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Faire Steuern braucht unser Land!!!
Faire Steuern braucht unser Land!!!
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Faire Steuern braucht unser Land!!!

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Für faire Steuern
Wenn der eine auf Einkommen 45 % Steuern zahlen muss, der andere dagegen nur 15 % oder überhaupt nichts, dann ist das unfair. Wenn Gewinne voll versteuert werden müssen, Verluste aber nur eingeschränkt abgesetzt werden können, dann ist das unfair. Wenn Steuern auf reine Inflationsgewinne gezahlt werden müssen, dann ist das unfair. Es geht jedoch auch fair. Dafür steht dieses Buch. Fair ist eine Besteuerung des Einkommens und Vermögens aller Personen und Organisationen nach Leistungsfähigkeit und entsprechend dem Gleichheitsgebot. Das wird allgemeinverständlich beschrieben. Und zusätzlich gibt es einen ausformulierten Gesetzentwurf.

Gegen den internationalen Steuerkrieg
Auf dreisteste Weise nutzen internationale Konzerne die ihnen von vielen Staaten gebotenen Steuerschlupf-Scheunentore. Im Extrem reichen z. B. Zahlungen in den Niederlanden, Irland und Luxemburg von nur 1.000 €, um in Deutschland oder anderen Staaten 1.000.000 € Steuern zu vermeiden. Davon profitieren nicht nur Apple, Google und Microsoft, sondern auch die Deutsche Bank, VW und der Staatskonzern Deutsche Bahn. Der internationale Steuerkrieg spielt sich versteckt hinter den Wällen von Doppelbesteuerungsabkommen ab, die das Besteuerungsrecht der Staaten aushöhlen. Die skandalösen Auswüchse werden nun aber auch in den Medien angeprangert. Internationalen Abhilfebekundungen ist jedoch leider genauso wenig zu vertrauen wie den Versprechungen mancher Politiker.

Aber wenn Deutschland das wirklich will, kann es im Alleingang Abhilfe schaffen. Ein solcher Alleingang wird im Koalitionsvertrag der großen Koalition angekündigt. Hier werden die Möglichkeiten dazu beschrieben. Schluss mit dem Vorsteuerbetrug In Europa werden jährlich knapp 200 Mrd. € Umsatzsteuer hinterzogen. Der Hauptteil davon entsteht durch erschwindelte Vorsteuer, die die Finanzämter an die Betrüger auszahlen. Dagegen wird vorgeschlagen, den Vorsteuerabzug durch ein Meldesystem zu ersetzen. Wo keine Vorsteuer mehr ausgezahlt wird, kann es keinen Vorsteuerbetrug mehr geben. Beste Lösung für die Erbschaftsteuer: Eine wirtschaftsfreundlich ausgestaltete Erbschaftsteuer begünstigt die Unternehmer. Das ist gleichheitswidrig. Bei gleichmäßigem Anfall für alle würde die Erbschaftsteuer jedoch die deutsche Wirtschaft nachhaltig schädigen.
LanguageDeutsch
Release dateJan 6, 2016
ISBN9783981748611
Faire Steuern braucht unser Land!!!
Author

Eike Ellerbeck

Dipl.-Kfm. Eike Ellerbeck, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Mediator Geschäftsführender Gesellschafter bei „Eggesiecker und Partner Rechtsanwälte Steuerberater Wirtschaftsprüfer Rechtsbeistand“ in Köln. Jahrgang 1959. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre Erfahrung mit steuerbegünstigten Kapitalanlagen bei einer hierauf spezialisierten Steuerberatungsgesellschaft in Köln. Von 1985 bis 1990 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Allgemeine Betriebswirtschaft und betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der Universität zu Köln. Seit 1992 Steuerberater und seit 1996 auch Wirtschaftsprüfer. Schwerpunkte der derzeitigen Tätigkeit sind die Betreuung gemeinnütziger Organisationen, die steuerliche Beratung für Medienangehörige (Journalisten, Redakteure), die Prüfung von Jahresabschlüssen öffentlich geförderter Einrichtungen sowie die Erstellung steuerlicher Gutachten und Führung von Finanzgerichtsprozessen. Beiträge in Gabler’s Wirtschaftslexikon, der Festschrift für Prof. Dr. Mann, Federmann (Hrsg.) Betriebswirtschaftslehre, Unternehmenspolitik und Unternehmensbesteuerung sowie im Kommentar von Prof. Dr. Eggesiecker, Die Partnerschaftsgesellschaft für freie Berufe. Mitwirkung bei weiteren gemeinsamen Veröffentlichungen, u.a. zum Schuldzinsenabzug nach § 4 Abs. 4a EStG. Mitglied im Steuerausschuss der Industrie- und Handelskammer zu Köln. Seit 2015 Vorsitzender des Arbeitskreises „Gemeinnützigkeit und Vereine“ beim Steuerberaterverband Köln.

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    Faire Steuern braucht unser Land!!! - Eike Ellerbeck

    Stichwortverzeichnis

    A Der dringende Reformbedarf

    Für den dringenden Reformbedarf wurden im Vorwort nur einige aus der schier unendlichen Reihe von Beispielen angegeben. Dem könnten leicht weitere hundert und eine Seite über die skandalösen Zustände hinzugefügt werden. Aber hier soll es nicht ums Beklagen und Anklagen gehen. Es soll stattdessen nur gezeigt werden, dass es auch eine Lösung gibt.³

    Ach, wie einfach hatte es doch Lady Godiva mit ihrem Protest gegen die ungerechte Besteuerung!

    Uns bleibt nur der Appell in der Fachliteratur.

    Aber vielleicht gibt es doch einmal den Protest der Femen für „Fair Taxation".

