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Gruppenpsychotherapie mit Kindern: Ein Praxisbuch
Gruppenpsychotherapie mit Kindern: Ein Praxisbuch
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Gruppenpsychotherapie mit Kindern: Ein Praxisbuch

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About this ebook

In unserer medienorientierten Gesellschaft werden die Anlässe gemeinsamen kindlichen Handelns und Erlebens weniger. Darunter leidet die gesunde psychische Entwicklung der Kinder. Eine Kindergruppenpsychotherapie kann ein wirksames Angebot sein, Probleme der Kinder unter dem Schutz der Gruppe spielerisch zu bearbeiten. Der einleitende Theorieteil des Buches fasst den wissenschaftlichen Stand der Kindergruppenpsychotherapie zusammen und gibt einen Überblick über die Konzepte verschiedener Therapieschulen. Der Schwerpunkt des Buches liegt auf dem praktischen Teil. Die Autoren haben den Anspruch, ihre Leser in die Lage zu versetzen, eine Kindergruppenpsychotherapie durchzuführen. Die Beschreibung eines Therapieverlaufs, Falldarstellungen, eine kommentierte Spieleliste und ein Kapitel über den Umgang mit Problemsituationen in der Gruppe machen das Buch lebendig und praxisnah.
LanguageDeutsch
Release dateNov 6, 2008
ISBN9783170280786
Gruppenpsychotherapie mit Kindern: Ein Praxisbuch

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    Gruppenpsychotherapie mit Kindern - Claudia Heinemann

    Stichwortverzeichnis

    1 Theoretische Überlegungen

    1.1 Einführung

    Der Begriff Gruppentherapie für Kinder entstand in den 1930er Jahren. J. L. Moreno, der Begründer des Psychodramas, arbeitete mit Kindergruppen beim Stegreiftheater. Parallel dazu entwickelte S. R. Slavson eine Gruppenpsychotherapie für Kinder. Ab den 1940/50er Jahren arbeiteten fast alle Therapieschulen an einem gruppentherapeutischen Konzept, nicht zuletzt, weil die Arbeit in Gruppen ökonomische Vorteile versprach.

    Die dominierende Therapierichtung damals war die Psychoanalyse. Sie brachte verschiedene Ansätze von Gruppenpsychotherapie hervor, deren wesentliches Unterscheidungsmerkmal in der Auffassung lag, ob Gruppenpsychotherapie die Behandlung des Einzelnen in der Gruppe bedeute, oder ob die Psychotherapie der Gruppe im Vordergrund zu stehen habe.

    Rogers mit der klientenzentrierten Therapie, Pearls mit der gestalttherapeutischen Richtung, die Entwicklung der verhaltenstherapeutischen Methoden und sicherlich auch die verschieden Ansätze aus der Pädagogik und Psychomotorik übten großen Einfluss auf die Entwicklung gruppentherapeutischer Verfahren aus.

    Der zunehmende Eklektizismus führt jedoch in der Praxis eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten zu der Frage, welches der verschiedenen Verfahren den größtmöglichsten Therapieerfolg verspricht.

    Um die Wirkfaktoren einer Kindergruppentherapie herauszuarbeiten, brauchte es unsererseits einen Überblick über die verschiedenen therapeutischen Verfahren, die Konzepte für eine Kindergruppentherapie zur Verfügung stellen. Bei der folgenden Auswahl war es uns wichtig, dass es sich um therapeutische Methoden handelt, die für unser Konzept von Bedeutung sind.

    1.2 Psychodynamische Konzepte von Kindergruppentherapie

    1.2.1 Psychoanalytische Kindergruppentherapie

    Samuel R. Slavson

    Als ein Pionier der analytischen Kindergruppenpsychotherapie gilt Samuel R. Slavson (1971). Sein in den 1940er und 1950er Jahren entwickeltes Konzept galt zunächst verwahrlosten Kindern und wurde im Rahmen einer Child Guidance Clinic entwickelt. Es richtete sich in erster Linie an Kinder, die „weder zu Haus noch in der Schule noch in ihren Siedlungsgemeinschaften oder von Straßengruppen anerkannt" wurden (Slavson, 1971, S. 41).

