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"Opfer der Zeit": Über das Schicksal ehemaliger BewohnerInnen der Caritas-Anstalt St. Anton in der Zeit des Nationalsozialismus
"Opfer der Zeit": Über das Schicksal ehemaliger BewohnerInnen der Caritas-Anstalt St. Anton in der Zeit des Nationalsozialismus
"Opfer der Zeit": Über das Schicksal ehemaliger BewohnerInnen der Caritas-Anstalt St. Anton in der Zeit des Nationalsozialismus
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"Opfer der Zeit": Über das Schicksal ehemaliger BewohnerInnen der Caritas-Anstalt St. Anton in der Zeit des Nationalsozialismus

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About this ebook

Im Zuge der nationalsozialistischen "Gesundheitspolitik" wurden Hunderttausende Menschen Opfer von Zwangssterilisation und gezielter Tötung. Auch BewohnerInnen der Caritas-Anstalt St. Anton im Salzburger Pinzgau waren von dieser grausamen Politik betroffen.

Die vorliegende Publikation widmet sich den Schicksalen dieser Menschen, ist Zeitzeugnis und Gedenkprojekt zugleich und arbeitet eines der dunkelsten Themen der jüngeren Geschichte auf. Die Autorin liefert umfassende Informationen zur Verfolgung "lebensunwürdiger" Menschen im Nationalsozialismus und zeigt, wie diese tödliche Maschinerie arbeitete. Zudem wird die Geschichte der Caritas-Anstalt St. Anton beleuchtet und Auskunft über das Schicksal der BewohnerInnen zur Zeit des Nationalsozialismus gegeben.

Mit der exemplarischen Darstellung dieser Einrichtung zeichnet Christina Nöbauer ein erschreckendes Bild der NS-Verfolgungspolitik, das durch die Nachverfolgung von Einzelschicksalen umso deutlicher wird.
LanguageDeutsch
PublisherStudienVerlag
Release dateAug 2, 2016
ISBN9783706558495
"Opfer der Zeit": Über das Schicksal ehemaliger BewohnerInnen der Caritas-Anstalt St. Anton in der Zeit des Nationalsozialismus

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    Book preview

    "Opfer der Zeit" - Christina Nöbauer

    Impressum

    © 2016 by Studienverlag Ges.m.b.H., Erlerstraße 10, A-6020 Innsbruck

    E-Mail: order@studienverlag.at

    Internet: www.studienverlag.at

    Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

    Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

    ISBN 978-3-7065-5849-5

    Buchgestaltung nach Entwürfen von Kurt Höretzeder

    Satz: Da-TeX Gerd Blumenstein, Leipzig

    Umschlag: hœretzeder grafische gestaltung, Scheffau/Tirol

    Umschlagabbildung: Die Nähschule der Caritas-Anstalt St. Anton (aus dem Archiv der Gemeinde Bruck an der Großglocknerstraße)

    Dieses Buch erhalten Sie auch in gedruckter Form mit hochwertiger Ausstattung in Ihrer Buchhandlung oder direkt unter www.studienverlag.at.

    Inhaltsverzeichnis

    Cover

    Impressum

    Titel

    Danksagung

    Geleitwort

    Vorwort

    I. Ausgangslage und Fragestellung – eine Einleitung

    1. Persönliche Vorbemerkung

    2. Fragestellung

    3. Quellenlage

    II. Die Caritas-Anstalt St. Anton und ihre BewohnerInnen

    1. Standort – Der Weiler Hundsdorf in Bruck an der Großglocknerstraße

    2. Geschichte – Vom Bauernort zum Caritas Dorf

    2. 1. Die Errichtung von Kirche und Kloster durch die Franziskaner

    2. 2. Landesverband „Barmherzigkeit" – Die Gründung der Caritas Salzburg

    2. 3. Franz Fiala, Leiter der Caritas Salzburg und Gründer der Caritas-Anstalt St. Anton

    2. 4. „Anstalt für schwachsinnige Kinder" – Die Gründung der Caritas-Anstalt

    2. 5. Die „Vöcklabrucker Schulschwestern"

