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Von den Füßen der Pinguine und der Liebe der Väter
Von den Füßen der Pinguine und der Liebe der Väter
Von den Füßen der Pinguine und der Liebe der Väter
Ebook453 pages6 hours

Von den Füßen der Pinguine und der Liebe der Väter

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About this ebook

Ein Mann, eine Frau, 2 zänkische Familien und ein unleserlicher Schwangerschaftstest. Das Leben an sich als Labyrinth voll Tücken und täglich neuen Stolpersteinen.
Seiner Herzbausteine entrissen, glaubt Philip die seelische Talsohle bereits erreicht zu haben, nicht ahnend dass dies erst der Anfang war....
Wieviel muss ein Mensch ertragen, nur um bei seinen Liebsten sein zu können?
LanguageDeutsch
Release dateOct 12, 2015
ISBN9783739278742
Von den Füßen der Pinguine und der Liebe der Väter
Author

Andreas Lipp

Andreas Lipp (geboren am 07.07.1984) lebt zusammen mit seiner Frau, seinen beiden Söhnen und dem Hund in Wien Floridsdorf. Neben dem Schreiben zählt Lesen und Laufen zu seinen Hobby‘s.

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    Book preview

    Von den Füßen der Pinguine und der Liebe der Väter - Andreas Lipp

    Perspektiven

    Der letzte Tag vom alten Leben

    Langsam, Tropfen für Tropfen plätscherte der schwarze Kaffee durch den Filter hinab in die Kaffeekanne. Während die alte Filtermaschine ächzend das schwarze Gold brühte, war das angenehme köcheln zu hören. Das liebte Philip Hermann am meisten an den Filtermaschinen. Es gab ja schon Kaffeevollautomaten in Hülle und Fülle, auch für kleinere Budgets. Doch es lag nicht am Geld, das er noch immer sein Heißgetränk mit dem veralteten Gerät kochte, denn davon hatte Philip genug.

    Der junge Hermann war mitten in den Zwanzigern, groß, sportliche Figur und dunkelbraune Haare zierten sein ansehnliches Antlitz. Er lebte mit seiner Freundin in einer schönen, großen Altbauwohnung in Wien Floridsdorf, die zwar nicht gerade günstig war, aber mit seinem Job als Vertriebsmitarbeiter in einem internationalen Konzern konnte er sich das ohne große Abstriche leisten. Astrid Kern, seine um etwa einen Kopf kleinere Freundin, hatte ebenfalls einen gut bezahlten Job.

    Astrid ist dreiundzwanzig, blond, gertenschlank mit leichten Andeutungen von weiblichen Rundungen, die sie aber nur umso attraktiver machten. Nein am Geld lag es nicht, das Philip seinen Kaffee immer noch mit der alten Filtermaschine kochte. Vielleicht könnte man es auch als Einbildung abstempeln, aber er war fest davon überzeugt dass der Kaffee mit der alten Maschine besser schmeckte.

    Unbestritten dessen klang dieses Brühgeräusch, das die alten Maschinen so von sich gaben, wenn das Wasser auf dem Weg durch den Filter das Aroma der Bohnen aufsog, wie Musik in den Ohren des aufmerksamen Zuhörers. Im Vergleich dazu presst ein Vollautomatischer Kaffeeautomat den Kaffee schnell und lieblos durch die Innereien der Maschine, bis dieser schließlich im Häferl landet.

    Daneben zappelt meist ein ungeduldiger Nachfahre des Neandertalers, der mit seinem Vorfahren wohl mehr gemeinsam hatte als ihm lieb sein würde. Philip hingegen lehnte meist seelenruhig an der Arbeitsplatte der Küche, während die schwarz getränkte Flüssigkeit genüsslich langsam in die Kanne tropfte. Das war sein Vorspiel vor dem Genuss. Gleich nachdem der letzte Tropfen in das dunkle Meer plätscherte und dadurch immer größer werdende Kreise um sich zog, hob Philip die Kanne an und schenkte den Kaffee in das zuvor bereit gestellte Häferl. Ein Stück Würfelzucker und ein Schuss Milch taten ihr Übriges um den Genuss zu vollenden.

    Vorsichtig nippte Philip an dem heißen Getränk. So muss es sein, dachte er als die Flüssigkeit langsam seine Kehle hinunter glitt. Plötzlich und ohne Vorwarnung trennte sich die Küchentür unsanft vom Türstock und Astrid Kern sprang fauchend ihrem Freund entgegen. Mit Lockenwickler in den Haaren, halb geschminkten Gesicht, das etwas an Twoface, dem Kontrahenten vom Batman erinnerte und nur durch ein Handtuch bekleidet, schnauzte sie ihren Freund an

    >>Sag einmal was machst du da? Nicht nur das du nicht fertig bist, du hast nicht einmal angefangen dich umzuziehen!<<

    Dahin war er, der schöne Moment. Philip versuchte noch krampfhaft die Aura dieses schönen Augenblicks zu erhalten, doch die Attacke auf den zerbrechlichen Weltfrieden in ihm war noch nicht vorüber. Astrid ließ nämlich nicht locker sondern setzte nach.

    >>Jetzt gas an. Wir müssen in einer halben Stunde bei deinen Eltern sein und du stehst noch in der Unterhose da und säufst Kaffee!<<

    So sehr er sich auch an den letzten Fetzen Friedsamkeit zu klammern versuchte, die Spiritualität hatte längst das Weite gesucht, bereit dem nächstbesten der sich ihr öffnete, den Tag zu versüßen. Jetzt konnte sich Philip genauso gut an dem Gespräch beteiligen.