    Therapeutisches Ziel der Gruppe ist die Beseitigung der aus dem „früheren Leben stammenden Blockierungen und Widerstände und die Auflösung der „emotionalen Abkapselung der Kinder (Slavson, 1971, S. 138). Das Kind erschließt sich in der Gruppe neue Interessengebiete. Im Verlauf der Therapie entwickelt das Kind Selbstvertrauen und lernt, sich in neuen Situationen zurechtzufinden. Slavson geht von einem „sozialen Hunger des Kindes aus, mit dem „Wunsch, von der Gemeinschaft angenommen zu werden (Slavson, 1971, S. 24).

    Die Atmosphäre in der Gruppe ist ein wichtiger therapeutischer Faktor. Sie sollte der in einer funktionierenden Familie gleichen, also von gegenseitiger Anerkennung und gefühlsmäßiger Wärme gekennzeichnet sein. Die Gruppenatmosphäre kann so den negativen Einflüssen und Erfahrungen der Kinder entgegenwirken.

    Die Gruppe entwickelt sich mit der Zeit zu einer Ersatzfamilie, in der die Therapeuten die Eltern vertreten und die anderen Gruppenmitglieder die Geschwister. So steht die gesamte Gruppensituation für die Familie.

    Ein weiterer therapeutischer Faktor ist die Möglichkeit des freien Handelns.

    „Die Freiheit, zu tun, was man will, scheint das eindrucksvollste Erlebnis der Gruppenzusammenkünfte zu sein" (Slavson, 1971, S. 38).

    Material und Spiele sind so ausgesucht, dass sie das Kind zum Spielen anregen, ohne es zu überfordern. Dabei wird auch die Beschaffenheit des Materials beachtet. „Wasser ist das Material, das am wenigsten Widerstand leistet, dann kommen Farben, Ton, Draht, Holz, Metalle usw.". D. h. sozial unsichere Kinder bevorzugen leicht zu bearbeitendes Material wie Farben und Ton, aggressivere Kinder arbeiten lieber mit Holz oder Metall (Slavson, 1971, S. 38).

    Die Selbstregulation des Einzelnen ergibt sich aus den Einschränkungen durch die anderen Gruppenmitglieder, dem Material und den Spielen sowie der Gruppenmoral und weniger durch den Therapeuten. Im Laufe der Zeit entwickelt sich ein Gruppen-Über-Ich. Die Gruppe stellt selbst Werte und Anforderungen auf, die einen sozialisierenden Einfluss auf die Kinder haben. Das Kind kann so lernen, sich in der Gruppe anzupassen (Bez, 1985).

    Die Hauptfunktion des Therapeut en ist die einer neutralen Person. „Jeder Gruppenteilnehmer projiziert auf den Therapeuten seine unbewussten Haltungen Erwachsenen gegenüber (Slavson, 1971, S. 36). Der Therapeut verhält sich passiv, muss aber darauf achten, dass Aggressivität und Hyperaktivität in der Gruppe „in Grenzen bleiben. Auf der anderen Seite aktiviert er die sozial unsicheren Kinder.

    Susanna Müri

    Susanna Müri (1979) betrachtet in dem Konzept ihrer Kindergruppentherapie die besondere Entwicklungsdynamik der Kinder. Neben dem allgemeinen Entwicklungsaspekt berücksichtigt sie die enge familiäre Abhängigkeit des Kindes. Für das Verhalten der Kinder in der Gruppe bedeutet dies, dass die Rolle des Kindes dreifach bedingt ist, nämlich

    als Resultat seiner innerpsychischen Prozesse,

    durch die Projektion seiner erlebten Familiensituation,

    durch die Entwicklungsphase, in der das Kind sich gerade befindet.

