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Grand Slam: Die besten Tennisspieler aller Zeiten
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Grand Slam: Die besten Tennisspieler aller Zeiten

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GRAND SLAM ist eine Reise durch die Tennisgeschichte, und soll die Frage aller Fragen beantworten: Wer kann als bester Spieler aller Zeiten bezeichnet werden? Welche Kriterien sind zulässig, um dieses Ranking zu bestimmen? Ist Rod Laver der größte Tennisspieler aller Zeiten, weil er gleich zweimal (1962 und 1969) das heutzutage unglaublich anmutende Kunststück vollbracht hat, binnen eines Jahres alle vier Grand-Slam-Events zu gewinnen? Oder ist es Donald Budge, der genau das 1938 erstmals schaffte und sich daher Erfinder des Grand Slam nennen darf? Oder sind die Leistungen in der Neuzeit höher zu bewerten, da Budge und Laver ihren Grand Slam lediglich auf zwei verschiedenen Belägen (Gras und Sand) holten, aber Andre Agassi, Roger Federer, Rafael Nadal und Novak Djokovic bereits auf drei (inklusive Hardcourt) bestehen mussten? Oder zählt schlichtweg der echte Grand Slam mehr als der Karriere-Slam auf drei Böden? Neben Laver, Budge, Agassi, Federer, Nadal, Djokovic gewannen nur noch Roy Emerson und Fred Perry alle vier Turniere des so genannten Grand Slam. Die Geschichten dieses GRAND SLAM sind gespickt mit Tischtennis-WM-Titeln, Verstrickungen und Verwirrungen zu Zeiten des Nationalsozialismus, oder mit Dates mit Marilyn Monroe. Lassen Sie sich entführen in andere Zeiten und andere Schauplätze im Zeichen des Tennissports!
LanguageDeutsch
PublisherEgoth Verlag
Release dateMay 27, 2017
ISBN9783903183544
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    Book preview

    Grand Slam - Thorsten Medwedeff

    habe..

    1

    Fred Perry

    Working-Class-Hero

    Fred Perry war der erste Tennisspieler, der sich einen Namen in Hollywood machte. Fred Perry war der erste Tennisspieler, der alle vier Grand-Slam-Turniere im Laufe seiner Karriere gewann, zuvor aber schon Tischtennis-Weltmeister geworden war. Fred Perry war der erste Tennisspieler, der seine eigene Modelinie kreierte. Und Fred Perry war auch der erste Wimbledon-Champion, der aus der Arbeiterklasse kam und er war der Erste, der auf dem Tennis-Court entgegen dem Usus in den dreißiger Jahren psychologische Tricks benutzte, um einen persönlichen Vorteil zu ziehen.

    „Ich war das dreckige Arbeiterkind, das ihr weißes Tennis beschmutzte", sagte er einmal über sich selbst und nicht ohne Stolz. Bei seinem ersten Wimbledon-Sieg 1934 wurde ihm die Krawatte des All England Lawn Tennis Clubs, die jeder Sieger bekam, nicht verliehen, sondern einfach in die Umkleidekabine gehängt. Perry versuchte trotz der ihm entgegen gebrachten Abneigung, oder gerade deswegen, jenen Leuten zu gefallen, die ihn ablehnten. Er wollte unbedingt zur High-Society gehören. Dieser tief verwurzelte Wunsch zieht sich durch sein ganzes Leben.

    Erst als er Mitte der dreißiger Jahre in die Vereinigten Staaten von Amerika auswanderte, 1938 die US-Staatsbürgerschaft annahm und sich mit Stars aus Hollywood umgab, hatte er sich diesen Traum erfüllt. Er war drei Jahre lang der beste Spieler der Welt gewesen, die unumstrittene Nummer eins. Er war in Hollywood mit Stars wie Marlene Dietrich oder den Marx Brothers befreundet. Er gehörte dazu.

