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Geschichten aus fernen Traumwelten. Komplexe Traum - Kurzgeschichten: Albträume, Vampire, Werwölfe, Erlebnisse im Jenseits.
Geschichten aus fernen Traumwelten. Komplexe Traum - Kurzgeschichten: Albträume, Vampire, Werwölfe, Erlebnisse im Jenseits.
Geschichten aus fernen Traumwelten. Komplexe Traum - Kurzgeschichten: Albträume, Vampire, Werwölfe, Erlebnisse im Jenseits.
Ebook368 pages5 hours

Geschichten aus fernen Traumwelten. Komplexe Traum - Kurzgeschichten: Albträume, Vampire, Werwölfe, Erlebnisse im Jenseits.

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About this ebook

Geschichten aus Träumen transkribiert. Der Autor trainierte jahrelang die Kunst des Träumens und entwickelte aus ihnen komplexe Kurzgeschichten, in denen es um Erlebnisse im Jenseits, Auseinandersetzungen mit Albträumen, Werwölfen, Vampiren und anderen seltsamen Wesen aus den Tiefen des Unterbewusstseins. Doch braucht man hier nicht eine düstere, negative Welt erwarten, sondern vielmehr einen spielerischen Umgang mit der Welt der Träume sowie eine konkretisierte Darstellung verborgener Welten, die der Mensch jeden Morgen nach dem Erwachen oftmals augenblicklich vergisst.

LanguageDeutsch
PublisherKlarant
Release dateMay 4, 2013
ISBN9783943838770
Geschichten aus fernen Traumwelten. Komplexe Traum - Kurzgeschichten: Albträume, Vampire, Werwölfe, Erlebnisse im Jenseits.

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    Book preview

    Geschichten aus fernen Traumwelten. Komplexe Traum - Kurzgeschichten - Jonathan Dilas

    Flucht

    Vorwort

    Welches Genre teilt man einem Buch zu, dessen Autor es sich zur Aufgabe macht, seine Träume zu Geschichten auszuformulieren? Diese Frage habe ich mir oft gestellt, insbesondere wenn die Presse meine Geschichten zuweilen dem Genre Mystery oder Science-Fiction zugeordnet haben. Dies ist aber nicht unbedingt richtig, wenn ich doch der Ansicht bin, dass unsere nächtlichen Träume Erlebnisauszüge aus fernen Welten sind, die wir Menschen normalerweise nur fragmentarisch erinnern können. Doch mit viel Training, Geduld und Beharrlichkeit ist es möglich, kontinuierlich Träume zu erfahren, die zunehmend klarer, zusammenhängender und aussagefähiger werden.

    In den 90ern wagte ich mich an das Verfassen von Kurzgeschichten, da mich meine persönliche Auseinandersetzung mit der Welt der Träume und der Steigerung der Erinnerungsfähigkeit durchaus in eine günstigere Inspiration beförderte. Somit sind die meisten Kurzgeschichten in diesem Buch tatsächlich transkribierte Träume, die ich nur mit einigen standardisierten Details sorgfältig ausgeschmückt habe, damit es sich besser und angenehmer liest. Oft suggerierte ich mir des Nachts lebhafte Träume, eine gute Erinnerungsfähigkeit, und manchmal sogar Albträume. Auf diese Art schuf ich Schritt für Schritt eine deutlichere Verbindung zu meiner Inspirationsquelle, die so immer greifbarer und greifbarer wurde, je mehr ich mich der anderen Welt öffnete.

    Die vorliegenden Kurzgeschichten stellen in ihrer Gesamtheit eine Reise, die jeder Leser in jedem beliebigen Moment auch selbst antreten kann, vermutlich ein bisher einzigartiges Werk dar und freue mich, sie dem Leser nun präsentieren zu dürfen.

    Ihr

    Jonathan Dilas

    Die Telepathin

    Ich kann mich noch genau an ihr Gesicht erinnern. Sie hatte eine kleine, runde Nase, schmale, fast asiatische Augen und einen kleinen Mund. Ihre Ohren waren etwas groß und liefen nach oben hin etwas spitz zu.

    Wenn ich an jenen Tag zurückdenke, als sie mir ins Büro geschickt wurde, kann ich sehr genau wiedergeben, wie sie aussah und was sie getragen hatte. Nachdem sie völlig lautlos durch mein Büro schlich und sich alles genau angeschaut hatte, als wollte sie sich jedes Detail für immer in ihr Gedächtnis brennen, nahm sie Platz auf dem Stuhl, der für sie vorgesehen war. Nun saß sie mir gegenüber.

