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Fritz Binde: Vom Kommunisten zum Christen
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Ebook183 pages2 hours

Fritz Binde: Vom Kommunisten zum Christen

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Ich denke nicht daran, das folgende Buch besonders zu empfehlen. Jedes ernste Buchwerk wurzelt in seiner Geschichte. Auch dieses Buch hat seine Geschichte, wer es liest, der wird diese Geschichte miterleben, und das ist sein Zweck. Dass gerade ich das Buch schrieb, glaube ich vor Gott und den Menschen verantworten zu können, ja, ich fühle mich besonders berufen, es zu schreiben, einmal als Freund Fritz Bindes in einem Zeitraum von fast 30 Jahren, das heißt in einer Zeit, die Bindes ganze Entwicklung vom Sozialisten zum Christen umfasst; dann aber auch, weil ich Fritz Binde, aus denselben gesellschaftlichen und politischen und literarischen Verhältnissen kommend wie er, meine Bekehrung zum Kreuz Jesu Christi verdanke. Endlich auch noch, weil es ein stilles Übereinkommen zwischen meinem Freund und Bruder und mir war, dass ich das Buch schreiben solle, wenn es überhaupt geschrieben würde.

Das alles macht es ohne weiteres auch erklärlich, dass der größte Teil des Buches aus von Binde und mir gemeinsam erlebten Daten besteht. So hat der Leser ein unmittelbares Material und kein nachgeschriebenes, etwa von Hörensagen kommendes Schreibwerk.

Die eingefügten Bilder und das Faksimile eines Briefes und schließlich auch die dem Text eingefügten Briefe Bindes an mich werden dem Leser zum Verständnis und zur Würdigung meines Buches willkommen sein.
Und so möge die gutgemeinte, nicht allein berichtende, sondern auch evangelistische Arbeit ihren Gang gehen, Gott zum Lobe und den Menschen zum Segen!

In einer Zeit, in der auf der einen Seite der krasseste Materialismus gepredigt wird, auf der anderen ein selbstbewusster Idealismus, verbunden mit einem selbstverlorenen Ichkult und einem Zug gefühlsschwerer Romantik die Gewissen lau und schläfrig macht, schenkt uns Ommerborn ein Buch, das in scharfumrissenen Zügen wie ein mahnender Wegweiser den Pfad zur christlichen Weltanschauung zeigt. Es ist die Lebensbeschreibung seines Freundes Fritz Bindes.

In hervorragender Weise hat der Verfasser es verstanden, uns die psychologischen Grundlagen der Entwicklung Bindes vor Augen zu führen, ein Meisterwerk, das Ommerborn nur leisten konnte, da er selbst aus denselben Umwegen wie sein Freund seine Weltanschauung hat erkämpfen müssen, und zudem die angeborenen Fähigkeiten eines feinfühligen Psychologen besitzt. Über dem ganzen Werk schwebt, um mit Dank zu sprechen, die klare Erkenntnis: „Das Evangelium ist eine unversiegbare Quelle aller Wahrheiten, die, wenn die Vernunft ihr ganzes Feld ausgemessen hat, nirgends anders zu finden ist.
LanguageDeutsch
PublisherFolgen Verlag
Release dateDec 19, 2018
ISBN9783958932067
Fritz Binde: Vom Kommunisten zum Christen

