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Sozialwirtschaft
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Ebook320 pages2 hours

Sozialwirtschaft

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An vielen Hochschulen werden mittlerweile Studiengänge in "Sozialwirtschaft" angeboten. Absolventen dieser Studiengänge arbeiten in sozialen Bereichen und verfügen sowohl über betriebswirtschaftliches, rechtliches als auch über psychologisches Wissen. Vor allem aber soziologische Kompetenzbereiche werden durch derartige Studiengänge angesprochen. Welches praxisrelevante Wissen kann und muss von der Soziologie vermittelt werden und welche Methodenkenntnisse sind im Bereich der Sozialwirtschaft wichtig? Diese und weitere Fragen werden in diesem Sammelband thematisiert.
LanguageDeutsch
Release dateJun 16, 2016
ISBN9783741212024
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    Sozialwirtschaft - Books on Demand

    Die Reihe Verwaltungssoziologie wird von der Fachgruppe Verwaltung des Berufsverbandes Deutscher Soziologinnen und Soziologen e.V. herausgegeben.

    Bisher sind erschienen:

    Band 1: Carsten Stark und Uwe Marquardt (Hrsg.):

    Soziologie in der öffentlichen Verwaltung. Ausbildung, Beratung, Anwendung. Norderstedt 2008

    Band 2: Carsten Stark und Christian Lahusen (Hrsg.): Korruption und neue Staatlichkeit. Perspektiven sozialwissenschaftlicher Korruptionsforschung. Norderstedt 2010

    Band 3: Hartmut Schweitzer (Hrsg.):

    Bürgerkommune. Bürgerbeteiligung, Bürgerschaftliches Engagement und kommunale Genehmigungsverfahren. Norderstedt 2014

    Band 4: Carsten Stark (Hrsg.): Soziologie und Polizei. Zur soziologischen Beschäftigung mit und für die Polizei. Norderstedt 2015

    Band 5: Carsten Stark (Hrsg.): Sozialwirtschaft. Norderstedt 2016

    Inhaltsverzeichnis

    Vorwort

    Rosemarie Bork: Wie nützlich sind Soziologische Theorien für Tätigkeiten in Angestelltenverhältnissen für gemeinnützige Vereine?

    Paul Brandl:Innehalten auf dem Weg der Professionalisierung der Sozialwirtschaft. Soziale Dienstleistungen an geänderte Bedürfnisse anpassen

    Johanna Groß:Verknüpfung von Wissenschaft und Praxis durch die Soziologie. Soziologie in Lehre, Forschung und Praxis des Verwaltungsstudiums – ist kein Widerspruch!

    Regina Heibrock / Martin Lenz:Soziologie in kommunaler sozialwirtschaftlicher Praxis am Karlsruher Beispiel sozialer Wohnraumversorgung benachteiligter Personen am angespannten Wohnungsmarkt

    Guido Tolksdorf:Pragmatische Soziologie für Studiengänge

    Manfred Wittmann:Handlungsebenen kommunaler Sozialplanung

    Gerald Schmola:Steuerung komplexer Organisationen – Krankenhausmanagement als Herausforderung

    Alexander Th. Carey:Kann die Sozialwirtschaft als ein practice approach der Soziologie im Bourdieu’schen Sinne gelten?

    Vorwort

    Am 20.11.2015 fand an der Hochschule Hof die sechste Tagung der Fachgruppe Verwaltung des Berufsverbandes Deutscher Soziologen und Soziologen e.V. statt. Vorträge und Diskussionen drehten sich dieses Jahr um das Thema Sozialmanagement. An vielen Hochschulen werden mittlerweile Studiengänge zu diesem Thema angeboten. Absolventen dieser Studiengänge arbeiten in sozialen Bereichen und verfügen sowohl über betriebswirtschaftliches, rechtliches als auch über psychologisches Wissen. Vor allem aber soziologische Kompetenzbereiche werden durch derartige Studiengänge angesprochen. Welches praxisrelevante Wissen kann und muss von der Soziologie vermittelt werden und welche Methodenkenntnisse sind im Bereich der Sozialwirtschaft wichtig? Diese und weitere Fragen wurden auf der Tagung thematisiert.

