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Verknüpfte Systeme: Wie berufliche Konflikte durch das familiäre System beeinflusst werden.
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Ebook390 pages3 hours

Verknüpfte Systeme: Wie berufliche Konflikte durch das familiäre System beeinflusst werden.

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About this ebook

Organisationen und Unternehmen sind in der wissensintensiven Gesellschaft zunehmend auf die Ressource Mensch angewiesen. Eine Unternehmenskultur, die belastende soziale Beziehungen professionell unterstützt, nimmt soziale Verantwortung wahr und trägt zur Sicherung des Unternehmenserfolgs bei.

Dieses Buch bietet zum Verständnis menschlicher Verhaltensweisen und Konfliktdynamiken grundlegende theoretische und wissenschaftliche Erkenntnisse aus den Disziplinen Psychologie, Soziologie, Neurowissenschaften, Kommunikationsforschung, Konfliktforschung und Systemtheorie.

Das Herzstück bildet qualitative empirische Sozialforschung in Form von videodokumentierten Fallstudien aus Systemischer Aufstellungsarbeit. Diese bieten tiefe Einblicke in persönliche menschliche Erfahrungen und liefern spannende Zusammenhänge sozialer Systeme.

Das Buch darf als Grundlagenwerk für nachhaltige Konfliktbearbeitung und persönliche Entwicklung verstanden werden.
LanguageDeutsch
Release dateJul 10, 2015
ISBN9783739273266
Verknüpfte Systeme: Wie berufliche Konflikte durch das familiäre System beeinflusst werden.
Author

Susanne Herzog

Mag. Susanne Herzog ist Wirtschaftsmediatorin, Unternehmensberaterin, Business Coach und Trainerin für Kommunikation und Konfliktmanagement. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Kompetenztraining und Unterstützung sozialer Beziehungen in Gruppen und Teams. Kontakt: www.friedenszone.at

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    Verknüpfte Systeme - Susanne Herzog

    Herzog

    1 EINLEITUNG

    Der Mensch als Individuum ist Teil eines komplexen sozialen Gefüges. Er wird in ein Familiensystem hineingeboren, und die Familie trägt unter Einfluss kultureller Gegebenheiten wesentlich zu seiner Persönlichkeitsentwicklung und Sozialisation bei. Personen erfahren und lernen im familiären System und weiteren Institutionen bestimmte Bindungsstile, Verhaltensweisen, Rollen, Denkmodelle, Werthaltungen und Kommunikationsmuster kennen, die ihre weitere Entwicklung beeinflussen.

    Der Mensch bewegt sich in seinen unterschiedlichen Lebensrollen als Kind, Schüler, Elternteil, Erwachsener, Berufstätiger, usw. in verschiedenen komplexen sozialen Systemen und steht mit anderen Systemmitgliedern in Verbindung und Interaktion. Unterschiedliche Persönlichkeits- und Motivstrukturen, divergierende Sichtweisen und persönliche Wahrheiten führen zu Spannungsfeldern zwischen Individuen. Beziehungskonflikte sind im menschlichen Zusammenleben üblich und bieten Chancen zur Veränderung und Weiterentwicklung. Eskalierende Konflikte führen zu Dynamiken und Verhaltensmustern, die von den Beteiligten nicht bewusst wahrgenommen werden. Lebensqualität und Qualität der Beziehung im privaten Umfeld oder am Arbeitsplatz erfahren Einbußen.

    Arbeitsplatz und Entlohnung garantieren dem Individuum und der Gesamtgesellschaft Existenzsicherung und Erfüllung grundlegender materieller Bedürfnisse. Dabei sind in der modernen Gesellschaft Spezialisierung und Zusammenarbeit zwingend notwendig. Menschen erweitern durch ihre Arbeitstätigkeit ihr soziales Umfeld und ihren Horizont, entwickeln über das Berufsbild soziale Identität und erfahren unter sicheren Bedingungen Stabilität, die sie in das private Umfeld mitnehmen.