    2. 6. Von der „Anstalt für schwachsinnige Kinder" zum Caritas Dorf St. Anton

    2. 7. Mahnmal zur Erinnerung an die Opfer des NS-Terrors

    3. Die BewohnerInnen der Caritas-Anstalt St. Anton von 1923 bis 1944

    3. 1. Die BewohnerInnen im Spiegel von Daten und Zahlen

    3. 2. Eintrittsalter, Austrittsalter, Aufenthaltsdauer

    3. 3. Aufnahmen und Entlassungen nach Kalenderjahren

    3. 4. „Zu den Eltern gekommen" – Anmerkungen anlässlich des Austrittes

    III. Nationalsozialismus – „eine neue Zeit mit neuen Menschen"

    1. Über die Verfolgung „rassisch" verpönter, beeinträchtigter, kranker und sozial unangepasster Menschen

    1. 1. „Die Reinigung des Volkskörpers" – Das GzVeN

    1. 2. „Arbeitsscheu Reich" – Einweisung in Zwangsarbeitslager

    1. 3. „Gewährung des Gnadentodes" – Meldung und Selektion

    1. 4. „Andere Anstalt" – Deportation und Ermordung

    2. Österreich wird zur „Ostmark"

    3. „Euthanasie in der „Ostmark – Ein Überblick

    3. 1. „Aktion T4" (1940–1941)

    3. 2. Die Tötungsanstalt im Schloss Hartheim

    3. 3. „Sonderbehandlung 14f13" – Die Ermordung von KZ-Häftlingen (1941–1944)

    3. 4. „Kinder-Euthanasie" (1939–1945)

    3. 5. Dezentrale Anstaltstötungen (1941–1945)

    3. 6. „Aktion T4"-Transporte aus Salzburg

    3. 7. Widerstand in Salzburg

    IV. Tödliche Bedrohung – Von der Meldung bis zur Ermordung

    1. Meldebögen und Kommissionsbesuche

    2. „Nach Niedernhart gekommen" – Die Deportation oberösterreichischer BewohnerInnen

    2. 1. Überlebende des Transportes nach Niedernhart

    2. 2. Opfer des Transports nach Niedernhart

    3. Die Auflösung der Pflegeanstalt Konradinum Eugendorf

    3. 1. Zwischenstationen St. Anton und Mariathal, Endstation Hartheim

    3. 2. Überlebende Kinder und Jugendliche aus dem Konradinum

    3. 3. Opfer unter den Kindern und Jugendlichen aus dem Konradinum

    4. Weitere BewohnerInnen der CA St. Anton werden nach Mariathal verlegt

    5. Bereits entlassene BewohnerInnen sterben in Hartheim, in Niedernhart, in Mauer-Öhling

    6. „Kinder-Euthanasie"

    6. 1. Organisation und Durchführung der „Kinder-Euthanasie"

    6. 2. Kinder aus St. Anton als Opfer der „Kinder-Euthanasie"

    6. 3. Kinder aus St. Anton als Überlebende der „Kinder-Euthanasie"

    6. 4. Kinder-Rücktransporte im Herbst 1945

    V. Unter Zwang – Von der Beobachtung bis zur Zwangssterilisation

    1. Einführung

    2. Beobachtet, begutachtet, angezeigt, beantragt, zwangssterilisiert

    2. 1. „Zur Beobachtung" eingewiesen – Gruppen-Überstellungen in die LHA Salzburg-Lehen

    2. 2. Die historischen Krankenakten der CDK und die Zugangsbedingungen im SLA

    2. 3. Aufbau und Inhalt des CDK-Kranken-Hauptbuchs 1937–1942

    2. 4. Aufbau und Inhalt historischer Krankenakten der CDK (1942, 1943, 1944)

    2. 5. Zusammenfassung der Eintragungen aus Krankenakten und Krankenhauptbuch

    2. 6. Anmerkungen zu einzelnen Krankengeschichten

    2. 7. „In Hinsicht auf die erbliche Belastung in der Familie … erscheint die Sterilisierung geboten"

    2. 8. „… eine Aufschiebung der Unfruchtbarmachung nicht zugelassen wird."