    Ich vermutete, dass ihre Haare dunkel waren, ja, sie hatten einen roten Schimmer, vielleicht hatte sie ihre Haare irgendwann einmal gefärbt. Mittlerweile hatte sie ihre Beine bis zum Körper hochgezogen, und ihre blanken Fußsohlen stützten sich an der Kante der Sitzfläche ab. Leicht schwang sie ihren Körper hin und her.

    Ich runzelte meine Stirn. Meine Neugier war noch immer nicht gestillt. Ich wollte mehr von ihr sehen. So glitt mein Blick weiter an ihr hinauf und ich sah, dass sie eine schwarze Hose trug, die unten ein wenig umgeschlagen war. Als ich weiter hinaufschaute, erblickte ich seitlich einen schmalen, schwarzen Gürtel und der Bund der Hose lappte ein wenig darüber. Im Weiteren trug sie eine hellblaue, verwaschene Bluse, die sie in die Hose gestopft hatte. Die obersten zwei Knöpfe der Bluse waren geöffnet, aber sie gewährte mir keinen Einblick in ihr Dekolleté, weil ihre Knie störten, doch dafür konnte ich ihren Hals deutlich sehen. Er war wunderschön eben, und wenn sie ihren Kopf zur Seite drehte, traten malerisch gezeichnete Sehnen hervor. Ihr Kinn war rund und makellos geformt, als hätte sie das Alter von zwanzig Jahren nie überschritten. Weiter durfte ich nicht blicken!

    Natürlich hätte ich gern in ihre Augen geschaut, einen inneren Kontakt zu ihr aufgenommen, so, wie man es eigentlich mit allen Menschen tut, denen man begegnet, aber in diesem Fall war dies nicht möglich. Nein, so gern ich es auch getan hätte, es war nicht erlaubt! Sicher, ich arbeitete bereits seit sechs Jahren in diesem Büro, und ich habe bisher jeden direkt angeschaut, der hier saß, doch bei dieser jungen Frau war es anders. Sie war nämlich zuvor bei meinem Kollegen. Der liegt nun in der Krankenabteilung. Ins Krankenhaus hatten wir ihn nicht bringen dürfen, denn das Büro, in dem ich saß, gab es offiziell gar nicht. Auch gab es das Institut nicht, für das ich arbeitete, selbst wenn es staatlich finanziert wurde.

    Um mich nun von dem Wunsch, ihr in die Augen zu blicken, abzulenken, starrte ich weiter auf ihre Akte. Ich sprach ihren Namen laut aus, als sei es eigentlich eine Frage, die sie nun zu bestätigen hatte. Sie antwortete immer nur mit einem »Mmh«, und aus den Augenwinkeln heraus sah ich, dass sie mich nicht fixierte, sondern dass sie ihren Kopf mal nach links und dann wieder nach rechts drehte. Sie schien immer noch dabei zu sein, mein Büro peinlich genau zu studieren.

    Auf dem Einlieferungsformular stand, dass sie ohne Anwendung von Gewalt in dieses Institut gebracht worden war. Sie sei freiwillig mitgegangen, so hieß es in einer Zeile für sonstige Bemerkungen.

    Im Weiteren fand ich auch noch einen handgeschriebenen Zettel. Es war die Handschrift meines Kollegen, das konnte ich genau erkennen. Er hatte mir so manches Mal eine Notiz auf meinen Schreibtisch gelegt, wenn er mir etwas mitteilen wollte. Dieses Mal jedoch handelte es sich um einige Notizen, die er für sich selbst geschrieben hatte, welche die mir gegenübersitzende Person betrafen. Die Notizen schienen in aller Eile geschrieben worden zu sein, und ich begann, die Handschrift zu entziffern.

    Plötzlich teilte sich etwas in mir in zwei Hälften, es war kein starkes Gefühl, sondern eher ein ganz seichtes, irgendwo weit im Hintergrund. Eine dieser Hälften nahm etwas Unangenehmes wahr, es war ein Lächeln. Es war das Lächeln dieser jungen Frau. Ich blickte hoch, aber nur bis zu ihrem Kinn, und tatsächlich, sie lächelte. Sie wusste also, dass mein Kollege diese Notiz geschrieben hatte. Als ich den Zettel näher an meine Augen hielt, um seine Handschrift noch besser entziffern zu können, las ich etwas über einen »allgemeinen Zustand« und »verdrehte Denkweise der Patientin«.

