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Kulturelle Muster in der Selbstsozialisation von Jugendlichen.

Ein vernachlässigtes Thema der Politikdidaktik in der Schule?

Wissenschaftliche Hausarbeit zur Ersten Staatsprüfung für das


Lehramt an Realschulen nach der RPO I v. 22.08.2003

Keller, Jörg
Erste Staatsprüfung im Anschluss an das Sommersemester 2007
Pädagogische Hochschule Ludwigsburg
Sozialwissenschaftlicher Verbund

Erstprüferin: Prof.’in Dr. Anja Besand


Zweitprüferin: Prof.’in Dr. Renate Kreile
Inhalt

1. Was ist Kultur?.......................................................................................................7

1.1 Moderner vs. vormoderner Kulturbegriff...............................................................8

1.2 Kultur als Vergleichskultur..................................................................................10

1.3 Postmoderne Kultur............................................................................................11

2. Kultur und erkenntnistheoretische Theorien ....................................................14

2.1 Ethnologischer Kulturbegriff ...............................................................................14

2.2 Ästhetische Weltaneignung in Lebensstilen.......................................................16

2.3 Kulturelle Muster – Eine Definition .....................................................................18

2.4 Folgerungen für die Politikdidaktik .....................................................................22

3. Die kommerzialisierte Jugend? ..........................................................................23

3.1 Jugendliche Selbstsozialisation..........................................................................25

3.2 Popkultur und politische Selbstsozialisation im Jugendalter ..............................26

3.3 Die unpolitische Jugend? ...................................................................................29

3.4 Weitere Folgerungen für die politische Bildung..................................................31

4. Die kulturelle Praxis der Jugend – Eine Marginalie in der Politikdidaktik? ...32

5. Etappen der politischen Bildung nach 1945 .....................................................35

1
6. Die Inszenierung des Politischen.......................................................................38

7. Positionen der politischen Bildung....................................................................42

7.1 Inhalte des Politikunterrichts ..............................................................................42

7.2 Kategoriale Bildung ............................................................................................44

7.3 „Dimensionen des Politischen“ und „Politikzyklus“.............................................47

7.4 Komplexreduktion durch kognitive Strukturen?..................................................49

7.5 Fachdidaktische Kontroversen ...........................................................................51

7.6 Paradigmen der Politikdidaktik ...........................................................................54

8. Ausblick ................................................................................................................55

8.1 Forderungen an den politischen Unterricht .....................................................55

8.2 Politische Bildung als Medienbildung und Biographieforschung ........................58

9. Literaturverzeichnis.............................................................................................62

10. Abbildungsverzeichnis ....................................................................................68

11. Erklärung...........................................................................................................69

2
Einleitung

Wenn Giesecke konstatiert, dass der Politikunterricht in der Schule von den heutigen
Schülerinnen und Schülern vielfach als „Laberfach“1 wahrgenommen und somit abge-
wertet wird, sagt das nicht nur etwas über die gegenwärtige Bedeutung des Politikun-
terrichts in der Schule bei den Schülerinnen und Schülern aus.
Vielmehr zeigen sich hier auch unterschiedliche Konnotationen des sprachlichen Dia-
logs („labern“), als Mittel der politischen Willensbildung, auf Seiten der Vertreter der
politischen Bildung (Didaktiker, Lehrer) und der Seite der Jugendlichen. Trotz vieler
individueller Fachdidaktiken besteht ein breiter Konsens darüber,

[…] dass es im Politikunterricht vor allem darum geht, Schülerinnen und Schülern eine
vernünftige Vorstellung von […] den prägenden Elementen des Politischen zu vermit-
teln.2

In der fachdidaktischen Diskussion werden dabei nach wie vor kognitive Strategien
präferiert, um den Lernenden den Zugang zur Politik oder dem dezidiert Politischen zu
erleichtern. Dabei stützt sich die Politikdidaktik auf ihr rationales Paradigma. Printme-
dien und die Erschließung politischer Zusammenhänge durch sprach-logische Zugän-
ge prägen nach wie vor die politische Unterrichtskultur.
Nur scheint dieser Zugang nicht den Präferenzen der Jugendlichen zu entsprechen.
Pessimistische Vertreter der Politikdidaktik zeichnen daher ein Bild des unpolitischen
Jugendlichen, der nicht mehr bereit sei, neben seinen hedonistischen Bedürfnissen
einen ernsthaften Zugang zur Politik zu suchen. Die Strukturunterschiede zwischen
ihrer Lebenswelt und dem politischen System seien nur schwer vereinbar und müssten
stärkere Berücksichtigung im politikdidaktischen Diskurs finden, konstatiert beispiels-
weise Massing.3
Und so hält Politikdidaktik Anschluss an die Jugendlichen, indem sie sie über ihre ei-
gene kulturelle Praxis aufzuklären versucht. Dabei entpolitisiert sie die Lebenswelt heu-
tiger Jugendkulturen und stellt sie nur zu gerne in einen inhaltsleeren Konsum- und
passiven Rezeptionszusammenhang.

1
Vgl. Giesecke (2004), S. 65.
2
Moritz (1999), S. 182, Vgl. Massing (1995), S. 75.
3
Vgl. Pohl (2004), S. 328.

3
Es stellt sich aber die Frage, ob die Kulturellen Muster4, also die Art und Weise, wie
sich heutige Jugendliche sozialisieren und ihre Welt erfahren jeder politischer Dimensi-
on entbehrt. Sind ihre Handlungsweisen nicht auch eine Form der Komplexreduktion
der sozialen Wirklichkeit und somit politisch?
Deshalb soll die zentrale Frage dieser Arbeit, ob Kulturelle Muster, die bei der Selbst-
sozialisation von Jugendlichen wirken, in der Politikdidaktik und dem politischen Unter-
richt der Schule Berücksichtigung finden, nicht mit einem Ja oder Nein beantwortet
werden. Vielmehr sollen sie der Schlüssel sein, um neue Zugänge zur Politik, ihrer
Vermittlung und dem Politischen als soziale Handlung innerhalb heutiger Jugendkultu-
ren zu ermöglichen und Anstöße zur Reflexion von vorherrschenden Annahmen inner-
halb der Politikdidaktik zu geben.

Teil 1

Im ersten Teil soll ein historisch-etymologischer Zugang zum Ideenkonzept Kultur ge-
sucht und gefunden werden. Es soll aber nicht darum gehen, ein eigenes Kulturkon-
zept vorzulegen, sondern ganz im Gegenteil die Ambivalenz der (post-)modernen Kul-
tur zu beschreiben. Weiter soll der Zusammenhang zwischen heutigem Welterleben,
also den Modi heutiger Weltaneignung und der Medialisierung der heutigen Gesell-
schaft und ihrer Subkulturen (Politik, Jugendkulturen usw.), aufgezeigt werden.

Teil 2

Nachdem der kulturelle Raum unserer Gegenwart in Umrissen skizziert wurde, sollen
im zweiten Teil auf eine eher deskriptive Art die Interdependenzen zwischen Kultur als
Welt und den Modi der Weltaneignung heutiger Jugendlicher dargestellt werden, um im
Anschluss ein Muster heutiger kultureller Praxis in verschiedenen Jugendkulturen her-
auszustellen.
Dabei sollen soziologische, ethnologische und philosophische Zugänge den Lesern zu
Beginn des zweiten Teils (Kapitel 2.1 u. 2.2) ein differenziertes Verständnis dieser
komplexen Prozesse ermöglichen. Im weiteren Verlauf des zweiten Teils soll es darum
gehen, gängige Klischees über heutige Jugendkulturen auf ihren Wahrheitsgehalt hin

4
Siehe dazu Kap. 2.2 und 2.3.

4
zu überprüfen und zu beschreiben, welchen Schwierigkeiten sich Jugendliche in ihrer
(Selbst-) Sozialisation gegenüber sehen.
In diesem Zusammenhang werden auch grundlegende erkenntnistheoretische Ansät-
ze, die zu Beginn des zweiten Teils bereits thematisiert wurden, noch einmal aufgegrif-
fen.

Teil 3

Nun werden die Fragen der Sozialisation heutiger Jugendlicher auf ihre politische So-
zialisation hingewendet. An dieser Stelle soll geklärt werden, was Politik für Jugendli-
che heute bedeutet, wie sie das Politische definieren und empfinden und in welcher
Weise sich politisches Engagement oder politische Handlungen in Jugendkulturen äu-
ßern. Dabei spielen Popkultur und die Frage der Konsumation kultureller Inhalte und
deren Zusammenhang mit ökonomischen Fragen eine Rolle.
In der Folge soll es weiter darum gehen, ob die Bedeutung von Politik bei den Jugend-
lichen tatsächlich gesunken ist oder die kulturelle Praxis der Gegenwart neue Deutun-
gen des Politischen ermöglicht und welche Folgen dies für die politische Bildung in der
Schule haben kann.

Teil 4

Nachdem der Zusammenhang zwischen heutiger Weltaneignung in der kulturellen


Praxis von Jugendlichen und ihrer politischen Selbstsozialisation aufgezeigt wurde,
wird nun der Frage nachgegangen, inwieweit die kulturelle Praxis heutiger Jugendli-
cher in der Politikdidaktik aufgegriffen wird.

Teil 5

Die möglichen Folgerungen aus den Antworten der in Teil 4 bearbeiteten Frage werden
in der Folge, nach eine knappen Rückschau auf die Entwicklung der Politikdidaktik in
Deutschland nach 1945, wieder thematisiert. Dabei soll es darum gehen inwieweit e-
ben diese inhaltlichen Leitlinien der Wissenschaft Politikdidaktik, besonders seit den
sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts, die Sicht auf eine mögliche lebensweltliche
Didaktik innerhalb der politischen Bildung bestimmen.

5
Teil 6

Im Anschluss an Teil 5 wird nun die institutionelle Parteien- und Regierungspolitik unter
dem Blickwinkel ihrer Medialisierung näher betrachtet. Wie hat sich die Vermittlung und
Rezeption von politischen Inhalten in der medialen Arena verändert? Können die Par-
teien die verschiedenen Jugendkulturen noch erreichen? Welche Folgen hat die Ver-
änderung ihres Gegenstandes für die Politikdidaktik und die politische Bildung in der
Schule? Diese Fragen werden erörtert und sollen bereits zu den Inhalten von Teil 7
überleiten.

Teil 7

In den Kapiteln des 7. Teils werden Theoreme der politischen Bildung auf blinde Flecke
hinsichtlich von Kulturellen Mustern geprüft. Allerdings kann es hier nur darum gehen,
den Fokus auf einige zentrale Fragestellungen und Paradigmen der Politikdidaktik zu
legen.

Teil 8

Im letzten Teil dieser Arbeit werden nun Vorstellungen eines politischen Unterrichts
skizziert, der die Lebenswelt heutiger Jugendlicher berücksichtigt. Dies erfolgt unter
Bezugnahme auf die Leitfragen dieser Arbeit:

• Wie eignet sich die Spezies Mensch ihre Welt an?

• Wie eignen sich Jugendliche heute ihre Welt (und die Politik) an?

• Welcher Erkenntnistheorie folgt die Politikdidaktik?

• Welche Folgen haben die Medialisierung der Gesellschaft durch technische


Medien als Mittler und die kulturelle Praxis heutiger Jugendkulturen für den poli-
tischen Unterricht in der Schule?

Dabei soll kein schlüssiges, in sich geschlossenes didaktisches Konzept vorgelegt


werden. Es soll darum gehen, die Voraussetzungen eines politischen Unterrichts zu
skizzieren, der an die Lebenswelt und somit an die Kulturellen Muster in der Selbstso-
zialisation von Jugendlichen anknüpft.

6
1. Was ist Kultur?

Die Klagen über das unbestimmte Feld der Kultur sind sicher so zahlreich wie die Ver-
suche einer Systematisierung derselben.5 Kultur ist Kunst, Philosophie, Politik, Um-
gang und Lebensart. Und obwohl jeder zu Wissen scheint, was denn unter diesem
großen Wort zu verstehen sei, tut man sich schwer, wenn es einen eigenen Kulturbe-
griff zu begründen gilt. Dabei ist zu bemerken, dass wir, wenn wir über Kultur spre-
chen, bereits ein Teil von ihr sind und aufgrund ihres reflexiven Wesens mehrere Di-
mensionen bei dem Versuch einer Beschreibung in Betracht ziehen müssen.6
Dennoch wird der Versuch Kultur als Ganzes zu beschreiben immer umstritten bleiben
- und muss es ihrem Wesen nach auch sein, wie im Folgenden aufgezeigt wird.
Eine Annäherung an den Begriff, den Komplex oder das Ideenkonzept Kultur ist des-
halb immer mit der Schwierigkeit seiner Konsistenz verbunden. Kultur scheint im Raum
des Allgemeinen ein umfassendes Ganzes zu sein, entzieht sich aber gleichzeitig je-
dem Versuch einer Bestimmung mit hegemonialer Geltung. So ist eine Unschärfekorre-
lation zwischen Beobachter und dem beobachteten Objekt zu diagnostizieren.
Die Frage, wer war zuerst da, die Henne oder das Ei, kann somit auf die Frage, ob der
Mensch Kultur hervorbringt oder die Kultur dem Menschen zukommt, durchaus über-
tragen werden.
Der Mensch als Kulturwesen erschien im Laufe der Evolution erst dann auf der Bildflä-
che, als die Fähigkeit zu symbolischem Denken entstand, also einer Unterscheidung
der Sache selbst. Der Leser dieser Arbeit wird vergebens nach einer autoritativen Defi-
nition von Kultur suchen. In den Ansätzen der aktuellen Kulturkritik, die einen Abfall der
wahren zu einer trivial-populären Kultur diagnostiziert, zeigt sich daher nur, dass sie
letztlich selbst kulturschöpferisch sein möchte.
Zur Einordnung dieses komplexen Begriffes werden in der Folge verschiedene Kon-
zepte eines großen historischen, soziologischen, philosophischen und ethnologischen
Angebots vorgestellt, die natürlich einer Selektion unterliegen müssen. Dem Leser die-
ser Arbeit soll Kultur in einer historischen und einer soziologischen Dimension näher-
gebracht werden, ohne dabei eine diachrone Vollständigkeit zu beanspruchen. Es soll
vielmehr darum gehen, den Kulturbegriff zu entideologisieren und im Hinblick auf das
Thema dieser Arbeit einen klareren Blick auf gegenwärtige Sozialisationsprozesse von
Jugendlichen zu erreichen. Der Kulturbegriff wird daher nicht mit der Hoch- bzw. Eli-

5
Vgl. Steenblock (2004), S. 10.
6
Ebd., S. 11.

7
tenkultur bildungsbürgerlicher Prägung gleichgesetzt7, sondern soll vielmehr in seiner
Fragmentierung, zeitlichen Begrenzung und dauerhaften Wandelbarkeit, einen Zugang
zu jugendlichen Selbstkonzepten der Gegenwart ermöglichen.

1.1 Moderner vs. vormoderner Kulturbegriff

Kultur (lat. Cultura: Pflege, Landbau) bezeichnet in der Alltagssprache und in der Wis-
senschaft sehr unterschiedliche Phänomene und ist zusammen mit dem Begriff der
Zivilisation zu erörtern.8 Ideengeschichtlich wurde der Kulturbegriff in Deutschland
durch die französische Aufklärung über einen Terminus der Land- und Forstwirtschaft
hinaus generalisiert. Als Wertbegriff kennzeichnete Kultur so eine Seinsform, die sich
über den Naturzustand erhebt.9 In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der Kulturbeg-
riff einer weiteren Analyse unterzogen und für die modernen empirischen Wissenschaf-
ten operationalisiert. In der Folge war Kultur nicht mehr ausschließlich am Individuum
verhaftet, sondern konnte zur Bestimmung abgrenzbarer sozialer Gruppen angewen-
det werden. Während der wissenschaftliche Kulturbegriff nun eine präzisere Bestim-
mung soziologischer Phänomene ermöglichte, blieb er in der Alltagssprache weiterhin
vage und bezeichnete eine Form der Sittenverfeinerung.
Der Kultur-Zivilisations-Dualismus erfuhr vor und während des Ersten Weltkrieges im
europäischen Mächtekonzert, auch durch das aufstrebende Deutsche Reich, das sei-
nen Platz an der Sonne suchte und dieses Ziel aggressiv propagierte, eine weitere,
gleichwohl belastende semantische Zuordnung.
So wurde er im Vergleich nach außen als unterscheidendes Merkmal zu anderen Kul-
turen und im Inneren durch das konservative Bürgertum und der Arbeiterklasse zur
gegenseitigen Abgrenzung instrumentalisiert. Durch die Erfahrungen während des Ers-
ten Weltkrieges kam es in der Wissenschaft zu einer Neuorientierung, die auch unter
dem Einfluss anglo-amerikanischer Kulturkonzepte die Unterscheidung von Zivilisation
und Kultur als vernachlässigbar betrachtete.10
Gleichwohl blieb diese Differenzierung im Alltagsgebrauch und in Teilen der Geistes-
wissenschaft gerade in Deutschland erhalten und nimmt zur Abgrenzung einer elitären

7
Lutter (2002), Eine Einführung, S. 9.
8
Nünning (2004), S. 357f.
9
Vgl. Ebd.
10
Vgl. Ebd.

8
Hochkultur in Literatur und Kunst und deren Rezeption von einer egalitären Massenkul-
tur weiterhin einen großen Raum ein.
Die Unterscheidung des modernen Kulturbegriffes gegenüber einem vormodernen,
lässt sich auch an einer grammatikalischen Auffälligkeit zeigen. Bis ins 18. Jahrhundert
kommt dieser Begriff fast ausschließlich nur in einer Genetivkonstruktion vor. Schon
der römische Politiker, Philosoph und Anwalt Cicero (106 – 43 v. Chr.) verstand Kultur
als „cultura animi“ (Die Pflege des Geistes).11 Diese Konstruktion deutet eine wenig
oder noch nicht vorhandene Differenzierung gegenüber dem Begriff der Natur an, wie
sie ab dem 18. Jahrhundert bereits skizziert wurde.
Die Kultur des Menschen und Natur beziehen sich in der aristotelischen Teleologie
derart aufeinander, dass der Mensch seine Anlagen (Natur) zu perfektionieren sucht.
Vor allem in der Antike tritt der Kulturbegriff als eine Art Bearbeitungsqualität zu vielen
verschiedenen Gegenständen auf.12 Die vormoderne Gesellschaft stützt sich auf ein
System, dem eine feste Ordnung zugeschrieben ist und das somit nicht in Frage ge-
stellt werden muss. Vergleiche werden nur innerhalb dieses Systems angestellt und
beziehen sich nie auf das Ganze, das von der Idee des Guten geleitet, Perfektion ga-
rantiert.13
Dieser stabile Systemgedanke wird erst im 18. Jahrhundert durch ein neues Paradig-
ma abgelöst. Durch die Gegenüberstellung der eigenen Kultur mit neu entdeckten au-
ßereuropäischen Kulturen wurde die bisherige universale Ordnung von einer globalen,
hierarchischen Vergleichsstruktur abgelöst und führte synchron zu einer fundamenta-
len Kritik heuristischer Vorstellungen. Dieser überkommende Kulturbegriff ließ sich
somit nicht mehr durch Religion legitimieren oder kritisieren.
Die moderne Gesellschaft unterscheidet sich von ihren Vorgängern in ihrer Selbstbe-
schreibung als Kultur. Die wird nun nicht mehr absolut gesetzt, sondern kann und muss
immer nur im Vergleich zu anderen Kulturen (auch den Subkulturen der eigenen Ge-
sellschaft) definiert werden. Dies führte zum einen zu einem scheinbaren Verschwin-
den der Kategorie des Fremden. Ältere Kulturen, wie die Griechen, begnügten sich
noch mit einer Abgrenzung der eigenen Gesellschaft als Menschen, im Gegensatz zu
allen anderen, die unter der allgemeinen Vorstellung der Barbaren subsumiert wurden.
Zum anderen verlor der Kulturbegriff durch seine Einbettung in vertikale und horizonta-
le Vergleichsstrukturen seine universale Eindeutigkeit.