    VI. Aufarbeitung und Erinnerungskultur

    1. Die Nachkriegszeit und die Opfer des Krieges

    2. Der Umgang mit den Salzburger Opfern der Zwangssterilisation

    3. Zeichen der Erinnerung an BewohnerInnen der CA St. Anton

    VII. Zusammenfassung

    „Doch der Himmel wachte über die Seinen." – Ein Nachsatz

    Alphabetisch geordnete Namensliste der Opfer der „Aktion T4, der „Kinder-Euthanasie und jener BewohnerInnen der CA St. Anton, die mit großer Wahrscheinlichkeit Opfer einer dezentralen Anstaltstötung wurden

    Zeittafel

    Anmerkungen

    VIII. Anhang

    Quellen- und Literaturverzeichnis

    Ungedruckte Quellen

    Andere Quellen

    Besuchte Websites:

    Gedruckte Quellen

    Verwendete Literatur

    Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen

    Bildnachweis

    Dank für die Finanzierung

    Christina Nöbauer

    „Opfer der Zeit"

    Über das Schicksal ehemaliger Bewohner­Innen der Caritas-Anstalt St. Anton in der Zeit des National­sozialismus

    Danksagung

    Hans Kreuzeder, 2000 bis 2012 Direktor der Caritas der Erzdiözese Salzburg, danke ich für die Anregung zur Recherche und für die Ermöglichung dieses Projektes. Seinem Nachfolger, Direktor Johannes Dines, für die Kontinuität in der positiven Haltung der Caritas und für die finanzielle Förderung des Buches. Besondere Dankbarkeit empfinde ich gegenüber der Caritas der Erzdiözese Salzburg, unter der Leitung von Direktor Johannes Dines, der Gemeinde Bruck an der Großglocknerstraße, unter BGM Johann Burgschwaiger und Vize-BGM Karin Hochwimmer, und dem Kulturressort des Landes Salzburg, unter der Leitung von Landesrat Heinrich Schellhorn, für die Errichtung des Mahnmals im Dorf St. Anton.

    Allen anderen, deren Namen hier aufgelistet sind, gebührt Dank für unterschiedliche Hilfestellungen, wie fachliche Beratung, Bereitstellen von Unterlagen, Korrektur­lesen und vieles andere mehr, das dazu beigetragen hat, dass diese Arbeit erstellt und veröffentlicht werden konnte. Nicht zuletzt bin ich allen FreundInnen, die mich in emotional schwierigen Recherche-Phasen unterstützt haben, jedoch hier ungenannt bleiben, zutiefst zu Dank verpflichtet.

    Stefan Aglassinger

    Sarah Blum

    Margarethe Buchmaier

    Herwig Czech

    Peter Eigelsberger

    Evelyne Fullerton-Steininger

    Bernhard Gliber

    Nina Gruber

    Waltraud Häupl

    Andrea Jakober

    Hedwig Kainberger

    Sarah Kandlhofer

    Franz Kienast

    Ingeborg und Peter M. Kohlbacher

    Sr. Johanna Pobitzer

    Walter Reschreiter

    Jürgen Rettensteiner

    Monika Sauerczopf

    Oliver Seifert

    Johann Steininger

    Fritz Voglreiter

    Geleitwort

    Im heutigen Caritas Dorf St. Anton in Bruck an der Großglocknerstraße leben rund 60 Menschen mit Behinderung. Sie besuchen die Schule, leben und arbeiten im Dorf und erhalten individuell abgestimmte Therapien. Ein nach ihren Möglichkeiten selbstbestimmtes Leben zu führen, dieses Ziel haben unsere BewohnerInnen inmitten der Gemeinschaft des Dorfes.