    Patientin. Na ja, dieses Wort ist schon immer von so manchem Institut ausgenutzt worden. Ich konnte mir sehr gut vorstellen, dass sie diese junge Frau doch mit Gewalt hierher gebracht hatten und dass sie sich selbst bestimmt nicht als Patientin betrachtete, sondern als völlig normal.

    »Normal«, sprach sie plötzlich laut aus.

    Ich erschrak regelrecht. Zuerst hatte ich es gar nicht verstanden, aber plötzlich schoss es mir durch den Kopf. Immerhin war das Wort, dass sie laut aussprach genau das, was ich zuletzt gedacht hatte. Vielleicht war es ein Zufall, vielleicht aber auch nicht. Diese junge Frau ist immerhin zu mir gebracht worden, weil sie gewisse abnorme Verhaltensweisen gezeigt haben soll. Langsam wurde ich doch unruhig und musste wieder an meinen Kollegen denken. Er soll die ganze Zeit geschrieen und um sich geschlagen haben, als er in die Krankenabteilung gebracht wurde.

    Mit großem Nachdruck wurde mir daraufhin gesagt, dass diese Frau, die sie mir ins Büro bringen würden, extrem gefährlich sei und ich unbedingt vermeiden sollte, ihr direkt in die Augen zu schauen. Mein Kollege hatte offensichtlich nicht widerstehen können. Vielleicht war aber alles doch nur Unfug und ein Test der obersten Etage, um meine Loyalität zu testen, doch das konnte ich getrost verwerfen, denn solche Tests wurden bestimmt nicht mit solch einem Aufwand durchgeführt, dass sie meinen Kollegen auf einer Trage davontragen mussten.

    »Woher kommen Sie?« fragte ich, da ich auf dem Einlieferungsformular keine Adresse und keinen Wohnort entdecken konnte.

    »Das darf ich nicht sagen!«

    Ach, eine von denen, dachte ich. Solche Früchtchen kenne ich. In der Regel sind es immer Frauen, die solche geheimnisvollen Aussagen machten, um entweder Verwirrtheit oder psychische Kräfte vorzutäuschen, die sie natürlich in jedem Fall nicht kontrollieren konnten und deshalb psychologische Hilfe benötigten.

    »Kommen Sie aus Deutschland?«

    »Nein, weder noch.«

    »Oder vielleicht aus einem anderen Land in Europa?«

    Darauf antwortete sie nicht mehr, sondern drehte wieder ihren Kopf mal nach links, dann wieder nach rechts, zumindest so weit ich es aus den Augenwinkeln feststellen konnte.

    »Warum sind Sie hierher gebracht worden?«

    »Gut formuliert«, entgegnete sie und schlang ihre Arme fester um ihre Beine, damit sie diese näher an den Körper heranziehen konnte.

    In diesem Moment fühlte ich, wie sie mich anstarrte. Sie hatte nun aufgehört in der Gegend herumzuschauen. Irgendwie meinte ich, ihre Augen auf meinem Scheitelpunkt zu fühlen und ich beschloss, mich ein wenig in dem Stuhl zurückzulehnen.

    In meiner linken Hand befand sich noch immer der Zettel meines Kollegen. Seine Schrift war einwandfrei schlecht und kaum zu entziffern. Ich las Worte wie: »Nicht mehr ausbalanciert« und »gespalten«, sowie »bedringlich« oder »besinnlich«. Plötzlich entdeckte ich, dass auch etwas auf der Rückseite geschrieben war, ein Lichtreflex ließ mich kurz ein wenig durch den Zettel blicken und so war es mir aufgefallen. Ich drehte den Zettel um und freute mich über eine wesentlich bessere Handschrift, aber bevor ich lesen konnte, was dort stand, hörte ich ihre Stimme:

    »Ich würde das nicht lesen!«

    Fast hätte ich automatisch aufgeblickt und in ihre Augen geschaut, wie man es so oft tut, wenn man plötzlich angesprochen wird, aber ich blieb wieder an ihrem Hals haften.

