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Georgien für Daheimgebliebene - 1: Der große Bruch
Georgien für Daheimgebliebene - 1: Der große Bruch
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Georgien für Daheimgebliebene - 1: Der große Bruch

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About this ebook

Nach über drei bewegten Jahrzehnten Arbeit in allen Sparten der Gastronomie bekam der Autor ein Angebot, in der Tourismus-Administration tätig zu werden. In Georgien, in der Autonomen Republik Ajara, genauer in Batumi am Schwarzen Meer. Skeptiker warnten vor den Nachwirkungen der sowjetischen Vorgeschichte oder waren oft auch ernsthaft besorgt wegen der medial verbreiteten unsicheren Lage, sogar mit zeitweiligen Kriegszuständen im Land. No risk, no fun! Top oder Flop? Wie das Leben alltäglich wirklich abläuft, beschreibt dieses Buch.
LanguageDeutsch
Release dateNov 5, 2015
ISBN9783739262451
Georgien für Daheimgebliebene - 1: Der große Bruch
Author

Hans-Ulrich Trosien

1949 in Schwerin geboren, fuhr Hans-Ulrich Trosien zunächst bei der Handelsmarine als Maschinist zur See. Nach dem Studium an der Seefahrtsschule ist aus der großen Seefahrt leider nichts mehr geworden. Staatsfeindliche Äußerungen, pedantisch von Stasispitzeln aus den eigenen Reihen der Kommilitonen handschriftlich aufgelistet, führten zur Auflösung des Arbeitsvertrages als Schiffsingenieur wegen „Nichteignung für die sozialistische Seefahrt“. 1980 beschloss er den beruflichen Wechsel in die Gastronomie für über 30 Jahre. 2011 stand der Abschied von der aktiven Gastronomie bereits fest. Die Zukunft sollte hauptsächlich mit Reisen und ehrenamtlicher Tätigkeit im DEHOGA (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband) gestaltet werden. Überraschend kam zeitgleich ein Angebot aus Georgien, um dort an der Steigerung der Servicequalität im Tourismus mitzuwirken. Seit 2012 lebt und arbeitet der Autor in Batumi.

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    Book preview

    Georgien für Daheimgebliebene - 1 - Hans-Ulrich Trosien

    Dieses Buch ist allen handelnden Personen und Institutionen gewidmet, die mir in großartiger Weise den Weg NACH und IN GEORGIEN ebneten.

    Dieses Buch ist das Resultat freundschaftlich ausgeübten Drucks der treuen Leser meines gleichnamigen Blogs.

    Mein Sohn Michael kam mit der Idee, meine Zeit in Georgien in einem Blog aufzuzeichnen. Er hatte auch den passenden Titel parat.

    „Georgien für Daheimgebliebene"

    Anfangs war ich wenig begeistert, denn eigentlich mag ich solche Selbstdarstellungen á la Facebook nicht. Außerdem zählte das Schreiben von Aufsätzen zu den schweren und lästigen Stunden meiner Schulzeit. Nach anfänglichem Zögern fand ich dann allerdings Gefallen am Bloggen.

    Ich sehe darin eine hervorragende Möglichkeit, Georgien in den Fokus der Deutschen zu rücken. Es sind einfach viel zu viele falsche Vorstellungen über dieses Land im Umlauf. Damit wird den Menschen hier Unrecht angetan. Die kontrastreiche und teils unberührte Natur, verbunden mit der sprichwörtlichen Gastfreundschaft der Georgier, sollten kein Schattendasein fristen.

    Ganz persönlich möchte ich den Menschen und Institutionen danken, die mir diese Zeit zwischen Okzident und Orient ermöglichten und Hilfestellung gaben. Ganz besonders richtet sich der Dank an alle meine georgischen Kollegen, Freunde, Bekannten und Nachbarn, die mir das Leben in Georgien so angenehm wie nur möglich gestaltet haben. Damit verbunden war ein großartiger Einblick in die georgische Lebensweise, Traditionen, Anschauungen und den familiären Zusammenhalt.

    Ich danke auch meiner Familie, die mein „Abseilmanöver" tolerierte.

    Im Lauf der Zeit kommt es zu Aktivitäten außerhalb der Grenzen Georgiens. Sie stehen zwar im zeitlichen Zusammenhang, entsprechen aber nicht dem Credo des Buches. Bei Bedarf sind sie im Anhang nachzulesen.