    Müri bietet unterschiedliche Vorgehensweisen an, abhängig vom Lebensalter der Kinder. Für Fünf- bis Achtjährige beschreibt sie Aktivitätsgruppen in Anlehnung an Slavson (1971). Erfahrungen mit dem Spielmaterial und die Beziehungen zu den Gruppenmitgliedern stehen im Vordergrund. Die Erfahrungen mit dem Material und den anderen Gruppenmitgliedern werden in der Gruppe mit dem Therapeuten besprochen.

    Für die Sieben- bis Zwölfjährigen sind ihre Gruppen analytisch orientiert. Hier nimmt der Gesprächsanteil einen größeren Teil der Stunde ein. Die Kinder teilen ihre Fantasien oder Probleme mit und die Gruppe entscheidet über das Thema. Der Therapeut strukturiert die Diskussion. In einem nächsten Schritt folgen die Darstellung und das Bearbeiten des Themas im Rollenspiel. Auch das Rollenspiel wird vom Therapeuten gelenkt.

    Mit Kindern ab zehn Jahren und Jugendlichen arbeitet Müri psychodramatisch. Das Kind stellt seinen Konflikt in der Gruppe dar, die Gruppenmitglieder helfen ihm dabei, indem sie die einzelnen Rollen so darstellen, wie es der Protagonist wünscht. Während des Spiels können die Kinder dem Agierenden eigene Gefühle oder Ideen rückmelden, die dieser sich vielleicht nicht zu sagen traut. Der Therapeut übernimmt die Aufgabe, den Jugendlichen bei der Gestaltung und der Realisation der Themen zu helfen und neue Lösungen zu entwickeln und auszuprobieren.

    Grundsätzlich sieht Müri den Umgang mit dem Abwehrverhalten als wichtigstes Element der Kindergruppe. Deshalb hält sie fünf Aspekte für das Gelingen einer Kinderpsychotherapiegruppe für relevant:

    die zuvor schon beschriebene Wahl des Modells,

    den Interventionsstil des Therapeuten,

    die Rolle, aus der heraus der Therapeut interveniert,

    die Wahl der Arbeitstechnik: Gespräch, Rollenspiel oder Spiel,

    die Vorstrukturierung der Gruppe, z. B. die Zusammensetzung, das Raum-Zeitangebot, die Grenzsetzung.

    Die Funktion des Therapeut en sieht sie als intervenierenden, deutenden Katalysator, als Ich-Stütze, die ermutigt oder beruhigt, und als Hilfs-Über-Ich, das verantwortlich ist für die Grenzsetzung und Einhaltung der Stundenstruktur (Müri, 1979).

    Bei der Zusammensetzung der Gruppe achtet Müri auf eine Heterogenität, sowohl was die Geschlechterverteilung als auch die Störungen angeht. Sie hält eine gute Balance zwischen intro- und extrovertierten Kindern für wichtig. Die Gruppengröße sollte zwischen vier und acht Kindern liegen.

    Monika Moll

    Monika Moll (1997) stellt Überlegungen zur therapeutischen Effektivität von Kindergruppen an. Anlehnend an Stern und Brisch sieht sie in der Veränderung der Beziehungsrepräsentationen die Voraussetzung für eine nachhaltige Entwicklung im Verhalten und Erleben.

    Eine Veränderung der Repräsentationen findet in der Kindergruppe nicht über das Sprechen statt, sondern über Interaktion im Beziehungskontext der Gruppe. Dabei ist die Affektgestalt besonders wichtig: Jedes Tun hat für das einzelne Kind eine andere Bedeutung, eine individuelle Gefühlsgestalt, die im Zusammenhang mit den Interaktionen mit der Mutter und der Familie stehen. So kann die Aktivität Backen von dem Kind aufgrund von Misserfolgserlebnissen beim Backen mit der Mutter negativ besetzt sein. In der Gruppe, mit anderen Kindern und den Therapeuten kann die gleiche Aktivität völlig anders erlebt werden. Das Kind kann die Erfahrung machen, dass andere Kinder auch Fehler machen oder Backen mit Unterstützung der Therapeuten Spaß macht.

