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Das mit uns: Roman
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Das mit uns: Roman

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About this ebook

Daniel und Martin heiraten, doch was bedeutet das für beiden ungleichen Freunde? Martin richtet die Wohnung gemütlich ein, hat eine Dachdeckerfirma übernommen und zahlt die Kredite ab. Daniel fürchtet nichts so sehr wie seine sexuelle Freiheit zu verlieren. Er kann die Geborgenheit bei Martin nur genießen, wenn sein Hunger auf Sex auch anderweitig gestillt wird.

Nachdem Fabian Kaden in seinen erotischen Romanen das Fest einer geradezu zügellosen Sexualität gefeiert hat, schafft er mit Daniel jetzt eine Figur im Übergang: Freiheit und Verantwortung, eigene Bedürfnisse und Rücksichtnahme, Geborgenheit und wilder Sex – wie kann man das unter einen Hut bringen, ohne sich selbst zu verbiegen, den Freund zu verletzen und allein dazustehen? Bleibt nur ein fauler Kompromiss? Daniel zieht zu Martins Bruder Samir, stößt seinen besten Freund Bambi vor den Kopf, geht auf den Strich und will immer auch noch Martin! So lotet der Autor einen Konflikt aus, den – so oder so – jedes schwule Leben kennt, wenn die Sturm- und Drangphase zuende geht und die eigene Werteskala sich unmerklich verändert.
LanguageDeutsch
Release dateFeb 1, 2012
ISBN9783863001094
Das mit uns: Roman

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    Das mit uns - Fabian Kaden

    2012

    1

    Unsere Trauung sollte Anfang April über die Bühne gehen, an einem Freitag, nachmittags um halb vier. Schon beim Frühstück wurde mir in der Magengegend etwas flau. Hoffentlich würde ich nachher beim Ja-Wort nicht zu heulen anfangen! Von den Leuten, die kommen wollten, hatte mich außer Bambi nie jemand weinen sehen, nicht mal Martin, und dabei sollte es auch bleiben. Nein, es ging mir nicht besonders, aber schließlich hatte ich auch noch keine Übung im Heiraten.

    Wenigstens für unsern Hochzeitstag hatte Martin seinen Leuten freigegeben und die Bude zugemacht, und wir starteten mit einem 3-Sterne-Frühstück in unserem XXL-Kernbuche-Bett. Er hatte an alles gedacht, mein wohlgeordneter Gatte, doch mein Appetit hielt sich in Grenzen und schon das erste Glas Sekt stieg mir zu Kopf. «Komm, lass uns jetzt noch einmal etwas vollkommen Unaussprechliches tun», bettelte ich. «Zum letzten Mal als freie Menschen.»

    «Sieh mal an, kriegst du kalte Füße?» Martin lächelte seelenruhig, aber ich kannte ihn; er war mindestens genauso nervös wie ich.

    «Quatsch mit Soße.» Ich schlug mein Frühstücksei auf seinem Kopf auf. «Es ist bloß, vielleicht verändert sich ab morgen alles? Heißt es nicht, die Ehe stumpft die Triebe ab?»

    «Meine bestimmt nicht. Ehrenwort!»

    «Langsam, langsam … Willst du etwa behaupten, dass du mich für alle Zeiten wie ein feuriger Prinz in deine starken Arme nimmst?»

    «Jawohl, meine Prinzessin, das werde ich tun.»

    Große Töne, dachte ich still bei mir. Besonders stürmisch war es zwischen uns eigentlich nie zugegangen, und inzwischen gab es schon Wochenenden, wo außer Kuscheln nichts passierte. «Nein, das wirst du wohl nicht», meinte ich betrübt. «Wollen wir wetten?»

    «Die Wette hast du schon verloren.» Martin wurde feierlich. «Ab heute Nachmittag, den Trauring an meinem Finger, werde ich an guten wie an schlechten Tagen voller Inbrunst meine Mannespflicht erfüllen. Ich kann nämlich gar nicht anders. Weil – du weckst das wilde Tier in mir!»

    «Ein Bär mit Charme!» Ich seufzte. «Geh sparsam damit um! Damit er für die nächsten hundert Jahre reicht!»