    Aber ohne das Tennis hätte er das nie geschafft. Und vor allem ohne den ersten Wimbledon-Titel 1934. Am 7. Juli schrieb der Daily Mirror in riesigen Lettern: „Perry ist der Tennis-Weltmeister. Der Titel ist nach 25 Jahren nach Hause zurückgekehrt. Ein Vierteljahrhundert lag zwischen Perrys eindrucksvollem 6:3, 6:0, 7:5 über den Australier Jack Crawford und dem Sieg von Arthur Gore. Perry sagte damals: „Und wenn ich hundert Jahre alt werde, so gut werde ich niemals wieder spielen. Danach war er endgültig ein Nationalheld. Zumindest für die Öffentlichkeit.

    Bereits 1933 hatte er maßgeblichen Anteil daran gehabt, dass Großbritannien zum ersten Mal seit 1912 wieder die DaviscupTrophäe in die Verbandsvitrine stellen durfte. Nach dem 3:2 über Frankreich war die Schlagzeile des Daily Mirror noch kürzer und prägnanter gewesen: „FRED!"

    Erst mit 18 Jahren hatte dieser Fred ernsthaft begonnen, Tennis zu spielen. Sieben Jahre später war er bereits der Größte.

    Die beste Vorhand der Welt

    Was Perrys Spielstil auszeichnete, war, dass er den so genannten kontinentalen Stil bevorzugte, der heute ausgestorben ist. Dieser Continental Style, den auch die Franzosen Henri Cochet und René Lacoste verwendeten, hatte den Vorteil, dass bei keinem Schlag ein Griffwechsel vorzunehmen war. Vor- und Rückhand wurden ebenso mit dem Einheitsgriff gespielt wie der Aufschlag oder ein Smash. Zudem waren Spieler, die diesen Stil beherrschten, in der Lage, den Ball bereits im Aufsteigen und für damalige Zeiten extrem früh zu nehmen und so mit mehr Speed und extrem flach zu spielen. Seine Vorhand war das Beste, was es zu dieser Zeit gab.

    „Seine einzige Schwäche war die Rückhand, analysierte später einmal Jack Kramer. „Er schlug sie zu 90 Prozent mit einem Unterschnitt. Als er später bei den Profis auf Größen wie Ellsworth Vines und Donald Budge traf, war es diese fehleranfällige Rückhand, die für viele Niederlagen verantwortlich war.

    Für einen Spielstil wie ihn Perry praktizierte, benötigte man ein extrem belastbares Handgelenk. Genau darüber verfügte er.

    Das war eine Folge seiner „Tischtennis-Zeit. Denn seine ersten Meriten in der internationalen Sportwelt erwarb sich der am 18. Mai 1909 in Stockport geborene Frederick John Perry im Tischtennis. Fred versuchte sich in allen Sportarten, er spielte in der Abwehr für das Ealing County School-Fußballteam und für das Cricket Team, aber am besten war er im Tischtennis. „Ich machte im Haus alle verrückt, weil ich abends den Küchentisch an die Wand schob, ein Netz aufstellte und stundenlang den kleinen Zelluloidball an die Wand knallte, erinnert sich Perry in seiner 1984 erschienenen Autobiografie. „Da der Ball ja ständig zurückkam, entwickelte ich bald ein gutes Gefühl." Und Fred hatte nie einen Trainer – er gewöhnte sich beim Tischtennis einen Einheitsgriff an, den er nie wieder änderte. Auch nicht, als er später Tennis spielte.

    1924 kam er erstmals mit dem damals als elitär verschrienen Sport in Berührung. Eines Abends kam Fred viel zu spät nach Hause – die Familie weilte auf Urlaub in Eastbourne – und sein Vater Sam tobte und fragte, wo „zur Hölle er gewesen sei. Perry: „Ich sagte: Ich bin im Devonshire Park gewesen, wo die Leute in feinstem weißen Zwirn herumgelaufen sind und Tennis gespielt haben. Und da standen eine Menge teurer Autos. Gehören die eigentlich den Leuten, die spielen, oder denen, die zuschauen? Freds Vater antwortete: „Die meisten gehören denen, die spielen." Das war die Initialzündung zu Freds Liebe zum Tennis. Solch ein Auto wollte er haben, solch feinen Zwirn wollte er tragen und zu ihnen gehören.

