naturwissenschaft als Strukturtheorie stellt sich sowohl mit dem empirischen
Anspruch wie mit dem ontologischen Anspruch. Beide Formulierungsweisen
besitzen nämlich im gleichen Maße die selbe Schwierigkeit, von immer
»allgemeineren empirischen Sätzen« zu obersten »allgemeinen empirischen
Sätzen« schließlich zu »allgemeinsten Sätzen« zu kommen, die erst erlaubten,
nach logischen, mathematischen und naturwissenschaftlichen Axiomen
systematisch zu unterscheiden. Ich sage, daß Popper einen Grund gehabt
haben muß, weshalb er im X. Kapitel des neuen Anhangs den ontologischen
Status allgemeiner Gesetze nicht einfach als metaphysischen Satz wegen
Nichtfalsifizierbarkeit ausgeschlossen hat. Insofern Popper sich gelegentlich
auch als »Realist« bezeichnet hat, halte ich die Vermutung, Popper wollte
wegen der Möglichkeit einer theoretisch einheitlichen Naturwissenschaft den
ontologischen Anspruch nicht ausschließen, für plausibel. Mit einem Ausschluß
des ontologischen Anspruches fällt auch der Anspruch auf eine theoretisch
einheitliche Naturwissenschaft.

Daß eine theoretisch einheitliche Naturwissenschaft einerseits empirischen


Charakter hat, und als solche dem Falsifikationsprinzip als Methode der
Erkenntnislogik zu unterwerfen ist, andererseits zumindest im Aspekt der
Performation der Behauptung von allgemeinen Sätzen den ontologischen
Status allgemeiner Gesetze als »wahre universale Naturgesetze« beansprucht,
bringt die mit der Möglichkeit einer theoretisch einheitlichen
Naturwissenschaft überwunden geglaubte transzendentale Differenz zwischen
Theorie und Wirklichkeit nur wieder zurück: Eine solche theoretisch
einheitliche Naturwissenschaft bliebe immer dem Falsifikationsprinzip
unterworfen, weil wir (vielleicht) die Naturgesetze erkennen können, wie sie in
Wirklichkeit sind, aber nicht feststellen können, ob und wann das der Fall ist,
weil unser empirisches Wissen immer nur angenähertes Wissen beanspruchen
kann.

19. Zur Möglichkeit qualifizierter metaphysischer Sätze

Ich habe also aus zwei Gründen eine andere Auffassung über den
»allgemeinsten Satz« in der Popperschen Erkenntnislogik:

1) Selbst hätte ich das Zitat vom Anfangs des § 18 hinsichtlich der Bedeutung
des »allgemeinsten Satzes« überinterpretiert, so stellt sich mit der
nichtempirischen Verwendung von implizit definierten Universalien doch eine
notwendige Stelle in der zunächst nach unten (Basissätze) und oben offenen
Hierarchie von immer allgemeineren Sätzen vor. Ich sehe das für einen
ausreichenden Grund, Vermutungen darüber anzustellen, ob die Erörterung
der Umstände des Ausschlußes nichtempirisch verwendeter implizit definierter
Universalien (Begriffe) zur weiteren Überlegung des Ausschlußes von Sätzen
aus dem Grund, weil es sich um nichtfalsifizierbare Sätze handelt oder weil es
sich um metaphysische Sätze handelt, etwas beitragen könnte. Popper schließt
universielle Es-gibt-Sätze, Instantialsätze, den Satz »Es gibt Naturgesetze« wie
den Satz »Die Welt wird von strengen Gesetzen beherrscht« immer mit dem
gleichen formalen Grund der Nichtfalsifizierbarkeit aus. Man muß davon
ausgehen, daß diese Ausschlußverfahren nicht die gleichen systematischen
Absichten verfolgen (außer die Absicht, die Erkenntnislogik der
Naturwissenschaften zu finden), auch wenn sie die gleiche Methode
verwenden.

