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Galgenstrick und Liebesglück
Galgenstrick und Liebesglück
Galgenstrick und Liebesglück
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Galgenstrick und Liebesglück

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About this ebook

Deutschland, anno 1315. Adara von Unrichs Bruder Brandolf, ein ehemaliger Kreuzritter des Templerordens, wird nach seiner Heimkehr durch Herzog Meinrad als Ketzer verurteilt und vom herbeigerufenen Scharfrichter Marius gehängt.
Der Herzog hat aus Rachsucht sich das Recht der Leibeigenschaft Adaras und somit am Familienbesitzes derer von Unrich vom Klerus absegnen lassen. Mainrad klagt Adara kurz darauf wegen Teufelsbuhlschaft an und übergibt sie dem Scharfrichter.
Adara kann jedoch durch fremde Hilfe entfliehen. Somit geraten die wohldurchdachten Pläne des Herzogs durcheinander. Bei ihrer Flucht entführen Adara und ihre Befreier den Scharfrichter.

Diese Geschicht handelt von einem Scharfrichter, der noch sozial geachtet wurde.
LanguageDeutsch
Release dateFeb 6, 2019
ISBN9783748162230
Galgenstrick und Liebesglück
Author

Gabi Haug

Gabi Haug, geboren am 23.12.1961. Die gelernte Floristin ist heute Hausfrau und lebt mit ihrem Ehemann in ihrer Geburtsstadt Frankfurt am Main. Unter dem Pseudonym 'Nefhithiel' schrieb sie von 2004 bis 2008 FanFiction und Gedichte im Bereich 'Der Herr der Ringe'. Danach schrieb sie Fantasy- und Mittelaltergeschichten, die Dramen, Liebe und erotische Elemente erhalten, für die eigene Homepage und veröffentlichte diese dort. Im Jahr 2017 ging sie den Schritt der Veröffentlichung als Buch einer dieser Geschichten mit dem Fantasie-Roman 'Projekt Elf'.

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    Book preview

    Galgenstrick und Liebesglück - Gabi Haug

    Mit besonderem Danke an …

    meine zauberhaften Korrekturleserinnen

    Dana & Eileen,

    sowie an meine Lektorin

    ohne deren Hilfe ich diese Geschichte

    hätte nicht veröffentlichen können.

    Inhaltsverzeichnis

    Prolog

    Grauenvolle Nachrichten

    Falsches Spiel

    Die Hinrichtung

    Weg des Verderbens

    Familiengruft

    Dem Scharfrichter übergeben

    Unmoralische Absprache

    Hilflos und im Herz berührt

    Unerwartete Hilfe

    Sühne und Leid

    Pein

    Kostet meine süße Rache

    Unerwartete Wende

    Wohl gemeinte Warnung

    Frucht der Liebe

    Hoffnung zerstreut

    Suche

    Entdeckt

    Marius Geheimnis

    Gespräch mit dem König

    Unerfreuliches Wiedersehen

    Des Königs Neffe

    Aussprache

    Großherzog und Großherzogin

    Vasalleneid

    Willkommen Zuhause oder auch nicht

    Heilbereinigende Gespräche

    Epilog

    Anhang

    Prolog

    Deutschland, Frühjahr, anno 1315

    Die Mittagshitze lastete bleiern auf dem Land. Kein Lüftchen regte sich.

    Drei Reiter kamen den Weg unterhalb des Waldes entlang geritten, deren Rösser voller Straßenstaub waren. Diese erregten die Aufmerksamkeit des Herzogs Meinrad, der mit einigen seiner Männer, nach einem Erkundungsritt, auf dem Weg zurück in die Stadt war. Handelsreisende konnten es nicht sein, denn die Männer waren mit Schwertern bewaffnet und einer von ihnen hatte einen Bogen in der dafür vorgesehenen Tasche hinter dem Sattel seines Pferdes festgeschnallt. Die Bewaffnung war einfach zu ungewöhnlich für Reisende oder einfache Bürger, zumal die gerittenen Rösser einer edlen Zucht abzustammen schienen.

    Herzog Meinrad spannte seinen Körper an, um von seinem Ross aus die Reiter besser in Augenschein nehmen zu können. Er richtete sich noch ein wenig mehr im Sattel auf, als der Reiter in der Mitte seine Kapuze vom Kopf zog, sodass man sein Gesicht sehen konnte.

    Meinrads Interesse an den Reitern schien für ihn eine günstige Fügung des Schicksals gewesen zu sein, denn im nächsten Augenblick konnte er seine Verblüffung nicht ganz vor seinen Männern verbergen. Dann jedoch legte sich ein gehässiges Grinsen auf seine Gesichtszüge, als er seine Männer anwies: »Die Männer dort auf dem Weg, greift diese sofort an, denn es sind gesuchte Kreuzritter. Lasst den in der Mitte am Leben, die anderen beiden Templerketzer könnt ihr töten!«

    Seine Männer griffen die drei Reiter sogleich an, ehe diese überhaupt erahnen konnten, was vor sich ging.

    Graf Brandolf von Unrich begriff sofort, dass die Stadtwache, als welcher er die Angreifer erkannte, sie nicht freundlich willkommen heißen wollte.