    Prof. Dr. Guido Tolksdorf von der Hochschule Zwickau ging in seinem Vortrag besonders auf die Notwendigkeit der Praxisorientierung einer Ausbildung in Sozialmanagement ein. Dr. Johanna Groß von der Hochschule für Verwaltung in Niedersachsen machte in ihrem Vortrag deutlich, dass empirische Praxisprojekte und Praktika an ihrer Hochschule für derartiges Praxiswissen verantwortlich zeichnen. Dr. Martin Lenz (Bürgermeister der Stadt Karlsruhe) und Regina Heibrock machten am Beispiel der sozialen Wohnraumversorgung in ihrer Stadt deutlich, wie wichtig betriebswirtschaftliches Denken im Alltag des Sozialmanagements ist. So hat die Stadt Karlsruhe ein Anreizsystem für private Wohnungseigentümer geschaffen, das dazu geführt hat, dass der Wohnungsleerstand genutzt werden kann, um die soziale Wohnraumversorgung zu gewährleisten. Das System ist für die Kommune letztlich erheblich günstiger, als eine kommunale Unterbringung von benachteiligten Personen oder Flüchtlingen. Dieses Karlsruher Modell könnte durchaus Vorbildcharakter für jene Kommunen haben, in denen viele Wohnungen ungenutzt leer stehen. Prof. Dr. Bernhard Mann von der Fachhochschule des Mittelstands in Bielefeld hielt einen Vortrag über salutogene Organisation und stellte vor allen Dingen heraus, wie wichtig das Thema Mitarbeiterführung und Personalmanagement für das Thema Sozialmanagement ist. Prof. Dr. Alexander Carey von der dualen Hochschule Baden-Württemberg stellte sich in seinem Vortrag die Frage, inwieweit ein „practice turn" im Sozialmanagement theoretisch reflektiert werden kann.

    Prof. Dr. Paul Brandl von der Fachhochschule Oberösterreich ging auf das Thema alten Betreuung und Altenpflege ein. Die Frage der Finanzierbarkeit von Altenpflegeeinrichtungen steht für ihn im Mittelpunkt des Sozialmanagements. Am Beispiel einiger österreichischer Projekte machte er deutlich, dass hier kreative Lösungen gefragt sind. Rosemarie Bork vom AL Z Minden Lübbecke e.V. ging auf die Besonderheiten des Sozialmanagements in der Beratung von Menschen mit Migrationshintergrund ein. Aus der Stadt Viersen berichtete Manfred Wittmann über die Komplexität der Sozialberichterstattung in seiner Stadt. Diese Berichte beinhalten wesentliche Kennzahlen zur strategischen Entscheidungsfindung in einer Kommune, die durch hohe Arbeitslosigkeit und stetigem Wegzug der jüngeren Einwohner geprägt ist. Die Fachgruppe Verwaltung des Berufsverbandes trifft sich regelmäßig zu einem aktuellen Thema. Der vorliegende Sammelband stellt die einzelnen Vorträge für jene zusammen, die nicht an der Tagung teilnehmen konnten.

    Carsten Stark

    Wie nützlich sind Soziologische Theorien für Tätigkeiten in Angestelltenverhältnissen für gemeinnützige Vereine?

    Rosemarie Bork

    1. Einführung

    In diesem Aufsatz geht es darum aufzuzeigen, welchen Nutzen soziologische Theorien für die praktische Berufsarbeit in einem Verein haben. Dies wird am Beispiel der Beratungstätigkeit in einem Verein für Erwerbslose aufgezeigt. In der Beratungstätigkeit für einen sozialen Verein, muss man sich auch mit anderen Disziplinen wie, Psychologie, Sozialpsychologie, Pädagogik und Sozialarbeit beschäftigen.