    >>Ich bin`s eh gleich. Schau lieber das du fertig wirst!<< Astrid schnaubte wütend >>ICH muss mich nur noch anziehen!<<

    Mit glühend roten Augen die einzig Wut widerspiegelten, fuhr sie wieder herum um resignierend ins Bad zurück zu kehren.

    Dabei fauchte sie >>Das ist immer das gleiche mit dir!<< Und schon verschwand sie wieder, wie ein rasch aufziehender, heftiger Regenschauer nach einem erdrückend schwülen Tag im Sommer. Der Moment war unwiederbringlich zerstört, also könne er sich genauso gut fertig machen, dachte Philip. Den restlichen Kaffee schlang er lieblos hinunter, dann trottete er ins Badezimmer. Im Rekordzeittempo folgte ein Oberflächliches Duschen mit anschließenden alibimäßigen abrubbeln.

    Wie Philip sich das Poloshirt überzog, blieb dieses an seinen noch nassen Oberkörper kleben. Die daraus folgenden Feuchtigkeitsspuren am Stoff, verdeckte der junge Hermann gekonnt, indem er sich einen Pullover überzog. Eigentlich viel zu untypisch und vor allem zu unnötig zu dieser Jahreszeit, zeigte das Thermometer doch gerade Temperaturen weit über Zwanzig Grad an. Noch schnell in die Schuhe geschlüpft, Schlüssel eingesteckt und schon befanden sie sich auf den Weg zum Auto.

    Es war Wochenende und so hielt sich der Verkehr in Grenzen als sie über die Straßen bretterten. Dennoch schafften die beiden es nicht rechtzeitig bei Philips Eltern anzukommen. Als kleinen Trost fanden sie wenigstens einen Parkplatz in unmittelbarer Nähe zu seinem Elternhaus, was ihnen zumindest einen weiten Fußmarsch ersparte. Auf dem Weg vom Auto zum Haus durfte sich Philip allerhand Vorwürfe gefallen lassen. Hauptsächlich ging es darum, dass seine Mutter Astrid die Schuld geben würde, weshalb sie zu spät kamen, obwohl doch Philip allein die Verantwortung dafür trug. Astrid Argumente waren nicht ganz unbegründet, das wusste er auch.

    Genervt läuteten sie an der Tür. Die Dicke, weiß lackierte Holztür sprang auf und Sieglinde Hermann bat die beiden mit einer hektischen Gestik herein. Als sie Astrid zur Begrüßung umarmte, sah sie auffallend auf ihre goldene, Schweizer Armbanduhr. Astrid bemerkte den Wink, der naturgemäß an sie gerichtet war und warf ihrerseits Philip einen bösen Blick zu. Dieser verdrehte nur Gelangweilt die Augen. Als genug Feindseligkeiten ausgetauscht waren und man sich der Schuhe entledigt hatte, traten sie von dem Vorraum in das Wohnzimmer. Dort warteten bereits Philip Bruder Tobias und dessen Ehefrau Fiona. Man begrüßte sich scheinbar herzlich, wobei auch Fiona es sich nicht gänzlich verkneifen konnte, nochmals zu betonen, dass der vereinbarte Zeitpunkt schon vor einer gefühlten Ewigkeit verstrichen ist. Dabei blickte sie verächtlich zu Astrid. Dann wanderte ihr Blick zu Sieglinde. Dabei nahm sie mit Wohlwollen zur Kenntnis, dass diese die Verspätung mit Unverständnis quittierte.

    Die beiden Brüder, Philip und Tobias genossen eine Traumhafte Kindheit, die sie lange Zeit eisern zusammenschweißte. Selbst noch als Teenager verbrachten sie viel Zeit miteinander. Sie hatten denselben Freundeskreis, ja sogar ihre ersten Freundinnen waren miteinander befreundet. Doch als Philip älter wurde, drückte die enge der Kleinstadt immer stärker auf sein Gemüt. Er wollte Frei sein, die Welt kennen lernen und auf eigenen Beinen stehen. Die Großstadt lockte da unwiderstehlich mit ihren verführerischen Reizen. Philip wollte ganz nah am Puls der Zeit leben, also zog er schließlich nach Wien und lernte alsbald auch neue Freunde kennen. Tobias ausgeprägte Verbundenheit zu seinen Wurzeln, hallte stärker in ihm als der Ruf der weiten Welt und so zog er es vor, der kleinen Niederösterreichischen Gemeinde treu zu bleiben.

    Der Freundeskreis hatte sich seit der Schulzeiten kaum verändert, sein Job befand sich im Ort, kurzum sein Leben spielte sich im Heimatort ab. Als Philip nach Wien ging, schworen sich die beiden Brüder feierlich, dass sich an ihrer Beziehung zueinander nichts ändern sollte und sie sich noch genauso oft sehen würden wie bisher. Anfangs entsprach das auch der Realität. Wie Philip sich in seiner neuen Umgebung eingelebt hatte und neue Kontakte knüpfte, wurden seine Besuche immer seltener. Sein Leben hatte sozusagen einen neuen Mittelpunkt erhalten.

    Die beiden Brüder Telefonierten zwar noch regelmäßig miteinander, doch sahen sich immer seltener. Neben den üblichen Feier- und Festtagen, gab es lediglich noch den legendären Kirtag im Ort, wo sie gemeinsam feierten. Tobias verliebte sich schließlich in die Tochter des Ortsansässigen Restaurant Besitzers. Das Lokal war bis weit über die Grenzen Niederösterreichs bekannt und die Familie sehr angesehen. Doch die Eltern kümmerten sich mehr um das Geschäft als um ihre Tochter.