    Auf dem Konzil von Vienne war ihr Templerorden formell aufgehoben und sechzig ihrer Ritterbrüder hingerichtet worden. Doch sie hatten mit elf Kampfgefährten entkommen können und erfahren, dass Ritter ihres Ordens im Heiligen Römischen Reich, zu dem Deutschland zählte und was ihre Heimat war, dass diese dort als Mönche weiterleben durften. Im Erzbistum Magdeburg war ein Teil ihrer zurückgekehrten Ritterbrüder in den Johanniterorden aufgenommen worden und andere waren wieder zu Privatleuten geworden. Burkhard III. hatte eine Vollmacht für den Johanniterorden ausgestellt, worin er aufforderte, dass taugliche und ehrbare Persönlichkeiten, die ehemals den Templern angehört hatten, zum Dienst und Nutzen des Ordens aufzunehmen und zuzulassen seien. Die drei Männer, die dem Adel angehörten, wollten nun zuerst ihre Familien aufsuchen, um ihre Besitztümer zu regeln und sich dann zum Johanniterorden begeben.

    Brandolf schnaubte hörbar, als seine Hand sich auf seinen Schwertknauf legte. Mit leiser Stimme, in der Verzweiflung lag, sagte er: »Es war wohl keine gute Idee von euch, mit mir hierher zu kommen, Freunde. Verschwindet, wenn ihr könnt. Ich denke, sie wollen mich und sie sind in der Überzahl. Ich kann mir als Graf dieses Landes unter den Männern der Stadtwache kein Blutvergießen leisten, da ich zu meiner Schwester, wenn auch nur für kurze Zeit, heimkehren möchte. Vergesst mir jedoch euren Schwur nicht, sollte man mich gefangen nehmen, einkerkern oder gar töten, denn Meinrad hasst mich schon seit der Kindheit und wird gewiss alles daran setzen zu versuchen mich los zu werden!«

    »Brandolf, wir bleiben an deiner Seite und werden diesem Herzog zeigen was wie in den letzten Jahren für Kampf erprobte Kämpfer geworden sind!«

    Doch Brandolf wischte den Einwand seines Freundes mit einer kurzen Handbewegung beiseite. »Geht!«, sagte er nur.

    Die Beiden blickten ihn entsetzt an und begriffen schließlich, dass es keinen Sinn hatte ihrem Kampfgefährten weiter zu widersprechen, denn er brachte sein Pferd mit einem Schenkeldruck zu einer schnelleren Gangart und zwar auf die heranreitenden Männer zu.

    Brandolf hoffte nur, seine Freunde und Kampfgefährten würden so die Gelegenheit haben, den durch sein Verhalten entstehenden Moment der Verwirrung zu ihrer Flucht nutzen zu können. Seine Freunde schienen die Aussichtslosigkeit selbst zu erkennen, machten zwar noch zwei der herbeieilenden Gegner kampfunfähig bei ihrer Flucht, mussten ihren Freund aber wohl oder übel zurücklassen, denn Brandolf hielt sein Pferd auf einmal an, so dass das Tier sich auf die Hinterläufe stellte und sich dann mit einem Satz den auf sie zujagenden Wächtern entgegenwarf, um den anderen die Gelegenheit zur Flucht zu geben.

    Brandolf hatte wirklich geglaubt, des Herren Wille hätte sie unversehrt aus dem Morgenland zurück in die Heimat geführt, um ihre Familien wieder sehen zu können. Die Hoffnung nicht mehr länger kämpfen zu müssen war in ihm aufgekeimt, nachdem sie erfahren hatten, dass der Mainzer Erzbischof, der Ludwig am 25.11.1314 in Aachen zum König gekrönt hatte, zumal auch Ludwig selbst, sehr zum Zorn des französischen Königs Philipp, sich gegen eine Verurteilung der Templer ausgesprochen hatte. Sie hatten zwölf ihrer Tempelbrüder zwei Tage zuvor auf Burg Lahneck¹ im Glauben an eine störungsfreie Heimkehr und ein ruhiges Leben in Frieden zurückgelassen. Doch Brandolf und seine beiden Gefärten hatten sich auch darin geirrt, denn auch jene ihrer Brüder lieferten sich an diesem Tag einen erbitterten Kampf gegen die Soldaten des Erzbischofs Peter von Aichspalt, bei dem keiner von ihnen überlebte.

    Brandolf duckte sich rasch unter einem halbherzig geführten Schwerthieb eines der Stadtwächter hinweg, nachdem dieser ihm zugerufen hatte, er solle sich ergeben. Doch das ging noch nicht; er musste verhindern, dass die Männer seinen Freunden nacheilten, erst dann konnte er sich ihnen auf Gnade oder Verderb ergeben. Er wich einem weiteren Mann aus. Brandolfs Augen verengten sich, als er Herzog Meinrad erblickte und er verpasste gleichzeitig dem nun wieder angreifenden Mann einen Schlag ins Gesicht, um ihn so aus dem Gleichgewicht zu bringen. Laut fluchend stürzte dieser, nach einem zweiten Schlag von Brandolf gegen den Kopf, vom Pferd.

    »Im Namen des Herzogs, Ihr seid verhaftet!«, rief einer der anderen Wächter mit fester Stimme. »Legt Eure Waffen nieder und ergebt Euch!«, verlangte er beharrlich. »Sogar, Ihr Graf, Ihr dürftet erkennen, dass wir in der Übermacht sind! Seid kein Narr!«

    Nur langsam ließ Brandolf das Schwert sinken und ergab sich.

    Kurz darauf zerrte man den Edelmann von seinem Ross. Dann wurde er auf die Knie gezwungen.