    Als erstes wird der Verein vorgestellt, dann die Tätigkeiten der Beraterin und den Abschluss bilden die Hinweise auf soziologische Theorien, welche in der Praxis angewendet werden können. Der Zugang zu Theorien war für die Beraterin von der Praxis her bestimmt, da sie vor dem Studium der Soziologie siebzehn Jahre berufstätig (in Apotheken, für Krankenkassen und in einer Tierarztpraxis) und zehn Jahre Familienfrau (mit Erziehung von drei Kindern) war. Der Grund für ihr Studium, war der Wunsch zu erfahren, warum unsere Gesellschaft so funktioniert, wie sie funktioniert. Somit waren für sie soziologische Theorien immer logisch und zur Praxis passend.

    2. Vorstellung des Vereins und Gründe für Erwerbslosigkeit

    2.1 Geschichte des Vereins

    Das ArbeitsLebenZentrum im Kreis Minden-Lübbecke e.V. (ALZ e.V.) wurde 1983 als Arbeitslosenzentrum im Kreis Minden-Lübbecke e.V. in Lübbecke gegründet. Gründungsmitglieder waren Kirchenvertreter, Gewerkschafter, Vertreter aus Kommunen und Einzelpersonen. Heute wird der Verein vom Kreis Minden-Lübbecke, den Kirchenkreisen im Kreis Minden-Lübbecke, Kommunen im Kreis Minden- Lübbecke, dem deutschen Gewerkschaftsbund Region Ostwestfalen-Lippe und Einzelpersonen getragen.

    Die Arbeit des Vereins begann zunächst mit der Eröffnung von Treffpunkten für Arbeitslose in Lübbecke, Bad Oeynhausen und Minden. In den nachfolgenden Jahren waren die Beratung von Arbeitslosen, der Betrieb von Arbeitslosenzentren, die Projektgruppe kommunale Arbeitsmarktpolitik, Qualifizierungsprojekte für Frauen im hauswirtschaftlichen Bereich, Beschäftigungsprojekte im Naturschutz etc. Schwerpunkte der Arbeit des ALZ e.V. Dabei nutzte der Verein die unterschiedlichen Arbeitsmarktprogramme wie ABM (Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen), Kommunale Finanzierungen, aber auch EU- und Landesmittel.

    Heute fördert das ALZ e.V. mit vielfältigen Maßnahmen die Eingliederung von langzeitarbeitslosen Menschen in den allgemeinen Arbeitsmarkt im Kreis Minden-Lübbecke. Durch Beratung, Qualifizierung und Beschäftigung werden neue Chancen auf einen nachhaltigen Neubeginn oder Wiedereinstieg in Beschäftigung eröffnet.

    2.2 Die Erwerbslosenberatungsstelle

    Bereits seit 1995 wird die Erwerbslosenberatung zur Stabilisierung und Aktivierung von Arbeitslosen vom ArbeitsLebenZentrum (ALZ) im Kreis Minden–Lübbecke e.V. durchgeführt. Finanziert wird die Arbeitslosenberatung unter anderem aus EU- und Landesmitteln, sowie kommunalen Zuschüssen. In diesem Jahr hat die neue Europäische Sozialfond (ESF) Förderphase begonnen und die seit 2011 bestehende Förderung wurde für die Erwerbslosenberatungsstelle fortgeführt. Auf Landesebene finden regelmäßige Treffen der Erwerbslosenberatungsstellen-Mitarbeiter statt, welche von der Gesellschaft für innovative Beschäftigung (G.I.B.) NRW organisiert und durchgeführt werden. Auch Weiterbildungen werden von der G.I.B. angeboten.

