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Gibt es Freundschaft?
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Gibt es Freundschaft?

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Gibt es Freundschaft? Bei aller Sehnsucht des Menschen nach guten Freunden im Leben scheint Freundschaft doch ein eher seltenes Gut zu sein. Was aber macht wahre Freundschaft aus, was gefährdet sie? Das wegweisende Denken hierüber setzt schon in der Antike ein. Es liefert die bis heute gültigen Grundlagen.

Auf sie stützen sich dann die frühen christlichen Schriftsteller, vor allem Chrysostomus und Augustinus. Im Lichte der Evangelien gewinnt das Thema Freundschaft bei ihnen eine spezifisch christliche Einfärbung und Wertigkeit.

Andreas Schmidt verfolgt diese Entwicklung und stellt sie prägnant dar. Seine Darstellung ergänzen Originaltexte zum Thema Freundschaft aus der christlichen Frühzeit, aus dem Mittelalter und dem Barock bis zum Pontifikat Benedikts XVI., der in seiner Verkündigung immer wieder von der Freundschaft mit Christus spricht, die naturgemäß auf alle menschlichen Begegnungen ausstrahlt.
LanguageDeutsch
PublisherAdamas Verlag
Release dateJan 15, 2013
ISBN9783937626963
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    Gibt es Freundschaft? - Andreas Schmidt

    Anmerkungen

    1. Kapitel

    Die Ausgangsfrage

    »Was für eine Frage! Natürlich gibt es Freundschaft!« So oder ähnlich denkt wohl jeder, der den Titel dieses Buches liest. Schließlich gehören Freundschaften zu unserem ganz normalen Leben, ja zum Wichtigsten im Leben. Das dachten auch schon die alten Philosophen. »Wer die Freundschaft aus dem Leben nimmt, der könnte gleich die Sonne aus der Welt nehmen.«¹ So Cicero. In Griechenland, der Wiege der Philosophie, sprach man außerordentlich viel über das Thema Freundschaft. Aristoteles widmete ihm in einem seiner Hauptwerke, der »Nikomachischen Ethik«, immerhin zwei von zehn Kapiteln. Ziel des menschlichen Handelns sei die »Eudaimonia« (das glückliche Leben) und zu ihr gehörten Freundschaften wesentlich hinzu. Je ausführlicher jedoch über das Thema nachgedacht wurde, umso differenzierter fielen die Stellungnahmen aus. Nicht jede Freundschaft ist »wahre Freundschaft«, so Aristoteles. Verbindungen, die man nur eingeht, um etwas davon zu haben, Geschäftsfreundschaften sozusagen, sind nicht im eigentlichen Sinn Freundschaft. Denn sobald der Nutzen wegfällt, gibt es auch keine Freundschaft mehr. Genausowenig kann es als Freundschaft im vollen Sinn des Wortes bezeichnet werden, wenn man einfach nur Spaß daran hat, mit dem anderen zusammen zu sein, zum Beispiel ein Hobby teilt. Denn wenn der eine diesem Hobby nicht mehr nachgehen kann oder will, dann ist es auch mit der Freundschaft aus. Wahre Freundschaft, so Aristoteles, muss dauerhaft sein. Sie bleibt bestehen, ohne von solchen äußeren Faktoren abhängig zu sein. Sie gründet nicht auf einem Vorteil für mich, sondern richtet sich auf den anderen um seiner selbst willen. Der andere ist mir wichtig als der Mensch, der er ist, und nicht aus irgend einem anderen Grund. Von daher kommt das schon in der Antike bekannte Sprichwort: »Der wahre Freund wird in der Not erkannt.« Denn erst, wenn die angenehmen Begleitumstände wegfallen, zeigt sich, ob sich die Freundschaft wirklich auf die Person des anderen gerichtet hat. »Wahre Freundschaften sind ewig.« Darin gipfeln die Überlegungen des großen Philosophen. Ein hohes Ideal. Aristoteles war sich wohl bewusst, dass die meisten Freundschaften nicht diesem Ideal entsprechen. »Wahre Freundschaften sind selten.« Auch diesem antiken Sprichwort schloss er sich an. Ja, ihm wird ein Wort zugeschrieben, das er auf dem Totenbett ausgerufen haben soll: »Ach Freunde, es gibt keine Freunde.« Ob er das nun wirklich gesagt hat oder nicht – es bringt die Frage dieses Buches auf den Punkt: Gibt es so etwas wie »wahre Freundschaft« wirklich? Oder ist sie nur ein utopisches, unerreichbares Ideal? Nicht nur die alten Philosophen waren skeptisch. Noch im 18. Jahrhundert schrieb Immanuel Kant: »Freundschaft in ihrer Reinigkeit oder Vollständigkeit als erreichbar gedacht, ist das Steckenpferd der Romanschreiber. Der wahre Freund ist so selten wie ein schwarzer Schwan.«²

