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Göbekli Tepe: Die Bilderwelt des ersten Tempels der Menschen
Göbekli Tepe: Die Bilderwelt des ersten Tempels der Menschen
Göbekli Tepe: Die Bilderwelt des ersten Tempels der Menschen
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Göbekli Tepe: Die Bilderwelt des ersten Tempels der Menschen

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About this ebook

Seit 1995 müssen die Archäologen die Frühgeschichte der Menschheit umschreiben - niemand hatte damit gerechnet, dass es in der frühen Jungsteinzeit schon Tempel hätte geben können ... vor 12.000 Jahren, gleich nach dem Ende der Eiszeit - und sie wurden zudem noch von Jägern statt von Ackerbauern errichtet.
Die Tempel bestehen aus z.T. über 5m hohen Pfeilern, die oft mit einer Vielfalt von Reliefs versehen sind: Stiere, Keiler, Widder, Kraniche, Geier, Schlangen, Skorpione, Spinnen, Hütten, abstrakte Symbole und vieles mehr. Eine ganze Welt, von der man bis vor 15 Jahren nichts geahnt hatte, öffnete sich wieder.
Diese Bilder sind keine Schrift, aber sie lassen sich trotzdem lesen. Es beginnt mit dem Erlernen von Vokabeln: der Panther ist das "Adjektiv" für "Stärke", die Herdentiere sind das "Adjektiv" für "Fruchtbarkeit", der Kranich ist wie alle Vögel ein Hinweis auf die Seele, da man bei einem Beinahe-Tod sich selber über seinem Körper schwebend erlebt. Als nächsten lassen sich dann die Szenen, in denen diese Tiere stehen, wie "Sätze" lesen: ein kopfloser Mann, der einen Vogelkopf ergreift, wird als Toter im Jenseits erkennbar, der sich in einen Seelenvogel verwandelt; ein Totempfahl mit einem Panthermann lässt sich als ein Jäger begreifen, der sich von seinen Ahnen die Kraft des Panthers wünscht, um mit Erfolg jagen zu können.
Das Weltbild der Erbauer der Tempel von Göbekli Tepe am Oberlauf des Euphrat war die Grundlage für die späteren schriftlichen Religionen. In den frühen Überlieferungen finden sich die Bilder fast unverändert wieder: die Muttergöttin mit dem Skorpion, die Geiergöttin, der Urmensch Adam-Atum, der Seelenvogel, der über der Mumie schwebt ...
Durch die bis in kleine Details hinein genaue Analogie zwischen der Biographie eines Menschen und der Geschichte der Menschheit wird vieles in den Bildern verständlicher - und die Bilder finden einen ganz persönlichen Bezug zum heutigen Menschen.
Durch die Fortschritte der Sprachwissenschaft in den letzten zwanzig Jahren ist sogar bekannt, wie "Panther", "Stier", "Schlange", "Sonne" und viele andere Bilder aus den Tempeln damals genannt wurden.
Wenn man Göbekli Tepe kennenlernt, weitet sich das eigene Weltbild.
LanguageDeutsch
Release dateApr 11, 2018
ISBN9783732227594
Göbekli Tepe: Die Bilderwelt des ersten Tempels der Menschen
Author

Harry Eilenstein

Ich bin 1956 geboren und befasse mich nun seit 45 Jahren intensiv mit Magie, Religion, Meditation, Astrologie, Psychologie und verwandten Themen. Im Laufe der Zeit habe ich ca. 230 Bücher und ca. 50 Artikel für verschiedene Zeitschriften verfasst. Seit 2023 schreibe ich an einem achtbändigen Fantasy-Roman "Maran", in den auch alle meine Erfahrungen mit Magie, Meditation, Astrologie, Religion, Psychologie und ähnlichem miteingeflossen sind. Die ersten vier Bände sind bereits erschienen. Seit 2007 habe ich meine jahrzehntelange Nebentätigkeit ausgeweitet und bin nun hauptberuflich Lebensberater. Dies umfasst die eigentlichen Beratungen, aber auch das Deuten von Horoskopen, Heilungen, Rituale, Schwitzhütten, Feuerläufe, Hilfe bei Spukhäusern u.ä. Problemen, Ausbildung in Meditation und Feng Shui und vieles mehr. Auf meiner Website www.HarryEilenstein.de finden sich ein Teil meiner Artikel und auch einen ausführlichen Lebenslauf.

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    Book preview

    Göbekli Tepe - Harry Eilenstein

    Bücher von Harry Eilenstein:

    Astrologie (496 S.)

    Photo-Astrologie (64 S.)

    Handbuch für Zauberlehrlinge (408 S.)

    Der Lebenskraftkörper (230 S.)

    Die Chakren (100 S.)

    Meditation (140 S.)

    Drachenfeuer (124 S.)

    Krafttiere – Tiergöttinnen – Tiertänze (112 S.)

    Schwitzhütten (524 S.)

    Hathor und Re:

    Band 1: Götter und Mythen im Alten Ägypten (432 S.)

    Band 2: Die altägyptische Religion – Ursprünge, Kult und Magie (396 S.)

    Isis (504 S.)

    Muttergöttin und Schamanen (140 S.)

    Göbekli Tepe (444 S.)

    Die Entwicklung der indogermanischen Religionen (700 S.)

    Wurzeln und Zweige der indogermanischen Religion (224 S.)

    Christus (60 S.)

    Odin (284 S.)

    Der Kessel von Gundestrup (220 S.)

    Cernunnos (700 S.)

    Kursus der praktischen Kabbala (150 S.)

    Eltern der Erde (450 S.)

    Blüten des Lebensbaumes:

    Band 1: Die Struktur des kabbalistischen Lebensbaumes (370 S.)

    Band 2: Der kabbalistische Lebensbaum als Forschungshilfsmittel (580 S.)

    Band 3: Der kabbalistische Lebensbaum als spirituelle Landkarte (520 S.)

    Über die Freude (100 S.)

    Das Geheimnis des Seelenfriedens (252 S.)

    Von innerer Fülle zu äußerem Gedeihen (52 S.)