    Das Land NRW fördert eine trägerunabhängige und qualitätsgesicherte Beratung und Begleitung erwerbsloser Personen. Gemäß. der aktuellen ESF-Förderrichtlinie können auch von Arbeitslosigkeit bedrohte Menschen, Berufsrückkehrende sowie Beschäftigte mit aufstockenden SGB II-Leistungen an dem Angebot teilhaben. Aufgrund der aktuellen politischen Zielsetzungen und Problemlagen (Flüchtlingssituation, Zuwanderung Südost-Europa, sozialräumliche Quartiersausrichtung) sollen auch diese in der Arbeit der Beratungsstellen und Zentren Berücksichtigung finden.

    Die Beratung der Erwerbslosenberatungsstellen konzentriert sich auf die berufliche Entwicklung, Qualifizierungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten, die wirtschaftliche und psychosoziale Situation sowie auf Unterstützung bei rechtlichen Fragen, zitiert vom Internetauftritt der G.I.B. NRW.

    Die Beratungen der Erwerbslosen in Minden finden, im Rahmen der Öffnungszeiten (Mo. – Fr. 8.30 Uhr – 13.00 Uhr und Mo. – Do. 13.30 Uhr – 16.00 Uhr) der Erwerbslosenberatungsstelle nach Terminvergabe, statt. Wünsche nach Beratungen außerhalb der regulären Öffnungszeiten werden, von Montag bis Donnerstag zwischen 16 und 20 Uhr, wenn möglich erfüllt. Spontane Beratungen für dringende Fragen sind dann möglich, wenn die Beraterin Zeit hat. Diese Zeit kann vorhanden sein, wenn z.B. Klienten ihren Termin nicht wahrgenommen oder Beratungen kürzere Zeit als geplant in Anspruch genommen haben. Die Wartezeiten auf einen Termin sind kurz. Es wird versucht Termine innerhalb einer Woche zu vergeben. Aufgrund von Urlaubs- oder Krankheitszeiten kann es sich auf zwei bis drei Wochen verlängern.

    2.2.1 Zielgruppen

    Größte Zielgruppe des offenen Beratungsangebotes sind nach wie vor langzeitarbeitslose Menschen. Im Jahr 2015 wurden 1.128 offene Beratungen durchgeführt. 171 Beratungen wurde mit Menschen gemacht die unter einem Jahr arbeitslos waren und 578 mit Menschen die länger als ein Jahr arbeitslos waren. Die restlichen Beratungen wurden mit Menschen durchgeführt, die einer abhängigen Berufstätigkeit nachgehen, selbständig sind, Erwerbsminderungs-Rentner oder Leistungsbezieher nach dem SGB XII. Viele der Beratenden kommen häufiger zu Beratungen, somit finden sich hinter den 1.128 Beratungen 529 Personen (266 männlich, 263 weiblich), die beraten wurden. Von diesen Personen waren 279 langzeitarbeitslos, 83 Personen im Bezug von Arbeitslosengeld I und 167 Personen von Arbeitslosigkeit bedroht.

    Der Anteil der Langzeitarbeitslosen im Kreis Minden-Lübbecke (2015: 20.866 Personen in 10.059 Bedarfsgemeinschaften siehe: www.minden-luebbecke.de), gemessen an den Arbeitslosen insgesamt, bleibt fast konstant. Ursachen für Langzeitarbeitslosigkeit sind strukturell, konjunkturell und individuell bedingt.

    2.3 Gründe für Erwerbslosigkeit

    2.3.1 Strukturelle Gründe

    Die strukturellen Gründe sind die Veränderungen des Arbeitsmarktes von der industriellen Produktion hin zur Dienstleistungsgesellschaft. Aufteilung der Beschäftigten im Jahre 2015 auf die einzelnen Sektoren des Arbeitsmarktes.

