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Vergiftetes Land: Steiners siebter Fall
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Vergiftetes Land: Steiners siebter Fall
Ebook197 pages1 hour

Vergiftetes Land: Steiners siebter Fall

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About this ebook

Privatdetektiv Bernd Steiner besucht das Dorf, in dem er aufgewachsen ist, als ein Mitglied des einflussreichen Jacobsen-Clans ermordet wird. Die Familie lehnt es ab, die Polizei zu informieren und verlangt stattdessen, dass Steiner den Fall aufklärt. Einen Verdächtigen haben die Jacobsens schon zur Hand. Tolga Kurtoglu, Besitzer eines türkischen Restaurants. Doch Steiner hegt Zweifel an der Schuld des tief religiösen Mannes.
In seinem siebten Fall ermittelt Steiner, Ex-Kommissar im Rollstuhl, zwischen Bio-Schwindlern und Islam-Hassern. Bei seinen Ermittlungen deckt er Geheimnisse auf, die auch sein eigenes Leben verändern …
In der Krimi-Reihe mit Kommissar Steiner sind bisher im mainbook Verlag erschienen:
1. Band: "Gekreuzigt". 2. Band "Der 7. Patient". 3.Band "Wo bist du?". 4. Band "Böses Netz". 5. Band "Mord am Mikro". Band 6 "Die Rückkehr des Rippers".
LanguageDeutsch
Release dateMar 11, 2015
ISBN9783944124605
Vergiftetes Land: Steiners siebter Fall

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    Vergiftetes Land - Martin Olden

    35

    1

    Totensonntag – 22. November 2015

    Bernd Steiner hob das Jagdgewehr. „Wer dem Türken ein Haar krümmt, den blas ich weg!"

    Er sah in die Mündung einer Flinte, die auf ihn gerichtet wurde. Jede Sekunde konnte in der engen Jagdhütte die Hölle losbrechen.

    Jemand schrie: „Dann stirbst auch du, Kanakenfreund!"

    Innerlich grinste Steiner. So hatte man ihn noch nie genannt. Rassist und Nazischwein waren Beleidigungen, mit denen er häufiger im Laufe seines Lebens konfrontiert worden war. Aber Kanakenfreund? Das war etwas Neues. Und es gefiel ihm. An den Klang konnte er sich gewöhnen.

    „Ich gehe lieber drauf, als euch bei eurem Lynchmord zu helfen!", sagte Steiner. Sein Finger lag auf dem Abzug. Er war zum Äußersten bereit.

    Fühlten die Männer ebenso, die ihm drohend gegenüberstanden, oder blufften sie nur?

    Im Hintergrund hörte er, wie sich die Zeiger einer Wanduhr kriechend bewegten. Ihr stetiges „Tick-Tack" wog in der Stille so schwer wie das Dröhnen von Kirchenglocken. Die Luft in der Hütte war erfüllt vom Geruch nach altem Holz, Staub, Nässe und Angstschweiß. Aus dem Augenwinkel beobachtete Steiner, dass sich der BILD-Reporter Tom Thomsen über die feuchte Stirn wischte. Er hatte sich in den vergangenen zwei Tagen tapfer geschlagen und als große Hilfe erwiesen. Aber lange schien sein Nervenkostüm nicht mehr mitspielen zu wollen.

    „Bitte, Bernd, sagte eine Frauenstimme. „Wir wollen Gerechtigkeit. Das musst du doch verstehen. Ist es dir nicht genauso ergangen, als dein Bruder ermordet worden ist? Der Türke soll zahlen für das, was er getan hat.

    „Tolga ist unschuldig, erwiderte Steiner. „Er hat den Mord nicht begangen. Ich kann es beweisen, wenn ihr mir eine Minute zuhört.

    Ein Mann lachte dreckig. „Tut mir leid, aber Tote können uns keine Märchen mehr erzählen. Und du wirst tot sein, genau wie die anderen, wenn du nicht augenblicklich das Gewehr runter nimmst!"

    Thomsen flüsterte: „Verdammt, Bernd. Hör auf, den Tough Guy zu spielen und tu, was er sagt."

    Der Ex-Kommissar dachte nicht daran. Über Kimme und Korn visierte er sein Ziel an. Zu seiner Linken hörte er den gleichmäßigen Atem seines Partners Karol Makourek, der ebenfalls sein Gewehr in Anschlag brachte. Steiner grinste. Wenigstens würde er an der Seite eines Freundes sterben.