11
Vgl. Walz (2005), S. 99.
12
Vgl. Steenblock (2004), S. 9.
13
Vgl. Walz (2005), S. 103.

9
Somit muss man die bereits angesprochene Diffusität des Begriffes nicht als Mangel,
sondern als ihr immanentes Charakteristikum begreifen, um Kultur in ihrer Ambivalenz
überhaupt fassen zu können. Kulturpessimisten der Gegenwart klammern diesen
Sachverhalt in ihrer Argumentation zumeist aus und versperren dadurch mögliche Zu-
gänge, sich dem Korrelat Kultur und Gesellschaft zu nähern.
Die Kultur der Moderne ist ein Zustand der Gesellschaft, verliert ihren Genitiv und wird
zu einem Substantiv aus eigener Kraft.14 Die Kultur wird zur Welt des Menschen und
erweist sich als offener Orientierungshorizont.15 Sie ist somit die Gesamtheit aller Le-
bens- und Organisationsformen des Menschen in Geschichte und Gegenwart, was ihre
Erzeugung und Entwicklung miteinschließt.16

1.2 Kultur als Vergleichskultur

Die Kultur der Moderne gründet auf einem der großen Paradigmenwechsel der
Menschheitsgeschichte. Die Einführung des Buchdrucks und die damit einhergehende
Möglichkeit der Massenverbreitung haben zu einer Praxis des Vergleichens geführt.
Der Einzelne musste sich mit der Tatsache auseinandersetzen, dass das, was er gele-
sen und individuell verarbeitet hatte, von seinen Mitmenschen auch gelesen wurde. Die
verschiedenen Konnotationen mussten daher, zumindest in ihrer Möglichkeit, wahrge-
nommen werden.
Kultur zeigt sich ab diesem Zeitpunkt im Abgleich der Differenzen zwischen verschie-
denen Lebensarten. Kultur wird nun jeder Lebensart zugeschrieben und ist nicht mehr
Privileg oder Merkmal der eigenen Gesellschaft. Der Code Mensch/Barbar hatte seine
universale Berechtigung nun weitestgehend verloren.
Der moderne Kulturbegriff ist seinem Wesen nach also ein Produkt des Vergleichs. Ein
weiteres Kennzeichen eines solchen Kulturverständnisses ist die Hyperphrasierung der
beobachteten Objekte. Objekte werden nicht nur als Sache an sich betrachtet, sondern
darüber hinaus auf Aussagen über Anderes hin untersucht. Luhmann, auf dessen
Überlegungen die folgenden Ausführungen zum Teil beruhen, sieht nun als weiteres
Kennzeichen von Kultur, dass sie alles dupliziert, was ist.

14
Vgl. Baecker (2000), S. 45f.
15
Vgl. Orth (2000), S. 246.
16
Vgl Steenblock (2004), S. 10.

10
Objekte werden als Symptom für etwas beobachtet.17 Die Sache an sich wird um eine
Zuschreibung ihrer Bedeutung erweitert. Damit verbunden ist eine Umstellung auf die
Beobachtung zweiter Ordnung, d. h. auf das Beobachten der Beobachter.18
Das Aufkommen der öffentlichen Meinung im 18. Jahrhundert, die ja nichts anderes als
eine Dauerbeobachtung der anderen Beobachter ist, ist ein erstes Symptom der Ver-
änderung des Kulturkonzepts. Moderne Kultur wird nun durch ihre Selbstreflexivität
charakterisiert. Sie ist Beobachtungs- und Vergleichsinstanz und nicht gleichzusetzen
mit Gesellschaft und ihrer vielfältigen sozialen Phänomene. Nach Baecker ist Kultur
somit ein Produkt der Modernisierung und wird als Metakultur eine Instanz zweiter
Ordnung. Sie schließt gleichzeitig ein und aus, fordert Erhaltung und Veränderung und
schreibt somit keine Sitten und Gepflogenheiten mehr fest. Kultur wird zur Beobach-
tungsformel möglicher Unterschiede und somit optional.19
Dennoch wird Kultur von konservativer Seite als bewahrendes Element gegen Indivi-
dualisierung und somit Optionalisierung (oder Willkür) ins Feld getragen. Luhmann
lehnt den Begriff auch deshalb als einen der schlimmsten Begriffe, die jemals gebildet
worden sind20 sogar grundsätzlich ab, da er die Selbstreflexivität der Kultur, ihre eigene
Operation verheimliche und dadurch gebremst wird. Daher sollte dieser Begriff als Agi-
tationsmittel aus dem Rahmen bestimmter Kulturkonflikte herausgelöst und als Mög-
lichkeit eines besseren Verständnisses für Gegenwart und Zukunft operationalisiert
werden. Dazu braucht die (post)moderne Gesellschaft den Begriff der Kultur.21

1.3 Postmoderne Kultur

Nach Jean Francois Lyotards gibt es die Große Erzählung, den alles zusammenfas-
senden Meta-Narrativ, nicht mehr.22 Die großen universellen, teleologischen Systeme
verlieren zumindest in den westlichen Industriegesellschaften ihre integrative Kraft. An
deren Stelle tritt nun eine Art der Kultur, die die kulturellen Hierarchieebenen der Auf-
klärer durch eine fragmentierte kulturelle Sphäre ersetzt hat.

17
Vgl. Walz (2005), S. 101, Vgl. Luhmann (1995b).
18
Vgl. Ebd.
19
Vgl. Baecker (2000), S. 22.
20
Luhmann (1995a), S. 398.
21
Vgl. Baecker (2000), S. 10.
22
Vgl. Lutter (2002), S. 54.

11
Die Kultur der Postmoderne als Sache an sich gibt es nicht, sondern nur konkurrieren-
de Konstruktionen. Dennoch kann und sollte man sich des Begriffs der Postmoderne
nicht entledigen. Wie in jeder Umbruchszeit23 kristallisieren sich die Fragen, Probleme
und Gefahren an einen solchen Begriff an. Sie können dadurch vielleicht nicht geklärt,
aber unter dem Deckmantel Postmoderne zumindest kanalisiert werden. Das Präfix
post deutet nun eine chronologische Einordnung nach der Moderne an.
Der Arbeitsbegriff Moderne muss aber neben dieser Einordnung als historischer Perio-
disierungsbegriff auch als umfassende Sozialdiagnose gefasst werden, wobei diese
immer schon eine Periodisierung voraussetzt.24
Eine solche Diagnose der Gesellschaft wäre die Destabilisierung bestimmter Vor- und
Einstellungen, die eine verbindliche Trennung von Hoch- und Populärkultur erhalten
wollen. Deren Legitimationskrise führte zu einer Verschiebung der Funktion kultureller
Praktiken, die Distinktion ausdrückten, also als soziales Unterscheidungsmerkmal dien-
ten, zu einer identitäts- und sinnstiftenden Funktion. Aber ist die Verbindung von Hoch-
und Populärkultur tatsächlich ein postmodernes Phänomen oder gab es diesen kultu-
rellen Zusammenfluss nicht auch schon in der Vergangenheit? Die Technik der „brico-
lage“, die gerne als modernes Gegenkonzept gegen die eine Große Erzählung ins Feld
geführt wird, zeigt, dass man Postmoderne wohl stärker genre- als epochenspezifisch
fassen sollte.
Denn es ist keineswegs ein Novum moderner oder postmoderner Gesellschaften, sich
ihre Kultur in Versatzstücken zusammenzufügen. Deshalb sollte das Konzept der
Postmoderne vielmehr als möglicher Zugang zu Kultur, unter Berücksichtigung ihres
ambivalenten Wesens und weniger als Beschreibung eines historischen Phänomens,
genutzt werden.25
In den wirtschaftlich und sozial ausdifferenzierten Systemen der westlichen Industrie-
gesellschaften müssen sich heuristische Konzepte wie eine verbindliche Leitkultur da-
her schwer tun. Daseinskonzeptionen sind so vielfältig und vielschichtig geworden,
dass eine normative Idee oder ein besonderes Lebensmodell vor diesem Pluralismus
verschiedener Wirklichkeitszugänge keinen hegemonialen Bestand mehr hat. Man

23
Es ist nicht Absicht dieser Arbeit über Periodisierungsfragen in der Geschichte zu diskutieren. Dennoch
ist es unbestreitbar, dass z.B. der Erste Weltkrieg ein richtungsweisender Bruch für die westeuropäische
Moderne darstellt und zu weitreichenden soziokulturellen Verwerfungen geführt hat.
24
Zima (1997), S. 5.
25
Vgl. Lutter (2002), S. 56.

12
muss sicherlich kein überzeugter Konstruktivist sein, um die Kultur der Postmoderne
unter der Prämisse der Konstruktion wahrzunehmen.
Postmoderne meint in diesem Zusammenhang auch eine soziale Ordnung, in der die
Massenmedien und die Populärkultur alle Formen sozialer Beziehungen und gesell-
schaftlicher Teilbereiche, von der Politik bis in die Mikrokosmen jugendlicher Peer-
Groups, durchdringen. Die Idee, die dahinter steckt, ist die, dass mediale Bilder immer
stärker unseren Realitätssinn dominieren.26
Natürlich sollte man daher „mediale Trojanische Pferde“, die aus ökonomischem Inte-
resse mentale Prozesse der Individuen abbilden oder vorgeben, untersuchen und Ju-
gendlichen Strategien an die Hand reichen, um sich dieser Medienwirkungen bewusst
zu werden. Man sollte dabei aber nicht vergessen, dass sich mit den neuen techni-
schen Massenmedien Formen der Wirklichkeitsaneignung entwickelt haben, die sich
gänzlich von denen früherer Generationen unterscheiden.
Das Bild einer medial überformten Wirklichkeit, die der ursprünglichen Wahrnehmung
von Heranwachsenden entgegensteht und diese durch ihre Künstlichkeit hemmt und
verkümmern lässt, wird den realen Kulturleistungen heutiger Jugendlicher nicht ge-
recht. Wer das Charakteristische der modernen Gesellschaft zum Ausdruck bringen
will und dabei nur auf Medien und die Entfremdungsproblematik abhebt, muss beden-
ken, dass Gesellschaft als Form sozialen Zusammenlebens und der Interaktion selbst
schon immer Medium war. In ihm werden Informationen als Kommunikation ausge-
tauscht. Das Neue der heutigen Medien besteht in seinem technischen und virtuellen
Wesen. Massenmedien leisten die symbolische Aufbereitung von wichtigen Schlüssel-
themen in der jugendlichen Selbstsozialisation. Marci-Boehncke/Rath argumentieren in
diesem Zusammenhang folgendermaßen:

Ist die „Formung“ der Weltkonstruktion durch Symbolsysteme aber keine Verfallsform
eigentlicher, unmittelbarer Weltanschauung, dann ist die medial vermittelte Welt des
gegenwärtigen Menschen eine gleichursprüngliche Weltinterpretation wie die traditio-
nell vorgeprägten Weltbilder.27

Kultur oder kulturelle Aneignung durch Individuen findet in diesem Rahmen in Subkul-
turen statt. Ein subkultureller Stil entsteht durch die Beziehungen, die Menschen zu
den Objekten und Artefakten haben, in die sie involviert sind. Diese Beziehungsmuster
sind ihrer Art nach willkürlich, haben aber natürlich dennoch sinnstiftende Wirkung auf

26
Pörtner (1999), S. 14.
27
Marci-Boehncke/Rath (2004), S. 205f.

13
die jeweiligen Gruppen. Kultur ist somit alles, was Menschen machen und besonders
wie sie es machen. Kultur ist menschliche Praxis, die sich in Handlungen, Sinnzu-
schreibungen oder dem Bedeutungsabgleich eines Objekts mit anderen zeigt. Dabei
geht es nicht darum, Gemeinsamkeiten mit differierenden Wirklichkeitszugängen zu
finden, sondern gerade das Gegenteil ist der Fall.
Der Sinn einer solchen Zuschreibung besteht in der Differenz zu anderen Bedeutungs-
einheiten, um sich als Identität in der eigenen Gegenwart zurechtzufinden. Realitäten
scheinen stabil, sind aber gleichzeitig fragil. Sie bestehen aus einer Anzahl von An-
nahmen, z. B., dass die Welt intersubjektiv sei. Die Postmoderne verweigert sich totali-
sierenden Definitionen von Wahrheit.
Und so wie die Welt ihren totalen Anspruch verliert, kann auch das Individuum nicht
mehr als ganz und kohärent gedacht werden. Die Kategorie des Fremden scheint hier-
bei nicht auflösbar, da das Eigene nichts anderes ist als die Abgrenzung zum Frem-
den. Das Eigene ist infiziert durch das Fremde.28

2. Kultur und erkenntnistheoretische Theorien

2.1 Ethnologischer Kulturbegriff

Kultur und die Vor- und Einstellungen von ihr sind einem stetigen Wandel ausgesetzt.
Kultur hat ihre eigene Geschichte und wird durch menschliches Handeln ständig in
Frage gestellt und verändert.
So ist sie in der Gegenwart zu einer temporären Momentaufnahme geworden, die kei-
nen Anspruch mehr auf Deutungshoheit oder Kontinuität mehr besitzt. Da Kultur aber
die Grundlage für Identitäten ist, diese mit schafft und somit eng mit diesen verwoben
ist, mag es kaum verwunderlich erscheinen, dass dieser scheinbare Mangel an Greif-
barem vielen Menschen ein Bild des kulturellen Niedergangs suggeriert. Dass dieser
Mangel aber ein Charakteristikum des Gegenstandes ist, wurde bereits dargestellt. So
wurden zu verschiedenen Zeiten verschiedene Erklärungen für das Phänomen Kultur
und was es ausmacht gefunden.
Doch wie sieht die kulturelle Praxis der Gegenwart aus? Wie lässt sie sich beschreiben
und zuordnen? Aus der Ethnologie, in Person von Geertz, kommen seit Anfang der
neunziger Jahre Vorschläge, die Kultur durch Interpretation besser verstehen wollen.

28
Baecker (2000), S. 16.

14
Hier geht es nicht darum, nach quasi-mechanischen Strukturen innerhalb menschlicher
Handlungsweisen zu forschen, sondern die Bedeutung von Verhalten zu interpretieren.
Der Kulturbegriff nach Geertz ist ein semiotischer. In Bezug auf Max Weber sieht er
den Mensch als Wesen, der in sein selbstgesponnenes Bedeutungsgewebe verstrickt
ist, wobei er Kultur als dieses Gewebe ansieht.29 Geertz sieht Gesellschaften als Texte,
die ihre Interpretation schon in sich tragen. Es geht ihm nicht darum wie Gesellschaft
funktioniert, sondern wie gesellschaftliche Phänomene zu deuten sind.
So sieht man sich nicht einem Problem der gesellschaftlichen Mechanik, sondern der
gesellschaftlichen Semantik gegenüber.30 Jede Form einer kollektiv getragenen sym-
bolischen Struktur ist ein Mittel, etwas von etwas auszusagen.
Die Art der Kommunikationsmedien, denen man eine bestimmte Bedeutung zuschreibt,
ist hier nur insoweit wichtig, dass Kultur sich nach diesen richtet und somit immer ver-
schieden ausfällt.31 Entscheidend ist dabei, dass Kultur als etwas Öffentliches betrach-
tet wird, weil Bedeutung etwas Öffentliches ist.32
Kultur ist zu verstehen als ein Prozess fortschreitender reflexiver Semantisierung und
insofern eine Montage von Texten, aus sozialem Material geschaffene Phantasiebil-
dungen33, die das reale Sozialgefüge bzw. den kollektiven Text abbilden. Diese sind
also Metainformationen über Kultur, gedacht als ein System symbolischer Bedeutun-
gen, die sich in semiotisch vermittelten Darstellungsformen äußern. Ausdrucksformen,
Rituale und Symbole sind als Interpretationen von Gesellschaft, als Interpretationen
einer spezifischen gesellschaftlichen Ordnung zu verstehen.
Soziale Verhaltensweisen werden in enger Verknüpfung mit kultureller Selbstausle-
gung gesehen. Die Kultur ist demnach nicht nur abbildend, sondern ein konstitutives
Element für die Hervorbringung und Erhaltung von Empfindungen.
Diese Metainformationen über Kultur und somit auch über Politik als Teil der Kultur,
werden von der Politikdidaktik fast ausschließlich unter einem rationalen Paradigma
begriffen. Politik als Lerngegenstand soll beispielsweise in kognitiven Strukturen von
den Lernenden erfasst werden.
Diese Erkenntnisannahmen stehen in der klassischen Tradition der Kant’schen Er-
kenntnistheorie. In der Folge soll nun eine semiotische Erweiterung dieser Erkenntnis-

29
Vgl. Geertz (1991), S. 9.
30
Ebd., S. 253.
31
Walz (2005), S. 100.
32
Schelle (2003), S. 105, Vgl. Geertz (1991), S. 18.
33
Geertz (1991), S. 254.

15
vorstellung durch den Philosophen Ernst Cassirer vorgestellt werden, die eine etwas
andere Sicht auf Weltaneignung und der Wahrnehmung von Politik in heutigen Ju-
gendkulturen ermöglichen soll.

2.2 Ästhetische Weltaneignung in Lebensstilen

Der Mensch ist nach Cassirer ein „animal symoblicum“, das sich durch seine ursprüng-
liche Symbolisierungsfunktion auszeichnet.34 Im Sinne von Kant richtet sich der Ge-
genstand nach der Erkenntnisart (s. Abb. 1).
Aber anders als Kant, meinte Cassirer, dass diese symbolische Vorprägung nicht je-
dem vernünftigen Individuum intersubjektiv und überzeitlich gleich sei.35

Symbole unterliegen einer Wandlung: einer Wandlung die als Ganzes die Kultur einer
Zeit, einer Gesellschaft ausmacht.36

Cassirer konstatiert nun, dass das menschliche Bewusstsein kraft seiner immanenten
Struktur Sinneseindrücke in unterschiedliche symbolische Formen verwandelt und so-
mit Sinnliches an Sinn bindet. Wahrnehmungs- und Erkenntnisprozesse sind nach
Cassirer a priori an die Wirkung einer symbolischen Formung gebunden.37
Die Struktur des menschlichen Bewusstseins nimmt im tatsächlichen Sinneserlebnis
gleichzeitig einen nichtanschaulichen Sinn mit auf. Dies erfolgt nicht durch eine nach-
trägliche Deutung durch begriffliche Abstraktion.

34
Hildebrandt (1998), S. 33.
35
Vgl. Rath (2002), S. 155.
36
Ebd.
37
Vgl. Hildebrandt (1998), S. 33.

16
Wahrnehmung ist Bedeutungswahrnehmung. Cassirer bezeichnet das Wirken der
symbolischen Form als die Grammatik des wirkenden Geistes und als bildende nicht
abbildende Kraft.38
Die symbolische Codierung von Bedeutungs- und Sinneinheiten ist eine grundlegende
menschliche Fähigkeit und ist nicht als Folge eines von Kommerz korrumpierten ju-
gendlichen Konsumenten zu sehen. Vielmehr ist in den letzten Jahren eine Ästhetisie-
rung des Sozialen zu beobachten, auf die sich die wirtschaftliche Intelligenz eingestellt,
die aber auch im Bereich der Bildung den Fokus stärker auf symbolische Wahrneh-
mungsmuster gelenkt hat.
Die Symbolisierung ist Folge der grundsätzlichen Medialität der Welt39, die sich kulturell
und sozial ausdrückt. Das Symbolsystem des Menschen ist als Folge dieser Weltkon-
stitution zu verstehen. Der Mensch lebt in einem symbolischen Universum, das er
selbst geschaffen hat. Somit wären nach Cassirer die gesamten Wahrnehmungsmodi
des Menschen, von der einfachen Sinneswahrnehmung bis hin zu komplizierter intel-
lektuellen Abstraktion, Akte symbolischer Sinngebung.40
Wenn Jugendliche nun ihre Identität konstruieren, tun sie das durch ästhetische Selbst-
inszenierungen im Rahmen der gewählten sozialen Kontexte und der gewählten Sym-
bolik.41 Selbstinszenierungen setzen symbolische Kompetenzen beim Individuum vor-
aus. Diese Kompetenzen setzen sich zusammen aus dem Wissen und der Fähigkeit,
Gesellschaft als Text zu lesen (Æ Geertz), die Optionalität von Bedeutung und Sinn zu
verstehen und zu akzeptieren (Æ Saussure) und die Bedeutung von symbolischen
Handlungen als „symbolische Formen“, die Teil jeder Selbstinszenierung (sozialer
Handlung) und somit von Identitätsbildung- und abgrenzung sind, zu abstrahieren (Æ
Cassirer).
Mit Blick auf die Kulturellen Muster, also der Modi, wie Jugendliche ihre Welt erfassen,
geschieht dies durch die Aneignung populärkulturellen Kapitals42, d. h. sie eignen sich
Kompetenzen im Umgang mit der (populären) Kultur an, die teilweise erlernt werden
müssen aber auch dem Menschen als Spezies zukommen. Dazu müssen sie sich au-
ßerdem die entsprechenden Codes einer bestimmten Gruppierung aneignen.