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    Book preview

    Fritz Binde - J. C. J Ommerborn

    Fritz Binde

    Vom Kommunisten zum Christen

    J. C. J Ommerborn

    Impressum

    © 1. Auflage 2019 ceBooks.de im Folgen Verlag, Langerwehe

    Autor: J. C. J. Ommerborn

    Cover: Caspar Kaufmann

    ISBN: 978-3-95893-206-7

    Verlags-Seite: www.folgenverlag.de

    Kontakt: info@folgenverlag.de

    Shop: www.ceBooks.de

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    Inhalt

    Titelblatt

    Impressum

    Vorwort zur 1. Auflage

    Vorwort zur 2. Auflage

    1. Fritz Bindes Kindheits- und Jugendjahre

    2. Aus dem Mannesleben und seinem Kampf gegen Gott

    3. Die Offenbarung des unbekannten Gottes

    4. Als Prediger und Evangelist

    5. Im Kampf mit dem Neuen

    6. Fritz Bindes Arbeitswerk als Evangelist

    7. Fritz Binde als Seelsorger

    8. Fritz Binde als Familienvater und seine letzten Stunden

    Unsere Empfehlungen

    Vorwort zur 1. Auflage

    Fritz Binde, 1894

    Ich denke nicht daran, das folgende Buch besonders zu empfehlen. Jedes ernste Buchwerk wurzelt in seiner Geschichte. Auch dieses Buch hat seine Geschichte, wer es liest, der wird diese Geschichte miterleben, und das ist sein Zweck. Dass gerade ich das Buch schrieb, glaube ich vor Gott und den Menschen verantworten zu können, ja, ich fühle mich besonders berufen, es zu schreiben, einmal als Freund Fritz Bindes in einem Zeitraum von fast 30 Jahren, das heißt in einer Zeit, die Bindes ganze Entwicklung vom Sozialisten zum Christen umfasst; dann aber auch, weil ich Fritz Binde, aus denselben gesellschaftlichen und politischen und literarischen Verhältnissen kommend wie er, meine Bekehrung zum Kreuz Jesu Christi verdanke. Endlich auch noch, weil es ein stilles Übereinkommen zwischen meinem Freund und Bruder und mir war, dass ich das Buch schreiben solle, wenn es überhaupt geschrieben würde.

    Das alles macht es ohne weiteres auch erklärlich, dass der größte Teil des Buches aus von Binde und mir gemeinsam erlebten Daten besteht. So hat der Leser ein unmittelbares Material und kein nachgeschriebenes, etwa von Hörensagen kommendes Schreibwerk.

    Die eingefügten Bilder und das Faksimile eines Briefes und schließlich auch die dem Text eingefügten Briefe Bindes an mich werden dem Leser zum Verständnis und zur Würdigung meines Buches willkommen sein.

    Und so möge die gutgemeinte, nicht allein berichtende, sondern auch evangelistische Arbeit ihren Gang gehen, Gott zum Lobe und den Menschen zum Segen!

    Vorwort zur 2. Auflage

    Wenn ein neues Buch innerhalb vier Wochen bereits die 2. Auflage erlebt, darf man sich ehrlich freuen. Der Herr ist mit diesem Buch. Ein Rezensent hat den Sinn des Werkes gut begriffen. Er schrieb u. a.:

    „In einer Zeit, in der auf der einen Seite der krasseste Materialismus gepredigt wird, auf der anderen ein selbstbewusster Idealismus, verbunden mit einem selbstverlorenen Ichkultus und einem Zug gefühlsschwerer Romantik die Gewissen lau und schläfrig macht, schenkt uns Ommerborn ein Buch, das in scharfumrissenen Zügen wie ein mahnender Wegweiser den Pfad zur christlichen Weltanschauung zeigt. Es ist die Lebensbeschreibung seines Freundes Fritz Bindes. In hervorragender Weise hat der Verfasser es verstanden, uns die psychologischen Grundlagen der Entwicklung Bindes vor Augen zu führen, ein Meisterwerk, das Ommerborn nur leisten konnte, da er selbst aus denselben Umwegen wie sein Freund seine Weltanschauung hat erkämpfen müssen, und zudem die angeborenen Fähigkeiten eines feinfühligen Psychologen besitzt. Über dem ganzen Werk schwebt, um mit Dank zu sprechen, die klare Erkenntnis: „Das Evangelium ist eine unversiegbare Quelle aller Wahrheiten, die, wenn die Vernunft ihr ganzes Feld ausgemessen hat, nirgends anders zu finden ist." usw.