    Martin wischte sich mit der Papierserviette über die Lippen und schaute mich nachdenklich an. Kamen ihm Zweifel? Plötzlich sagte er mit sonorer Stimme: «Also frage ich dich, Daniel Schuster, willst du den hier anwesenden Martin Mender zu deinem Ehemann nehmen und lieben und achten, bis dass der Tod euch scheidet?»

    «Oh Gott, Herr Pfarrer! Wenn der hier anwesende Martin Mender nicht unverzüglich seine große, starke Hand auf meinen hungrigen kleinen Hintern packt, wird es mit uns ein böses Ende nehmen.»

    Eine Minute vor halb vier keuchten wir die Treppe zum Standesamt empor. Wir hatten die Zahl der Gäste mit Bedacht minimal gehalten. Gerade zwölf Minuten dauerte die Zeremonie. Ich sagte artig Ja und fühlte nichts Besonderes dabei. Meinen Nachnamen durfte ich behalten. Die Standesbeamtin war ein kleines, feistes Geschöpf, und wir mochten uns nicht. Mit süßlichem Singsang zog sie ihre Nummer durch. Selber trug sie keinen Ehering und hatte hässliche Zähne. Martin wirkte ein bisschen benommen, als ob er fürchtete, irgendetwas falsch zu machen. Anschließend begann das große Umarmen. Der alte Linke umarmte zuerst Martin und anschließend sogar mich. Er hatte schon wieder eine Fahne. Auch die Zwillinge umarmten Martin und mich, allerdings etwas steif. Dann kam Mama Loo mit ihren kecken Einssechzig. Den Namen hatte sie von irgendeinem Song aus ihrer Jugend. Ihre Arme umschlangen meinen Hals. Sie schob ihre drallen kleinen Titten gegen meine Brust und schluchzte auf. «Mein Kleener. Jetzt hast du wieder eine Familie.» Sie fuhr voll ab auf mein Waisenkind-Schicksal. «Jetzt hast du wieder eine Familie», wiederholte sie.

    Die Zwillinge grinsten anzüglich und Thanassis wurde rot wie eine Ampel, als ich ihn umstandslos an mich drückte. Er war schüchtern im Hintergrund geblieben, fürchtete bestimmt, dass irgendwie doch was raus kam, aber unser kleines Geheimnis blieb bei mir gut aufgehoben. Der arme Kerl lebte noch bei seiner Sippe, und sie hatten ihn offenbar zum Frisör geschickt. Wie seine Ohren plötzlich im Freien standen, dazu der brave Anzug – zum Verlieben!

    Als letzter stand Bambi vor mir. «Euer Lehrling?», fragte er flüsternd. Flinker Seitenblick zu Thanassis.

    «Seit Februar Geselle», antwortete ich. «Außerdem, vergiss es. Hetero.»

    «Hetero?», rief Bambi entsetzt. «Da gibt’s doch was von Ratiopharm!»

    «Und sonst?» Ich tat beleidigt. «Dann schon mal danke für den Besuch!»

    «Wie, was denn noch?» Bestürztes Gesicht. «Ach ja, Glückwunsch.» Bambi öffnete seine Arme zu einer schamlos übertriebenen Gratulation. «Ich bin so aufgewühlt, ganz sprachlos macht mich das. Gestatten, dass ich mich schnäuze?» Wir umarmten uns lachend.

    Zu Fuß zog die Meute vom Rathaus rüber zur Grotte, wo Mama Loo seit ein paar Jahren in der Küche arbeitete und Salvo einen Raum für uns vorbereitet hatte. Ein Büfett wurde hereingerollt, mit brennenden Wunderkerzen, und alle standen auf und klatschten.