    Dieses Recht auf menschenwürdiges Leben beeinträchtigter Menschen wurde in der Nazi-Zeit nicht nur missachtet, viele behinderte Menschen – davon 47 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene aus St. Anton – fielen den „Euthanasie-Programmen zum Opfer. Dies war das Ergebnis der 2006 vom damaligen Caritas-Direktor Mag. Hans Kreuzeder beauftragten Geschichtsforschung durch die Historikerin Christina Nöbauer. Die so ans Licht gekommenen Auswirkungen des nationalsozialistischen Regimes auf die damalige Caritas-Anstalt St. Anton in der Zeit zwischen 1940 und 1945 sind erschütternd. Bereits im Juni 1940 wurden unangekündigt neun aus Oberösterreich stammende BewohnerInnen aus der Caritas-Anstalt St. Anton abgeholt. Vier dieser BewohnerInnen wurden nachweislich in der Tötungsanstalt Hartheim ermordet, zwei starben in der Zwischenanstalt Niedernhart. Dass es nicht mehr geworden sind, ist den Ordensschwestern zu verdanken, die damals die behinderten Menschen betreuten. Durch einen Akt zivilen Ungehorsams retteten sie sieben Kinder vor dem Tod, indem sie deren Überstellung in die Kinderfachabteilung „Am Spiegelgrund zu vereiteln wussten.

    Die Studie „Opfer der Zeit" von Christina Nöbauer ist Zeitdokument dieser Geschehnisse. Ihr gebührt an dieser Stelle ein besonderer Dank für die konsequente Recherche angesichts oft schwieriger Quellenlage. Die Aufarbeitung dieser geschichtlichen Ereignisse ist für die Caritas wegweisend und Ansporn zugleich. Denn wir alle tragen Verantwortung, dass sich solche Gräueltaten nicht wiederholen. Das 2015 errichtete Mahnmal des Künstlers Sebastian Gärtner in St. Anton verweist auf die Opfer und erinnert an dieses dunkle Kapitel der Menschheit. Mitten am Dorfplatz stehend, erinnert es MitarbeiterInnen, BewohnerInnen und BesucherInnen an das Recht behinderter Menschen auf ein menschenwürdiges und selbstbestimmtes Leben.

    Johannes Dines, Caritas-Direktor

    Vorwort

    Die Autorin wählte einen interessanten Forschungszugang. Ziel ihrer Arbeit war es, die Schicksale ehemaliger BewohnerInnen der Caritas-Anstalt St. Anton bei Bruck an der Großglocknerstraße während des Nationalsozialismus zu dokumentieren. Um dieses Ziel zu erreichen, waren jahrelange intensive Recherchen und eine enge Zusammenarbeit mit der Dokumentationsstelle Hartheim in Oberösterreich notwendig.

    Aus der Caritas-Anstalt St. Anton ist ein Transport von neun BewohnerInnen Richtung Hartheim belegt. Im Juni 1940 wurden in Oberösterreich geborene BewohnerInnen in die Gau-Heil- und Pflegeanstalt Niedernhart in Linz, eine Zwischenanstalt der Tötungsanstalt Hartheim, überstellt. Vier von ihnen ermordete man in der Gaskammer der Tötungsanstalt Hartheim, zwei blieben in Niedernhart und starben dort bzw. fielen möglicherweise der dezentralen „Euthanasie zum Opfer. Niedernhart und Hartheim standen unter der Leitung von Dr. Rudolf Lonauer. Er war als Arzt für die Ermordung von über 18.000 behinderten und psychisch kranken Menschen in Hartheim, im Zeitraum von Mai 1940 bis August 1941, verantwortlich. Zugleich stand er der Gau-Heil- und Pflegeanstalt Niedernhart vor, die er zu einem Ort der dezentralen „Euthanasie ausbaute. Wie viele PatientInnen in Niedernhart ermordet wurden, wird sich nicht mehr klären lassen.

    Durch die Recherchen der Autorin konnte gezeigt werden, dass deutlich mehr BewohnerInnen der Caritas-Anstalt St. Anton Opfer der „Aktion T4 geworden sind als bisher angenommen. Von Bruck aus gab es Verlegungen in andere Anstalten in Salzburg und Tirol. Ehemalige BewohnerInnen der Caritas-Anstalt kamen beispielsweise aus der Landesanstalt Salzburg-Lehen, über die Anstalt Schernberg in Schwarzach im Pongau oder über die Tiroler Einrichtungen Mariathal in Kramsach und Hall nach Hartheim und wurden dort ermordet. Insgesamt fielen 39 Pfleglinge, die auch in Bruck betreut worden waren, der „Aktion T4 zum Opfer.

