2 POLITIK & GESELLSCHAFT
Donnerstag, den 24. April 2008
Mäzenatentum
oder Wohltätigkeit
Man dürfe das Mäzenatentum
der Unternehmen nicht mit der
Philanthropie von Privatpersonen
gleichsetzen, meinte Virginie
Seghers, Beraterin für Mäzena-
tentum und soziale Verantwor-
tung von Betrieben. Beide Grup-
pen hätten verschiedene Bedürf-
nisse und stellten demnach un-
terschiedliche Anforderungen an
die Philanthropie-Politik. Zudem
forderte die französische Exper-
tin, dass bei der Ausbildung der
künftigen Unternehmensleiter
das Mäzenatentum und die so-
ziale Verantwortung stärker be-
rücksichtigt werden. (DS)
Bewertung
bleibt problematisch
Bei dem Kolloquium ging es auch
immer wieder um die Bewertung
der Organisationen und der Pro-
jekte, die unterstützt werden sol-
len. Um möglichst viele poten-
zielle Spender anzuziehen, halten
die Experten eine Bewertung für
unerlässlich. Sie sei nötig, um
den Impakt der Arbeit zu chif-
frieren.
Gleichzeitig waren sich die meis-
ten Redner aber einig, dass eine
Bewertung immer auch ein Pro-
blem darstellt. Da die zur Verfü-
gung stehenden finanziellen Mit-
tel begrenzt sind, herrscht unter
den Organisationen natürlich ein
harter Konkurrenzkampf. Wer-
den die Bewertungen veröffent-
lich, kann dies für einige Organi-
sationen schwerwiegende Folgen
nach sich ziehen. Deshalb sei nur
eine Bewertung durch eine unab-
hängige Instanz ratsam, hieß es
seitens der Experten. (DS)
Potential für Stiftungen
und Unternehmen
Bisher arbeiten Luxemburgs Stif-
tungen bei Philanthropie-Projek-
ten nur unzureichend mit den
Unternehmen des Landes zusam-
men. Dadurch geht beiden Seiten
wertvolles Aktions- und Ge-
schäftspotential verloren. Ver-
besserungsbedarf besteht sowohl
innerhalb vieler Unternehmen
(Einbeziehung von Mitarbeitern
für Stiftungs- und Spendenpro-
jekte) als auch bei der gemeinsa-
men Ausarbeitung von Philan-
thropie-Vorhaben, so Laurent
Probst von PWC Luxemburg. (ja)
Zum Nachdenken
Der Vermesser des Reichtums
Ihm wurde klar, dass es einen
gravierenden Unterschied zwi-
schen Reichtum und Vermögen
gibt, zwischen Reichen und Ver-
mögenden. Die Spezies der Rei-
chen ist demnach daran zu erken-
nen, dass sie sich gerne als luxus-
fixierte Exzentriker aufführt, we-
niger soziologisch ausgedrückt:
Bei ihr wird die Kreditkarte nicht
kalt. Aber das ist es denn auch. Für
den Vermögenden dagegen ist ty-
pisch, dass er in einem Gemeinwe-
sen Verantwortung übernimmt,
gerade dann, wenn der Sozialstaat
an seine Grenzen gelange. Der
Vermögende gibt sich durch sein
philanthropisches Handeln zu er-
kennen, pathologisches Konsu-
mieren ist seine Sache nicht.
Hanns-Bruno Kammertöns,
Die Zeit, 4. 4. 2007
Kolloquium zur Philanthropie in Luxemburg in der Philharmonie
Juncker: „Die Chancen nutzen“
Bei der Modernisierung des Rechtsrahmens sollen Erfahrungen der Nachbarländer genutzt werden
VON JAKUB ADAMOWICZ
Das Stiftungs- und Spendenwesen
in Luxemburg erhält einen moder-
nisierten Rechtsrahmen, um den
heutigen philanthropischen Anfor-
derungen gerecht zu werden. Lu-
xemburg soll so Kompetenzzentrum
für grenzüberschreitende Spenden
werden. Staatsminister Jean-Claude
Juncker will bis 22. Mai dem Parla-
ment entsprechende Vorschläge
vorlegen.
„Wir müssen gut überlegen, aber
auch schnell handeln“, sagte Jun-
cker am Mittwoch während seiner
Eröffnungsrede des Philanthropie-
Kolloquiums in der Philharmonie.