    2

    Sechs Tage zuvor: Montag

    Mein Land. Lars Jacobsen ließ seinen Blick über die Kartoffelfelder schweifen. Der schwere Morgennebel eines heraufziehenden Novembertages waberte über die Ackerfurchen, die sich bis zum Horizont erstreckten. Die Schwärze des Himmels wechselte gerade in ein dunkles Blau und tauchte den Hof der Jacobsens in ein geisterhaftes Licht. Für Lars war es ein Anblick, der sein Herz in freudiger Erwartung höher schlagen ließ. Wenn die Sonne vollends aufgegangen war, würde sie die zweistöckige Villa, die Scheunen, das Kühlhaus und die weiten Felder berühren. Jeden Flecken, der ihm gehörte. Sein Reich. Lars legte den Kopf in den Nacken und atmete die kühle und feuchte Luft ein. Mit geschlossenen Augen sagte er: „Danke Vater. Für alles, was du mir hinterlassen und beigebracht hast."

    Ein selbstzufriedenes Grinsen erschien auf seinem vollen Gesicht. Mit raumgreifenden Schritten lief er über den Kiesweg zu dem flachen Bürogebäude, in dem ein einsames Licht brannte, und achtete darauf, nicht in eine der Regenpfützen zu treten, um die Hosenbeine seines grauen Anzugs nicht zu beschmutzen. Im Geiste ging er die Termine und Aufgaben durch, die seinen heutigen Arbeitstag bestimmen würden, und rief sich einmal mehr die zehn Gebote eines erfolgreichen Geschäftsmanns ins Gedächtnis, die ihm sein Vater Johann Jacobsen anvertraut hatte.

    Du sollst nicht verschenken, was du teuer verkaufen kannst.

    Du sollst stets deinen Vorteil suchen.

    Du sollst deine Konkurrenten ausstechen.

    Du sollst hart gegen dich und andere sein.

    Du sollst nie mit wenig zufrieden sein.

    Du sollst den Reichtum deiner Väter mehren.

    Du sollst den Fortschritt nicht versäumen.

    Du sollst dich nicht erwischen lassen, wenn du den Staat betrügst (oder deine Frau).

    Du sollst dein Land niemals in die Hände von Fremden fallen lassen.

    Du sollst niemandem vertrauen.

    „Hey, Lars! Guten Morgen!"

    Es war sein jüngerer Bruder Björn, der an einem der Traktoren herumfummelte und Lars überschwänglich zuwinkte, als habe er ihn Monate nicht gesehen.

    „Morgen, mein Lieber! Ales klar?", fragte Lars.

    „Ich glaub, das Ge…Getriebe klemmt, stotterte Björn. „Muss ich rep…reparieren. Ja, reparieren muss ich das.

    „Sicher, wenn es nötig ist. Du schaffst das schon, sagte Lars fröhlich und fügte murmelnd hinzu: „Wenigstens etwas, das du kannst, du schwachsinniger Kretin.

    Im Büro hängte Lars seinen breitkrempigen Lodenhut auf den dafür vorgesehenen Ständer hinter der Eingangstür, prüfte den Sitz seines Cäsaren-Haarschnitts, zupfte den Krawattenknoten zurecht und begutachtete wohlwollend die Beine seiner Sekretärin Nina May, eine hübsche Brünette in den Zwanzigern, die begriffen hatte, dass kurze Röcke für ihn ebenso wichtig waren wie die Fähigkeit, ein Anschreiben fehlerfrei zu tippen.

    „Einen wunderschönen guten Morgen, Nina." Lars verzog die schmalen Lippen zu einem gewinnenden Lächeln, das die junge Frau sofort erwiderte.

    „Den wünsche ich dir auch, Chef. Sie warf ihre braune Mähne in den Nacken und funkelte ihn aus grünen Katzenaugen an. „Hast du gut geschlafen?

    „Ging so. Du weißt ja, neben Grit zu liegen, ist wie im Sarkophag einer Mumie zu schlafen. Er setzte sich auf die Schreibtischkante, wobei sich sein Bauchansatz über den Hosenbund schob. „Ich könnte mal wieder ein bisschen Abwechslung gebrauchen. Wer hart arbeitet, der muss auch ab und zu entspannen. Seine Finger strichen über Ninas Handrücken. „Wie geht es deinem Mann?"

    „Wie der Zufall so spielt. Er musste heute wieder auf Tour und kommt nicht vor morgen früh zurück."

    „Tja, das Los des einfachen Angestellten. Viele Aufgaben und wenig Freiheiten."

    Nina grinste keck. „Dafür habe ich umso mehr Freiheit. Ich kann Besuch bekommen von wem ich will."