    »Was meinen Sie damit?«

    »So, wie ich es gesagt habe.«

    »Warum soll ich das nicht lesen?«

    »Das hat dein Kollege geschrieben und es ist besser, wenn du...« sie hielt inne und sprach einfach nicht mehr weiter. Mir schien es für einen Moment so, als hätte sie dies mit Absicht getan. Sie wollte gewiss meine Neugier steigern und verlangte nun wortlos, dass ich nachfragte, sie darum bat, ihren Satz zu Ende zu sprechen.

    ‚Nein’, dachte ich mir, ‚das werde ich nicht tun’.

    Als ich mich wieder nach vorn setzte, spürte ich wieder diese seichte Spaltung in mir.

    Erneut teilte sich etwas in mir und im selben Moment kam wieder dieser eine Gedanke. Meine Beine begannen zu zittern und ich versuchte meine plötzliche Unsicherheit unter dem Schreibtisch zu verbergen. Es war fast unerträglich.

    Es gibt manchmal Momente in einem Leben, da kann man einen Gedanken nicht mehr verwerfen. Er brennt sich ins Gehirn und schreit förmlich nach Ausdruck. Er möchte dann, dass man ihm Folge leistet.

    Gerade jetzt kam mir ein solcher Gedanke. Ich wehrte mich verzweifelt dagegen, hustete sogar, nur um mich abzulenken, diesen einen Gedanken zu verdrängen, ihn abzuschütteln wie ein lästiges Insekt, aber es war unmöglich. Ich rückte mit meinem Stuhl ein wenig nach vorn, meine Hände krallten sich in die Armlehne und ich hoffte auf Erlösung. Doch alles was ich tat, schien diesen einen Gedanken nur noch zu verstärken.

    »Schau mir in die Augen!« forderte sie beinahe flüsternd und sie hatte nun genau den Gedanken ausgesprochen, der sich auf unheimlichste Art und Weise in mein Gehirn eingebrannt hatte und danach rief, befolgt zu werden. Ich riss mich aber dennoch zusammen und widerstand ihrem fordernden Sog. Ich räusperte mich noch einmal, um meine Unsicherheit weiter zu verbergen, als sie mich plötzlich wieder ansprach:

    »Lies den Zettel!«

    Still in mir dankte ich ihr, denn mich nun einfach nur auf meine Papiere konzentriere, ja, das sollte Erleichterung bringen. So nahm ich den Zettel hoch, hielt ihn mir fast direkt vor Augen und versuchte die letzten Worte meines Kollegen zu entziffern, die er zum Glück in einer besseren Schrift niedergeschrieben hatte. Mein Blick war verschwommen und ich musste mehrere Male blinzeln, aber ich konnte es trotzdem lesen:

    »Es gibt manchmal Momente in einem Leben, da kann man einen Gedanken nicht mehr verwerfen. Er brennt sich ins Gehirn und schreit förmlich nach Ausdruck. Er möchte dann, dass man ihm Folge leistet.«

    Ich war geschockt. Ich war wirklich geschockt. Siedend heiß lief mir der Schweiß an der Stirn herunter, floss in meine Augen, dass sie zu brennen begannen. Meine Hände waren schlagartig feucht und ich rieb sie beinahe zwanghaft an meinen Oberschenkeln ab. Sie hatte mich! Diese Erkenntnis und auch die, dass es meinem Kollegen genauso ergangen sein musste, überflutete nun mein Bewusstsein… Ich blickte auf. Ja, ich schaute ihr direkt ins Gesicht und somit in ihre Augen. Ich erwartete nun das Schlimmste, aber nichts geschah. Sie lächelte und nickte nur mit dem Kopf...

    Dieses Nicken erinnerte mich an etwas, es war etwas aus meiner Kindheit. Ja genau, sie nickte und es belebte mich, es riet mir aufzuspringen und den ganzen Tag zu umarmen und zu wissen, dass ich in einer Welt lebte, in der alle Dinge ineinander griffen und zusammen gehörten. Doch dann tauchte diese Spaltung wieder auf und als ich endlich ihre Augenfarbe bestimmen konnte, schien sich etwas in ihr zu öffnen und all das, was in ihr existierte, strömte aus ihren Augen heraus und drang durch meine in mich hinein.