    Daher forderte Fiona stets vollste Aufmerksamkeit von ihren neuen Prinzen. Tobias versuchte dessen Anforderungen gerecht zu werden, darunter litt aber wiederum die sowieso schon stark vernachlässigte Beziehung mit seinem Bruder. Da Philip ein Attraktiver junger Mann war dauerte es auch nicht allzu lange bis auch er sein Glück fand. Nach einigen wilden Bettgeschichten lernte er schließlich Astrid kennen. Beide könnten unterschiedlicher nicht sein, was sich anfangs auch in gegenseitiger Ablehnung widerspiegelte und doch zog sie gegenseitig etwas magisch an, das dann schlussendlich in Liebe ausartete.

    Die Leben der beiden Brüder verloren zusehends an Gemeinsamkeiten, sodass sie sich bei den seltenen Telefonaten immer weniger zu sagen hatten. Wenn sie sich dann auf einer Familienfeier begegneten, kam es vordergründig meist zu Zankereien unter den beiden Freundinnen. Fiona puhlte verbissen um die Zuneigung Ihren Schwiegereltern, die ihr von den eigenen Eltern verwehrt wurde. Sonntag für Sonntag gehörte ihr das Feld allein, doch an den wenigen Ausnahmen, an denen Philip und Astrid ebenfalls zu Besuch kamen, musste sie mit diesen beiden die Aufmerksamkeit der Schwiegereltern teilen. Daher versuchte sie so gut es ging, misstrauen zu säen. Das gelang bei Sieglinde auch, die irgendwann die Meinung vertrat, dass Astrid daran schuld sei, dass Philip so selten zu Besuch kam. Als sie sich gerade auf die Couch setzten, stürmte Peter Hermann aus der Küche. Er begrüßte die beiden mit aufrichtiger Herzlichkeit.

    >>Schön euch zu sehen! Nachdem wir jetzt vollzählig sind, lasst uns mit dem Mittagessen loslegen.<<

    Daraufhin standen alle auf und gingen zum Esstisch. Die Frauen setzten sich und die Männer schlürften in die Küche um ihnen etwas zum Trinken zu holen. Einer der wenigen Momente in denen sie unter sich sein konnten und so nutzten sie den Augenblick für Blödeleien. Die beiden Brüder alberten herum und erzählten sich Witzige Geschichten die sie in letzter Zeit erlebt hatten. Am Esstisch indessen herrschte eisige Stimmung. Fiona prahlte über ihre eigene Herrlichkeit, Sieglinge lauschte dabei inbrünstig zu und nickte mehrmals zustimmend. Astrid hörte gar nicht hin, sie betete nur dass der Augenblick endlich verging. Als die Brüder wiederkehrten um das Trinken zu bringen, folgte Ihnen ihr Vater mit dem Essen. Man mochte meinen, dass während der Mahlzeit die Lobreden Fionas pausierten, doch dem war nicht so. Das Schnitzel dampfte unberührt vor sich hin, da Fiona vor lauter Erzählungen keine Zeit zu kauen fand. Als alle fertig waren, fehlte von Fionas Schnitzel gerade einmal ein Daumendicker Streifen. Die Burschen servierten ab und Sieglinde machte sich auf um Kaffee zu kochen. Astrid und Fiona blieben als einzige am Tisch zurück. Als könne sie die stille nicht ertragen durchbrach Fiona diese alsbald.

    >>Und wie geht es euch so? Ich meine wie lebt es sich in dieser großen stinkigen Stadt?<<

    Ohne eine Antwort abzuwarten fuhr sie fort.

    >>Also ich könnte das nicht. Leben in einem Smogkessel meine ich. Wenn man da atmet ist es so als ob man an einem Auspuffrohr saugt!<<

    Die Brüder kamen zurück und setzten sich zu ihren Frauen. Philip fragte die seine

    >>Unterhaltet ihr euch auch schön?<<

    Astrid schaffte es nicht zu antworten, Fiona war wie immer schneller.

    >>Wir haben gerade darüber gesprochen, wie es ist in Wien zu leben. Also unter all den Abgasen meine ich!<< Philip verteidigte daraufhin seine Wahlheimat.

    >>Ganz so schlimm ist es ja nicht. Außerdem leben wir in Floridsdorf gleich neben der Donauinsel. Der Grünen Lunge Wiens. Habt ihr gewusst das Wien eines der grünsten Städte Weltweit ist?<<

    Fiona lies das unbeeindruckt. >>Aber dann sind doch überall so viele Menschen. Schrecklich sage ich euch. Man muss richtig aufpassen dass man nicht bei jedem Schritt jemanden auf die Füße tritt!<<

    Gerade rechtzeitig kamen Peter und Sieglinge mit dem Kaffee zurück, woraufhin Philip die Chance ergriff und sofort das Thema wechselte. Der gesamte Nachmittag verlief dennoch ähnlich, sodass vor allem Astrid mehr als froh war, als der Besuch zu Ende ging. Am späten Nachmittag verabschiedeten sich die beiden bei den anderen und stürmten Fluchtartig Richtung Ausgang. Sieglinde meinte dann noch zu Philip er möge sich doch etwas öfters blicken lassen. Dieser beteuerte, dass er es versuchen würde, aber die Arbeit ihm kaum Raum zum Atmen ließ. Nach dem Abschiedsbussi ging das Pärchen hinaus in Richtung Auto. Während die Türe langsam zu fiel, hörte man Fiona leise lästern.