2 a) Ich habe unabhängig von meinen Arbeiten an den grundlegenden Texten


zur Erkenntnislogik von Karl Popper die Auffassung vertreten, daß es in jeder
Erkenntnislogik »metaphysische« Sätze gibt, oder Sätze, die eine solche
Funktion besitzen. Popper hat zwar metaphysische Sätze immer gegen den
grundsätzlichen Sinnlosigkeitsverdacht verteidtigt, es wurde von ihm aber im
Rahmen der »Logik der Forschung« kein nennenswerter Versuch
unternommen, deren Sinnhaftigkeit im Rahmen der Theorie der Theorien
selbst darzustellen. Ausgehend von meiner eben kurz charakterisierten
erkenntnistheoretischen Grundposition halte ich das zwar für einen Mangel,
den man aber vergleichweise einfach beheben kann.
2 b) Ich bin unabhängig von Popper der Auffassung, daß jede Theorie der
Theorien nicht mit dem gleichen Verfahren zu Basissätzen kommen kann, wie
die von dieser Theorie untersuchten Theorien (schwache Version). Ich bin
weiters der Auffassung, daß es Theorien gibt, die sich allein nach dem Prinzip
der logischen Kohärenz im Zusammenhang mit der historischen Erfahrung
ändern, ohne daß diese selbst im empirischen Sinne falsifizierbar wären. — Im
Rahmen des Popperschen Systemgedankens so allgemein wie möglich
formuliert: In genügend komplexen Satzsystemen ist es nicht immer möglich,
bei Falsifikation einer Teiltheorie festzustellen, ob, und wenn ja, welche obere
allgemeinen empirischen Sätze davon betroffen sind (starke Version).73

Gemäß meiner Überlegungen weiter oben qualifizieren sich »sinnvolle«


metaphysische Sätze weder (1) mittels der Methode des Ausschlusses wegen
Nichtfalsifizierbarkeit noch (2) mittels der teilweise dazu möglichen
Alternative, solche Sätze anhand von Folgesätzen zwar falsifizierbar
formulieren zu können, aber die etwaige Falsifikation deren Hypothesen nicht
eindeutig auf die »obersten« Sätze zurückführen zu können, oder (3) bloß
tautologisch formuliert zu werden, sondern metaphysische Sätze sind im Sinne
einer Erkenntnislogik nur dann sinnvoll, wenn sie als Bedingung jeder weiterer
naturwissenschaftlichen (empirischen) Theorie erwiesen werden können.

Ich scheue den Schritt in die Spekulation um so weniger, als daß die
Verfremdung als Methode der »Erfindungslogik« ja allseits anerkannt wird,
und bringe natürlich beide Befunde, den hinsichtlich des Mangels in der
Reflexion metaphysischer Sätze und d e n hinsichtlich den
Auflösungserscheinungen des Satzes vom Widerspruch in der geforderten
Verbotsform von Naturgesetzen, neuerlich in Zusammenhang. So ließe sich
selbst der Satz vom Widerspruch insofern als falsifizierbar vorstellen, indem
man behauptet, daß der Fortschritt der Wissenschaft im allgemeinen und der
Naturwissenschaft im speziellen bewiesen habe, daß Fortschritte nur dort
gemacht werden konnten, wo man zwischen wahren und falschen
Behauptungen (in der Axiomatik wie im Basissatz!) unterscheiden konnte. Das
mag zwar vielen, die gerade aus der Mathematik und aus den
Naturwissenschaften des Zwanzigsten Jahrhunderts die systematische
Auflösung des Satzes vom Widerspruch herauslesen, als ein Irrtum des

73 A. Grünbaum, Can we ascertain the Falsity of an Hypothesis?, in: Studium Generale 22, 1969.
Grünbaum bringt seit längerem gegen Popper ein altes Argument von P. Duhem ins Spiel, das auf
Undurchführbarkeit des eine komplexe Theorie definitiv stürzenden experimentum crucis lautet (P.
Duhem, Ziel und Struktur physikalischer Theorien, Leipzig, 1908, 243 ff., 249 ff., 290 ff.).
Neunzehnten Jahrhunderts erscheinen. — Das verstärkt aber nur die —
Spekulation (!) — , daß der Satz vom Widerspruch eine falsifizierbare
Formulierung finden könne. Der Unterschied liegt nur darin, daß die einen
sagen, dieser logische Grundsatz habe sich letztlich bewährt, was sich gerade in
den Grenzziehungen seines Geltungsbereiches bestätige, die anderen sagen, er
sei als genereller Grundsatz der Logik bereits falsifiziert worden.