    1,5 % Primärsektor = Urproduktion (Land- und Forstwirtschaft, Fischerei)

    24,4 % Sekundärsektor = Produzierendes Gewerbe /Industrie (Bergbau, verarbeitendes Gewerbe, Wasser- und Energiegewinnung, Baugewerbe)

    74,1 % Tertiärsektor = Dienstleistungsgewerbe (siehe: www.destatis.de)

    Diese Veränderungen machen deutlich, dass immer mehr einfache Tätigkeiten abgebaut werden. Da im Dienstleistungsgewerbe viele hochqualifizierte Menschen (z.B. IT-Bereich oder in der Forschung) gebraucht werden, spielt Bildung eine immer größere Rolle. Unter diesen Bedingungen kam es auch wieder zum Anstieg von Selbständigen. Von den 42.960.000 Erwerbstätigen des Jahres 2015 waren 1.310.000 Selbständige. Innerhalb der letzten 15 Jahre hat sich diese Zahl fast verdoppelt. Im Jahr 2000 gab es nur 705.000 Selbständige (www.statista.com).

    2.3.2 Konjunkturellen Gründe

    Die konjunkturellen Gründe werden von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Dazu gehören Faktoren die wiederum gesteuert werden können, Faktoren die nicht gesteuert werden, z.B. Witterung und nicht zuletzt auch die internationalen Finanzmärkte. Müssen beispielsweise die Verbraucher mehr für Energie zahlen, wird, um den Mehrpreis der Energie zu kompensieren, an etwas Anderem gespart. Etwa an der Neuanschaffung eines Autos. Entlassungen von Mitarbeitern erfolgen zum Beispiel: im Einzelhandel, nach dem Weihnachtsgeschäft; im Baugewerbe im Winter; in der Landwirtschaft nach der Ernte oder bei Verlagerungen von Firmen oder Konkursen (z.B. Nokia oder Schlecker Drogeriemärkte).

    2.3.3 Individuelle Gründe

    Die individuellen Gründe, die zur längerfristigen Arbeitslosigkeit führen oder geführt haben, sind sehr unterschiedlich. Dazu gehören Qualifikationsdefizite, Lebensalter, gesundheitliche Einschränkungen, Suchtprobleme, Schulden sowie das Fehlen eines festen sozialen Gefüges.

    2.4. Langzeitarbeitslosigkeit

    Langzeitarbeitslose befinden sich oftmals in einer materiell schwierigen Lage. Das Leben an der Armutsschwelle führt in der Regel zu weiteren Schwierigkeiten. Hinzu kommt das neue Phänomen der sozialen Ausgrenzung. (siehe: Bude 2008; Bude, Willisch 2008)

    Durch längerfristige Arbeitslosigkeit entstehen Motivationsmangel und Resignation, hinsichtlich der eigenen beruflichen und sozialen Perspektiven sowie Zweifel an der persönlichen Qualifikation, Entscheidungsschwächen und gemindertes Selbstwertgefühl. Ausdruck dafür sind psychosomatische Erkrankungen. Einige erwerbslose Menschen haben z.B. in ihrer letzten beruflichen Tätigkeit Mobbingerfahrungen gemacht und haben Angst, dass dies an einem neuen Arbeitsplatz wieder eintreffen kann. Da Angst lähmt, fällt es unter dieser psychischen Belastung schwer, sich zu bewerben. Psychische Probleme und Langzeitarbeitslosigkeit sind eng miteinander verbunden, wie Studien mit dieser Gruppe aufzeigen.

    Im Jahr 2015 wurden in der Erwerbslosenberatungsstelle 529 Menschen beraten, wobei der Männer- und Frauenanteil fast gleich war. Von diesen 529 Menschen stammten 191 Menschen nicht aus Deutschland. Dies ist ein Anteil von über 30 %. Auch wenn die Meinung nicht von allen Menschen geteilt wird, befinden wir uns in Deutschland in einer multikulturellen Gesellschaft, welche durch die zunehmende ethnische Pluralisierung entstand. Gründe dafür sind, die dauerhafte Bleibe der Mehrheit der Arbeitsmigranten in Deutschland und deren Familienzusammenführung nach dem Anwerbestopp; der Zuzug von Aussiedlern und die steigende Zahl der Asylsuchenden. (siehe Han 2010: 330 ff.)