    Schwerpunkt dieser Arbeit ist eine integrierte Besteuerung des Einkommens und Vermögens mit folgenden Zielen:

    Belastung nach der Leistungsfähigkeit,

    gleichmäßige Besteuerung, auch bei internationalen Beziehungen,

    rechtsformneutrale Besteuerung zur umfassenden Herbeiführung der Gleichmäßigkeit,

    Beseitigung aller im Vorwort aufgeführten unerträglichen Zustände,

    also eine gerechte oder faire Besteuerung. Die Grundlagen hierfür werden in Teil B „Besteuerung des Einkommens und Vermögens" beschrieben und begründet. Teil B wird ergänzt um einen komplett ausformulierten Gesetzestext des „Einkommen- und Vermögensteuergesetzes" (EVStG) in Teil D. Dort ist zusätzlich eine Kommentierung mit Detailhinweisen enthalten.

    Das aktuelle Einkommensteuergesetz basiert auf einer Fassung von 1920.⁶ Seitdem ist es unzählige Male geändert und ergänzt worden. Vor allem kam immer wieder etwas hinzu, fast nie wurde etwas gestrichen.⁷ Der Gesetzestext ist inzwischen auf mehr als das Zehnfache angewachsen. Es geht jedoch wesentlich kürzer, was in Teil D gezeigt wird.

    In der Geschichte des Herkules wird berichtet, dass König Augias seine Ställe dreißig Jahre nicht ausmisten ließ. Es kam nur immer mehr hinzu. Das EStG wird nun fast ein Jahrhundert „angereichert".

    In Teil C „Weitere Hinweise zur Besteuerung" wird auch auf die anderen Steuern eingegangen. Wie bei Aschenputtels Tauben wird dabei nach guten Steuern und schlechten Steuern unterschieden. Die schlechten sollten abgeschafft, die guten ggf. ausgebaut und verbessert werden. Außerdem wird ein Kontrollsystem vorgeschlagen, das u. a. den Missbrauch bei der Umsatzsteuer weitgehend unterbinden würde. Es wird auch die provokatorische Frage aufgeworfen, ob nicht alle Süchte gleich behandelt und besteuert werden sollten.

    Wenn wir auch eine Lösung versprechen, versteigen wir uns nicht darin, Steuersätze und ähnliches vorzugeben. Nur der Veranschaulichung wegen werden in Beispielen Steuersätze, Freibeträge usw. angesetzt. Die Verantwortung für die konkreten Werte müssen schon die von uns herbeigewünschten 50 besseren Steuerpolitiker übernehmen. Also nochmals ganz deutlich: Die hier angegebenen Steuersätze von 30 % für die Einkommensteuer und von 1 % für die Vermögensteuer sind nur denkbare Möglichkeiten; die Politiker mögen entscheiden, ob 20 % oder 40 % für die Einkommensteuer bzw. 0,2 % oder 2 % für die Vermögensteuer „richtig" sind.

    Nachdem mehr als 60 Jahre ebenso lautstark wie erfolglos nach einer grundlegenden Reform der Einkommensbesteuerung gerufen worden ist, sind die Aussichten für ein Engagement von 50 besseren Steuerpolitikern in der Tat nicht gerade rosig. Aber vielleicht ist jetzt gerade die Zeit reif, gefördert durch den auch in den Medien aufgegriffenen internationalen Steuerkrieg und die Bestrebungen zur Wiedereinführung der Vermögensteuer.

    Welcher der vielen Reformvorschläge auch immer realisiert würde: Es könnte nur besser werden.

    Diese Schrift ist gerichtet wider die aktuellen Steuergesetze, nicht gegen andere Vorschläge zu ihrer Reform. Was auch immer als Ersatz käme, es könnte nur besser sein. Von Kritik an anderen Meinungen halten wir uns daher fern⁸ und legen nur unsere eigene Lösung vor, die wir selbstverständlich selbst für die beste halten, aber dennoch als nur „eine" unter vielen anderen.


    ³ Inzwischen geht die EU auch mit dem Instrumentarium des Wettbewerbsrechts gegen internationale Steuermanipulationen vor. Statt des Steuerkommissars leitet künftig der Wettbewerbskommissar die entsprechenden Untersuchungen. Das Steuerrecht sollte jedoch autonom zu angemessener Besteuerung kommen können.

    ⁴ Das Volk litt unter den hohen vom Earl von Mercia auferlegten Steuern. Weil inständige Bitten seiner guten Frau Godiva dagegen nichts nützten, ritt sie aus Protest nackt durch die Stadt – mit Erfolg!

    ⁵ Hinzu kommt eine erhebliche Verbesserung der Kontrollmöglichkeiten für die Finanzverwaltung.

    ⁶ Die derzeitigen Einkunftsarten beruhen auf einer Fassung von 1925.

    ⁷ Das aktuelle EStG erfährt jährlich mehr als hundert Änderungen.

    ⁸ Zu einer wissenschaftlichen Arbeit gehört es, auch die Gegenmeinungen möglichst ausführlich darzustellen. Das aber würde zu gerade den Auseinandersetzungen führen, die wir ja vermeiden wollen. Deshalb wird hier auch nicht zugunsten unserer Meinung zitiert, sondern der Fairness halber gar nicht.

    Da wir nur unsere Meinung vortragen, bitten wir den geneigten Leser, so oft wie möglich hinzuzudenken: „… nach Meinung der Autoren, Irrtum vorbehalten."

    B Steuern auf Einkommen und Vermögen

    B 1 Gebote für eine faire Besteuerung

    B 1.1 Besinnung auf Grundsätzliches

    Ein moderner Personenkraftwagen ist ein Wunderwerk der Technik. Dieser Satz am Anfang grundlegender Ausführungen über Steuern soll provokativ auf Menschenmögliches hinweisen. Selbst im Steuerrecht sind Wunderwerke der Gesetzestechnik menschenmöglich – bei ehrlichem Menschenwillen der Entscheidenden.