38
Vgl. Ebd.
39
Vgl. Rath (2002), S. 156.
40
Cassirer (1996), S. 5.
41
Vgl. Müller (2002), S. 16.
42
Fiske. (1992), S. 30 - 49.

17
Diese Kulturellen Muster sind als symbolisches Handlungsrepertoire selbstsozialisiert
und finden vor allem in den Peer-Groups der Jugendlichen statt. Dabei müssen sie aus
einer Fülle verschiedener Identifikationsangebote auswählen. Orientierungsmuster die
vormals Halt und Sicherheit versprachen, also sinnstiftend waren, haben ihre Wir-
kungskraft verloren. Das Paradigma der Optionalität hat zu einer „ästhetischen Codie-
rung“43 geführt, die sich in bestimmten Lebensstilen zeigt und von ihren jeweiligen Mit-
gliedern verlangt, sich an diesen Codierungen zu orientieren. Jugendkulturen setzen
sich hier besonders durch ihre stilistische Fragmentierung von der Erwachsenenwelt
ab.
Durch die bereits dargestellte Verlängerung des Moratoriums sind die Heranwachsen-
den noch weniger in verbindliche Stilgemeinschaften44, wie z. B. dem Arbeitsplatz, der
einen bestimmten Dresscode fordert, eingebunden. Signifikant ist die heterogene
Landschaft vieler verschiedener Jugendkulturen.
Medien und Freizeitindustrie tragen an dieser Ausdifferenzierung ihren Anteil. Identi-
tätskonstruktionen werden somit immer komplizierter und verlangen lebenslange Inter-
aktion, um aufrechterhalten werden zu können. Dabei spielen audiovisuelle und
sprachliche Symbolsysteme eine entscheidende Rolle bei Jugendlichen, um als Indivi-
duum in verschiedenen sozialen Kontexten identisch bleiben zu können. 45

2.3 Kulturelle Muster – Eine Definition

Nach der Auflösung religiös-metaphysischer Weltbilder und eines teleologischen Ge-


schichtsverständnisses durch die gesellschaftliche Arbeitsteilung und den Pluralismus
der Lebensstile ist die Daseinsführung so vielschichtig und verwickelt geworden, dass
weder Individuen noch Gruppen die Bedingungen und Folgen ihres Entscheidens und
Handelns vollständig überblicken können. Da die Gegenwart kein klares Bild von sich
selbst hat, werden Entwicklungen beschrieben, die diese Veränderungen zum Aus-
druck bringen.46
Jugendliche bewegen sich heute folglich in einer Gesellschaft, die ihnen besondere
Leistungen abfordert. Die Frage der Zeitgenossenschaft ist sicherlich keine originäre
unserer postmodernen Gegenwart. Dennoch gilt es, wie zu allen Zeiten, die Strategien

43
Besand (2004), S. 8.
44
Vgl. Besand (2004)
45
Vgl. Müller (2002), S. 17.
46
Vgl. Walz (2005), S. 100.

18
der Individuen und Kollektive zu fassen, mit der sie ihre Wirklichkeit bewältigen kön-
nen. Diese Strategien hängen von den kulturellen Gegebenheiten einer jeweiligen Ge-
genwart ab. Kultur kann heute nicht mehr als Summe von Werten einer Gesellschaft
zusammengefasst werden.47 Sie hat als Wert auch immer einen Gegenwert. Was dem
einen wichtig ist, kann ein anderer für nichtig erklären. Kultur ist also systematisch am-
bivalent. Wie bereits dargestellt wurde, ist eine kulturelle heuristische Konzeption somit
nicht mehr denkbar; da sie eine Vergleichskultur geworden ist.
Die Annahme einer „in sich geschlossenen kulturellen Identität“ übersieht, dass Kultur
aus dem Vergleich gewonnen wird.48 Jugendliche sind ihrer postmodernen Lebenswirk-
lichkeit somit einer hohen Ambiguitätstoleranz ausgesetzt. Stabile Lebenskonzepte
treten hinter ein Geflecht verschiedener Handlungssysteme und Wirklichkeitskonstella-
tionen zurück. Heranwachsende (wie alle Mitglieder dieser Gesellschaft) sind daher
gefordert, Verbindungen zwischen diesen verschiedenen Wirklichkeitsräumen zu
schaffen. Nur so sind sinnhafte Bedeutungszuschreibungen für sie überhaupt möglich.
Die luhmannsche Systemtheorie fasst Sinn als eine besondere Strategie der Erfassung
und erfolgreichen Vereinfachung komplexer Situationen auf.49
Soziale Systeme sind der Ort, an dem diese Komplexität reduziert werden kann. Die
kulturelle Praxis des Vergleichens kulminiert also in dem, was Luhmann Soziale Sys-
teme bezeichnet. Sie sind Träger und gleichzeitig Folge von Unterscheidungen.

Dies Soziale System gründet sich mithin auf Instabilität. Es realisiert sich deshalb
zwangsläufig als autopoietisches System. Es arbeitet mit einer zirkulär geschlossenen
Grundstruktur, die von Moment zu Moment zerfällt, wenn dem nicht entgegengewirkt
wird.50

Die Struktur von sozialen Systemen resultiert nun aus der Stabilisierung einer Grenze
zwischen der sich ständig verändernden Umwelt. Soziale Systeme bilden Inseln gerin-
gerer Komplexität51 innerhalb einer Welt, die dem Individuum überkomplex entgegen-
tritt. Indem Soziale Systeme sich auf bestimmte Merkmale ihrer Umwelt einstellen und
dafür spezifische Verarbeitungsweisen entwickeln, entsteht erst die Möglichkeit, zu-
mindest einen überlebenswichtigen Bereich der Wirklichkeit beherrschen zu können.

47
Vgl. Baecker (2000), S. 9
48
Vgl. Ebd.
49
Vgl. Luhmann (1984) S. 103
50
Luhmann (1993), S. 167.
51
Luhmann (1970), S. 116.

19
Da aber ein soziales System in einer komplexen Welt und aus kontingenten Strukturen
besteht, gibt es keine Gewissheit über seinen Fortbestand.
Gesellschaft ist für Luhmann nun nicht die Summe aller Menschen, sondern Kommuni-
kation. Diese findet innerhalb dieser sozialen Gebilde statt wie nach außen. Die „ge-
genseitige Beeinflussung“ von Systemen erläutert Luhmann mit den Begriffen struktu-
relle Kopplung und Interpenetration. Hier ergeben sich für das Individuum die folgen-
den Probleme: Als Teil verschiedener Systeme, die zudem noch inkonsistent sind, wird
dem Individuum ein hoher Grad an Abstraktionsleistung abverlangt.52 Außerdem stellt
sich die Frage auf welche Art und Weise die Teilnehmer innerhalb und zwischen die-
sen fließenden Systemen miteinander kommunizieren.
Fasst man nun Kommunikation als eine Strategie zur Bewältigung der eigenen Wirk-
lichkeit auf, spielen Kulturelle Muster eine prägende Rolle in diesem Prozess. Diese
Form der Wirklichkeitsaneignung ist natürlich kein originäres Konzept unserer Gegen-
wart. Das Signifikante an unserer heutigen Gesellschaft ist die Tatsache, dass sie eine
im Wesentlichen ästhetisch konstituierte Medienwelt ist, die als Zeitsignatur unsere
Wahrnehmung maßgeblich bestimmt.53 Dass sich heutige Strategien gegenüber denen
der Vergangenheit natürlich an diese Gegebenheiten anpassen, ist offensichtlich.

In dieser Arbeit wird also im Folgenden unter einem Kulturellen Muster ein Vorrat an
möglichen symbolischer Handlungen verstanden, die von den Handlungsträgern se-
miotisch, d. h. mit Bedeutung angereichert werden und zur Ausbildung und Abgren-
zung von Identität führen.

Dieses Muster meint den Raum (soziologisch, kulturell), der die Individuen umgibt und
gleichzeitig ihre Handlungsgewohnheiten, die die Art des Raumes konstituieren. Die
Kultur ist das „Biotop des Menschen“.54 Sie stellt für ihn ein Handlungsfeld dar, dessen
Inhalte Handlungsmöglichkeiten, aber auch Hemmnisse symbolisieren.
Diese Prozesse werden durch Objekte vermittelt, die niemals nur als solche physisch,
sondern hauptsächlich als Bedeutungsträger wahrgenommen werden.55

52
Luhmann hat keine Verwendung mehr für einen emphatischen Subjektbegriff. An seine Stelle tritt die
Selbstreferenz des Systems. Dennoch möchte diese Arbeit die Überlegungen Luhmanns über Soziale
Systeme aufnehmen, um im Folgenden stärker einer ethnologische Sicht auf die Verarbeitungsstrategien
von Individuen gewinnen.
53
Vgl. Ewig (2006), S. 28.
54
Allesch (2006), S.109.
55
Vgl. Ebd.

20
Handlungen sind in diesem Zusammenhang nicht bedeutungsgleich mit physischer
Tätigkeit, sondern sind ebenso mit geistigen Prozessen gleichzusetzen. In einer plura-
listischen Gesellschaft erfolgt die Abgrenzung von Identitäten durch den Vergleich. Die
Ausbildung von Identität ist dann die Folge oder die Begleiterscheinung innerhalb der
Struktur der Vergleichskultur. Der Vergleich selbst erfolgt über die Codierung von Be-
deutung in symbolischen Handlungen und der Decodierung von Bedeutungszuschrei-
bungen alternativer Handlungen und Bedeutungsinventare. Das Konzept Kulturelle
Muster scheint sich dabei auf den ersten Blick selbst im Weg zu stehen. Es versucht
als Beobachtungsformel ein Bild von sich (als kulturellem Raum) anzufertigen und be-
schreibt dabei Vorgänge (Handlungen), die eben dazu führen, dass kein eindeutiges
Bild entstehen kann.
Die Strategie der symbolischen Codierung oder symbolischen Aneignung der Welt ist
ein Grundmerkmal des Menschen, wie bereits dargestellt wurde (s. 2.2).

Die Besonderheit des heutigen kulturellen Rahmens, an den die heutigen Jugendli-
chen in ihren Strategien gebunden sind und den sie durch ihre kulturelle Praxis kon-
stituieren, ist seine Fragmentierung in eine Unzahl verschiedener Jugendkulturen
und seine technische Medialität.

Seit Beginn des letzten Jahrhunderts hat sich die Kommunikationsstruktur in den west-
lichen Industriestaaten durch immer neue Erfindungen – Grammophon, Kino, Rotati-
onspresse, Photokamera, Telefon, Internet usw. - aufgelöst und wurde dann auf neuer
Ebene wieder hergestellt.56 Eine kontrollierte Handhabung von Informationen ist auf-
grund immer schnellerer Übertragungsgeschwindigkeiten nicht mehr möglich und das
in der Massenproduktion gefertigte Bild hat die Form dieser Informationen selbst, von
der Satzform zur Bildform, vom Intellektuellen zum Emotionalen57 hin, verändert.
Der Übergang vom Text zum Bild muss als der Paradigmenwechsel unserer Zeit gese-
hen werden. Jugendkulturen erfahren Welt in ihrer medialen Vermittlung. Das verlangt
von ihnen gänzlich neue Kulturleistungen, da Wort und Bild verschiedenen Diskurs-
sphären angehören und nur unter Berücksichtigung einer gewissen Unschärfe ver-
gleichbar sind. Deshalb macht es wenig Sinn, den Jugendlichen bei der Auseinander-
setzung mit seiner Welt als Mängelwesen zu beschreiben. Es muss, auch in der politi-

56
Vgl. Schnell (2000), S. 4.
57
Vgl. Ebd.

21
schen Bildung darum gehen, seine Kulturtechnik als Leistung zu begreifen, die sich
von den Weltzugängen seiner Eltern und Großeltern weitgehend unterscheidet.
Welche Besonderheiten sich aus dieser Grundkonstellation für die Sozialisation erge-
ben und wie die politische Bildung in der Schule darauf reagieren kann, soll in der Fol-
ge erörtert werden.

2.4 Folgerungen für die Politikdidaktik

Wenn die Politikdidaktik die Kulturellen Muster in der Selbstsozialisation von Jugendli-
chen in ihre Diskurse einschließt, eröffnet dies mehrere Bearbeitungsfelder für ihre
Wissenschaft.
Jugendliche eignen sich ihre Welt auf eine einzigartige Weise an. Diese Einzigartigkeit
liegt zum einen in der Person begründet, ist aber, wie bereits ausgeführt wurde, auch
vorgeprägt durch die Kultur, das soziale Umfeld, in der die Jugendlichen aufwachsen.58
Zum Verständnis und der Orientierung in der sozialen Lebenswelt und so auch der
Politik bedarf es jedoch eines Mittlers.59 Die Feststellung, dass den Medien in der Rolle
eines solchen Mittlers dabei eine entscheidende Sozialisationsfunktion zukommt, kann
heute nicht mehr bestritten werden.
Nun stützen sich viele Vertreter innerhalb der Politikdidaktik auf die Annahme, dass ein
an die Lebenswirklichkeit von Jugendlichen anknüpfender Unterricht das Politische
oder die Politik als Gegenstand ausklammere60 (s. 7.1)
Der Zusammenhang zwischen der Stigmatisierung medialer Inszenierung von Politik
und deren Rezeption und Verarbeitung in Jugendkulturen wird hier offensichtlich. Die
Politikdidaktik verschließt sich nach wie vor den politischen Bildungsprozessen über
die Medien und kommt somit zu einem einseitigen Bild von Politik.
Medien bestimmen aber den Vermittlungsmodus politischer Themen. Dies kann durch
sehr abstrakte codierte Schriftzeichen geschehen, wird aber heute in erster Linie durch
optische Signale (Farben, Formen, Bilder) und akustische Zeichen (Töne) geleistet.61
Eine richtige verstandene Annäherung an die Lebenswelt der nachwachsenden Gene-
ration ist nicht gleichbedeutend mit der Aufgabe bisheriger politikdidaktischer Paradig-
men zugunsten einer trivialisierten Öffentlichkeit.

58
Marci-Boehncke/Rath (2004), S. 1.
59
Ebd.
60
Vgl. Massing/Weiseno (1995), S. 9
61
Vgl. Marci-Boehncke/Rath (2004), S. 7.

22
Vielmehr verlangt sie eine überfällige Revision und Erweiterung bisheriger Annahmen
über das Wesen des Politischen, seine Verfälschung durch mediale Inszenierung und
Rezeption in Jugendkulturen und der Frage der Erkenntnismodi des Menschen im All-
gemeinen. Denn der Mensch erschließt sich seine Welt symbolisch.
Diese Tatsache ist keine Folge einer medialisierten Lebenswelt, sondern eine anthro-
pologische Konstante. Das Spezifische unserer heutigen Lebenswelt ist aber, dass
technische Medien für den Einzelnen bedeutsame Schlüsselthemen und so auch politi-
sche Schlüsselthemen symbolisch aufbereiten und somit zwischen Individuum und
Kollektiv vermitteln. Daraus ergeben sich neue Zugänge zu politischen Handlungen
und der Wahrnehmung von Politik in Jugendkulturen und der Frage wie diese interpre-
tiert werden.

3. Die kommerzialisierte Jugend?

Wo kommt Jugend vor? Wenn wir nach ihren Kulturellen Mustern suchen, wo müssen
wir dann suchen? Diesen Fragen gehen nicht nur die Politik, die Wirtschaft und die
Schule nach.
Die Bedingungen unter denen Heranwachsende ihre Selbstsozialisation vorantreiben,
haben sich in den letzten Dekaden grundlegend verändert. Seit den achtziger Jahren
hat sich bei der demographischen und soziologischen Suche nach Jugend ein weiter
Zugang aufgetan. Neben ihrer Einbindung in Institutionen der Ausbildungs- und Er-
werbstätigkeit ist der Bereich der Jugendkultur und des damit verbundenen Konsums
die neue Sozialisationsinstanz.
Medien und Freizeit müssen somit als neue Kontrollinstanzen im Entwicklungsprozess
der Heranwachsenden eingestuft werden.62 Offensichtlich sind dabei die Ausweitung
des Jugendmoratoriums und wachsende Bindungen an die Institutionen von Bildung
und Kulturkonsum. Somit findet eine Verlagerung der Kontrollinstanzen innerhalb der
Sozialisation statt.

Die im Titel dieser Arbeit bereits benannte Selbstsozialisation von Jugendlichen


spricht diesen Wandel, weg von den klassischen Einrichtungen Schule und Eltern-
haus, an.

62
Vgl. Massing (2003), S. 23.

23
Jugendliche grenzen sich durch ein bestimmtes Konsumverhalten vom Elternhaus, der
Erwachsenengesellschaft und Gleichaltrigen ab und pochen somit auf Individualität
und Selbstständigkeit.
Zinnecker sieht nun einen Zusammenhang zwischen den Ausdrucksweisen gleichaltri-
ger jugendlicher Subkulturen und den Kontrollmodi einer bestimmten Institution.63 So-
mit müsste man die jeweiligen symbolischen Handlungsformen, die in den Peer-
Groups der Jugendlichen in Gebräuchen, Haltungen und Konsumgewohnheiten codiert
werden, als Folge von kommerzieller Indoktrination interpretieren.
Wer aber die Bündnisse von jugendlichen Konsumenten und Dienstleistungsindustrie
aus Sicht der Jugendlichen voreilig als Ursache für Passivität und Hedonismus abtut,
verkennt den gestaltenden Charakter konsumorientierter Aneignungsstrategien. Die
Rezeption populärkultureller Produktion ist immer auch begleitet von der Möglichkeit
subversiver Aktivitäten in der Konsumation.

Die Konsumenten ringen der Kulturindustrie in einer Art „semiotischem Guerillakampf“’


ihre eigenen Lustgewinne und Bedeutungen ab.64

Die Heranwachsenden nutzen die kulturellen Angebote für ihre Zwecke und sind daher
keineswegs zur Passivität verurteilt. Sie wählen aus, fügen verschiedene Inhalte zu
einem Neuen zusammen und bringen somit ihre Einstellungen und Haltungen zum
Ausdruck. Die klassische Unterscheidung zwischen dem Eigenen und dem Fremden
ist in diesem Rahmen nicht aufzulösen, aber dennoch fließend. Jugendliche signalisie-
ren in ihrer kulturellen Praxis Zugehörigkeit und grenzen sich gleichzeitig ab.
Da aber Bedeutungszuschreibungen auf Konventionen beruhen, müssen sie durch die
jugendlichen Gruppierungen ständig neu getroffen werden oder sich herausbilden und
sind in ihrem zeitlichen und inhaltlichen Fortbestand ungewiss.
Saussure beschrieb die Beziehung zwischen Form und Inhalt bereits als willkürlich. Die
durch die symbolische Ordnung geschaffenen Bedeutungen sind eben nicht durch die
materielle Beschaffenheit des Signifikanten (z. B. der Zuschnitt oder das Material einer
Hose) fixiert, sondern beruhen auf Konventionen. Die Kulturellen Muster bei der
Selbstsozialisation von Jugendlichen bestehen daher auch in der zeitlich begrenzten
Übereinkunft von Bedeutungszuschreibungen (Signifikat) gegenüber einer bestimmten
Ausdrucksweise (Signifikant).

