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Abitur 2010 ● Deutsch P2● Schwerpunkt 3: Deutsche Sprache der Gegenwart

Deutsche Sprache der Gegenwart


Verbindliche Unterrichtsaspekte

Innere Mehrsprachigkeit des Deutschen und Sprachvielfalt der deutschen


Standardsprache

Varietäten
• Standardsprache
o Basiert auf mehreren mittel- und oberdeutschen Dialekten
o Gilt als allgemein verbindlich (Sprachnorm)
o Dient der überregionalen Kommunikation und gilt als Lernziel im muttersprachlichen
Deutschunterricht
• Regionalsprachliche Varietäten: Umgangssprache/ regionale Umgangssprachen/ Regiolekte
o Nicht-Dialekt und Nicht-Standradsprache
o Unterscheiden sich durch Aussprache, Wortschatz und Grammatik von Dialekt und
Standardsprache
o Nicht an soziale Schicht oder Gruppe gebunden
o Dienen überwiegend zur Kommunikation zwischen Sprechern in dieser Region
• Dialekte
o Lokal gebunden
o Im wesentlichen gesprochen
o Unterschiedet sich durch Aussprache, Wortschatz und Grammatik von der
Standardsprache
o Nicht an soziale Schicht, aber an lokale Gruppen und bestimmte Sprechsituationen
gebunden
• Fachsprachen
o Dienen zur Verständigung innerhalb eines Sachbereichs
o Zeichnen sich durch spezifische Terminologie aus
• Gruppen- und Sondersprachen (Soziolekte)
o Sprachgebraucht innerhalb einer beruflich, gesellschaftlich oder kulturell
abgegrenzten Gruppe
o Dient der Abgrenzung nach außen und der Herstellung einer Gruppenidentität
o Verwendeter Wortschatz wird als Slang oder Jargon bezeichnet
• Übergangsvarietäten
o Wird nur übergangsweise bis zum Erlernen der Zielsprache gesprochen
o Zeichnet sich durch Vereinfachung, Reduktion, starken Akzent, geringen Wortschatz
und einfache Satzkonstruktionen aus

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Abitur 2010 ● Deutsch P2● Schwerpunkt 3: Deutsche Sprache der Gegenwart

Tendenzen der Gegenwartssprache – Verschiebungen im Variätensystem


• Ausgleich zwischen Varietäten und Standardsprache
o Rückgang der Dialekte
o Wandel des Dialektgebrauchs, weniger Alltagskommunikation, Verwendung nur noch
zu besonderen Anlässen
o Vermehrter Einfluss von fachsprachlichen Begriffen auf die Standardsprache
• Ausgleich zwischen geschriebener und gesprochener Sprache
o Weglassen der Akkusativ- und Dativendungen
o Einfacherer Satzbau ohne Kausalsätze
• Ausgleich der Stilebenen
o Verzicht auf Verwendung gehobener Stile, dadurch Aufwertung der niedrigeren
Stilebenen
o  Nebeneinander der Stilebenen, keine Hierarchisierung mehr
• Ursachen
o Historischer Hintergrund: Flucht und Vertreibung
o Einfluss der Medien
o Liberalisierung
o Technischer Fortschritt

Dimensionen
• Räumliche Dimension
o Geografische Herkunft ( Dialekte, Regiolekte)
• Soziale Dimension
o Soziale Herkunft ( Schicht-Gruppensprache)
• Situative Dimension
o Kommunikative Situation ( Funktiolekte, Funktionalstile)
• Zeitliche Dimension
o Sprachgeschichtlicher Aspekt ( z.B. Althochdeutsch)

Soziale Dimension: Gruppensprachen/ Sondersprachen – Jugendsprache


• Merkmale von Jugendsprache
o Wörter nicht vollständig
o Wörter werden zusammengezogen
o Übertreibungen
o Anglizismen ( klangliche „Eindeutschung“)
o neue Wortschöpfungen
o Neologismen
o Vulgäre Sprache
o Bedeutungsverschiebung, -veränderung
o Bedeutungsverengungen
o Bedeutungserweiterung