Der Regierungschef unterstrich
seine Unterstützung für das mo-
derne Stiftungswesen: „Der Staat
darf und wird sich nicht aus der
Gestaltung öffentlicher Politiken
zurückziehen, aber er kann nicht
alleine alle Funktionen erfüllen.“
Juncker setzt auf Komplementari-
tät: „Stiftungen stehen für schnelle
und unkomplizierte Lösungen und
können damit einen wichtigen er-
gänzenden Beitrag zur Gesell-
schaftspolitik des Staates leisten“.
Dachstiftung schaffen
Auch wenn der Staatsminister bei
der Modernisierung des luxem-
burgischen Stiftungsrechts „keine
Tabus“ scheut, sprach sich Jun-
cker für die Schaffung einer Dach-
stiftung aus, wie sie etwa in Bel-
gien mit der „Fondation Roi Bau-
doin“ oder in Frankreich mit der
„Fondation de France“ bestehen.
Mit seiner Eröffnungsrede hat Jun-
cker die Bedeutung der Moderni-
sierung des Stiftungs- und Spen-
denrechts unterstrichen. Am 22.
Mai sollen im Rahmen der Rede
zur Lage der Nation konkrete Vor-
schläge folgen. Bei dem von der
Banque de Luxembourg organi-
Welches Philanthropie-Modell für Luxemburg?
Wenn Luxemburg sich die nötigen
Strukturen geben will, um eine
zeitgemäße Philanthropie-Politik
auf die Beine zu stellen, kann sich
das Land zwar an erfolgreichen
Modellen im Ausland inspirieren,
doch letztendlich muss das Kon-
zept auf nationaler Ebene fest ver-
ankert werden und den lokalen
Gegebenheiten Rechnung tragen.
Zu diesem Schluss kam Marc Pfit-
zer, Managing Director von FSG
Social Impact Advisors beim Phi-
lanthropie-Symposium.
Pfitzer sprach sich für eine „Na-
tional Community Foundation“ als
eine Art Dachorganisation aus.
Eine ähnliche Rolle kommt in Bel-
gien der Fondation Roi Baudouin
zu. Damit die nationale Stiftung
wirkungsvoll funktionieren kann,
soll sie Konzepte nach Maß anbie-
ten, sie muss transparent sein und
sie muss wirtschaftlich nachhaltig
wirken. Dadurch hätten poten-
zielle Spender eine Garantie, dass
ihre Gelder sinnvoll und effektiv
angelegt werden, so Pfitzer. Um
möglichst viele Gelder zu sam-
Richtungsvorgabe: Premierminister Jean-Claude Juncker will das Stiftungs-
und Spendenwesen in Luxemburg weiterentwickeln.
sierten Kolloquium wurde gestern
erneut deutlich, dass Luxemburg
beim Stiftungs- und Spendenwe-
sen beträchtlichen Handlungsbe-
darf hat.
„Aus eigener Erfahrung kann
ich sagen, dass Luxemburg bei der
Modernisierung seines Rechtsrah-
mens für Philanthropie harte Ar-
beit bevorsteht“, sagte Bertram
Pohl. Der Schweizer hat in Sennin-
gerberg eine Stiftung gegründet,
um junge Musiker zu unterstüt-
zen. Doch die Gründung einer Stif-
tung im Großherzogtum war kom-
pliziert: „Es waren zwei Jahre
harte Arbeit“, so Pohl, der meh-
rere Problembereiche benannte:
Handlungsbedarf
Das bestehende Stiftungsrecht be-
hindert die Gründung von Stiftun-
gen, statt sie zu fördern. Steuerli-
che Anreize liegen unterhalb der
im EU-Vergleich verbreiteten
Standards. Es gibt keine rechtliche
Besserstellung von Stiftungen ge-
genüber anderen Rechtsformen.
Besonders hemmend, so Pohl, ist
die Besteuerung der Aktivitäten
Marc Pfitzer plädiert für einen nationalen Ansatz
Aller Anfang ist schwer: Bei der Entwicklung seiner Philanthropie-Politik
sollte Luxemburg zunächst das eigene Terrain fest im Visier behalten. Erst in
einem zweiten Schritt sollte man globaler denken.
meln, müsse die Stiftung schließ-
lich die Spender nicht nur infor-
mieren, sondern auch motivieren.
Zu diesem Zweck sollte man auf
breit angelegte Werbe- und Infor-
mationskampagnen zurückgreifen
können.
(FOTO: VIC FISCHBACH)
von Stiftungen. Außerdem man-
gelt es an Beratungsstellen, um
Fördermittel – etwa auf EU-Ebene
– auszuschöpfen.