63
Vgl. Zinnecker (1987), S. 32.
64
Vgl. Lutter (2002), S. 67.

24
Selbstsozialisation meint in diesem kulturellen Rahmen die Ausbildung und Weiter-
entwicklung von Identität durch die ständige Demonstration des eigenen Lebensstils.65

Plurale Gesellschaft äußert sich hier nicht ausschließlich in Meinungsäußerung, son-


dern hauptsächlich in Stilen, Vorlieben, Ablehnung und Teilnahme.
Jugendliche bringen auf dieser ästhetischen Ebene ihre Haltungen und Wertvorstellun-
gen zum Ausdruck. Die selbst bestimmte Auswahl von Konsumgütern muss somit als
Strategie der Heranwachsenden zur Reduktion von Komplexität und als politisches
Handlungsinventar interpretiert werden.

3.1 Jugendliche Selbstsozialisation

Sozialisation wird heute verstanden als Mitgliedwerden in verschiedenen soziokulturel-


len Kontexten.66 Selbstsozialisation betont dabei die Eigenleistung des handelnden
Subjekts. Jugendliche sozialisieren sich selbst durch Sympathie mit bestimmten Kultu-
ren, Milieus und Szenen, aufgrund bestimmter Sozialkontakte und durch das Mitglied-
werden in selbst gewählten Kulturen, wobei sie sich eine jeweils gewählte Symbolwelt
aneignen.67
Es wurde bereits festgestellt, dass der Mensch als Teil seiner gegenwärtigen Welt sei-
ne symbolische Codierung nach dieser richtet.

Die im und durch das Symbol geleistete Erfassung der Welt ist nicht eine Gestaltung
[...] der Welt, sondern eine Gestaltung zur Welt.68

D.h. dass der Mensch in seiner Sozialisation von Anfang an mit einem Inventar an
symbolischen Präsentationen konfrontiert ist und lernen muss, diese immer wieder neu
zu arrangieren und zu entschlüsseln. Der Mensch erschließt sich seine Welt symbo-
lisch. Angesichts der Heterogenität sozialer und medialer Kontexte müssen die Ju-
gendlichen parasozial interagieren.69 Dies stellt heutige Individuen vor Probleme bei
der Identitätskonstruktion. Es gibt daher sogar Vorschläge, die Vorstellung des Lebens
als bedeutungsvolles Projekt aufzugeben und das Individuum nicht mehr als homoge-
ne Identität aufzufassen, sondern als zufällige Ansammlung von Erfahrungen.

65
Vgl. Schwier (1998), S. 12f.
66
Hurrelmann/Ulich (1991), S. 21-54.
67
Vgl. Müller (2002); S. 16.
68
Vgl. Rath (2002), S. 155, Vgl. Cassirer (1923/1953), S. 11.
69
Vgl. Müller (2002), S. 17.

25
Rath führt in diesem Zusammenhang Befunde an, die dafür sprechen, dass Individuen
anstreben, mit sich identisch zu bleiben.70 Mediale Angebote dienen als mögliche
Schablone bei der Identitätskonstruktion und übersteigen in ihrer Fülle alle Möglichkei-
ten der Identifikation früherer Generationen.
Aber trotz der Möglichkeit, verschiedene Identitäten in realen oder virtuellen Kontexten
zu erproben, sind Jugendliche keine „identity hopper“, die ihre Selbstdeutungen häufig
wechseln oder parallel führen möchten.71 Jugendliche verstehen sich in ihrer Selbstso-
zialisation sehr früh als Konsumenten und wählen aus den bestehenden medialen und
kommerziellen Angeboten zum eigenen Lustgewinn, zur Reduktion von Komplexität
und Bewältigung von Problemen in ihrer Entwicklung. Die Kulturellen Muster, also die
Strategien, die bei der Weltaneignung und Konstruktion eine Rolle spielen, finden in
einem soziokulturellen Rahmen statt, der unter dem Konzept der Popkultur subsumiert
wird. Was es mit diesem Phänomen auf sich hat, soll nun in einem kurzen Exkurs ge-
klärt werden.

3.2 Popkultur und politische Selbstsozialisation im Jugendalter

Popkultur konstituiert sich aus einer Fülle kollektiv erschaffener und dauerhaft verän-
derter Projektionsfelder menschlicher Wünsche, Phantasien, Sinnbedürfnisse und Ge-
fühle.72 Dabei versucht sie Bündnisse zwischen den Menschen und den Waren und
Dienstleistungen zu forcieren, die sie hervorbringt.
Das Bild des willfährigen Konsumenten, der seine hedonistischen Bedürfnisse befrie-
digt, muss in diesem Zusammenhang als überholt gelten. Sozialisation findet durch
Popeinflüsse statt, und immer öfter weitgehend unabhängig vom jeweiligen sozialen
Status. Diese Art der Subjektwerdung, macht sich in einem immer universelleren Rah-
men bemerkbar und macht auch vor der Politik nicht halt. Bill Clinton war einer der Vor-
reiter bei der Vermittlung von Politik mit den Mitteln von Pop.73
Jugendliche bewältigen die Entwicklungsaufgaben ihrer Sozialisation, indem sie sich
unterschiedliche Felder zur Bearbeitung ihres Entwicklungsbedarfs suchen.74 Diese
Felder finden sie heute auch im Bereich des Konsums (s. 3.2).

70
Vgl. Rath (2002), S. 155.
71
Vgl. Ebd., S. 158f.
72
Vgl. Steenblock, V. (2004), S. 88f.
73
Höller (2002), S.85.
74
Vgl. Münch (2002), S. 70.

26
Popkultur bezieht sich hier vor allem auf das Zusammenwirken von Musik, Mode und
den Massenmedien, die die symbolische Aufbereitung von Schlüsselthemen in der
Selbstsozialisation von Jugendlichen leisten. Popbilder haben heute alle Teilbereiche
der Gesellschaft durchdrungen. Die beschriebene Egalisierung von Hoch- und Popkul-
tur lässt daher keine eingrenzende Definition mehr zu. Pop ist überall und nirgends, hat
seine Metaebene verloren und ist reflexiv geworden.

Im Folgenden möchte sich diese Arbeit nun auf die entwicklungstheoretische Annahme
von Havighurst beziehen. Er beschreibt Jugendalter als eine Auseinandersetzung mit
Entwicklungsaufgaben.

Eine Entwicklungsaufgabe ist eine Aufgabe, die sich in einer bestimmten Lebensperio-
de stellt. Ihre erfolgreiche Bewältigung führt zu Glück und Erfolg, während Versagen
das Individuum unglücklich macht, auf Ablehnung durch die Gesellschaft stößt und zu
Schwierigkeiten bei späteren Aufgaben führt.75

Diese Entwicklungsaufgaben bewältigen Jugendliche oftmals nicht mehr über Primär-


erfahrungen, sondern über medial vermittelte Inhalte. Bestimmte Medieninhalte werden
als bedeutungsvoll empfunden und bieten Gesprächsanlässe mit dem sozialen Umfeld.
In der Selbstsozialisation über Medien werden sich Jugendliche über ihre Themen be-
wusst und können diese gezielt in der Medienlandschaft suchen. Durch die Präsenz
audiovisueller Medien haben sich zudem neue Formen der Weltaneignung entwickelt,

75
Vgl. Münch (2002), S. 71, Vgl. Havighurst (1982).

27
die weniger sprachlich als durch ihre präsentative Logik bestimmt sind.76 Verschiedene
Studien wie die JIM- und KIM-Studie oder die Ravensburger Medienstudie haben ge-
zeigt, dass sich die Rezeption von Fernsehinhalten als eine wesentliche Einflussgröße
bei der Bewältigung dieser Entwicklungsaufgaben hervortut.77 Die Ergebnisse der JIM-
Studie 2006 bestätigen den Zusammenhang von jugendlicher Selbstsozialisation in
Peer-Groups und medialer Weltaneignung (s. Abb. 2). In einer Vielzahl von Medien ist
Musik (Radio, Musikfernsehen, PC) ein wesentlicher, wenn nicht der entscheidende
Programmteil oder im Fall des Computers der genutzte Medieninhalt.78

Folgt man nun der Annahme, dass Medien, und hier neben dem Fernsehen und dem
PC besonders die Musik, Entwicklungsfunktionen bei der Sozialisation übernehmen,
dann tut sie das auch in der politischen Selbstsozialisation von Jugendlichen.

Die Auseinandersetzung mit Musik hat Anteil am ästhetischen Selbstausdruck und


somit an der Identitätsfindung eines Individuums.79 Dabei spielt die gemeinsame Be-
geisterung und Auseinandersetzung mit musikalischen Medien bei der sozialen Bin-
dungsfähigkeit eine entscheidende Rolle. Die gemeinsame Rezeption von Musik in
musischen und damit auch modischen Stilgemeinschaften stärkt den Zusammenhalt
bei den Jugendlichen und hilft ihnen, soziale Probleme emotional zu beschreiben.
Politische Partizipation äußert sich heute bei den Jugendkulturen aber nicht mehr vor-
nehmlich aus einem Pflichtgefühl heraus. Die Jugendlichen wollen Spaß haben und
engagieren sich aus diesem Grund zusammen mit ihren Freunden. Dabei wird oftmals
kein bestimmtes Ziel anvisiert. Soziale Handlungen stehen im Vordergrund. Man will
nette Leute kennen lernen und dabei auch etwas Sinnvolles tun. Natürlich sind hier
auch Bedürfnisse nach Lustbefriedigung die Triebfeder sozialen Handelns und politi-
scher Einmischung. Doch sollte diese Form des politischen Engagements nicht mono-
kausal auf Lustbefriedigung reduziert werden.
Holzkamp sieht in dieser ästhetischen Praxis eine existenzielle Grundfunktion des
Menschen, durch die er die Umweltbedingungen seiner Existenz erfasst und bewäl-
tigt.80 Eine mehr oder weniger konsensuale Definition von Politik von Seiten der Didak-
tik beschreibt sie als verbindliche Regelung gemeinsamer gesellschaftlicher Angele-

76
Vgl. Müller (2002), S. 21, Vgl. Baacke (1997), S. 29-57.
77
Vgl. JIM-Studie (2006), S. 12
78
Vgl. Münch (2002), S. 72.
79
Vgl. Ebd.
80
Fuchs (1998), S. 10f.

28
genheiten.81 Nun sind diese Angelegenheiten in der Gegenwart alles andere als homo-
gen. Jugendliche regeln ihre Angelegenheiten in fragmentierten Jugendkulturen und
verfolgen dabei auch neue Strategien. Die audiovisuellen Medien haben dabei die Zei-
tung als einstiges Leitmedium der politischen Informationsquelle abgelöst. Die Zeichen-
realität der mit diesen Medien entstehenden Bildkultur ist universell. Sie verfügt über
eine eigenständige Ästhetik und spezifische Struktur.82
Der Politik fällt es immer schwerer, den potenziellen Wählernachwuchs über diese Me-
dien zu erreichen (s. 6.). Dennoch sollte der Bedeutungsverlust der Parteienpolitik bei
den Jugendlichen, der alljährlich im Rahmen der Shell-Studie nachgewiesen wird, nicht
mit einer unpolitischen Jugend gleichgesetzt werden.

3.3 Die unpolitische Jugend?

Die Jugend des 21. Jahrhunderts scheint viele Begriffe auf eine andere Weise zu defi-
nieren als frühere Generationen. Politik wird auf die Mechanismen institutionalisierter
Parteienpolitik reduziert.83

81
Vgl. Pohl (2004), S. 311. Diese Definition wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit noch einmal aufgegrif-
fen.
82
Vgl. Schnell (2000), S. 10.
83
Vgl. Farin (2001), S. 215.

29
Politik als Prozess und Chance der Gestaltung des eigenen Lebensalltags zu begreifen
ist aus der Vorstellungswelt der Jugendlichen weitgehend verschwunden. Stattdessen
wird mit diesem Begriff tendenziell etwas Unangenehmes oder auch Abstraktes ver-
bunden. Als scheinbar unwissende „Landvermesser“ sind ihnen die verschiedenen
Ebenen des „Schlosses Politik“ unerreichbar und lassen einen Zugang unmöglich oder
gar nicht erstrebenswert erscheinen. Als Gründe für den Bedeutungsverlust des Staa-
tes im jugendlichen Alltag sind hier zuerst die Privatisierung vieler staatlicher Dienst-
leistungen (Telefon, Post, öffentlicher Verkehr und zunehmend auch Universitäten und
große Teile des Schulwesens), die Verlagerung von Entscheidungsstrukturen auf die
internationale Ebene und die mediale Darstellung der Politik als kollektives Versagen in
ökonomischer, ökologischer und moralischer Hinsicht.
Der Begriff Politik ruft heute bei Jugendlichen Assoziationen wie Korruption, Egoismus,
Langeweile oder Uneffektivität hervor.84 Bis weit in die achtziger Jahre wurde das Bild
geprägt, dass sozialer gesellschaftlicher Wandel von einer jungen Generation ausge-
he.85 Diese Sicht hat sich allerdings grundlegend gewandelt. Die politische Jugendbe-
wegung als Identität stiftendes Moment einer Generation hat als Modell für Jugend und
Sozialisation ausgedient. So wird in den Medien und verschiedenen Studien die Ju-
gend als unpolitische gesellschaftliche Gruppe eingestuft.
Zu einer maßgeblichen Kategorie wurde hier die sogenannte Politikverdrossenheit, die
den wachsenden Bedeutungsverlust von Politik im Leben und Handeln auch von Ju-
gendlichen einnimmt, benennen soll.86 Und auch unter den Jugendlichen selbst schät-
zen sich in der Shellstudie 200687 nur 39% als politisch und weniger als 10% als poli-
tisch engagiert ein88 (s. Abb. 4). Dennoch gibt es eine Diskrepanz zwischen dieser
Selbsteinschätzung und den sozialen Aktivitäten bei den Jugendlichen, die mit der o-
ben genannten Definition von Politik als Parteien- oder Regierungspolitik korreliert.
Dabei ist es nicht ganz einfach festzustellen, welche Motivation bei den jeweiligen
Gruppen im konkreten Fall für soziale Aktivitäten ausschlaggebend ist.
Im Deutschland des 21. Jahrhundert gibt es über 600 verschiedene Jugendkulturen,
sog. „artificial tribes“.89 Jugendliche durchlaufen zwischen dem 11. und dem 19. Le-

84
Vgl. Ebd.
85
Vgl. Schneekloth (2002), S. 104f.
86
Vgl. Ebd.
87
Vgl. Ebd.
88
Vgl. Farin (2001), S. 216.
89
Vgl. Ebd., S. 206.

30
bensjahr im Schnitt sechs bis acht Kulturen, wobei sie dabei sogar verschiedenen
Szenen parallel angehören.90 Dennoch lässt sich in diesem ständig wandelnden Fli-
ckenteppich ein Paradigma erkennen.
Der Weg ist für viele Jugendliche das Ziel politischer Einmischung. Sie werden dann
aktiv, wenn sie sich persönlich betroffen fühlen. Wobei sie auf die Aussage, dass politi-
sches Engagement persönliche Betroffenheit voraussetze, ablehnend reagierten.91
Dabei wollen möglichst wenig Jugendliche starren institutionellen Einschränkungen
unterliegen, was sich in der ständig abnehmenden Mitgliedszahl traditioneller Partei-
oder Jugendverbandsarbeit niederschlägt.92

3.4 Weitere Folgerungen für die politische Bildung

Die grundlegende Frage der Sozialisationsforschung, wie der Prozess der Vergesell-
schaftung und der Prozess der Individuation miteinander verwoben und verschränkt
sind93, erhält durch die Art wie sich Jugend heute selbst sozialisiert immer neue Aktua-
lität. Dabei spielen in der Frage der politischen Sozialisation von Jugendlichen und
ihrer Vergesellschaftung mehrere Faktoren eine Rolle.

• Die veränderten Rezeptionsmodalitäten und Kulturellen Muster bei der Wirk-


lichkeitsaneignung durch den Einfluss neuer Medien.

• Die Ästhetisierung und Inszenierung der Politik in den Medien.

• Die Individualisierungs- und Fragmentierungstendenz der Gesellschaft.

• Das verlängerte Moratorium der Jugend.

Angesichts des Rückzugs demokratischer Organisationen aus dem vorpolitischen


Raum, muss sich eine zeitgemäße politische Bildung ihrer wachsenden Bedeutung
bewusst werden.94 Dabei reicht es nicht aus, Individuen in die Lage zu versetzen, auf
der Grundlage bewusst definierter und gemeinsamer Interessen auf die Spielregeln
des Gemeinwesens einzuwirken.

90
Vgl. Ebd.
91
Vgl. Schneekloth (2002), S. 104f.
92
Vgl. Farin (2001), S. 216.
93
Hurrelmann (1986), S. 91.

31
Es geht eben darum, die Rezeptions- und Wahrnehmungsmuster der politischen Indi-
viduen immer neu in die Überlegungen der politischen Bildung mit einzubeziehen. Nur
so kann ein Konsens über das, was das Politische für Jugendliche und die Seite der
Lehrenden bedeutet, erreicht werden. Dieser Konsens wäre nun erst die Vorausset-
zung für weitere Ansätze der Politikdidaktik.
Wenn politische Bildung im schulischen Bereich weiterhin Bestand haben und zu-
kunftsfähig sein will, muss sie die offensive Gestaltung der Bedingungen des Heran-
wachsens zu einer ihrer zentralen Prämissen erklären. Dies erreicht sie aber nicht über
normative Leitideen eines normierten Bürgers. Eine Befähigung zu einem rein rationa-
len Zugang zur politisch-gesellschaftlichen Wirklichkeit geht an der Realität heutiger
Jugendkulturen vorbei. In einer individualisierten Gesellschaft wächst die Notwendig-
keit der Außenorientierung.

Stilwahl ist ein Mittel der Selbstpolitik, der Selbstinszenierung, die vielleicht weniger
über seinen Träger als über den ihm zur Verfügung stehenden Spielraum aussagt,
seine Lebenslage zu bewältigen.95

4. Die kulturelle Praxis der Jugend – Eine Marginalie in der Politikdidaktik?

Die Zeit der großen weltanschaulichen Kontroversen innerhalb der politischen Bildung
ist vorbei. Es ist eine Pluralisierung der Ansätze zu beobachten, die unter dem Begriff
der Pragmatischen Wende subsumiert wird.96 So ergibt sich ein sehr heterogenes Bild
der Politikdidaktik in Deutschland.
Sie wendet sich seither stärker spezifischen Fachfragen zu.97 Die Professionalisierung
des Politiklehrers wird in der Beherrschung der Routinen des Lehrens und auch seiner
Fachwissenschaften gesehen.98 Die Kategorien Problem-, Konflikt- und Handlungsori-
entierung spielen hier ebenso eine wichtige Rolle bei den Betrachtungen des politi-
schen Unterrichts, wie die kognitive und moralische Entwicklung der Jugendlichen. Die
Forderung, man solle die Kinder und Jugendlichen dort abholen, wo sie stehen, wird in
diesem Zusammenhang als ständige Floskel überstrapaziert.

94
Vgl. Dörre (2006), S. 35f.
95
Pietraß/Tippelt(2003), S. 34.
96
Reinhardt (2005), S. 9.
97
Ackermann (2004), S. 98 f.
98
Reinhardt (2005), S. 12.