    Sam Perry kaufte dem Sohn ein altes Racket, das er irgendwo um fünf Shillings erstanden hatte. Im Brentham Institute – die Familie war 1919 in die Pitshanger Lane in Brentham, einem Teil von Ealing im Westen Londons übersiedelt – gab es einige Tennisplätze. Dort schlug Fred seine ersten Bälle. Oder er übte auf den Bowling Greens oder zuhause an der Hauswand. 1926 schrieb er sich im Herga Tennis Club in Harrow ein, bei dem er sein ganzes Leben lang Mitglied blieb. In den darauffolgenden Sommerferien nahm er an den Middlesex Junior Championships teil und erreichte mit seinem ungewöhnlichen Griff, bei dem er den Schläger wie eine Axt in der Hand hielt, sensationell das Finale im Einzel und gewann das Doppel.

    Dadurch ermuntert, nahm Perry an den Wimbledon Junior Championships teil. Mit dem alten 5-Shilling-Racket, das prompt kaputt ging. Aber Cyril Eames, ein damaliger Daviscupspieler, schenkte Fred ein neues Racket. In der vierten Runde kam das Aus. Aber Perry hatte sein Talent bewiesen und nahm anschließend bei einigen Junioren-Turnieren teil und erreichte mehrmals das Viertelfinale.

    Fred Perry, Tischtennis-Weltmeister

    Aber richtig gut war Perry in dieser Zeit im Tischtennis. Zur selben Zeit, als auf Initiative des englischen Filmemachers Ivor Montagu, Sohn von Lord Swaythling, die ersten Tischtennis-Weltmeisterschaften im Dezember 1926 in der Memorial Hall in der Londoner Fleet Street stattfanden. Vier Tische waren in einem großen Raum im ersten Stock aufgestellt, ein paar Hundert Zuschauer fanden dort Platz. Rund 50 Männer und 40 Frauen nahmen teil, viele spielten in Straßenkleidung und –schuhen. Das Event war zunächst als Europameisterschaft ausgerufen worden, aber eine Handvoll indischer Studenten machte es zu einer WM. Die ersten Titel gingen an Ungarn: Bei den Herren gewann Roland Jacobi, bei den Damen Maria von Mednyanszky. Britische Teilnehmer spielten überhaupt keine Rolle.

    Im Januar 1928 aber traf Perry auf Montagu, der bis 1967 Präsident des internationalen Tischtennisverbands (ITTF) bleiben sollte und damals englischer Tischtennis-Teamchef war. Fred nahm damals an den Ausscheidungsspielen für die zweite WM in Stockholm 1928 teil. Und Perry schaffte es, sich für das englische Team zu qualifizieren. „Er verfügte über keine besonderen Schläge, aber seine Gelenkigkeit und Entschlossenheit in der Verteidigung verhalfen ihm zu einem Platz im Team, sagte Montagu. Bei der WM selbst wollte der Teamchef seine zwei besten Spieler zunächst schonen und setzte die übrigen drei im Auftaktmatch gegen die Tschechoslowakei ein. Darunter auch Perry. Und Montagu schien klar, wer danach im Spiel gegen die überragenden Ungarn pausieren müsse: Fred Perry. Dank eines Missverständnisses beim Zählen des Scores auf Schwedisch kam Perry zum Sieg gegen den schwächsten der Tschechoslowaken. Sein Selbstvertrauen wuchs ins Unendliche. Er besiegte auch die beiden anderen aus der Mannschaft der CSSR und „wischte mit zwei ungarischen Weltmeistern den Boden auf, erinnert sich Montagu. „Von diesem Moment an war er ein richtiger Tischtennis-Spieler."