    "

    Inhalt

    Der große Bruch

    Auf geht´s!

    Dienstag ist Dienstbeginn

    Ostern - aber nicht in Georgien!

    Telefondrama

    Unverhoffte Begegnungen

    1. Mai

    Verkehr oder verkehrt?

    Umzug

    Expo Batumi 2012

    Der Deal

    Eine Nacht in Kakhetien

    Die Autoreparatur

    Gebirgstour in den Mtirala Nationalpark

    Verlobung auf dem Lande

    40 Tage danach

    Nervenberuhigte Zone

    Georgische Sprache - Schwere Sprache

    Tourismuswoche

    Großer (Bus-) Bahnhof

    Staatsbesuch

    Keine gute Idee

    Sataplia Nature Reserve

    President Plaza

    Polizeieinsatz

    Kulinarisches Wochenende

    International Donor Conference 2012

    Amtliches

    Der Tod gehört zum Leben

    Problematisches

    Ausflug in die Natur

    Dukani

    Familientreffen

    Kid´s Blog

    Verkehrsunfall

    Besuch aus Baku

    Fußballtag

    Ein neues und doch wieder altes Auto

    Tbilisi mit Hindernissen

    Folklore oder Folksrede

    Gedenktag

    Weintourismus

    Kommunale Kooperation

    Bierfestival 2012

    Musical

    Kontrastprogramm

    Night Serenades

    Zündaussetzer

    Mariä Himmelfahrt

    Deutsches Sponsoring

    Eine abwechslungsreiche Woche

    Und wieder geht einer von uns

    Plötzlich und unerwartet

    Der Knastschocker

    Birdwatching

    Deutsche Woche

    Volkswahlen

    Wurzelausgrabung

    Besuch aus Retgendorf

    Ruhe vor dem Sturm?

    Einfach nur geklaut

    Gastfreundschaft und Natur pur

    Friseur des Vertrauens

    Verkehrsrecht

    Anhang

    Kurz nach Deutschland

    Der große Bruch

    Liebe Freunde, Geschäftspartner, DEHOGA-Mitstreiter und Partner aus diversen Netzwerken, liebe Leser!

    Ich hätte es selbst nicht für möglich gehalten, welche Veränderungen in meinem Leben noch so möglich sind. Ich bin umgezogen. Nicht nur paar Straßen weiter, sondern nach Georgien, genauer gesagt nach Batumi an das Schwarze Meer. Die Absicht war nicht lange zu verheimlichen. Weshalb auch? Und somit standen stets die beiden Fragen im Raum: Warum hast Du Deinen Stadtkrug aufgegeben und warum ausgerechnet die Alternative Georgien? So manches Mal skeptisch ob der sowjetischen Vorgeschichte, oder oft auch ernsthaft besorgt wegen der medial verbreiteten unsicheren Lage und sogar zeitweiligen Kriegszuständen im Land.

    Das 1. WARUM ist schnell erklärt. Der Mietvertrag für den „Stadtkrug - 1. Altstadtbrauhaus in Schwerin lief 2011 aus. Der Job und auch die damit verbundene Aktivität im DEHOGA haben mir echt Freude bereitet und mich ausgefüllt. Leider wird niemand jünger. So habe ich schon frühzeitig, lange bevor ich überhaupt das Wort Georgien" in den Mund genommen habe, für mich persönlich die Entscheidung getroffen, auf eine 5- jährige Vertragsverlängerung nach 2011 zu verzichteten. Obwohl noch nicht in Rentenzeitalter angekommen, hatte ich die theoretische Lebensarbeitszeit weit übertroffen. Das brachte das Geschäft mit sich. Dauernd 7 /24 ist vielleicht etwas übertrieben, aber prinzipiell stimmt es. Selbstständig heißt ja schließlich: selbst und ständig. Da konnte ich mich schon etwas beruhigt zurücklehnen.