    Das Beziehungsmandala (52 S.)

    für Klaus Schmidt

    und alle, die die Tempel von

    Göbekli Tepe

    mitausgegraben haben

    Inhaltsverzeichnis

    Göbekli Tepe

    Die geographische Lage

    Die klimatische Situation

    Die kulturelle Situation

    Die vorkeramische Phase der Jungsteinzeit

    Die vorkeramische Phase der Jungsteinzeit I: Pionierphase

    Die vorkeramische Phase der Jungsteinzeit II: Spätzeit

    Die Entdeckung der Töpferei

    Göbekli Tepe

    Die Entwicklungsdynamik zu Beginn der Jungsteinzeit

    Die religiöse Situation

    Die Zeit vor Göbekli Tepe

    Die Zeit während Göbekli Tepe

    Die Zeit nach Göbekli Tepe

    Übersicht über Göbekli Tepe

    Die T-Pfeiler

    Die Tempel von Göbekli Tepe

    Der Schlangentempel

    Der Fuchstempel

    Der Wildschweintempel

    Der Kranichtempel

    „Tempel E"

    „Tempel F"

    „Tempel G"

    „Tempel H"

    Der Panthertempel

    Weitere Tempel auf dem Göbekli Tepe

    Einzelfunde auf dem Göbekli Tepe

    Analyse der T-Pfeiler und der Motive von Göbekli Tepe

    Die Analyse der T-Pfeiler

    Die Anzahl der Pfeiler in den Tempeln

    Die thematische Anordnung der bebilderten T-Pfeiler

    Die Motive in den Tempeln von Göbekli Tepe

    Die Häufigkeit der Motive

    Die Verteilung der Motive auf die vier Arten von T-Pfeilern

    Vergleich der Zentralpfeiler

    Die Platzierung der Motive auf den T-Pfeilern

    Die Kombination der Motive mit anderen Motiven

    Die Sichtbarkeit der Motive vom Eingang her

    Die Tempel im Umkreis von Göbekli Tepe

    Der Tempel von Sefer Tepe

    Der Tempel von Karahan

    Der Tempel von Sanliurfa-Yeni Mahalle

    Der Tempel von Hamzan Tepe

    Der Tempel von Nevali Cori

    Der Tempel von Kilisik

    Die Tempel von Cayönü

    Der Tempel von Körtik Tepe

    Der Tempel von Nemrik

    Der Turm von Jericho

    Vergleich der Tempel

    Einzelfunde aus der Umgebung von Göbekli Tepe

    Jerf el-Ahmar

    Tell Abr

    Tell Qaramel

    Ain Sakhri

    Chronologie der Fundorte

    Die Priesterschaft von Göbekli Tepe

    Das Ritual von Göbekli Tepe

    Der große Mensch

    Die Sprache der Erbauer von Göbekli Tepe

    Die Symbole von Göbekli Tepe

    Zusammenfassung

    Mögliche Motive auf neuen Funden

    1. Göbekli Tepe

    Göbekli Tepe (Blick nach Westen)

    Bis vor zwei Jahrzehnten war es die gängige Meinung unter Archäologen, daß die Menschen der Altsteinzeit, die hauptsächlich von der Jagd lebten, vor 10.000 Jahren entdeckten, daß die Ernährung durch das Sammeln der Körner von Gräsern (dem späteren Getreide) und von Wildgemüse wesentlich besser sichergestellt werden konnte. Man ging davon aus, daß sich bald darauf aus der Pflege der Körnergraswiesen und ihrer Verteidigung gegen Antilopen und andere Nahrungskonkurrenten die Landwirtschaft gebildet hat. Daraus entwickelten sich wiederum größere Gemeinschaften, die schließlich zu Städten, Fürstentümern und um 3.000 v.Chr. zu Königreichen wurden, in denen sich die Herrscher selber aufwendige Denkmäler setzten.

    Der Grundgedanke dieser Auffassung der menschlichen Geschichte war, daß sie sich aus materiellen Notwendigkeiten ergeben hat: Die unsichere Versorgung durch die Jagd führte zu dem Bestreben, sich durch Ackerbau und Viehzucht gegen Hungerzeiten abzusichern; die bessere Nahrungsversorgung ermöglichte eine Arbeitsteilung, die wiederum z.B. sorgfältiger hergestellte Steinwerkzeuge ermöglichte, die ihrerseits zu einer höheren Effektivität und Produktivität führten usw.

    Die ersten großen Steinbauten sollten diesem Ansicht über die menschliche Geschichte zufolge erst dann entstanden sein, als die Menschen durch diese verbesserten Produktionsweisen in der Lage waren, genügend Menschen für die Arbeiten an Kultbauten freizustellen – also zu Beginn des Königtums.

    Auch wenn diese Überlegungen grundsätzlich richtig sind und eine große Rolle spielen, hat sich diese Szenerie durch die Entdeckung der Anlagen von Göbekli Tepe gleich in mehren Hinsichten grundlegend geändert:

    Die Steinbauten von Göbekli Tepe wurden von Menschen errichtet, die noch weitgehend von der Jagd lebten.

    Diese Menschen hatten bereits eine hohe und viele Menschen umfassende soziale Organisation – mehrere Tausend statt der bisher vermuteten Jagdgemeinschaften von einem Dutzend Personen oder der kleinen mittelsteinzeitlichen Verbände von Jägern und Sammlern von ca. 50 Personen.

    Die ersten Siedlungen wurden nicht von Ackerbauern, sondern von Jägern errichtet. Die Bewohner dieser Siedlungen errichteten gemeinschaftlich die steinernen Anlagen von Göbekli Tepe.

    Seit 1994 wird die Anlage unter der Leitung des Archäologen Klaus Schmidt ausgegraben. Bisher wurden erst 5% des gesamten Geländes freigelegt. Auf dem flachen Gipfel des Berges Göbekli Tepe befindet sich ein von Menschen aufgeschütteter Hügel von ca. 300m x 300m Größe, der in der Mitte ca. 15m hoch ist. Die sorgfältige vollständige Ausgrabung dieses Hügels wird noch weit mehr als 50 Jahre dauern.

    Auf dem Berg Göbekli Tepe wurden von den damaligen Menschen immer wieder neue Anlagen aus stehenden Steinen und Bruchsteinmauern errichtet, die dann nach einiger Zeit mit Geröll aufgefüllt worden sind. Auf ihnen wurden dann neue Anlagen gebaut. Die stehenden Steine sind T-förmig zugeschlagen und zwischen 1,5m und 5,5m hoch. Einzelne T-Steine sollten bis zu 9m hoch werden, wie man anhand von angefangenen, aber dann zerbrochenen Steinen im Steinbruch auf dem Göbekli Tepe sehen kann.

    Je ca. ein Dutzend dieser T-Steine in einer Mauer bilden einen Kreis um meistens zwei größere T-Steine in der Mitte. Diese Anlage ist manchmal noch von weiteren Mauern umgeben. Bisher sind auf dem Göbekli Tepe mindestens 20 solcher Steinkreise entdeckt, aber erst 4 ausgegraben worden. Die 20 bisher bekannten Anlagen bestehen aus insgesamt weit über 200 T-Steinen.

    Diese T-Steine sind etwa zur Hälfte mit Reliefs oder Skulpturen versehen, die eine große Vielfalt aufweisen. Es fanden sich auch große sowie viele kleinere Einzelplastiken. Die Art der Bearbeitung der Steine zeigt, daß sie von „Fachleuten mit großer Übung hergestellt worden sind, die zudem alle in derselben stilistischen Tradition standen. Die Skulpturen sind also nicht das Werk einzelner, unabhängiger Künstler, sondern von Vertretern ein- und derselben künstlerischen „Schule gefertigt worden.