    Thanassis hängte sein Jackett über die Stuhllehne. Er hatte diese berühmte Milch-und-Honig-Haut, große, dunkle Augen mit langen Wimpern, einen weichen Jünglingsbart. «Wie ein Milchkälbchen», stöhnte Bambi. «Ist da irgendwas mit euch? Komm, verrat es mir!» Er sah toll aus mit der neuen Armani-Brille, irgendwie noch aparter, stärker. Ich wollte gerade eine Andeutung fallenlassen, als Meister Linke mit seiner Gabel gegen ein Weinglas schlug. Er war ein eitler Pfau, fett geworden aus Mangel an Bewegung, und erwartungsgemäß handelte seine Ansprache vor allem von ihm selbst, das heißt, von seiner epochalen Lebensleistung. «Jetzt kann ich mich endlich zurückziehen, weil Martin das Zeug hat, das Steuer zu übernehmen. Als Stift hat er bei mir angefangen, falls sich daran noch einer erinnern kann. Er ist herangereift, jawohl. Ich hab ihm alles beigebracht, und jetzt ist er soweit. Die Firma ist in unserer Branche ein Begriff! Haltet den guten Namen sauber!» Er schwankte ein wenig, stützte sich auf dem Tisch ab und schien zu überlegen, was er eigentlich hatte sagen wollen. «Fünfunddreißig Jahre Linke-Dach», schmetterte er in die Versammlung, als erwarte er dafür Applaus. Die Zahl war mir nicht neu, doch auf einmal erschreckte sie mich. Ich sah zu Martin; er bemerkte es nicht. In fünfunddreißig Jahren würde ich stramm auf die Sechzig zugehen. Mama Loo war zweiundfünfzig, darunter konnte ich mir zur Not noch etwas vorstellen, wie ich sie quicklebendig am Tisch sitzen sah mit ihren jungen Augen und den vielen Lachfalten, die bestimmt nicht nur vom Lachen kamen. Aber 60?

    «Also, Kinder», rief Linke. «Jeder hier weiß es, ich war immer für offene Worte. Zwei Männer, die auch noch heiraten, das bleibt für mich komisch, dafür bin ich wohl inzwischen zu alt. Aber trotzdem, ehrlich, ich wünsche euch Glück!» Er schniefte ergriffen. «Und? Vertragt ihr zum Schluss noch einen Vers?» Frohes Genicke. Linke hob seinen Zeigefinder. «Auf einem Friedrichshainer Teiche/ schwimmet eine Frauenleiche. An ihren vollen Brüsten/ Frösche sich gelüsten. In ihrem Geschlechtskanal/ windet sich ein feister Aal./ Ihr Arsch ist bemoost. Denn mal Prost!» Der Applaus war herzlich, belohnte aber vielleicht vor allem Linkes überraschende Kürze.

    Dass als nächster Bambi aufstand, um etwas zu sagen, hatte ich nicht erwartet. Womöglich war ihm die Idee gerade erst gekommen, um Thanassis zu beeindrucken? Im Gegensatz zum alten Linke kannte meinen Freund Bambi außer Martin und mir niemand in der Runde, und er wirkte aus allen denkbaren Blickwinkeln höchst exotisch. Seine Stimme war nahe am Gefrierpunkt. Ich wusste, wozu seine scharfe Zunge imstande war, und hielt vergnügt den Atem an. Er sagte: «Aus gegebenem Anlass richtet sich mein schlanker Wortbeitrag weniger an Daniel und Martin als an ihre Gäste, immerhin Menschen …», er dehnte die Unterbrechung genüsslich, «… mit denen das Paar leben wird.» Streng blickte Bambi durch seine Brille von Gesicht zu Gesicht. «Die Bibel», rief er, «enthält sechs Ermahnungen an Homosexuelle.» Bedeutungspause. «Und sie enthält 362 Ermahnungen an Heterosexuelle.» Erstaunte Minen. «Soll das heißen, dass Gott die Heterosexuellen nicht liebt?» Ratlosigkeit. «Noch nicht, nein. Sie brauchen einstweilen nur strengere Aufsicht.» Bambi nickte höflich und setzte sich wieder, scheinbar unbekümmert, ob überhaupt irgendwer ausreichend Grips oder Humor besaß, seine kleine Ansprache zu würdigen oder wenigstens zu verstehen.