    In der Gruppe geht es also nicht darum, dass sich das Tun ändert, sondern dass sich die Interaktionen in der Auseinandersetzung mit den anderen verändern. Diese neuen Interaktionserfahrungen in der Gruppe sind therapeutisch effektiv.

    Die Kommunikations- und Interaktionsprozesse laufen im Wesentlichen auf der nonverbalen Ebene ab, d. h. der Körper wird zum Medium der Kommunikation. Körperhaltung, Gesichtsausdruck und Bewegungstempo sind bedeutsam in der Kommunikation zwischen Kind und Therapeut. Eine besondere Bedeutung schreibt Moll dem Augenkontakt zu. Während der Stunden ist ihr der intensive Blickkontakt zwischen Kind und Therapeut aufgefallen. Mit dem Wunsch nach Anerkennung vergewissern die Kinder sich, wie der Therapeut ihr Handeln sieht und bewertet.

    Moll versteht die Therapeuten als Leiter der Gruppe. Sie haben die Aufgabe,

    einen Rahmen zu geben,

    Schutz zu geben,

    zu begrenzen,

    zur Verfügung zu stehen,

    Aggressionen auszuhalten,

    nicht direkt auf die Gruppenprozesse Einfluss zu nehmen.

    Die Beziehungserfahrungen, die die Kinder im familiären Kontext gesammelt haben stehen häufig im Widerspruch zu den Beziehungserfahrungen mit den Therapeuten. Insofern sind die Einstellungen und Haltungen der Therapeuten relevant. Ihre Beziehungsrepräsentanzen prägen letztlich ihre Haltung zum Kind.

    Für Moll sind folgende Einstellungen dem Kind gegenüber essenziell:

    Kinder verfügen prinzipiell über viele Kompetenzen.

    Sie geben sich im Rahmen einer Gruppe gegenseitig viele Anstöße zur Veränderung.

    Kinder brauchen viel Raum, aber auch Begrenzung, die Schutz bietet.

    Als Therapeut lasse ich den Kindern Raum, nehme mich zurück, stehe zur Verfügung.

    Ich verstehe die Art, wie Kinder mit Erwachsenen in Beziehung treten, verstehe ihre Botschaften.

    1.2.2 Gestalttherapie mit Kindergruppen

    Violet Oaklander

    Oaklander (1994) beschreibt die Möglichkeit der Kinder, sich in der Gruppe über die eigene Interaktion mit anderen Kindern bewusst zu werden. Im Kontakt mit anderen Kindern erleben sie, dass diese ganz ähnlich denken, fühlen und ähnliche Probleme haben. Die Gruppe hat für sich genommen Wirkfaktoren, die eine Einzeltherapie nicht hat. In ihrem Buch finden sich Übungen und Techniken aus der Einzeltherapie, die sie für Gruppensitzungen nutzt.

    In der Regel hat Oaklander eine genaue Vorstellung davon, was sie in der jeweiligen Sitzung machen will, sie strukturiert die Gruppensitzungen im Voraus. Dennoch sei aber keine Aktivität wichtiger, als das, was augenblicklich in der Gruppe oder mit einem bestimmten Kind geschieht. In diesem Fall unterbricht sie die Gruppenarbeit, um mit dem einzelnen Kind vor der Gruppe zu arbeiten. Die Arbeit mit diesem Kind wirkt sich auch auf die beobachtenden Kinder aus. Hier kommen die Überlegungen des Modelllernens zum Tragen.

