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Vegan Family: Veganes Leben für die ganze Familie
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Ebook361 pages3 hours

Vegan Family: Veganes Leben für die ganze Familie

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About this ebook

Dieses Buch ist eine Hilfestellung für alle, die sich mit dem Thema Ernährung beschäftigen, geschrieben aus vielen persönlichen Erfahrungen und mit wissenschaftlicher Untermalung. Es zeigt, wie einfach veganes Leben und der vegane Familienalltag sein kann, selbst während einer Schwangerschaft oder mit kleinen Kindern. Saskia Rehäußer, geboren 1980, studierte Architektur in Gießen und arbeitete danach in verschiedenen Firmen als Projektleiterin. Momentan befindet sie sich in Elternzeit und kümmert sich um ihre zwei Kinder. Zum Veganismus fand sie 2012 und beschäftigt sich seitdem intensiv mit dem Thema.
LanguageDeutsch
PublisherCBX Verlag
Release dateJun 1, 2015
ISBN9783945794647
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    Book preview

    Vegan Family - Saskia Rehäußer

    Familie

    Saskia Rehäußer

    VEGAN FAMILY

    Veganes Leben für die ganze Familie

    Originalausgabe

    1. Auflage 2015

    © 2015 CBX Verlag, ein Imprint der Singer GmbH

    Frankfurter Ring 150

    80807 München

    info@cbx-verlag.de

    Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf in keinerlei Form – auch nicht auszugsweise – ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert, vervielfältigt oder verbreitet werden.

    Lektorat: Ulla Bucarey

    Umschlaggestaltung: Nina Knollhuber

    Umschlagabbildung: iStockphoto Maxrale / Depositphotos roxanabalint

    Layoutgestaltung und Satz: Julia Swiersy

    Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck

    Printed in Germany

    ISBN: 978-3-945794-02-9

    Wichtiger Hinweis:

    Methoden, Anregungen und Hinweise in diesem Buch beruhen auf Erfahrung sowie sorgfältiger Recherche und Prüfung durch die Autorin. Keinesfalls ist das Buch jedoch Ersatz für ärztliche oder therapeutische Untersuchung und Beratung, daher liegt die Anwendung allein in der Verantwortung des Lesers. Weder Autorin noch Verlag können für eventuelle Schäden oder Nachteile, die aus den im Buch gegebenen Hinweisen resultieren, Haftung übernehmen.

    Inhaltsverzeichnis

    »Die Zukunft beginnt auf deinem Teller.«

    Marc Pierschel

    Vorwort

    Vor einigen Jahren saß ich noch völlig ahnungslos vor meinem komplett omnivoren (sowohl tierisch als auch pflanzlichen) Frühstück und fragte mich, ob ich bzw. wir es schaffen könnten uns völlig vegan zu ernähren. Was das für wohl unser Leben bedeuten würde? Auf was würden wir alles »verzichten« müssen? Würden wir unser Kind auch so ernähren können und was wäre, wenn ich nochmal schwanger werden würde? Vegan und schwanger, ginge das überhaupt? Wie würden meine Eltern, unsere Freunde, Bekannten und Kollegen reagieren? Ist vegan nicht eigentlich verdammt schwierig? Und vor allem:

    Was bedeutet eigentlich »vegan«?

    Laut Duden wird Veganismus wie folgt definiert: »[ethisch motivierter] völliger Verzicht auf tierische Produkte bei der Ernährung u. a.« Veganer essen kein Fleisch oder Fisch. Sie verzichten auf Milchprodukte (wie z.B. Käse, Joghurt, Quark), Eier und Honig. Sie tragen keine Kleidung aus Wolle, Daunen, Seide oder Leder. Veganer nutzen nur Hygieneartikel (wie Zahnpasta, Kosmetik und Waschmittel), die frei von tierischen Inhaltsstoffen sind und auch ohne Tierversuche hergestellt wurden. Zudem gehen sie nicht in den Zoo und besuchen keine Zirkusvorstellungen mit Tieren. Veganer wollen jegliches Leid von Tieren vermeiden. Nicht jeder wird allerdings aus ethischen Gründen vegan. Manche entscheiden sich aus gesundheitlichen Gründen für vegane Ernährung, andere verzichten auf tierische Produkte, um die Umwelt vor den Gefahren der Massentierhaltung zu schützen. Die Grenzen verschwimmen hier oft etwas, da irgendwie jeder Veganismus für sich selbst definiert. Gemeinsam ist das Ergebnis: eine Ernährung ohne tierische Inhaltsstoffe.