    >>Die haben es immer eilig, wieder nachhause zu kommen. Als ob es wichtigeres gäbe als die Familie!<<

    Philip hörte das alles nicht mehr, er wollte es nicht hören. Denn er wusste ganz genau was ihn jetzt noch erwarten würde. Sie stiegen ins Auto und kaum waren die Türen geschlossen, entlud sich Astrids ganzer Zorn auf Philip. Er konnte nichts dafür und das wusste sie eigentlich auch. Aber irgendwie musste sie ihrem Ärger Luft verschaffen.

    Philip schaltete einfach mit einer antrainierten Routine auf Durchzug. Mit Astrid jetzt darüber sprechen zu wollen, würde die Situation nicht verbessern, schlimmer noch, das könnte das Fass zum Überlaufen bringen. Doch auch so kam sie richtig in Rage, sie warf ihren Freund alles was ihr in den Sinn kam, auf den Kopf. Dabei kramte sie auch längst vergangener Geschichten wieder heraus. Das Auto verließ mittlerweile die Stadtautobahn konnte aber aufgrund einer grüner Welle ungehindert drei Kreuzungen überqueren, bis schließlich doch das Rotlicht aufleuchtete. Philip verfluchte in Gedanken das Ampelleitsystem, denn jede Sekunde mehr, in der er diesem Martyrium ausgesetzt war, bedeute auch längere Qualen. Der Wagen hielt an, doch Astrid fuhr mit ihrem Wutausbruch ungehindert fort.

    Die ganze Zeit über hatte Philip kein einziges Wort gesprochen. Er hatte alles still über sich ergehen lassen. Die Ampel schaltete wieder auf Grün und sie bogen in ihre Heimatgasse ab, vorbei an der auffallend leuchtenden Tankstelle. Dabei musste er daran denken, wieviel Zeit er früher an der Tankstelle verbracht hatte. Das Tanken war da bestenfalls nebensächlich. Philip und seine Freunde hingen einfach so dort ab. Mal wurde das Auto geputzt, mal an der Anlage herum getüftelt oder man traf sich einfach um gemeinsam ein Bier zu trinken. Das alles hatte mehr Sexappeal als das was er gerade erlebte.

    Gottseidank war ihr Wohnhaus nicht mehr weit entfernt. Philip fand glücklicherweise einen Parkplatz unweit der Wohnung. Sie stiegen aus, Astrid stapfte wütend über den Gehsteig zu Ihrem Wohnhaus und Philip trottete ihr hinterher. Astrid kochte indes wie ein Dampfbügeleisen. Dass er nicht auf Ihre Provokationen reagierte trieb sie zur Weißglut. Das Aluminiumportal mit Glaseinsatz schloss Philip hastig auf und so traten sie in das Stiegenhaus. Auf den Lift warten wollte Philip nicht, zumal sich ihre Wohnung im ersten Stock befand. Er ging die wenigen Stiegen hinauf zu der oberen Etage und Astrid folgte ihm wie ein keifender kleiner Chihuahua.

    >Durchhalten, jetzt hast du es gleich überstanden< sagte er sich. Schon standen sie vor der Eingangstüre die er ruckartig aufschloss. Der junge Hermann wartete noch bis Astrid die Türe hinter sich zuwarf, als er herum fuhr. Philip packte schnell Astrids Armgelenke mit seinen kräftigen Händen und presste sie an die Tür, die vor Erschütterung zu Zittern begann. In Astrids Augen flackerten noch immer die Flammen des Zorns. Sie hatte inzwischen aufgehört zu reden und starrte ihren Freund mit weit aufgerissenem Mund an. Philip kam ihrem Gesicht ganz nahe und atmete schwer.

    Noch bevor sie etwas sagen konnte, küsste er sie wild. Astrid stöhnte laut auf, diese Dominanz die er in diesem Augenblick ausstrahlte, erregte sie schier. Wie starr stand sie da, nicht willens einen Muskel ihres Körpers bewegen zu können. Philip löste langsam den Griff, den er um ihre Gelenke geschlossen hatte und fuhr vorsichtig mit seinem Handrücken über ihren Oberkörper.

    Seine Finger suchten einen Weg unter dem Pullover hindurch zu ihren Brüsten. Astrids Herz raste als Philip zärtlich ihre steifen Brustwarzen massierte. Astrid erwiderte nun seinen Kuss, sie drückte sich, von Verlangen getrieben von der Türe ab und lenkte Ihren Freund, noch immer küssend in das Wohnzimmer. Dabei begann er sie hastig auszuziehen.

    Als zuerst der Pullover und dann die Hose auf den alten Parkettboden purzelte und Philip den wunderschönen Körper seiner Freundin, fasziniert von der Makellosigkeit ihrer Rundungen sah, beulte sich seine Hose stark aus. Natürlich kannte Philip den Körper seiner Freundin, die Schönheit ihres Antlitzes erstaunte ihn aber immer wieder aufs Neue. Astrid zerrte an Philips Gewand und riss es ihm hastig vom Leib.

    Splitternackt standen sie sich gegenüber, küssten sich wild, berührten sich sinnlich und fielen haltlos auf die Couch. Sie liebten sich so leidenschaftlich wie schon lange nicht mehr. Zeit ist relativ und so würde er, würde man ihn fragen, behaupten dass es eine Stunde dauerte, ehe sein Körper kraftlos auf ihren sackte. Astrid hätte wohl eher von einer halben Stunde gesprochen.

    Wie auch immer. Philip blieb kurz auf ihr liegen, rutschte dann etwas hinunter und platzierte sein Ohr etwas oberhalb ihrer Brustwarzen. Er lauschte wie sich ihr rasender Pulsschlag langsam normalisierte. Dann drehte er sich herum und blieb neben ihr liegen, während beide auf die Decke starrten. Draußen war bereits die Dämmerung hereingebrochen und so wurde es in der Wohnung allmählich Dunkel.