    Doch am Finaltag – Perry stand im Einzel-Viertel-, im Mixed-Semi-und im Doppel-Finale – erlitt Fred in einem Spiel im Mannschaftsbewerb gegen einen Österreicher eine Bänderverletzung im Knöchel, konnte zwar weiterspielen, verlor aber im Einzel gegen den späteren Zweiten, den Ungarn Laszlo Bellak, und ging im Doppelfinale unter. Perry verbesserte sich 1928 aber auf Platz acht in der Tischtennis-Weltrangliste und ein Tischtennis-Experte sagte laut Montagu: „Der großartigste Angriffsschlag, den wir hier gesehen haben, ist der Vorhand-Drive von Perry."

    Nur ein Jahr später war Fred, mit 19 Jahren, Tischtennis-Weltmeister. Die WM 1929 fand im Januar in Budapest statt und die Gastgeber dominierten praktisch das ganze Turnier. Noch nie hatte ein Spieler, der nicht aus Ungarn stammte, ein Turnier auf ungarischem Boden gewonnen.

    Bis Perry kam. Allein sein Finaleinzug war eine veritable Sensation. Und dort wartete das 17-jährige ungarische Wunderkind Miklós Szabados, der den Titelverteidiger Zóltán Mechlovits im Halbfinale aus der Halle geschossen hatte. 3.000 Zuschauer pressten sich in die kleine Arena, darunter Minister aus dem ungarischen Kabinett. Was dann passierte, darüber sind sich die Augenzeugen nur in einem einig: Fred Perry gewann den vierten Satz mit 21:19 (nachdem er bereits 20:16 geführt hatte) und wurde TischtennisWeltmeister. Denn bei den übrigen Satz-Ergebnissen weichen das „offizielle" Scoreboard, das ein 14:21, 21:12, 23:21 und 21:19, und die Erinnerungen von Montagu (ihm zufolge siegte Perry 18:21, 21:19, 21:16, 21:19) und des Journalisten Sándor Glancz (er schrieb 1937 in einem amerikanischen Tischtennis-Magazin davon, dass Perry den ersten Satz gewonnen habe) voneinander ab.

    Als Fred aus Budapest zurückkehrte, gab er seinen Rücktritt vom Tischtennis bekannt. „Was wirst du nun tun?", fragte ihn sein Vater. Binnen vier Jahren in Englands Daviscup-Team spielen, tönte der Sohn. Er benötigte dafür genau zwei Jahre.

    Fred hatte soeben die Schule abgeschlossen und verdiente in einer Tee-Handlung sein eigenes Geld. Zunächst gab es die Idee, als Arbeiter auf eine Tee-Farm nach Ceylon (das spätere Sri Lanka) zu gehen, aber darauf hatte Fred keine Lust. Er wollte Tennis spielen und er wollte Wimbledon gewinnen. Er wechselte den Job und ging zum Sportartikelhersteller Spaldings. Dort war er näher dran am Tennis. Es war das, was er wollte.

    Sein Tennis verbesserte sich jetzt schnell. Er trainierte stundenlang mit Frank Wilde, der später auch im Daviscup für England antrat. 1929 qualifizierte sich Fred erstmals für den Hauptbewerb in Wimbledon. Er überstand zwei Runden, ehe er von John Olliff besiegt wurde, einer seiner früheren Gegner „von der anderen Seite", von der Public School.

    „Ich war damit schon sehr happy, erinnert sich Perry in seiner Autobiografie aus dem Jahr 1984, „aber Pops Summers meinte, es sei noch ein verdammt langer Weg, bis ich mein Ziel erreichen und bester Spieler des Landes werden würde.

    Pops Summers

    Das erste Zusammentreffen mit Fred im Jahr 1926 im Herga Club nannte Perry später den „turning point seiner Karriere im Tennis. Summers arbeitete damals für Slazenger und konnte Perry dadurch auch leicht mit kostenlosem Equipment ausstatten. Summers interessierte sich für talentierte Jugendliche, er konnte das Spiel „lesen und er verstand als einer der wenigen die psychologischen Faktoren des Spiels.