    Die Gruppensitzungen haben einen klaren Anfang. Die Stunde beginnt damit, dass jedes Kind von seinen aktuellen Gefühlen berichtet. Oaklander bietet jedem Kind den Raum an, den es braucht, um über die Erlebnisse seit der letzten Sitzung zu sprechen. Auch das Ende der Gruppensitzung ist strukturiert. Die Kinder haben die Möglichkeit die Gruppenstunde zu kritisieren und/oder Wünsche zu äußern.

    Ein weiterer Aspekt, auf den sie kurz eingeht, ist das Aufstellen von Gruppenregeln, die sie gemeinsam mit den Kindern erarbeitet. Eine wichtige Regel ist die Möglichkeit, dass jedes Kind ausreden kann (Oaklander, 1994, S. 359).

    Der Therapeut hat in der Gruppe eine bedeutsame Rolle. Er sorgt dafür, dass sich die Kinder in der Gruppe sicher und akzeptiert fühlen. Er dient als Modell für das Verhalten, da die Kinder sich an ihm orientieren. Außerdem sollte er immer wieder aktiv an den Spielen teilnehmen.

    Leider führt Oaklander in ihrem Buch nicht aus, wie sie die einzelnen Gruppensitzungen thematisch strukturiert und nach welchen Kriterien sie die Spiele und Materialien auswählt.

    1.2.3 Integrative Kindergruppentherapie

    Dorothea Rahm

    In ihrem Buch hat Dorothea Rahm (2004) den Verlauf einer Kindergruppentherapie sowie die Grundlagen und das Handwerkszeug zum Gestalten und Verstehen des therapeutischen Prozesses beschrieben.

    Nach Rahm soll die Gruppe den Kindern einen geschützten Rahmen bieten, indem sie mit neuen Verhaltensweisen experimentieren können, die ansonsten sanktioniert oder negativ besetzt sind. Die Gruppe schafft also einen Raum, in dem blockierte Entwicklungen in Bewegung gesetzt und tabuisierte und verdrängte Erfahrungen verstanden und integriert werden. Auf dieser Grundlage werden Veränderungsprozesse ermöglicht.

    Der therapeutische Prozess ist abhängig von der Atmosphäre in der Gruppe. Sie muss den Ausdruck von Tabuisiertem, Schlimmem, Nicht-Verstehbarem ermöglichen, die Suche nach Nähe und Geborgenheit und das Bedürfnis nach Abgrenzung zulassen. Andererseits soll die Atmosphäre in der Gruppe es dem Kind ermöglichen, für sich selbst und andere, auch mit seinen negativen Anteilen, verstehbar zu sein. So kann das Kind lernen sich anzunehmen und neue Erfahrungen zu machen. Durch Verstehen ist neuer Ausdruck, durch neuen Ausdruck neues Verstehen, möglich.

    Rahm nennt konkrete therapeutische Interventionen, die den sich entwickelnden Prozess in der Gruppe unterstützen und in der Situation weitgehend gleichzeitig stattfinden.

    Aufmerksam-Machen: einem Ausdruck Beachtung schenken, um die Wiederholung eines Satzes oder einer Geste bitten, anstelle des Kindes agieren oder einen Gegenpart spielen.

    Identifikation: die Rollenangebote aufnehmen, die das Kind anbietet, und die Qualitäten zum Ausdruck bringen, die für das Kind relevant erscheinen. Dabei können scheinbar widersprüchliche Anteile der Rolle nebeneinandergestellt werden. Die Hexe ist nicht nur böse, sie kann auch „die beste Hexe der Welt sein" (2004, S. 96).

    Leibliche Interventionen: therapeutische Arbeit mit Kindern bedeutet auch immer körperlich in Aktion zu ein, da der Körper ein Mittel des Ausdrucks, der Erkenntnisgewinnung und des Dialogs ist.

    Distanzierungshilfen: den Kindern die Möglichkeit geben, eine mehr exzentrische Position einzunehmen. Aus dieser Position heraus können die Kinder bei den anderen erleben, was sie selbst als bedrohlich empfinden oder beobachten, was die Therapeuten tun, um Bedrohliches zu bewältigen.