    Die Funde von Göbekli Tepe lassen sich in mehrere Bauphasen unterteilen, die von mindestens 11.000 v.Chr. bis 8.000 v.Chr. reichen. Diese steinernen Anlagen standen nicht isoliert in der damaligen Welt, aber sie waren mit Abstand in jeder Hinsicht die größten. Ähnliche, kleinere Anlagen vor allem aus der späteren Zeit von Göbekli Tepe finden sich auch in dem Umkreis von Göbekli Tepe in einem Radius von ca. 50 km und einem einzelnen Vorposten in 120km Entfernung.

    Die Ausgrabung von Göbekli Tepe wird wahrscheinlich noch einige Überraschungen zutage fördern, aber es ist schon heute möglich, mithilfe der bisherigen Funde zumindest eine grobe Skizze der Weltanschauung der damaligen Menschen zu zeichnen.

    Kreis aus T-Pfeilern mit zwei T-Pfeilern in der Mitte („Kranichtempel")

    1. A Die geographische Lage

    Göbekli Tepe liegt im Südosten der Türkei nahe der syrischen Grenze in einem weiten, flachen Hügelland etwa 3km von einem der drei Quellflüsse des Belich, einem kleineren Nebenfluß des Euphrat, entfernt.

    Lage der Fundorte der Anlagen mit T-Pfeilern aus der frühen Jungsteinzeit

    Die übrigen Orte, an denen man T-Pfeiler gefunden hat, liegen rings um Göbekli Tepe in alle Richtungen verteilt:

    Der Gipfel des Göbekli Tepe („bauchiger Berg") ist 780m hoch und bildet ein flaches Plateau. Die umliegenden Täler liegen ca. 300 m tiefer. Vom Gipfel des Göbekli Tepe aus kann man über die weite fruchtbare Ebene im Süden, die von dem Belich durchflossen wird, überblicken.

    1. der Göbekli Tepe liegt nördlich der fruchtbaren Ebene (dunkelgrün) am Belich, einem Nebenfluß des Euphrat

    2. unten die Ebene des Flusses Belich, nördlich davon der Göbekli Tepe und oben links der Atatürk-Staudamm

    3. der Göbekli Tepe liegt auf der höchsten Hügelkette nördlich der Ebene

    4. unten die letzten Ausläufer der Ebene, oben rechts Ackerland, dazwischen die Hügelkette mit dem Göbekli Tepe

    5. der Göbekli Tepe ist der beste Aussichtspunkt nördlich der Ebene

    6. der künstliche Hügel (rotbraun) bedeckt ca. 40% des Hochplateaus

    7. der künstliche Hügel auf dem Göbekli Tepe unterscheidet sich deutlich in der Farbe von dem Berg selber

    8. bisher sind nur 5% der Fläche ausgegraben; die beiden helleren Flächen sind Schutzdächer

    „fruchtbarer Halbmond"

    Göbekli Tepe liegt am Nordrand des „fruchtbaren Halbmondes". Dieser Bereich, der eigentlich nicht die Form eines Halbmondes, sondern einer Mondsichel hat, erstreckt sich von Südwesten her vom Jordantal in Israel über Jordanien und Syrien nach Norden, dann südlich des anatolischen Hochlandes der Türkei entlang nach Osten und dann wieder den Euphrat und Tigris hinab.

    Blick auf den Göbekli Tepe von Süden

    Blick vom Göbekli Tepe aus auf die Ebene im Süden

    Der Berg Göbekli Tepe besteht aus Kalkstein, der sich gut mit Hämmern und Keilen aus Obsidian und Feuerstein bearbeiten läßt.

    Interessanterweise glauben die Sumerer, daß ihre ältesten Götter, die Anunaki, vor Urzeiten im Norden von ihnen (wo der Göbekli Tepe liegt) auf dem Berg Du-Ku gelebt haben. Von dort sollen sie den Sumerern den Ackerbau, die Viehzucht und die Webkunst gebracht haben. Diese Götter hatten noch keine individuellen Namen.

    Der Name Anunnaki bedeutet möglicherweise „die von königlichem Blut. Wenn diese Übersetzung zutreffen sollte, müßte dies ein neuerer Name aus der Zeit des Königtums sein. Die Übersetzung für Du-Ku ist recht unsicher, da insbesondere „Du viele Bedeutung hat. Eine Möglichkeit, die zu Göbekli Tepe passen würde, ist „Ort, an den der Thronsockel der Gottheit gestellt wurde. Diese Übersetzung setzt sich aus „du für „setzen, stellen und „ku für „Thronsockel einer Gottheit" zusammen.

    Es ist zumindestens denkbar, daß dies eine Erinnerung der Sumerer an die zur Zeit der Erfindung der sumerischen Keilschrift bereits 5.000 Jahre zurückliegende Kultur auf dem Göbekli Tepe gewesen ist.

    1. B Die klimatische Situation

    Das Klima war in Göbekli Tepe um 9.500 v.Chr. in etwa wie heute: warme Sommer und milde Winter; nicht viel, aber ausreichend Regen für eine geschlossene Pflanzendecke. Die heutige oft kahle, felsige Landschaft ist erst viel später durch das Abholzen der Wälder durch die Menschen entstanden.

    Die Erbauung der Tempel auf dem Göbekli Tepe lag klimatisch gesehen an einem markanten Zeitpunkt, denn um 9.500 v.Chr. liegt der Übergang von der letzten Eiszeit zu der heutigen Warmzeit. Diese letzte Eiszeit dauerte von 140.000 v.Chr. bis 9.500 v.Chr. Kurz vor dieser Eiszeit ist vor 170.000 Jahren in Südafrika der Homo Sapiens entstanden, der seit ca. 100.000 Jahren auch Eurasien besiedelt hat. Der Homo sapiens hat folglich ab 9.500 v.Chr. das erste Mal eine Warmzeit in Eurasien erlebt.

    Das Ende der letzten Eiszeit kam im Vergleich zu ihrer 130.000-jährigen Dauer sehr plötzlich: Zwischen 11.500 v.Chr. und 9.500 v.Chr. erwärmte sich die Erde um 8°C. Dadurch schmolzen die Gletscher und die Polkappen, wodurch der Meeresspiegel, der während der Eiszeit um ca. 125m gesunken war, in etwa wieder auf die heutige Höhe stieg. Als Folge dieser Veränderungen wandelte sich auch die Vegetation und die Tierwelt sehr stark. Durch das deutlich verbesserte Nahrungsangebot durch die üppigere Vegetation gab es sehr viel mehr jagdbares Wild für die Menschen.