32
Ansätze, die die kognitiven Lern- und Verarbeitungsprozesse des politisch-
demokratischen Denkens und Urteilens bei den Heranwachsenden in den Blickwinkel
ihrer Didaktik nehmen, wurden aus der Entwicklungs- und Kognitionspsychologie in die
politische Bildung integriert.99 Die Lernenden sollen nun unter Berücksichtigung ihres
Entwicklungsstandes von ihren Lehrern an die Hand genommen, um als zukünftige
„Normal- oder Aktivbürger“ in die bestehende Gesellschaft integriert zu werden - so die
Theorie. Dabei scheint es einen allgemeinen Konsens über eine angemessene oder
sinnvolle Art, in der Politik kommuniziert werden solle, zu geben.
Aber wo lassen sich in dieser Debatte zur Entwicklung des politischen Unterrichts Be-
zugspunkte zur Lebenswelt junger Menschen finden, die die Strukturmerkmale post-
moderner Modernisierungsprozesse berücksichtigen? Wird die kulturelle Praxis von
Jugendlichen, die vor allem außerhalb der Institutionen in ihren Peer-Groups stattfin-
det, in der Politikdidaktik überhaupt Rechnung getragen? Wenn man eine Aussage des
Politikdidaktikers Weiseno als „Mainstream“ im politikdidaktischen Diskurs auffasst,
muss diese Frage verneint werden. Er argumentiert hier folgendermaßen:

Mit der postmodernen Politikdidaktik als Teil der Erziehungswissenschaft ist eine der
Inhaltlichkeit weitgehend entkernte Prozess-Didaktik entstanden.100

Veränderte gesellschaftliche Rahmenbedingungen, in denen Politik stattfindet, schei-


nen, wenn überhaupt, aus dem Lager der politischen Bildung als Mangel und Problem
bewertet zu werden. Die angenommene Trivialisierung und Kommerzialisierung der
Gesellschaft wird somit als Hindernis zwischen Lehrern und Schülern wahrgenommen,
die einen „ernsthaften“ kognitiven Umgang mit Politik fast unmöglich mache.
Die kommunikativen Rahmenbedingungen der Politik bei Sendern und Empfängern
haben sich aber nicht nur einfach verschoben. Wie bereits aufgezeigt wurde, haben
sich durch die mediale Durchdringung aller Lebensbereiche die Verständigungsver-
hältnisse durch die quantitative Ausweitung visueller Medien grundlegend verändert.101
Didaktische Grundfragen werden aber zumeist im Was, dem Wozu und dem Warum
des Lehrens und des Lernens gesehen.102
Die Frage des Wie, also der Art der individuellen Aneignung von politischen Inhalten,
treten hinter den anderen W-Fragen zumeist zurück, werden verstärkt unter kognitiven

99
Ebd., S. 35f.
100
Weißeno (2004), S. 204.
101
Besand (2004), S. 9.
102
Vgl. Gagel (2000), S. 228.

33
Aspekten diskutiert oder unter die Frage der Auswahl von Unterrichtsinhalten subsu-
miert.103 Die Politikdidaktik wird in diesem Zusammenhang immer noch primär als nor-
mativ-kritische Metawissenschaft legitimiert.104
Die Frage ist nun, ob sich politikdidaktische Konzepte finden lassen, die Anschluss-
möglichkeiten an eine Didaktik des politischen Unterrichts, der sich an der kulturellen
Praxis heutiger Jugendlicher orientiert, bieten. Dazu muss aber ein grundlegendes
Verständnis der Fundierungen der Politikdidaktik in Deutschland bestehen.
Politische Bildung tut sich aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte nach dem Zweiten
Weltkrieg und dem Erbe des totalitären Regimes im Dritten Reich schon immer schwer
mit ästhetischen Inszenierungen und Medialisierungen des Politischen.
Deshalb soll es nun im Anschluss an dieses Kapitel darum gehen, die ablehnende Hal-
tung der Politikdidaktik gegenüber der medialen Inszenierung und Ästhetisierung von
Politik105 in ihrer Vermittlungen und Rezeption auf ihre historischen Bedingungen hin zu
untersuchen. Ohne den Anspruch einer inhaltlichen Vollständigkeit werden hier die
Grundvoraussetzungen politischer Bildung nach 1945 skizziert, um dann gegenwärtige
Ansätze von Vertretern der Politikdidaktik auf die vermeintlichen ‚Lücken’ heutiger
Wirklichkeitszugänge hin zu untersuchen.

Im Anschluss soll ein Medium der Politikwissenschaft und Politikdidaktik, nämlich die
institutionelle Parteien- und Regierungspolitik einer näheren Kritik unterzogen werden.
Im Kapitel 3.3 wurde der Bedeutungsverlust institutioneller Politik bei heutigen Jugend-
kulturen bereits näher skizziert. Nun stellt sich die Frage in welcher Weise die Politikdi-
daktik darauf reagieren kann und muss. Dazu sollte sie zum einen die Lebenswelt der
Schülerinnen und Schüler immer wieder neu in ihre Überlegungen mit einbeziehen.
Zum anderen sollte sie ihre Haltung gegenüber den veränderten Rahmenbedingungen
in denen Politik heute stattfindet, überdenken. Die Inszenierung von politischen The-
men und Personen innerhalb der medialen Arena als bloße Trivialisierung oder noch
schlimmer als Verschleierung politischer Prozesse zu betrachten, greift zu kurz und
wird der politischen Wirklichkeit unseres Medienzeitalters nicht gerecht. Die Reaktion
eines Politikunterrichts mit Aufklärungsanspruch, der das „wahre Wesen“ der Politik
aus seiner medialen Überformung herauslösen will, verkennt die Aneignungsmodi der
Welt in unserer Gesellschaft.

103
Pohl, (2004), S. 11.
104
Stein, (1998), S. 122.
105
Vgl. Besand (2004), S. 122f.

34
Die Zahl politikdidaktischer Publikationen ist stark angewachsenen und lässt einen
systematischen Überblick und Vergleich verschiedener Meinungen und Grundfragen
zum Thema der politischen Bildung in der Schule nur schwerlich zu.
Daher soll sich im Teil 7 auf der Suche nach möglichen Konzepten hauptsächlich um
eine kritische und differenzierte Rezeption des Interviewbuches: „Positionen der politi-
schen Bildung 1“, bemüht werden. Dieser Band bietet sich deshalb für eine solche kriti-
sche Zusammenfassung an, weil er die bekanntesten Vertreter des Faches aus ver-
schiedenen Generationen im systematischen Vergleich zu Wort kommen lässt.
An diesem Punkt soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit Kulturelle Muster,
die für die Weltaneignung der Jugendlichen prägend sind, Berücksichtigung im Diskurs
über die Situation und Perspektiven des Politikunterrichts finden.

5. Etappen der politischen Bildung nach 1945

Die Politische Bildung in Deutschland nach 1945 ging zuerst einmal von den Besat-
zungsmächten aus und war eng mit dem Begriff der Demokratisierung verbunden. Der
Nationalsozialismus wurde, besonders von den USA, als Folge einer antidemokrati-
schen Erziehungstradition in Deutschland gesehen.106 Somit war die pädagogische
Kategorie im Sinne eines positiven Traditionsbruches hin zu einem demokratischen
System nach amerikanischem Vorbild bereits angelegt. Dies machen die Vorschläge
der amerikanischen Erziehungskommission aus dem Jahr 1946 bereits deutlich:

Das einzige und beste Werkzeug, um noch im gegenwärtigen Geschlecht in Deutsch-


land eine Demokratie zu errichten, ist die Erziehung.107

Das ins Leben gerufene Re-Education-Programm konzentrierte sich überwiegend auf


Schulen, stieß dort aber anfänglich auf Widerstand deutscher Landesbehörden. Des-
halb und aufgrund des Dilemmas, demokratische Reformen nicht gegen den Willen der
Betroffenen und durch den Druck des Militärs durchsetzen zu wollen, muss die Wir-
kung der Re-Education eher als gering eingestuft werden.108 Längerfristigen Erfolg hat-
te dagegen die Einführung eines Schulfaches der politischen Bildung. In den sechziger
Jahren wurden Forderungen nach einer Intensivierung der politischen Bildung laut.

106
Vgl. Sander (1999), S. 14f.
107
Ebd., S. 15, Vgl. Borcherding (1965), S. 66.
108
Vgl. Ebd.

35
Die deutsche Bevölkerung reagierte in dieser Zeit sehr erschrocken über Hakenkreuz-
schmierereien auf jüdischen Friedhöfen. Die darauf folgende öffentliche Diskussion
über die politische Gesinnung der jungen Generation ließ die politische Bildung selbst
zum Politikum werden.

Traditionsreiche pädagogische Fragen stellten sich nun neu: Was ist das ‚Elementare’
politischer Bildung? Was soll gelehrt, gelernt und geübt werden?109

Da sich der neu zu bestimmende Kanon verbindlicher Unterrichtsinhalte in einer plura-


len Gesellschaft nicht mehr auf eine selbstverständliche kulturelle Tradition berufen
konnte, hat sich die Frage des Bezugs seiner Inhalte wieder neu gestellt.
Dabei wurde deutlich, dass sich auch aus den Fachwissenschaften keine zwingenden
Kriterien für die Auswahl schulischer Lerngegenstände ableiten lassen.110 Deshalb
wurde die Frage der Auswahl selbst Gegenstand wissenschaftlicher Theoriebildung.
Auf diese Weise sollten die methodischen und didaktischen Entscheidungen systema-
tisch konzeptionell geklärt werden.
Diese Didaktische Wende konstituierte die politische Bildung als wissenschaftliche Dis-
ziplin.111 Die Politikdidaktik etablierte sich dabei in erster Linie als Theorie der Bildungs-
inhalte. In der Folge wurde dann eine Reihe miteinander konkurrierender didaktischer
Konzeptionen vorgelegt, die sich überwiegend auf den politischen Unterricht in der
Schule konzentrieren sollten. Die politische Bildung außerhalb der Schule und als
schulisches fächerübergreifendes Bildungsprinzip verschwand daher erst einmal aus
dem Blickfeld des allgemeinen Interesses.
In der Folge der Didaktischen Wende setzte sich nun immer mehr die Überzeugung
durch, dass politische Mündigkeit bei den Lernenden als Ziel der politischen Bildung
nur durch die Fähigkeit der selbstständigen politischen Urteilsbildung zu erreichen wä-
re. Diese Idee kam einem Paradigmenwechsel innerhalb der politischen Bildung gleich.
Ziel der Sozialisationsarbeit war nun nicht mehr die Legitimation bestehender gesell-
schaftlicher und politischer Verhältnisse, sondern ihre kritische Reflexion innerhalb des
Unterrichts.
Die Kontroversen der späten siebziger und achtziger Jahre waren Folge der allgemei-
nen gesellschaftlichen Polarisierungen in Folge der Studentenbewegungen. Nun stand
die Frage im Mittelpunkt, inwieweit und in welcher Weise sich politische Bildung kriti-

109
Fischer (1973), S. 25.
110
Vgl. Sander (2004), S. 125f.
111
Vgl. Sander (2004), S. 16.

36
sche Distanz über soziale und politische Missstände erhalten solle und sich als Teil
einer gesellschaftlichen Reformbewegung verstehen könne. Diese Streitpunkte führten
zu einer Änderung der Lehrpläne in einigen Bundesländern und innerhalb der Politikdi-
daktik zum „Beutelsbacher Konsens“.112
Als Folge einer lang anhaltenden Phase der Lehrerarbeitslosigkeit in den achtziger
Jahren geriet die Politikdidaktik aus bildungspolitischer Sicht in eine schwierige Situati-
on. 10 bis 15 Jahre wurde keine einzige frei gewordene Hochschullehrerstelle in der
Politikdidaktik mehr neu besetzt.113 Dieses Problem wurde in den neunziger Jahren
überwunden und die Politikdidaktik konnte sich als Wissenschaftsdisziplin nicht nur
erhalten und konsolidieren, sondern nahm einen deutlichen Aufschwung.
So haben sich Interdependenzen zwischen schulischer und außerschulischer politi-
scher Bildung entwickelt und die Politikdidaktik versteht sich selbst verstärkt als Wis-
senschaft, die sich mit den Problemen der politischen Bildung in allen ihren Praxisfel-
dern befasst.114 Inhaltlichen Fragestellungen, die sich mit der veränderten geschichtli-
chen Situation durch den Fall der Mauer und das Zusammentreffen zweier politischer
Systeme ergaben, waren nun ebenso von Interesse, wie die Fragen über das Theorie-
Praxis-Verhältnis oder die Debatte über das Verhältnis von rationaler Urteilsfähigkeit
und emotionaler Bildung. Außerdem wurde mithilfe empirischer Forschung Zusam-
menhänge zwischen Schulkultur und politischer Bildung aufgezeigt und damit fachbe-
zogene Professionalisierungsdefizite, wie die Tendenz zur einer unangemessenen
Moralisierung politischer Fragen, offen gelegt. Ende der neunziger Jahre wurde schon
vor dem großen „PISA-Schock“ handlungsorientierte Lehr- und Lernformen für den
politischen Unterricht vorgeschlagen, da eine Dominanz des lehrerzentrierten Unter-
richts unverkennbar war. Offene Formen des Unterrichts befähigten die Schüler zu
einem deutlich besseren Verständnis von Politik.115

In der Rückschau betrachtet, kann zu Beginn des 21. Jahrhundert die politische Bil-
dung auf eine erfolgreiche, wenn auch schwierige Zeit zurückblicken. Die herrschafts-
legitimatorische Bestimmung von politischer Erziehung nach wilhelminischer Prägung
konnte zumindest in der demokratischen BRD durch ein neues Leitbild ersetzt und in
der Schule verankert werden. Betrachtet man sich aber die Entwicklung des theoreti-
schen Fachdiskurses der politischen Bildung seit den 50er Jahren wird klar, dass die

112
Vgl. Ebd.
113
Vgl. Ebd., S. 18f.
114
Vgl. Sander (2004), S. 151f.
115
Vgl. Ebd., S. 155.

37
Frage der Lebenswelt und des Weltzugangs der Lernenden hinter den Legitimations-
fragen der Bildungsinhalte konsequent zurücktreten musste.
Die frühen Didaktiker, fast allesamt geprägt von den Erfahrungen des Faschismus116,
waren um eine nüchterne, „realistische“ Haltung zur Politik bemüht. Die fortschreiten-
den Inszenierungsprozesse der Politik und innerhalb des politischen Sozialisationspro-
zesses der jungen Generation wurde von den „nüchternen Demokraten“117 nahezu
ausgeblendet. Vielmehr wurde versucht, aus einer Haltung der Ablehnung heraus, den
rationalen Moment der Politik als den möglichen Zugang zur Politik zu hegemonisieren.
Daran änderte auch die Zuwendung zur Kultur, die durch die Studentenbewegung und
deren Rezeption der Kritischen Theorie stärker fokussiert wurde, nichts.118 Die Insze-
nierung und Ästhetisierung des Politischen stand der politischen Bildung scheinbar
diametral gegenüber - und dies ist bis heute so.
Dabei hatte der bereits beschriebene Stellenabbau an den Hochschulen keinen unwe-
sentlichen Anteil. Er führte dazu, dass die Diskurse der politischen Didaktik bis in die
neunziger Jahre von einer immer gleich bleibenden Gruppe getragen wurde und neue
Einflüsse einer „jungen Generation“ von Didaktikern getrost als Marginalie abgehakt
werden können. Somit sind viele Begriffe von den „alteingesessenen Hegemonen“ be-
setzt und neue Deutungsmöglichkeiten schwierig in Diskussionen zu etablieren.
Das soll nicht heißen, dass die Diskussionen innerhalb der politischen Bildung durch-
weg monokausal und deshalb unbrauchbar seien. Es ist aber dennoch eine Tendenz
zu erkennen, sich gegenüber bestimmten Themenfeldern als Zubringer für die Didaktik
zu verschließen. Hierzu gehören auch die Kulturellen Muster in der Selbstsozialisation
von Jugendlichen, die bei der Durchführung eines Unterrichts, der die Lebenswelt heu-
tiger Jugendkulturen im Blickfeld seiner Didaktik hat, unerlässlich sind.

6. Die Inszenierung des Politischen

Politik ist ohne ihre Inszenierung nicht mehr denkbar. Sie ist in den letzten Jahren unter
einen förmlichen Inszenierungsdruck geraten. Inszenierung ist Gestaltung (in Produkti-
on und Rezeption). Gestaltung wird in dieser Arbeit als Ästhetik verstanden.

116
Vgl. Besand. (2004) S. 123, Vgl. Gagel, Walter: Geschichte der politischen Bildung in der BRD 1945-
1989. S. 128.
117
Vgl. Besand (2004), S. 123, Vgl. Gagel, Walter: Der lange Weg zur demokrat. Subkultur, S. 12.
118
Vgl. Besand (2004), S. 123f.

38
Dabei geht es nicht darum, ob etwas als schön empfunden wird. Von Interesse ist hier
der konstruktive Moment, nämlich einen Gegenstand, in diesem Fall die Politik, unter
ästhetischen Gesichtspunkten zu betrachten.
Diese Vorbemerkung ist deshalb wichtig, weil sich die Politik als Prozess und die Ver-
mittlung von Politik unter dieser ästheti-
schen Prämisse verändert haben. Nicht
nur in Wahlkampfzeiten ist die Frage der
Präsentation eines sachlichen Gegens-
tandes oder einer Person entscheidend.
Wer die Techniken der Selbstdarstellung
in der medialen Arena nicht beherrscht
wird es heute schwer haben, als
politischer Entscheidungsträger eine
weitreichende Wirkung zu entfalten.119
Gerade heutige Jugendkulturen lassen sich nicht mehr primär über den sprachlichen
Diskurs erreichen. Das Design, also die Gestalt der Dinge, nehmen immer größeren
Raum in der Wahrnehmung von Politik ein. Das hat weitreichende Konsequenzen für
die Politik, wenn sie mit ihrer Sprache noch zu den (jungen) Menschen durchdringen
will.120 Denn Jugendkulturen lassen sich über die vereinfachte Darstellung einer politi-
schen Sachstruktur, z.B. dem politischen Programm einer Partei, nicht mehr primär
über das Medium Sprache ansprechen. Politiker sehen sich daher aufgefordert (oder
gezwungen) sich mit einem Profil, das einen hohen ästhetischen Anteil hat, auf dem
medialen Markt zu positionieren und ihren potenziellen Wählern zu präsentieren. Dabei
kommt es immer wieder zu Konstellationen, die Diskussionen über den Zwiespalt von
Inszenierung und Wahrhaftigkeit aufkommen lassen. Man erinnere sich noch an den
FDP-Politiker Guido Westerwelle und an das Guidomobil (s. Abb. 4) oder dessen
Kurzauftritt in der „Reality Show“ Big Brother, der die Befürworter seriösen politischen
Gebahrens verzweifeln ließ, aber als Versuch, Kommunikationsstrukturen zwischen
Politik und populärer Medienkultur zu generieren, angesehen werden muss. Auch hier
spielten Sachargumente, die sprachlich vorgetragen wurden, eine marginale Rolle.
Vielmehr wurden Vermarktungsstrategien aus der Werbebranche wirksam.
Die „Marke FDP“ oder vielmehr die „Marke Guido Westerwelle“ hat sich durch den Me-
dienauftritt bewusst in einen medienkonvergenten Zusammenhang gestellt und somit

119
Siller (2000), S. 12.
120
Ebd.

39
die Synergieeffekte eines sehr erfolgreichen Fernsehformates zur Steigerung des ei-
genen Bekanntheitsgrades bei Jugendkulturen genutzt. Dieses Beispiel macht einen
weiteren Faktor bei der Inszenierung von Politik deutlich. Politik wird über die Medien
aufgenommen. Und wer sich einen dauerhaften Platz auf den Stühlen der Politik-
Talkrunden und anderen medialen Multiplikatoren in der politischen Willensbildung der
deutschen Bundesbürger sichern will, muss sich den genannten ästhetischen Forma-
lien anpassen. Politik spielt sich auf der Bildoberfläche ab und muss die Gesetze des
Fernsehens für sich nutzen (oder sich an ihnen orientieren). Dazu gehört vor allem der
akute Zeitmangel. Botschaften müssen in wenigen Sekunden die Zielgruppe oder den
potenziellen Wähler erreichen und dazu noch von ihnen verstanden werden. Deshalb
spielen Bilder und Icons eine immer wichtigere Rolle bei der Vermittlung politischer
Inhalte; sie scheinen die Sprache als einstiges Leitmedium der Politik zu verdrängen.
Doch auch die Sprache ist in diesem ästhetischen Paradigma miteinbegriffen.
So gilt es für die Politik, sprachliche Bilder zu konstruieren, sie in einen Bedeutungszu-
sammenhang zu stellen und sich die Deutungshoheit über einen solchen Begriff zu
sichern. Damit versucht sie gerade im Hinblick auf Jugendkulturen eine ähnliche Funk-
tion wie Musik oder Mode zu übernehmen. Sie bietet einen Vorrat an Symbolen für die
Schlüsselthemen von Jugendlichen an.
Was für die Politik gilt, gilt ebenso für den politischen Unterricht. Es macht wenig Sinn
gegen die Menschen zu regieren bzw. zu unterrichten. Die Zusammenhänge zwischen
sozialer Schichtzugehörigkeit und Wahlverhalten verwischen immer stärker. Dies hat
mit den soziokulturellen Veränderungen der letzten Jahrzehnte zu tun. Jugendkulturen
lassen sich unter demographischen Gesichtspunkten nicht mehr fassen, da es zuneh-
mend ästhetische Milieus sind, die das Selbstverständnis und die gesellschaftliche
Stellung von Individuen bestimmen.121
Jugendliche finden sich in Stilgemeinschaften zusammen und wenden durch ihre kultu-
relle Praxis das negative besetzte Wort „Oberfläche“ in seiner Bedeutung. Sie geben
sich dezidiert unpolitisch und konsumorientiert, wie es die Shell-Studie alljährlich in der
Rubrik Politikverdrossenheit bei Jugendlichen feststellt.
An diesem Punkt sei noch einmal an die Definition von Politik, die führende Politikdi-
daktiker in dem Interviewband: „Positionen der politischen Bildung“ formuliert haben,
erinnert. Politik ist die Regelung gemeinsamer gesellschaftlicher Angelegenheiten.