    Ein zentraler Punkt in der Therapie ist für Rahm der Widerstand. In Begleitung der Angst werden Bewältigungsstrategien aktiviert, um Gefühle abzuwehren, die nicht oder noch nicht bewältigt werden können. Für die Therapie ist es wichtig, die unterschiedlichen Bedeutungen des Widerstandes für das Kind zu verstehen:

    Widerstand als Schutzfaktor

    Widerstand als Entwicklungshemmung

    Widerstand als Hinweis auf ein sensibles Thema.

    Rahm beschreibt übergeordnete Entwicklungsziele, die auch bei der therapeutischen Arbeit mit Kindergruppen relevant sind. Hierbei nennt sie u. a. die Entwicklung von kindlichen Schutzfaktoren, die Beziehungsfähigkeit und Bindungsqualität.

    Unter kindlichen Schutzfaktoren subsumiert sie die Aspekte, die zu einer positiven Entwicklung von Kindern beitragen, die unter Risikobedingungen aufwachsen. Neben angeborenen oder von der Umwelt bereitgestellten Schutzfaktoren gibt es Faktoren, die von den Kindern selbst entwickelt werden können. Dazu zählt sie:

    Die realistische Überzeugung von der Selbstwirksamkeit, die an eine realistische Selbst- und Situationswahrnehmung gebunden ist, sowie das Erlernen von Problembewältigungstechniken.

    Die Reflexionsfähigkeit, d. h. die Fähigkeit sich selbst und den anderen zu verstehen sowohl kognitiv als auch als empathisch.

    Die Solidarität, d. h. das Vermögen, zuverlässige und belastbare Beziehungen zu Gleichaltrigen zu entwickeln.

    Die Androgynität, d. h. die Aneignung von Fähigkeiten, die eher dem anderen Geschlecht zugeschrieben werden.

    Ein weiteres übergeordnetes Entwicklungsziel sieht sie in der Entwicklung vonBeziehungsfähigkeit und Bindungsqualität. Sicher gebundene Kinder haben in Bezug auf die Entwicklung ihrer kognitiven und sozialen Fähigkeiten eine bessere Prognose als unsicher gebundene Kinder. Für die Gruppentherapie nimmt sie an, dass sich die Beziehungsfähigkeit bei Kindern weiterentwickeln lässt.

    1.2.4 Psychodrama mit Kindergruppen

    Alfons Aichinger und Walter Holl

    Aichinger & Holl (1997) adaptieren die Psychodrama-Erwachsenen-Gruppentherapie auf die Kindergruppe. Dabei schreiben sie dem kindlichen Symbolspiel eine besondere Bedeutung zu. Das Spiel als kindgemäße Form der Kommunikation lässt sie die nichtsprachlichen Prozesse betrachten. In der gruppentherapeutischen Arbeit bedeutete dies, dass sie lernen mussten, die Spielhandlungen von ihrer Bedeutung her zu verstehen und analog darauf zu antworten.

    Die Gruppe verstehen sie als eine soziale Realität, in der sich soziale Kompetenz entwickelt, und als einen Ort, an dem die Kinder lernen können, soziale Situationen angemessen wahrzunehmen und zu strukturieren, sowie kooperativ zu handeln. Auch bei ihnen entstehen familienähnliche Konstellationen in Form einer Wiederinszenierung spezifischer Phasen der Entwicklung des Kindes.

    Interessant sind die beschriebenen Interventionen bei Konflikten in der Gruppe. Aichinger & Holl vermuten, dass die Gefahr ausufernder Kindergruppen und die Angst der Therapeuten vor dem Kontrollverlust ein Grund für das geringe Angebot von therapeutischen Kindergruppen ist.

    Sie unterscheiden Konflikte zwischen Kindern und Leitern und Konflikte unter den Kindern.