Ich will und kann in den Streit zwischen Logik und Mathematik um das Primat
in den rein formaltheoretischen Wissenschaften nicht eingreifen; ich vermag
daraus nur zu ersehen, daß das Falsifikationsprinzip in dieser Frage keine
eindeutige Entscheidung herbeiführen konnte. Das mag, wie ich bei
Gelegenheit vermutet habe, an der »logischen Form« der zu bestimmenden
Basissätze liegen (hier: was ist eine mathematische, was eine aussagenlogische
Funktion?). — Auf diesem Umweg läßt sich ein anderer Grund und ein
anderes Verfahren denken, weshalb manche Sätze von Popper als nicht
falsifizierbar »festgesetzt« werden. Womöglich antizipiert hier Popper immer
schon seine letztlich auch pragmatische Perspektive, ein Prüfverfahren zu
finden, um die Leistung einer Theorie im Vergleich zu anderen Theorien
beurteilen zu können: Obwohl zugestanden wird, daß manchmal die
falsifizierten Theorien die interessanteren sein können, setzt die Beurteilung
der Leistung einer Theorie dennoch die Falsifizierbarkeit voraus; und zwar
eben die eindeutige Falsifizierbarkeit. Damit gibt es einen systematisch guten
Grund, gewisse Sätze als nichtfalsifizierbar auszuschließen, auch wenn es sich
um keine eindeutige Nichtfalsifizierbarkeit handelt. Die mangelnde
Eindeutigkeit ist dann der Ausschließungsgrund. — Eine Qualifikation, deshalb
als ein spezifisch sinnvoller »metaphysischen« Satz zu gelten, ist damit
allerdings noch nicht verbunden, wie schon vorhin kenntlich gemacht.

Leider stellt Popper diese Verhältnisse so gut wie nicht dar, weshalb meine
Kritikpunkte aufrecht bleiben müssen. Zumal von Kennern der
erkenntnistheoretischen Arbeiten von Karl R. Popper zumeist die wenigen
Hinweise auf die Möglichkeit einer solchen Hintergrundüberlegung zu
Mißverständnissen der Absichten Poppers erklärt werden. Damit haben sie ja
in gewisser Hinsicht auch Recht, übersehen mit der Verabsolutierung des
formalen Ausschließungsgrundes aber die diversen systematischen Gründe
der Ausschließungsverfahren, und somit auch die im wesentlichen
systematische Dimension der von Popper implizit aufgeworfenen
Fragestellungen, deren Beantwortung seiner Überzeugung nach anscheinend
nicht nur nicht in den Naturwissenschaften, sondern auch nicht in der
Erkenntnislogik möglich ist. — Dem ersteren stimme ich zu, dem letzteren
muß ich wegen der geforderten streng ausschließlichen Formulierung
widersprechen.

Schlußbetrachtung

Für meinen Interpretationsansatz sind meine mitgebrachten Auffassungen


zwar entscheidend, aber, wie ich hoffe, nicht für die Durchführung der Analyse
der zentralen Stellen der Erkenntnislogik als Theorie der Theorien. — So
bestätigt sich die Annahme, daß es nicht gelingt, eine theoriefähige Definition
des Basissatzes zu erbringen anhand der Ausführungen Poppers in § 33, wo er
ganz offen darüber diskutiert, daß Theorien mit Instantialsätzen sowohl
Wahrheitswahrscheinlichkeit = 1 wie auch Falschheitswahrscheinlichkeit = 1
besitzen können.74 Weiters bestätigt sich in § 28, daß Popper beginnt, mittels
einer ominösen »logischen Form« (S. 67, Fußnote) den Unterschied zwischen
einer Allaussage und einer generellen Negation zu verwischen, um den
unhaltbaren Zustand zu verbergen, daß Naturgesetze seit § 15 (und auch
weiterhin) sowohl als generelle Negationen wie als generelle Affirmationen
formuliert werden sollen, weil sie alle nur die Form von Verboten besitzen
dürften. Letzteres wird in § 15 noch nicht behauptet, aber in § 28.