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Abitur 2010 ● Deutsch P2● Schwerpunkt 3: Deutsche Sprache der Gegenwart

o Wortveränderungen
o Vereinfachungen
• Gründe für Jugendsprache
o Abgrenzung (von anderen Grupen/ Generationen)
o Ökonomisierung ( Bequemlichkeit)
o Gruppenzugehörigkeit ( Solidarität)
o Kreativität ausleben
o Einfluss der Medien
o Brechen bestehender Regeln

Stile
• Stilebenen
o Gehoben
 Zu feierlichen Anlässen, oder gelegentlich in der Literatur
o Bildungssprachlich
 Wörter, die eine hohe Allgemeinbildung voraussetzen
o Dichterisch
 Wörter, die hauptsächlich in literarischen Texten vorkommen
o Umgangssprachlich
 Alltäglich, meist in gesprochener Sprache, aber kein Bestandteil der
Standardsprache, dennoch weit verbreitet
o Salopp
 Nachlässiger Wortgebrauch
o Familiär
 Verwendung im engeren Freundeskreis/ Familie
o Jargon
 Verwendung in bestimmten Kreisen (durch Milieu oder Beruf geprägt)
o Derb
 Grobe, gewöhnliche Ausdrucksweise
o Vulgär
 Verletzender Wortgebrauch, aus dem Sexual- und Fäkalbereich
• Funktionalstile
o Künstlerischer Stil
 Sprache der Literatur
 Ästhetische Funktion
 Ziel: Entautomatisierung der Rezeption
 Zumeist schriftliche Verwendung
 Kennzeichen:
• Standard- und nicht standardsprachliche Mittel
• „metaphorisches Potenzial“
• Poetische Freiheiten

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Abitur 2010 ● Deutsch P2● Schwerpunkt 3: Deutsche Sprache der Gegenwart

o Fachsprachlicher Stil
 Sprache der Wissenschaft
 Exakt bezeichnende Funktion
 Verwendet in wissenschaftlichen Werken, zumeist schriftlich, gelegentlich
auch mündlich
 Ziel: Begriffsklarheit ( Ausschuss von Mehrdeutigkeit)
 Kennzeichen:
• Fachtermini
• Häufig vorgeschriebene Wendungen
• Phrasemen
o Publizistischer Stil
 Sprache der Öffentlichkeit
 Übermittelnde Funktion
 Verwendung in öffentlichen Massenmedien
 Geschrieben und gesprochen
 Ziel: Informationsvermittlung, Meinungsbildung
 Kennzeichen
• Stilmischung zur Erhöhung der Wirkung
• Herausbildung konstanter Klischees
• Emotionalisierung
  Hauptträger des sprachlichen Standards
o Alltagssprachlicher Stil
 Inoffizieller Sprachverkehr
 Meist mündlich, bei privater Korrespondenz auch schriftlich
 Ziel: Verständigung im Alltag
 Kennzeichen
• Neutral
• Parataktischer Satzbau
• Tendenz zur Kürze
• Einflüsse aus regionalen und sozialen Varietäten
Sprachregister
• Kompromisslos der Sprechsituation angepasster Ton
• Bspw.: vertraut, höflich, rhethorisch ausgefeilt, poetisch, freundlich, usw.

Stellung der deutschen Sprache im Kontext europäischer Mehrsprachigkeit am


Beispiel von Politik, Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft

Beispiel Politik
• 23 gleichberechtigte Amtssprachen in der EU
• Deutsch ist die von den meisten gesprochene Sprache in der EU

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• Sprachenpolitik der EU fördert vor allem kleine Sprachen, dies geht zulasten der deutschen
Sprache als Fremdsprache
• Deutsch politisch in Europa nur zweitrangig hinter Englisch
• Auch Status als Arbeitssprache innerhalb der EU gefährdet

Beispiel Kultur
• EU gründet sich auf das Prinzip der Vielfalt in Kultur, Bräuchen und Glauben, dies beinhaltet
auch die Sprachen
• 3 Sprachfamilien (indoeuropäisch, finnougrisch, semitisch) innerhalb der EU beheimatet
• Sprachvielfalt gilt als Teil des kulturellen Erbe Europas und wird geschützt