    Neben den Opfern der „Aktion T4 versucht die Autorin auch jene Bewohne­rInnen zu erheben, die während der NS-Zeit in psychiatrischen Krankenhäusern starben. So konnte sie ein Kind ermitteln, das „Am Spiegelgrund in Wien getötet wurde, und zudem weitere Pfleglinge, die in verschiedenen Anstalten wahrscheinlich der dezentralen „Euthanasie" zum Opfer fielen.

    Durch den umfassenden Blick auf die Anstalt St. Anton in Bruck an der Großglocknerstraße zur Zeit des Nationalsozialismus entstand nicht nur ein trauriges Buch, sondern auch eines mit positiven Elementen. Es ist schön, die Biografien jener Menschen zu lesen, die die Zeit der NS-Diktatur überlebten.

    Die Autorin versucht zudem die Schicksale jener Personen aufzuklären, die wegen ihrer Behinderung zwangsweise sterilisiert wurden. Vor ihrer Ermordung in Gaskammern oder in verschiedenen Anstalten wurden PatientInnen unter Zwang unfruchtbar gemacht. Aber auch Menschen, die die NS-Diktatur überlebten, wurde dieses unermessliche Leid durch die Machthaber zugefügt. Diese Opfergruppe findet bis zum heutigen Tag kaum Erwähnung noch Anerkennung. Darum ist es umso wichtiger, deren Schicksal öffentlich zu machen.

    Peter Eigelsberger, Februar 2016

    „ein zeichen, ein wort, ein kleines kreuz neben einem namen genügte"¹

    nicht angepasst,

    nicht arbeitsfähig,

    von niemandem besucht.

    von ärzten gemeldet,

    von gutachtern begutachtet,

    von beamten selektiert.

    mit einem stift markiert,

    in den autobus gestoßen,

    mit verhängten fenstern, abtransportiert.

    angekommen, in einen raum gedrängt,

    von pflegerinnen entkleidet,

    nackt in den aufnahmeraum geführt.

    ein letztes mal begutachtet.

    weil medizinisch interessant

    noch einmal fotografiert.

    nackt zum baden

    in die gaskammer geführt,

    freute ich mich auf das baden.

    „ein zeichen, ein wort, ein kleines kreuz neben MEINEM namen genügte"

    Gedenktext für die ermordeten Kinder und Jugendlichen der Caritas-Anstalt St. Anton, von der Autorin anlässlich der am 23. Oktober 2015 erfolgten Einweihung des Mahnmals im Dorf St. Anton verfasst und gesprochen.

    I. Ausgangslage und Fragestellung – eine Einleitung

    1. Persönliche Vorbemerkung

    Ohne über die Rolle von Fürsorge-, Jugend- und Gesundheitsämtern in der Zeit des Nationalsozialismus Bescheid zu wissen, entschied ich mich 1966 für den Beruf der Fürsorgerin. Während der mehrjährigen Ausbildung in Wien waren weder die durch Zwangssterilisation und Krankenmord in der NS-Zeit zu Opfern gewordenen Menschen, noch Täter und Mittäter, die sich im Rahmen der von ihnen ausgeübten „helfenden oder „heilenden Berufe schuldig gemacht haben, ein Thema.

    Im Herbst 1969 begann ich als Dipl. Fürsorgerin im Jugendamt der Bezirkshauptmannschaft Zell am See zu arbeiten. Ich fand folgende Situation vor: Die Leiterin des Jugendamtes, Dipl. Fürsorgerin Käthe Grübl, war auch schon in der NS-Zeit als Fürsorgerin tätig gewesen. Die Leiterin der heilpädagogischen Beobachtungsstation, Dr. Ingeborg Judtmann, ehemals NSDAP-Mitglied, verfasste ihre Gutachten sprachlich in der Tradition nationalsozialistischer Gutachter. Dies kam in der häufigen Verwendung von Begriffen wie „abartig, „degenerativ und „debil" zum Ausdruck.² Der bis Anfang der 70er-Jahre als Leiter des Gesundheitsamtes der Bezirkshauptmannschaft Zell am See tätige Amtsarzt, Dr. Josef Zillner, hatte sein Amt ebenfalls bereits während der NS-Zeit inne. Beide Ämter, vor allem aber das Gesundheitsamt, standen in der NS-Zeit nachweislich im Zusammenhang mit Handlungen, die der Erfassung von Personen zwecks Tötung im Rahmen der „Kinder-Euthanasie" oder zwecks Zwangssterilisation dienten.