    „Dann stell den Sekt kalt. Ich bin so gegen neun bei dir. Lars‘ Blick hing an ihren straffen Brüsten, die von einer Seidenbluse nur schwer im Zaum gehalten wurden. „Ich sehe schon, es wird ein großartiger Tag werden.

    Er lachte, stand auf und ging zur Tür seines Arbeitszimmers. „Ach ja … verbinde mich bitte mit Herrn Jürgens von EDEKA. Der Halsabschneider versucht schon wieder, mich im Preis zu drücken. Aber nicht mit mir, Freunde! Anschließend gibst du mir Herrn Reinke von der Firma Niemeyer. Wir brauchen einen neuen Düngerstreuer für die Frühjahrssaison."

    „Moment, Chef! Da ist noch was!"

    „Ja?"

    Nina deutete auf das Arbeitszimmer. „Du hast Besuch."

    „Um diese Zeit? Von wem?"

    „Es ist Erik."

    „Verdammt! Lars schnitt eine Grimasse. „Wieso hast du den Kerl reingelassen?

    „Ich konnte nicht anders. Er stand vor der Tür, als ich gekommen bin, und als ich versucht habe, ihn abzuwimmeln, ist er sehr grob und gemein geworden. Es tut mir leid", sagte Nina in einem weinerlichen Kleinmädchenton.

    „Schon gut, Schätzchen. Ich werde mir den Versager mal vornehmen." Grob drückte Lars die Türklinke herunter. Vielleicht wird der Tag doch nicht so gut, wie ich dachte.

    3

    Lars klopfte auf die breite Schulter seines Gastes, der vor dem Schreibtisch saß und eine Zigarette rauchte. „Erik! Welche Freude dich wiederzusehen, großer Bruder! Hast du Mama schon Hallo gesagt?"

    „Wir haben telefoniert. Sie hat mir versprochen, mein Lieblingsessen zu kochen."

    „Sauerbraten mit Klößen, was? Fein. Dann erwartet uns ein schönes Familienessen heute Abend. Lars lächelte noch immer, während er in seinem Ledersessel Platz nahm. „Was kann ich für dich tun? Nein, sag nichts. Ich kann mir denken, weshalb du hier bist.

    „Wirklich? Erik Jacobsen bedachte seinen Bruder mit einem spöttischen Blick. „Da bin ich aber gespannt.

    „Im Grunde habe ich dich viel früher erwartet. Immerhin ist Vater bereits seit einer Woche tot. Was hat dich denn aufgehalten? War es wieder das Spielcasino? Oder irgendeine billige Prostituierte?"

    Amüsiert strich Erik über seine von Aknenarben zerfurchten und wettergegerbten Wangen. „Donnerwetter! Deine hohe Meinung von mir hat sich nicht geändert."

    „Du hast in den vergangenen dreißig Jahren auch alles getan, um dir deinen Ruf redlich zu verdienen, werter Bruder. Lars verschränkte die Hände auf der Tischplatte. Seine kalten, blauen Augen hafteten auf Erik. Das Dauerlächeln machte einem unnachgiebigen Ausdruck Platz. „Vater hat dich enterbt. Und ich sehe keinen Grund, seinen Willen zu ändern. Von mir bekommst du nicht einen Cent. Und ich werde auch dafür sorgen, dass Mama dir nichts gibt. Egal wie sehr du bettelst. Für einen Herumtreiber wie dich ist in unserer Familie kein Platz. Habe ich mich verständlich ausgedrückt?

    Erik lachte rau und fuhr sich durch das zerzauste Haar, dunkelblond wie das seines Bruders. „Ich habe nicht erwartet, dass du mir die Kohle unseres ach so geliebten Vaters auf einem Silbertablett servierst. Er stieß eine Rauchwolke zur Decke. „Ich bin gekommen, um dir ein Geschäft vorzuschlagen.

    „Ach! Welches Geschäft sollte ich ausgerechnet mit dir eingehen wollen?"

    „Du und Big John …"

    Lars unterbrach. „Ich hasse es, wenn du Vater so nennst."

    „Du und Big John, fuhr Erik ungerührt fort, „ihr zwei seid immer gegen mich gewesen. Weil ich es gewagt habe, die heilige Tradition zu verraten und mein Leben nicht mit der Aufzucht von Kartoffeln verbringen wollte.

    „Nein, du hast dich lieber in halbseidenen Bars und an Pokertischen rumgetrieben."