    Die sehr starken Regen- bzw. Schneefälle während der Eiszeit hatten weltweit, selbst in der Sahara, viele riesige Seen entstehen lassen, die mittlerweile wieder verschwunden sind wie z.B. der Tschad-See. Am nächsten zu Göbekli Tepe lag von diesen Eiszeit-Seen der Urmia-See in der Hochebene des Iran, der damals mehrmals so groß war wie heute.

    In der weiten Ebene südlich des damals noch bewaldeten Göbekli Tepe wuchsen unter anderem wilde Gerste sowie Emmer und Einkorn, aus denen später der Weizen gezüchtet worden ist. Diese Getreidesorten wurden damals schon als Nahrungsergänzung gesammelt. In den Niederungen gab es größere Grasflächen, Sümpfe und Laubwälder, während in den Höhenlagen Laubmischwälder standen.

    In dieser Landschaft gab es sehr viel Wild: Antilopen, Gazellen, Rothirsche, Rehe, Wildziegen, Wildschafe, Auerochsen, Wildschweine, Wildesel und kleine Pferdearten. Auch Vögel gab es in vielen Arten und großen Mengen: u.a. Enten, Gänse, Kraniche und Flamingos. Die Ebene südlich des Göbekli Tepe war damals ein Paradies für die hauptsächlich von der Jagd lebenden Menschen, die Göbekli Tepe erbauten.

    Es gab allerdings auch Raubtiere – vor allem den Panther, da der Löwe die Steppe bevorzugt und der Bär die kälteren Berggegenden im Norden. Weitere Gefahren für die damaligen Menschen waren die Schlangen sowie die giftigen Tausendfüßler und die giftigen Spinnen. Ein markantes Tier im Alltag der Jäger aus der frühen Jungsteinzeit waren auch die Geier, die hoch am Himmel über den Bergen und den Ebenen ihre Kreise zogen.

    1. C Die kulturelle Situation

    Die Tempelanlagen von Göbekli Tepe sind in der frühen Jungsteinzeit entstanden. Zu dieser Zeit gab es die ersten Anfänge von Ackerbau und die ersten größeren Gemeinschaften von Menschen. Eine wichtige Erfindung der Jungsteinzeit ist die Töpferei, die aber erst entdeckt worden ist, nachdem Göbekli Tepe bereits wieder verlassen worden war. Anhand der Töpferei wird die Jungsteinzeit in zwei große Phasen unterteilt: die erste, vorkeramische Phase und die zweite, keramische Phase.

    Der Jungsteinzeit ging die Mittelsteinzeit voraus, in der die Steinwerkzeuge verbessert wurden und der Wolf gezähmt wurde, aus dem dann nach und nach der Hund entstand. Zudem wurde die Jagd zunehmend durch das Sammeln von Wildgemüse und von den Körnern von Gräsern, aus dem später das Getreide gezüchtet wurde, ergänzt.

    a) Die vorkeramische Phase der Jungsteinzeit

    Die vorkeramische Phase der Jungsteinzeit beginnt um 9.500 v.Chr. mit der Errichtung der ersten Häuser. Im Gegensatz zu den Zelten und Hütten, die bereits der Homo erectus vor 600.000 Jahren erfunden hatte, als er in das kalte Nordeurasien zog, bestehen Häuser nicht nur aus Stöcken, Mammutknochen, Fellen u.ä., sondern auch aus Lehm. Einige frühe Häuser waren auch aus behauenen Steinen zusammengefügt. Ein Haus ist also durch seine Mauern definiert. Diese Häuser waren zunächst wie die Hütten und die Zelte rund oder oval.

    Diese erste Hälfte der Jungsteinzeit begann nicht an einem ganz bestimmten Zeitpunkt, sondern war ein allmählicher Übergang, der von ca. 11.500 v.Chr. bis 9.500 v.Chr. dauerte. In ihm entstanden zunächst saisonal genutzte festere Lager, aus denen sich dann nach und nach festere Hütten entwickelten, die schließlich das ganze Jahr über bewohnt wurden, während die Jäger von diesem Lager aus durch die umliegenden Steppen und Wälder streiften.

    Dieser allmähliche, 2.000 Jahre dauernden Übergang vom Nomandentum zur Seßhaftigkeit wurde von den Jägern vollzogen – nicht von den Ackerbauern, wie man lange Zeit gedacht hat. Dies wurde u.a. dadurch möglich, daß in dem wärmeren nacheiszeitlichen Klima mit seiner üppigen Vegetation wesentlich mehr Wild auf einer bestimmten Fläche leben konnte als vorher in dem rauhen, kalten Eiszeitklima, das nur einen kargen Pflanzenwuchs zuließ.

    Diese Seßhaftigkeit führte u.a. auch dazu, daß man stets in der Nähe der Gräber der Ahnen war. Dies ist ein wichtiger Punkt, denn in der Altsteinzeit waren die Ahnen, also die Eltern und Großeltern, für die Menschen die innere Orientierung, da sie von ihnen alles, was sie wußten und konnten, durch Nachahmung erlernt hatten. Dadurch, daß die Menschen nun ständig in der Nähe der Gräber ihrer Ahnen in einem beständigen Lagerplatz lebten, wurde aus der bisherigen inneren Orientierung an den Eltern, Großeltern und Ahnen auch eine räumliche Orientierung an den Gräbern der Ahnen. Dadurch entstand eine innere Bindung an den Wohnort, die schließlich zu der Errichtung der Tempel von Göbekli Tepe, die sich vor allem auf die Ahnen beziehen, geführt hat.

    b) Die vorkeramische Phase der Jungsteinzeit: Pionierphase

    Die „Pionierphase" der frühen Jungsteinzeit dauerte 800 Jahre – sie reichte von 9.500 v.Chr. bis 8.700 v.Chr.

    Um 9.000 v.Chr. wurde der rechte Winkel entdeckt. Er wurde gleich in drei wesentlichen Bereichen angewendet: in dem Bau rechteckiger Häuser, in der Herstellung von luftgetrockneten Lehmziegeln und in den rechtwinkligen T-Pfeilern von Göbekli Tepe. Der rechte Winkel ist heute so allgegenwärtig, daß es zunächst einmal gar nicht auffällt, daß er eine menschliche Erfindung ist. In der Natur haben jedoch alle Dinge eine runde oder eine von etwas rundem abgeleitete Form: Tiere, Pflanzen, Steine, Flußläufe, Wolken, Sonne, Mond … Selbst die Bienenwaben ergeben sich aus der platz- und materialsparendsten Aneinanderlagerung der runden Brutröhren der Bienen.

    Der rechte Winkel ist hingegen das Merkmal des gestaltenden Willens des Menschen. Gleichgroße, rechtwinklige Dinge lassen sich ohne Lücke aufeinanderstapeln, nebeneinanderstellen und somit stabil und tragfähig anordnen. Der rechte Winkel ist daher das Ergebnis des gestalterischen Impulses der damaligen Menschen.