    Den Anforderungen in der Arbeit mit Migranten müssen wir uns stellen, denn es gibt oft Sprachprobleme, denn das Amtsdeutsch ist schwer verständlich. Somit hat kultursensible Beratung schon jetzt einen hohen Stellenwert und nicht erst aufgrund der Flüchtlingswelle. Dies wird in der täglichen Beratungsarbeit deutlich, wenn wir versuchen Bescheide oder andere bürokratische Anforderungen zu erklären.

    2.5. Psychosoziale Betreuung nach § 16 a SGB II

    Seit 2008 führt das ALZ e.V. im Auftrag des Kreises Minden-Lübbecke die psychosoziale Betreuung nach §16a SGB II durch. Es handelt sich hierbei um eine kommunale Eingliederungsleistung, die in den Instrumentenkatalog von Hilfeangeboten zum Erwerb, Erhalt und der Verbesserung der Eingliederungsfähigkeit für SGB II-Leistungsberechtigte eingebettet ist.

    Dieses Unterstützungsangebot ging und geht in großen Teilen inhaltlich, strukturell und organisatorisch weit über die bisherige Praxis der klassischen Beratungsarbeit hinaus.

    Als niederschwelliges Angebot erfüllt es zunächst einen deutlich auf die existentielle soziale Lebenssicherung bezogenen Arbeitsauftrag, denn erst wenn diese Fragen geklärt sind, können die nächsten Schritte für eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt erfolgen.

    Die Jahre 2009 bis 2015 zeigen in der qualitativen und quantitativen Auswertung nachdrücklich, dass in der Klienten-Arbeit der Verein und seine Berater mit einer Vielzahl von oft hochkomplexen Problemstellungen konfrontiert werden.

    Um die Stabilisierung dieser Lebenslagen zu erreichen und die Bewältigung der Problemstellungen in Gang zu bringen, setzt der Verein auf eine inhaltlich und logistisch effiziente Leistungserbringung nicht nur auf eine hohe personelle Fachlichkeit, eine verlässliche Struktur und einen dienstleistungsorientierten Organisationsrahmen, sondern die Mitarbeiter arbeiten auf der Grundlage eines würdigenden Menschenbildes und einer auf die Lebenswelten der Kunden orientierten Hilfeplanung und - umsetzung.

    Trotz aller Unterschiede im Einzelnen, ist der Gesamtheit der „Fälle" eines gleich: In dieser Arbeit begegnen die Mitarbeiter Menschen, die in ihrer jetzigen Lebenssituation nicht nur durch äußere Dritte, sondern auch durch aktuelle persönliche Faktoren, so stark in ihren sozialen Fähigkeiten eingeschränkt sind, dass sie die Förderangebote und Hilfeleistungen bisher nicht ausreichend selbstständig wahrnehmen konnten. Die Mitarbeiter begegnen in der Mehrzahl Menschen, deren Lebenswege durch immer wiederkehrende biographische Traumatisierungen, Gewalt- und gesellschaftliche Ohnmachtserfahrungen nachhaltig negativ geprägt sind.

    Bei einem großen Teil der Klienten liegt die Leistung der psychosozialen Betreuung im Kreis Minden-Lübbecke, in der tatsächlichen Erreichung von „Hilfefähigkeit", also der Heranführung und Begleitung dieser Menschen an die spezialisierten Fachdienste der freien Träger und an das Fallmanagement des Amtes proArbeit Jobcenter. Dabei wird in Einzelfällen festgestellt, dass Menschen nicht in den Leistungsbereich des SGB II gehören, da sie nicht mehr in der Lage sind mindestens drei Stunden täglich zu arbeiten.

    Der Leistungsbereich

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