    „Ich habe noch eine ganze Menge mehr gemacht, sagte Erik. „Und viel gelernt. Dumm war ich jedenfalls nie. Er schnippte die Zigarette in Lars‘ Kaffeebecher und zündete sich sofort die nächste an. Auf den ersten Zug folgte ein kurzer Hustenanfall, ehe er erklärte: „Anfang des Jahrs hatte ich in Peru zu tun. Dabei ist es leider zu einem kleinen Zusammenstoß mit der Polizei gekommen und ich musste ein paar Tage im Gefängnis von Lima verbringen. Im Knast habe ich einen Bauern getroffen. Nennen wir ihn Pedro. Du weißt sicher, dass Peru die Heimat der Kartoffel ist. Seit ungefähr siebentausend Jahren werden die Dinger dort angebaut. Es ist noch immer eines der Hauptnahrungsmittel der Peruaner. Leider Gottes häuft sich in diesem Land die Zahl der missgebildeten Säuglinge. Die Behinderungen sind auf dem Mist von Typen wie meinem Zellenkumpel Pedro gewachsen – ein gewissenloser Bauer, der seine Felder mit Pestiziden gedüngt hat. Genauer gesagt mit Maleinsäurehydrazid."

    Erik versuchte eine Reaktion im Gesicht seines Bruders abzulesen, doch er zeigte ein undurchsichtiges Pokerface. „Das Gift wird auf dem Feld verteilt, von der Kartoffelpflanze aufgenommen und in die Knolle transportiert. Dagegen hilft auch kein Waschen oder Schälen. Es schädigt das Erbgut. Das haben Wissenschaftler erwiesen."

    „Schreckliche Sache, sagte Lars. „Aber was hat das mit dem Geschäft zu tun, das du mir vorschlagen wolltest?

    „Wart´s ab, meinte Erik grinsend. „Pedro war Bio-Bauer. Genau wie du. Und er hat sich gedacht, dass er einen guten Schnitt macht, wenn er das konventionell angebaute Giftzeug als naturreine und wesentlich teurere Bio-Ware umdeklariert und an seine Abnehmer in Deutschland, Dänemark, Österreich und den Niederlanden vertickt. Seine Rechnung ist aufgegangen. Er hat damit in zwei Jahren einen Gewinn von umgerechnet zweieinhalb Millionen Euro erzielt. Dummerweise wurde er von einem Konkurrenten verpfiffen. Ergebnis: acht Jahre Gefängnis.

    „Pech für ihn, sagte Lars und sah auf seine Breitling-Uhr. „Allerdings verstehe ich immer noch nicht, was du von mir willst, Erik, und ich verliere allmählich die Geduld.

    Erik lächelte schief. „Nun, ich denke, dass du sicher keine Lust hast für acht Jahre hinter Gitter zu wandern und wir einen kleinen Handel abschließen können."

    „Du redest wirres Zeug! Die südamerikanische Sonne hat dir wohl den letzten Rest deines Verstandes weggebrannt!"

    „Als mir Pedro erklärt hat, wie viel man mit Bio-Schwindel absahnen kann, da hat‘s sofort hier oben geklingelt. Er tippte sich an die Stirn. „Mensch, habe ich mir gesagt, der alte Big John und mein lieber Bruder Lars haben sicher ihre Finger mit im Spiel. Wenn es um Profit ging, war euch das Schicksal der Menschen immer egal. Ich weiß ja, wie Big John seine Saisonarbeiter behandelt hat – kaum besser als Sklaven.

    „Komm zum Punkt!" Lars mahlte angespannt mit dem Unterkiefer.

    „Der Punkt ist, dass ich vor einer Woche schon mal hier gewesen bin. Nachts. Es war nicht schwer, das Schloss von deinem schicken Kühlhaus zu knacken, in dem du deine Kartoffeln für den Weiterverkauf an die Großhändler aufbewahrst. Zumindest nicht schwer für mich. Wie du dich erinnern wirst, sind Bernd Steiner und ich früher um die Häuser gezogen. Vor uns war keine Gartenlaube sicher – auch nicht Big Johns Cadillac. Die Erwähnung vergangener Jugendtage ließ seine braunen Augen aufleuchten. „Na ja, ich bin also in dein Lager eingestiegen, habe mir ein paar Kartoffeln eingesteckt und sie in einem Labor analysieren lassen. Keine Angst, ich habe denen nicht verraten, woher ich sie hatte. Interessiert dich das Ergebnis?

    Lars erhob sich und lief zu einem mit Flaschen und Gläsern bestückten Bartisch, der an der Wand unter der Replik eines mächtigen Wikingerschwerts stand. „Wieso hat Leo nicht gebellt, als du bei mir eingebrochen bist? Wahrscheinlich hat ihn Nils wieder mit ins Bett genommen, verdammt!", murrte er vor sich

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