    Sie hatten ja keine Zeit gehabt das Licht aufzudrehen. Keiner der beiden wollte diese beruhigende Stille mit irgendwelchen sinnlosen Worten jäh durchbrechen und so schwiegen die zwei. Die liebenden streichelten sich gegenseitig, während Philip ihr Ohr liebkoste. Mittlerweile war das Tageslicht vollends erloschen und so lagen die beiden gänzlich im Dunkeln.

    Die Zeit verstrich ohne dass sie weiter davon Kenntnis nahmen. Astrids Augen wurden immer schwerer bis sie schließlich einschlief. Auch Philip verlor kurze Zeit später den Kampf mit dem Sandmann. Als er wieder aufwachte, rieb er sich verstört die Augen, noch immer etwas benommen blickte er sich um. Das blasse Mondlicht schien durch die alten Kastenfenster und schenkte ihm so etwas Licht. Astrid schlief seelenruhig neben ihm und auch die Gläser, die beim hereinstürmen vorhin zu Bruch gingen, lagen noch in Bruchstücken verteilt am Boden. Die herum liegenden Kleiderstücke bildeten eine Spur, bis hinaus ins Vorzimmer.

    Philip zog vorsichtig seinen Arm unter Astrids Kopf hindurch und richtete sich auf. Als erstes machte er sich auf die Suche nach seiner Unterhose. Er fand sie neben dem halb verwelkten Bananenbaum in der Ecke des Zimmers, nicht wissend wie die dort hingekommen sein konnte. Philip drehte sich herum und sah bewundernd zu seiner Freundin hinüber, ihre ohnehin schön anmutende Gestalt wurde durch den schimmernden Mondschein bildgewaltig untermalt. Wunderschön wie das Kunstwerk eines wahren Genies, lag Astrid friedlich schlummernd vor ihm. Philip musste sich beinahe zwingen, seine Augen von diesem Anblick zu lösen. Liebestrunken taumelte er in die Küche um sich ein Bier zu holen. Als er wieder zurückkam, lag Astrid noch immer schlafend auf der Couch. Vorsichtig hob Philip seine Prinzessin hoch und trug sie in das Schlafzimmer.

    Fürsorglich bedeckte er ihren nackten Körper und küsste sie zärtlich auf die Stirn. Danach ging er wieder in das Wohnzimmer, drehte das Licht auf, nahm sein Bier und setzte sich vor dem Fernsehen.

    Es lief gerade ein Actionfilm über Vampire die sich mit Werwölfen bekriegten. >Genau das brauche ich jetzt zum runterkommen< flüsterte er zu sich selbst, als er einen genussvollen Zug vom Bier nahm. Er konnte es noch nicht wissen aber dieser Tag würde sein ganzes Leben für immer verändern.

    Wir sind schwanger

    >>Ich biete ihnen diese Möglichkeit als Service an. Wenn sie mit der Elektronik Schwierigkeiten haben sollten, bin ich immer für sie erreichbar!<< sprach Philip zu seinem Kunden, um ihn die letzten Hemmungen zu nehmen.

    Es funktionierte, denn nach einer kurzen Nachdenkpause, setzte dieser seine Unterschrift unter dem Vertrag. Währenddessen vibrierte es in Philips Hose, wie schon dreimal zuvor, während dieser Besprechung. Es war aber nicht sein Firmenhandy sondern das Private.

    >Da kapiert scheinbar jemand nicht, dass ich keine Zeit habe!<

    fluchte er in sich selbst hinein. Nachdem man das Geschäftliche geregelt hatte, wechselte Herr Stockhammer, das war Philips gegenüber, das Thema. Er erzählte von seinen vier Kinder und wie er es liebte, Zeit mit ihnen zu verbringen. Philip hörte den Erzählungen gerne zu, wollte er doch eines Tages selbst Kinder haben, so viele wie nur möglich. Doch noch nicht jetzt. Wenn man beim Alter vorne einen dreier stehen habe, wäre es Zeit dafür. Dann hätte man die nötige Reife dazu, dachte er. Nach dem kurzen Small Talk fand der Termin auch schon ein jähes Ende.

    Herr Stockhammer begleitete Philip noch durch die Türe bis zum Stiegen Abgang, wo sie sich gegenseitig noch einen schönen Tag zu wünschten, dann trennten sich ihre Wege. Philip ging die Treppe hinab bis ins Erdgeschoß und durch das Entree über die Pendeltüre hinaus zum Parkplatz. Während er auf sein Auto zuging, kramte er in seiner Hose nach dem alten Handy, das seine Kollegen kurzum „Stein" nannten. Philips Privathandy war kein Smartphone, sondern ein überaltertes Modell mit einem Tastenfeld. Für die Spielereien hatte er schließlich das Firmenhandy, am Privathandy wollte er einfach nur erreichbar sein.

    Philip verwendete es hauptsächlich, wenn er laufen ging oder wenn er mit dem Mountainbike unterwegs war. Es vertrug einen gewissen Grad an Feuchtigkeit, ja konnte sogar zu Boden fallen, ohne größeren Schaden zu nehmen. Als Philip es schließlich in den Tiefen der durch Taschentuchfetzen übersäten Hosentasche fand, musste er gleich in Erfahrung bringen, wer da so lästig gewesen ist. Etwas verwundert las er dreimal denselben Namen. Alle anrufen kamen von Astrid!