    Am Anfang taten wir uns recht schwer mit der Umstellung und es tauchten immer wieder Fragen auf. Ich hoffe, dass durch dieses Buch diese Fragen weitestgehend beantwortet werden. Denn eins ist sicher, wenn wir auf diesem Planeten weiter leben wollen und auch unsere Kindeskinder noch eine lebenswerte Zukunft haben sollen, müssen wir dringend umdenken. Jeder von uns kann dazu beitragen, und ein Aspekt dabei ist der Verzicht auf tierische Produkte.

    Abschließend möchte ich Herrn Dr. Keller, Ernährungswissenschaftler und Autor, zitieren: »Insgesamt hat eine gut geplante vegane Ernährung (bei Beachtung der potentiell kritischen Nährstoffe und in Verbindung mit einer Vitamin-B12-Supplementierung) nicht nur positive Auswirkung auf die eigene Gesundheit, sondern auch auf globale Aspekte und kann zu einer nachhaltigen und klimafreundlichen Lebensweise beitragen.«

    Mein Dank gilt all denen, die mich bei diesem Buchprojekt bedingungslos unterstützt haben, vor allem aber meinem Mann Oli und meinen Kindern Cosmo und Nova, ohne die es dieses Buch nicht geben würde.

    Kleinsendelbach im März 2015

    Saskia Rehäußer

    »Zwei Dinge sind unendlich:

    Das Universum und die Dummheit der Menschen.

    Aber beim Universum bin ich mir nicht ganz sicher.«

    Albert Einstein

    1. Wie alles begann

    Ohne es zu ahnen begann mein veganes Leben mit der Geburt meines Sohnes Cosmo. Niemals hätte irgendwer von mir gedacht, dass ich je auf Fleisch verzichten würde oder könnte, geschweige denn auf Milchprodukte und Eier. Ich selbst hätte es zu diesem Zeitpunkt auch nicht für möglich gehalten. Wie gerne mochte ich doch Lachsschinken, »Drei im Weckla« (die berühmten Nürnberger Rostbratwürstchen im Brötchen – eine fränkische Spezialität), gebratenen Speck, Rühreier, Frischkäse und Cappuccino mit extra viel Milchschaum. Vegetarier waren für mich eher wunderlich. Wer verzichtet schon freiwillig auf Fleisch?

    Gerade in der 33. Schwangerschaftswoche angekommen, fuhren wir zu meiner Schwester Ninja zu Besuch nach Heidelberg. Sie ist Hebamme, und ich wollte mein Kind unbedingt in ihrem Geburtshaus zur Welt bringen. Dort bekam ich dann schnell die erste Lektion des Elterndaseins erteilt: Die Geburt eines Kindes lässt sich nicht planen.

    Meine Frauenärztin in Franken hatte ein Kontroll-CTG (Diagnoseverfahren zur Überprüfung der Wehentätigkeit wie auch der Herzfrequenz beim ungeborenen Kind) angeordnet, da ein CTG vom Vortag nicht besonders gut war. Kurz nach unserer Ankunft schrieb meine Schwester in ihrem Geburtshaus bereits ein neues CTG, leider war es genauso schlecht. Wir beschlossen spazieren zu gehen, um meinen Kreislauf etwas in Schwung zu bringen. Wir verweilten noch einige Zeit auf dem Weihnachtsmarkt, aßen und tranken etwas. Die Stimmung blieb allerdings angespannt. Besorgt und bedröppelt liefen wir wieder zum Geburtshaus zurück, um erneut ein CTG zu schreiben. Obwohl meine Schwester versuchte, ihre Sorgen zu verbergen, sah ich sie ihr deutlich an. Ich wusste in diesem Moment, dass irgendetwas mit meinem Baby nicht stimmte. Ninja zog ihre erfahrenere Kollegin zurate. Diese starrte wie gebannt auf mein CTG und sagte kurz darauf: »Der wird heute noch geholt.« In mir brach eine Welt zusammen. Ich war doch erst in der 33. Schwangerschaftswoche und noch nicht einmal in Mutterschutz. Ich hatte mich so sehr darauf gefreut – und was hatte ich nicht alles in der Zeit geplant! Nun sah ich mich auf einmal mit einem Kaiserschnitt konfrontiert. Eine Operation war das letzte was ich wollte. Dann kam mir plötzlich der verstörende Gedanke: »Es sind noch acht Wochen bis zum errechneten Termin, und mein Kind wird eine Frühgeburt.« Vor lauter Panik versuchte ich mir alles schönzureden. Vielleicht würden die Ärzte es ja doch irgendwie hinbekommen, wenn ich einfach ein paar Wochen langsam mache.

