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Facetten des Lebens: 12 Kurzgeschichten
Facetten des Lebens: 12 Kurzgeschichten
Facetten des Lebens: 12 Kurzgeschichten
Ebook175 pages2 hours

Facetten des Lebens: 12 Kurzgeschichten

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Diese 12 Kurzgeschichten widerspiegeln die Facetten des Lebens. Mal sind sie traurig, mal heiter...
LanguageDeutsch
Release dateJul 21, 2017
ISBN9783744840989
Facetten des Lebens: 12 Kurzgeschichten
Author

Muharrem Faruk Bulut

1956 in Istanbul geboren.37 Jahre seines Lebens hat er in Deutschland verbracht. Zur Zeit lebt er mit seiner Frau zusammen in Ayvalik, Türkei. Bis jetzt sind 3 Bücher von Ihm in türkischer Sprache erschienen.

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    Book preview

    Facetten des Lebens - Muharrem Faruk Bulut

    Impressum

    Kurzgeschichte 01: Liebestränen

    Liebe öffnete die Augen, drehte sich im Liegen zur Seite und ließ die Blicke gemächlich über der Wiese schweifen. Nach einer Weile richtete sie sich auf und setzte sich hin. Sie fühlte in sich eine schwer zu beschreibende Regung; eine Heiterkeit, die dem Scheinen der Sonne am Himmel glich. Ihre Blicke blieben auf einem Marienkäfer stehen, der soeben auf ihrem nackten Fuß landete. Was für ein hübsches Geschöpf dieser Käfer doch war! Genauso hübsch wie ihr Name, den ihre Eltern ihr vergeben hatten. Ja, Liebe war ein märchenhafter Name! Sie nannten sie deshalb so, weil sie die Belohnung ihrer unerschütterlichen Liebe bezeugen sollte.

    Sie zählte einzeln, alle sieben schwarzen Punkte auf den roten Flügeln des Käfers. Dass er, auf dieser riesengroßen Wiese, ausgerechnet sie fand, konnte nur ein gutes Zeichen bedeuten! Die beflügelte Freude in ihrem Herzen wurde nun noch stärker.

    Sie nahm den Käfer behutsam in die Hand, hob ihn empor und mit einem leichten Pusten verhalf sie ihm in die Lüfte abzuheben. Sie stand auf, schaute um sich. Ihre Umgebung strahlte in einem lauen Licht und die verschiedenartigsten, kleinen wie großen Insekten, deren Farben sich gegenseitig neidisch zu machen versuchten, landeten und hoben wieder ab von den vielfältigsten Blumen, deren Duft ihres süßen Nektars, den sie in sich eingesogen hatten, sie in Rausch geraten ließ, schwirrten mit ihren winzigen Flügeln in einem fort umher.

    In der Ferne, aus dem Herzen eines großen Haufen Blumen, stiegen hunderte von Schmetterlingen hoch, die in einem magischen Licht eingetaucht zu sein schienen und flogen schillernd herüber. Miteinander tänzelnd, kreisten sie als eine glänzende Flügelschar in der Luft. Dann, eine Handspanne über Liebes Kopf, bildeten sie eine Krone, die all die erdenklichsten Farben der Natur widerspiegelte, und verharrten dort. Alsbald gesellten sich auch die Bäume, die die Wiese umgrenzten, zu diesem herrlichen Anblick der Freude, in dem sie ihr Geäst und Stämme hin und her wiegten. Nun teilten Bäume; Vögel wie Schmetterlinge; kurz alle Lebewesen; hauchfeine, verschleierte Fransenwolken; das Blau am Himmel; das Geplätscher des sacht dahinfließenden Baches, diesen Jubel.

    Von ganz weit her, entriss sich plötzlich ein schwer auszumachender Falke dem Himmel, näherte sich, und genau inmitten dieser Freudenwelt schnellte er unsäglich, wie eine Kugel, die für das menschliche Auge nicht wahrnehmbar ist, und schraubte sich in die Höhe. Weit oben, fast aus der Sichtweite, machte er abrupt Kehrt und wieder mit einer unfassbaren Geschwindigkeit schoss er abwärts und landete auf der Schulter von Liebe, beruhigte sich und legte seinen Schnabel sanft an ihre Wange. Als er ankam schrak kein Vogel zusammen, erzitterte kein Schmetterling vor Angst. Keiner dachte, er ist ein Raubvogel… Denn alles und jeder und die gesamte Natur hatten sich diesem unvergleichlichen Glücksmoment hingegeben! Liebe streichelte und küsste leicht seinen Schnabel, worauf er sich wieder im Nu, mit derselben Schnelligkeit in die Richtung entfernte, wo er hergekommen war.