Beispiel Wirtschaft
• Mehrsprachigkeit ist wirtschaftlich von großer Bedeutung und wird daher durch die EU
gefördert
• Englisch ist führende Welthandelssprache
• Sprachenwahl ist in der Weltwirtschaft adressaten- und erfolgsabhängig ( Bedeutung der
deutschen Sprache relativ hoch, durch wirtschaftlichen Status Deutschlands in der
Weltwirtschaft)

Beispiel Wissenschaft
• Erfolg von Deutsch als Wissenschaftssprache hängt von deutschen Forschungsergebnissen
ab

Sprach- und Stilkritik an Tendenzen der deutschen Gegenwartssprache

• Mathias Schreiber: Deutsch for Sale


o Infantilisierung des Sprechens
o Paranoide Lust der Deutschen an der Vernachlässigung und Vergröberung des
eigenen Idioms
o Allmähliches Verschwinden des Konjunktivs
o Pseudo-Englisch (kosmopolitisches Imponiergehabe)
• Tobias Hürter: Welches Deutsch sprechen wir in fünfzig Jahren?
o Dativpassiv ist dabei sich im Deutschen festzusetzen
o Verschiedene Einflüsse: Migranten, Internet, Werbung, Englisch, …
o Alle Generationen beklagen Sprachverfall, doch bisher ist noch keine Sprache
verfallen
o Epistemistisches „weil“ setzt sich in deutscher Standardsprache fest
o Vereinfachung der Grammatik
o Sprachwandel führt zu einem Sprachgefüge, dass intelligenter organisiert ist, als man
es planen könnte
o  Sprachwandel, kein Sprachverfall

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Abitur 2010 ● Deutsch P2● Schwerpunkt 3: Deutsche Sprache der Gegenwart

• Rudi Keller: Ist die deutsche Sprache vom Verfall bedroht?


o Seit mehr als 2000 Jahren Klage über Sprachverfall, aber bisher noch keine
verfallene Sprache
o Immer nur Kritik an jeweils zeitgenössischer Form der Sprache
o Sprachkritik ist immer nur Fremdkritik
o Sprachwandel wird nur als Sprachverfall wahrgenommen, da er aus der „historischen
Froschperspektive“ betrachtet wird
• Bastian Sick: Stop making sense
o Vermehrte Eindeutschung englischer Begriffe, die in der deutschen Grammatik falsch
klingen
• Dieter E. Zimmer: Globalesisch
o Bildung einer internationalen Behelfssprache: Globalesisch
o Bisher noch ohne Grammatik
• Winfried V. Davis: Die Geschichte vom „schlechten“ Deutsch
o Differenztheorie: alle Varietäten sind einander äquivalent, solange nicht das Gegenteil
bewiesen wurde
o Es gibt keinen richtigen Sprachgebrauch
o Sprachkritik geschieht immer durch Aufwertung und gleichzeitige Abwertung einer
anderen Varietät
• Dieter E. Zimmer: Alles eine Sache des Geschmacks? Von wegen!
o Linguisten beteiligen sich nicht an aktueller Sprachkritik: Sprache reguliert sich selbst
o Es gibt kein gutes Deutsch, nur richtiges und der Situation angemessenes Deutsch 
Sprachbewusstsein ist entscheidend für die Verwendung von subjektiv „gutem“
Deutsch

Geschriebene Standardsprache und geschriebene Umgangssprache

• Mediale Schriftlichkeit: geschrieben wie gesprochen (z. B. Chat)


• Konzeptionelle Schriftlichkeit: ausformuliert und durchdacht geschrieben (z. B. Aufsatz)
• Mediale Mündlichkeit: gesprochen ohne nachzudenken (z. B. privates Telefonat)
• Konzeptionelle Mündlichkeit: im Kopf ausformuliert, dann gesprochen (z. B. Referat;
Unterrichtsgespräch)
• Synchrones Gespräch: Gesprächsteilnehmer können direkt am Gespräch teilnehmen (z. B.
Telefonat, direktes Gespräch)
• Asynchrones Gespräch: Gesprächsteilnehmer können nicht direkt am Gespräch teilnehmen
(z. B. SMS, E-Mail)