    Meinrad baute sich mit einem triumphierenden Gesichtsausdruck vor seinem knienden Gefangenen auf und meinte: »Ich kann es nicht fassen, wen wir da eingefangen haben. Was für ein wundervoller Tag! Der vermisste Templer aus Jerusalem ist wieder da und wie mir scheint, noch wohlauf! Ich befürchte nur, das wird jedoch nicht lange so bleiben, so wie Ihr Euch dies wohl wünscht!«, spottete er. »Ihr hättet nicht zurückkommen sollen, Brandolf! Ihr und Eure uns nun wohl entkommenen Freunde, ihr sollt auch hier im Lande noch wegen eurer Taten verfolgt werden. Natürlich wäre es mir ein Vergnügen, Euer jämmerliches Leben nun mit meinem Schwert sogleich zu beenden. Doch verschafft mir der Gedanke durchaus ebenso einen großen Genuss, dass dies ein Kirchenmann für mich, nach Recht und Gesetz erledigen wird! Dies wird dem Inquisitor wohl gefallen und mir ist es nur recht, denn ich denke Euch verhören zu dürfen und bei Eurer Verurteilung auch ein Wörtchen mitsprechen zu können. Männer, fesselt ihn und dann bringt den Gefangenen in die Stadt, denn es wird ihm Ketzerei von der Kirche zur Last gelegt!«

    »Ihr wart, seid und bleibt ein Bastard, Meinrad!«, zischte Brandolf, während man ihm die Hände auf den Rücken band.

    Meinrad lachte zu Brandolfs Verwunderung nur, tätschelte ihm dann fast sachte die rechte Wange, während er belustigt meinte: »Der Herr dachte wohl, er würde nach seiner Rückkehr für seine Verfehlungen gänzlich in Ruhe gelassen.« Dieses Lachen, gab seinem Gesicht einen schadenfrohen Ausdruck. »Mit Euch werden wir im Verhörraum bei der Beweisführung gewiss mehr als unseren Spaß haben!«

    Brandolf wurde mit den Worten: »Los hoch, Ketzer!«, auf die Beine gezerrt und Meinrad beugte sich zu ihm und flüsterte ihm ins Ohr: »Eure liebreizende, eingebildete Schwester und Euer Besitz werden bald mir gehören, mein Bester!«

    Der Herzog zeigte in nächsten Augenblick auf einen seiner Männer: »Du reitest sogleich zum Kloster bei Hammelbach! Hochwürden Eliott, unser werter Inquisitor, hält sich dort auf. Teil ihm mit, dass wir seine Eminenz brauchen, um die Beweisführung bei dem Inquisitionsverfahren gegen den Templer Grafen von Unrich ob seiner Ketzerei zu leiten. Sag ihm, dass wir Graf Brandolf habhaft geworden sind, als er auf seinen Besitz zurückkehren wollte, dass dieser nun im Stadtkerker sitzt und auf sein Verfahren wartet. Eil dich!«

    »Sehr wohl, Euer Gnaden!«

    Als einer der Inquisitoren war Eliott als Sonderbeauftragter in Deutschland eingesetzt worden, um die geheimen Zufluchtsorte der Templer aufzuspüren und entdeckte Ketzer gefangen zu setzen, zu verhören und wenn nötig, diese auch zu verurteilen.

    Meinrad hatte nun vor, seinen verhassten Widersacher aus dem Weg zu schaffen. Dies jedoch mit nach außenhin wirkend legalen Mitteln, um sich dessen Hab und Gut anzueignen. Dabei würde er seinen Spaß haben und mit der schönen Adara, der Schwester des Grafen, nach dessen Tod sein Bett bereichern können. Er freute sich jetzt schon darauf, sie dort zu zähmen und sich gefügig zu machen.

    Zur Wahrheitsfindung bei Inquisitionsprozessen war die Folter nur mit Einschränkung erlaubt, da dem Betroffenen keine bleibenden körperlichen Schäden zugefügt werden durften. Das Verhör sollte in erster Linie zu Reue und Buße führen, doch wo durch Verstocktheit keine Schuldanerkennung erfolgte, da durfte auch gefoltert werden.

    Meinrad kannte Brandolf nur zu gut und er wusste, dieser würde nie gestehen ein Ketzer zu sein. Der Inquisitor würde in diesem Zusammenhang erlauben ihn zu foltern und für dieses Handeln Meinrad persönlich die Absolution erteilen. Dies würde notariell von einem Schreiber beglaubigt werden. Es war mit keinem Strafnachlass oder - dessen Freiheit zu rechnen. Graf Brandolf von Unrich war somit schon so gut wie tot, denn der Prozess würde damit enden, dass er hingerichtet werden würde. Er würde schon dafür sorgen, selbst wenn Brandolf Vergehen zugab, das es bei der Vollstreckung der Todesstrafe kein Retentum² durch eine geheime Urteilsklausel geben würde.

    Der Inquisitor eilte noch am selben Nachmittag aus dem Kloster in die Stadt. Als er dort eintraf war es jedoch schon später Abend.

    »Ich freue mich Euch zu sehen, Hochwürden Eliott«, meinte Meinrad.

    »Die Freude hält sich im Moment bei mir etwas in Grenzen. Nur wegen Eurer Nachricht und der angeblichen Dringlichkeit, verpasse ich gerade ein üppiges Abendmahl, zu dem ich geladen wurde. Das bekommt meinem leiblichen Wohle nicht! Eure Nachricht hat jedoch sehr interessant geklungen, so dass ich schneller zu Euch eilte, als ich es sonst zu tun pflege.«

    Meinrad machte eine vielsagende Geste und meinte gelassen: »Nun, ich denke, es ist auch für Euch gut, eine hervorragende Exekutionsbillanz von Ketzern aufweisen zu können. Wir haben, wie Ihr nun schon wisst, Graf Brandolf habhaft werden können. Aber ich verstehe Euch, ein knurrender Magen ist nicht schön! Brandolf sitzt gut bewacht im Kerker, so könnt Ihr auch Morgen noch zu ihm. Ich habe für Euch ein Gästezimmer richten und ein vorzügliches Mahl vorbereiten lassen.«

    Der Geistliche hatte schon beim hereinkommen den himmlischen Duft von Essen wargenommen, so wurde sein Gesichtsausdruck etwas freundlicher.