    >Was da wohl wieder wichtig ist< dachte der junge Hermann so bei sich, als er die Autotür öffnete und sich hineinsetzte. Nachdem er die Arbeitsmappe auf den Beifahrersitz fallen gelassen hatte, drückte Philip auf das Grüne Telefon am Tastenfeld. Nach einer kurzen Wartezeit, die durch einen aktuellen Popsong musikalisch untermalt wurde, hob Astrid ab. Unverkennbar stand sie unter Stress.

    >>Philip, Endlich! Ich versuche dich schon die ganze Zeit zu erreichen. Wo bist du denn nur?<<

    In Philips Stimme schwang ein genervter Unterton mit. >>Wo soll ich schon sein? Ich bin Arbeiten!<<

    >>Ja klar, aber du wirst doch kurz abheben können, oder?<<

    >>Nein das kann ich nicht. Ich hatte gerade eine wichtige Besprechung. Was willst du?<<

    Jetzt klang er fast schon unfreundlich. Sie reagierte aber nicht auf seine Spitze. >>Schon klar. Ich will nicht streiten, ich muss dich nur dringend etwas sagen.<<

    Es folgte eine kurze Pause, die daher rührte, dass Astrid Luft holen musste, bevor sie weitersprach.

    >>Ich bin seit einer Woche überfällig!<< Die nächste Pause verschuldete Philip. Die Gedanken schossen wirr und ungeordnet durch seinen Kopf, während sein Herz wie wild pochte. Astrids war es, die die Stille durchbrach >>Bist du noch da?<< Stotternd antwortete Philip

    >>Äh ja natürlich. Damit habe ich nur nicht gerechnet. Bist du sicher?<<

    Astrid fauchte durch das Telefon >>Euch Männer wünsche ich einmal die Schmerzen, die wir Frauen während der Monatsblutung haben! Glaube mir, wenn ich meine Tage hätte, dann würde ich davon wissen!<<

    >>Ja schon klar, ich meine bist du sicher überfällig?<< Ihr Ton klang leicht panisch >>Ich habe extra eine Woche gewartet, um es dir zu sagen!<<

    >>Okay, erstmal ruhig Blut. Ich besorge einen Schwangerschaftstest und wir treffen uns zuhause. Dann wissen wir mehr.<<

    Sie willigte ein, indem sie erleichtert seufzte. Als Philip auflegte, hatte er sich noch nicht entschieden, ob er sich über die Information freuen sollte oder nicht. Er ließ sich in den Autositz zurückfallen und atmete tief durch. Dann schloss er die Augen und versuchte klare Gedanken zu fassen. Natürlich wollte Philip eines Tages Kinder, doch war er jetzt schon soweit? Die ganze Welt galt es noch zu erkunden, wie konnte man diesen Traum nur mit einem Baby vereinbaren? Plötzlich schrillte das Firmenhandy und riss Philip dadurch aus dem Tagtraum. Es war der Kollege Gerd.

    >>Mann Philip, spann uns nicht auf die Folter! Hast du den Auftrag bekommen, oder nicht?<<

    >>Na sicher!<< antwortete er kurz und bündig.

    Gerd wurde stutzig >>Echt? Du klingst aber nicht sehr erfreut. Ich mein, das ist ein Riesen Ding und du redest daher, als ob man dir diesen Auftrag aufgezwungen hätte!<<

    >>Nein, es ist nur….<< Dann stockte Philip mitten im Satz. Das Zögern säte weiteres misstrauen.

    >>Ist alles OK bei dir?<<

    >>Jaja, ist schon gut. Es gibt da nur etwas, dass ich mit der Astrid klären muss!<<

    >>Ist es was Ernstes?<< Philip versuchte lässig zu klingen, was abermals misslang.

    >>Das wird sich zeigen<<

    >>Alles klar. Wenn du jemanden zum Reden brauchst, du kennst ja meine Nummer.<<

    Dann legte Gerd auf und überließ damit Philip wieder seinen wirren Gedanken. Nach einem unendlich langen Moment, setzte er sich aufrecht hin, steckte den Autoschlüssel ins Schloss und drehte diesen herum. Als Philip losfuhr, steuerte sein Körper das Auto, seine Gedanken waren weit fort. Wie er auf der Schnellstraße in Richtung Wien fuhr, schweifte sein Blick über das Seitenfenster hinaus, auf die vorbeiziehenden Felder und Wiesen. Wie in Robert Miles Children, zeichnete die Landschaft bizarre bunte Farben vor seinem Auge. Das verzerrte Bild verstärkte Philips Tranceartigen Zustand. Sein Geist löste sich vom Körper und durchstreifte die weiten des Planeten. Er sah sich selbst die höchsten Berge besteigen und die tiefsten Täler durchwandern. Dabei übersah Philip in der realen Welt fast seine Ausfahrt. Kurz bevor die Abzweigung endete, kratzte er noch die Kurve und fuhr über die Sperrlinie auf die Richtige Fahrspur.