Während das Problem der Instantialsätze von Popper zumindest weiter


diskutiert wird, und die Charakterisierung der Basissätze allem Anschein nach
zureicht, ernsthaft Prüfungsverfahren für naturwissenschaftliche Theorien
zumindest grundsätzlich zu überlegen, wird das Problem des
Verbotscharakters von Naturgesetzen verheimlicht. — Daß Popper zweimal
bei der Erstellung einer Theorie der Theorien der Erkenntnislogik
(Bestimmung der Begriffsarten und der Satzarten) schwere Fehler gemacht,
und deshalb eine solche eigentlich nicht zustandegebracht hat, hat nun mit
meinen an den grundlegenden Text von Poppers erkenntnistheoretischem
Werk herangetragenen Auffassungen zu »metaphysischen« Sätzen in der
Naturwissenschaft und Erkenntnislogik gar nichts zu tun, sondern die
Feststellung dieser Fehler und die Erklärungen, wie sie zustande gekommen
sind, können für sich selbst sprechen.

74 S. 80 f.
Das Poppersche Falsifikationsprinzip hat sich methodisch und systematisch
vom logischen modus tollens zu unterscheiden; mit der Forderung, daß die
entscheidenden (konventionalistischen) Festsetzungen i m Basissatz
stattzufinden haben, soll das garantiert werden. Trotz der Schwächen der
Grundlegung einer Theorie der Theorien, die nur im Vergleich der logischen
Hierarchie allgemeiner Sätze mit den Relationen der Falsifikationsbeziehungen
(welcher Satz durch eine Widerlegung der Folge widerlegt werden kann)
ausreichend Kontur besitzt (VI. Kapitel),75 konnte der Entwurf Poppers seinen
Einfluß in der wissenschaftstheoretischen Diskussion der Naturwissenschaften
geltend machen. Nunmehr setzt sich die Schwäche der Bestimmung des
Basissatzes fort, wenn die blinde Übertragung des Falsifikationsprinzipes im
Sinne Poppers auf alle Theoriebereiche gefordert wird (was als Idee einer
Verfremdung zunächst aber zu begrüssen ist). Ich habe nicht vor, das von
Popper vorgeschlagene Prüfungsverfahren wegen des Scheiterns einer
einheitlichen Definition des Basissatzes gleich blind zu verwerfen; hier ist dann
entscheidend, ob die Charakterisierung der Basissätze ausreicht, ein
eindeutiges Prüfungsverfahren zu entwerfen, auch wenn die
Definitionsversuche des Basissatzes in allen seinen benötigten Aspekten nicht
zu einer Theorie des Basissatzes geführt hat, wie Popper in der aus § 28
diskutierten Fußnote gehofft hat. Insofern läßt sich aber schon daraus
vermuten, daß Popper eigentlich ab dem dritten Kapitel keine Erkenntnislogik
mehr formulieren kann, sondern bestenfalls ein Verfahren,
naturwissenschaftliche Theorien nach ihrer Leistung und nach ihrem
Bewährungsgrad zu vergleichen — was immerhin auch zu würdigen ist.

Vom Poppers Grundlegungsversuch der Erkenntnislogik als eine Theorie der


Theorien bleibt also die Aufstufung der Sätze nach Allgemeinheitsstufen als
logische Voraussetzung der Falsifizierbarkeit, die Unverzichtbarkeit von
Axiomen für Naturwissenschaften, die als uninterpretierte allgemeinste Sätze
nicht falsifizierbar oder verifizierbar sind, und die Unterscheidung der
Subsummtionsverhältnisse zwischen Sätzen und der Falsifikationsverhältnisse
zwischen Sätzen (§§ 34-36) (vgl. die Unterscheidung von Bolzano in
Ableitungs- und Abfolgeverhältnisse zwischen Sätzen).