    »Ihr mögt doch pikant gewürzten Fasan? Und als Nachtisch gibt es eine Mandel-Kirsch-Speise.«

    Wohlwollender sah der Geistliche den Herzog nun an und sprach zu Meinrad: »Ich danke Euch und werde mich in Euren Räumlichkeiten bestimmt gut ausruhen, Herzog!«

    »Es ist mir eine Ehre! Doch dürfte ich Euch nach dem Abendmahl noch einmal kurz hier in meinem Amtszimmer empfangen, denn es geht mir um die Erbgräfin von Unrich, die von der Anklage und der Gefangennahme ihres Bruders noch nichts weiß. Ich hätte ihr bezüglich die Bitte, dass der Spruch gegen Brandolf schnell gefunden wird, damit Adara nicht lange unter der Ungewissheit über das Urteil leiden muss. Wenn Ihr also bereit wärt, ein Tribunal bestehend aus Euch, mir und dem Schreiber zu bilden, so denke ich, wäre dies ausreichend, um das Verhör zu führen und ein Urteil zu finden.«

    »Ich denke, das ist in unser aller Sinn, zumal mir die Familie von Unrich bekannt ist«, äußerte sich der Kirschenmann zustimmend nickend auf Brandolfs Äußerung hin.

    »Hochwürden, ich habe noch eine Bitte: Sollte es eventuell, wenn Brandolf geständig ist, bei ihn zu einer lebenslänglichen Gefangenschaft kommen oder seine Verstocktheit zu einer Hinrichtung führen, so ist dies im allgemeine mit der Beschlagnahmung des Eigentums des Verurteilten verbunden. Als Herr des Landteils fällt die Grafschaft wohl dann an mich. Sollte dies geschehen, so will ich die bedauernswerte Gräfin bei mir aufnehmen. Ihr Liebreiz entzückt mich, auch wenn sie gelegentlich ein etwas störrisches Wesen an den Tag legt. Dennoch, ich möchte sie abgesichert wissen. Das arme Ding kann doch nichts für die Tat ihres Bruders.«

    »Warten wir ab, was das Verhör ergibt. Doch sollte es geschehen das Graf Brandolfs Schuld in diesem Rahmen festgestellt wird, so wird sie per Gesetz Euch unterstellt, mein werter Meinrad! Somit wird es wohl nicht nötig sein uns hier noch einmal zu treffen. Nach dem Mahl begebe ich mich der täglichen Pflicht des Stundengebetes und danach dem Schlafe hin. Brandolf sitzt wie Ihr sagt, sicher im Kerker verwahrt und so mitkann alles andere auch bis Morgen warten. Also, wo speise ich?«

    »Bitte hier entlang, Hochwürden.«

    Am nächsten Tag waren Inquisitor Eliott und Herzog Meinrad früh im Verhörraum des Stadtkerkers - Folterkammer war dafür jedoch eher das passende Wort.

    Der Stadtschreiber trat kurz darauf ebenfalls ein.

    Der Mann verbeugte sich ehrerbietig, vor den hohen Herrn. Verschloss die Tür danach hinter sich, trat an das Schreibpult heran, legte einige leere Pergamentseiten darauf und stellte ein Tintenfass mit Schreibfeder daneben.

    Schließlich öffnete sich die Tür ein weiteres Mal und die Wachen zerrten Brandolf unsanft herein.

    Der Inquisitor und Meinrad saßen nun schon etwas erhöht an einem Tisch.

    »Dorthin mit ihm!«, wies Meinrad die Wachen an und zeigte auf den Flaschenzug, der von der Decke in der Mitte des Raumes hing.

    Man zerrte Brandolf dorthin.

    Die Wächter banden ihm die Hände verdreht hinter dem Rücken zusammen, das Seil wurde über die Rolle des Flaschenzugs geführt.

    Der Schreiber griff zur Feder und seine Hand schwebte abwartend über dem Pergament.

    Absolute Stille breitete sich im Raum aus, als Hochwürden Eliott sich von seinem Stuhl erhob und ins Licht der Fackeln trat, um sich den Gefangenen genauer anzusehen. Hochwürden kannte den Beschuldigten noch aus dessen Kinder- und Jugendtagen, denn er war oft Gast im Hause dessen Eltern gewesen, als diese noch lebten. Nun war Brandolf jedoch kein Jüngling mehr, sondern ein Mann. Ein Mann, der seinen Besitz seiner Schwester und einem Diener zur Verwaltung überlassen hatte und als Kämpfer in ferne Lande gezogen war. Hellblondes Haar fiel ihm in das vom Wetter gebräunte Gesicht. Die Jahre seiner Abwesenheit hatten ihn sichtlich verändert. Aus dem mageren Jüngling war ein von Muskeln bepackter Mann geworden. Auch das Templerleben hatte seine Spuren auf dem Körper hinterlassen, wenn auch keine besonders schlimmen. Diese bestanden, wie Hochwürden nun sah, aus einer kleinen Narbe über der linken Augenbraue und einige weitere Narben an den Armen und am Brustkorb waren erkennbar. Die anderen Blessuren, die sein Körper nun trug, waren frisch. Sie bestanden aus blauen und bräunlichen Flecken, die seinen entblößten Oberkörper zierten und eine bläuliche Verfärbung um sein rechtes Auge.

    »Ihr hattet wohl schon eine nette Unterhaltung mit dem Herzog und seinen Männern gehabt?«, meinte Eliott.