    Wegen der Reden war die Musik abgestellt worden, und mitten hinein in den leicht peinlichen Augenblick unschlüssiger Stille platzte ein neuer Gast. Bisher hatte ich ihn nur auf Fotos gesehen. Mama Loo stürzte schluchzend zu ihm hin. Er ließ ein Ungetüm von Seesack von seiner Schulter auf den Boden rutschen und strich ihr lächelnd über das erhitzte Gesicht. Auch Martin stand auf, und ich sah, wie er sich freute. Er schloss den Neuen fest in seine Arme, wobei er ihn um einen guten halben Kopf überragte. «Mein Bruder», sagte er. «Mein kleiner Bruder.»

    Viel wusste ich nicht von diesem Samir. Nach Martins Einschulung war Mama Loo noch einmal schwanger geworden, von einem One-Night-Stand mit einem Einheimischen im Tunesien-Urlaub. Martin gab kaum etwas preis, aber er dürfte den Mischlings-Balg gehasst haben, zumindest am Anfang. Irgendwann sagte er zu mir: «So ein Baby hat eben immer Vorfahrt, und währenddessen wischst du der Alten die Kotze weg.» Samir war das Gegenteil von Martin gewesen, ein wilder Junge, nach der Achten von der Schule abgegangen, einfach kein Sitzfleisch, dabei aber intelligent und voller Phantasie. Eine Tischlerlehre hatte er drei Tage vor dem Abschluss abgebrochen, war seitdem weg aus Berlin, mit verschiedenen Zirkussen als Zeltarbeiter und Requisiteur unterwegs und höchstens alle paar Jahre mal kurz zu Hause aufgetaucht. Auch Mama Loo sprach nicht gerne über Samir. Vermutlich fürchtete sie den Vorwurf, als Mutter versagt zu haben. Wie die meisten Trinker litt sie unter quälenden Schuldgefühlen. Letztes Weihnachten hatte sie sich bei mir ausgejammert. «Samir ist ein Raufbold und Weiberheld, na und? Habe ich deswegen alles falsch gemacht? Wer will den ersten Stein werfen? Den Arsch aufgerissen hab ich mir. Bring du mal zwei Jungs alleine durch! Nein, Schluss. Ich hab getan, was ich konnte. Irgendwann muss es genug sein. Meine Uhr tickt. Bin ich denn nicht endlich irgendwann mal selber dran?»

    Und jetzt stand er plötzlich vor mir, Martins legendärer Halbbruder, und reichte mir eine dunkle, feste Hand. «Das ist Daniel, mein Mann», stellte Martin uns vor. «Und das ist mein Bruder, Samir.»

    «Quasi mein Schwager», witzelte ich, aus unerfindlichen Gründen verlegen.

    «Alles Gute.» Samir sah mir ausdruckslos ins Gesicht. «Ich wünsche euch beiden, dass ihr es schafft.»

    Die Brüder verdrückten sich auf einen Wiedersehens-Schnaps nach vorne zum Tresen, während ich auf der Straße mit den Zwillingen eine Zigarette rauchte. Es kamen noch ein paar Gäste, Freunde von Martin, die inzwischen sogenannte gemeinsame Freunde geworden waren. Streng genommen hatte ich aber eigentlich keine Freunde, außer Bambi natürlich, und sie fehlten mir auch nicht. Freundschaften benötigen Zeit, und so, wie ich lebte, blieb mir keine freie Minute. Vormittags schmiss ich das Büro bei Linke-Dach, und falls nicht alle heuchelten, machte ich das richtig gut. An zwei bis drei Nachmittagen oder Abenden gab ich Aerobic-Kurse in einem günstigen, angesagten Sportstudio im Prenzlauer Berg, keine Musik, keine Freihantel, keine gespreizten Männer-Darsteller, dafür Frauen und Schwule, alles sehr entspannt. Dort trainierte ich auch selber, mindestens dreimal die Woche, hinterher Sauna, und zusammen mit meinen Kursen hielt das meinen Körper in Topform. Ich war ein leckeres kleines Fickding, und das war auch gut so.