    Konflikte zwischen Kindern und Leitern entstehen häufig in vorpubertären Gruppen. Sie neigen dazu, die Therapeuten, die für den beherrschenden Erwachsenen stehen, abzuwerten und/oder aggressiv anzugehen. Nimmt diese Protesthaltung zu und „verdichtet sich zur Rebellion", werden diese Gefühle nicht mehr nur im Spiel ausgedrückt, sondern können auf der Realebene die gesamte Gruppenstruktur beschädigen (Aichinger & Holl, 1979, S. 139). Absprachen werden nicht mehr eingehalten, die Eingangsrunde wird boykottiert. Ziel der Kinder ist letztlich die Entmachtung der Erwachsenen. Würden die Leiter nun ihrerseits auf der Realebene handeln und mit ihrer Macht die Einhaltung der Regeln durchsetzen, so würden sie sich in eine Macht-Ohnmacht-Spirale begeben. Vielmehr müssen die Therapeuten in dieser Situation das unausgesprochene Rollenangebot der Kinder auf der Symbolebene annehmen. „Sie dürfen also nicht in der Machtposition der realen Erwachsenen verharren, sondern müssen in einer mächtigen Rolle, in der sie zugleich überwindbar sind, gegen die Handlungen der Kinder protestieren" (Aichinger & Holl, 1979, S. 140).

    Mit dem Spielangebot auf der Symbolebene werden Kinder und Leiter geschützt. Die Kinder nehmen das Spiel auf der Symbolebene dann an, wenn es ihnen mehr Ausdrucksmöglichkeiten bietet als die Realebene.

    Konflikte unter den Kindern entstehen häufig aus inhaltlichen Themen, wie

    Nähe – Distanz,

    Durchsetzung – Anpassung,

    Bedürfnisse regulieren,

    gegenseitige Unterstützung,

    Einfühlung,

    Konsens – Kompromiss,

    Konflikte aushalten,

    Dissens ertragen.

    Ein weiterer Anlass für Konflikte ist die Untergruppenbildung in der Gruppe. So birgt z. B. die Aufteilung in eine Jungen- und Mädchengruppe ein hohes Konfliktpotential für die Gesamtgruppe. Auch bei Konflikten unter Kindern gilt es, Themen zu finden, die es erlauben, den Konflikt auf symbolischer Ebene auszutragen.

    Arndt Paasch

    Paasch (2007) fasst die verschiedenen kindlichen Rollen im Psychodrama zusammen.

    Rollenumkehr: Das Kind spielt eine reale Situation, kehrt aber seine schwache Rolle in eine starke um.

    Größenfantasie: Um erlittene Misserfolgserlebnisse zu kompensieren, übernehmen die Kinder Rollen, in denen sie unbesiegbar sind.

    Regressive Rollen: Bedürfnisse nach Zuwendung und Nähe werden ausgelebt.

    Negative Rollen: Sozial nicht erwünschte Bedürfnisse, die aggressiv oder mit Schuld besetzt sind, werden gespielt. Zur Rolle gehört, dass keine Verantwortung für das Tun übernommen werden kann (z. B. Betrunkener).

    1.3 Verhaltenstherapie für Kinder in Gruppen

    Als die Verhaltenstherapie entwickelt wurde, bestand keine Notwendigkeit, eine eigenständige Kindertherapie zu entwickeln, da sie auf den gleichen Grundlagen wie die Erwachsenentherapie basierte. Erst Mitte der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts entstanden eigene Konzepte für Kinder und Jugendliche, da die inhaltlichen Unterschiede für deren Behandlung immer mehr in den Fokus der Aufmerksamkeit rückten. Aus dem individualisierten Vorgehen in der Einzeltherapie entwickelten sich in der Erwachsenen- wie auch in der Kindertherapie erste Gruppentherapieprogramme in Form von Psychotherapiemanualen.

    Die Therapieprogramme sind in der Regel homogen in Bezug auf die

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