Geschäftsprozessmanagement
By Moreen Heine and Stephan A. Rehder
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Geschäftsprozessmanagement - Moreen Heine
Tabellenverzeichnis
1 Grundlagen und Einführung
Abb. 1: Übersicht zum ersten Kapitel
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war der Organisationsbegriff vor allem dem Militär, der Kirche und dem Staat vorbehalten. Veröffentlichungen aus jener Zeit befassen sich vornehmlich mit dem Verhältnis von Organisation zum gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Bereich. Im Zuge der fortschreitenden Industrialisierung und der zunehmenden Komplexität der Betriebe erlangte die Organisation – nebst Arbeit, Boden und Kapital – den Status eines Produktionsfaktors, wobei zu konstatieren ist, dass der Organisationsbegriff insbesondere im administrativen Sinne – im Rahmen der Abwicklung, Ausarbeitung und Durchführung – gebraucht wurde. Trotz der vordergründigen Ablauforientierung vor allem in Form von Funktionsbeschreibungen findet bis in die frühen 1930er Jahre keine Unterscheidung zwischen Aufbau- und Ablauforganisation statt. Insbesondere Nordsieck (1934) proklamierte in seinen Veröffentlichungen eine dualistische Betrachtungsweise der Organisation und konsolidierte damit nachhaltig die systematische Trennung von Aufbau- und Ablauforganisation (vgl. Gaitanides (2012), S. 11ff.). In der deutschen Organisationslehre folgt auch Kosiol (1962) dem dualistischen Prinzip. Er definiert die Aufbauorganisation als »Gliederung der Unternehmung in aufgabenteilige Einheiten und ihre Koordination« und die Ablauforganisation als »raumzeitliche Strukturierung der Arbeits- und Bewegungsvorgänge« (Kosiol (1962), S. 32). Die Aufgabe, die von Kosiol als »Zielsetzung für zweckbezogenes menschliches Handeln« (Kosiol (1962), S. 43) verstanden wird, spielt dabei eine zentrale Rolle. Die Verbundenheit beider Aspekte lässt sich in der gemeinsamen Vorgehensweise bei der Gestaltung erkennen; der Analyse folgt die Synthese. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass aufbauorganisatorische Aspekte denen der ablauforganisatorischen vorgelagert sind und diese vornehmlich einen deterministischen Charakter haben; die Ablauforganisation folgt der Aufbauorganisation (vgl. Gaitanides (2012), S. 22f.). Seit Beginn der 1980er Jahre hat sich eine Basisverschiebung von einer vornehmlich aufbauorganisatorischen Betrachtungsweise zur einer eher ablauforganisatorischen Fokussierung vollzogen (Prozessorientierung). Die Organisationsstrukturen orientierten sich vor allem an den Prinzipien der Prozessgliederung. In diesem Zusammenhang fand eine Betonung der unidirektionalen Flussorientierung statt, die gleichermaßen die Kundenorientierung und Organisationsgestaltung betrachtet. Darüber hinaus zeichnet sich die ablauforganisatorische Betrachtungsweise durch ihren dynamischen Charakter – hinsichtlich temporaler Veränderungspotenziale – und horizontale Aspekte – im Sinne der übergreifenden Wertschöpfungskette nach Porter (1985) – aus (vgl. Gronau (2016), S. 8f.). In der nachfolgenden Tabelle ist der Wandel der organisationalen Leitbilder zusammengefasst.
Tab. 1: Wandel organisatorischer Leitbilder (Quelle: Gronau (2016), S. 8)
Die Prozessorientierung lässt sich – wie oben bereits angedeutet – von den klassischen aufbauorientierten bzw. funktionsorientierten Ansätzen nach beispielsweise Nordsieck (1934) und Kosiol (1962) durch fünf wesentliche Merkmale abgrenzen (vgl. Gronau (1999), S. 212f.):
• Umfangreiche Effizienzmessung der Prozesse (z. B. Zeit und Kosten)
• Verstärkte Kundenorientierung bei der Gestaltung der Prozesse
• Betonung wertschöpfender Elemente bzw. Aktivitäten in Prozessen
• Orientierung auf die Zeit als Wettbewerbsdimension
• Etablierung von Lernprozessen
Der Transformation von einer funktionsorientierten Organisationsform zu einer Prozessorientierung kann in fünf Kategorien unterteilt werden und ist schablonenhaft in der nachfolgenden Abbildung dargestellt. Auf die genannten Konzepte des Geschäftsprozessmanagements wird weiter unter näher eingegangen.
Abb. 2: Schritte zur Prozessorientierung und Konzepte des GPM (Quelle: In Anlehnung an Gronau (1999), S. 213)
Unternehmen sind – bedingt durch die steigende Umweltdynamik, Unsicherheiten und Systemkomplexitäten – in zunehmenden Maße aufgefordert, sich sowohl an die sich stetig verändernden Umweltbedingungen anzupassen als auch proaktiv Veränderungen mitzugestalten bzw. diese zu antizipieren. Während marktseitig der Druck auf Unternehmen unter anderem durch steigende Kundenanforderungen, kürzer werdende Innovations- und Produktlebenszyklen und preisabhängige Stückzahlen weiter wächst, wirkt der Konkurrenzdruck vor allem auf qualitative, zeitliche und flexibilitätsbezogene Aspekte sowie das Preis-/Leistungsverhältnis. In diesem Zusammenhang spielt für den Erfolg von Unternehmen gleichermaßen die Fähigkeit und die Bereitschaft zur Veränderung und Innovation sowie die Geschwindigkeit eine maßgebliche Rolle. Dies betrifft vor allem schnell veränderbare Unternehmensstrukturen und -prozesse. Die (Reaktions-)Zeit ist zu einer Kernressource zu Generierung von Wettbewerbsvorteilen avanciert (vgl. Schmelzer/Sesselmann (2004), S. 1f.). Die folgende Abbildung stellt einige Herausforderung für Unternehmen noch einmal übersichtlich dar.
Abb. 3: Herausforderungen für Unternehmen (Quelle: In Anlehnung an Schmelzer/Sesselmann (2004), S. 2)
Vor dem Hintergrund der zuvor genannten Herausforderungen bzw. Anforderungen, müssen Unternehmen zunächst belastbare Strategien – beispielsweise auf Gesamtunternehmensebene, Geschäftsfeldebene oder Funktionsebene – entwickeln. Ausgehend von der jeweiligen Leitidee,