    Zweck des Pkw ist die Beförderung von Menschen.⁹ Das soll sicher, komfortabel und schnell geschehen. Solche Gestaltungsziele dienen dem Beförderungszweck. Zur Perfektionierung wurde und wird viel an professioneller Arbeit geleistet.

    Zweck einer integrierten Einkommen- und Vermögensteuer ist die Beförderung von Geld, und zwar von den Menschen und Organisationen zum Staat. Dies soll gleichmäßig und nach der Leistungsfähigkeit der Steuerzahler geschehen. Diese Gestaltungsziele dienen ausschließlich dem Geldbeförderungszweck.

    Der Pkw als Leitbild zeigt, dass Perfektes mit einem klaren Zweck und diesem Zweck dienenden Gestaltungszielen anzustreben ist. Die voluminösen, komplizierten und bis zur Verfassungswidrigkeit unübersichtlichen Regelungen des aktuellen Einkommensteuergesetzes lassen jedoch den tragenden Zweck und ihn fördernde Gestaltungsziele nicht erkennen. Es ist zum Augiasstall verkommen, wie bedauerlicherweise im Folgenden noch an vielen Einzelheiten gezeigt werden muss.

    Deswegen wird hier ganz besonderer Wert darauf gelegt, Grundsätze herauszuarbeiten, nach denen das Gesetz gestaltet werden soll. Sie werden als Gebote ausdrücklich in den ersten Paragraphen des Gesetzesvorschlags in Teil D hineingeschrieben.

    Das erste oder Grundsatzgebot – der Grundsatz der Grundsätze – lautet:¹⁰

    Für die Einkommen- und Vermögensteuer

    sollen Grundsätze gelten.

    Aus den Grundsätzen sollen sich die weiteren Vorschriften des Gesetzes ableiten lassen. Macht dieses Vorgehen Schule in der Steuergesetzgebung, gewinnen Steuergesetze ganz erheblich an Klarheit und Folgerichtigkeit. Die Aufnahme von Grundsätzen in die Steuergesetzestexte sollte daher nicht auf die Einkommen- und die Vermögensteuer beschränkt werden.¹¹

    B 1.2 Fairness besonders wichtig

    B 1.2.1 Was ist fair?

    Dass die Steuerpflichtigen derzeit nicht fair besteuert werden, beweisen bereits die wenigen erschreckenden Beispiele im Vorwort. Deshalb soll hier in Teil B dargestellt werden, wie eine faire Besteuerung des Einkommens und Vermögens tatsächlich praktiziert werden könnte.

    Schon das Wort Einkommensteuer legt nahe, dass mit ihr die Einkommen der Einkommensbezieher belastet werden sollen. Offensichtlich wäre es ungerecht bzw. unfair, nur einen Teil der Einkommensbezieher der Einkommensbesteuerung zu unterwerfen, den übrigen aber Einkommensteuerfreiheit zu gewähren. Fair kann also nur die Einbeziehung aller Einkommensbezieher sein. Entsprechend erfordert das Universalitätsgebot auch die Vermögensbesteuerung aller Vermögenseigentümer.

    Damit ist im Grundsatz auch schon gesagt, wer bei der Einkommen- und Vermögensteuer steuerpflichtig sein soll: ALLE, die Einkommen beziehen bzw. Vermögen besitzen. In B 2 wird konkret herausgearbeitet, wer Steuerpflichtiger sein soll.¹²

    Mit der Bezeichnung der hier betroffenen Steuern sind auch sogleich die Gegenstände der Besteuerung vorgegeben, das Einkommen für die Einkommensteuer und das Vermögen für die Vermögensteuer. Andere Merkmale sind ungeeignet und unfair wie beispielsweise die dreitürigen Kleiderschränke in Kishons Satire „Der Fuchs im Hühnerstall" und Besteuerungen nach Nettotonnen¹³ oder Vieheinheiten und Hektarwerten¹⁴ im derzeitigen Einkommensteuerrecht. Nur das tatsächliche disponible Einkommen eines Menschen ist ein faires Maß für seine finanzielle Leistungsfähigkeit zur Einkommensteuerzahlung. Dieses Leistungsfähigkeitsgebot fordert dementsprechend auch für die Vermögensteuer finanzielle Leistungsfähigkeit nach seinem disponiblen Vermögen.

    Fair bedeutet weiterhin, dass die verfügbaren Einkommen aller Einkommensteuerpflichtigen auch gleichmäßig belastet werden. Nur weil jemand alt ist, braucht er keinen Altersentlastungsbetrag, wie ihn das aktuelle Einkommensteuerrecht gleichheitswidrig und zugleich altersdiskriminierend zu Lasten Jüngerer gewährt.¹⁵ Vor allem ist es unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten nicht vermittelbar, dass Kapitaleinkünfte nur mit bis zu 25 % besteuert werden,¹⁶ während Arbeitseinkünfte einer Spitzenbelastung von 45 % unterliegen.¹⁷ Das Gleichheitsgebot verlangt die gleichmäßige Besteuerung aller disponiblen Einkommen. Das gilt selbstverständlich auch für die disponiblen Vermögen in Bezug auf die Vermögensteuer.

    Alle drei Gebote aus § 1 Abs. 2 EVStG, das Universalitätsgebot, das Leistungsfähigkeitsgebot und das Gleichheitsgebot können zusammengefasst werden zum Fairnessgebot:¹⁸

    Alle disponiblen Einkommen und Vermögen sollen nach der finanziellen Leistungsfähigkeit ihrer Bezieher bzw. Eigentümer gleichmäßig besteuert werden.