    Liebe blieb dort bis der Westen sich in ein Dunkelblau und die Säume der wie dünne Striche aussehenden Wolken sich feuerrot färbten. Sie teilte ihr aufwallendes Glücksgefühl ergiebig mit all den dort befindlichen Tieren; den hoch hinaufragenden Bergen, den dunstigen Ebenen und den smaragdgrünen Wäldern; den hauchzarten Wolken und der Sonne, die die Welt liebevoll umarmte. Sie ließ aus ihrer Freude einen Fluss entspringen und je länger dieser floss, umso größer wurde ihre Glückseligkeit, und diese wiederum verwandelte sich in einen tosenden, gewaltigen Wasserfall.

    …..

    Jenseits der Hütte pflückte sie eins der Gänseblümchen, die auf beiden Seiten des Pfades gewachsen sind und so groß wie eine Handfläche waren und als sie dessen Blätter eins nach dem anderen herauszupfte, bewegten sich ihre Lippen: „Wird er… Wird er nicht… Wird er…" Das beim letzten Blatt ausgesprochene Wort reichte dafür aus, dass ihr Gesicht sich aufhellte: Ja, er würde kommen! Dem, auf den sie wartete, von dem sie träumte, würde sie eines Tages zweifelsohne begegnen. Und sie würde mit ihm zusammen leben, beide, würden zu einem einzigen Herz werden, das die innigste Liebe in sich bewahren und bis ans Ende ihrer Lebzeit glücklich schlagen würde. Sie würden in ihren Augen stets ihre gegenseitige Zuneigung lesen. Diese alte Hütte würde sich dann in ein, bis in alle Ecken warmes Nest verwandeln und Zeuge eines Liebesmärchens sein, das in aller Munde ist.

    Sie lief behänd zu dem Ort, der unweit von der Hütte, gleich hinter der schlanken, langen Zypresse, deren Wipfel zu den Wolken ragte, und der von einer Hecke aus beinahe zweimal mannshohen Pflanzen umgeben und somit weit entfernt von jeglichen Blicken war. Als sie dorthin gelang, wurde der Ort von einem gerade noch wahrnehmbaren, das Herz erwärmenden und jeden in Ekstase versetzenden Lied erfüllt: Blutrote wie rosa, gelbe wie grüne, weiße wie blaue, mannigfaltigsten Blumen sangen alle gemeinsam für sie. Liebe nahm auch daran teil und fing an, mit ihrer Stimme, die kein sterbliches Wesen auf Erden je zuvor gehört hatte und sich vorzustellen vermag, die melancholischsten, einem den Kopf verdrehenden Liebeslieder in den halbdunklen Schoß des Abends hinein zu singen… Ihre Stimme breitete sich wellenweise aus, umklang Wälder und endlose Ebenen, streifte sanft die verschneiten, hinter den Nebeln verschwundenen Gipfel der erhabenen Berge, prallte hoch zu den Sternen, verlieh derer Glanz neuen Glanz, kam dann wieder auf die Erde zurück und streute Liebe, Güte, Zärtlichkeit, Freundschaft, und all das was noch dazu gehört, genau deren Saat in die Herzen sämtlicher Menschen, ob weiblich oder männlich, alt oder jung, gut oder böse, und kehrte dann zu ihr zurück und ließ dort eine neue Liebesblume aufkeimen…

    …..

    Während Tage zur Nacht und Nächte zum Tag wurden, lief Liebe auf die Wiesen und erzählte ihre Erregung und ihre immer intensiver werdende Liebe zu den Vögeln; den Ameisen, die unaufhörlich und emsig irgendetwas in ihren Bau trugen; dem mit strengem Blick wild umherfliegenden Falken und den Gazellen, die zum Bach kamen, um ihren Durst zu löschen… Blumen gaben ihre Geschichte untereinander und heimische Vögel an Zugvögel weiter; Berge sagten es den über ihnen hinweg ziehenden Wolken und die wiederum überlieferten es an die weit entfernten Länder, und so gab es keinen einzigen mehr, der dieses Liebesmärchen nicht kannte.

