Geschichten vom kleinen Seemann: Kurzgeschichten zum Vorlesen und Weitererzählen
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Heinz Handtrack
Heinz Handtrack stammt gebürtig aus Norddeutschland und ist Jahrgang 1955. Nach dem Abitur lernte er die See in all ihrer Schönheit und Rauheit während der Ausbildung zum nautischen Schiffsoffizier auf zahlreichen Handelsschiffen und auf den berühmten sieben Weltmeeren kennen. Später arbeitete er in verschiedenen Managementpositionen im In- und Ausland, ohne aber die Leidenschaft für die See und das Segeln zu verlieren. Heute lebt er als selbständiger Unternehmensberater in der Nähe von Stuttgart.
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Book preview
Geschichten vom kleinen Seemann - Heinz Handtrack
2008
Das Geschichtenbuch
Wir sind in einer kleinen Hafenstadt mit engen Gassen, weißen Häusern unten am Hafen und vielen kleinen Spelunken. Schiffe aus aller Welt liegen im Hafen und ein babylonisches Sprachengewirr erfüllt die Straßen. Exotische Gerüche von fremden Gewürzen dringen in die Nasen und lassen erahnen, welche leckeren Düfte es noch auf der Welt geben mag. Überall herrscht geschäftiges Treiben, die Schiffe werden gelöscht und beladen, Kaufleute eilen geschäftig zwischen ihren Kontoren und den Schiffen hin und her.
Oberhalb des Ortes, auf einem steilen Hügel, liegt ein mittelalterliches Kloster. Es wirkt auf den Besucher fast wie ein verwunschener Ort, eine Oase der Ruhe und auch der Kühle während der heißen Sommermonate. Das Kloster ist für die ein- und ausfahrenden Seeleute stets eine wichtige Wallfahrtsstätte. In der kleinen Kapelle bitten sie vor jeder Ausfahrt in unbekannte Gewässer und auf ihren Reisen zu fremden Kontinenten und Inseln um eine glückliche Heimkehr. Sind sie nach Monaten oder oftmals Jahren wieder gesund heimgekehrt, führt ihr erster Weg sie wiederum in die kleine Kapelle, um für die glückliche Heimkehr zu danken. Die in dem Kloster lebenden Mönche haben die zahllosen Dankesgaben und Opfer der Seeleute gesammelt und in einem kleinen Raum für die wenigen Besucher, die sich dorthin verirren, ausgestellt.
Unter diesen Gaben befindet sich ein wunderbarer Schatz. Allerdings erkennen die Besucher es nicht als das wohl wertvollste Ausstellungsstück. Die meisten laufen dagegen achtlos an der Vitrine vorbei, in der es liegt. Kein Schild, keine Tafel weist darauf hin. Es handelt sich um ein abgegriffenes Buch in einem Ledereinband ohne Titel und Namen eines Verfassers. Da es wohl oftmals in die Hände genommen worden ist zahllose Widrigkeiten auf weiten Seereisen überstanden hat, sieht es schon etwas schäbig aus. Lediglich ein kleiner handschriftlicher Vermerk von den Mönchen neben dem Buch erinnert daran, dass es sich um das Geschenk eines unbekannten kleinen Seemannes handelt, der es nach seiner endgültigen Abmusterung dem Kloster zur Aufbewahrung übergeben hat. Doch die Mönche wissen um den Schatz, den sie in ihren Mauern aufbewahren und sorgsam schützen. Sie prüfen vorher sehr genau, wem sie das Buch in die Hand geben, um darin zu lesen. Aber nie würde es die Mauern des Klosters verlassen!
Die Seiten sind Zeile für Ziele in einer feinen Handschrift, fast kindlich zu nennen, beschrieben worden. Wer das Buch einmal angefangen hat zu lesen, wird es nicht mehr aus der Hand legen, so zieht es den Leser in seinen Bann. Das Tagebuch des kleinen Seemannes führt den Leser zu mystischen Orten in exotischen Ländern dieser Erde, erzählt von Fabelwesen, wilden Abenteuern und von der Verständigung mit den Tieren. Genau darum wachen die Mönche mit Argusaugen über dieses Buch. Ist es doch, wenn man diese Art der Sprache entschlüsseln kann, die Brücke zwischen den Menschen und der Tierwelt. Aber über diese Brücke können nur Menschen gehen, die eine reine Seele und nur Gutes im Sinn haben.
Wir aber dürfen dieses Buch Seite für Seite aufschlagen.
Dabei erfahren wir, dass der kleine Seemann eigentlich nicht mehr viel von seiner eigenen Kindheit und Jugend wusste. Er konnte sich wohl aber noch daran erinnern, wann er das erste Mal ein Schiff betreten hatte, denn es war schon als Junge sein sehnlichster Wunsch, zur See zu fahren, die Welt kennen zu lernen und zahllose Abenteuer zu bestehen. So lange er denken konnte, ist er immer auf dem gleichen Schiff gefahren, mit seinen Mannschaftskameraden, Offizieren und Unteroffizieren sowie dem alten Kapitän.
Schon im Verlauf der ersten Seereise spürte der kleine Seemann, dass er wohl über besondere Fähigkeiten verfügen musste. Er konnte, ohne es vorher auch nur zu ahnen, sich mit den Fischen und Vögeln auf See unterhalten. Wenn er mit ihnen sprach, redete er mit seinen Worten und in seiner Sprache. Aber die Tiere verstanden seine Worte und antworteten ihm in ihrer Sprache. In seinen Ohren jedoch klangen diese Töne wie Worte aus seiner Sprache. Er hielt es erst für einen Zufall, dann entdeckte er aber, dass er tatsächlich über die Fähigkeit verfügt, sich mit den Tieren über und unter Wasser zu verständigen. Ihm wurde sehr schnell bewusst, dass er dieses Geheimnis immer für sich bewahren musste, um sicher zu sein, dass dieser Schlüssel zur Tierwelt nicht in die falschen Hände gerät und die Tiere dadurch in Gefahr gebracht werden könnten. Er hat aber auch gelernt, dass er sich mit den Tieren nur verständigen kann, so lange sie spüren, dass er eine reine Seele hat und die Hilfe der Tiere nur in der Not und auch nur zum Wohle anderer in Anspruch nehmen wollte.
Der Klopferkobold
Der kleine Seemann war mit seinem Schiff, seiner Mannschaft und dem alten Kapitän auf einer langen Reise durch eine tropische Inselwelt in der südlichen Hemisphäre unterwegs. Vorbei an der größten Insel des Archipels und vorbei an erloschenen Inselvulkanen zum größten Hafen der Insel. Eine fast unübersehbare Menge von kleinen Küstenseglern war