    Die Zeiten wandeln sich. Was das Thema Freundschaft angeht, sind wir heutzutage wesentlich pragmatischer geworden. Man könnte auch sagen: anspruchsloser, oberflächlicher. Der Freundschaftsbegriff wird schon lange nicht mehr auf seine philosophische Tiefe hin durchleuchtet. Hans Gadamer stellte treffend fest, dass das Thema Freundschaft, das in der Antike im Mittelpunkt der philosophischen Reflektion stand, in der modernen Ethik höchstens als »ein schmales Kapitel in irgendeinem Anhang«³ auftaucht. Dafür hat sich mittlerweile die Soziologie des Themas angenommen. Diese denkt nicht über Ideale nach, sondern analysiert das, was die alten Griechen etwas abwertend als »Durchschnittsfreundschaften« bezeichnet hätten. So gehört zum soziologischen »Freundschaftsprozess« der Beginn einer Freundschaft genauso dazu wie das Auseinandergehen dieser Freundschaft. Man verabschiedet sich vom »übertriebenen Anspruch auf Dauer«⁴.

    Diese Entwicklungen auf der geistesgeschichtlichen Ebene spiegeln sich in unserer Alltagswelt. Wir verwenden den Freundschaftsbegriff mittlerweile inflationär. Am offensichtlichsten wird das in den social networks unserer Zeit. Auf Facebook hat man hunderte von »Freunden«. Man beginnt eine »Freundschaft« mit Hilfe einer »Freundschaftsanfrage«, und wenn man genug hat von ihr, löscht man den »Freund« einfach wieder per Mausklick. Auf einem Plakat von »Welt online« war kürzlich zu lesen: »Wir haben online mittlerweile so viele Freunde, dass wir neue Namen für die richtigen brauchen.« Hier zeigt sich, dass die Idee der »wahren Freundschaft« – trotz aller modernen Skepsis – offensichtlich doch nicht aus den Herzen der Menschen zu tilgen ist. Gerade in unserer Zeit immer noch wachsender Unverbindlichkeit kann man paradoxerweise – oder gerade deshalb? – beobachten, dass das Thema Freundschaft wieder auf neues Interesse stößt. Vor einigen Jahren titelte die »ZEIT«: »Freundschaft – die neue deutsche Welle.« Und offensichtlich ist die Welle noch nicht wieder abgeebbt. Ob in Zeitschriften, populären oder wissenschaftlichen Publikationen – das Thema bleibt präsent.

    Aus unserer gegenwärtigen Kultur – ob es uns bewusst ist oder nicht – ist das christliche Erbe nicht wegzudenken. Auch zum Thema Freundschaft hat die christliche Reflektion einiges beigetragen. Aufbauend auf den antiken Philosophen haben Denker wie Augustinus oder Thomas von Aquin viel über »christliche Freundschaft« geschrieben. Von Jesus berichtet das Johannesevangelium, dass er in einem entscheidenden Moment seines Lebens, nämlich am Abend vor seinem Tod, von der Freundschaft gesprochen hat. Er sagte zu seinen Jüngern: »Ich nenne euch nicht mehr Knechte, sondern Freunde« (Joh 15,15). Und: »Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben hingibt für seine Freunde« (Joh 15,13). An solchen Worten sollte ein Nachdenken über die »wahre Freundschaft« nicht vorbeigehen.

    Gibt es Freundschaft? In der antiken Philosophie und bei den modernen Soziologen, im biblischen Erbe und in der christlichen Reflektion gibt es viele Mosaiksteine, die, wenn man sie zusammenfügt, ein neues und erstaunliches Bild ergeben. Die Frage nach der Freundschaft ist nicht nur eine Frage intellektueller Neugier. Sie ist eine existentielle Frage. Die Frage, ob das, worauf sich unsere menschliche Sehnsucht richtet, auch wirklich existiert. Letztlich die Frage, ob menschliches Glück existiert – oder nur eine Utopie bleibt, die am Felsen der harten Wirklichkeit zerschellt. So hängt die Frage nach der Freundschaft zusammen mit der nach dem Sinn menschlichen Lebens überhaupt.

    2. Kapitel

    Was ist Freundschaft?

    Wenn wir von Freundschaft sprechen, taucht sofort eine Frage auf: Was genau meinen wir eigentlich damit? Sprechen wir alle über dasselbe, wenn wir das Wort »Freundschaft« in den

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