    Ich schrie laut auf und es blitzte immer wieder vor meinen Augen. Das Blitzen ebbte nun langsam ab und ohne darauf vorbereitet zu sein, nahm ich plötzlich Bilder wahr. Sie waren plastisch und deutlich, als blickte ich auf eine Leinwand.

    Als ich aufhörte, mich dagegen zu wehren, wurde mir klar, dass diese Bilder Erinnerungen aus ihrem Leben waren. Ihr ganzes Leben lief nun wie ein Film vor meinen Augen ab und ich erkannte, dass sie tatsächlich weder in Deutschland noch in Europa wohnte. Es war auch kein anderer Planet, als dass ich sie als eine Außerirdische hätte bezeichnen können, sondern sie kam ganz einfach aus einer anderen Realität. Ich hatte keine Fragen mehr an sie, weder ernst gemeinte noch obligatorische. Alles raste an meinen Augen vorbei, jede Situation und jeder Moment ihres Lebens. Die herzzerreißenden und auch die bewegendsten Momente. Kein Buch hätte ausgereicht, um ihr Leben zusammenfassen zu können, aber es gab einige Hauptpunkte in ihrem Leben, so etwas wie einen Lebenslauf:

    Sie wurde nicht so geboren worden wie wir. Man könnte wirklich sagen, dass sie als Erwachsene zur Welt gekommen war, so als sei sie ausgewachsen und ganz plötzlich in ihrer Welt erschienen. Zu Anfang wurde jedes Mitglied ihrer Realität mit Erinnerungen an Eltern und an eine Geburt angefüllt, aber sobald man eine Zeit lang dort lebte, zerfielen die Erinnerungen, und man wurde erwachsen. Erwachsen sein bedeutete aber so viel wie: erkannt zu haben, dass man von irgendwoher in diese Realität projiziert worden ist und man bekommt dann automatisch die Fähigkeit, sich woanders hinzuversetzen, wo immer man hin möchte. Ich nahm diese Welten wahr, die sie bereits besucht hatte, und ich verstand somit auch, warum man meinen Kollegen auf die Krankenstation gebracht hatte: Er hatte diesen intensiven Gedankentransfer einfach nicht verarbeiten können. Dieser lief eindeutig über die Augen ab, aber nur, wenn sie es wünschte. Ansonsten hätten ihre Streifzüge durch andere Realitäten gewiss nur nervliche Wracks hinterlassen. Vielleicht war ich psychisch etwas stärker als mein Kollege und konnte diese Informationen leichter verarbeiten. Ich weiß es nicht.

    Der Schweiß auf meiner Stirn war nun verschwunden, und ich konnte mich erleichtert zurücklehnen. Die letzten Bilder ihres bisherigen Lebens liefen an mir vorüber und fanden einen angenehmen Ausklang.

    Nachdem sie zusah, wie ich mich von dieser Erfahrung erholte, dankte ich Gott. Ich hatte gehofft, dass ich nicht wie mein Kollege enden wollte, und es war mir gelungen.

    Als ich sie anschaute, lächelte sie noch immer und ich tat es ihr nach.

    »Ist das jetzt alles wirklich wahr gewesen, was ich gerade gesehen und von dir empfangen habe?« fragte ich sie stammelnd.

    Sie nickte wissend, so wissend, dass es keinen Zweifel mehr zuließ.

    »Das ist ja unglaublich«, sagte ich und atmete noch einmal tief durch.

    »Ich weiß«, entgegnete sie.

    Trotz aller Vertrautheit, die ich nun ihr gegenüber empfand, denn ich hatte immerhin ihr ganzes Leben erlebt, meinte ich doch noch eine List in ihrer Stimme zu erkennen. Ja, da war definitiv etwas Listiges in ihrer Stimme, so als hätte sie die ganze Zeit einen Plan verfolgt, den sie mir aber bei dem Gedankentransfer vorenthalten hatte. Ich schaute erneut in ihre Augen, trotz der Angst, dass ich das Ganze noch einmal mit durchmachen musste und hoffte, genau diese eine Information zu erhalten, die noch fehlte; dem ganzen Geschehen hier einen Sinn geben. Wozu sie überhaupt gekommen war und warum sie sich hat freiwillig in dieses Institut bringen lassen? Mit ihren Kräften hätte sie doch jederzeit fliehen können. Ich wollte unbedingt den Sinn des Ganzen verstehen.