121
Vgl. Siller (2000), S. 13.

40
Nun kann eine in soziokultureller Hinsicht stark fragmentierte und in ständigem Wandel
befindliche Gesellschaft aus dem Blickwinkel der Politik als Mangel angenommen wer-
den. Aber wenn politische Handlungsweisen sich immer stärker im Raum des Persönli-
chen abspielen und subjektiv motiviert sind, muss die Politik und die politische Bildung
Kommunikationsformen wählen, die einen Zugang zu diesen Räumen herstellt. Politik
rangiert in der Konkurrenz mit anderen Bereichen im Leben von Jugendlichen hinter
den Angelegenheiten der privaten Lebensführung.
Dennoch engagieren sich Jugendliche politisch und antizipieren gesellschaftliche Ent-
wicklungsaufgaben. Die Verarbeitung dieses Prozesses findet aber immer mehr au-
ßerhalb gesellschaftlicher Einrichtungen statt. Jugendliche suchen sich ihnen gemäße
Formen, um ihren Blick auf Gesellschaft zu kommunizieren. Dies geschieht ggf. in kul-
tureller und in kollektiver Form unter Gleichaltrigen.122
Die Bedeutungslosigkeit institutioneller Politik für Jugendliche wird durch die Kommuni-
kationsstörungen zwischen Politik und Jugendkulturen deutlich. Politiker scheinen die
Ausdrucksformen und Anliegen derer, die sie ansprechen wollen, nicht zu finden. Da-
bei treiben die Versuche der politischen Vertreter, sich den neuen gesellschaftlichen
Rezeptionsgewohnheiten anzupassen, oftmals seltsame Blüten und zeigen die Kehr-
seite dieser Mechanismen. Politik kann in begrenztem Umfang ihre Inhalte über die
Formen und Stile verschiedener Stilgemeinschaften vermitteln. Es ist ihr aber auch
möglich, ästhetische Selbstinszenierungen zur politischen Machterlangung zu gebrau-
chen, ohne dabei Inhalte zu transportieren.123
Diese Problematik ist der Politikdidaktik nicht unbekannt. Eine Annäherung an jugend-
liche Lebenswelten und deren Kommunikationsformen findet oft nicht statt, weil sie als
inhaltsleerer Anbiederungsversuch verstanden und daher abgelehnt oder erst gar nicht
thematisiert wird. Das sich aber durch die Medialität unser Gesellschaft völlig neue
Formen der Weltaneignung entwickelt haben, wurde bisher weitgehend aus dem poli-
tikdidaktischen Diskurs ausgeblendet.
So hält die politische Bildung bis heute an ihrer Idee des rationalen Zugangs zu Politik fest.
Sie widmet sich den veränderten Rahmenbedingungen, in denen Politik stattfindet und von
Jugendkulturen aufgenommen wird, wenn überhaupt, indem sie ihre angeblich medial über-
formte Wahrnehmung zum Zwecke der politischen Aufklärung schulen will.

122
Vgl. Schneekloth (2002), S. 103f.
123
Vgl. Siller (2000), S. 14.

41
7. Positionen der politischen Bildung

7.1 Inhalte des Politikunterrichts

Die Frage nach den Inhalten hängt eng mit den Zielen des Politikunterrichts zusam-
men. Dabei lassen sich zwei Richtungen grob unterscheiden. Inhalte lassen sich nach
fachwissenschaftlichen Kriterien auswählen, oder richten sich nach Bedürfnissen der
Schülerinnen und Schüler.124 Dabei kommt es aber meistens nicht zu einer klaren
Trennung der beiden Argumentationslinien.
Die Bedürfnisse der Schüler sind in der Fachdidaktik bereits schon begrifflich gebun-
den. Ackermann spricht von objektiven und subjektiven Relevanzkriterien. Gagel wie-
derum unterscheidet zwischen Betroffenheit und Bedeutsamkeit und Hilligen zwischen
objektiver und subjektiver Betroffenheit.125 Dabei stellen die Didaktiker heraus, dass
das benannte Grundwissen keine reine Ableitung der Bezugwissenschaften sein dürfe,
sondern immer auch die Interessenslage der Lernenden in ihrer Lebenswelt maßge-
bend sei126. Ein Konsens besteht aber darin, dass die Schüler ein bestimmtes politi-
sches Grundwissen brauchen, um zukünftige gesellschaftliche Herausforderungen
bewältigen zu können.
Giesecke spricht in diesem Zusammenhang von Unterrichtsinhalten als Resultat eines
eigenständigen didaktischen Zugriffs, der die Perspektive des Normalbürgers ein-
nimmt.127 Er beschreibt in diesem Zusammenhang den politischen Unterricht als eine
Form des sozialen Handelns. Weiter führt er aus, dass politischer Unterricht, wie alles
soziale Handeln vom Handeln der Partner, also z. B. der Schüler, abhänge.
Da eine solche konkrete Handlung einmalig und daher nicht im technischen Sinne re-
produzierbar sei, müsse man sich über den Zweck und die Intention dieses Handelns
Klarheit verschaffen.128 Wenn Giesecke hier von Zweck und Intention des Handelns
spricht, meint er damit in erster Linie pädagogisches Handeln aus Sicht der Lehrenden.
Dabei scheint er eine präzise Vorstellung über die Art und Weise der sozialen Hand-
lungen der Schülerinnen und Schüler zu haben.

124
Pohl (2004), S. 314.
125
Vgl. Ebd.
126
Ackermann (2004), S. 93.
127
Giesecke (2004), S. 67.
128
Giesecke (1993), S. 11.

42
Der Prozess des Sich-Klarwerdens geschehe nun auf drei Ebenen. Er richtet sich auf
politischer Ebene nach den Richtlinien der Kultusministerien, wodurch sich, verstärkt
durch den neuen Bildungsplan 2003 und dem Kern- und Schulcurriculum, Handlungs-
spielräume für die lehrenden Pädagogen ergeben. Als Folge dieser Freiheiten sieht er
die Notwendigkeit einer didaktischen Reflexion.
An diesem Punkt wird ein charakteristisches Muster der politischen Bildung in Deutsch-
land offensichtlich. Giesecke sieht nämlich die dringlichste Aufgabe einer solchen Re-
flexion in der Klärung der Inhalte des politischen Unterrichts. Diese Aufgabe sieht er
richtigerweise nicht als Missstand, sondern als Merkmal einer demokratisch-
pluralistisch verfassten Gesellschaftsform. Um den Auswahlkriterien für die Unterrichts-
inhalte aber nicht den Anschein von Willkür auszusetzen, erfolgt eine inhaltliche Ver-
netzung der Lehrenden des Faches untereinander und mit den Zulieferwissenschaften
der Erziehungswissenschaften oder der Soziologie.
Giesecke selbst fordert einen bestimmten Bestand an Grundwissen, von dem aus
komplexere Sachverhalte erschlossen werden können129 und macht auch selbst Vor-
schläge für einen solchen Themenkanon. Seiner Meinung nach sollte das Politische
aus den drei miteinander verbunden Feldern Politik, Ökonomie und Kommunikation
bestehen, die wichtige Phänomene unseres gesellschaftlichen Lebens erklären.
Neue Herausforderungen wie Globalisierung, Reform der sozialen Systeme oder Integ-
ration spielen hier auch eine Rolle. Aber da die neuen Themenkomplexe in ihrer Bri-
sanz in der Öffentlichkeit noch nicht erkannt worden seien, sieht Giesecke hinsichtlich
der ursprünglichen Begründung für politischen Unterricht (s. 6.) ihren gegenwärtigen
Zweck in einer pädagogischen Befähigung zur optimalen politischen Beteiligung.130

Es fällt auf, dass der Jugendliche als Medium der politischen Bildung in diesen Diskur-
sen eine untergeordnete Rolle spielt. Der Fokus liegt nicht nur bei Giesecke stärker auf
der Auswahl und Legitimierung der zu unterrichtenden Inhalte. Im Zentrum stehen hier
gesellschaftliche Problemfelder, die auf ihre politischen Dimensionen (s. 7.3) und Ges-
taltungsmöglichkeiten hin befragt werden.131
Politik wird den Lernenden somit als zu erfassendes Objekt gegenübergestellt. Das
Politische als soziale Handlung oder kulturelle Leistung der Jugendlichen wird als Aus-
klammerung der Politik aufgefasst. Massing/Weiseno beschreiben einen solchen Un-

129
Giesecke (2004), S. 67.
130
Ebd., S. 65.
131
Vgl. Behrmann (2004), S. 14.

43
terricht, der an der Lebenswelt und deren kulturellen Prägungen ansetzt, als Lebenshil-
fe oder soziales Lernen und unterstellen eine gewollte Vermeidung politischer Dimen-
sionen.132

7.2 Kategoriale Bildung

Viele namhafte Vertreter der Politikdidaktik definieren Politik als verbindliche Regelung
gemeinsamer gesellschaftlicher Angelegenheiten.133 Bei der Frage der Notwendigkeit
von normativen Politikbegriffen für den Politikunterricht sprechen sich viele von ihnen
für Arbeitsbegriffe aus.134 Hier sind zuerst einmal Kategorien zu nennen.
Giesecke wirkte dabei stilbildend bei der Art und Weise, wie kategoriale Bildung in die
Politikdidaktik aufgenommen wurde.135 Dabei konkretisierte er die Kategorien in Bezug
auf Klafki, der, als Entwickler dieses Lehr- und Lernkonzepts, bei der genauen Benen-
nung eben solcher Kategorien, mit deren Hilfe sich Individuen ihre Wirklichkeit er-
schließen sollen, eher zurückhaltend blieb. Heute wird in der Politikdidaktik ein weiter
Kategorienbegriff gebraucht. Nach Hilligen sind Kategorien in jeder Wissenschaft die
Grundbegriffe, unter denen sie ihre Erkenntnis zusammenfasst und ordnet.136
Kategorien würden somit den Lehrern und Schülern dabei helfen, das dezidiert Politi-
sche, also das Typische, die Struktur der Politik durch das Bewusstwerden der Kom-
plexität der politischen Wirklichkeit137, einzufangen.
Diese Sicht auf das Erkennen und Lernen steht in typischer Tradition des Kant’schen
Denkens. Schon Kant zeigte, dass sich die Bedingungen für das Erkennen und das
Lernen weitgehend gleichen.138 Beide Begriffe beschreiben einen Prozess des Ord-
nens oder Strukturierens von Sinneseindrücken, Erfahrungen und Kognition. Mit Hilfe
von Kategorien soll es den Lernenden möglich sein, Komplexität zu reduzieren, indem
sie gemeinsame Merkmale in einer Vielfalt von Erscheinungen (und unter Vernachläs-
sigung von Unterschieden) als gleichwertig betrachten. So entsteht eine kognitive

132
Vgl. Massing/Weiseno (1995), S. 9.
133
Vgl. Pohl (2004), S. 311.
134
Ebd.
135
Sander (2004), S. 134.
136
Hilligen (1999), S. 157.
137
Massing (1995), S. 76.
138
Hilligen (1999), S. 158.

44
Struktur.139 Strukturierung ist nun auch für die politische Bildung entscheidend, da sie
es mit einer Fülle von verschiedenen Bezugswissenschaften zu tun hat.
Daher gilt es, Gelerntes nicht einfach quantitativ aneinander zu reihen, sondern aufein-
ander zu beziehen. Übertragen auf den Politikunterricht ereignen sich Lernprozesse
dann, wenn im Besonderen etwas Allgemeines repräsentiert, dieses bewusst gemacht
und auf neue Situationen übertragen wird.
Die Fachdidaktik versteht Kategorien als Schlüsselbegriffe und entsprechende Schlüs-
selfragen, mit deren Hilfe Jugendliche politische Entwicklungsaufgaben, d.h. das Er-
kennen von Problemen und die Möglichkeit selbst zu urteilen und zu handeln, bewälti-
gen können. Doch ist keineswegs klar, wie Sander herausstellt, welche Art von Begriffe
Kategorien sein sollen, noch ist ihr wissenschafts- und erkenntnistheoretischer Status
geklärt.140
Der Begriff Kategorie ist ein philosophischer Fachterminus und geht auf Kant (s. o.)
und viel früher noch auf Aristoteles zurück. Beide versuchten mit einer begrenzten An-
zahl von Kategorien, Determinanten des Denkens zu erfassen.141 Kategorien werden
bei Kant als Kenntnismöglichkeiten a priori verstanden, mit denen der Mensch die Welt
erfasst, völlig unabhängig von konkreten (Lern-) Gegenständen.
Daher ist eine einfache Übertragung des Kategorienbegriffs auf die Fachdidaktik der
politischen Bildung immer nur durch eine Erweiterung oder Verallgemeinerung mög-
lich.142 Hier sei noch einmal auf den „weiten Kategorienbegriff“ nach Hilligen verwiesen
(s. o.). Es stellt sich außerdem die Frage auf welche Bereiche sich Kategorien bezie-
hen sollen. Ist die Wissenschaft oder ein bestimmter Wirklichkeitsbereich Bezugspunkt
von Kategorien? Sollen sie an die Politikwissenschaft oder die Politik andocken?
Das Problem ihres unklaren erkenntnistheoretischen Status’ spiegelt sich in der Fülle
verschiedener Kategorienkonzepte, die sich in Reichweite und Charakter völlig unter-
scheiden. Das ganze Dilemma in der Frage von Kategorien im politischen Unterricht
wird in der Masse kategorialer Angebote, die hier im Einzelnen gar nicht aufgeführt
werden können, deutlich. Dabei verwundert es, dass sich seit 30 Jahren und unzähli-
gen Diskussionen zu diesem Thema noch keine akzeptierte Systematik von Kategorien
durchsetzen konnte.143

139
Vgl. Ebd.
140
Vgl. Sander (2001), S. 60.
141
Vgl. Ebd.
142
Vgl. Ebd.
143
Vgl. Ebd.

45
Der Einwand Gieseckes, dass Kategorien kein systematisches, sondern ein operatives
Denkmodell bildeten,144 zeigt ein Charakteristikum politischer Bildung, das in einer wei-
teren Aussage von Giesecke deutlich wird:

Wenn nicht „Lehren“, sondern „Lernen“ zum Ausgangspunkt aller didaktischen Überle-
gungen genommen wird, ergeben sich viele für sich genommen plausible Möglichkei-
ten von didaktischen Prinzipien, die teilweise nur eingeschmuggelte Erziehungsziele
zum Ausdruck bringen.

Die Ausblendung von Rezeptions- und Lernmustern bei Jugendlichen scheint der Si-
cherung der eigenen politikdidaktischen Prinzipien zu dienen. Lernorientierte Konzepte,
die außerdem die „Aneignungsmuster“ von Politik von Jugendlichen mit in ihren Blick
nehmen, scheinen nicht in das rational-normative Raster vieler Didaktiker integrierbar
zu sein. Vielmehr noch bestehe die Gefahr der Beliebigkeit politikdidaktischer Theo-
rien, die somit nicht mehr legitimierbar seien.145
So liegt das tatsächliche Problem kategorialer Bildung in ihrer Konzeption. Sie ist von
Sachlogiken und nicht von Lernlogiken her bestimmt.146 Die Frage der Bedeutsamkeit
wird hier von den Vertretern der Fachwissenschaften her bestimmt und weniger, wenn
auch oft suggeriert, von der Seite der Lernenden, ihrer Konstruktion und Wahrneh-
mung von Politik unter Berücksichtigung der Modi ihrer Weltaneignung. Und gerade an
dem Punkt der Bedeutsamkeit sollte doch die Identitäts- und Weltaneignungsthematik
in der politischen Bildung ansetzen.
Kategoriale Bildung suggeriert den Lernenden (und auch den Lehrenden), dass Welt
etwas Fertiges sei und dass sich alle Probleme grundsätzlich lösen lassen würden,
wenn man nur den richtigen „kategorialen Werkzeugkoffer“ parat hätte. Doch die Le-
benswelt der Jugendlichen ist kein abgeschlossenen Wissensgebiet, das sich mit ei-
nem Inventar von Schlüsselbegriffen- und fragen so einfach erschließen ließe. Diese
Problematik wird in dieser Arbeit natürlich nicht zum ersten Mal erörtert und bildet ei-
nen festen Kern im politikdidaktischen Diskurs.
Und doch muss man mit Verwunderung feststellen, dass innerhalb dieser durchaus
differenzierten Diskussionen, die auch immer wieder Anknüpfungspunkte an die Le-
benswirklichkeit Jugendlicher sucht, eben diese Fragen der Weltaneignung wie selbst-
verständlich umgeht.

144
Vgl. Pohl (2004), S. 327.
145
Vgl. Giesecke (2004), S. 71.
146
Vgl. Ebd., S. 62.

46
Eine systematische, wissenschaftlich begründete Verknüpfung von politischer Bildung
und Sozialisations- und Jugendforschung […] stellt in der politischen Bildung nach wie
vor ein Desiderat dar.147

Normativ-praktische Konzepte, die versuchen, politische Ordnungen aus einer herme-


neutischen Perspektive zu erfassen und zu verstehen, werden systemtheoretischen
Konzepten noch weitgehend vorgezogen. Politische Bildung zwängt die Schülerinnen
und Schüler auf diese Weise in ihr normatives Korsett und lässt ihre tatsächliche Le-
benswirklichkeit unberücksichtigt.