    Ideal wäre es natürlich, wenn das Einkommen- und Vermögensteuergesetz mit dem Fairnessgebot allein auskommen würde. Aber konkreter muss schon geregelt werden, was Leistungsfähigkeit nach dem Einkommen bzw. nach dem Vermögen sein soll, in welcher Höhe die Bemessungsgrundlagen belastet und mit welchen Verfahren die Steuern erhoben werden sollen. Zunächst wird hier danach gefragt, was bei der Einkommen- und Vermögensteuer unter Fairnessgesichtspunkten die Bemessungsgrundlagen sein müssen.

    B 1.2.2

    Einkommensteuer

    Überall auf der Welt ist allen klar, dass sich Leistungsfähigkeit zur Steuerzahlung aus der Erzielung von Einkommen ergibt. Die Besteuerung des Einkommens ist daher völlig unstrittig.

    Aber darüber hinaus geht es ganz schön durcheinander, weil der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit nicht konsequent beachtet wird. Nach den aktuellen gesetzlichen Regelungen bleiben erzielte Gewinne mal steuerfrei, mal werden sie voll versteuert. Dazu gibt es begünstigende Steuersätze. Das aktuelle Einkommensteuergesetz ist eine besonders ergiebige Fundgrube für den äußerst nachlässigen Umgang mit seiner Bemessungsgrundlage.

    Katastrophal ist, was einige Verantwortliche über Gerechtigkeit in Steuersachen denken. Vor einer Reihe von Jahren sagte z. B. ein Staatssekretär im Bundesfinanzministerium wörtlich:

    Herr E., Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit interessiert doch überhaupt nicht.

    Ähnliches ist derzeit für die Gleichmäßigkeit festzustellen. Selbst der Bauer mit den dicksten Kartoffeln braucht Einkommensteuer nur nach Pauschalwerten¹⁹ zu zahlen und nicht nach seinem tatsächlichen Einkommen.

    Ausreichend blauäugig könnte man denken, dass das ja alles gar nicht sein darf. Denn es gilt doch das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz, so dass das Bundesverfassungsgericht einschreiten müsste. Leider greift das Bundesverfassungsgericht jedoch viel zu wenig ein und lässt dem Gesetzgeber große Freiräume zur Ungleichbehandlung der Steuerpflichtigen.

    Das hier vorgeschlagene EVStG macht den geschilderten und vielen anderen Ungerechtigkeiten kategorisch den Garaus. Schließlich soll der Fiskus alle seine Steuerpflichtigen gleich lieben.

    Natürlich muss konkret ausgeführt werden, wie die Leistungsfähigkeit zur Steuerzahlung bemessen werden soll. Dazu zunächst etwas, was an sich eine Selbstverständlichkeit sein sollte: Wer weniger an Einkommen hat, als er zum Leben wirklich braucht, der darf nicht zur Einkommensteuer herangezogen werden. Das Existenzminimum muss also steuerfrei bleiben.

    Das müsste der Steuergesetzgeber doch automatisch berücksichtigen - sollte man denken. Aber weit gefehlt. Mehrfach hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass nicht einmal steuerfrei blieb, was Sozialhilfeempfänger als Unterstützung erhalten.²⁰

    Die Einkommensteuer wurde einst zur Königin der Steuern ausgerufen, weil sie die Steuerpflichtigen exakt nach ihrer Leistungsfähigkeit belasten kann.

    In ihrer aktuellen Verfassung übt sie dagegen einen weniger ehrenwerten Beruf aus.

    Seit 1995 gibt es allerdings Existenzminimumberichte der Bundesregierung.²¹ Damit wird versucht, den Einkommensfreibetrag²² nicht unter den Mindestbedarf nach dem Sozialrecht rutschen zu lassen. Das muss man schon als Fortschritt würdigen.

    Es ist jedoch ein Armutszeugnis für einen reichen Staat wie Deutschland, wenn er seinen Bürgern so wenig Luft lässt, dass die Einkommensteuer unmittelbar an der Armutsgrenze ansetzt. Der Einkommensfreibetrag sollte deshalb durch einen angemessenen Zuschlag auf das Sozialhilfe-Existenzminimum aufgestockt werden:

    Einkommensfreibetrag = Sozialhilfe-Existenzminimum + 50 % Zuschlag

    Ebenfalls nicht besteuert werden darf, was die Leistungsfähigkeit mit einer gewissen Zwangsläufigkeit mindert, z. B. gesetzliche Beiträge zur Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung.²³ Sie und manches andere müssen in angemessenem Rahmen als Sonderausgaben absetzbar sein. Steuerfrei bleiben muss das nicht disponible Einkommen:

    steuerfreies Einkommen = Einkommensfreibetrag + Sonderausgaben

    Wer mehr als das steuerfrei zu lassende Einkommen erzielt, der kann damit grundsätzlich machen, was er will. Mit seinem disponiblen Einkommen ist er finanziell unabhängig und damit auch leistungsfähig. Dieses disponible Einkommen als Bemessungsgrundlage für die Einkommensbesteuerung zu wählen, ist legitim und finanzpolitisch rational. Leistungsfähigkeit zur Einkommensteuerzahlung ist damit anzunehmen, wenn das Einkommen höher als der Einkommensfreibetrag zuzüglich der Sonderausgaben ist. Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, das disponible Einkommen, muss daher sein:

    disponibles Einkommen = Einkommen – Einkommensfreibetrag – Sonderausgaben

    B 1.2.3

    Vermögensteuer

    Ähnlich wie bei der Einkommensteuer muss es auch bei der Vermögensteuer ein steuerfreies Existenzminimum geben. Dieses ist dem gehobenen Standard Deutschlands anzupassen und nicht auf ein Fell und zwei Unterhosen zu beschränken. Gute Ansatzpunkte zur Festlegung eines solchen steuerfreien Gebrauchsvermögens bieten die Regeln des alten Bewertungsrechts.²⁴ Das danach steuerfreie Gebrauchsvermögen umfasst u. a. die Haushaltsgegenstände.²⁵