    Der Verkehr hielt sich zu dieser Tageszeit in Grenzen und so gefährdete er dabei keinen anderen Verkehrsteilnehmer. Doch das beschäftigte ihn gar nicht so sehr, wie der für seine Zukunft so richtungsweisende Nachmittag. >Nur ruhig Blut< dachte Philip >Noch ist nichts entschieden<

    Nach einer kurzen Fahrt, parkte sich Philip vor der Apotheke ein. Der junge Hermann betrat das Geschäft und reihte sich in der kurzen Schlange ein. Vor ihm stand lediglich eine Frau, mit ihrer kleinen Tochter am Tresen. Während die Mutter ihre Medikamente bei der Apothekerin orderte, musste sie sich nebst mit den Wünschen ihrer Tochter auseinander setzen. Soweit Philip das mitbekam, wollte die kleine unbedingt einen Lutscher haben. Denn bei der Apotheke, zu der sie sonst immer gingen, bekam sie immer einen. Die Mutter versuchte vergeblich zu erklären, dass sie später einen haben könnte, das war dem Mädchen aber zu wenig, schließlich wollte sie gleich einen Schlecker haben und nicht erst irgendwann. Als die junge Frau bezahlte, drehte sich das kleine Mädchen zu Philip um

    >>Bekomm ich von dir einen Lutscher?<<

    Er musste fast loslachen, so herzig funkelte sie ihn an. Bevor er antworten konnte, mischte sich ihre Mutter ein >>Chantal, ich hab dir gesagt, dass ich dir später einen Lolly kaufe und jetzt gib einen Frieden!<<

    Gleich darauf zerrte die Frau ihre Tochter bei der Tür hinaus. Wie Philip der Apothekerin seine Bestellung aufgab, hatte er noch die Kleine im Kopf. Er dachte nicht an den Stress und all den Ärger, den die Mutter hatte, sondern nur wie lieb ihm das Mädchen anlächelte. Vielleicht war es sogar von Vorteil, jetzt schon Kinder zu bekommen. Er und Astrid waren noch jung und konnten mit dem Nachwuchs noch Körperlich mithalten.

    Die Alternative, Kinder erst im fortgeschrittenen Alter in die Welt zu setzen, wirkte plötzlich nicht mehr so attraktiv. Dann dachte Philip an einen alten Greis, der mit einem Gehstock bewaffnet, versuchte seinem kleinen Sohn den Fußball zuzuspielen. Dabei schoss er aber nicht den Ball zu dem Kind, sondern seinen Schlapfen. Philip musste wieder lächeln.

    Wer weiß, für was es gut ist, dachte er, als er das Geschäft wieder verließ. Während der junge Hermann in das Auto kletterte, wuchs eine Erkenntnis in ihm heran. Er hatte sich Entschieden! Er würde sich auf dieses Kind freuen, er würde es lieben und immer für ihn da sein. Mit der Freude, kam aber auch ein neuer Zweifel auf.

    Was wenn Astrid jetzt nun doch nicht schwanger war? Der Gedanke stürzte Philip, vom Himmel rapide in das Tal der Trauer. Die letzten Hundert Meter schienen schier unendlich, als ob er rückwärtsfahren würde. Kaum hatte Philip das Auto eingeparkt, lief er auch schon zur Eingangstüre und öffnete diese hektisch. Als der junge Hermann den Gang entlang sprintete, bemerkte er, dass er den Test am Beifahrersitz vergessen hatte. Also nichts wie zurück zum Auto.

    Überhastet angelte Philip das kleine Sackerl vom Autositz und schon spurtete der Potenzielle Vater wieder auf das Wohnhaus zu. Die Tür gab dem Brutalen Stoß jäh nach, doch genauso schnell wie sie aufsprang, schnellte sie auch wieder zurück. Das forsche Öffnen der Türe, hätte Philip beinahe mit einem Veilchen bezahlt, er schlüpfte aber gerade noch so durch den Spalt, prellte sich dabei aber den Ellbogen. Fluchend hetzte Philip den Flur entlang, spurtete die Stufen hinauf, wobei er mit einem kräftigen Satz mehrere Stufen gleichzeitig übersprang. Oben angekommen, schloss er ungeduldig die Wohnungseingangstüre auf und trat in die Wohnung. Astrid wartete bereits unruhig umherlaufend, auf ihren Freund. Sogleich drückte er ihr den Test in die Hand und sie verschwand postwendend damit auf der Toilette. Nach einem kurzen Augenblick erschien sie wieder. >>Und was ist jetzt?<< fragte Philip ungeduldig.

    >>Jetzt heißt es warten!<< antwortete Astrid.

    >>Auf was willst du jetzt noch warten?<<

    Philip klang fast panisch. >>Auf das Ergebnis! Sieh mal, wenn sich diese zwei Balken blau färben, dann sind wir schwanger!<< Dabei hielt sie ihm den Test unter die Nase.

    >>Und wie lange dauert das?<<

    >>In etwa drei Minuten wissen wir mehr.<<

    Hundertachtzig unendlich lange Sekunden, in denen die Naturgesetze keinerlei Bedeutung mehr genossen. Die Zeit schien still zu stehen, jede einzelne Sekunde war eine Epoche für sich. Astrid stürmte, Ablenkung suchend in die Küche und begann die Herdplatte akribisch zu putzen. Philip eilte indessen ins Wohnzimmer, um den Fernseher nebst zugehörigen Geräten zu säubern. Wie in einem Rausch schrubbten und scheuerte das Pärchen, im Kampf gegen die hartnäckigen Flecken, das Mobiliar. Fast Zehn Minuten verstrichen, bis sie merkten, dass die Wartezeit längst vorüber war.

    Astrids Hände kreisten gerade über die verkrusteten Wände des Ofens, als ihr der Test wieder durch den Kopf schoss. Ruckartig sprang sie hoch und stürmte wild kreischend in das Badezimmer, dicht gefolgt von ihrem Freund. Philip hob den Test vom Waschbecken auf und starrte mit weit aufgerissenen Augen darauf. Zwei Blaue, Waagrechte Streifen zierten das Display des Schwangerschaftstests.

    Er hatte mittlerweile vergessen was das jetzt zu bedeuten hatte. Astrid, die hinter ihm stand, vollführte bereits Luftsprünge. Philip drehte sich zu ihr um und sah sie fragend an. War sie jetzt so fröhlich, weil sie nicht schwanger waren oder weil sie ein Baby erwarteten? Astrid schloss ihm freudestrahlend in die Arme und setzte ihm einen fetten Kuss auf den Mund. Noch immer tappte Philip im Dunkeln.