    Brandolf verdrehte die Augen, gab dem Gottesmann darauf jedoch keine Antwort. Er war sich bewusst, dass dies keine Frage war, sondern dessen Worte eher einer Bemerkung gleichkam.

    Auf ein Zeichen Meinrads packte einer der Wachmänner nun Brandolf am Haarschopf und riss dessen Kopf unsanft in den Nacken. »Seht seine Eminenz an, Ihr Hundesohn, und antwortet, wenn Euch der Inquisitor eine Frage stellt!«

    »Lass es gut sein, Wachmann!«, meinte Eliott. »Der Mann galt als Adeliger dieses Landes und wir haben nun die leidvolle Aufgabe ob der Anklage, ihm zu beweisen, dass er ein Ketzer ist.« Nun wandte Eliott sich wieder an Brandolf. »Da der von mir bestellte Scharfrichter noch nicht eingetroffen und kein Foltermeister anwesend ist, so haben wir die Aufgabe, Euch zu verhören. Nun, Brandolf, Ihr seid der Ketzerei beschuldigt. Dachtet wohl, Ihr könntet Euch dem Vorwurf entziehen und Euch einfach und unentdeckt nach Hause schleichen? Doch nun bekommt auch Ihr die Macht der Kirche sowie der Gerichtsbarkeit zu spüren! Wenn Ihr nicht redet und offen gesteht, dann sehe ich mich allerdings gezwungen auch Zuchtwerkzeug bei der Befragung einzusetzen.«

    Eliott trat einen Schritt zu Seite, die lange rote Sutane bedeckte den fülligen Leib des Kirchenmannes. Eine auffällige Kette mit einem massiven goldenen Kreuz, hing um seinen Hals. Um zu untermalen, was er meinte, zeigte er auf die vorbereiteten Folterwerkzeuge.

    »Ich habe nichts zu gestehen Hochwürden!«, erklärte Brandolf. »Ich bin kein Ketzer, und ich bin ein guter Christ!«

    »Stadtwächter, erhitzt schon mal das Eisen, falls es von Nöten sein sollte«, befahl Eliott.

    Behände schritt einer der Wächter zur Glutwanne, in der schon die Kohle glomm. Er nahm eines der Eisen hoch, die auf einem kleinen Holztisch neben Zangen und anderen Gerätschaften lagen, besah es sich und dann schwenkte er es in der Glut hin und her.

    Herzog Meinrad wurde ungeduldig und rief: »Nun mach doch! Sollen wir hier versauern?«

    »Verzeiht Euer Gnaden, es glüht ja schon!«

    Eliott aber schüttelte verneinend den Kopf. »Noch nicht, wir werden mit einer solchen Befragung in der zweiten Stufe erst beginnen. So frage ich Euch, bereut Ihr Eure Schandtaten und steht Ihr zu Euren Sünden, die Euch von Papst und König als Kreuzritter zur Last gelegt wurden?«

    »Was ich tat war keine Sünde, denn wären alle die, die für ihr Land, ihren Glauben und ihren Herrscher in den Kampf ziehen, Sünder, es bliebe kein Mann der sich als unschuldig bezeichnen dürfte!«

    Die Miene von Hochwürden Eliott verfinsterte sich. »So, das ist also Eure Antwort und Meinung, Brandolf? Eure Blasphemie und Hochnäsigkeit sind schier unerträglich für mich! Aufziehen, so dass er gerade noch stehen kann«, kam der Befehl.«

    »Ich werde gewiss vor Euch nicht zu Kreuze kriechen!«

    »Nehmt doch Vernunft an!«

    Brandolf hatte schon einiges hinter sich und er wusste, es war wohl bald vorbei. Warum dann schweigen? Gestehen würde er jedoch nie, was er nicht zu gestehen hatte, aber er würde sagen, was er dachte. »Was wisst Ihr denn schon von mir, Hochwürden? Was wisst Ihr, was im Heiligen Land geschehen ist? Ihr, der Ihr mit Eurem wohlgenährten Bauch in der sicheren Heimat wart, während gläubige Brüder um ihr Leben rangen? Ihr bildet Euch ein, ein Urteil über mich fällen zu können, nur weil wir vom Papst denunziert worden sind. Einem Mann, der nicht mehr lebt, ebenso wie der König, mit dem er gemeinsame Sache gemacht hat. Für Euch sind alle Kreuzritter schlecht. Doch ich denke, Ihr solltet nicht vorschnell über uns urteilen, vielleicht bin ausgerechnet ich es der Euch eines Tages, wenn der Feind ins Land einfällt, den Rücken decken wird und den Hintern rettet.«

    »Für diese Blasphemie und Eure Überheblichkeit werdet Ihr alsbald in die Hölle fahren, Sünder! Zieht ihn etwas höher und bringt das Eisen!«

    Das Seil ruckte, seine Arme wurden an den Händen nach oben gezogen und er verlor den Boden unter den Füßen.

    Brandolf entkam ein vernehmbarer Seufzer.

    Der Wächter ging mit dem Eisen in der Hand auf den Gefangenen zu.

    Eliott musterte ihn mit einem forschenden Blick.

    Brandolf zischte: »Nicht ich, sondern Ihr und Meinrad werdet nach Eurem Ableben zur Hölle fahren und mit euch beiden all die, die sich an uns und unseren Ordensbrüdern so schändlich vergangen haben! Hat man Euch nicht beigebracht Hochwürden, dass Menschen die anderen Menschen Unrecht tun, keinen Anteil am Himmelsreich haben?«

    »Brennt ihn mit dem glühenden Eisen!«, sagte Meinrad.

    Als der Wächter den Geistlichen fragend ansah, nickte Hochwürden nur.