    Summers schlug Fred vor, er solle doch an dem jährlichen Turnier für Schüler in Queen’s teilnehmen. Die Teilnahmegebühren und Reisekosten waren für Sam Perry aber kaum zu bezahlen. Dennoch fuhr Fred am ersten Tag des Turniers bereits um neun Uhr früh in den Queen’s Club und bat dort den Klubsekretär E. B. Noel, ihn teilnehmen zu lassen, obwohl die Anmeldefristen bereits abgelaufen seien. Noel fragte Perry: „Welche Schule repräsentieren Sie, Sir? Eton? Marlborough? Harrow? Repton? Fred war verwirrt. Er sagte: „Ealing County School. Der Klubsekretär meinte: „Davon habe ich noch nie gehört? Wo ist das? In Ealing, sagte Fred. „Ich fürchte, wir haben kein Zimmer für Sie frei, sagte Noel. Zimmer waren nur für Spieler aus privat finanzierten Schulen (public schools) reserviert. „Keine Sorge, sagte Fred. „Ich kann mich auf dem Fußboden umziehen. In diesem Moment bog Jimmy Nuthall, ein Freund der Familie Perry, ums Eck. „Woher kommt denn Jimmy?, fragte Fred. „Repton, lautete die Antwort. „Okay, dann spiele ich für Repton", sagte Perry. Er war der erste Junge, der an dem Turnier teilnahm, obwohl er keine Public School besuchte.

    1929 entschied Pops Summers, dass Perry seine Vorhand, ohnehin schon sein wirkungsvollster Schlag, noch verbessern müsse. „Sie würde noch stärker werden, wenn ich den Ball noch früher nehme. Dann hätte ich eine noch bessere Chance, schnell ans Netz zu kommen und den Punkt zu machen." Später verglichen Tennis-Experten diesen Stil gerne mit jenem von Jimmy Connors oder Andre Agassi, die es ebenfalls jederzeit darauf anlegten, ständig enormen Druck auf den Gegner auszuüben. Ende der zwanziger Jahre gab es nur einen, der ähnlich agierte: Der Franzose Henri Cochet. Fred schaute ihm beim Training und beim Match zu, wann immer es möglich war, und er las alles über Cochet.

    Im Winter 1929/30 arbeiteten Perry und Pops Summers stundenlang an dieser Vorhand. Im Herga Club und in Chiswick organisierte der Coach Spieler, die mit aller Wucht auf Perrys Vorhand servierten und Fred versuchte, den Ball so früh wie möglich zu schlagen, beinahe als Halbvolley. Perry: „Ich glaube, ich habe mehr Fenster in Tennisklubs zerschossen als irgend jemand anders in Großbritannnien."

    Perry verstand, dass er diesen Schlag, diese Waffe, nicht immer einsetzen musste, es aber ein gutes Gefühl war, ihn stets als letztes Ass im Ärmel bereit zu haben. Und immer, wenn er dieses Ass zog, rannte er danach ans Netz, als sei er auf der Flucht. Bei einem Doppel im Herga Club Ende des Jahres 1929 klappte der Schlag plötzlich wie automatisiert. Summers brach sofort das Training ab, schickte Fred nach Hause und sagte: „Bitte sieh eine Woche lang keinen Tennisball an. Aber sag dir immer wieder, dass du weißt, wie es geht, den Ball so früh zu schlagen. Und dann kommst du am nächsten Sonntag wieder." Eine Woche später konnte es Fred noch immer.

    Monsieur Limonade

    Im Januar 1930 wurden Freds Tennis-Fortschritte jäh gestoppt. Seine Mutter Hannah war am 8. Januar an einem Unterleibs-Krebs gestorben. Während seiner ganzen Karriere sollte Perry an keinem 8. Januar ein Racket in die Hand nehmen.

