Götter, Gurus und Gestörte
By Anselm Neft
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About this ebook
Vom stylishen One God Wonder über praktische Tipps zur Erleuchtung im Alltag bis hin zu ganz persönlichen Erlebnissen mit Kulten aller Art:
Dieses Buch enthält die Antworten hochkarätiger SatirikerInnen auf die Frage:
Was bedeutet Religion heute?
Mit Beiträgen von: Ahne, Uli Hannemann, Horst Evers, Lea Streisand, Jess Jochimsen, Volker Surmann, Christian Gottschalk, u.v.a.m.
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Götter, Gurus und Gestörte - Anselm Neft
Funkhaus.
I.
GÖTTER
Black Metal
Oder: Warum die Erde ein einsamer Ort ist, wie der Herrgott seine Midlife-Crisis endlich überwand und was uns der Black Metal darüber erzählen kann.
Christian Bartel
Wenn sich der Herrgott mopst, dann schlüpft er in sein altes Odinskostüm und zündet ein paar Kirchen an, nur so aus Jux. Kirchen brennen sehr schön und es ist ja auch nie jemand drin. Dann hüpft der Herrgott um die rauchenden Kirchen herum, scheißt sich ins Fell vor Lachen und fühlt sich jung wie lange nicht mehr. Der Herrgott fühlt sich nämlich alt und schuld daran sind die Kirchen, findet er. Ständig heißt es »weise« hier und »gütig« da. Und er soll auf einem Himmelsthron herumsitzen und huldvoll winken.
Er ist doch nicht schwul oder so. Aber natürlich ist er schwul, wie er überhaupt alles ist, und das ist auch nicht immer ganz einfach für ihn. Im Moment jedenfalls ist er ein heterosexueller Gott in der Midlife-Crisis. Männer in dem Alter würden sich ein Cabrio und eine Blondine kaufen, aber das ist dem Herrgott dann doch zu albern. Deswegen zündet er halt Kirchen an.
Zur selben Zeit sitzt Uwe Kempinski aus der 10b unter dem Fenster von Suzanne Sundermann, auf dass er einen Blick auf sie erhasche, wenn sie aus ihrem Fenster klettert, um auf dem Garagendach heimlich eine zu rauchen.
Seit drei Monaten hockt Uwe jeden Abend im Gebüsch. Ängstlich und verwirrt, aber so von reiner Liebe durchdrungen, so hell und gleißend lodernd, dass man ihn als Leuchtturm aufstellen könnte. Aber es sieht ja wieder niemand.
Der Herrgott hopst derweil vergnügt durch die St.Florian Kirche, füllt Benzin ins Taufbecken, grölt: »Großer Gott, wir loben dich!«, und übergießt das geschnitzte Chorgestühl aus dem achtzehnten Jahrhundert. Jetzt muss er nur noch Feuer! rufen und woosch! geht alles in Flammen auf.
Da steigt ihm aber dieser Geruch in die Nase.
Dieses feine Fluidum reiner und bedingungsloser Liebe, wie es Engel absondern, wenn sie unter den Menschen wandeln.
»Scheiße«, sagt der Herrgott und beißt sich auf die Zunge, denn sein Wort ist Gesetz auf Erden. Es ist ihm sehr unangenehm, von seinen Mitarbeitern beim Kirchenanzünden erwischt zu werden, und deswegen nimmt er sich vor, den Engel fortzuschicken.
Irgendeinen Propheten briefen oder sonst was.
»Heda!«, donnert also der Herrgott auf Uwe herab.
»Ich bin der Herrgott und du bist kein Engel, mein Freund.«
»Nee«, sagt Uwe. »Ich heiße Uwe und bin verliebt. Ich traue mich aber nicht, sie anzusprechen, weil sie so schön ist.«
»Das bringt auch nix«, meint der Herrgott.
»Die will nichts von dir.«
»Ach«, macht Uwe traurig.
»Ja. Ist aber so.«
Dem Uwe steigen die Tränen in die Augen.
»Deine Schöpfung ist super, aber du bist ein Arschloch, Herrgott.«
Der Herrgott kichert.
Der Junge gefällt ihm. Riechen wie ein Engel und dann auch noch Mumm in den Knochen.
»Hast du Lust ’ne Kirche anzuzünden?«, fragt der Herrgott gutmütig. »Das hilft gegen Liebeskummer.«
Eines muss man wissen: Es ist ein ungeheuer befreiendes Gefühl für einen unglücklichen Fünfzehnjährigen, der um zwölf zu Hause sein muss, wenn so eine riesige, uralte Kirche in Flammen steht, das Gebälk sich noch einmal aufbäumt und dann zischend in sich zusammensackt.
Und es hilft wirklich gegen Liebeskummer.