    Das 2. WARUM hängt mehr mit dem Syndrom: Im richtigen Moment an der richtigen Stelle zusammen. Ich wurde seit 2010 mehrmals zu Präsentationen mit inhaltlichen Schwerpunkten wie Servicequalität, Lobbyarbeit des DEHOGA, Hotelklassifizierung und zu allgemeinen gastronomischen Fragen nach Georgien eingeladen. Im Rahmen eines von der Bundesrepublik geförderten Partnerschaftsprojektes Kaukasus. Offensichtlich waren die Partner zufrieden. Im Resultat wurde dann im Frühsommer 2011 von offizieller georgischer Stelle angefragt, ob ich mir ein Leben mit Aufgaben im Tourismussektor dort vorstellen könne. Konnte ich, weil ich mir ein Leben ohne Aufgabe nicht vorstellen konnte. CIM (Center of International Migration and Development) als Entsendeorganisation, ließ die Maschinerie der deutschen Entwicklungszusammenarbeit anlaufen: Bewerbung (was war das noch mal?), Interview in Frankfurt (angenehm!), Gesundheitsprüfung in Eschborn. Dann zuerst das deutsche JA gefolgt vom georgischen JA. Nochmal nach Frankfurt zur Aushandlung der Modalitäten zum Einsatz als Integrierte Fachkraft (IF). Integration bedeutet in diesem Fall: Arbeitsvertragliche Regelungen werden vor Ort mit dem ausländischen Partner vereinbart.

    Mein Restaurant Zum Stadtkrug - 1. Altstadtbrauhaus habe ich dann planmäßig im Laufe der ersten Januarwoche 2012 an Thomas Niendorf übergeben.

    Danach gönnte ich mir nach weit über zwei Jahren mal wieder zweieinhalb Wochen Urlaub - am Stück. Thailand ist immer wieder eine Reise wert! Relaxing mit mentalem Abschied vom geregelten Leben in einem geordneten komfortablen Umfeld mit Familie, Freunden und Partnern.

    Auf geht´s!

    Am 30. Januar morgens um halb sechs nach 10 Stunden Flug von Bangkok dann die Landung in Frankfurt. Mit sechs Stunden Zeitverschiebung und mindestens 30 Grad Temperaturunterschied von einem Tag zum anderen, begann gleich um zehn Uhr die dreitägige Inhouse- Vorbereitung bei CIM für den Georgien-Einsatz. Am Donnerstag fuhr ich dann erst einmal nach Schwerin.

    Bei der Prüfung meines Kontos stellte ich nebenbei fest, dass in Thailand täglich, und nach meinem Abflug dort, flott Geld vom Automaten mit Hilfe meiner EC - Karte, die ich aber in Deutschland in der Hand hielt, abgezogen wurde. Letztendlich habe ich den vollen Betrag durch die Sparkasse erstattet bekommen, aber wie dieser Krimi abgelaufen ist, war offensichtlich auch für die Polizei ein Rätsel. Das Böse ist immer und überall! Ab 5. Februar ging es zur Vorbereitung für zwei Monate nach Bad Honnef direkt ans Rheinufer, um Englisch und Russisch aufzufrischen, Landeskunde zu hören und noch ein paar wichtige andere Informationen zu erhalten. Es war schon beeindruckend, was so geboten wurde! Die Wochenenden wollte ich zu Hause in Schwerin verbringen. Die Aufgabe einer Wohnung und somit eines festen Wohnsitzes ist nicht einfach so nebenbei zu erledigen.

    Zwischendurch legte ich im Februar noch einen individuellen Kurztrip nach Batumi ein. Kollegen kennenlernen, Wohnung suchen und mieten, Konto eröffnen und schon mal zwei Koffer mit persönlichen Dingen hinschaffen. Das war ein schönes Wochenende, wenn auch anstrengend. Ansonsten bewegte ich mich jedes Wochenende per Zug, Auto oder Flugzeug Richtung Schwerin. Die meiste Zeit ging für die Auflösung der Wohnung drauf, die ich total aufgegeben wollte. Ansonsten waren Familie und Freunde angesagt, bevor jedes Mal wieder 6 Stunden Reisezeit anbrachen. Am 30. März 2012, Freitag, hatte ich dann ausgelernt.

    Sonnabend ist eigentlich kein Umzugstag! Aber am diesem Tag, dem, 31. März, hat sich die Umzugsfirma Kruse entgegen allen Gepflogenheiten ganz hervorragend trotzdem um meinen Auszug gekümmert. Vielen Dank! Sonntag, am 1. April, Transfer durch die Familie nach Hamburg und die Verabschiedung.