    Dies stimmt damit überein, daß es damals das erste mal größere zusammenlebende Gemeinschaften gab, die mehr als nur ein Dutzend Personen wie in der Altsteinzeit umfaßten. Das Zusammenleben dieser Gemeinschaften mußte ebenfalls organisiert werden – was auch gelang, wie die Errichtung der Tempel von Göbekli Tepe zeigt, die nur von Gemeinschaften von mindestens 2.000 Personen gebaut werden konnten.

    Der rechte Winkel zeigt also den ordnenden Gestaltungswillen der damaligen Menschen. Dieser Gestaltungswille ist etwas völlig anderes als das „Leben in der Natur als Teil der Natur" wie in der Altsteinzeit. Diese neue Haltung bedeutete, daß sich der Mensch der Natur gegenüberstellte und sie und sich als getrennt betrachtete.

    Dieser Entwicklungsschritt findet sich auch bei jedem einzelnen Menschen wieder und ist Teil der sieben Phasen des Lebens:

    In der oralen Phase des Säuglings (0 – 1 Jahr) lebt der Mensch in Symbiose mit seiner Mutter, ist weitgehend ein Teil von ihr, vertraut ihr vollständig und nimmt von ihr alles an. Man könnte diese Phase durch ein „Ja" charakterisieren. Sie entspricht der Lebensform in der Altsteinzeit: als ein Teil der Natur in der Natur leben.

    Der nächste Schritt in der Entwicklung des Individuums ist die anale Phase des Kleinkindes (1 – 3 Jahre): das Erlernen der Sprache und des Laufens und vor allem des „Nein!. Wie die Menschen in der frühen Jungsteinzeit stellt sich auch das Kleinkind der Welt (und seiner Mutter) gegenüber und beginnt zu urteilen: was will ich und was will ich nicht. Dies entspricht sowohl dem Bau von rechtwinkligen Häusern aus rechtwinkligen Ziegeln als auch dem frühen Ackerbau und der Viehzucht, die die Welt in Kultur und Natur unterteilten, also in „von mir gewollt und in „das andere".

    Der dritte Entwicklungsschritt des Individuums ist die Entdeckung des „Ich!!!" in der phallischen Phase (3 – ca. 10 Jahre). Sie entspricht unverkennbar dem Königtum, das um 3.000 v.Chr. entstand: die völlige Unterordnung des Ganzen unter ein sie leitendes Zentrum – unter das Ich bzw. den König.

    In der genitalen Phase, die besser als Pubertät bekannt ist, richtet sich der Mensch nach außen und prüft die Welt, seine Fähigkeit, seine Mitmenschen und sucht letztlich nach dem „Du?", also nach einer Beziehung. In diesem Forschen und Erproben und ersten eigenständigen Erschaffen läßt sich leicht der Materialismus mit seinen Forschungen, Erfindungen, Produktionen, Industrien, Eroberungen und Machtkämpfen wiederfinden.

    Nach diesen vier von Sigmund Freud beschriebenen Phasen schließt sich als fünfte die adulte Phase an, in der der Einzelne sich auf eine Beziehung festlegt, einen Hausstand gründet und selber Vater oder Mutter wird. Diese Phase ist im Gegensatz zu der Pubertät mit ihrem Wettbewerb und Wettkampf durch Kooperation geprägt: Der Einzelne hat das Ganze im Blick – er fördert durch sein verantwortungsvolles Handeln das Ganze und er wird auf das Ganze vertrauend von ihm getragen. Dies ist auch das Ziel des derzeit neu entstehenden globalen Denkens und Handelns, das aus der Wertschätzung des Individuellen und der Kooperation aller Individuen miteinander besteht.

    Auf das „Ja der oralen Phase und der Altsteinzeit folgte das „Nein! der analen Phase und der Jungsteinzeit, die zusammen die Entstehung des „Ich!!! der phallischen Phase und des Königtums ermöglichten. Auf der Grundlage dieses „Ich!!! wurde es in der genitalen Phase und dem Materialismus möglich, sich dem „Du? zuzuwenden, was schließlich zu dem „Wir. der derzeit beginnenden globalen Phase führte.

    Die nächste, sechste Epoche liegt kollektiv gesehen noch in der Zukunft. Sie entspricht in der individuellen Biographie der Zeit, in der die Kinder aus dem Haus gegangen sind und in der man sich einen sicheren Lebensunterhalt erworben hat und auch ansonsten alle Dinge in geordneten und sicheren Bahnen verlaufen. In dieser Phase hat der reife Erwachsene mehr Zeit und Erfahrung als je zuvor und kann diese zum einen durch neue Entdeckungen, Forschungen, Begegnungen u.ä. nutzen und genießen und er kann seine Erfahrungen zum anderen an jüngere weitergeben. Daher könnte man diesen Abschnitt „tutorale Phase" nennen. Da sie kollektiv gesehen noch in der Zukunft liegt, ist es nicht verwunderlich, daß sie vor allem in Science-Fiction-Romanen immer wieder beschrieben worden ist: der Planet der Weisen, die in Frieden mit sich und der Natur leben und in der Regel spirituell hochstehende Wesen sind.

    Die letzte, siebte Entwicklungsstufe ist schließlich das hohe Alter. In dieser „geronten Phase" erlangt man Weisheit und erkennt das Wesen der Welt. Dies liegt kollektiv gesehen aber noch in ferner Zukunft.

    Die Entdeckung des rechten Winkels läßt sich dieser Analogie zwischen Biographie und Menschheitsgeschichte zufolge mit dem Beginn der analen Phase beim Kleinkind vergleichen. Ein wesentliches Element dieser Phase ist bei dem Kleinkind bei dem Übergang zur analen Phasen das Erlernen der Sprache. Auch in dieser Hinsicht könnte es eine Analogie geben, wenn man sich die damalige Situation einmal näher betrachtet.

    Die einfachste Form der nicht nur rein reflexartigen Informationsverarbeitung ist sowohl bei den Menschen als auch bei den Tieren die Assoziation. Durch sie kann Tieren ein bestimmtes Verhalten antrainiert werden – sie sind „lernfähig", d.h. sie können zwei Ereignisse, die mehrmals gemeinsam auftreten, miteinander verknüpfen. Die Grundlage dafür ist eine komplexe Erinnerungsfähigkeit.