Von der Bestimmung des Basissatzes bleibt neben der richtigen Kritik Poppers
an den verschiedenen Fassungen des Protokollsatzes vorallem die

75 Die auch dort feststellbaren Schwächen — etwa die Unterscheidung der Falsifizierbarkeitsgrade von
Basissätzen, empirischen Sätzen und metaphysischen Sätzen (Tautologien) — zu diskutieren, muß
einer anderen Arbeit vorbehalten bleiben.,
Bestimmung des Basissatzes als singulärer Es-gibt-Satz, und daß dieser, obwohl
aus Universalien zusammengesetzt, implizite oder explizite Raum-Zeit-
Bestimmungen beinhaltet. Das könnte ausreichen, um sich im Rahmen der
Forschergemeinschaft auf Kriterien, was als bewährte Theorie zu gelten hat, zu
einigen, um wenigstens Erklärungskraft (logischer und empirischer Gehalt,
§ 35) und die Falsifizierbarkeit von naturwissenschaftlichen Theorien zu
vergleichen.

Wie ein Basissatz eine Theorie falsifizieren kann, vermag Popper trotz heißem
Bemühens jedoch nicht vorzustellen, sondern die Möglichkeit wird schließlich
unbewiesen dem »methodologischen Beschluß« vorausgesetzt. Das ist ein
Grund, weshalb der kommunikationstheoretische Aspekt aus der
Erkenntnistheorie nicht ausgegrenzt werden kann.

Auch die Erkenntnislogik als Methodenlehre der Naturwissenschaften (welche


wegen der Insuffizienz der Theorie der Theorien gar nicht wirklich geleistet
werden kann) steht in einem Horizont mit Psychologie und Geschichte, wie
Popper in seinen Überlegungen zu einer evolutionären Erkenntnistheorie
später selbst sagt (Skizze einer evolutionären Erkenntnistheorie, in: K. R. Popper,
Objektive Erkenntnis, Verlag Campe, S. 68 ff. ):

»Doch schon bei der Abfassung meiner Logik der Forschung kam ich zu dem


Schluß, daß wir Erkenntnistheoretiker den Vorrang vor den Historikern
beanspruchen können: Logische Untersuchungen der Gültigkeit und
Annäherung an die Wahrheit könne für genetische und historische, ja sogar für
psychologische Untersuchungen von größter Wichtigkeit sein. Sie sind diesen
jedenfalls logisch vorgeordnet, obwohl wissenschaftsgeschichtliche
Untersuchungen dem Erkenntnislogiker viele interessante Probleme liefern
können.«

Ich entnehme daraus, daß die »logische Rechtfertigung« von allen


»genetischen, historischen und psychologischen Fragen scharf unterschieden«
werden muß; und daß eben dieselbe allen diesen Fragen vorausgesetzt ist.
Aber ich entnehme dem Gesagten auch, das genetische, historische und
psychologische Fragen mit erkenntnistheoretischen Fragen in einen
vorgegebenen Zusammenhang stehen. — Näher aber nicht nur diesen Fragen,
die selbst schon erkenntnistheoretischer Art in einem weiteren Sinn sind,
sondern auch denjenigen naturwissenschaftlichen Theorien, deren
»Rechtfertigung« und »Leistung« als eigentlicher Problembestand allmählich
aus dem Blickfeld geraten sind, werden die logischen Untersuchungen
vorausgesetzt. Die Schwierigkeit »logischer Rechtfertigung« besteht also
sowohl für die eigentlich zu untersuchenden naturwissenschaftlichen Theorien,
wie auch für jene Teile der erkenntnistheoretischen Untersuchungen, die zur
Beurteilung der »Leistung« einer solchen Theorie in genetischer, historischer
und psychologischer Hinsicht zu unternehmen sind. Ob eine logische
Untersuchung unter diesen verschiedenen Ansprüchen wirklich noch rein
formalwissenschaftlich als Logik ausgegeben werden kann, ohne schon eine
modale und transzendentale Reflexion miteinzuschließen, will ich dem Leser
zur Beurteilung überlassen.

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