    »Ich kann es nicht ergründen, aber ich will es trotzdem wissen«, sagte ich mit dem Wissen, dass ich nicht mehr sagen musste, um sie verstehen zu lassen, was ich von ihr wollte.

    »Du willst alles wissen, stimmt's?«

    »Ja, ich will.«

    »Gut, mehr wollte ich nicht. Ich wollte nur deine offene Zustimmung, denn ohne die hätte ich es dir nie sagen dürfen.«

    Sie öffnete ihre Sitzhaltung, stand auf und schaute zur Tür.

    »Wohin willst Du? Willst Du jetzt einfach so verschwinden?«

    Sie schüttelte mit dem Kopf.

    »Was hast Du dann vor? Möchtest Du jetzt wieder in eine andere Realität springen?«

    »Nein,« sagte sie, »ich will Dich nur zurückbringen.«

    Gefoppt

    An einem schönen Sonntagabend saß ich mit einem Bekannten, den ich schon seit längerer Zeit nicht mehr gesehen hatte, in einem Café. Er hatte sich ein Bier bestellt und ich verblieb alkoholfrei mit einer Apfelschorle.

    Es war ein wundervoller Abend und die meisten bevorzugten es, wie wir auch, draußen zu sitzen. Während er sich eine Zigarette drehte, begann er zu erzählen:

    »Weißt du, ich mach jetzt in Computer. PCs und so, kennst du ja. Habe mich mit ein paar Freunden selbständig gemacht und eine richtige Firma gegründet. Mittlerweile sind wir schon sehr gefragt, mehr so gehobener Standard, wenn du verstehst, was ich meine?!«

    Ich nickte und griff nach meinem Glas, während eine brünette Kellnerin kam und ein weiteres Bier auf den Tisch stellte.

    »Ich habe ja schon damals sehr viel mit Computern zu tun. Auch haben wir da schon gehackt. Das hat immer viel Spaß gemacht.«

    »Aha«, antwortete ich und erwartete nun ein paar Anekdoten aus seinem Leben.

    »Das was ich dir jetzt erzähle, darfst du aber niemandem weitersagen....« Ein kurzer Moment der Stille trat ein, dann konnte er nicht mehr an sich halten: »Es gibt im Internet nämlich zwei Ebenen, musst du wissen. Eine offizielle, auf der alle rumsurfen, und eine inoffizielle, wovon keiner etwas weiß...«

    Er zog derweil an seiner Zigarette und aschte dann in den Aschenbecher, der aus preiswertem Porzellan auf dem Tisch prunkte.

    »Auf dieser inoffiziellen Ebene sind nämlich die Hacker unterwegs. Die hacken sich in deinen Computer hinein, und du merkst nichts davon. Das kann ich dir garantieren! Die wissen dann alles über dich. Die kennen deine Emails, deine Passwörter und andere Dateien, die auf deiner Platte liegen, einfach alles.«

    Ich fand seine Ausführungen sehr interessant und ich erinnerte mich auch an einige Dinge, die dem sehr ähnelten, es hatte mit Hacken aber nichts zu tun. Nun gut, vielleicht ein ganz klein wenig, aber nur im weitesten Sinne. Vielleicht war es eher eine gehackte Realität als ein gehackter Computer.

    »Die hacken sich locker in deinen Rechner und besonders in denen der Firmen. Meistens merkst du es daran, wenn du dauernd irgendwelche Fehlermeldungen hast, denn ein Hacker muss eine Fehlermeldung bei dem betreffenden Betriebssystem verursachen, damit er hinein kann. Wenn das System einen Fehler meldet, ist es offen. Ich habe sogar schon von richtigen Hackerpartys gehört. Da werden dann die Leute, die sie gehackt haben, zu Spottpreisen angeboten oder getauscht. Davon kriegst Du nichts mit! Du surfst weiter herum und guckst dir deine Seiten an, was für welche das auch immer sein mögen. Du denkst, du wärst ganz allein mit dir selbst vor dem Rechner und Zack, schon ist ein Hacker da und sieht all die Webseiten, die du da aufrufst und was du so in deinen Rechner eintippst. Andere Gehackte, die den Hackern langweilig geworden sind, werden dann wieder freigelassen, in dem sie sie verschenken oder mit offenen Zugängen im Internet herumliegen lassen! Es ist beinahe wie ein Sklavenmarkt, nur dass niemand von den Sklaven weiß, beziehungsweise weiß, dass er einer ist!«