    …..

    In der Dämmerung des siebten Tages, mit den allerersten Strahlen der Sonne, stand Liebe aus ihrem Bett und reckte sich ausgiebig. Mit ihrem ewigen Lächeln in ihrem Gesicht und der Fröhlichkeit, die fähig war, das ganze Universum zu umarmen, ging sie hinaus. Sie kreuzte die Arme, neigte den Kopf leicht zur Seite, als legte sie ihn an jemandes Schulter und drehte sich mal kurz um sich selbst, in dem sie ihren Rock wehen ließ. Ihr Herz wurde wieder einmal restlos von diesem uferlosen Gefühl beherrscht. Die Muttererde war schon vor ihr erwacht und befand sich in einer ruhelosen Aufregung, um sich mit ihren Lebewesen, die sie auf sich beherbergte, für diesen neuen Tag vorzubereiten.

    Sie zwinkerte einem Sperling zu, der gerade auf dem Dach der Hütte landete; winkte einem Paar Turteltauben, das auf einem Ast gurrte; schickte einen Kuss zum Falken, der fortdauernd über dem, wie im aufgespannten Sonnenlicht schwimmen zu scheinenden Wald seine Kreise drehte… Nein, egal was sie tat, konnte sie diese Aufwallung nicht zügeln! Dann fiel ihr das Orakel mit den Gänseblümchen ein… Jawohl, es würde sich bewahrheiten! Das Gänseblümchen, diese schöne Blume konnte sich nicht geirrt haben! Es wäre aber noch schöner, wenn sie es bloß wüsste, wann!

    Sie plätscherte, mit einem leisen Lied auf den Lippen und voller Ungeduld, nur so vor Freude über ihr eigenes Ufer, um dann plötzlich zu verstummen, als aus der weiten Ferne ein trauriger Klang einer Flöte ihre Ohren erfreute. Sie erstarrte dort ohne sich zu regen, ohne zu atmen und sogar ohne, dass man es ihr ansah, dass sie überhaupt noch lebte… Sie schaute und wendete sich in alle Richtungen, versuchte diesen wehleidigen und zugleich sie an sich ziehenden, ihr Gehirn und ihre Gefühle beschleichenden Klang zu orten. Endlich machte sie einen Schritt in die eine, dann in die andere Richtung, blieb erneut stehen und kehrte dann wieder zurück. Das Herz schlug ihr wie eine Trommel und schien ihr beinahe aus dem Brustkorb heraus zu springen. Ihr Gesicht errötete und der Schweiß trieb über ihren Leib. Sie konnte es nicht noch länger aushalten, verließ sich auf ihren Instinkt und begann zu laufen… Sie überquerte die kleine, hölzerne Brücke über dem Bach, blieb auf der anderen Seite, in der Nähe der stattlichen Platane, plötzlich stehen… Der Flötenklang kam von dort aber niemand war zu sehen… Langsam näherte sie sich dem Baum, ging um den, zwei Arme breiten, alten Stamm nach hinten und sah ihn: Der Mann, den sie sich ausmalte und von dem sie stets träumte, genau dieser Mann saß mit verschlossenen Augen, der Rücken an den Baum angelehnt, als verweilte er nicht mehr auf Erden, und blies in seine Flöte. Er bemerkte nicht einmal, dass sie da war… Er bemerkte im Grunde gar nichts! Liebe kniete sich leise, ohne ihn stören zu wollen, vor ihm nieder und hörte ihm zu. Sie hörte mit ihrem ganzen Körper, ganzen Wesen und dabei schwebte ihr Inneres mal in das höchste Wonnegefühl, und erbebte mal in tiefster Traurigkeit, je nachdem wie die Melodien erklangen. Der Mann öffnete seine Augen kein einziges Mal und Liebe schloss sie gar nicht. Einer hat gespielt und die andere hat nur zugehört… Der Tag wurde müde, der Abend weckte die Schimmer am Firmament auf und die Nacht eilte herbei… Er blies ohne auch für nur einen Moment innezuhalten und Liebe indes stickte seine Lieder in die heimlichsten Stellen ihres Herzens ein, ohne ihre Blicke, sei es auch für einen Wimpernschlag lang, von ihm abzuwenden…