    Schnell noch 100 € fürs übergewichtige Gepäck bezahlt und dann Abflug nach Istanbul. Zwischenstopp am Wochenende. Dort wurde dann aber nichts aus einem Bier am Goldenen Horn. Regen ohne Ende.

    Montag war dann der Abflug nach Batumi und auch dort regnete es Bindfäden. Aber die sofort wieder gezeigte sprichwörtliche georgische Gastfreundschaft kompensierte den Makel. Die Passkontrolleurin wünschte in deutscher Sprache einen schönen Aufenthalt. Außergewöhnlich, denn meistens schauen Grenzkontrolle die Einreisenden nicht mal mit dem hinteren Gesicht an …! Und die Tourismusinformation hatte zwei Kinder in Landestracht gekleidet, die eine georgische Kuchenspezialität für alle Einreisenden am Flughafen reichten. Mein Kollege David, der mich schon im Februar durch die Instanzen geführt hat und ein Fahrer aus dem Department sowie der Wohnungsbesitzer waren zum freundlichen Empfang erschienen. Das Gepäck wurde mit vereinten Kräften 6. Stock in gebracht.

    Angekommen! Aber die Wohnung will nicht warm werden! Auch hier ist nicht immer Sommer… Leider! Landläufig denkt man im Zusammenhang mit Georgien immer gleich an den sonnigen Schwarzmeerstrand. Auch an wohlige Wärme. Im Allgemeinen ist es im Winter wirklich kaum frostig. Gewöhnlich so um die 5 Grad plus schließen, in den generell meistens unbeheizten Wohnungen, Hitzschläge mit Sicherheit aus. Aus dieser Erkenntnis heraus, fragte ich beim Vermieter im Februar bei der Wohnungsbesichtigung nach den Heizmöglichkeiten. Es war für die 70 Quadratmeter ein elektrischer Heizkörper mit ca. 3 kW Leistung vorhanden, der angeblich in 10 Minuten für wohlige Wärme sorgt. Eine Wunderwaffe wahrscheinlich.

    Na, das nahm ich ihm natürlich nicht ab und er versprach denn den Einbau einer Klimaanlage. Die kann ja auch heizen. Zum lange bekannten Einzugstag war dann eben zwar der besagte Heizkörper vorhanden, der sich in 10 Minuten gerade mal selber erwärmt, aber die Klimaanlage war auf noch dem weiten Weg von Tbilisi ( … hier gibt´s auch genug davon zu kaufen) nach Batumi.

    Ich ziehe ernsthaft in Erwägung noch mal umzuziehen. Die Koffer sind vorsichtshalber noch nicht ausgepackt.

    Dienstag ist Dienstbeginn

    Dienstag, der 03. April 2012, ist mein erster Tag im Departement. Ein Schreibtisch und PC sind vorbereitet. Beim Einschalten desselben erscheint dann ein liebevoll gestalteter und personalisierter Bildschirmhintergrund.

    Alle meine Kolleginnen und Kollegen sind sehr freundlich, aufmerksam und hilfsbereit. Es scheint ein angenehmes Arbeiten zu werden. Zusammen sitzen 8 Menschen in einem Raum. Wobei es aber ein ständiges Kommen und Gehen ist. Wir sind nie alle beisammen. Das Betriebsklima ist total angenehm.

    Leider besteht mein georgischer Sprachschatz nur aus 4 Worten, die sich ausschließlich auf das Bestellen von Speisen und Getränken im Restaurant bezieht. Daher weiß ich meistens nicht worüber man spricht. Aber Englisch können alle, so dass ich verstehe und verstanden werde.

    Wichtigste Utensilien georgischer Mitbürger scheinen die Mobiltelefone zu sein. Der einzige Festnetz-Apparat schweigt meistens, während die gefühlt mindestens zwei Mobiltelefone je Kollege im Dauerbetrieb arbeiten. Ich wusste gar nicht, dass es so viele Klingeltöne gibt.

    Nette Kolleginnen kümmern sich um Kaffee. Nalekiani. Türkisch. Heiß, süß und kräftig. Geregelte Arbeitszeiten gibt es zwar, aber die werden individuell ausgelebt. Allerdings, und das ist für einen ehemaligen Arbeitgeber besonders erfreulich, meistens zugunsten des Departments. Im Moment bereiten wir uns hier u.a. auf die Saisoneröffnung vor und da wird ohne Rücksicht auf die Uhr durchgezogen.