    Nachdem ich ins nahegelegene Krankenhaus gebracht wurde und die unterschiedlichsten Untersuchungen hinter mich gebracht hatte, wurde beschlossen, das CTG, was nun seit ungefähr 6 Stunden an mir hing, abzuschalten. Es begannen die längsten Stunden meines Lebens, zweieinhalb Stunden voller Angst und Panik, in denen ich nicht wusste, ob mein Baby noch lebt. Die Tränen liefen mir über die Wangen, und ich war völlig verzweifelt. Niemand kam, um nach mir zu schauen. Ich bettelte Oli an, wenigstens wieder die Musik anzumachen, aber er bestand darauf, dass ich ausruhen sollte. Ich versuchte, mich zu beruhigen, mir einzureden, dass alles gut wird. Nach einer gefühlten Ewigkeit hörte ich endlich Stimmen auf dem Flur. Draußen war gerade Schichtwechsel. Endlich wurde ich wieder ans CTG angeschlossen. Mein Kind lebte zum Glück noch! Erleichterung. Etwa eine Stunde später erschien der Arzt, schaut kurz aufs CTG und meinte: »So Frau Rehäußer, es bessert sich nichts, wir machen jetzt einen Kaiserschnitt. Sie sind bei 32+1, das ist kein Problem. Absolute Routine, da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen.« Viel Zeit zum Nachdenken blieb mir aber sowieso nicht. Wieder wurde ich über den Flur gerollt, und schließlich auf einen OP-Tisch umgebettet.

    In meiner Erinnerung laufen die folgenden Stunden wie in einem Film noch einmal ab: Mir ist beklommen zumute, der Anästhesist wird gleich mit einer großen Nadel in die Nähe meines Rückenmarks stechen. Was, wenn er daneben sticht? Bin ich dann gelähmt? Mir ist schlecht. Schließlich geht es in den grellen Operationsraum. Meine Arme werden festgeschnallt, EKG-Elektroden werden aufgeklebt, ein Zugang für Injektionen gelegt. Ich fühle mich hilflos, ausgeliefert. Zum Glück sehe ich jetzt endlich meinen Mann wieder. Ninja ist auch da, beide tragen Grün. Der Anästhesist sagt, wenn mir schlecht wird, soll ich mich rühren. Mir ist schlecht – richtig schlecht! Irgendwas in meinen Zugang gespritzt. Die Übelkeit lässt nach, die Beklommenheit nicht. Vor mir sehe ich nur noch einen grünen Vorhang. Oli ist rechts neben mir, auf der anderen Seite sitzt der Anästhesist. Hinter dem Vorhang stehen Ärzte, Schwestern und Ninja. Ich merke, wie mein Körper mit etwas Feuchtem abgewischt wird. Danach spüre ich einen dumpfen Druck – es wird geschnitten. An mir wird hin und her gezogen, herumgedrückt, und plötzlich bin ich absolut leer. Die Stille im Raum ist erdrückend. Leise höre ich mein EKG. Dann plötzlich – wie aus dem Nichts – ein Schrei, so zart und doch so stark. Mir laufen vor Erleichterung die Tränen herunter. Ich will aufstehen und zu meinem Kind, aber ich bin immer noch festgeschnallt und mein Bauch noch offen. Mein kleiner Cosmo wird kurz begutachtet, und Ninja zeigt ihn mir für ein paar Sekunden. Er ist dunkelrot, die Haut nahezu durchsichtig. Zudem ist er so klein, dass bei mir gleich wieder Panik ausbricht. Nein, so hatte ich mir das alles nicht vorgestellt! Ich wollte ein kleines, speckiges, rosafarbenes Baby.