    Zu berücksichtigen ist darüber hinaus, dass ein Mensch trotz aller Vertragsfreiheit nicht über sämtliches weiteres Vermögen frei disponieren kann, z. B. nicht über Rentenversicherungsansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder Pensionsansprüche als Beamter. Auf derartiges Sondervermögen soll keine Vermögensteuer erhoben werden.²⁶

    Über weiteres Vermögen hat der Steuerpflichtige jedoch selbst verfügt bzw. könnte er selbst verfügen. Er hat insofern disponibles Vermögen. Es bietet sich daher an, das disponible Vermögen als Bemessungsgrundlage für eine Vermögensteuer zu wählen:²⁷

    disponibles Vermögen = Vermögen – Gebrauchsvermögen - Sondervermögen

    Leistungsfähigkeit resultiert nach dem hier vertretenen Ansatz also nicht nur aus dem Einkommen, sondern auch aus Vermögen. Vermögensbezogen ist natürlich nicht leistungsfähig, wer gar kein disponibles Vermögen hat. Aber wer 500.000 € Tagesgeld sein eigen nennt, dem muss man doch offensichtlich auch Leistungsfähigkeit im Vergleich zu einem Habenichts attestieren!

    Dabei kann es im Hinblick auf die Gleichmäßigkeit der Besteuerung des Vermögens nicht darauf ankommen, ob das Vermögen viel oder wenig abwirft. Wer auf einem luxuriösen Landsitz, einer wertvollen Gemäldesammlung oder einer 30-m-Jacht im Mittelmeer sitzt, der hat disponibles Vermögen und ist deshalb vermögensmäßig leistungsfähig. Und der soll auch Vermögensteuer zahlen, selbst wenn sein Vermögen nichts abwirft.

    Für diese Ansicht gibt es sogar ein ganz starkes Zitat aus einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22.6.1995: „Wer sein Talent, durch Arbeit Erträge zu erzielen, brachliegen lässt, wird grundsätzlich nicht besteuert. Wer hingegen Vermögen ungenutzt lässt, wird für Zwecke der Besteuerung so behandelt, als habe er Erträge erzielt."²⁸

    Es wäre jedoch unehrlich, nicht darauf hinzuweisen, dass gerade diese Basisaussage in den folgenden Absätzen der Entscheidung in unverständlicher Folge-Un-Richtigkeit vollständig über Bord geworfen wurde. Geschaffen wurde stattdessen der sogenannte „Halbteilungsgrundsatz", nach dem die Belastung durch Einkommen und Vermögensteuer nur die Hälfte der Erträge des Vermögensgegenstandes ausmachen darf. Das bedeutet: Wirft das Vermögen Null ab, darf die Steuer nicht höher als Null geteilt durch 2 sein. Damit gibt es also weder Einkommen- noch Vermögensteuer bei ertraglosem Vermögen.

    Schon im seinem Minderheitsvotum zu dieser Entscheidung vom 22.6.1995 weist der am Beschluss beteiligte Verfassungsrichter Böckenförde jedoch darauf hin, dass die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zum Halbteilungsgrundsatz erstens unzulässig und zweitens falsch waren. Inzwischen hat sich auch das Bundesverfassungsgericht korrigiert und die nicht vorhanden gewesene Basis des Halbteilungsgrundsatzes für irrelevant erklärt.²⁹ Es darf also Vermögensteuer auch bei Ertraglosigkeit erhoben werden.

    Bei der Vermögensteuer wird die Notwendigkeit einer gleichmäßigen Besteuerung aller Vermögensarten allerdings besonders dadurch deutlich, dass das Bundesverfassungsgericht das alte System der Vermögensteuer wegen seiner krassen Ungleichbehandlung der verschiedenen Vermögensarten als verfassungswidrig verworfen hat.³⁰ Wertpapiere wurden damals voll mit ihren Verkehrswerten herangezogen, Immobilien dagegen nur mit pauschalierten Werten von 1964.³¹ Das ist wirklich nicht erträglich. In der hier vorgeschlagenen Neuregelung werden dagegen alle Vermögensteile nach gleichen Vorschriften bewertet.³²

    Gegen eine Wiedererhebung der Vermögensteuer ist der Einwand zu erwarten, dass gegenwärtig Zinsen auf Tagesgeld hinter der Geldentwertung zurückbleiben. Wenn dann noch Vermögensteuer verlangt wird, komme das einer grundgesetzlich verbotenen Enteignung gleich. Das trifft jedoch auf das hier vorgestellte System nicht zu, weil eine Inflationsbereinigung stattfindet.³³

    Sicherlich waren die Erhebungskosten bei der früheren Vermögensteuer im Verhältnis zu deren Aufkommen auch sehr hoch, was schon gegen die Vermögensteuer nach dem früheren Vermögensteuergesetz sprach. Soweit nach neueren Planungen zur Wiedereinführung der Vermögensteuer durchgängig Verkehrswerte gelten sollen, wäre das noch ungleich schwieriger. Das könnte selbst die bewundernswert leistungsfähige deutsche Finanzverwaltung nicht schaffen. Beim hier vorgelegten EVStG ist die zusätzliche Vermögensermittlung jedoch nur mit wenig Zusatzaufwand verbunden, so dass auch dieses Gegenargument nicht zutrifft.

    Ein mit Geldscheinen gefülltes Kopfkissen garantiert keinen guten Schlaf, aber finanzielle Leistungsfähigkeit.