    Berufsbedingt kam ich schon bald mit der ehemaligen Caritas-Anstalt (CA) St. Anton – heute Caritas Dorf St. Anton – in Berührung. 1988 begann ich als Kultur- und Bildungsarbeiterin bei der arge region kultur³ im Pinzgau zu arbeiten. Ein selbst gelegter Schwerpunkt war die Förderung von Erinnerungskultur in der Region, vor allem in Bezug auf die Ereignisse in der NS-Zeit. Neben anderen Projekten folgte die erste Recherche-Phase, das Schicksal ehemaliger BewohnerInnen der Caritas-Anstalt St. Anton betreffend, auf das ich durch das Buch „Schwachsinnig in Salzburg"⁴ erstmals aufmerksam geworden war. Diese Nachforschungen beendete ich 1994 mit einem Artikel zum Thema Zwangssterilisierung einer Bewohnerin von St. Anton.⁵ Den Artikel brachte ich der Leitung des Caritas-Kinderdorfes St. Anton und der Direktion des Caritasverbandes der Erzdiözese Salzburg zur Kenntnis. Damals erfolgte jedoch von Seiten des Trägers der ehemaligen CA St. Anton keine Reaktion.

    Zur Eröffnung der 2006 in Hallein erstmals gezeigten Ausstellung „Lebens(un)wert" hat Walter Reschreiter, Ausstellungsmacher und einer der Salzburger Pioniere im Bereich der Erinnerungskultur, auch den damaligen Direktor des Caritasverbandes Salzburg, Mag. Hans Kreuzeder, eingeladen. Durch die Ausstellung wurde unübersehbar, dass auch ehemalige BewohnerInnen von St. Anton der NS-Euthanasie und der Zwangssterilisation zum Opfer gefallen sind. Hans Kreuzeder erkannte den Aufarbeitungsbedarf. Da ich St. Anton betreffend bereits bei der Ausstellung mitgearbeitet hatte, ersuchte er mich um nähere Recherche und Dokumentation dieser Ereignisse. Dieses Vorhaben, das ich aus persönlichen und beruflichen Gründen erst Jahre später in Angriff nehmen konnte, wurde auch nach dem 2012 erfolgten Leiterwechsel von der Caritas stets unterstützt und mittels einer Aufwandsentschädigung auch finanziell gefördert.

    Die unveröffentlichte Dokumentation „Opfer der Zeit" – Über das Schicksal der ehemaligen BewohnerInnen der Caritas-Anstalt St. Anton in der Zeit des Nationalsozialismus konnte ich im Februar 2014 dem Caritasverband der Erzdiözese Salzburg vorlegen. Der Inhalt der Dokumentation hat Mag. Johannes Dines – seit 2012 Direktor der Caritas Salzburg – veranlasst, in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Bruck an der Großglocknerstraße auf dem Gelände des Dorfes St. Anton ein Mahnmal errichten zu lassen. Dieses ist allen von der NS-Diktatur Verfolgten und Opfern, die in einem Zusammenhang mit der Gemeinde Bruck gestanden haben, gewidmet. Das vom Künstler Sebastian Gärtner gestaltete Denkmal wurde im Oktober 2015 im Rahmen einer mich sehr berührenden öffentlichen Feier eingeweiht. Da sich die Caritas Salzburg für das Mahnmal und gegen eine Publikation im eigenen Namen entschieden hat, blieb es mir vorbehalten, in Absprache und mit Zustimmung der Caritas-Leitung die gegenständliche Arbeit zu verfassen. Auch wurde ich dazu vom Historiker Mag. Peter Eigelsberger, Dokumentationsstelle Hartheim, ermuntert, da es in Österreich noch keine auf eine vergleichbare Anstalt bezogene Arbeit zum Thema gibt.