    Diese Informationsverarbeitung durch Assoziationen findet sich im Menschen auch noch heute: in Träumen, in Gedankensprüngen, in Märchen, Mythen, im „Brainstorming" usw. Die Orientierung mithilfe von Assoziationen benötigt als Grundlage die genaue Kenntnis jedes einzelnen Dinges in der eigenen Welt, da mit Assoziationen nur dann z.B. ein konkreter Mensch zutreffend erfaßt werden kann, wenn man ausreichend viele Erlebnisse mit diesem Menschen gehabt hat. Diese Voraussetzung war aber seit der Entstehung der großen Gemeinschaften zu Beginn der Jungsteinzeit nicht mehr gegeben, denn man konnte unmöglich 2.000 Menschen genau und persönlich kennen. Es war also nötig, eine neue Form der Informationsverarbeitung und der Orientierung zu entwickeln.

    Der naheliegendste Ansatz war die Reduzierung der genauen Kenntnis auf bestimmte wesentliche Merkmale. Dadurch konnte man dann auch die weniger genau bekannten Dinge einordnen. Mithilfe dieser Vorgehensweise war man in der Lage, die 2.000 Menschen der eigenen Gemeinschaft zumindest schon einmal in Männer, Frauen, Kinder, Bauern, Jäger, Zimmerleute, Steinmetze, Fischer, Hirten, Schamanen usw. einzuteilen.

    Durch diese Methode entstand aber nicht nur die Möglichkeit des Vergleiches, sondern auch eine abstraktere Ebene. Es entstanden neben den früheren konkreten Einheiten („mein Vater, „unser Zelt, „mein Messer u.ä.) nun auch die allgemeineren Bilder des Bauern, des Fischers, des Jägers, des Zimmermannes usw. Zu den konkreten Bilder, die aus den Assoziationen zu konkreten Dingen entstanden, kamen nun die abstrakteren Urbilder hinzu, die durch das Erfassen der Analogien entstanden waren und die die allgemeinen Qualitäten einer Gruppe von gleichartigen Dingen darstellten („Alle Fischer fangen Fische.).

    Wenn man diesen vergleichen Ansatz bei der Informationsverarbeitung in einem zweiten Schritt auf das gesamte Erleben der damaligen Menschen ausweitet, wird die Entstehung einer vergleichenden und abstrahierenden Beschreibung der gesamten Welt greifbar, die alles gleichartige und zyklische in ein Urbild zusammenfaßt. Diese Form der Weltbeschreibung wird im allgemeinen mythologisches Weltbild genannt. Die Mythen sind folglich zunächst einmal eine Methode gewesen, die Welt insgesamt mithilfe von Vergleichen zu beschreiben und dadurch auch all die Menschen, Dinge und Vorgänge, die man nicht mehr durch intensives eigenes Erleben, also durch Assoziationen kennenlernen konnte, in ihrem wesentlichen Charakter zu erfassen und einzuordnen.

    Diese Entdeckung wird auch Auswirkungen auf die Entwicklung der Sprache in der frühen Jungsteinzeit gehabt haben.

    Eine Sprache, die rein auf Assoziationen beruht, ist wie die Sprache eines Kleinkindes: Sie besteht aus den wichtigen Substantiven („Mama, „Auto, „Banane, „Saft, „Papa" …), die mit der passenden Betonung und Lautstärke ausgesprochen für jeden unmißverständlich deutlich machen, was gemeint ist.

    Wenn nun die Analogie als neues Ordnungselement zu diesen Einzelwort-Aussagen hinzukommt, entstehen zunächst einmal abstraktere Begriffe wie z.B. die der Berufe, der Jahreszeiten, der Tätigkeiten in den Jahreszeiten u.ä., also Begriffe wie „Aussaat, „Ernte, „Dürrezeit, „Regenzeit, „Steinmetz" usw.

    Noch prägender wird es aber wohl gewesen sein, daß durch das Analogieprinzip auch die Stellung der Worte zueinander bedeutsam wurde, denn nachdem erst einmal durch die Analogien das Verhältnis aller Dinge zueinander beschrieben und in einer Mythologie zusammengefaßt worden war, lag es nahe, diese Form der generellen Ordnung auch auf die Sprache zu übertragen. Auf diese Weise wird in der frühen Jungsteinzeit die Grammatik entstanden sein. Die Grammatik ermöglicht es, nicht nur wie in einer rein assoziativen Sprache mit Worten auf etwas hinzuweisen und das eigene Gefühl dazu durch den Tonfall auszudrücken, sondern auch Strukturen und Verhältnisse zwischen Dingen auszudrücken. Diese Form der Abstraktion wird die Möglichkeiten zur Kooperation zwischen den Menschen wesentlich verbessert haben und letztlich die Grundlage für die Möglichkeit zu einem gemeinsamen Handeln größerer Menschengruppen gebildet haben.

    Die Grammatik erlaubte es sowohl, Dinge auszudrücken, die über das Hier und Jetzt hinausgingen, als auch Dinge zu formulieren, die abstrakter und allgemeingültiger waren. Beide Fähigkeiten sind unabdingbar für die Errichtung eines so aufwendigen Bauwerkes wie Göbekli Tepe.

    Vermutlich sind zu Beginn der Jungsteinzeit auch in zunehmendem Maße Verben und Adjektive entwickelt worden, da auch diese beiden Wortgruppen letztlich die Darstellung von Analogie-Essenzen sind: jedes Verben stellt eine Form der Bewegung dar, die von den verschiedensten Dingen ausgeführt werden kann, und Adjektive beschreiben Eigenschaften, die an den verschiedensten Dingen gefunden werden kann.

    Die Menschen scheinen allgemein die Eigenheit zu haben, daß sie dann, wenn sie neue Möglichkeiten entdecken, diese auch sofort ausprobieren müssen.

    Dies zeigt sich eindrucksvoll z.B. im frühen Königtum, als es das erste Mal die Möglichkeit gab, daß sehr viele Menschen zusammen ein Bauwerk unter der Leitung und aus dem Impuls eines Einzelnen heraus errichteten. Auf diese Weise entstanden um 2.600 v.Chr. die Pyramiden von Gizeh.

    Als um 600 v.Chr. Buddha, Jaina, Patanjali, Laotse, Kungfutse, Zarathustra, Zalmoxis und Pythagoras die Selbstverantwortung der Menschen lehrten und zur Unterstützung dieser Qualität die Mysterien von Eleusis, die des Mithras und des Dionysos sowie die von Samothrake gegründet wurden, entstanden in den 200 Jahren danach als Ausdruck dieses neuen Selbstbewußtseins sechs der sieben klassischen Weltwunder (das siebte waren die Pyramiden von Gizeh).

    Diese Haltung ist auch heute noch bestens bekannt: Als es technisch möglich wurde, baute man Raketen, um damit auf den Mond zu fliegen – einfach weil es möglich war und man davon begeistert war und man es deshalb wollte. Die Frage des zeitlichen und finanziellen Aufwandes war dabei ohne große Bedeutung.