    An mir wird weitergearbeitet. Ich will weg, ich fühle mich fremdbestimmt. Mir wird mitgeteilt, dass Cosmo die Nabelschnur dreimal straff um seinen Hals gehabt hatte und deshalb schon mindestens eine Woche lang unterversorgt gewesen sei. Einen weiteren Tag hätte er wahrscheinlich nicht überlebt. Meine Gedanken sind ein einziges Chaos. Beinahe hätte ich mein Kind verloren!

    Nach einer gefühlten Ewigkeit komme ich endlich auf mein Zimmer, Oli und Ninja haben ein Familienzimmer organisiert. Ich will aber am liebsten niemanden sehen. Voller Hormone und ständiger Angst um mein Baby liege ich im Bett und starre an die Decke. Irgendwann kommt eine Krankenschwester und sagt, ich kann zu meinem Baby, sobald meine Beine nicht mehr taub sind. Oli darf gleich mit auf die Frühgeborenen-Intensivpflegestation. Mir wird eine Milchpumpe hingestellt und gesagt, dass gleich eine Stillberaterin kommt. Wozu beraten und warum pumpen? Kann mein Baby denn nicht selber trinken?

    Die Stillberaterin ist recht nett und erklärt mir bis ins kleinste Detail, wie ich die Milchproduktion am besten sicherstellen kann und wie viele Minuten ich an jeder Brust pumpen muss. Ich empfinde dies aber als absolut unnatürlich. Meine Eltern treffen schließlich ein. Wieso kann ich meine Beine denn immer noch nicht bewegen? Wie lange es wohl dauern wird? Alle unterhalten sich, und obwohl ich versuche, der Konversation zu folgen, schweifen meine Gedanken immer wieder ab. Ich frage mich, wie es meinem Kleinen wohl gehen mag. Ob er Schmerzen hat? Oli kommt wieder zurück und erzählt mir, wie hübsch Cosmo ist und dass es ihm gut geht.

    Nach zwei Stunden spüre ich meine Beine wieder und Oli bringt mich mit dem Rollstuhl endlich zu meinem Baby. Cosmo liegt in einem Raum mit circa zehn anderen Frühchen. Er ist der Einzige, der in einem Wärmebett und nicht in einem Inkubator liegt. An jedem Kind hängen massenhaft Geräte, und überall piepst es. Der Raum ist eng und erdrückend, man hat kaum Platz. In den Inkubatoren liegen die kleinen Babies, eines winziger als das andere. Ärzte und Schwestern hetzen durch den stickigen Raum, es riecht nach Desinfektionsmittel. Ich werde angewiesen, mein Kind nicht aus dem Bettchen zu nehmen; ich darf höchstens mal kurz meinen Finger reinhalten. Wieder laufen mir die Tränen runter. »Warum nur, warum?«, frage ich mich. Es ist doch mein Kind und es gehört zu mir.

    Cosmo bleibt also im Wärmebettchen liegen und hält meinen Daumen. Seine Hand ist nicht größer als das obere Glied meines Daumens. Eine Weile schaue ich ihn noch an. Dann gehe ich wieder auf mein Zimmer und bin traurig. Ich fühle mich unendlich allein. Die Schmerzmittel beginnen nachzulassen. Am liebsten würde ich mich verkriechen, aber ich muss abpumpen. Es fühlt sich befremdlich an, aber ich bin stolz, als wenigstens einige Millimeter Milch in die Plastikflasche fließen.

    Die nächsten drei Tage verliefen gleich. Alle drei Stunden musste ich pumpen und dabei immer wieder viel Stilltee trinken. Dazwischen versuchte ich, bei meinen Sohn zu sein, soweit es zugelassen wurde. Wenn ich dort war, saß ich auf einem Stuhl oder Hocker und starrte mein Kind an, das mir irgendwie immer fremder wurde. Ich erzählte meinem Arzt, dass es mir schlecht ginge, damit er mich dabehielt. Ich wollte doch bei meinem Kind bleiben. Kaum drei Stunden später erfuhr ich, dass mein Sohn verlegt werden sollte. Er würde per Rettungswagen von der Frühgeborenenintensivstation in die Kinderklinik gefahren werden – also drängte ich doch auf Entlassung.