    Ostern - aber nicht in Georgien!

    Es ist der 8. April 2012. Ostern. Aber man stelle sich vor, es ist Ostern, aber keiner geht hin! Kein Wunder, hier ist es ja auch erst nächste Woche soweit. Die Kirchenfeiertage sind alle um eine Woche nach hinten verschoben.

    Am Ostersamstag war das Ostergeschenk da! Die Klimaanlage hatte tatsächlich den Weg nach Batumi gefunden. Leider kann man nicht alles gleichzeitig und auf einmal haben, z.B. Klimaanlage und Wasser aus der Wand. Das Wasser ging mit der Klimaanlage und kam nach fast dreitägiger Trockenzeit Dienstag nach Ostern in der Frühe zurück. Es werden ja schon gewaltige Anstrengungen unternommen, um die Infrastruktur, also auch die Wasserversorgung, zu verbessern, aber alles braucht seine Zeit. Insbesondere der Tiefbau. So werden wir wohl noch eine Weile damit leben müssen, dass das Wasser abgestellt sein wird.

    Wenn schon kein Trinkwasser lief, dann wollte ich trotzdem das Wasser genießen. Es war schönes warmes Wetter, und ich machte mich auf in Richtung Hafen. Dazu gehören natürlich auch in Batumi die weltweiten Klischees wie Wellen, Schiffe, Hafenkneipen und leichte Mädchen. Natürlich meistens blond! Wella oder L'Oréal. Hans Albers hätte seine wahre Freude, und er hätte statt der Reeperbahn nachts um halb eins doch eher Batumi nachmittags um drei besungen. Eins der Mädchen dort in der Hafenkneipe, extra aus Moskau angereist (sagte es jedenfalls), mindestens schon um die 40 und fast ohne Frontzähne und nachmittags um drei schon schön abgefüllt, versuchte dann auch den Anker zu werfen.

    Da half nur noch die Notbremse! Die Wirtin, auch schön blond, hatte es am helllichten Tag auch schon hinter sich gebracht und war herrlich besoffen.

    Zufällig war unser heimatlicher Ostermontag auch ein Feiertag in Georgien. Aber ein anderer. Ein Nationalfeiertag: Tag der Unabhängigkeit und Einheit. Immer am 9. April. Erinnert einen Putsch 1991 als es viele Tote gab. So war dann doch der Montag noch ein Feiertag.

    In der Woche zwischen deutschen und georgischen Ostern, am Dienstag, wurde die Klimaanlage installiert. Ja, es ist erstaunlich was findige Handwerker so hinbekommen. Das ging ruck zuck. Und es kommt warme Luft! Das ist richtig erfreulich! Es ist zwar noch nicht wirklich fertig. Das Kondenswasser tropft auf den Balkontisch und verteilt sich dann auf den Balkon selbst, der morgens immer wie frisch gewischt aussieht. Man könnte auch ein Eimerchen unterstellen und das Wasser dann im Dampfbügeleisen verwenden. Oder einfach eine ganz normale Abflussleitung an den Stutzen anschließen.

    Vorsichtshalber habe ich schon mal eine andere Wohnung im Nebenhaus besichtigt. 140 qm für 600 Dollar, riesig mit 3 Schlafzimmern und vollem Equipment. Ich habe aber trotzdem abgesagt. Die ist viel zu groß und das Heizungsproblem kommt bestimmt. Es ist nämlich auch nur ein Heizgerätgerät drin. Nach Vermieteraussagen handelt es sich um einen selbstwärmenden Bau. Na, wie das wohl funktioniert? Ist allerdings der gleiche Bau wie mein jetziger. Und der ist kalt. Vielleicht funktioniert es, wenn der untere Nachbar auf dem Balkon grillt? Manchen Leuten sind eben die Makler-Skills in die Wiege gelegt.

    Am Freitag, dem Dreizehnten, war dann der georgische Karfreitag. Der Rote Freitag. Das hat aber mit der richtigen Religion und nichts mit vergangener Politik zu tun. Traditionell werden die Eier rot gefärbt. Mit Krapp-Wurzeln. Das Einfärben der Eier wird in den Familien, die hier noch einen sehr hohen Stellenwert besitzen (glücklicherweise!), als Kult betrieben.