    Entscheidend sollte letztlich nur sein, dass disponibles Vermögen einer Person Leistungsfähigkeit gegenüber anderen ohne Vermögen bedeutet. Eine Besteuerung dieses disponiblen Vermögens ist bei einer Besteuerung nach Leistungsfähigkeit also nur ein Akt der Fairness.

    B 1.2.4 Braucht man überhaupt faire Steuern?

    Hier wird immer wieder herausgestellt, was bei der Einkommens- und Vermögensbesteuerung fair ist. Deshalb darf selbstverständlich die kritische Frage, ob faire Steuern denn überhaupt notwendig sind, nicht übergangen werden. Gibt es nicht Überwälzungsprozesse, mit denen die Marktteilnehmer unfaire Steuererhebungen so verteilen, dass am Ende jeder doch fair belastet ist?

    Wenn es tatsächlich einen vollständig perfekten Markt gäbe, sollte dann nicht eine einzige (unfaire) Steuer ausreichen, z. B. die Lohnsteuer bei Verzicht auf alle anderen Steuererhebungen? Die Arbeitnehmer würden dann wegen ihrer hohen Steuerbelastung entsprechend höhere Löhne durchsetzen. Wegen des Wegfalls ihrer eigenen Steuerbelastung würden die Unternehmen die erhöhten Löhne teilweise zu Lasten ihres eigenen Gewinns selber tragen, im Wesentlichen aber auf ihre Preise abwälzen, so dass die einzige verbliebene Steuer schließlich alle Menschen indirekt über den Verbrauch belasten würde. Wer glaubt, dass dadurch die effektive Belastung am Ende dem Leistungsfähigkeits- und dem Gleichheitsgebot entspricht, der soll bitte auch glauben, dass Apple seine ungerechtfertigten Steuervorteile in vollem Umfang an seine Kunden weitergibt, so dass sie fair daran teilhaben. Tatsächlich gehört die Idee von den bereinigenden Marktmechanismen allein schon deswegen ins Märchenbuch, weil bei unfairer Besteuerung niemand weiß, was denn die faire Endbelastung wäre. Nicht einmal das derzeitige Steuersystem ist trotz guter Ausgangsideen fair, s. dazu das Vorwort!

    Darüber hinaus gibt es allerdings noch die ebenfalls kritische Frage, ob die Erhebung fairer Steuern nicht durch Marktanpassungen in unfairer Weise verfälscht würde, so dass sich insofern Anstrengungen überhaupt nicht lohnen würden. In der Tat wird es bei wesentlichen Umstrukturierungen Reaktionen in der Wirtschaft geben. Aber im Endeffekt wird niemand feststellen können, ob faire Besteuerung tatsächlich durch die Marktkräfte verfälscht wird. Mit Sicherheit feststellbar ist jedoch, ob die Besteuerung nach evtl. Abwälzungsprozessen in jedem einzelnen Fall fair belastet. Schon deshalb wird hier für eine faire Besteuerung plädiert.

    Entscheidend für die hier aufgeworfene Fragestellung ist letztlich, in welchem Umfeld die Besteuerung stattfindet. Deutschland hat sich eine soziale Marktwirtschaft zum Leitbild gesetzt.³⁴ Soziale Marktwirtschaft ist in erster Linie Marktwirtschaft, die im Rahmen von klaren und fairen Regeln selbst soziale Ergebnisse hervorzubringen imstande ist. Der Regelüberwachung dienen Einrichtungen wie das Bundeskartellamt, das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und die Bundesnetzagentur.

    Auch die Gewährleistung von Preisstabilität gehört zum Sozialen in der Wirtschaft. Aus Furcht vor Depressionen bei Deflation streben die Europäische Zentralbank und die Bundesbank jedoch jährliche Geldentwertungen von rund 2 % an. Die hier vorgeschlagene steuerliche Inflationsbereinigung mildert die dadurch entstehenden sozialwidrigen Effekte ab und dient somit auch der sozialen Marktwirtschaft.

    Von ganz besonderer Bedeutung für das Soziale in unserer Wirtschaft sind die Sozialleistungen, zu denen die Sozialversicherungssysteme wie auch die Hilfen für die sozial Schwachen gehören. Im Sozialbereich ist Wettbewerb grundsätzlich fehl am Platze.

    Dieser soziale Bereich in Deutschland ist inzwischen so ausgeweitet worden, dass das Sozialbudget rund ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts ausmacht. Ohne Berücksichtigung der sozialen Sicherungssysteme, die im Wesentlichen von den Versicherten selbst getragen werden, wird das Sozialbudget hauptsächlich von den Steuerzahlern aufgebracht. Die Besteuerung gehört deshalb zum sozialen Bereich und nicht zum Wettbewerbsbereich. Wettbewerb bei Steuern ist daher bereits ein Widerspruch in sich selbst.

    Faire Steuern sind ein wesentlicher Faktor

    für eine soziale Marktwirtschaft.

    Verstöße gegen das Leistungsfähigkeits- und das Gleichheitsgebot bei der Besteuerung sind immer unfair und unsozial. Mit welcher Chuzpe gerade die Leistungsfähigsten gegen ihre Verpflichtungen zur sozialen Mittragung der staatlichen Belastungen verstoßen, wird exemplarisch im Vorwort aufgezeigt. Das ist unfairer Wettbewerb ganz besonders schlechter Art in dem Bereich, in dem es eigentlich keinen Wettbewerb geben sollte.

    Ein A-Sozialer schädigt den Staat exakt um den Betrag der zu viel erhaltenen Unterstützung.

    Die Niederlande und Irland schädigen andere Staaten um das bis zu Tausendfache der selbst eingestrichenen Gelder. Sie sind nach der Klassifizierung der Rating-Agenturen AAA-sozial.