    Sie blickte ihm tief in die Augen, wartete aber vergebens auf eine Reaktion ihres Freundes. Auch wenn Philip sich dazu entschlossen hatte, einer Schwangerschaft freudig gegenüber zu stehen, so wusste er nach wie vor nicht, was tatsächlich Sache war. Ein Freudenschrei zur Falschen Zeit, könnte die Beziehung in eine völlig falsche Richtung lenken. Natürlich hatten die beiden schon einmal darüber gesprochen, eine Familie zu gründen. Dabei ging es aber nur um eine Hypothetische Zukunft, eine Möglichkeit wenn man so will. Es war ein Typisches Gespräch, das man als junges Kinderloses Paar ebenso führte. Damals meinte Philip, dass er unbedingt Kinder wolle, aber das sollte mehr eine Grundsatzentscheidung sein, ohne kurzfristigen Handlungsbedarf.

    Astrid äußerte sich ebenso positiv zu dem Thema, aber genauso wie er, ohne eine angepeilte Zeitspanne zu nennen. Vielleicht genoss ihre Karriere eine höhere Priorität, wo es einfach noch keinen Platz für Kinder gab. Das Problem war nun aber, dass sich Philip für das potenzielle Kind entschlossen hatte. Sollte der Test nun zu einem negativen Ergebnis gelangt sein, könnte er den Wunsch nicht ohne weiteres für die nächsten Jahre begraben. Sie standen am Scheideweg ihrer Beziehung, ohne sich dessen in diesem Moment bewusst zu sein. Ein kleines, optisch dem Fieberthermometer ähnliches Plastikstück, war imstande ihr Leben zu verändern, ihre Partnerschaft maßgeblich zu beeinflussen und vielleicht sogar zu beenden. Astrid holte Philip aus seiner Gedankenwelt zurück.

    >>Freust du dich nicht?<<

    Jetzt wurde er ungeduldig. Keine Spielchen mehr, dachte er.

    >>Was heißt das schnell nochmal?<<

    Sie legte den Kopf leicht zur Seite, als hätte sie Mitleid mit ihrem Freund

    >>Das heißt, das für uns ein neues Leben beginnt. Wir sind schwanger!<<

    Jetzt konnte Philip an ihrer Freude teilhaben. Mit einem Satz drückte er Astrid an sich und küsste sie überschwänglich. Sie würden wahrhaftig ein Kind bekommen! Unter all der Freude kamen leise Zweifel auf. >>Hat dieses Ding immer recht? Ich meine, was ist wenn wir uns jetzt darauf freuen ein Kind zu bekommen und dann war alles nur falscher Alarm?<<

    >>Ganz vertrauen kann man den Schwangerschaftstests nicht. Deshalb sollte man zum Frauenarzt gehen um den Verdacht bestätigen zu lassen.<<

    Philip überlegte kurz.

    >>Alles klar. Dann möchte ich aber noch niemanden davon erzählen. Stell dir vor wir, machen Gott und die Welt verrückt und dann bist du gar nicht schwanger!<< >>Wie du willst. Glaubst du, freuen sich unsere Eltern darauf?<<

    Philip streichelte ihr liebevoll durchs Haar.

    >>Doch, schon. In dem Alter ist man doch froh, wenn man eine neue Aufgabe bekommt!<<

    Astrid lächelte >>Du bist so blöd! Ich meine, glaubst du, deine Mutter freut sich darüber, das ICH ihr ein Enkel schenke?<<

    Philip wählte seine Worte mit Bedacht, wollte er doch keinen Streit vom Zaun brechen.

    >>Ich verspreche dir, sie wird aus dem Häuschen sein. Das nörgeln kommt erst später!<<

    Da mussten beide schmunzeln. Sie saßen mittlerweile auf dem Fußboden, Astrid im Schneidersitz und Philip kniete vor ihr. Verschmitzt Lächelnd kippte der junge Hermann zur Seite und zog seine Angebetete langsam zu sich auf den Boden. So lagen sie nebeneinander und starrten zur Decke hoch, die Arme des anderen dienten dabei als Kopfpolster.

    Die Zeit schien still zu stehen und so verging eine Stunde beinahe wie im Flug. Philip dachte darüber nach, ob er schon bereit für ein Kind sei. Wäre er reif genug dafür? Könne er all seine Bedürfnisse hinten anstellen und nur für das Kind da sein? Die Antwort darauf, könne er sich selbst, vermutlich erst nach der Geburt geben. Panik kam in ihm auf. >Was für ein Gott muss das sein, der ausgerechnet mir ein Menschenleben anvertraut? So fahrlässig mit der Zukunft eines Individuums umzugehen, da könne die Welt ja nur vor die Hunde gehen! Es müsse eine Behörde geben, die Kontrolliert, wem da ein Leben anvertraut wird! So etwas ist doch eine gigantische Verantwortung. Man sollte eine Prüfung einführen, um festzustellen wer reif für ein Kind ist und wer nicht. Ein Babyführerschein gehört her, ohne den man keinen Nachwuchs bekommen darf. Kinder sind doch das höchste Gut, das eine Gesellschaft haben kann. Es gibt schon genug Ungustln auf der Welt und deren Hauptquartier steht in Wien< dachte Philip.

    >Wenn man das bekämpfen will, muss man das Übel an der Wurzel packen! Mit großer Wahrscheinlichkeit begegnet jeder mindestens einmal im Leben, eher öfter, eine

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