Uwe tanzte um das Feuer herum, brüllte blasphemischen Unsinn und fühlte sich erwachsen wie noch nie. Der Herrgott dagegen war peinlich berührt, weil er sich ertappt fühlte. So sah das also aus. Nach meinem Abbild habe ich diese Spinner erschaffen, dachte der Herrgott, aber aus dem Alter bin ich ja nun echt raus. Rehe, zum Beispiel, Rehe, mochte der Herrgott viel lieber, die kümmerten sich um ihren eigenen Kram. Er konnte stundenlang durch den Wald gehen, ohne von einem einzigen Reh blöd angequatscht zu werden. Diese herrliche Ruhe.
Die Menschen dagegen: »Bitte, lieber Gott, mach dies, gib mir das, erschlage meine Feinde, mach meinen Pimmel größer, mein Mann soll nicht immer so dick sein und das Klo soll richtig abziehen.«
Die gingen ihm auf den Sack, diese Geschöpfe.
»Uwe«, sprach also der Herrgott. »Ich mach die Biege, will euer Gott nimmer sein. Das habe zum Zeichen: Ihr seid mir zu blöd. Ich erklär dir jetzt genau einmal die Schöpfung, merk es dir oder lass es sein, und dann siehst du mich nie wieder. Grüß die anderen.«
Und der Herrgott hockte sich hin und zeichnete den kompletten Schöpfungsplan in die erkaltende Asche. Von Alpha bis Omega erklärte er dem Uwe Kempinski, wie man so ein Universum baut und was man dabei beachten muss. Aber Uwe hörte nicht hin und sah nicht zu, weil er wieder nur an Suzanne dachte, und dann regnete es auch schon und der Weltenplan wurde weggespült.
Der Herrgott aber gab dem Satan die Schlüssel zur Welt und sagte: »Viel Spaß damit. Ich mach mir eine Neue«, und überwand endlich seine Midlife-Crisis.
Seine neue Schöpfung ist wesentlich reifer und stilvoller. Das Werk eines erwachsenen Gottes auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft. Eine Welt wie aus einem Guss, aufs Wesentliche reduziert. Es gibt nur eine Tierart, nämlich Rehe, und einen hübschen Mischwald mit drei Sorten Bäumen. In der Mitte fließt ein langsamer, ruhiger Fluss, sonst gibt es nichts, nicht einmal Wetter.
Uwe aber erfand den Black Metal, um die Menschheit davon in Kenntnis zu setzen, dass sie soeben dem Satan anheim gefallen war und es keine Hoffnung mehr gibt. Suzanne Sundermann hat er natürlich immer noch nicht angesprochen.
Und wir, wir Menschen, sind seit diesem Tag mutterseelenallein in einem kalten Universum und haben auch noch den Black Metal am Hals.
Und erst wenn die Menschen werden wie die Rehe, so scheu und so still, erst dann schaut der Herrgott vielleicht noch mal rein. Aber – offen gestanden – es lohnt die Mühe nicht.
Allah!
Talita Oliveira
Früher hatte ich Gott, aber dann kam die Nacht. Eine bestimmte Nacht, in der ich bemerkte: Gott ist nicht mehr da! Dann gab es stattdessen eine Leerstelle in meinem Leben, genau dort, wo davor Gott gesessen hatte, mit seinem weißen Rauschebart und den Birkenstock-Sandalen an den Füßen.
Die leere Stelle fand ich irgendwie … doof, und ich wollte sie füllen, aber ganz bestimmt nicht mit dem Gott, der nicht mehr da gewesen war, in einer Nacht, in der ich ihn wirklich gebraucht hätte. Dann habe ich gedacht: So wie mein letzter Mann nicht der richtige gewesen war – denn als er von mir weggegangen war, da war auch Gott gegangen, so wie mein letzter Mann also nicht der richtige, so war vielleicht auch mein letzter Gott nicht der richtige gewesen.
Daraufhin habe ich wirklich gebrainstormt, mit welchem Gott ich es denn nun probieren sollte. Vielleicht mit Buddha? Aber für einen Gott nimmt Buddha sich so wenig wichtig, das fand ich irgendwie – unattraktiv. Ich wollte ja schon einen richtigen Gott, einen zum Anfassen sozusagen. Und so ein ganz kleines bisschen Macho, habe ich dann gedacht, darf er auch ruhig sein; wie ein richtiger Mann eben! Jahwe war dann in der engeren Auswahl, weil der doch öfter recht gewaltig aufgetreten ist, aber dann habe ich gedacht: Jahwe und Gott, das ist im Endeffekt eine Geschichte, da gibt’s nicht so den Unterschied. Am Ende blieb nur noch einer übrig. Allah!
Allah ist ein super Typ! Mit Allah kann ich lachen! Allah hat mein Leben noch einmal zum Leuchten gebracht! Davor saß ich heulend auf dem Sofa und habe Kekse gefressen und bin fett geworden. Jetzt sitze ich auf dem Sofa und studiere den Koran und fresse Kekse und werde fett. Es ist einfach viel besser!
