Gegend
By Nora Bossong
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Gegend - Nora Bossong
GEGEND
Die Ich-Erzählerin reist mit ihrem Vater in ein südeuropäisches Land. Ziel der Reise ist eine Pension in einer verlorenen Gegend, wo ihre Halbschwester lebt. Sie hat die uneheliche Tochter des Vaters noch nie gesehen. Um seine Ehe nicht zu gefährden, hatte der Vater keinen Kontakt zu Maries Mutter. In der abgeschiedenen Pension, die Maries Mutter betreibt, und in der noch der Halbbruder Fabian, eine Frau und ein Mann wohnen, geraten die Neuankömmlinge in ein Machtspiel, das durch ihre Ankunft aus dem Gleichgewicht zu geraten droht. Eine Vereinigung der Familienhälften scheint unmöglich, die Atmosphäre feindlich. Die Isoliertheit, in die sich Vater und Tochter auf diesem Grundstück begeben haben, wird zur Falle. Die Erzählerin fürchtet, ihren über die Grenzen des Familiären hinaus geliebten Vater an Marie zu verlieren. Die emotionale Bedrohlichkeit der Situation spiegelt sich in der bis zur Unheimlichkeit gesteigerten Wahrnehmung der Ich-Erzählerin. Am Schluss verlässt sie die Gegend, allein. Ob ihr die Ablösung vom Vater geglückt ist, bleibt offen.
PRESSESTIMMEN
»Nora Bossong gehört ohne Zweifel zu den jungen, um nicht zu sagen: jüngsten und obendrein, obwohl ihre erste Veröffentlichung jetzt erst kommt, schon preisgekrönten Autoren. Die Ich-Erzählerin ihres ersten Romans reist mit ihrem Vater, den sie auf ungesunde Weise liebt, in eine Pension im Süden, in der unter anderen ihre Halbschwester, deren Mutter und ein weiterer Halbbruder leben. Was eher aufs Geratewohl begann, entpuppt sich als bedrohlicher Thriller, der an Poe und Stoker erinnert. Wie durch einen Sehschlitz nimmt der Leser in dieser Versuchsanordnung lauter Merkwürdigkeiten wahr und erfährt die Magie eines einsamen Ortes, der die Reisende schließlich doch noch in die Flucht schlägt.«
Edo Reents, FAZ, 2006
»Mit großer Suggestivität gelingt es Nora Bossong in ihrem literarischen Debüt, eine düster-bedrückende Atmosphäre zu erzeugen und Albträume ins Leben zu spinnen, deren Realitätsgehalt undeutlich bleibt. Gegend ist der richtige Titel für ihre Konzentration auf ein eng begrenztes, ödes Grundstück, dessen wenige Gegebenheiten sie variations- und anspielungsreich durchdekliniert und das zunehmend zur unentrinnbaren Falle wird. Gegend steht in seiner Schlichtheit aber auch für ihren unpathetischen, leisen Erzählton ein, der Wert auf genaue Beobachtungen und atmosphärische Details statt auf dramatische Höhepunkte und effektvolle Inszenierungen legt. Hier meldet sich eine Erzählerin zu Wort, die über eine betörend stimmungsvolle, verstörende Prosa verfügt, die an traumartig-preziöse Texte des Fin de siècle ebenso gemahnt wie an manches Kunstmärchen der Romantik.«
FAZ, 2006
»Nora Bossong hat vor einiger Zeit einige bemerkenswerte Gedichte veröffentlicht, in denen durch die Präsenz von Tieren eine irritierende Geheimnishaftigkeit erzeugt wird. Diese Tendenz zur mysteriösen Aufladung des Geschehens setzt sich im Roman fort. Man summt fremde Melodien in einer rätselhaften Sprache, Vögel mit biblischen Namen lagern auf Kupferdrähten, Kinderzeichnungen von gelben und blauen Fischen verweisen auf verbotene innerfamiliäre Liebesverbindungen. […] Wenn der Ich-Erzählerin am Ende die Flucht aus dem Bannkreis der Gegend gelingt, erwacht der Leser wie aus einem schweren Traum.«
Michael Braun, In der Familienhölle, NZZ, 2006
Nora Bossong
Gegend
Roman
fva_Logo_Schrift.tif»The external world could take care of itself.