    Thanassis tanzte mit Mama Loo. Sie hatte schon kräftig getankt. Bambi holte sich Martin, doch sein Blick kugelte unentwegt rüber zu dem kleinen Griechen. Warum auch nicht? Wie hätte ich mich gefühlt an Bambis Stelle? Ich wäre von seiner Hochzeit auch nicht alleine nach Hause gegangen. Samir saß einsam am Tresen, mit einer Flasche Grappa. Beobachtete er mich? Sobald ich zu ihm hinsah, schaute er weg. Vater Linke machte den DJ, spielte Geräusche aus der Steinzeit, und Mama Loo fiel kreischend vom Stuhl, als Alphaville losging, Forever Young …

    «Du bist sehr schön.» Martin küsste mich aufs Ohr.

    «Das wurde auch mal wieder Zeit», maulte ich. «Dir ist hoffentlich klar, dass es so nicht weitergeht? Schließlich ernähre ich mich von Komplimenten. Und ich denke, dass ich heute Nachmittag einen Rechtsanspruch erworben habe, welche zu bekommen, so oft ich möchte.»

    «Was denn, etwa jede Woche?»

    «Bitte? Stündlich!»

    «Oh … Bin ich schon in Verzug?» Er blickte mit gerunzelter Stirn auf seine Armbanduhr. «Moment …»

    Ich mochte es, solche Geplänkel bis zum Geht-nicht-mehr hochzuschrauben. Mit Bambi konnte ich das. Martin ging leider meistens auf halber Strecke die Puste aus, und dann ließ ich ihn besser in Ruhe. Was jeder vor dem Eintritt ins Eheleben wissen sollte? Das Glück ist eine Frage der Bescheidenheit.

    «Also …» Er räusperte sich. «Du bist schön. Du bist sehr schön. Du bist sehr, sehr schön.»

    «Brav.» Er bekam einen Kuss. «Reicht erst mal bis Mitternacht.»

    Auf der Toilette traf ich Bambi. Er verwickelte mich gleich in ein Verkaufsgespräch. «Sagen Sie, dieses Milchkalb mit den Ohrenhenkeln, können Sie das empfehlen?»

    «Bedaure», antwortete ich. «Nur Dekoration, unverkäuflich. Aber dürfte ich Ihnen stattdessen vielleicht … »

    «Unverschämtheit, was erlauben Sie sich! Ich weiß genau, dass Sie mir diesen schwitzenden alten Dachdecker andrehen wollen. Das sage ich Ihnen gleich, den können Sie behalten!»

    «Aber bitte bedenken Sie, er wäre dankbar für jede Inbetriebnahme und außerdem auch handwerklich sehr geschickt.»

    «Rabatt?», erkundigte sich Bambi spitz.

    «Ach was, geschenkt! Und dazu gratis eine Flasche Kräuter! Darf ich den Alten schon einpacken?» Wir sahen uns an und lachten. Dabei war ich mit einem Mal fast melancholisch. «Bambi-Schatz, noch eine Bitte.»

    «Alles, was du willst.»

    «Versprichst du mir was? Hier und jetzt? Versprich mir, falls dir eines Tages auffällt, dass ich mich verändere, oder wenn du denkst, dass ich irgendwie Murks mache, dann sag mir Bescheid, okay?!»

    Bambi nahm mich in den Arm. Er flüsterte: «Ich hab dich lieb.» Obwohl nur zwei Jahre älter als ich, erschien er mir oft als mein Fels in der Brandung.

    «Ich dich auch», sagte ich. «Versprochen?»

    «Versprochen.» Er ging zur Tür. «Und was den kleinen Gesellen angeht, mach dir mal keine Sorgen. Ich merke schon, wie verspannt er ist wegen eurer Kollegen. Ich kompromittiere ihn …» Er lachte auf, eine Prise Bitterkeit war unüberhörbar. «Lass uns noch mal anstoßen, und dann zieh ich langsam los. Mir hängt da noch was in der Warteschleife. Du wärst nicht böse?»

    «Untröstlich», rief ich. «Ich komm gleich.»

    Bambi ging vor. Ich schmiss mir noch ein paar Hände kaltes Wasser ins Gesicht und betrachtete mich im Spiegel. Martin hatte recht, ich sah wirklich gut aus. Unauffälliger als Bambi mit seiner aufreizenden Zartheit, irgendwie einen Tick bodenständiger, aber immer noch weit über Durchschnitt. Ich probierte ein paar Grimassen, als plötzlich die Tür aufging – und hinter mir stand Samir. Er kam so dicht an mich heran, dass ich die Wärme seines Körpers zu spüren meinte.