    Meinrad grinste hämisch, als der Mann nun das glühende Eisen gegen die rechte Körperseite des Gefangenen drückte.

    Brandolf schrie kurz auf. »Ahrrrrrg…« Doch konnte ihn selbst der Schmerz nicht davon abbringen, seiner Wut freien Lauf zulassen: »Ihr … werdet Euch … dafür selbst … vor dem Herrn … verantworten müssen!«

    »Brennt ihn noch einmal, am Oberschenkel, solange das Eisen noch heiß ist!«, rief Meinrad.

    Nach endlosen Sekunden des Schmerzes löste der Wächter das Eisen wieder von Brandolfs Haut.

    Meinrad nahm den Geruch von verbranntem Fleisch wahr. Einer seiner lang gehegten Träume war mit Brandolfs Gefangennahme schon in Erfüllung gegangen und er durfte ihn nun sogar mit dem Segen eines Geistlichen quälen lassen. Es gab so viele Arten der Folter … so viel Pein, die man bereiten konnte … er genoss es!

    Brandolf sah das gehässige Grinsen von Meinrad und konnte sich ein weiteres Mal nicht zurückhalten. »Meinrad … Ihr verdammter Hundesohn. Ihr solltet hier stehen! Ihr foltert, tötet und verbrennt Unschuldige aus reiner Lust am Quälen! Glaubt nicht, dass ich nicht weiß, was während meiner Abwesenheit hier vor sich gegangen ist. Selbst Nachrichten aus der Heimat erreichen Jerusalem.«

    »Haltet Euer dreckiges Mundwerk, Ketzer!«, fauchte Meinrad. »Hochwürden, er erscheint mir unbelehrbar. Wir sollten ihn dafür peitschen lassen!« Der Herzog warf Brandolf einen belustigten Blick zu und meinte, ohne eine Antwort des Inquisitors abzuwarten: »Peitscht diesen Ketzer bis er seine Sünden herausschreit!«

    Kurz runzelte der Inquisitor zwar die Stirn, wandte sich dann aber mit einem kurzen Nicken vom Gefangenen ab. »Tut, was getan werden muss. Ich denke es schadet nichts, wenn Ihr es nicht übertreibt. Ein paar Peitschenhiebe werden ihn vielleicht dann doch lehren seine unverschämte Zunge im Zaun zu halten. Doch ich fordere Euch hiermit auf, Euch unter Kontrolle zu halten. Ich warne Euch, tötet ihn nicht, denn er soll geläutert werden und seine Aussage machen!«

    Meinrad ließ seinen Blick auf Brandolf ruhen. Er wusste, der Graf kannte die Wahrheit warum ihm dies hier wiederfuhr. Es hatte überhaupt nichts mit seinem zerschlagenen Orden und der Tatsache, dass er Kreuzfahrer gewesen war zu tun. Auch des Herzogs Männer kannten die Wahrheit wohl, außer vielleicht Eliott, diese arglose Seele von Gottesmann, der das Zusammenspiel von Intrige, Rachsucht und Machthunger wohl nicht erkennen wollte.

    »Ich denke, ihr habt des Inquisitors Worte gehört? Los Mann, peitsch ihn aus!«

    Meinrads Mundwinkel verzogen sich zu einer noch breiter grinsenden Fratze. Denn die Vorstellung, bald die Schmerzensschreie Brandolfs erneut zu hören, beflügelte seinen sadistischen Geist.

    »Wie ihr befehlt, Euer Gnaden!«

    Eliott sah Meinrad an. »Ich denke, Ihr braucht mich im Moment nicht. Aber versteht, es soll niemand behaupten können wir würden uns nicht an die Gesetze zur Befragung von Ketzerverdächtigen halten, nicht wahr? Also lasst den Schreiber dabei anwesend sein und alles notieren!«

    »Wie Ihr wünscht, Hochwürden!«, meinte Meinrad zuckersüß.

    Meinrad blickte dem sich entfernenden Inquisitor nach, bis sich die Kammertür hinter diesem geschlossen hatte. Dann richtete sich seine Aufmerksamkeit erneut auf Brandolf und den Wächter, der diesen mittlerweile mit einer Peitsche drangsalierte.

    »Mein Gott! Mach es ihm nicht zu leicht! Gib mir die Peitsche!«, befahl Meinrad dem Mann. »Ich zeig dir jetzt einmal wie man das macht!«

    Meinrad schlug so kräftig zu, wie er nur konnte. »Hörst du wie es klatscht?«

    Es bereitete Meinrad sichtlich Freude ihm die schlimmsten Schmerzen zuzufügen, ihn zu erniedrigen, zu schlagen. Wieder und wieder erklang der Knall der Peitsche und hinterließ blutige Spuren auf Brandolfs Rücken.

    Erst als Blut in Strömen aus der aufgeplatzten Haut rann, ließ Meinrad die Peitsche sinken. Sein Arm schmerzte, doch er war noch nicht bereit, Brandolf zu schonen. »So jetzt kannst du weitermachen, Mann!«, meinte Meinrad und reichte dem Wächter die Peitsche.

    Nach einer geraumen Zeit ließ das Stöhnen Brandolfs nach.

    »Euer Gnaden, er hält nicht mehr lange durch«, meinte der Wächter.

    Meinrad trat wieder ein wenig näher und ließ seinen Blick über den Gefolterten schweifen.

    Brandolf hing ermattet und fast bewusstlos am Seil.