In the meantime it was folly to grieve, or to think.«
Edgar Allan Poe, »The Masque of the Red Death«
»Lot fürchtete sich nämlich, in Zoar zu bleiben
und wollte lieber mit seinen beiden Töchtern
in einer Höhle leben.«
Genesis 19,30
Die Häuser des Dorfes lagen am Hang, sie waren alle aus denselben ockerfarbenen Steinen gebaut und die Straßen rochen nach den Bäuchen von Schnecken. Jede Hauswand roch danach, warm und feucht. Die Kirche unterschied sich von den Wohnhäusern durch zwei Sandsteinfiguren vor dem Eingang und einem Eisenkreuz auf dem Dach. Der Vater ging auf die heilige Katharina zu und sah hinauf, zwei Tauben paarten sich zwischen zerbrochenen Ziegeln. Er klopfte sich mit dem Zeigefinger gegen die Nasenflügel, hielt inne, als prüfe er, ob noch Luft aus den Nasenlöchern kam. Eine der Tauben plusterte ihr Kehlgefieder auf.
Hinter mir hörte ich jemanden pfeifen, eine Melodie, die ich nicht kannte, ausgedacht vielleicht oder von einem Lied, das man nur in dieser Gegend sang. Ich drehte mich um, ein Mädchen fuhr auf einem Dreirad auf mich zu. Sein kupferfarbenes Haar war zu zwei dünnen Zöpfen geflochten, mit Gummibändern zusammengehalten, an denen links ein roter, rechts ein blauer Plastikschmetterling hing. Das Mädchen scheuerte mit den Schuhsohlen über das Pflaster und blieb direkt vor mir stehen. Es sah mich an. Seine Pupillen waren rot wie auf einer Blitzlichtaufnahme.
In einer Sprache, die ich nicht verstand, sagte es etwas und schnippte dabei gegen den linken Schmetterling. Als ich nicht antwortete, legte das Mädchen seinen Kopf schräg, zwinkerte, die Farbe der Wimpern schimmerte auf seiner blassen Haut. Das Mädchen zeigte hinauf zu den Tauben und den zerbrochenen Ziegeln, kicherte, setzte seine Füße auf die Pedale und fuhr wieder an, der Lenker streifte meinen Oberschenkel.
Der Vater schlug mit der Handfläche auf die Landkarte. »Die Straße gibt es nicht«, sagte er. Ich sah dem Mädchen nach, die Plastikschmetterlinge hüpften auf seinem Rücken.
»Such du danach«, sagte der Vater und hielt mir die Karte hin. Mit dem Zeigefinger fuhr ich über das Blatt, die wenigen Straßennamen entlang und hatte die Plastikschmetterlinge vor Augen.
»Nein«, sagte ich, »die Straße gibt es nicht.«
»Das kann doch nicht angehen«, sagte der Vater und seine Kehle spannte sich an. »Das kann doch nicht wahr sein.« Er faltete die Karte zusammen, ungeduldig und nicht entlang der vorgefalzten Linien, ging über die Straße, ohne nach einem Auto zu sehen, und ich lief ihm hinterher, ohne nach einem Auto zu sehen, ich suchte mit dem Blick nach dem Mädchen, das in eine der Seitengassen abgebogen sein mußte. Der Fußweg war leer, und die Tauben flatterten auf dem Dach.
Der Vater hielt an einer Tankstelle und ließ die Hände in den Schoß fallen. Ich gurtete mich ab und stieg aus. Die surrenden Tanksäulen erhitzten die Luft. Ein junger Mann mit einem Armeehemd kam auf mich zu, winkte noch, als er schon dicht vor mir stand, seine Nägel waren schwarz und stanken nach Autoreifen. Ich hielt ihm den Zettel mit dem Namen der Straße hin. Er kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf, mit der Schuhsohle scharrte er auf der Steinplatte.
»Das Haus, das Sie suchen, liegt außerhalb«, sagte er in gebrochenem Englisch und wies die Straße hinunter. »Viel Glück.« Er verzog seinen Mund zu einem kalten Lächeln.