    Ich hatte bereits bei Lebzeiten Fritz Bindes den Plan zu diesem Buch im Kopf: an der Hand der Bindeschen Entwicklungsgeschichte die Notwendigkeit einer evangelischen Weltanschauung für unsere Zeit darzutun. Fritz Binde war eben „der moderne Kulturapostel". Als solcher wurde sein Lebensbankerott auch der Bankerott der modernen Kultur. Die Konsequenzen des Bindeschen Zusammenbruchs sind auch die unserer heutigen Gegenwart, wir müssen unser Leben wieder evangelisch orientieren, sonst wehe uns. Die Großzügigkeit und feine Plastik der Bindeschen Evangelisation zu preisen, habe ich keine Luft, auch mein Freund hat sich immer energisch dessen verwahrt, was er war, das lebt oder es lebt nicht, das Leben muss es beweisen.

    Diese 2. Auflage ist um ein wesentliches vermehrt. Man hat mich dieser Tage oft wegen des „Bindeproblems ausgefragt. Auch der obengenannte Rezensent stößt es an. Darum ernannte ich das Werk durch Erinnerungen an die schweren Seelenkämpfe, die Fritz Binde anfangs in der Rämismühle durchzumachen hatte, wenn es überhaupt ein „Bindeproblem gibt, so wird es hier, denke ich, gelöst. Und nun sei dies gutgemeinte Büchlein aufs Neue Gott und den Lesern gewidmet.

    J. C. J. Ommerborn

    1. Fritz Bindes Kindheits- und Jugendjahre

    Fritz Binde kam am 30. Mai 1867 auf Sachsen-Meiningschem Gebiet, in Helburg, als Kind armer Uhrmachersleute zur Welt. Auf der Reise, just wie das Jesusknäblein. Wenn er sich in späteren Jahren auf diese Weise mit diesem Jesusknäblein gern verglich, leuchteten allemal seine Augen.

    Durch die Landsmannschaft seiner Eltern wurde er Loburger Bürger. Sein Vater gehörte früher zu den wohlsituierten Loburger Uhrmachermeistern. In der Bindeschen Familie gab es verschiedentlich hervorragende Gelehrte und Künstler. Auch der Loburger Uhrmacher wollte mit aller Willensausbietung studieren. Statt seiner, tat das dann sein älterer Bruder und brachte es zum hervorragenden Philologen. Die Enttäuschung hat das Leben des einen nicht nur verbittert, sondern auch aus der Richtung gebracht. Vater Binde war in der Erinnerung Fritzens immer der gutwillige, leidenschaftlich heimhungrige, wissensfanatisch Entgleiste, dessen Nerven infolge der Verbitterung schwer gelitten, und dessen Gatten- und Vaterschaft die Kennmale der nervösen Verbitterung und Enttäuschung trugen.

    Die Mutter Fritz Bindes, eine geborene Langbein, gehörte zu den frommen, thüringischen Frauen. Ihre stille Frömmigkeit stand auf festen evangelischen Glaubensfüßen, und sie war stark genug, das Armutsleben und das Leben der Verbitterung im Heim allezeit unentwegt auf sich zu nehmen und den Geistern zu widerstehen, die das Uhrmacherhaus zerschlagen wollten. Der Mutter stille, fromme Art ging auf das schwache Knäblein über und ist auch in den Jahren furchtbarster Kämpfe gegen Gottes werben und Suchen nicht ganz unterdrückt worden. So schwach war der auf der Reise geborene junge Weltbürger, dass seine Mutter von ihm sagte: „Er war ein Siebenmonatskind, nicht mal Fingernägel hat er gehabt. Der Herr Doktor meinte, es werde keine zwei Tage alt." Aber so stark und hell war sein junger Kopf, dass er in allen seinen Kinderleiden im armen Uhrmacherheim seine Sache auf die beiden Pole gestellt hat: auf sein sanftes, frommes Mutterle, und auf den Herrn Jesus.