    In diesen schweren Tagen für die Familie Perry (Fred hatte noch eine Schwester namens Sylvia) fragte Sam seinen Sohn: „Was willst du mit deinem Leben anfangen? Und Fred antwortete ohne nachzudenken: „Ich will Tennis spielen. Sam Perry versprach, seinen Sohn finanziell so weit es ging, aber zumindest für ein Jahr, zu unterstützen. Er solle seinen Job bei Spaldings kündigen. Und es gab zwei Abmachungen: Wenn es Fred schaffen würde, bis zu seinem 21. Geburtstag nicht zu rauchen, bekäme er weitere 100 Pfund, und dieselbe Summe, wenn er bis dorthin keinen Schluck Alkohol trinken würde. Den zweiten Teil dieses Deals schaffte Fred locker, den ersten nicht. Auch später nippte er selbst nach großen Siegen nur vorsichtig am Champagner. In Paris bekam Perry den Spitznamen „Monsieur Limonade, auch auf Hollywood-Partys trank er nur Ginger Ale oder Limonade. Perry: „Ich wollte der fitteste Mann in meinem Sport werden. Und wenn er in Wimbledon spielte, verweigerte er alle Party-Einladungen, solange er noch im Turnier war.

    Es gab aber noch weitere Prinzipien, an die sich Fred stets hielt: Vor einem wichtigen Match fuhr er nie selbst mit dem Auto, „weil es die Augen negativ beeinflusst. Und er ließ sich – obwohl er Rechtshänder war – niemals die rechte Hand schütteln, er streckte seinem Gegenüber immer die Linke hin. „Wenn du 50 oder 60 Leuten täglich die Hand schüttelst, dann verlierst du schnell das Gefühl. Übrigens: Der Österreicher Thomas Muster, der 1995 die French Open gewann, schrieb als Linkshänder seine Autogramme stets mit rechts.

    Perry zeigte aber auch auf dem Platz einige Marotten und war bald dafür berühmt, dass er es perfekt verstand, den Gegner zu irritieren und beinahe verrückt zu machen. Fast sollte man meinen, der ehemalige Andre-Agassi-Coach Brad Gilbert habe rund 60 Jahre später mit seinem höchst umstrittenen Buch „Winning ugly" (Untertitel: Mentale Kriegsführung im Tennis, erschienen im Verlag zu Klampen, 1997) auch Anleihen bei Fred Perry genommen. Zeitgenossen nannten Perry in den dreißiger Jahren den „vielleicht unenglischsten Engländer". Vornehme Zurückhaltung und Fairness bis zum letzten Punkt waren ihm fremd, er verstand es dagegen blendend, psychologische Tricks einzusetzen.

    Sein am häufigsten verwendeter war es, sich zu beschweren, dass er etwas im Auge hätte – und zwar vornehmlich dann, wenn sein Gegner dabei war, in Richtung Sieg zu steuern. Perry ließ sich dann minutenlang vom Referee und von den Linienrichtern ins Auge schauen, ohne dass jemand etwas entdecken konnte. Was er aber damit zumeist erreichte: Der Rhythmus seines Gegners war gebrochen.

    Und Perry liebte die Show auf dem Tennisplatz. Nicht nur, dass er selbst nach einem hart erkämpften Sieg mit einem eleganten Satz über das Netz sprang, als wollte er dem Gegner und den Zuschauern beweisen, dass er locker noch weitere fünf Sätze spielen könne. Es kam auch vor, dass er den Gegner mit anderen Mätzchen verrückt machte. In einem Match gegen den Franzosen Jean Borotra platzierte Perry ein überaus hübsches Model aus Frankreich auf einem der vordersten Sitzplätze am Court. Bei einem sicher verwandelten Smash von Borotra sprintete Perry völlig unerwartet in die entgegen gesetzte Richtung zu dem Mädchen, sprang auf deren Schoß, ließ sich einen dicken Kuss geben und kehrte mit lippenstiftroten Lippen auf den Platz zurück. „Die

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