7.3 „Dimensionen des Politischen“ und „Politikzyklus“

Der Versuch, sich oder anderen die Welt, in der wir leben, zu erklären und eine Orien-
tierung zu finden, scheint aufgrund einer immer übersichtlicheren Informationslage
kaum noch möglich. Zwei Eigenschaften moderner Gesellschaften haben das Ver-
ständnis von Politik des einzelnen verändert. Die wachsende Komplexität der Struktu-
ren und des Geschehens, die durch direkte Beobachtung kaum noch möglich ist und
die mediale Vermittlung von Geschehen, die Primärerfahrungen immer mehr ersetzt.148
Politische Bildungsarbeit sieht sich dem Problem gegenüber, wie sie dieser Komplexi-
tät und Unübersichtlichkeit in der heutigen Welt begegnen will.
Wie kann man die Komplexität einer Realität reduzieren und gleichzeitig den Einzel-
phänomen noch gerecht werden? Neben den Schlüsselbegriffen und Kategorien von
Giesecke, hat Massing Schlüsselbegriffe in Anlehnung an zwei Theoreme der Politik-
wissenschaft vorgeschlagen: dem dreidimensionalen Politikbegriff und dem Politikzir-
kel.149 Diese sollen als Analyse- und Suchinstrumente die Komplexität der politischen
Wirklichkeit erfassen und reduzieren.150
Dies habe gleichermaßen Vorteile für die Lehrerinnen und Lehrer bei der Planung und
Strukturierung des Unterrichts und für die Schüler, die durch die vermittelten Arbeits-
begriffe ein individuelles Raster zur Erfassung des Politischen generieren können.151

147
Vgl. Besand (2004), S. 138. Vgl. Breit/Gotthard/Massing:, S. 73.
148
Moritz (1999), S. 178.
149
Vgl. Weinbrenner (1999), S. 155.
150
Vgl. Moritz (1999), S. 178.
151
Vgl. Pohl (2004), S. 312.

47
Die Politikdidaktik sieht bis heute vor allem die bereits genannten „Dimensionen des
Politischen“ und den „Politikzyklus“ als geeignete Arbeitsbegriffe, um den Lernenden
eine Vorstellung von den prägenden Elementen des Politischen zu vermitteln.152
Die Didaktiker scheinen sich also insoweit einig zu sein, dass es nicht möglich sei, Poli-
tik auf einen einzigen Begriff zu bringen. Dennoch hat es sich in der politischen Fach-
didaktik bewährt, verschiedene Dimensionen zu unterscheiden. Aber natürlich gibt es
auch Meinungen, die gegen einen bestimmten Politikbegriff als Grundlage des politi-
schen Unterrichts sprechen.153 Ein Politikbegriff fasst die Vorstellung über den Gegen-
stand Politik in seinen verschiedenen Dimensionen zusammen.
Diese Dimensionen sind in einer pluralen Gesellschaft aber nicht mehr einheitlich zu
fassen. Es gibt keinen Leitbegriff. Vertreter innerhalb der Politikdidaktik, die sich gegen
Politikbegriff im Politikunterricht aussprechen, beziehen sich auf diesen Sachverhalt.
Politikbegriffe bürgen die Gefahr der Indoktrination und würden die Vielfalt verschiede-
ner Konnotationen in der Gesellschaft übergehen. Das Überwältigungsverbot und das
Kontroversitätsgebot, wie sie im „Beutelsbacher Konsens“ formuliert werden, würden
somit außer Kraft gesetzt. 154
Die „Dimensionen des Politischen“ sind sicherlich ein geeigneter Bezugsrahmen zur
Reduktion politischer Komplexität. Doch ist keineswegs geklärt was Politik überhaupt
ist. Dennoch wird unterstellt, dass die Art und Weise dieser Reduktion wie selbstver-
ständlich und ausschließlich in kognitiv-rationaler Weise abzulaufen habe. Bei Dör-
ner/Rohe ist dazu zu lesen:

Sowohl in der Wissenschaft als auch im Alltagsverständnis gibt es eine Fülle sehr un-
terschiedlicher Bedeutungen von Politik. Denn Politik ist keineswegs ein eindeutig zu
umgrenzender Wirklichkeitsbereich [...]. Die begriffliche Konstruktion des Politischen
leistet für den Menschen zunächst und vor allem eine Reduzierung von unüberschau-
barer Komplexität, indem Elemente [...].155

Wie viele andere Autoren sprechen auch Dörner/Ruhe von begrifflicher Konstruktion
zur Reduzierung von Komplexität. In der Wissenschaftssprache wird ein solcher be-
grifflicher Bezugsrahmen als Begriffskomplex definiert, der zu Benennung und Einord-

152
Vgl. Moritz (1999), S. 182.
153
Vgl. Pohl (2004), S. 312
154
Vgl. Pohl (2004), S. 313.
155
Vgl. Gagel (2000), S. 65, vgl. Dörner/Rohe (1994), S. 460-464.

48
nung von Wahrnehmung und Erfahrungen dient.156 Hier sollte die Frage erlaubt sein,
was die meisten Didaktiker in ihrer Annahme bestärkt, dass ausschließlich diese kogni-
tiv-sprachliche Form bei der Reduzierung von Komplexität virulent sei.
Der wissenschaftliche Status der bereits genannten Arbeitsbegriffe ist innerhalb der
Fachdidaktik weiter strittig und nicht hinreichend geklärt.157 Und deshalb muss an die-
ser Stelle kritisch hinterfragt werden, warum sie sich nach wie vor gegen divergierende
Zugänge zum Politischen versperrt. Wenn innerhalb der Politikdidaktik schon die Tat-
sache einer Gesellschaftsform, die sich durch ihre Reflexivität auszeichnet und in den
individuellen Wirklichkeitszugängen optional ist zumindest wahrgenommen wurde,
dann sollten kulturelle Muster, die bei der Sozialisation von Kindern und Jugendlichen
wirken, schließlich auch berücksichtigt werden.
Jugendliche reduzieren die Komplexität ihrer Wirklichkeit durch Abgrenzung in ver-
schiedenen Lebensstilen. Diese Form der ästhetischen Inszenierung, bei der Symbole
(Mode, Technik, Musik usw.) in bestimmten Kontexten semiotisch angereichert und
arrangiert werden, spielt auch bei der politischen Sozialisation und Identitätskonstrukti-
on eine entscheidende Rolle. Diese Prozesse haben für die Jugendlichen entschei-
denden Anteil daran, wie sie Politik oder das Politische wahrnehmen.
Da die politische Bildung keine eigenständige Untersuchung der Lebenswirklichkeit in
ihrer Komplexität leisten kann, ist sie auf ihre Bezugswissenschaften angewiesen.158
Diese Bezugnahme ist insofern schwierig, weil sie dabei mit einer Vielzahl konkurrie-
render Ansätze zu tun hat. Deshalb müssen diese Kontroversen als Thema in den poli-
tischen Unterricht integriert und auch immer auf die Lebenswirklichkeit der Jugendli-
chen bezogen werden. Nur ein solcher Bezug kann tatsächlich dabei helfen, zu verste-
hen, welches Bild die Lernenden von Politik erhalten und wie es mit abweichenden z.B.
sozialwissenschaftlichen Zugängen in Zusammenhang gebracht werden kann.

7.4 Komplexreduktion durch kognitive Strukturen?

Aufgrund gesellschaftlich-kultureller Wandlungsprozesse sehen sich die traditionellen


Erziehungsträger zunehmendem Funktionsverlust und Verschiebungen der Zuständig-
keit bei der Sozialisation von Jugendlichen ausgesetzt.

156
Fuchs-Heinritz (1994), S. 102.
157
Vgl. Pohl (2004), S. 313.
158
Vgl. Moritz (1999), S: 180.

49
Doch gerade die Politikdidaktik zeigt noch wenig Interesse an den veränderten Vermitt-
lungs- und Kommunikationsstrukturen des eigenen Gegenstandes, der Politik. Es gibt
Versuche, z. B. von Gagel, Erkenntnisse der Kognitionspsychologie in den politischen
Unterricht zu integrieren und den Lernenden kognitive Strukturen aufzuzeigen, die den
Lerngegenstand für sie leichter erfassbar machen sollen.
Die kognitive Lerntheorie geht davon aus, dass Wahrnehmungsprozesse immer schon
auf eine kognitive Struktur im Bewusstsein des Individuums treffen. Das Ziel eines poli-
tischen Unterrichts, der auf diesen theoretischen Grundannahmen aufbauen will, ist es,
durch bestimmte Begriffe, Operationen und Schemata das Denkvermögen der Lernen-
den umzustrukturieren, was eine Verbesserung zur Folge habe. 159
Es gehe also darum, eine Sachstruktur in die kognitive Struktur der Lernenden zu ü-
bersetzen. Dabei wird versucht, Mentale Modelle wie den Politikzyklus als Instrumente
für Reduktion von Komplexität einer Sachstruktur zu operationalisieren.
Gagel folgert nun, dass die Veränderung kognitiver Strukturen durch Lernmaterialien
erleichtert wird, die den intendierten Begriff oder das erkenntnisermöglichende Schema
repräsentiert.160
Diese Schemata zeichnen sich bei Gagel durch ihre Begrifflichkeit aus. Sachverhalte
sollen über Begriffe, Grundbegriffe, Relationen und Schemata und den Beziehungen
zwischen ihnen im Bewusstsein geordnet werden.
Im Idealfall dienen diese Instrumente als Schlüssel zur Auflösung des (kognitiv-
rationalen) Rätsels. Ein bestimmtes Schema wird dabei im Gedächtnis verankert und
kann in der Zukunft als Erkenntnishilfe dienen.
Kognitive Strukturen werden in diesem Kontext als Art und Weise, wie Informationen
über die Wirklichkeit von Lehrenden oder Lernende gegliedert werden, bezeichnet.161
Ein solcher Zugang zu Politik und ihrer Vermittlung klammert die Kulturellen Muster,
die bei der Selbstsozialisation von Jugendlichen wirken, konsequent aus. An dieser
Stelle können nur Vermutungen über eine mögliche Sinnesfeindlichkeit in der Politikdi-
daktik geäußert werden. Offensichtlich ist aber, dass die Lebenswelt der Jugendlichen,
ihre kulturelle Praxis, nicht in didaktischen Überlegungen miteinfließt.
Das wäre deshalb von Bedeutung, da unsere Lebenswelt ästhetisch-symbolisch konsti-
tuiert ist und heutige Jugendliche als Teil dieser Welt diese über Symbole, denen sie
eine gewisse Bedeutung zusprechen, erfahren. So zeigen sich politische Prozesse und

159
Vgl. Gagel (2000) S. 212.
160
Ebd., S. 227.
161
Moritz (1999):, S. 182.

50
Handlungen bei den Jugendkulturen eben auch in der Ästhetisierung und Inszenierung
ihrer Lebenswelt und sind keine inhaltsleeren „Spaßhandlungen“.
Die Bedingungen und Voraussetzungen heutigen Unterrichtens sind in dieser Hinsicht
deshalb keineswegs geklärt. Deutungen bzw. Deutungsangebote des Politischen von
Lehrern und Schülern unterscheiden sich und sind nicht ohne weiteres kommunizier-
bar. Der Bezug auf kognitive Strukturen ist sicherlich eine Möglichkeit, das dezidiert
Politische zu filtern und für die Lernenden leichter erfassbar zu machen.
Wer aber die ästhetischen Strukturen des Politischen und seiner Rezeption in Jugend-
kulturen ausblendet, unterrichtet an seinen Schülern vorbei und muss sich zudem fra-
gen lassen, ob sein Politikbegriff mit gesellschaftlichen Realitäten noch übereinstimmt.
Die Lehrer sollten sich daher auch als Ethnologen verstehen. Sie müssen versuchen,
die Symbolik und ihre Bedeutungszuschreibungen als das Paradigma unserer Erschei-
nungswelt zu erkennen und zu entschlüsseln.
Es geht nicht darum, sich bei den Jugendlichen durch die Verwendung ihrer besetzten
Symbole anzubiedern und Lerngegenstände ständig zu popularisieren. Doch sollte
Anbiederung hier auch nicht falsch verstanden werden.
Das Politische zeigt sich auch in seiner Oberfläche und muss nicht auf seinen Kern hin
durchleuchtet werden. Kognitive Strukturen sind somit kein Allheilmittel gegen mediale
Verblendung und politische Blindheit bei den Schülern. Sie sind eine Möglichkeit, ein
Zugang zu Politik, wie die Thematisierung ästhetischer Oberflächen auch. Dennoch
werden emotionale oder sinnliche Zugangsweisen (s. 3.2) gegenüber der nüchternen
Perspektive innerhalb der politischen Bildung weiterhin vernachlässigt.162

7.5 Fachdidaktische Kontroversen

Die im Interviewband: „Positionen der politischen Bildung 1“ mit Abstand am häufigsten


genannten Kontroversen sind die Diskussion um den Konstruktivismus und die damit
verknüpfte Frage der kategorialen Bildung.163 Diese sehr komplexe Kontroverse kann
in der Folge nur rudimentär in ihren gegensätzlichen Positionen umrissen werden.
Von Interesse wird hier wieder die Frage sein, inwieweit die Politikdidaktik die Muster
und die kulturelle Praxis heutiger Jugendlicher überhaupt in ihre Diskussionen einflie-
ßen lassen.

162
Vgl. Besand (2004), S. 124.
163
Vgl. Pohl (2004), S. 324.

51
Die Kontroverse um den Konstruktivismus hat Sander in die Politikdidaktik gebracht (s.
8.1). Die zentrale Annahme des Konstruktivismus auf erkenntnistheoretischer Ebene
lautet, dass das, was wir als Wirklichkeit erleben, keine objektive Gegebenheit, son-
dern eine von uns als Beobachtern hervorgebrachte Welt ist.164
Aus konstruktivistischer Sicht wäre politischer Unterricht somit als Lernumgebung zu
denken, die so gestaltet werden muss, dass die Schüler und ihre Lernprozesse im Mit-
telpunkt stehen und ein erfolgreiches Lernen ermöglicht.
Auf der Seite der Gegner dieses Ansatzes haben sich vor allem Deetjen und Weißeno
hervorgetan. Weißeno argumentiert, wie viele Didaktiker, dass eine radikale Umset-
zung konstruktivistischer Erkenntnistheorie im politischen Unterricht, die Normativität
des Erziehungshandelns in Frage stelle und die Bedeutung der Fachlichkeit reduzie-
re.165
Gleichzeitig sieht er Anknüpfungspunkte zwischen einer Politikdidaktik, die auf dem
Fundament der Politikwissenschaft aufbaut und konstruktivistischen Lerntheorien, die
die Wirkung des Unterrichts mit Blick auf die Schülerinnen und Schüler genauer unter-
suchen.166 Doch schon diese Aussage macht deutlich, dass diese Kontroverse nur vor-
dergründig versucht, die Lernenden und ihre Wahrnehmung des Politischen in das
Blickfeld der politischen Bildung zu rücken.
Auf der Seite der Gegner eines von Wahrnehmungs- und Lernprozessen der Schüler
ausgehenden Unterrichts, werden dessen Wirkungen immer nur von der Lehrseite be-
trachtet. Und wenn Grammes in einer Rezension von Sanders Buch unterstellt, dass
dieser selbst eindeutig der kategorialen Bildungstheorie folge167, zeigt dies nur, dass
ein mögliche „lebensweltliche Wende“ der politischen Bildung, hinter die Fronten eines
weiteren Didaktikerstreits zurücktreten muss und nicht selbst als diskussionswürdiges
Thema wahrgenommen wird.
So scheint eine andere Kontroverse der politischen Bildung sehr viel mehr Anschluss-
möglichkeiten hinsichtlich einer Berücksichtigung Kultureller Muster zu bieten. Diese
bezieht sich auf den Problemkomplex Demokratie- versus Politik-Lernen. Dazu gehö-
ren auch die Fragen soziales versus politisches Lernen, enger versus weiter Politikbeg-

164
Vgl. Ebd., Vgl. Detjen./Sander (2001), S. 128-138.
165
Vgl. Pohl (2004), S. 325f.
166
Vgl. Weiseno (2004), S. 203.
167
Vgl. Pohl (2004), S. 327.

52
riff und Erziehungswissenschaft versus Politikwissenschaft als Bezugsdisziplin der Po-
litikdidaktik.168
Diese Diskussion schließt zum einen an die Kontroverse über die in dieser Arbeit be-
reits kritisierten normativen Bürgerleitbilder an und folgt zum anderen Einflüssen aus
der Erziehungswissenschaft. Politische Bildung wird in diesem Zusammenhang als
lebensweltlich orientiertes soziales Lernen verstanden.169
Politik als Prozess des politischen Systems wird hier zugunsten eines erfahrungsorien-
tierten Lernens im persönlichen Nahbereich ausgeklammert. Massing betont bei der
Frage dieser Form des Demokratie-Lernens, dass hier Strukturunterschiede zwischen
der Lebenswelt und dem System nicht berücksichtigt würden.170
Und er hat sicherlich recht, wenn er nachdrücklich fordert, dass es die Aufgabe der
Schule und der politischen Bildung sei, eine weitere Trennung von jugendlicher Wahr-
nehmung institutioneller Politik und dem politischem System selbst zu verhindern.
In dieser Arbeit wird die Auffassung eines Politikunterrichts vertreten, der es sich zur
Aufgabe macht, die Ebenen der Lebenswelt und des Systems im Lernprozess mitein-
ander zu verbinden und zu ergänzen.
Ein möglicher Ansatz kann hier auch wieder die kulturelle Praxis heutiger Jugendkultu-
ren sein. Wie die Shell-Jugendstudie 2006 gezeigt hat, erleben Jugendliche Demokra-
tie und Politik in zwei von einander getrennten Sphären. Demokratie wird von den Ju-
gendlichen positiv konnotiert, während Politik als undurchsichtiges und äußerst frag-
würdiges Funktionsverhältnis wahrgenommen wird.
Die Annahme durch kognitive Strukturen, Kategorien, Schlüsselbegriffe und Schlüssel-
fragen, der „Spaßfraktion“ Jugend einen rationalen Zugang zum Politischen und der
institutionellen Politik zu ermöglichen, kann das tatsächliche Problem nicht fassen.
Die Trennung von jugendlicher Subkultur und politischem System liegt nicht in der he-
donistischen und daher emotionalen Abkehr der Jugendlichen begründet.
Vielmehr muss ein ernsthaftes Kommunikationsproblem zwischen diesen Systemen
diagnostiziert werden. Die Vertreter der politischen Bildung sollten ästhetische Konzep-
te, die auf Medien reagieren, endlich ernst nehmen und die Kulturellen Muster, die bei
der Wahrnehmung des Politischen wirken, einer Prüfung unterziehen. Denn die Selbst-
inszenierungen sind nicht nur ein ästhetisches, sondern auch ein soziales Phänomen
und deshalb politisch.

168
Ebd.
169
Ebd. S. 328
170
Ebd. S. 328f.

53
7.6 Paradigmen der Politikdidaktik

Nach Kuhn kommt es in Phasen der Paradigmabildung einer Wissenschaft zu einer


Übereinkunft über Basisannahmen und relevante Fragehorizonte einer Wissenschaft.
In Phasen der normalen Wissenschaft geht es um eine Bearbeitung und Beantwortung
der Probleme, die die paradigmatische Grundlage als bedeutsam definiert.171 Diese
Phasen dauern so lange an, bis sie an die Grenze des Paradigmas stoßen. 172 So bau-
en sich Wissenschaftsbereiche nicht linear auf, sondern werden häufig neu strukturiert.
Paradigmata stellen eine jeweils bestimmte Art und Weise dar, die Welt zu sehen und
Wissenschaft in ihr auszuüben.173 Das schließt auch außerwissenschaftliche Einflüsse
mit ein. Wissenschaften sind in diesem Sinn nicht konsistent, da willkürliche biographi-
sche Bestandteile als Grundlage einer „scientific community“ angenommen werden
können.
Sander schlägt daher vor, dem geltenden Paradigma einer Wissenschaft auf die Spur
zu kommen, indem man nach den nicht mehr diskutierten Selbstverständlichkeiten
fragt, auf denen die Theoriebildung basiert.174 Weiter stellt er fest, dass in den Kontro-
versen der sechziger und siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts ein festes Reper-
toire an solchen Selbstverständlichkeiten herausgebildet hat. Hier sei vor allem ein
Verständnis politischer Bildung in der Tradition der Aufklärung als einer vom Leitmodus
der Rationalität geprägten Auseinandersetzung 175 genannt.
Rationalität als Terminus der Aufklärung scheint bis heute ein bestimmendes Muster
politikdidaktischer Konzeptionen zu sein. Kuhn konstatiert, dass ein solches Paradigma
das Kriterium für die Auswahl von Problemen ist, so lange das Paradigma nicht in Fra-
ge gestellt wird.176 Wäre der bisherige Verlauf politikdidaktischer Forschung und Theo-
riebildung eine endlose Reihe sich ablösender Konzeptionen, würde die Ausblendung
emotionaler und ästhetischer Zugangsweisen zum Politischen nicht überraschen.177
Da eine solche Sicht nicht wissenschaftlicher Praxis entspricht, sollte die Frage erlaubt
sein, warum Politik als soziales Phänomen in der kulturellen Praxis heutiger Jugendli-
cher nur schwer Einlass in politikdidaktische Konzeptionen findet.