    Über viele der hier erwähnten Opfer gibt es mangels Unterlagen nur wenig zu berichten. Auf das Schicksal mancher BewohnerInnen konnte hingegen näher eingegangen werden. Es gibt jedoch keine Garantie, dass alle Opfer unter den ehemaligen BewohnerInnen der Caritas-Anstalt identifiziert werden konnten. Aus unterschiedlichen Gründen konnten nicht bei allen 456 von 1923 bis August 1944 in der CA St. Anton aufgenommenen BewohnerInnen datenbezogene Anfragen in den Pfarr- und Standesämtern gestellt werden. Die noch vorhandenen Daten sind zudem teilweise lückenhaft und manchmal auch unrichtig. In anderen Fällen liegt in historischen Meldeunterlagen kein Bewegungsprofil vor oder es wurde die beantragte Akteneinsicht nicht genehmigt. Um die vorhandenen Ressourcen und die durch den Datenschutz begrenzten Möglichkeiten dennoch effektiv zu nutzen, standen vor allem jene Kinder und Jugendlichen, die mir auf Grund der vorhandenen Beschreibungen ihrer Person und ihrer Familienverhältnisse in der NS-Zeit als am gefährdetsten erschienen sind, im Zentrum der Aufmerksamkeit. Dass dieses der Not gehorchende Prinzip keine wirklich sichere Methode für die Identifizierung aller Opfer ist, belegt die Biographie von Richard A., die von Walter Reschreiter ausführlich beschrieben wurde.⁶ Richard hatte in St. Anton als Hilfsschüler gute Lernerfolge, stammte aus gut situierten und geordneten Familienverhältnissen und hatte eine Schwester, die sich Zeit seines Lebens couragiert für sein Wohl einsetzte. Alles Umstände, die ihn eigentlich vor einem „Euthanasie"-Mord schützen sollten. Trotzdem wurde Richard am 13. Jänner 1941 aus der Anstalt des Diakoniewerks in Gallneukirchen in Oberösterreich abgeholt und in Hartheim vergast.

    Im Jubiläumsjahr 2016 feiert Salzburg seine 200-jährige Zugehörigkeit zu Österreich. 2016 ist aber auch das 75. Jahr nach 1941, als in den Tötungsanstalten noch Tausende ihr Leben lassen mussten, bevor die offizielle „Euthanasie" eingestellt wurde. Sie alle wurden keine Opfer der Zeit, sondern starben von Menschenhand.

    Auch wenn ich mich bemüht habe, wissenschaftlichen Ansprüchen zu genügen, was vielleicht nicht in jedem Punkt gelungen ist, verstehe ich dieses Buch in erster Linie als Gedenkprojekt. Ein Gedenken, zu dem ich mich als Angehörige der Opfer- und Täter-Nachfolgegeneration und als ehemals auch in einem Jugendamt beschäftigte Sozialarbeiterin, die bisher keine Antwort darauf gefunden hat, wie sie selbst in jener Zeit gehandelt hätte, verpflichtet fühle.

    Möge dieses Buch dazu beitragen, dass wir die Erinnerung an die Opfer bewahren und niemals vergessen, wozu wir im Guten, aber auch im Bösen fähig sind.

