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Buchenwald

Das Laub
raschelt unter meinen Schuhen. Die glatten grauen Stämme ragen hoch in Richtung
Himmel, die grünen Baumkronen verdecken die Sicht auf die Wolken.
Ich setze mich unter eine Buche und lasse den Wald auf meine Sinne wirken.
Die Sonne schimmert durch das Laub und zaubert durch vom Wind bewegte Blätter
und Äste immer neue Lichtspiele in den Wald.
Meine Hände wühlen sich in die dicke Schicht Buchenblätter, die aus dem vorigen
Jahr und wohl noch weiter vorher stammen. Ein angenehmer Moder-Duft steigt in
meine Nase. Unter den trockenen Blättern der obersten Schicht kommen feuchtere
zum Vorschein und noch weiter darunter überziehen feine weiße Pilzfäden die
stärker aufgelösten Blätter, die bald zu Humus und Erde werden. Ewiger Kreislauf …

Einige Meter weiter raschelt eine Amsel im Laub auf Futtersuche. Ameisen laufen
emsig herum und finden mitten in ihrer vertrauten Welt meinen Schuh.

Es wird etwas dunkler, wie sich die Wolken zusammenschließen und es sieht nach
Regen aus. Dann hört man die Tropfen auf den Blättern, die weit ober mir liegen.
Instinktiv erwarte ich das Gefühl von Nässe auf der Haut, aber nichts geschieht. Der
Baldachin von tausenden Buchenblättern nimmt den Regen auf und erst nach einiger
Zeit erhöht sich die Luftfeuchtigkeit. Nur in einiger Entfernung auf einer Lichtung
kann man den Regen sehen, hier unter dem Baum nur hören und riechen.
Der Wald scheint sich förmlich dem Regen zu öffnen und nimmt das Wasser dankbar
auf. Unzählige für das Auge unsichtbare Spaltöffnungen der Blätter gehen auf und
tauschen sich mit der Luft aus. Viele Tiere werden sich jetzt auch unter die Blätter
und Äste begeben, um wie ich dem Regen zu entgehen. Einige werden glücklich
ihren Durst stillen oder überhaupt erst aktiv, wie die feuchtigkeitsliebenden
Schnecken. Eine ganze Menge Regen muss nun schon im Baum hängengeblieben
sein, als langsam die ersten Tropfen auf den Waldboden zu fallen beginnen und für
eine sanfte gleichmäßige Befeuchtung sorgen. Wie anders es doch hier im Wald ist,
als auf dem freien Feld, wo der Regen nur so prasselt. Kaum eine Luftbewegung ist
hier und es herrscht eine Stille, die nur gedämpft das Auftreffen der Tropfen in den
weit entfernten Baumkronen durchlässt.

Man fühlt die mächtige Wirkung des Waldes. Wie er einen Lebensraum schafft aus
all den Bäumen, dem Unterholz und Bodenleben. Seine Wirkung in der Gegenwart,
die weitertragende Gestaltung für die Zukunft, den ständigen Wandel durch
umgestürzte Bäume, verfaulendes Holz und nachwachsende Sämlinge. Ein
kontinuierliches Leben von Einzelwesen, die in ihrer Gesamtheit ein grosses Ganzes
bilden – Wald.

Während mir all das durch den Kopf geht, hat es zu regnen aufgehört und die Sonne
teilt die Wolken und schickt ihre wärmenden Strahlen herab.

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