    Dieselbe Haltung kann man auch schon bei den Erbauern von Göbekli Tepe vermuten. Die abstrakteren Begriffe und die Grammatik ermöglichten das Erfassen der Urbilder, die hinter den konkreten Erlebnissen und Tätigkeiten der damaligen Menschen standen. Zugleich ermöglichte diese Fähigkeit auch die Koordination großer Menschengruppen. Beides zusammen ergab dann die Möglichkeit, die bisherigen Traditionen auf eine viel großartigere und allgemeinere Art als bisher darzustellen.

    Durch diese abstrahierende Betrachtungsweise mithilfe von Vergleichen wurde auch „hinter den konkreten Ahnen, die in Gräbern nahe bei den Lebenden lagen, der Urahn aller Menschen bewußter. Durch das damalige „Neue Denken begann man nach Allgemeingültigerem, nach Regeln, nach Beständigkeiten und nach den Grundlagen für das Konkrete zu suchen. Zum einen findet dies seinen Ausdruck in der Formulierung der Mythen, die eine allgemeine Weltbeschreibung sind, und zum anderen in der Errichtung der Tempel, die ein in Stein gehauener, dauerhafter Ausdruck dieser mythischen Weltanschauung sind.

    Auch die kleinen Kinder in der analen Phase suchen nach diesen Regeln, diesem Rhythmus und dieser Verläßlichkeit der Abläufe, um auf der Grundlage dieser Regeln selber sicher und effektiv handeln zu können.

    Da die Analogien nichts Neues erschaffen, sondern „lediglich" die Komplexität der Welt in Urbildern und Mythen zusammenfassen, werden die Tempel von Göbekli Tepe keine grundlegend neuen Auffassungen über die Welt ausdrücken, sondern werden eher eine grundlegend neue Art sein, die Auffassungen über die Welt darzustellen.

    So kann man z.B. davon ausgehen, daß in der frühen Jungsteinzeit die Eltern für ihre Kinder dieselbe wichtige Bedeutung gehabt haben wie in der Altsteinzeit, aber daß diese Orientierung an den konkreten Eltern nun zu abstrakteren, allgemeingültigeren Regeln und Vorbildern wurde: Neben den Eltern wurde allmählich der Urahn sichtbar, der das Bild des für alle Menschen gleichermaßen sinnvollen Verhaltens war.

    Dieser Vorgang der Verinnerlichung des Vorbildes der Eltern und seine Verwandlung in abstraktere Verhaltensregeln läßt sich bei Kindern in der analen Phase beobachten. In dieser Phase brauchen sie eindeutige, klare und verläßliche Regeln.

    In der Pionierphase der frühen Jungsteinzeit gab es noch einige andere Entwicklungen. Wie bereits erwähnt, wurden ab ca. 8.500 v.Chr. Gerste sowie Emmer und Einkorn, die die „Großeltern des Weizens sind, nun nicht mehr nur gesammelt, sondern auch beschützt und ausgesät. Um dieses Getreide auch für das übrige Jahr lagern zu können, wurden Getreidesilos errichtet, die die ersten Gemeinschaftsbauten der Menschen gewesen sind. Diese ersten Getreidebauern lebten in der westlichen Hälfte des „fruchtbaren Halbmondes, der in etwa von Israel bis nach Göbekli Tepe reichte. In dieser Zeit wurden auch die ersten Schweine domestiziert.

    Durch diese Entwicklungen entstand etwas Neues, dessen Folgen sehr weitreichend waren: Es gab zum ersten mal in der menschlichen Geschichte Besitz, der über die eigene Kleidung und die eigenen Waffen und Geräte deutlich hinausging: die Getreidevorräte, die Ansammlungen von aufwendig hergestellten Geräten und die Viehherden. Dies führte zu ersten Diebstählen und Raubüberfällen und somit auch zu Angriffen von (armen) Menschengruppen auf andere (reiche) Menschengruppen. Vor dieser Zeit wird es zwar immer wieder einmal Streitigkeiten zwischen einzelnen Menschen um Revierkämpfe, bei der Paarung u.ä. gegeben haben, aber wohl kaum organisierte Angriffe auf andere Menschengruppen – einfach deshalb, weil ein Sieg bei einem solchen Angriff keinerlei Vorteile hätte bringen können.

    Diese ersten Kämpfe von Menschengruppen gegen andere Menschengruppen lassen sich durch von Menschen zugefügte Verletzungen an Skeletten aus dieser Zeit nachweisen. Konsequenterweise wurden als Reaktion auf diese Überfälle damals die ersten Schutzmauern um die Siedlungen gezogen und vermutlich auch eine ständige Wache eingerichtet. Dies war ebenfalls ein folgenreicher Schritt, da er die Entstehung des Militärs bedeutete, deren Anführer einige Jahrtausende später dann zu den Fürsten und Königen wurden.

    Auch dieser Aspekt der kollektiven Geschichte findet sich in der individuellen Biographie wieder. Während der Säugling in der oralen Phase alles in die Hand nimmt, was gerade da ist und lediglich bei einen allgemeinen Mangel zu weinen beginnt, hat das Kleinkind in der analen Phase sehr genaue Vorstellungen darüber, was wem gehört: „Meins!!!" Die Auseinandersetzungen über das Spielzeug sind auch bei den Kindern in der Regel der Anlaß für Streitigkeiten.

    Der Besitz sichert das Leben und seine Qualität und ist daher zugleich das Objekt und die Ursache des Kampfes zwischen verschiedenen Menschen bzw. Menschengruppen.

    Es gibt noch eine weitere Entwicklung, von der man in diesem Zusammenhang ausgehen kann. In den großen Gemeinschaften der Erbauer von Göbekli Tepe werden durch den beginnenden Ackerbau und die ersten Ansätze von Viehzucht sowie den neuen, vergleichenden Blick auf die Welt auch Dinge in den Fokus der Aufmerksamkeit geraten sein, die vorher nicht von so großer Bedeutung gewesen sein werden. Dazu werden z.B. der Erdboden bzw. die Erde als Ganzes, der Regen, Trockenzeiten, Aussaattermine und ähnliches gehört haben. Man kann vermuten, daß diese neuen Dinge mithilfe der bereits bekannten Dinge und der Bilder aus den bisherigen Weltvorstellungen beschrieben worden sind. Doch das gehört schon in das nächste Kapitel über die religiöse Situation der Erbauer von Göbekli Tepe.

    Das Prinzip des Ordnens, dessen zeitlicher Aspekt der regelmäßige Rhythmus ist, ist ein wesentlicher Aspekt der Dinge, die Kinder benötigen, um sich sicher zu fühlen: Die Kinder wollen wissen, wo sie etwas finden, und ein in seinen Grundzügen geregelter Tagesablauf erleichtert Kindern und Eltern das gemeinsame Leben.