    «Hoppla», sagte ich zu unserm Spiegelbild. (Hoppla? Hatte ich wirklich hoppla gesagt? Das war ja absolut unterirdisch …)

    Samir glotzte stumm und rückte kein Stück beiseite.

    «Was ist?»

    Er rührte sich nicht.

    «Mann, du bist peinlich!»

    «Sorry», murmelte er, und jetzt merkte ich es, er war blau wie ein Schlumpf. «Ich wollte bloß sagen …»

    «Was denn?», fauchte ich. «Sag’s doch!»

    «Da gratuliere ich.» Sein Atem strich über meinen Hals. Stocksteif stand ich da. Es fühlte sich gut an, fast gleich groß zu sein; Martin reiche ich ja nicht mal bis unter die Nase. «Da muss ich meinem Bruder gratulieren!»

    In solchen Situationen fehlte mir Bambis ätzende Schlagfertigkeit.

    «Warum machst du das?» fragte ich hilflos.

    «Was denn?»

    «Idiot. Lass mich raus.»

    Sofort trat Samir einen Schritt zurück, und ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen, flüchtete ich aus dem Klo wie eine frustrierte Zicke. Was war mit mir los? Es lag an Samir, seiner penetranten Art. Die Chemie stimmte zwischen uns einfach nicht. Draußen lief irgendwas von Tina Turner, das Mama Loo in Ekstase versetzte. Wie sie herumsprang und ihr Becken schwenkte! Sie tanzte mit Martin und sah aus wie ein zerzaustes Pavianweibchen auf Pilzen. Martin tappste behutsam um sie herum, als wollte er eine Schutzmauer errichten, damit sie beide keinen Schaden nahmen, Mama Loo und die Welt. Ich staunte wieder einmal bei der Vorstellung, dass ihr kleiner, zäher Körper diesen starken Mann hervorgebracht haben sollte, mit dem ich seit heute Nachmittag offensichtlich verheiratet war.

    Unser Heimweg war mir am nächsten Morgen nur noch bruchstückhaft in Erinnerung. Nach meinem Scheidebecher mit Bambi hatte ich mich am Tresen mit der Grappa-Flasche eines gewissen Herrn befasst, während dieser für den Rest des Abends vom Fest verschwunden blieb. Schämte er sich? Recht so, dachte ich. Irgendwann hatte ich wohl noch getanzt (mit wem bloß?), und wurde schließlich an der frischen Luft von zwei starken Männern untergehakt.

    Der unverwüstliche Linke stützte mich rechts, Martin links. Meine Füße taten mir weh, mein Schädel brummte und ich war verheiratet und besoffen wie in meinem ganzen Leben noch nie. Martin und Linke redeten schon wieder übers Geschäft, es gab so viel zu organisieren für den Ausstieg des Alten und Martins Übernahme, der Kredit, Termine beim Notar, solches Zeug, das mir momentan überhaupt nicht gut tat. Auf der Straße war kein Mensch mehr, und auf einmal dehnte sich der ganze lange Rest meines Lebens bis zum Horizont vor mir aus. «Linke-Dach, guten Tag! – Aber sicher, ich nehme das auf, und der Chef ruft sie heute noch zurück.»

    «Alles in Ordnung?», hörte ich Martin rufen, dann machte ich mich los, kam gerade noch bis zum nächsten parkenden Auto – und kotzte ihm volle Kanne auf den Kühler. Überraschenderweise flog die Fahrertür des Wagens auf, es war ein hellgrauer Passat. Ein Typ stand vor mir. Die Knopfleiste seiner 501 schwankte vor meiner Nase, und er brüllte auf mich runter. Wollte er mir eine knallen? Alles ging so schnell! Wie ein Raubtier schoss ein Schatten an mir vorbei und riss den Jeansmann um. Schläge klatschten. Der Schatten war Samir. Keine Ahnung, aus welchem Versteck er plötzlich auf die Bühne gesprungen war. Ich saß sabbernd auf dem Bordstein. Martin zog mich hoch. Linke zerrte

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