    Christina NöbauerZell am See, im März 2016

    2. Fragestellung

    Die seit den Zwanzigerjahren bestehende Caritas-Anstalt St. Anton in Bruck an der Großglocknerstraße zählte in der NS-Zeit zu den größeren nichtstaatlichen Anstalten, die zur Pflege, Betreuung und Schulung geistig beeinträchtigter Kinder, Jugendlicher und junger Erwachsener eingerichtet wurden. Über die Anstalt wird in der regionalen Chronik „Unterpinzgau"⁷ wenig, im „Brucker Heimatbuch⁸ jedoch ausführlich berichtet. Auch die Deportation oberösterreichischer BewohnerInnen der CA St. Anton findet hier erstmals öffentlich Erwähnung. Seit 1985 ist auch überregional bekannt, dass mehrere ehemalige BewohnerInnen der Caritas-Anstalt St. Anton der „Aktion T4, einer der „Euthanasie-Aktionen während der Zeit der NS-Diktatur, zum Opfer gefallen sind.⁹ Auf Basis des Transportkalendariums, das in der Dokumentationsstelle (DOK) Hartheim aufliegt und Opferzahlen ausweist, wird – die CA St. Anton betreffend – die Zahl 36 angeführt.¹⁰ Es war also jedenfalls davon auszugehen, dass neben den im Juni 1940 deportierten Kindern und Jugendlichen auch andere BewohnerInnen, die vor der fraglichen Zeit in der CA untergebracht waren, oder während der NS-Zeit von dort in andere Anstalten transferiert wurden, in die Mühlen der Täter gekommen sind. Auch konnte angenommen werden, dass weitere Kinder und Jugendliche aus dem Kreis der BewohnerInnen der CA St. Anton der „Kinder-Euthanasie oder einer dezentralen Anstaltstötung zum Opfer gefallen sind.

    Die wesentlichen Forschungsfragen im ersten Teil dieser Arbeit betreffen die Anstalt und die ehemaligen BewohnerInnen der Anstalt. Zur allgemeinen Orientierung war hier nach

    • der Entstehung, dem Träger, den verantwortlichen Personen, der Geschichte und der Entwicklung der Caritas-Anstalt St. Anton, nach deren Einbettung in der Region zu fragen, sowie

    • nach den BewohnerInnen, die in die CA von 1923 bis 1944 aufgenommen, in der Arbeitsschule angelernt wurden oder die Hilfsschule besuchten, zu fragen.

    Der zweite Fragenkomplex betrifft das eigentliche Thema dieser Arbeit, nämlich

    • die aus der Hauschronik der Caritas-Anstalt bekannte Transferierung oberösterreichischer Kinder in die Landesheilanstalt Niedernhart im Juni 1940 und deren weiteres Schicksal,

    • ob, wo und welche andere ehemalige BewohnerInnen der CA St. Anton einer der „Euthanasie"-Aktionen der NS-Zeit zum Opfer gefallen sind, wobei ausgewählte Schicksale Ermordeter und Überlebender anhand des Inhaltes historischer Krankenakten näher beschrieben werden sollten,

    • das Schicksal jener Kinder und Jugendlichen, deren Überstellung in die Kinderfachabteilung „Am Spiegelgrund mittels Schreiben des ärztlichen Leiters der Anstalt, Dr. Erwin Jekelius, „zur Begutachtung verlangt wurde,

    • die 1942 und 1943 auf Veranlassung des Amtsarztes erfolgten Gruppenüberstellungen und die 1944 durchgeführten Einzelüberstellungen von BewohnerInnen der CA St. Anton in die Landesheilanstalt Salzburg-Lehen und deren Folgen für die Betroffenen.

    Im dritten und letzten Teil des Berichtes sollten die Ergebnisse zusammengefasst, eine Liste der Opfer erstellt und abschließend beleuchtet werden,

    • ob und inwieweit die Schicksale der „Euthanasie"-Opfer unter den ehemaligen BewohnerInnen seit dem Ende der NS-Zeit in regionalen Publikationen Niederschlag gefunden haben,

    • ob und wenn ja, welche Entscheidungen der Caritasverband der Erzdiözese Salzburg als Träger der ehemaligen Anstalt im Hinblick auf die Aufarbeitung der Schicksale der BewohnerInnen seit dem Ende der NS-Zeit getroffen hat, sowie

    • ob und welche öffentlichen (namentlichen) Zeichen der Erinnerung an die individuellen „Euthanasie"-Opfer unter den ehemaligen BewohnerInnen geschaffen wurden und noch bestehen.

    Aus Rücksicht auf die betroffenen Familien wurde mit dem Träger vereinbart, die Namen jener BewohnerInnen, gegen die in der NS-Zeit ein Verfahren zur Zwangssterilisation eingeleitet wurde, sowie jene, über die Informationen aus historischen Krankenakten in den Bericht einfließen, vollständig zu anonymisieren. Die „Euthanasie"-Opfer werden hingegen mit ihrem Vornamen und mit dem

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