    »Hmmmmmm…«, meinte Meinrad. Mit einem kurzen, nachdenklichen Blick sah der Herzog in das Gesicht seines Opfers. »Du hast Recht, er hat genug. Bereiten wir dem erst einmal ein Ende.« Dann äußerte Meinrad wie beiläufig: »Ich denke, ich sollte morgen wohl eine Nachricht an sein Schwesterherz schicken. Sie sollte doch wissen, dass ihr Bruder heimgekehrt ist, bevor wir ihn als Ketzer hinrichten.« Sein Blick glitt zum Schreiber hinüber und er fuhr in einem freundlicheren Ton fort: »Mein verehrter Schreiber, da der Ketzer nicht gestanden hat, sollten wir das Beste für ihn aus der Situation machen. Ich schlage vor, Barmherzigkeit an ihm zu üben und ihm weitere solcher Befragungsstunden zu ersparen. Überantworten wir seine Seele Hochwürdens Gerechtigkeitssinn, indem Ihr im Verhörprotokoll bestätigt, dass er im Punkte der Anklage geständig war!«

    »Wenn er aber widerruft und auf den Wiederruf beharrt?«

    »So wird er erneut befragt und zwar auf dem Folterbrett. Sein Schicksal ist besiegelt, der Teufel erwartet den Templer bereits, um ihn mit seinen Brüdern im Fegefeuer zu vereinen. Ich selbst möchte ihn aus bestimmten Gründen nicht dem Verbrennungstot ausliefern. Ich denke, ihm sollte die besondere Milde des Erhängungstodes zugedacht werden.«

    »Aber Herzog, das Feuer eines Scheiterhaufens ist doch das einzige effektive Mittel, um die Seele eines Sünders, der der Ketzerei überführt wurde vollständig zu reinigen, also somit die einzige Möglichkeit, um alle Sünden los zu werden.«

    »Ich dachte, Ihr seid Euch darüber im Klaren, wem Ihr Euren Posten als Stadtschreiber zu verdanken habt und wüsstet was Ihr mir Schuldet.«

    Der Schreiber nickte dem Herzog schweigend zu, denn er wollte dessen Gunst nicht für einen Mann verlieren, der des Todes war.

    Zufrieden wandte sich Meinrad an seine beiden Männer.

    »Macht ihn los und bringt ihn in die Zelle zurück. Ich habe Hochwürden nun von unserem Befragungsergebnis zu unterrichten.«

    Herzog Meinrads Augen leuchteten triumphierend, als er den Verhörraum verließ. Was war er doch für ein schlauer Kerl! Man musste eben mit allen Mitteln für eine gerechte Ordnung in diesem Land kämpfen, wenn man etwas erreichen wollte! Warum nicht ein kirchliches Gesetz und den Hass des Klerus gegen den Erzfeind nutzen, wenn man diesem damit den Tod bescheren konnte, dazu dessen Güter in Besitz nehmen konnte und dessen Schwester als Weib bekam, wo man diese seit Jahren zu beschlafen begehrte?

    ¹Im Gedicht 'Die Templer von Lahneck' verband im 18. Jahrhundert der deutsche Dichter Wolfgang Müller von Königswinter, ebenso wie auch der deutsche Lehrer und Schriftsteller Christoph Ferdinand Heinrich Pröhle in seiner Sagengeschichte ‘Die Tempelherren auf der Burg Lahneck', die Geschichte der Templer sowie das historische Wissen über den Untergang des Ordens und deren Templerhäuser mit den altertümlichen Bauwerker-Ruinen der Burg von Lahneck. Er beschrieb in seinem Werk den Untergang der vermeintlichen 12 Ritter des Ordens. Da keine Datumsangabe existiert, habe ich diese Sage mit dem Datum meiner Geschichte kombiniert.

    Weiteres über die rheinische Sage und den Hinweis zum Quellentext ist im Anhang nachzulesen.

    ² Retentum - Milderung bei der Vollstreckung der Todesstrafe.

    Grauenvolle Nachrichten

    Das Tor des gräflichen Herrschaftssitzes, derer von Unrich war bereits für die Nacht geschlossen und verriegelt worden, als ein heftiges Klopfen den treuen Diener Rohan aufschreckte. Der Mann von großer Statur und leicht angegrauten Schläfen war einer der wenigen Bediensteten, den die Erbgräfin und ihr Bruder, der Graf des Anwesens, hatten. So eilte Rohan mit einer Laterne in der Hand zum Tor und sah nach, wer um die späte Stunde noch Einlass begehrte.

    Vor dem Tor standen fünf berittene Männer der Stadtwache nebst ihrem Leutnant Ulrich und hatten in des Herzogs Namen, eine Nachricht zu übermitteln.

    Gräfin Adara wusste bereits, dass der Großmeister der Templer Jacques de Molay, sowie Gottfried von Charney, mit zwei weiteren hohen Würdenträgern des Kreuzritterordens am 18.März 1314 bei lebendigem Leibe in Paris verbrannt worden waren. Auf dem Scheiterhaufen stehend, solle Jacques seine Peiniger und die seiner Ordensbrüder verflucht und ihnen gedroht haben, dass diese noch im selben Jahr für ihre Tat vor ihren Herrn berufen würden, um sich vor diesem zu verantworten. Auch war bekannt, dass weitere Templer hingerichtet worden waren. Nur einen Monat später war Papst Clemens der Ruhr erlegen und ein halbes Jahr danach, war König Philipp an den Folgen eines Reitunfalls gestorben.

    Adara bangte somit schon seit Monaten um ihren Bruder, der dem Templerorden ebenfalls angehörte und von dem sie bis zu diesem Tag keine Nachricht über sein Befinden und seinen Verbleib erhalten hatte.

    Adara las das Pergament, das der Leutnant der Stadtwache ihr gereicht hatte.