    Dort angekommen, mussten wir uns erst mal zurechtfinden. Die Klinik war hell, groß und schön, soweit man das von einem Krankenhaus sagen kann. Als wir endlich unser Zimmer auf der Frühgeborenenstation fanden, erfuhren wir, dass Cosmo die Fahrt sehr zugesetzt hatte. Die Sauerstoffsättigung seines Blutes war extrem abgefallen, und er trug nun eine Sauerstoffbrille, zudem noch eine Sonde in der Nase. Über sie bekam er die von mir abgepumpte Milch. Um selbst zu trinken wäre er noch zu schwach gewesen. Inzwischen hingen also sechs Kabel an meinem Kind. Trotz allem schien er sehr friedlich in seiner »Giraffe« zu liegen, so nannten sie den Inkubator hier. Endlich – nach vier schier endlosen Tagen – bekam ich meinen kleinen Cosmo in den Arm!

    Bald holte uns der Klinikalltag ein. Wir schliefen zu zweit auf dem 90 cm breiten Bett, »feierten« sowohl Weihnachten als auch Silvester im Krankenhaus und verfolgten jeden Fortschritt von Cosmo mit Freude. So weit war alles gut – bis auf die Tatsache, dass ich immer wieder Milchstaus bekam. Diese waren extrem schmerzhaft und traten immer wieder – meist beidseitig – auf. Oft bekam ich durch diese Entzündung auch hohes Fieber. Aufgeben und abstillen wollte ich aber nicht. Mein Kind brauchte doch seine Muttermilch, man weiß ja, dass diese das Wichtigste und Beste für ein Baby ist. Es wurde genauestens überprüft, wie oft Cosmo trank und wie viel, wie und wann sein Stuhlgang war und wie er zunahm. Obwohl ich mich viel um mein Kind kümmerte, konnte ich keine richtige Bindung aufbauen. Die vier Tage auf der Frühgeborenenintensivstation hatten viel zerstört.

    Nach fünf schier endlosen Wochen durften wir endlich wieder nach Hause. Ich war sehr erleichtert, wieder in meiner gewohnten Umgebung zu sein, mein eigenes Bett und Bad zu haben. Doch ohne die ständige Überwachung im Krankenhaus machten wir uns Sorgen. Was, wenn irgendwas nicht stimmt? Kriegen wir das überhaupt mit? Vielleicht vergisst er zu atmen oder er verschluckt sich so schlimm, dass er ersticken könnte – was dann?

    Die erste Zeit zu Hause war schrecklich. Das Abpumpen nahm inzwischen noch mehr Zeit in Anspruch, da ich nun noch alle Aufsätze, Flaschen etc. spülen und desinfizieren musste. Die Milchstaus wurden so schlimm, dass ich die Schmerzen nicht mehr aushielt. Jedes Kuscheln, Tragen oder In-den-Schlaf-Wiegen schmerzte. Ich verband immer weniger positive Gefühle mit meinem Kind. Alles bestand aus Schmerz; so entschied ich, die Notbremse zu ziehen, und stillte ab. Zwei Tabletten sollte ich nehmen, und dann wäre der Spuk zu Ende; allerdings hatte ich danach einen schmerzhaften Abszess in der Brust, der sogar in der Klinik durch einen operativen Eingriff behandelt werden musste.

    In der folgenden Woche kam meine Schwester Larissa zu Besuch und blieb eine Woche bei uns, um zu helfen. Oli konnte wieder zur Arbeit gehen, und Larissa begleitete mich alle zwei Tage in die Klinik zum Verbandswechsel. Nach einer Weile wurde endlich die Lasche in meiner Brust gezogen, eine Art Schlauch, durch den das Wundsekret nach dem Eingriff abfließen sollte. Die Schmerzen wurden weniger, und zum ersten Mal seit Cosmos Geburt konnte ich endlich mit ihm kuscheln, ihn liebhaben und positive Gefühle mit ihm verbinden. Nach all der Zeit verliebte ich mich endlich in meinen kleinen, hübschen Sohn.