    So klug war er, dass er bald herausbekam, wie schwach die Beweisführung der landläufigen Christenart für die Existenz Gottes ist, denn er hat schon in zartester Kindheit diesen landläufigen Gott nicht begriffen, ist immer wieder mit ihm in Zwiespalt geraten, und gerade da, wo er ihn anrief und ihn nötig hatte. Schon in zartester Kindheit hat er mit diesem „unbekannten Gott" gerungen, wenn die Armut und der Hunger ihn quälten, wenn des Vaters Art das Heim ängstigte, wenn die jungen Geschwister starben, und in tausend anderen Nöten und Fragen.

    Als Mädchen, das vergötterte kleine Schwesterlein, an Diphtherie erkrankte und kein Arzt ihr helfen konnte, eilte er in leidenschaftlicher Auflehnung hinaus, drang auf Gott ein, verlangte kurz und bündig von ihm, dass er hier ein Wunder tue. „Wenn ich jetzt beim Springen auf jenen Stein komme, lieber Gott, so soll das ein Zeichen sein, dass du meinem Mädchen durchhilfst!, rief er gen Himmel. Es gelang ihm, sein Fuß traf jenen Stein, aber das Mädchen wurde aufgenommen in den Himmel. In wildem Gram kam über den etwa Neunjährigen der Gedanke: „Entweder ist Gott grausam oder ohnmächtig, oder es gibt überhaupt keinen Gott!

    Seit jeher wollte Fritz Binde Künstler, Maler werden. Es war die Art seiner Herkunft von väterlicher Seite. Als vierjähriger Jungbursch besaß er schon einen Raritätenschrein. Häufte in seiner Schublade die vielgestaltigen Schätze auf, die seine farbenfrohen Kinderaugen am Lebenswege auflasen, bunte Papierschnitzel, Käfer, Schmetterlinge, Zinnsoldaten, Kinderpistolen, sogar ein Zeichenheft, auf dessen erste Seiten er Bäume, Hirsche, Jäger und dergleichen gezeichnet. In dieses bunte Sammelsurium brachte er täglich neue Ordnung, gewissermaßen neue Gedanken, neue Möglichkeiten, neue Künste.

    Allerdings war der Grundsinn seiner Seele schon damals so stark auf das Alte, Überkommene gerichtet, dass er, so oft er auch in der Schublade herumkrempelte und neu baute, schließlich alles wieder so legte, wie es ursprünglich gelegen. Genau so, wie er als Kulturkämpfer täglich und stündlich Neues gesucht, Wissenschaften durchforscht, Künste getrieben, tausenderlei Formen und Inhalte verworfen und neu geordnet, um schließlich als gereifter Mann und auf der Höhe seiner weltlichen Errungenschaften vor dem „unbekannten Gott" seiner Kinderjahre und vor dem Kreuz Jesu Christi zusammenzubrechen und sein Leben dem alten biblischen Evangelium zu weihen.