Wir nahmen die Straße, die uns der Mann gewiesen hatte und erreichten einen schmalen Schotterweg. Die Kiesel spritzten gegen das Getriebe, es hörte sich an, als zerknittere Stanniolpapier, der Wagen war nur ein Spielzeug und die Wände zum Zerreißen dünn. Die Kieselschläge setzten aus. Die Pappeln zu unseren Seiten hatten die Farbe, die zu dem Geruch der Häuser gepaßt hätte, dunkelbraun und glänzend, ihre kahlen Äste wippten. Wieder das Knistern. Durch die Windschutzscheibe brannte die Sonne in unsere Gesichter.
Nach einer Viertelstunde sagte der Vater, wir seien falsch, das sei nur ein Feldweg, und er riß das Lenkrad herum. Ich klopfte eine seiner Zigaretten aus der Schachtel, zündete sie an und steckte sie ihm zwischen die Lippen.
»Fahr weiter«, sagte ich.
I
Auf der Rasenfläche vor dem Haus zog der Vater die Handbremse an, den Motor ließ er laufen. Durch die Windschutzscheibe sah ich auf eine sanft abfallende Böschung, auf der vier Zelte aufgeschlagen waren. Die Plane des vordersten war so durchgewetzt, daß sie vor nichts mehr schützen konnte als vor dem Gefühl, unter freiem Himmel zu schlafen. Weiter hinten reflektierte ein Wohnwagen das grelle Tageslicht, Blechplatten verschlossen die Fenster, die Reifen waren von der Hitze geplatzt. Kein Mensch war zu sehen. Von irgendwoher kamen in gleichmäßigem Takt Trommelschläge, die Richtung war nicht auszumachen.
Der Vater klappte das Handschuhfach auf, ich zog den Bauch ein, um nicht von seiner brennenden Zigarette gestreift zu werden. Das Fach roch nach der Banane, die seit unserer Abfahrt dort lag. Der Vater nahm ein Stofftaschentuch heraus und steckte es sich in die Hosentasche. Noch einmal sah ich in das graue Gesicht des Seefahrers auf dem Titel des Buches, das ich auf der Fahrt gelesen hatte, ehe ich die Klappe mit meinem Knie zudrückte und ausstieg.
Vom obersten Stockwerk des Hauses aus spannte sich ein Kupferdraht quer über den Hof, der von Rhododendronbüschen eingesäumt war. Der Vater lehnte sich über die Motorhaube, um Blätter unter den Scheibenwischern hervorzuzupfen. Aus dem Gebüsch kroch eine Katze hervor, eng an den Boden geduckt, mager und mit braunem Fell. Ich stieß die Fußspitze in den Boden und ließ Schotter in ihre Richtung fliegen. Die Katze sprang nicht weg, ließ ihren Schwanz ein S in die Luft malen und tapste zurück in die Büsche.
»Hallo«, rief ich. »Ist jemand da?«
Der Vater lachte, trat die Zigarette aus und fuhr sich mit der Hand über den Nacken. Ich ging zum Haus hinüber und klopfte an die Tür: drei Schläge gegen den Trommeltakt. Und danach nichts als der Trommeltakt.
Ich spähte in ein Fenster, sah aber nur den Vater in der Scheibe gespiegelt, der sich mir von hinten näherte. Sein Hemd roch wie die Sitzpolster im Auto. Ich nahm ihn an die eine Hand, mit der anderen tastete ich die unverputzte Wand entlang. Die Fugen waren gefüllt mit dem Ocker der Stadt. Ein Pfad führte ums Haus. Dem Vater tippte ich den Trommeltakt auf das untere Daumengelenk, er blähte die Nasenflügel, die Ränder seiner Brille drückten ihm in die Haut, seine Stirn war gerötet. Es war zu heiß für diesen Monat.
»Hier also«, sagte ich und zog seine Hand nach vorn. Ich ließ ihn selbst auf den Jungen zeigen, der nackt und kopfüber an einer Metallstange hing. Die Beine angewinkelt, nahm er kaum einen Meter ein. Sein Hintern war angespannt und die Füße so weit nach hinten gebogen, daß ich auf seine Zehennägel sehen konnte. Er ließ sich von der Stange heruntergleiten. Seine im Gras verstreuten Kleider hob er nacheinander auf und hielt sie prüfend gegen das Licht, ehe er sie anzog.
Kaum hatte er sich zu uns umgedreht, redete