    Aber nicht nur die Unternehmen trifft die Kritik. Sogar in der Europäischen Union, die sich der sozialen Marktwirtschaft verschrieben hat,³⁵ gibt es den Wettbewerb unter den Steuersystemen. Selbst Deutschland hat den internationalen Steuerwettbewerb für die Senkung des Körperschaftsteuersatzes als Argument vorgeschoben.³⁶ Besonders schlimm treiben es auch EU-Staaten wie die Niederlande³⁷ und Irland³⁸ und verhalten sich damit ausgesprochen asozial.³⁹ Es ist an der Zeit, dies zu ändern. Wir brauchen faire Steuern.

    B 1.3 Einnahmen für den Staat

    Steuern werden ohne Gegenleistung erhoben, um dem Staat Einnahmen zu verschaffen.⁴⁰ Als Einnahmequelle für den Staat soll das Steueraufkommen ergiebig sein, aber auch die Steuerpflichtigen nicht zu sehr belasten. Für das Ausbeuten von Wasserquellen ist das ohne weiteres einsichtig. Das Ergiebigkeitsgebot gilt aber auch für Steuerquellen:

    Das Steueraufkommen soll ergiebig sein, aber auch die Steuerquellen schonen.

    Der Ergiebigkeitsgrundsatz ist einer der Hauptgrundsätze für die Steuererhebung, so wichtig und gleichzeitig so selbstverständlich, dass es fast nicht auffallen würde, wenn er in der Aufzählung der Grundsätze fehlen würde. Denn diesem Hauptgrundsatz dienen viele andere Grundsätze:

    das Neutralitätsgebot,

    das Optionsverbot,

    das Konzerneinheitsgebot,

    das internationale Fairnessgebot,

    das internationale Aufteilungsgebot,

    das Missbrauchsverbot,

    das Publikationsvorranggebot,

    das Kontrollgebot und

    das Wirtschaftlichkeitsgebot.

    B 1.4 Bitte nicht mit Steuern steuern !

    Die Einkommen- und Vermögensteuer kann besonders ergiebig sein, wenn man die Steuerpflichtigen nur frei gewähren lässt. Denn fast jeder möchte sein Einkommen und sein Vermögen erhöhen, wodurch dann automatisch die Bemessungsgrundlagen der Einkommen- und Vermögensteuer vergrößert werden. Es ist damit festzuhalten, dass das Ergiebigkeitsgebot am besten umgesetzt wird, wenn die Steuerpflichtigen frei wirtschaften können.

    Die Politiker wollen aber oft mehr, nämlich „steuern mit Steuern". Dessen typische Wirkung soll hier an einem Beispiel herausgestellt werden:

    Das Große-Schuhe-Beispiel

    Die Lobbyisten des „Vereins großer Menschen tragen immer wieder vor, dass Leute mit großen Füßen besonders viel für Schuhe ausgeben müssen. Deshalb müsse der Kauf großer Schuhe gefördert werden. Schließlich steht im Gesetz: „Ausgaben für Schuhe ab Größe 47 können als Sonderausgaben abgesetzt werden.

    Die Folge: Wer Größe 39 hat, kauft 47 und stopft seine Schuhe aus.

    Im Beispiel bewirkt die Begünstigungsregelung im Einkommensteuergesetz, dass das Steueraufkommen sinkt. Die Leute verhalten sich auch nicht mehr wirtschaftlich vernünftig. Sie kaufen sich teurere und unbequemere Schuhe, weil sie damit Steuern sparen können. Sowohl der Staat als auch viele Steuerpflichtige haben Nachteile.

    Darüber hinaus wird gegen das Fairnessgebot verstoßen. Denn ein Mensch mit Schuhgröße 39 braucht weniger an Steuern zu zahlen, wenn er Schuhe mit Größe 47 kauft. Er wird also nicht mehr nach seiner Leistungsfähigkeit besteuert. Außerdem wird er gegenüber einem anderen steuerlich begünstigt, der sich nicht dieses Tricks bedient. Begünstigungen und Lenkungsnormen verstoßen sowohl gegen das Leistungsfähigkeitsgebot wie auch gegen das Gleichheitsgebot.

    Nicht gar so plump wie im Große-Schuhe-Beispiel, sondern viel subtiler, aber mit vergleichbaren Effekten wird oft die Gesetzestextformulierung genutzt – besser: missbraucht –, um im Gesetz Wahlgeschenke, die Erfüllung von Lobbywünschen und vieles andere unterzubringen. Infolgedessen mach ein Durcheinander von Steuervorschriften und Lenkungsnormen das Steuerrecht kompliziert und undurchsichtig und bläht die Steuergesetze auf.

    Letzteres ist einer der Hauptgründe, warum das Einkommensteuergesetz von 1920 bis heute auf rund den zehnfachen Umfang angewachsen ist.⁴¹ Wir haben uns geradezu daran gewöhnt, dass in puncto Fettleibigkeitszuwachs das Einkommensteuergesetz fast jedes Jahr alles andere aus dem Wahnsinnsrennen schlägt.

    Lenkung führt zum Wahnsinn (ein authentisches Beispiel):

    Steuerberater zum Mandanten: „Auch unter Berücksichtigung der Steuervorteile ist die steuerbegünstigte Immobilie teurer als die gleichwertige ohne Steuerersparnisse. Außerdem sind die Steuervorteile nicht sicher und verursachen weitere Steuerberatungskosten. Ich rate Ihnen daher zum Kauf der normalen Immobilie."

    Diplom-Kaufmann und sehr erfolgreicher Unternehmer: „Aber dann habe ich doch keine Steuervorteile!"