    Cosmo war nun knapp ein halbes Jahr alt, und nach damaligem Wissensstand war es nun Zeit für Beikost. Natürlich wollte ich selber kochen. Karotten fand er zwar noch ganz toll, aber sobald Kartoffeln dazu kamen, machte er nicht mehr mit. Ich fragte mich also, was ich ihm denn nun zu Essen geben sollte, wenn er mein selbst Gekochtes verschmähte. Gläschen sind natürlich eine einfache Alternative, aber woher weiß ich, was da so alles drin ist? Selbstverständlich hat alles Bioqualität, und in den meisten ist angeblich nur reines Gemüse, Fleisch und Wasser enthalten. Woher kommt aber dieses Gemüse und dieses Obst? Kommt es aus Deutschland? Wenn nicht, ist nämlich bio nicht gleich bio. Da hat wohl jedes Land andere Maßstäbe. Wo sollen die ganzen Vitamine und Mineralstoffe herkommen, die auf der Verpackung der Anfangsmilch (Pre-Milch) in einer langen Tabelle angepriesen werden, wenn ich selber koche? Werden diese meinem Kind dann nicht fehlen? Wie werden die Gläschen wirklich hergestellt? Ob wohl jeder die Hygienestandards einhält, der dort arbeitet? Omega-3-Fettsäuren werden zwar angepriesen, aber woher kommen die? Was ist das für ein Fleisch in diesen Gläschen? Nach all den Skandalen der letzten Jahre sollte man doch vorsichtig sein. Nur weil einer seit Jahrzehnten Babynahrung herstellt, bedeutet dies nicht automatisch, dass sie auch gut ist. Als frisch gebackene Mutter stellt man plötzlich so einiges infrage. Merkwürdig, dass ich mich das nie bei meinem eigenen Essen gefragt habe.

    Ich beschloss, noch einige Zeit mit der Beikost zu warten und zu sehen, ob er dann mein Selbstgekochtes essen würde.

    Einige Wochen später lief eine Reportage über extremen Körperkult im Fernsehen: »Piercings, Tattoos, Implantate – wenn Körperschmuck zur Sucht wird«, hieß der Beitrag, und da Oli selber ziemlich viele Tattoos hat, haben wir uns den Bericht angeschaut. Einer der Protagonisten war der damals 26-jährige Daniel Gun aus Hannover. Er ist Rapper, von Kopf bis Fuß tätowiert, vor allem aber straight edge und vegan. Straight edge ist eine Jugendbewegung der 1980er-Jahre aus der Hardcore-Punk-Szene. Die Anhänger verzichten auf Alkohol, Nikotin und sonstige Drogen sowie auf Sex mit wechselnden Geschlechtspartnern; manche lehnen auch Koffein und Teein ab – nichts soll ihr Bewusstsein verändern.

    Man sieht Daniel Gun und seinen besten Freund in seinem Lieblingscafé. Er erzählt, dass er aus Tierliebe kein Fleisch, keinen Fisch, keinen Käse, Joghurt oder Ähnliches isst. Sein Freund pflichtet ihm bei und sagt, dass sie zudem auf Leder und Wolle bei Kleidung verzichten und bei Hygieneartikeln darauf achten, dass diese ohne Tierversuche hergestellt worden sind. Die beiden jungen Männer interessieren uns. Wie kommt es, dass man in seinen Mittzwanzigern so gradlinig ist? Wie funktioniert überhaupt dieser Veganismus? Hat er irgendwelche Vorteile?

    Am nächsten Tag recherchiere ich im Internet und bestelle bei PeTA eine sogenannte »Veggie-Broschüre«. Dort wurde gesagt, dass vegane Ernährung ideal sei zum Abnehmen. Wie fast jede Frau bin ich seit ich denken kann unzufrieden mit meiner Figur. Also dachte ich mir, wenn die Broschüre ankommt, erfahre ich bestimmt noch andere positive Aspekte und kann Oli vielleicht doch von einem

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