Bewusstseinswandel fördern
Zwei Faktoren sind für eine erfolg-
reiche Modernisierung des Stif-
tungs- und Spendenrechts ent-
scheidend: die Schaffung eines an-
gemessenen Rechtsrahmens und
ein Bewusstseinswandel bei den
Akteuren (Privatpersonen, öffent-
liche Verwaltungen, Unterneh-
men).
Bei der Modernisierung des be-
stehenden Rechtsrahmens hat Lu-
xemburg zwei Vorteile: Zum einen
können die Anforderungen auf-
grund der kurzen Entscheidungs-
wege schnell und umfassend er-
fasst werden. Gleichzeitig hat Lu-
xemburg die Möglichkeit, aus den
Erfahrungen mehrerer europäi-
scher Staaten zu lernen und die
besten Elemente der jeweiligen
Philanthropie-Vorschriften zu
übernehmen.
Russel Prior von der britischen
„Charities Aid Foundation“ hob
(FOTO: SHUTTERSTOCK)
Für den Experten ist es aller-
dings unerlässlich, dass die Rah-
menbedingungen in Luxemburg
angepasst werden. Dazu müssten
sowohl legale als auch steuerliche
Veränderungen vorgenommen
werden, um die nötigen Anreize
Luxemburger Wort
am Mittwoch die Vorteile des eng-
lischen Stiftungsrechts hervor:
„Der Zweck steht im Vorder-
grund, die Vorschriften sind kein
Selbstzweck, sondern dienen le-
diglich der Absicherung, dass die
Stiftungsaktivitäten dem Allge-
meinwohl dienen.“ Xavier Delsol
von „Delsol&Associés“ warnte da-
vor, die im französischen Stif-
tungsrecht bestehenden Genehmi-
gungs- und Aufsichtsprozeduren
bei der Modernisierung des lu-
xemburgischen Stiftungsrechts zu
übernehmen. „Das französische
Stiftungsrecht betrachtet gemein-
nützige Vereinigungen (,utilité pu-
blique‘) zu restriktiv“, so Delsol.
Ludwig Forrest von der belgischen
Dachstiftung „Roi Baudouin“
machte auf die Reform des belgi-
schen Stiftungsrechts von 2002
aufmerksam, mit der mehrere Stif-
tungsformen geschaffen wurden.
André Prüm, Dekan der Fakul-
tät für Rechts-, Wirtschafts- und
Finanzwissenschaft an der Uni-
versität Luxemburg, sprach sich
für eine Evolution des bestehen-
des Rechtsrahmens aus. Luxem-
burgs Stiftungsrecht basiert auf
einem Gesetz aus dem Jahre 1928.
„Auf dieser Basis können Anpas-
sungen vorgenommen werden
und gleichzeitig Aufsichtsproze-
duren berücksichtigt werden“, so
Prüm.
Schirmherrschaft
Soll die Philanthropie in Luxem-
burg ihre Chancen nutzen, ist ein
Bewusstseinswandel innerhalb
der Gesellschaft unabdingbar.
„Entscheidend für den Erfolg
vieler Stiftungsinitiativen ist die
Schirmherrschaft durch bekannte
Personen wie Bill Gates oder Ri-
chard Branson. Dadurch steigt die
Bereitschaft der Bevölkerung zu
spenden“, so „The Economist“-Re-
dakteur Matthew Bishop.
zu schaffen, dass mögliche Spen-
der auch ein Interesse darin sehen,
ihr Geld in wohltätige Projekte zu
investieren. So stammt das luxem-
burgische Stiftungsrecht bei-
spielsweise noch aus dem Jahr
1928 und wird den heutigen Anfor-
derungen folglich kaum noch ge-
recht. Die allgemeinen Regeln
sollten möglich einfach und
unkompliziert sein, meinte Marc
Pfitzer weiter.
Eine nationale Stiftung sollte
schließlich nur solche Fonds auf-
legen, die wirklich gebraucht wer-
den und auch erfolgversprechend
sind. Dabei sollte man sich zu-
nächst auf rein nationale Projekte
konzentrieren und versuchen, auf
diesem Gebiet möglichst eine Vor-
reiterrolle zu erreichen. Erst dann
sollte man sich auch über die
Grenzen hinaus orientieren. Als
letzten Schritt könnte man sich
dann auf die europäische Bühne
wagen, betonte der Experte. Auf
alle Fälle müsste man aber von
dem Know-how des Finanzplatzes
Luxemburg profitieren. (DS)