    „Steuern mit Steuern" ist bisher eine beliebte, aber ebenso zu verdammende Methode. Um die wirtschaftlichen Tätigkeiten der Steuerpflichtigen in an sich unsinnige Bahnen zu lenken, ist manche schlaue Steuerregelung erdacht worden. So hat man z. B. die Investitionen in den neuen Bundesländern durch Sonderabschreibungen gefördert.⁴² Die Schuhgröße 47 zu begünstigen, hätte weniger Schaden angerichtet. Denn besonders geholfen haben die Sonderabschreibungen cleveren Vermittlern von steuerbegünstigten Kapitalanlagen. Der Erfolg für andere war meist bescheiden; nicht selten haben sie durch die steuerliche Fehllenkung ihr ganzes Vermögen oder große Teile davon verloren. Und dem Fiskus sind überflüssigerweise Milliarden an Steuern entgangen.⁴³

    Es sollte daher das Neutralitätsgebot gelten:⁴⁴

    Die wirtschaftlichen Tätigkeiten der Steuerpflichtigen sollen durch die Besteuerung möglichst nicht beeinflusst oder beeinträchtigt werden. Lenkungsnormen soll das Gesetz nicht enthalten.

    Wenn es realisiert wird, hat das auch erhebliche positive Auswirkungen für die Steuerpflichtigen. Sie brauchen sich nur auf die Erzielung hoher Einkommen bzw. Vermögen zu konzentrieren. Das ist eine der wichtigsten Eigenschaften eines rationalen Steuersystems für die Einkommen- und Vermögensteuer, da es Planungen der Steuerpflichtigen im Hinblick auf die Besteuerung überflüssig macht und Fehlentscheidungen wegen steuerlicher Folgen vermeidet.

    Deshalb dürfen Aufwendungen zur Erzielung von Überschüssen nicht vom Abzug ausgeschlossen werden (objektives Nettoprinzip)⁴⁵ und es darf nicht besteuert werden, was der Mensch für eine menschenwürdige Existenz braucht (subjektives Nettoprinzip)⁴⁶. Äußerst wichtig ist damit die Ermittlung des Einkommens und Vermögens mit Methoden, die allgemein anzuerkennen sind. Nur eine weitgehende Konformität in der Beurteilung, was das tatsächlich disponible Einkommen und Vermögen ist, garantiert maximale Fairness bei maximalem Steueraufkommen.

    Der gleichzeitigen Maximierung von Fairness und Steueraufkommen dient auch das Bemühen dieses Entwurfes, unterschiedliche Gestaltungen auf die Steuerhöhe möglichst zu vermeiden oder zu neutralisieren. Hierzu zwei Beispiele:

    a) Besonders reichhaltige rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten bestehen derzeit in Konzernen. Werden Konzerne jedoch nach dem EVStG als Einheit besteuert,⁴⁷ wirken sich Gestaltungen unter den Konzernmitgliedern nicht mehr aus.

    b) Beim jetzigen Steuerrecht wird ein Unternehmer einen Kredit im Unternehmen wegen der dort möglichen vollen Abzugsfähigkeit der Kreditkosten aufnehmen;⁴⁸ die Aufnahme im Privatvermögen ohne Kreditkostenabzug wäre ungünstig für ihn. Hier jedoch werden alle Zinsen in voller Höhe abgesetzt, weil tatsächlich alle Zinsen die Leistungsfähigkeit mindern, auch wenn sie privat verursacht sind, z. B. durch eine teure Operation.⁴⁹

    B 1.5 Keine Besteuerung nach Beliebigkeit

    Wenn schon die Steuerpflichtigen die Steuerbelastung nicht durch Gestaltungsmaßnahmen manipulieren sollen, dann dürfen diese erst recht nicht durch das Steuergesetz eingeräumt werden:⁵⁰

    Wahlrechte sind unzulässig, ausgenommen zur Förderung der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit.

    Die Einräumung von Wahlrechten verstößt eklatant gegen das Leistungsfähigkeitsgebot. Wenn ohne Wahlrechtsausübung der Betrag X als Steuerbemessungsgrundlage der Leistungsfähigkeit entspricht, bei Ausübung des Wahlrechts aber der Betrag Y besteuert wird, ist das nicht fair. Als beratende Steuerberater freuen wir uns zwar immer, wenn es Wahlrechte auszuüben gilt. Dann kann für den Mandanten die für ihn günstigere Alternative ausgewählt werden. Aber einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit steht es entgegen, wenn der Steuerpflichtige allein durch Wahlausübung die Höhe der Steuer bestimmen kann. Deswegen müssen Wahlrechte durch ein Optionsverbot grundsätzlich ausgerottet werden:

    Wahlrechte sind notwendig für die Demokratie, aber grundsätzlich unpassend im Steuerrecht.

    Als besonders zu beanstandendes Beispiel dazu ist die Gewinnermittlung bei Handelsschiffen im internationalen Verkehr hervorzuheben.⁵¹ Dort wird der Grundsatz einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit über Bord der mit deutscher Flagge fahrenden Handelsschiffe geworfen. Angesetzt wird grundsätzlich nicht das tatsächlich erzielte Einkommen, sondern eine Pauschale von 9,20 € je 1.000 Nettotonnen. Aber man braucht das ja nicht zu beantragen. Falls die normale Gewinnermittlung doch günstiger ist, bleibt man eben bei der.⁵² Eine derartige Steuerzahlung nach Belieben muss unbedingt ausgeschlossen werden.

    Es kann jedoch Fälle geben, in denen erst aufgrund eines Wahlrechts eine Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit erreicht wird. Ein Beispiel dafür ist die Möglichkeit der Option von Steuerausländern für eine Behandlung als Steuerinländer.⁵³ Nach der Option wird ihre Leistungsfähigkeit wesentlich besser berücksichtigt als ohne.

    Weitere Beispiele für zulässige Optionsmöglichkeiten: Die Bewertung von Wirtschaftsgütern in Jahresabschlüssen, vereinfachend auch

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