    Dieses ordnende Prinzip findet sich bereits in der frühen Jungsteinzeit nicht nur in der Herstellung von rechteckigen Ziegeln und rechteckigen Häusern, sondern auch in der geplanten Anlage von Siedlungen, in denen die Gebäude nicht wahllos nebeneinander stehen, sondern nach einem Plan angeordnet sind, in dem die Wohnhäuser, die Werkstätten, die Gemeinschaftsgebäude, die Tempel usw. alle ihre eigenen „Viertel" haben und alle Gebäude auf dieselbe Himmelrichtung hin ausgerichtet sind.

    Diese Siedlungen sind zudem teilweise durch zusätzliche Baumaßnahmen wie Schutzmauern oder Dämme gegen Überschwemmungen umgeben.

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    Diese Darstellung der Entwicklungen in der frühen Jungsteinzeit läßt möglicherweise den Eindruck aufkommen, als ob nach der Eiszeit die Jäger ganz plötzlich ihre Eigenständigkeit entdeckt hätten. Dies ist jedoch eher ein allmählicher Vorgang gewesen, der nach der Eiszeit sozusagen seine „kritische Masse" erreichte und eine tiefe Verwandlung einleitete, die ihren prägnantesten Ausdruck in den T-Pfeiler-Tempeln fand.

    Man kann durchaus die altsteinzeitlichen Höhlenmalerein, die um ca. 35.000 v.Chr. begonnen wurden und um ca. 12.000 v.Chr. endeten, als den Anfang dieser allmählichen Entfaltung einer Kultur ansehen, die dann in dem Tempelbau auf dem Göbekli Tepe ihren endgültigen Durchbruch fand.

    Aus den altsteinzeitlichen Höhlenmalerein von La Marche und von Lussac-les-Chateau sind einige Portrait-Zeichnungen bekannt, die man als die Vorläufer der Tonstatuen aus der Zeit der T-Pfeiler-Tempel ansehen kann, die den Verstorbenen nachgebildeten wurden – auch wenn diese altsteinzeitlichen Portraits nicht im Zusammenhang mit einem Totenkult gestanden haben werden.

    Auch in der individuellen Entwicklung gibt es kein bestimmtes Datum, an dem der Übergang von der oralen zur analen Phase stattfindet, sondern eher ein allmähliches Herantasten an die neue Verhaltensweisen.

    Wie die folgenden Nachzeichnungen von acht Portraits aus den Höhlenmalerein von La Marche und von Lussac-les-Chateau zeigen, hat es auch in der Altsteinzeit durchaus schon einen Sinn für Individualität gegeben:

    La Marche

    La Marche

    La Marche

    La Marche

    La Marche

    La Marche

    Lussac-les-Chateau

    Lussac-les-Chateau

    c) Die vorkeramische Phase der Jungsteinzeit: Spätzeit

    Die Spätzeit der ersten Hälfte der Jungsteinzeit, in der es noch keine gebrannte Keramik gab, dauerte von 8.700 v.Chr. bis 6.600 v.Chr.

    Der Ackerbau machte in dieser Zeit deutliche Fortschritte und wurde effektiver. Das frühere Sammeln wurde nun durch Aussaat, Beschützen der Felder u.ä. ergänzt. Da der Ackerbau viel Wasser benötigte, war es einfacher, ihn in den Tälern zu betreiben als oben auf den grasigen Hügeln, wo die Vorformen des Getreides wild wuchsen. Das bedeutete, daß die Menschen ihre großen, geordneten Jäger-Siedlungen auf den Hügeln aufgaben und kleine, meist ungeordnete Dörfer von wenigen Häusern in den Flußauen gründeten, wo sie Felder anlegten. Dies waren die ersten „richtigen Bauern. Dieser „Umzug fand um 8.000 v.Chr. statt. Lediglich in Zentralanatolien behielten die Menschen die geordnete Bauweise vereinzelt weiterhin bei.

    Zusätzlich zu den Schweinen wurden nun auch die Ziege und das Schaf domestiziert. Außerhalb des fruchtbaren Halbmondes entstanden damals parallel zu den Ackerbauern auch menschliche Gemeinschaften, die auf nomadische Weise nur von der Viehzucht lebten. Einige dieser Nomaden zogen durch das anatolische Hochland nach Norden und weiter zwischen dem Schwarzen Meer und dem Kaspischen Meer hindurch in die weiten südrussischen Steppen. Sie waren die Vorfahren der späteren Indogermanen.

    Der Hausbau wurde verändert, um eine größere Sicherheit für die Bewohner zu erreichen. Zunächst waren die Häuser Nachbauten der altsteinzeitlichen Hütten aus stabileren Materialien gewesen, aber nun wurden die Eingänge auf das Dach verlegt, sodaß man zunächst von außen mit einer Leiter hinauf und dann mit Hilfe einer zweiten Leiter wieder durch die Luke hineinklettern mußte. Diese Konstruktion wurde erst jetzt dadurch ermöglicht, daß die Dächer stabil genug waren, um sie begehen zu können. Diese „Dachterrassen" wurden vermutlich auch für die verschiedensten Tätigkeiten genutzt.

    Ein ähnlicher Baustil findet sich auch bei den Tempeln von Göbekli Tepe, die auch keinen Eingang besitzen, sodaß man mithilfe von Leitern o.ä. über die Mauer in den Tempel hinein- und wieder hinausklettern mußte.

    Die Wohnhäuser wurden deutlich komplexer und erhielten zum einen einen Unterbau aus vielen kleineren Vorratskammern sowie eine „Kanalisation, die aus einem kleinen Abflußkanal bestand. Teilweise gab es unter den Vorratsräumen sogar noch flache Unterkammern, damit der Boden dieser „Kellerräume trocken blieb und die dort gelagerten Lebensmittel nicht verdarben.

    Beide Neuerungen sind wieder Analogien zu den neuen Errungenschaften eines Kleinkindes zu Beginn der analen Phase: Das Kleinkind erlernt, windelrein zu werden (was der Kanalisation entspricht), und es lernt, über das Hier und Jetzt hinaus zu denken und kann durchaus verstehen, daß es dann, wenn es nicht gleich alle Süßigkeiten auf einmal aufißt, auch später noch welche haben wird (was der Vorratshaltung entspricht).

    Es fällt auf, daß in vielen Siedlungen die Häuser nach den Himmelsrichtungen ausgerichtet waren. Auch die Gemeinschaftsbauten bzw. Tempel im Zentrum der Siedlungen waren auf diese Weise ausgerichtet. Anfangs waren die Häuser in der Nord-Süd-Achse ausgerichtet und später in der Ost-West-Achse.

    Diese Ausrichtung zeigt, daß das Abstraktionsvermögen der Menschen sich soweit entwickelt hatte, daß die Himmelsrichtungen nicht nur wie für den altsteinzeitlichen Jäger ein Mittel der Orientierung waren, damit er wieder zu seinem

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