    Unternehmen erzielen in der postindustriellen Gesellschaft Wettbewerbsvorteile durch Informations- und Wissenssicherung über Bildung und konstruktive Kommunikation. Durch ein funktionierendes Zusammenspiel von Individuen in Familie, Bildungseinrichtungen, Wirtschaft mit ihren Institutionen und existenzsichernden Unternehmen, durch sozial- und gesellschaftspolitische Maßnahmen und Investitionen in Entwicklung, Bildung, Gesundheit, Sicherheit und Kultur wird die Basis für friedvolle gesellschaftliche Strukturen geschaffen. Eine Gesellschaft ist geprägt durch psychische, emotionale und soziale Intelligenz, Stabilität, Gesundheit und Leistungsfähigkeit ihrer Mitglieder. Diese Kompetenzen und Fähigkeiten werden durch die Gesellschaft im Sozialisationsprozess vermittelt und erworben.

    Unternehmen bieten in ihrer Rolle als Arbeitgeber Möglichkeiten formeller und informeller sozialer Beziehungen und gruppendynamischer Prozesse. Diese tragen wesentlich zum tertiären Sozialisationsprozess bei und ermöglichen Aktualisierungen bisher erworbener Strukturen und Erfahrungen von Menschen.

    Eine Unternehmenskultur, die bei anhaltenden Kommunikationsschwierigkeiten, belastenden Spannungsfeldern oder andauernden Konflikten komplexe professionelle Konfliktbearbeitung bzw. Mediationsverfahren umsetzt, nimmt soziale Verantwortung wahr und trägt zur Sicherung des Unternehmenserfolgs und der Unternehmensressourcen bei.

    1.1 Problemstellung

    Organisationen und Unternehmen sind in der wissensintensiven Gesellschaft zunehmend auf die Ressource Mensch angewiesen. Die humane Arbeitskraft stellt einen wesentlichen Wirtschaftsfaktor dar. Wissen und Information wird über Kommunikation weitergegeben, Kommunikation setzt soziale Beziehung voraus. Unternehmensstruktur und Systemordnung, Unternehmensziel, Firmenphilosophie, Führungsverhalten, gruppendynamische Prozesse und der Mensch als Individuum mit seinen Prägungen und Erfahrungen bieten Potenzial für Spannungsfelder und Konflikte. Konflikte sind sozial, da sie aus Kommunikation entstehen.

    Resiliente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Führungskräfte greifen in Veränderungssituationen und informellen Spannungsfeldern auf persönliche und sozial vermittelte Ressourcen zurück und nutzen ihr Konfliktlösungspotenzial, soweit die Unternehmensstrukturen dies zulassen. Das Konfliktverhalten kann nicht mehr konstruktiv gesteuert werden, wenn

    diese Ressourcen fehlen oder blockiert sind,

    destruktive Verhaltensweisen präsent sind,

    implizite Verhaltensdynamiken aus dem Familiensystem unbewusst ein Gegenüber im beruflichen System finden,

    unbewusste destruktive Glaubenssätze Verhalten und Kommunikation beeinflussen,

    Übertragungen aus dem Familiensystem stattfinden,

    die berufliche Systemordnung Störfaktoren aufweist,

    gruppendynamische Prozesse undurchschaubar werden,

    Konflikte eskalieren und zu Veränderung der Perzeption führen.

    Fortdauernde und ungelöste Konflikte beeinträchtigen psychosoziale Fähigkeiten und seelisches Befinden der Beteiligten und tragen wechselwirkend zur Eskalation oder Fixierung bei. Die Interventionen in der Konfliktbearbeitung hängen vom Eskalationsgrad und von der Art der Beziehungen zwischen den Parteien ab.

    Nachhaltige Wirkungen werden dann erreicht, wenn der Konfliktkern (das, worum es wirklich geht) erkannt wird, wenn den Beteiligten Unbewusstes bewusst wird, wenn Haltung und Verhalten verändert werden, und bereits stattgefundene seelische Beeinträchtigungen heilen dürfen.