    Er fuhr fort: »Die erstellen dann richtige Persönlichkeits- und Charakterbilder von dir. Die können dann auch verkauft werden. Das macht aber nicht jeder Hacker. Es gibt drei Arten von Hackern: die mit ethischen Grundsätzen, die sagen, dass es ihnen nur darum gehe, alle Informationen dem Volk zugänglich zu machen, und dann jene Hacker, die zu ihrem Vorteil hacken, um Geld zu verdienen, und jene, die einfach ihren voyeuristischen Neigungen nachgehen. Spionage praktizieren eigentlich die meisten Hacker. Die einen werden gut bezahlt und für den andern geht es um ihre Grundsätzen oder Neugier.«

    Er drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus und wirkte dabei sehr konzentriert. Dann blickte er auf und fragte: »Hast du so was schon mal gehört?«

    Ich wechselte meine Sitzposition und meinte, dass es schon etwas Vergleichbares gäbe...

    Er spitzte die Ohren und wollte nun eine Geschichte von mir hören. Ich wollte ihn diesbezüglich nicht enttäuschen.

    »In unserer Alltagsrealität gibt es auch zwei Ebenen. Eine ist die offizielle, in der wir alle vor uns hinleben und unseren jeweiligen Beschäftigungen nachgehen wie Arbeiten, Familie, Freunde, Schlafengehen usw., aber es gibt noch eine andere Ebene...«

    Er zog die Augenbrauen zusammen und glaubte erst einmal, dass ich ihn auf den Arm nehmen wollte.

    »...eine inoffizielle Ebene, von der niemand etwas mitbekommt.«

    »So was habe ich ja noch nie gehört!« behauptete er, lehnte sich zurück und drehte erneut eine Zigarette.

    »Doch, doch«, entgegnete ich, »das passiert jeden Tag, wie dieses Hacken, von dem du erzählt hast. Und ich bin einer von jenen Leuten, die, mit deinen Worten, diese Realität gehackt haben. Wir haben es geschafft, uns unsichtbar in unserer Realität aufzuhalten, ohne dass du uns wahrnehmen kannst. Wir verlassen sozusagen nachts unsere Körper und gehen dann von Haus zu Haus, um andere unwissende Menschen zu beobachten.«

    Er schüttelte lächelnd den Kopf: »Das kann ich mir nicht vorstellen Und außerdem, was kannst du denn davon haben? Du willst mich wohl zum Narren halten?«

    »Keineswegs! Was denkst du, werden die Gehackten denken, wenn du ihnen davon erzähltest? Sie werden es für neunmalkluge Erzählungen halten von jemanden, der irgendwo mal was gehört oder gelesen hat. Oder sie werden denken, wer sie denn schon hacken würde, denn auf ihrem Rechner lohnt sich keine Industriespionage – womit sie auch gewiss recht hätten – aber ähnlich verhält es sich mit dem, was ich sage. Hierbei wird auch spioniert und weitaus effizienter und Ziel gerichteter.«

    »Dem kann ich im Moment nicht ganz folgen«, sagte er und schaute mich auffordernd an.

    »Nun gut«, entgegnete ich, »dann werde ich dir von einigen Erlebnissen erzählen, die ich selbst erlebt und getan habe...«

    Die Spannung an unserem Tisch wuchs spürbar. Zum Glück war die Geräuschkulisse sehr hoch und es hörte niemand zu. Zumindest niemand, den man sehen konnte...

    »Es gibt nämlich Leute, denen gelingt es, ihre Körper zum Einschlafen zu bringen, während sie selbst geistig wach bleiben und dann ihre Körper verlassen. Sie gehen dann unsichtbar ihrer Wege und können sich in jedes Haus schleichen, das ihnen gefällt. Und ich bin einer von ihnen.«

    Er sah mich mit großen Augen an und es war nicht nur ein prüfender Blick. Ich sah seine Zweifel stärker werden.