171
Vgl. Sander (2001), S. 27. Vgl. Kuhn, T. (1967)
172
Vgl. Ebd.
173
Ebd. S. 28.
174
Vgl. Ebd.
175
Ebd.
176
Vgl. Ebd. S. 29, Vgl. Kuhn (1967), S. 51.

54
Dass sich die erste Generation deutscher Politikdidaktiker aufgrund ihrer Biographie
mit der Inszenierung und Emotionalisierung des Politischen schwer tut, ist nachvoll-
ziehbar und nicht zu kritisieren. Doch die Politikdidaktik als Wissenschaft stellt heute
ein offenes Feld dar, auf dem unterschiedliche Fragestellungen möglich und notwendig
sind. Dabei sollte sie sich weiter ihren Bezugswissenschaften und hier im Besonderen
Erziehungswissenschaften öffnen.

8. Ausblick

8.1 Forderungen an den politischen Unterricht

Es ist nicht Ziel dieser Arbeit Kulturelle Muster, die in der Selbstsozialisation von Ju-
gendlichen wirksam werden, als Konzept und neues didaktisches Allheilmittel in der
Politikdidaktik zu lancieren. Statt einer mono-perspektivischen Profilierung sollte in die
Politikdidaktik generell Einzelstudien zu bestimmten Teilgebieten dialogisch und koope-
rativ in ein multiperspektivisches (Gesamt-) Konzept mit eingebracht werden.178

Politische Bildung hat mit der spannenden Frage zu tun, wie Menschen ihr Zusammen-
leben in Gesellschaften gestalten und regeln sollen.179

Die Aufgabe der politischen Bildung in der Schule liegt nun darin, den Kindern und Ju-
gendlichen, also den zukünftigen Bürgern dieses Staates, die gemeinsamen Angele-
genheiten als ihre eigenen zugänglich zu machen.180 Doch wie will die politische Bil-
dung in der Schule, die als Institution oft eine belastende Rolle im Leben der jungen
Menschen spielt, ihr Anliegen vermitteln? Der Politikunterricht in der Schule muss, um
seiner politischen und pädagogischen Aufgabe gerecht zu werden, die Jugendlichen in
ihren altersspezifischen Bedürfnissen nach Selbstvergewisserung unterstützen.181 Da-
zu müssen die Modi ihrer Weltaneignung aber auch wahr- und ernst genommen wer-
den. Dass die modernen technischen Medien heute den Alltag von Jugendlichen
bestimmen ist offensichtlich. Doch wie sind diese Entwicklungen zu bewerten?

177
Vgl. Ebd., S. 30.
178
Vgl. Stein (1998), S. 122f.
179
Vgl. Sander (2001), S. 5
180
Vgl. Ebd.
181
Hoppe (1996), S. 91f.

55
Wie in dieser Arbeit bereits entfaltet wurde, ist eine neue Sicht auf die medialen Rezi-
pienten unausweichlich. Die Annahme eines zur Passivität bestimmten Bürgers, der im
hochgradig inszenierten „Informationsdschungel“ einem drohenden Wirklichkeitsverlust
ausgesetzt ist, ist aber immer noch weit verbreitet.182 Nicht nur die Bürger, sondern
auch die Parteienpolitik selbst wird im Zusammenhang mit ihrer medialen Vermittlung
kritisch hinterfragt.
So wird die Frage der Medialisierung des Politischen immer noch verstärkt mit dem
Verlust an Glaubwürdigkeit in Zusammenhang gebracht. Doch auch hier gilt es zu be-
achten, dass alle öffentlichen Diskussions- und Kommunikationsformen in einem be-
stimmten Grad inszeniert sind und es schon immer waren.
Öffentliche Kommunikation ist zwangsläufig inszeniert und kann daher nicht als Ver-
schleierung politischer Wirklichkeit konnotiert werden. Verändert haben sich die Modi
der Kommunikation durch die medialen Mittler. Politiker sind durch Nachrichtensen-
dungen gezwungen in immer kürzen Interviewzeiten ihre Informationen in Sprachbil-
dern zu bündeln. In der politischen Diskussion hat somit generell die Macht der Bilder
zugenommen.
Informationsgehalt und Wahrhaftigkeit sind aber nach wie vor die Prämissen bei der
Wahrnehmung politischer Inhalte.183 Wie die Parteienpolitik über diese medialen Kanä-
le den Zugang zu den heutigen Jugendkulturen wieder finden kann, muss in diesem
Zusammenhang unbeantwortet bleiben.
Im Zusammenhang mit den bereits thematisierten fragmentierten Jugendkulturen wird
es grundsätzlich immer schwieriger, von einer homogenen politischen Öffentlichkeit zu
sprechen. Vielmehr gibt es unzählige Lebensräume und Wahrnehmungswelten, in de-
nen sich Jugendliche in ihrer politischen Selbstsozialisation immer weniger auf die poli-
tischen Parteien beziehen.
Politik findet in den persönlichen Sphären der jeweiligen Jugendkulturen statt und ist
weniger durch rational-logische Zugänge geprägt. Jugendliche engagieren sich dann,
wenn sie die Beschäftigung mit „ernsten“ Angelegenheiten mit ihrer Alltagskultur in
Einklang bringen können.184
Dabei spielen, wie in Kapitel 3.2 ausgeführt wurde, audiovisuelle Symbolsysteme eine
entscheidende Rolle bei Jugendlichen, um als Individuum identisch in verschiedenen

182
Besand (2005), S. 419f.
183
Kuhn (2000), S. 95.
184
Vgl. Farin (2001), S. 217.

56
sozialen Kontexten bleiben zu können.185 Die modernen technischen Medien leisten
eine symbolische Aufarbeitung von Schlüsselthemen, die für die jugendlichen Rezi-
pienten von Fall zu Fall bedeutsam werden oder nicht.
Das Politische wird durch diese Entwicklungen nicht mehr vornehmlich durch die Satz-
form oder sprachliche Logiken erfasst, sondern eben über ihre Symbolik. Hier spielen
vor allem Musik, Mode und visuelle Symbole des Fernsehens eine Rolle.
Jugendliche sprechen in ihren Peer-Groups für einen gewissen Zeitraum bestimmten
Bildern und ästhetischen Arrangements Bedeutung zu. Politische Handlungen zeigen
sich in den Selbstinszenierungen der jeweiligen Stilgemeinschaften.
Dennoch werden immer noch fast ausschließlich die negativen Folgen der Medialisie-
rung fast aller Lebensbereiche herausgestellt und dabei ihre positiven Effekte meistens
unterschlagen. Digitale Medien machen heute zu jedem politischen Thema extrem un-
terschiedliche Perspektiven in kürzester Zeit für den Mediennutzer verfügbar und tra-
gen somit unserer pluralistischen und funktional differenzierten Gesellschaft Rech-
nung.186 Politische Institutionen und Akteure stehen heute unter einem noch nie da
gewesenen Druck, ihre Handlungen der Medien-Öffentlichkeit zu begründen.187
Betrachtet man unter dieser Perspektive Medien und deren Auswirkungen auf die poli-
tische Sozialisation von Jugendlichen, muss ein Gewinn an Transparenz konstatiert
werden. Ein nicht zu lösendes Problem besteht in der Unübersichtlichkeit der verfügba-
ren Informationen. Doch sollte die quantitative Ausbreitung von Informationen nicht
immer als Überforderung der Ambiguitätstoleranz bei den jungendlichen (und erwach-
senen) Rezipienten gewertet werden.
Besand konstatiert in der Frage der Informationsverarbeitung eine subjektive Wende.
Es gehe nicht mehr darum zur Information zu gelangen, sondern in der Informationsflut
das Wesentliche vom Unwesentlichen zu unterscheiden […].188
Was also wahrgenommen wird, entscheidet jeder für sich selbst. Das Problemfeld Am-
biguitätstoleranz sollte daher durch das Paradigma der Multiperspektivität ersetzt wer-
den. Was diese Entwicklungen für das Selbstverständnis der politischen Bildung der
Schule bedeuten kann und wie sie das Politische als Gegenstand ihres Unterrichts
vermitteln will, konnte bis jetzt in der Politikdidaktik noch nicht grundsätzlich geklärt
werden. Es sind aber Tendenzen einer Öffnung gegenüber konstruktivistischen Lern-

185
Vgl. Müller (2002), S. 17.
186
Besand (2005), S. 420.
187
Ebd.
188
Ebd.

57
theorien und neuen Fragestellungen, die sich aus der Medialisierung des Politischen
ergeben haben, zu beobachten.
Der Mensch bewegt sich nämlich nicht nur in seiner Biospähre, sondern auch in seiner
„Semiospähre“.189 Die neue Semiotik hat die Zeichenbezogenheit der Realität heraus-
gearbeitet.190 Betrachtet man diese Zeichen, die von den Individuen mithilfe anderer
Zeichen interpretiert und semiotisch besetzt werden nun nicht ausschließlich in einer
sozialen Dimension, wird offensichtlich, dass sie als politische Machtmedien in hoch-
gradig vermachteten kommunikativen Feldern wirken.191 Diese semiotische Dimension
bleibt aber nach wie vor in der Politikdidaktik ausgeblendet oder unterschätzt.
Dörner stellt hier die Annahme einer reinen Sachpolitik in Frage und stellt heraus, dass
auch „das eigentliche politische Tagesgeschäft“ hinter den Kulissen, ebenfalls semio-
tisch durchdrungen ist. Hier greife die Symbolik der Hemdärmel und Klarsichtordner,
nicht die pathetische Geste.192
Politischer Unterricht muss nun, um bei der politischen Sozialisation von Jugendlichen
nicht noch weiter an Einfluss zu verlieren, die Bedingungen unter denen Politik heute
stattfindet, weiter kritisch in ihren Blick nehmen und über die kulturelle Praxis in Ju-
gendkulturen neue Zugänge zu ihrem Gegenstand finden.

8.2 Politische Bildung als Medienbildung und Biographieforschung

Anlässe für persönlich bedeutsame Lernerfahrungen sind von Lehrerinnen und Lehrern
nicht grundsätzlich plan- und erst recht nicht durch didaktische Konzepte realisier-
bar.193 Wann letztendlich eine Lernerfahrung für den einzelnen Schüler bedeutsam ist
kann somit nicht eindeutig geklärt werden.
Die Kulturellen Muster, die bei der Selbstsozialisation von Jugendlichen konstitutiv
sind, sollten im politischen Unterricht und der fachwissenschaftlichen Politikdidaktik in
Zukunft eine stärke Beachtung erfahren, auch wenn die von Massing konstatierten
Strukturunterschiede zwischen persönlicher Lebenswelt als sozialem System und dem
politischen System und der Versuch von Jugendlichen, ihre Erkenntnisse auf die Politik

189
Vgl. Dörner (1995), S. 45.
190
Vgl. Ebd.
191
Vgl. Ebd., S. 48.
192
Vgl. Ebd., S. 53.
193
Vgl. Hoppe (1996), S. 260.

58
zu übertragen, zu Missverständnissen führen.194 Denn eine wichtige Bedingung für
sinnhaftes und bedeutungsvolles Lernen ist eine persönliche Verbindung zwischen
dem Lernenden und dem Lerngegenstand.
Der Rationalitätsanspruch des institutionalisierten politischen Unterrichts und der damit
verbundenen „kognitivistischen Vereinseitigung“195 lässt die Lebenswelt der Jugendli-
chen und ihre kulturelle Praxis, die sich in der Weltaneignung in Lebensstilen zeigt,
nach wie vor unbeachtet. Die Professionalisierung des Lehrerberufs fordert aber gera-
dezu auf, diese Stile auf ihre Bedeutungen hin zu prüfen.
Dabei kann es nicht darum gehen, sich bestimmten, von der Kulturindustrie lancierten
Modetrends generell zu beugen und als Lehrer deren Labels als Inszenierungsinstru-
ment in den Unterricht zu integrieren. Er muss vielmehr ein Gespür dafür entwickeln,
welchen Symbolen von den Jugendlichen Bedeutung zugesprochen wird.
Aber nicht nur die Schülerinnen und Schüler,
sondern auch der Gegenstand des Poli-
tikunterrichts, nämlich die Politik als Prozess
und das Politische als soziale Handlung und
Regelung gemeinsamer Angelegenheiten,
muss unter neuen Prämissen in die
Wahrnehmung politikdidaktischer
Überlegungen genommen werden. Die
Ästhetisierung des Politischen durch die
neuen Medien, die Inszenierung und
symbolische Aufarbeitung von
Schlüsselthemen, die durch die Politik nun
auch geleistet werden muss und wird, kann
im Unterricht nicht einfach ausgeblendet werden. Politik ist heute nicht mehr zu trennen
von der medialen und symbolischen Vermittlung ihrer Inhalte.196 So macht der Versuch
der Bundeskanzlerin Angela Merkel (und ihrer medienpolitischen Berater), politische
Botschaften und Themen über eine Serie von audiovisuellen Medienbeitragen, so ge-
nannte Video- oder Audiopodcasts (s. Abb. 5), dem Bürger zugänglich zu machen,
deutlich, dass die Rezeptionsgewohnheiten heutiger Jugendlicher eine stärkere Be-
rücksichtigung im politischen Kommunikationsdiskurs findet. Eine Leugnung der media-

194
Vgl. Massing (2004), S. 328f.
195
Vgl. Hoppe (1996), S. 262, Vgl. Scarbath (1992), S. 89f.
196
Vgl. Besand (2005), S. 423.

59
len Dimension von Politik käme einer Ausblendung unverzichtbarer politischer Elemen-
te gleich.197 Der Videopodcast als Medium berücksichtigt aber nicht nur die Wahrneh-
mungsmuster der Jugendlichen. Er erfüllt gleichzeitig die Funktion eines stilbildenden
„Labels“ und wird somit ein bedeutungsträchtiges Symbol. Dabei spielt der Sachinhalt
eine ebenso wichtige Rolle wie die „Oberfläche“ des Vermittlungsmediums. Oberfläche
als technische Inszenierung gedacht, bietet hier positive „Angriffsflächen“ für jugendli-
ches Interesse und erlangt somit eine gewisse Bedeutsamkeit. Im politischen Unter-
richt wird ein solcher Zugang zu Medien, aber immer noch als inhaltsleere Anbiederung
und Inszenierung, als Ablenkung vom Wesentlichen, vom Kern des Politischen gese-
hen. Printmedien dominieren nach wie vor das tägliche Bild des Unterrichts. Die Integ-
ration von Medien findet, wenn überhaupt, als thematische Auseinandersetzung
statt.198
Ein biographiezentrierter Unterricht muss aber der Tatsache Rechnung tragen, dass
die medialen Mittler die Wahrnehmung der jugendlichen Rezipienten bestimmen. Ein
Unterricht, der sich auf die Vermittlung gesicherten Wissens stützt, blendet diese Tat-
sache aus. Auch hier wirkt sich das rationale Paradigma in der Politikdidaktik auf die
gängige Praxis heutigen Schulunterrichts aus.
Deshalb sollte nicht nur in der Praxis des Lehrens, sondern auch in den Theoremen
der Politikdidaktik zur Kenntnis genommen werden, dass auf der einen Seite Erkennt-
nistheorie nicht bei Kant endet und auf der anderen Seite neue technische Medien
nicht der Motor des Verfalls menschlicher Wahrnehmung sind. Die Annahme einer vir-
tuellen Realität als Verfallsform ist paradox, weil sie eine reale Realität voraussetzt.199
Die Annahme der wahren Politik gegenüber einer medial überformten, die der Mensch
als „animal rationale“ in kognitiven Strukturen abbildet, ebenso. Die Welt und so auch
das Politische werden dem Menschen nicht direkt als Repräsentation von Wirklichkeit
zugänglich, sondern als zu deutende Symbole.200
Cassirer (s. 3.2) stellt diese anthropologische Besonderheit des Menschen heraus und
bricht insoweit mit Kant, dass sich die Welt zwar nach der Erkenntnisart des Menschen
richtet, aber diese selbstgeschaffenen intellektuellen Symbole nicht für jedes Indivi-
duum intersubjektiv gleich sind.201

197
Ebd.
198
Vgl. Ebd. S. 424.
199
Rath (2002), S. 157.
200
Vgl. Ebd., S: 155.
201
Vgl. Ebd.

60
Das Politische steht dem Individuum also nicht diametral gegenüber, sondern ist eine
vom Menschen selbst geschaffene Theorie oder Kategorie. Die Folgen einer solchen
Annahme von Erkenntnis haben nicht zu unterschätzende Folgen für den politikdidakti-
schen Diskurs und den politischen Unterricht. Der Mensch ist ein:

animal symbolicum, das verschiedene Systeme von Symbolen nicht einfach entwirft,
um eine gegebene Wirklichkeit abzubilden. Die Fähigkeit, Symbole zu setzen, ermög-
licht ihm vielmehr die Gestaltung von Wirklichkeit. [...] das Symbol wird zum Inbegriff
der Gestaltung der Wirklichkeit.202

Cassirers Erkenntnistheorien sind in diesem Zusammenhang für die Politikdidaktik von


Bedeutung, weil sie die Kant’sche Erkenntnistheorie über das enge sprachorientierte
Vernunftverstehen hinaus zu einer Kulturtheorie erweitern.
Die Anhänger kognitiver Erkenntnisannahmen innerhalb der politischen Bildung sollten
beachten, dass nicht-verbale Symbolisierungen in Handlungen nicht nur eine Kenn-
zeichnungsfunktion von Welt, sondern auch Reflexionen über die Welt ermöglichen.203
Begreift man die Erkenntnis und das Verständnis des Politischen als Kulturleistung,
müssen politikdidaktische Konzepte im Sinne eines biographiezentrierten Politikunter-
richts Anknüpfungspunkte an die Lebenswelt, die Kulturellen Muster der Jugendlichen
suchen.
Die Annahme, dass das dezidiert Politische durch seine Einbettung in jugendkulturelle
Kontexte dabei verfälscht würde, blendet den Erkenntnismoment von Kulturleistungen
aus und versperrt zudem neuen Zugangsweisen gegenüber dem Gegenstand der Poli-
tik. Politik als die Regelung allgemeiner Angelegenheiten kann somit nicht zwingend
und ausschließlich an die Politikwissenschaft als Bezugsdisziplin der Politikdidaktik
anschließen. Sie ist kein starres Konstrukt, das zeitlos und unveränderbar ist.
Die Öffnung gegenüber der kulturellen Praxis heutiger Jugendkulturen ist daher gleich-
bedeutend mit einer noch stärkeren Öffnung gegenüber den Sozialwissenschaften und
im Besonderen den Erziehungswissenschaften und der Kognitionspsychologie.

202
Vgl. Elk (1998), S. 50.
203
Vgl. Ebd., S. 53.

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Podcast-50-EU/2007-03-24-50-eu.html (Stand 30.03.2007)

68
11. Erklärung

69

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