Außerdem habe ich lauter nette Leute kennengelernt, seit ich Allah kenne: Ich brauchte ja neue Kleider, und das war gar nicht so einfach. Die müssen ja bis auf den Boden reichen, wahrscheinlich, weil Allah Fußfetischist ist und nicht mal die Spitze eines schwarzen Straßenschuhs sehen kann, ohne dabei seine wichtigen Projekte wie den Weltfrieden, das Teetrinken und das Boulespielen aus den Augen zu verlieren.
Da hab ich mir also einen schwarzen, bodenlangen Sack angezogen, wollte eigentlich bloß Kekse kaufen gehen, und schon im Treppenhaus bin ich über den Kleidersaum gestolpert und direkt meinem Nachbarn in die Arme gefallen. Der hat mich daraufhin eingeladen, mit ihm zusammen in seiner Wohnung ein Räucherstäbchen anzuzünden, er ist nämlich Buddhist. Und da ein Buddhist immer für den Weltfrieden ist und Allah das ja auch gut findet, saß ich dann in meinem Sack auf einem samtenen Meditationskissen, habe Tee getrunken und meinem Nachbarn erklärt, dass Allah gut drauf ist und dass wir heiraten können, wenn er sich auch für Allah entscheidet.
Er meinte, er denkt drüber nach, und ich bin dann die Treppe runtergestolpert und meinem Briefträger in die Arme gefallen, der fröhlich und für den Weltfrieden ist, und so ging das weiter. Ich bin echt happy, dass mein Leben mit Allah so bunt geworden ist.
Nur bei einer Sache wurde es mir doch zu bunt! Da bin ich extra in ein Fachgeschäft für Damenunterwäsche gegangen, weil ich Allah einen ganz besonderen Gefallen tun wollte. Ich wollte mir extra, weil ich dachte, Allah mag es untendrunter auch besonders gerne ganz bedeckt, besonders bedeckende Wäsche kaufen. Und ich habe zu der Verkäuferin gesagt: »Ich suche weiße, knielange Baumwollschlüpfer. Ruhig ein bisschen zu groß.« Zu groß, weil ich ja so gerne Kekse esse und die Schlüpper ein bisschen länger halten sollen. Die Dame sah mich mit einem Blick an, in dem neben Erstaunen ein leichter Ekel zu liegen schien, sodass ich vor Schreck mal wieder über den Rocksaum gestolpert und ihr direkt in die Arme gefallen bin.
Wir haben dann zwar kein Räucherstäbchen angezündet, aber sie hat mir danach ganz freundlich die weißen Schlüpper gezeigt, und ich habe ganz freundlich genickt, als sie sagte, die seien aber nicht billig: »Neunundzwanzig Euro pro Stück.«
Ich habe ihr gesagt: »Ich muss kurz überlegen«, aber das hat nicht ganz gestimmt, ich wollte eher, dass Allah überlegt.
Es ist nämlich so, dass Allah die Frauen lieber mag als die Männer, und deshalb dürfen die Frauen bei Allah nicht arbeiten.
Die ganze Arbeit müssen die armen Männer verrichten, während die Frauen auf dem Sofa sitzen und essen sollen. Ich bin also damals, als ich mich für Allah entschieden habe, zu meinem Chef gegangen und habe gesagt: »Chef! Ich muss nicht mehr arbeiten gehen, Allah ist jetzt Chef!« Jetzt habe ich Allah, dazu Hartz IV und den Rocksaum – das Leben ist schön!
Aber zurück in das Fachgeschäft, in dem ich zwischenzeitlich Rücksprache mit Allah gehalten hatte. Ich habe gesagt: »Allah, neunundzwanzig Euro für einen weißen Baumwollschlüpfer, ist das drin?«
Allah hat seinen Kopf hin und her gewogen, und noch mal hin und her, und dann hat er gesagt: »Frau! Geh in den Ein-Euro-Shop gegenüber und kaufe dir sieben pinkfarbige Polyesterslips mit Glitzerschleifchen dran!«
»Allah!«, habe ich geschrieen. »Unglaublich!«
Die Verkäuferin guckte ganz erschrocken.
Und dann habe ich mir, weil mir Allahs Antwort doch zu bunt war, für achtundfünfzig Euro zwei große Schlüpper gekauft, die jetzt jeden Tag ein bisschen enger werden.
Eigentlich ist ja kein Geld für meine Kekse mehr da, und deshalb habe ich auch noch mal reumütig mit Allah gesprochen.
Er hat dann länger mit dem Kopf herumgewackelt und irgendwann gesagt: »Frau. Iss Kekse! Irgendwann kommt Mann und bezahlt sie alle!« Mein Leben ist schön.
Allah ist wirklich gut drauf.
Zwiegespräche mit Gott:
Der Schlaf des Gerechten
Ahne
A: Na Gott.
G: Na.
A: Na, kannste ma kieken, Gott, ick gloob, ick hab hinten uff de Schulta, habick ’n