    Viele von uns haben sich auf dem sexuellen Sektor spezialisiert. Manchmal gehen wir dazu tagsüber in die Stadt und suchen uns eine schöne Frau aus und verfolgen sie heimlich. Manchmal im physischen Körper, aber manchmal auch als Unsichtbarer. Wenn wir herausbekommen haben, wo die betreffende Frau wohnt, dann besuchen wir sie in der Nacht und holen sie aus ihrem Körper, in dem Wissen, dass sie sich niemals am anderen Morgen daran erinnern wird.«

    Er schaute sehr skeptisch. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass man das vergisst! So was merkt man doch, wenn da nachts einer in deiner Wohnung steht und dich berührt oder dich 'aus dem Körper holt', wie du es nennst. Das ist die abstruseste Geschichte, die ich je gehört habe! Das klingt wie aus einem esoterischen Schundheftchen!«

    »Glaube, was du willst«, sagte ich, »aber höre mir noch ein wenig zu und urteile dann. Wenn du dann immer noch nicht überzeugt bist, von dem was ich hier erzähle, dann behalte ich es mir vor, auch nicht an deine Hackergeschichten zu glauben.«

    Er nickte und meinte, dass er nun umso gespannter sei, während ich tief Luft holte und weitererzählte:

    »Wenn wir uns also in das Schlafzimmer der begehrten Frau geschlichen haben und sie eingeschlafen ist, holen wir sie auf diese inoffizielle Ebene, von der kaum jemand weiß - genau wie es die Gehackten nicht wissen mögen, dass sie gehackt werden. Manchmal lassen wir sie auch in ihrem Körper, legen uns dann neben sie und streicheln sie, schauen uns ihren schönen Körper an oder beobachten sie ganz einfach, wenn sie duschen geht oder sich auszieht. Ganz wie es uns beliebt. Da wir ihren Körper aber nicht richtig berühren können, weil diese inoffizielle Ebene ein wenig in der Phase verschoben ist, da dort alles eine andere Materiefrequenz besitzt als die gewöhnliche Realität, kann man nur jemanden berühren, der sich auf der gleichen Ebene befindet. Wenn wir also eine Frau wirklich begehren, müssen wir sie davon überzeugen, mit uns Sex zu haben, und dazu müssen wir sie erst einmal auf unsere Ebene bringen. Also ziehen wir sie aus ihrem Körper heraus und versuchen sie zu animieren. Wenn sie sich jedoch wehrt, können wir nichts machen. Zwingen können wir niemanden in diesem Zustand, höchstens täuschen. Also gehen wir dann wieder und spionieren in den nächsten Tagen das Aussehen ihres Geliebten aus. Einige Nächte später kehren wir dann zurück und nehmen die Gestalt ihres Geliebten an.«

    Mein Gegenüber lachte kurz auf und winkte die Kellnerin für ein weiteres Bier herbei. »Verrückt«, meinte er und lauschte weiter.

    »Vielleicht erinnerst du dich an die Artussage und die Geschichte um Excalibur. Merlin brauchte einen neuen Schüler und war ganz versessen auf Artus, den ungeborenen Sohn von König Uther, der künftige Vater von König Artus. Uther begehrte Igrayne, eine wunderschöne und attraktive Frau, und bat Merlin darum, ihn so zu verzaubern, dass er die Frau seines Begehrens besitzen konnte. Merlin stimmte zu und verwandelte ihn in den Geliebten von Igrayne. Damit tat er schon damals nichts anderes als wir, nämlich sich auf der inoffiziellen Ebene zu bewegen. Und Merlin kannte die Mittel, wie man sich einfach in den Geliebten der begehrten Frau verwandelt. Also beförderte Merlin den König auf diese inoffizielle Ebene, damit er mit seiner Angebeteten schlafen konnte und er dafür den Sohn dieser Verbindung als Schüler erhalten würde. So kam Uther dann doch zu seinem Ziel. Solche wie wir, die die Frauen, oder auch Männer ausspionieren, gehen genau so vor. Manchmal legen wir uns auch auf den Körper der jeweiligen Frau und spielen an ihr herum, bis sie sich im Halbschlaf für uns öffnet. Das ist keine Schwierigkeit für uns. Einige Frauen reagieren darauf im Halbschlaf.«

    »Machen Frauen so was auch mit Männern?«

    »Oh ja! Frauen sind da nicht viel besser. Ich kenne eine Frau sehr gut, die nachts ziellos und einfach rein intuitiv durch die Schlafzimmer fremder Männer streift und wenn ihr einer gefällt, setzt sie sich einfach auf ihn und wartet, bis er mitmacht. Männer sind da noch offener empfänglicher als die Frauen. Frauen hingegen sind manchmal ein wenig skeptischer. Sie

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