    Schon nach der ersten Zeile wurde ihr Gesicht aschfahl und ihre Lippen begannen zu zittern. »Nein!«, flüsterte sie. »Das ist alles doch bestimmt nur ein Missverständnis, Leutnant Ulrich?«

    Der Mann schüttelte nur verneinend den Kopf.

    »Das ist nicht wahr! Mein Bruder ist kein Ketzer!«

    Der Leutnant warf Adara einen abschätzigen Blick zu und gab dann seinen Männern Anweisungen, das Tor des Gutshofes zu schließen und vor diesem sofort Stellung zu beziehen, da alle Bewohner des Hauses nun erst einmal unter Arrest standen. Des Leutnants Gesichtsausdruck wirkte hart, als er meinte: »Ich muss erwähnen, Ihr steht auf Befehl des Herzogs hin, derzeit unter Arrest, Gräfin Adara.« Seine Stimme wurde bei den nächsten Worten ein wenig weicher. »Versteht bitte: Ich führe nur meine Befehle aus und tue, was ich tun muss, Gräfin Adara!«

    Er als Leutnant der Stadtwache durfte einen Befehl des Herzogs nicht in Frage stellen, obwohl er so etwas wie Mitleid für die junge Gräfin empfand. Aber Ulrich wusste: Wer sich dem Herzog widersetzte, der wurde hart bestraft. Nicht selten hatte er die Schreie derer, die sich eines Vergehens schuldig gemacht hatten, aus dem Kerker bis nach oben in die Wachstube gehört oder hatte sogar selbst bei der Bestrafung einer seiner Männer oder Kameraden mit Hand anlegen müssen. Leutnant Ulrich sah nun zwar Ärger auf sich zukommen. Kein Zweifel: Der Herzog würde nicht von seiner eigenwilligen Entscheidung begeistert sein, als er Adara ansah und erklärte: »Um in die Stadt zurückzukehren, dazu ist es heute zu spät. Wir bestehen also darauf, hier bei Euch auf dem Landsitz Quartier zu beziehen, um dann morgen nach Sonnenaufgang mit Euch in die Stadt zu reiten.«

    Er wollte der Gräfin damit etwas Zeit gewähren, um den ersten Schock zu verkraften, den die Nachricht sichtlich bei ihr hinterlassen hatte.

    »Ehrlich gesagt, ich möchte so schnell wie möglich in die Stadt! Wir …«

    Sie kam nicht dazu weiterzusprechen, denn Leutnant Ulrich fiel ihr ins Wort: »Ihr werdet Euch bis morgen gedulden müssen, Gräfin!«

    Rohan war sehr stolz auf die Freundschaft, die ihn und die gräflichen Geschwister verband. Der Verlust der Eltern und die Jahre der Abwesenheit von Brandolf, hatten Adara und ihn noch enger zusammengeschweißt.

    »Adara, du brauchst nach der Nachricht erst einmal Ruhe, du bist durcheinander.«, meinte Rohan.

    »Nein Rohan, lass mich, ich kann jetzt nicht ruhen! Ich habe schreckliche Angst um Brandolf, sie haben ihn vielleicht schon gefoltert. Wer weiß wozu der Herzog fähig ist! Ich muss …«

    »Morgen!«

    Seltsamerweise sagte dieses eine Wort mehr, als Adara ertragen konnte. Die Ungewissheit über Brandolfs Zustand war einfach zu viel für ihre Nerven. Die ersten Tränen liefen über ihre Wangen. Eine entsetzliche Ahnung stieg plötzlich in ihr auf, dass sie ihren Bruder nun auch verlieren würde.

    »Ich glaube, Leutnant Ulrich wollte dir etwas Zeit geben, um dich der Sache ein wenig besser wappnen zu können.«

    Rohan griff nach ihrer Hand, als Adara anfing zu zittern und hielt sie so fest er konnte. Er wollte sie beschützen, sie trösten, ihr Hoffnung machen, doch er konnte nichts sagen. Er wusste, dass Adara den Anblick, sollte Brandolf gerichtet werden, nicht ertragen konnte und er fühlte sich hilflos und verzweifelt, zumal er Adara nicht begleiten durfte, wie man ihnen soeben mitgeteilt hatte.

    Adara atmete tief ein, entzog ihrem väterlichen Freund und Diener die zitternde Hand, erhob sich und blickte aus dem Fenster, als sie sagte: »Wenn wir Morgen fort sind, dann schicke die Haushilfe, die beiden Mägde und den Stallburschen heim zu ihren Familien. Bezahle sie gut und sage ihnen, dass wir sie, wenn wie sie wieder benötigen, holen werden! Ich habe ein sehr ungutes Gefühl, Rohan!« Sie sah ihn an und lächelte bitter. »Vielleicht solltest du auch gehen! Ich habe das Gefühl, dass der Herzog seine Finger im Spiel hat und wenn ich an die Templer und ihren Großmeister Jacques de Molar denke, dass es ein schlimmes Ende mit Brandolf und unserem Familienbesitz nimmt.«

    Rohan war erschrocken über Adaras Worte. Er sagte jedoch: »Wie du willst! Ich schicke die anderen fort, doch ich bleibe, mein Mädchen! Mir bleibt zwar nichts anderes übrig, als mich der Anordnung des Leutnants zu beugen, dich nicht zu begleiten, um nicht auch im Kerker zu landen. Aber, ich lasse dich und Brandolf auf keinen Fall im Stich!«

    Adara war verzweifelt. Ruhelos wanderte sie in ihrem Schlafgemach umher, denn sie brachte kein Auge zu. Nun endlich, nach vier langen und von Ängsten geprägten Jahren, war ihr

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