    Der Horizont hellte sich auf, wurde scheckig, der Mann spielte immer weiter und Liebe hörte ihm wie verzaubert zu. Beide wurden nicht müde, beide schliefen nicht…

    Schließlich, am späten Vormittag, schlug der Mann seine Augen auf und sah das ihm gegenüber stehende und in das seinige Blau blickende Grün. Und wurde im Nu von ihm gefesselt. Ihm entrann, wie gelähmt, nur ein ‚oh!’, sonst nichts… Die Augen in diesem schillernden Grün, blieb er mit seiner Flöte in der Hand einfach stumm… Und auch alles drum herum hüllte sich in eine Stille. Kein, auch so kleinster Laut mehr war wahrzunehmen. Der Bach nebenan hörte mit dem Geriesel, das Gevögel mit dem Singen, der Wald mit dem Rascheln auf, und die gelbbraun gestreiften Wespen und Hornissen stellten ihr Surren ein. Das was zu hören war, war nur noch das Klopfen der zweier Herzen, die, als wenn sie sich seit hunderten oder gar tausenden von Jahren gesucht und erst in diesem Augenblick zueinander gefunden hatten. Und jetzt, schwiegen die ganze Natur und die Welt und hörten diesem Klopfen zu…

    Er konnte sich von ihren Augen nicht trennen. Und Liebe nicht von den seinen. Es war die Vereinigung von Grün und Blau… Das Blau vermischte sich mit dem Grün, verwandelte sich in ein Blatt auf dem ein Tropfen Tau gefallen war, dann wurde es zu einer tiefgrünen, von einem leichten Wolkenschauer genässten Wiese, die sich in der wohligen Lenzsonne glücklich in alle Richtungen erstreckte… Das Grün hingegen, flog davon und verlor sich in der Bläue einer Blume, und bevor es noch begriff, was mit ihm geschah, fand es sich wieder in einem, nur so vor sich hin schillernden Blau eines endlosen Meeres.

    Grün und Blau flossen solange ineinander, bis die Sonne sich unmerklich von ihnen verabschiedete. Weder Liebe noch der Mann sagte irgendetwas… Weder die eine noch der andere atmete… Irgendwann, gerade in dem Augenblick, als ein Schweifstern sich von den anderen löste und gleißend hinweg zog, gerade dann fiel eine Stimme zwischen die beiden:

    „Ich bin Liebe…"

    „Und ich Hüsran…"

    Der Mann neigte sich leicht nach vorn und hielt die Hand Liebes, deren Zartheit ihn erstaunen ließ.

    „Du bist es!"

    „Ja!"

    „Ich habe…"

    „Ja?"

    „Ich habe seit Jahren nach dir gesucht."

    „Ich weiß."

    „Doch am Ende, nicht ich habe dich, sondern du hast mich gefunden…"

    „…"

    „Ich habe keinen Ort ausgelassen… Berge und Ebenen; Plateaus und Täler… Ich habe mich auf den Weg gemacht und bin umhergezogen wie ein Wanderer… Ich habe Meere und Flüsse überquert… Ich habe dich überall dort gesucht, wo ein Sterblicher es auch vermuten würde… Nachts wie Tags… Ich habe meine Hoffnung nie sterben lassen, denn ich wusste es… Keine einzige Sekunde lang habe ich daran gezweifelt, und mein Herz sich betrüben lassen… Und heute…"

    Sie sprachen nicht weiter… Unter dem, mit kleinen wie großen Sternen übersäten Himmelsgewölbe, standen sie auf und gingen Hand in Hand, Herz an Herz in die Nacht hinein…

    …..

    Zuerst wurde Liebe wach. Der Tag erhellte gerade. Sie sprang aus dem Bett, ohne Hüsran zu wecken und schlich sich hinaus. Oh, mein Gott, dachte sie, was für ein unbeschreibliches Gefühl dies doch war! Ihre Augen tränten ihr vor Freude, welche sie gerne hinaus schreien würde, doch sie hielt sich zurück. Sie holte die morgenfrische Luft tief in ihre Lungen ein. Flugs lief sie in die Mitte der Liebesblumen und ließ sich auf die taufeuchte Wiese nieder. Es machte ihr nichts aus, dass sie nass wurde, streckte die Arme weit in beide Flanken und schloss ihre

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