    Im Straßenbild ist von Karfreitag aber wenig zu spüren. Business as usual. Das Osterfest ist das herausragende Fest der orthodoxen Religion nahte mit Riesenschritten. Das Ereignis ist wichtiger als Weihnachten! Es ist ebenso nicht an ein bestimmtes Wochenende gebunden wie bei uns.

    Ostern wird überall PASKA gebacken.

    Hefekuchen mit Rosinen. Als Türmchen gebacken. Es gibt etwa so viele Rezepte für diesen Kuchen, wie es georgische Hausfrauen gibt.

    Das Zelebrieren des Ostersonntags beginnt gleich nach Mitternacht. Leider habe ich in Unkenntnis der Sitten und Gebräuche den Anfang verschlafen. Sonnabend um Mitternacht enden nämlich für die gläubigen Georgier (und das scheinen die meisten zu sein), endlich die 7 Fastenwochen. Kein Fleisch und kein Alkohol. Angesichts der sonst gepflegten Lebensweise eine wirkliche Herausforderung. Daher kann ich mir auch nicht so recht vorstellen, dass während der Fastenzeit in den Restaurants die Tische, trotzdem voller Leckereien und natürlich Trinkereien, nur von Touristen oder Fremdarbeitern wie mich okkupiert waren.

    So wird dann auch keine Zeit vergeudet und der Ostersonntag beginnt gleich ab 00:00 Uhr um die ausgezehrten Körper wieder mit Energie zu versorgen. Das kann bis morgens dauern.

    Mein Divisionschef Mamuka (hier heißen die Abteilungen division) holte mich Ungläubigen am Nachmittag zum Kirchgang ab, um mir die Sitten und Gebräuche dabei näher zu bringen. Das Gotteshaus war gut besucht und ein wahres Meer von Kerzen. Eine war von mir. Erstaunlich viele junge Leute waren anwesend. Die Frauen trugen Kopftücher und lange Kleider. Leichte Bekleidung oder Hosen sind bei ihnen nicht gerne gesehen. Rund um die orthodoxe Kirche boten viele fliegende Händler Kerzen und andere Osterutensilien feil.

    Anschließend war ich zu meiner großen Freude und Ehre nach Hause in Mamukas Familie eingeladen. Für ein zünftiges Begehen des Ostertages wurden vorher aber noch die nötigen Utensilien beschafft. Mehrere Liter Weißwein vom Tank. Zu Hause dort eine ganz herzliche Begrüßung durch die Hausfrau. Sie hatte schon Unmengen von Speisen zubereitet. Nach und nach füllte sich die Wohnstube mit Kollegen und Freunden. Es war eine ungemein familiäre Atmosphäre. Ich hatte nicht eine Minute das Gefühl, ein Fremder zu sein. Es war zu spüren wie wichtig den Menschen das Osterfest ist.

    Kurz nach neun wurde dann die Kaffeetafel aufgehoben und alle wirkten recht glücklich und natürlich erheitert. Vielen, vielen Dank! Das war erlebte Gastfreundschaft!

    Der Ostermontag hatte auch eine traurige Seite! Ein lebensmüder Bürger war in eine sentimentale Phase verfallen. Möglicherweise beschleunigt Alkohol den seelischen Zustand. Vielleicht hatte er zu Ostern die Paska anstelle von Kaffee, mit wesentlich zu viel Tschatscha (Tresterbrand, meistens aus Weintrauben, aber auch anderen Früchten im Schwarzbrand hergestellt, und gilt als ein unverzichtbarer Bestandteil der Ernährung), heruntergespült. Jedenfalls war er nicht mehr alleine… In diesem Zustand wollte er vor einer rasant anwachsenden Zuschauerkulisse von einem Rohbau springen. Schätzungsweise aus 8 Meter Höhe. Polizisten übten sich geduldig in Psychologie und tasteten sich dabei immer näher an die Absprungstelle heran. Und dann, so schnell konnte man es gar nicht mit den Augen verfolgen, schlug die psychologische Methode im wahrsten Sinne des Wortes in die physische Methode um. Plötzlich waren ein paar Männer da, die den armen

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