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Mündlich Schriftlich

Medial hörbar sichtbar

Konzeptionell umgangssprachlich formell

• Zunehmend schriftliche Kommunikation durch SMS, E-Mail, Chat, etc.


o Noch nie war die Bereitschaft zu schreiben so groß wie heute
o Fehler und grammatikalische Vereinfachungen nehmen zu
o  Ausgleich zwischen geschriebener und gesprochener Sprache
• E-Mail
o Es gelten ähnlicher Regeln, wie beim Verfassen von Briefen
o Wechselseitige Kommunikation (asynchron)
o Räumlich distanziert
• SMS
o Konsequente Groß- oder Kleinschreibung
o Pronomentilgung
o Kurzformen, Rebusschreibungen ( c u l8er)
• Chat
o Quasi-synchrone, oder synchrone Kommunikation
o Variable Anzahl an Gesprächspartnern
o Wechselseitige, stark dialogische Kommunikation

Kommunikation am Beispiel des TV-Formats „Talkshow“

• Talkshowformate
o Politischer Talk, Debattenshows
 Themen von öffentlichem Interesse, politische Themen
 Gäste: Politiker, Betroffene, Experten
o Personality-Shows
 Einzelgespräch zwischen Moderator und Gast zu einem oder mehreren
Themen
o „Daily-Talk“, „Affekt-Talk“, etc.
 Tabuisierte, emotionale und intime Alltagsthemen
 Unbekannte, nicht prominente Gäste, Moderator hat die zentrale Rolle
• Moderator
o Stellt Fragen und leitet auf andere Themen über
o Leitet das Gespräch
o Achtet auf ausgeglichene Redeanteile der einzelnen Gäste
o Sollte inhaltliche neutral sein

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Abitur 2010 ● Deutsch P2● Schwerpunkt 3: Deutsche Sprache der Gegenwart

o Problem:
 Darf Selbstdarstellung des Gastes nicht behindern, ohne, dass dabei seine
eigene Selbstdarstellung leidet
 Image der Sendung hängt stark vom Moderator ab
 Muss Witz und Schlagfertigkeit demonstrieren

Grice’sche Kommunikationsmaximen

• Gespräche als kooperative Interaktion


o Beteiligte haben ein unmittelbares gemeinsames Ziel
o Gesprächsbeiträge sollten zueinander passen
o Interaktion soll fortgesetzt werden, bis beide Seiten mit einer Beendigung
einverstanden sind

Maxime der Quantität 1. Gestalte deinen Beitrag so informativ, wie es für das Gespräch
erforderlich ist
2. Gestalte deinen Beitrag nicht informativer, als es für das Gespräch
nötig ist

Maxime der Qualität Obermaxime: Versuche Gesprächsbeiträge zu mache, die wahr sind.
Insbesondere:
1. Sage nicht, was du für falsch hälst
2. Sage nicht, wofür die angemessene Gründe fehlen

Maxime der Relevanz Mach einen für den Gesprächsverlauf relevanten Beitrag

Maxime der Modalität Obermaxime: Sprich klar und verständlich!


1. Vermeide Unverständlichkeit
2. Vermeide Mehrdeutigkeit
3. Fasse dich kurz und vermeide unnötige Weitschweifigkeit
4. Vermeide Ungeordnetheit. Strukturiere deine Beiträge

Linguistische Gesprächsanalyse von Henne/ Rehbock ( S. 77)

• Systematik
o Kategorien der Makroebene: Gesprächsphasen
 Gesprächseröffnung
 Gesprächsbeendigng
 Gesprächsmitte (Entfaltung des Hauptthemas und der Subthemen)
 Gesprächsränder (Nebenthemen, Exkurse)

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o Kategorien der mittleren Ebene


 Gesprächsschritt (turn)
 Sprecherwechsel (turn-taking)
 Gesprächssequenz
 Sprechakt/ Hörverstehensakt
 Gliederungssignal
 Back-channel-behaviour (Rückmeldeerhalten, z. B: okay)
o Kategorien der Mikroebene
 Sprechaktinterne Elemente: syntaktische lexikalische, phonologische und
prosodische Struktur

Hauptquelle: Deutsche Sprache der Gegenwart, Klett Verlag

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