    Man kann sich denken, wie auf ein so geartetes junges Menschlein die häusliche Umgebung und die Gemütsart der anderen rückwirken und welche Eindrücke das Kindheitsleben auf die Kinderseele hinterlassen müssen. Ein altes, gutes Sprichwort sagt: „Kleine Kessel haben große Ohren. Das Ohr der kleinen Fritzseele muss ganz besonders fein gebaut gewesen sein, und die Gehörgänge müssen tief hinabgereicht haben in die Zusammenhänge mit dem engeren Leben und dem der Umgangsmenschen. Er legte von klein auf großen Wert auf das Christkind und merkte sich aus Muttermund haarscharf genau die Charakterisierung dieses Wunderkindes. Was bei tausend anderen an der Oberfläche der Seele wie ein Doldenhauch nur schwach haften blieb und durch äußeren Einfluss nach Belieben verwischt oder verändert werden konnte, das wuchs sich in der jungen Fritzseele zum Wesensbestandteil aus und wollte Erfüllung. An seinem fünften Christtage schickte Mutter und die etwas ältere Schwester ihn beizeiten ins Bett. Das kannte er bereits, und die Vorbereitung auf das kommende Festwunder beschäftigte ihn vollauf. Aber die Mutter regte ihn auf durch das Warnungswort: „Dass du aber nicht durch das Türfenster lugst … das Christkinds kommt selber vom Himmel, mit goldigen Flügeln und in silbrigem Kleide und putzt im Zimmer den Christbaum. Wenn du nun durch das Türfenster lugst, merkt das Christkind das und kratzt dir die Augen aus! Andere Kinder hätten sich in stillem Gehorchen gefügt. Anders unser Fritzle. Das Christkind vom Himmel war in seinem kleinen gedankenvollen und über alles spintisierenden Kopf kein Luftgebilde, keine Märchengestalt, sondern eine buchstäblich genaue Tatsache, so wie Mutterle sie beschrieben. Eben weil Mutterle, diese einzige und höchste Wahrheitsinstanz im engen häuslichen Leben, sie so beschrieben hatte. Das war das eine.

    Dazu kam die stille, kindliche Frömmigkeit des Jungburschen, die verhaltene Ehrfurcht vor dem Jesuskindlein aus der Höhe, vielleicht auch die bereits erlebten mancherlei Erlebnisse, die mit dem königlichen Kindlein zusammenhingen, vielleicht Enttäuschungen, wie die später erlebte Enttäuschung in der Heilung des sterbenden Mädchen oder so. In der Tat, der blutjunge Fritz Binde rechnete mit dem Gotteskinde, wie mit einer buchstäblichen Tatsache. Und schließlich kam hinzu die in ihm keimende Anlage, das Erlebte oder Geglaubte künstlerisch zu verarbeiten, zu dehnen, zu bemalen, zu vergrößern, das Göttliche in wunderbaren Kinderbildern zu schauen, was Wunder nun, wenn dieser kleine kluge und fromme Jungbursch sich die Gelegenheit nicht vorbeihuschen lassen wollte, mit seinen hellen begeisterten Augen den hohen Geheimnisgast selber zu schauen und zu beurteilen? Ganz gewiss hielt ihn nichts ab als die Scheu vor den kratzenden Fingern des Christkind, und diese Scheu war so schwach in seiner mutigen Kinderseele, dass er sich nach langem Ringen im Bettlein erhob, an den Rand herankroch, den Zipfel der Gardine vorsichtig hob, mit der anderen Hand das Gesicht schützend, das Gesicht bedeckte und nur durch die Finger schaute. Und was war in dem Festzimmer zu schauen? Statt des himmlischen Kindes in goldigen Flügeln und silbernem Gewande sah er Mutter und Berta, die Schwester, am Tisch sitzen und Nüsse mit Gold- und Silberlack bekleben, um den Baum damit zu zieren. Andere Kinder hätten das gesehen, hätten die verwunderten Augen vollgesogen von den kleinbeschränkten Wahrheiten und wären, ohne sich über die zerstörte Illusion aufzuregen, wieder in die Lissen gekrochen, um entweder zu wachen oder einzuschlafen. Unser Fritzle aber? Er sah das, was er nicht sah, an erster Stelle, das fehlende Christkind, und was er sah, das wurde ihm zur Nebensache. Er wurde blass, und das aufgeregte Herz konnte sich nicht beruhigen. Nicht weil das Christkind nicht anwesend war, sondern weil das Mutterle ihm in dieser Stunde der Enttäuschung aus dem absoluten kindlichen Vertrauen glitt. Er schlich, tief innen im Herzen enttäuscht, in die Rissen zurück und weinte und stammelte vor sich hin: „Gelogen, das Mutterle hat dich belogen!"

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