    1.2 Ziel und Zweck der Arbeit

    Ziel der Arbeit ist festzustellen, ob Systemische Aufstellungsarbeit die komplexe Dynamik von Beziehungskonflikten am Arbeitsplatz und deren Ursprung sichtbar macht, wenn dieser im familiären System zumindest einer bzw. eines Konfliktbeteiligten liegt. Die Aufstellungsarbeit erfolgt als Anliegen aus der Sicht einer bzw. eines Konfliktbeteiligten (Klientin, Klient), weitere Beteiligte werden mittels Repräsentantinnen und Repräsentanten vertreten. Die erforschten Phänomene lösungsfokussierter Systemischer Aufstellungsarbeit werden dabei genutzt. Es soll festgestellt werden, ob die belastende Dynamik mit Beteiligten am Arbeitsplatz ident ist mit der Dynamik zu Mitgliedern aus der Herkunftsfamilie oder Gemeinsamkeiten aufweist, ob übernommene Glaubenssätze aus dem Familiensystem im beruflichen System präsent sind, bzw. ob es weitere Übereinstimmungen der Dynamik des familiären Systems oder Verhaltensweisen aus dem familiären System mit dem beruflichen gibt.

    Dabei sind die Entwicklung des Individuums im Sozialisationsprozess mit relevanten Einflussfaktoren auf seine Persönlichkeit, Verhalten, Kommunikation und Kommunikationsstile, das Rollenverständnis des Menschen und seine Interaktionsmuster in Konfliktsituationen in sozialen Systemen zu betrachten.

    Die theoretische und wissenschaftliche Darstellung aus den Disziplinen Psychologie, Soziologie, Neurowissenschaften, Kommunikationsforschung, Konfliktforschung und Systemtheorie sollen einerseits einen fundierten Einblick in menschliche Verhaltensweisen und deren Entstehen geben. Andererseits soll ein Einblick in die Komplexität von Kommunikation und Verhalten beim Zusammentreffen mehrerer Individuen geschaffen werden und die Bedeutung der systemischen Sichtweise integriert werden.

    Praktische und theoretische Erkenntnisse aus Erfahrungen namhafter Vertreterinnen und Vertreter Systemischer Aufstellungsarbeit untermauern die Anwendungs- und Interventionsmöglichkeiten Systemischer Aufstellungsarbeit.

    Beobachtung und Schlussfolgerungen qualitativer empirischer Sozialforschung in Form von videodokumentierten Fallstudien aus Systemischer Aufstellungsarbeit mit Klientinnen und Klienten in beruflichen Konfliktsituationen sollen Zusammenhänge zwischen dem beruflichen und familiären System darstellen. Sie sollen verdeutlichen, dass Konfliktbearbeitung dann nachhaltig wirkt, wenn den Konfliktbeteiligten Ursprung und Dynamik ihres Verhaltens und ihre individuelle Wahrnehmung und Sichtweise bewusst werden, um diese im nächsten Schritt verändern zu können.

    1.3 Hypothese

    Aufgrund der Problemstellung wird folgende Hypothese formuliert:

    Durch Systemische Aufstellungsarbeit wird sichtbar gemacht, dass Beziehungskonflikte am Arbeitsplatz ihren Ursprung im familiären System haben.

    Die Hypothese wird durch Literaturrecherche und qualitative empirische Sozialforschung untermauert.

    1.4 Aufbau der Arbeit

    Der erste Teil der Arbeit gibt in Kapitel eins einen Überblick über die Entwicklung und Prägung des Individuums in komplexen sozialen Systemen. Es beschreibt die Notwendigkeit einer komplexen Betrachtungsweise in Konfliktsituationen und den gesellschaftspolitischen Aspekt der Konfliktbearbeitung in Unternehmen.

    In den theoretischen Grundlagen in Kapitel zwei werden die in der Hypothese verwendeten Begriffe definiert. Damit werden ihre unterschiedlichen Verwendungsformen dargestellt und die Bedeutung für die wissenschaftliche Arbeit festgelegt und abgegrenzt.

    Kapitel drei befasst sich mit der Bedeutung der Familie für das Individuum als biologischer Notwendigkeit zur Existenzsicherung und der persönlichen Entwicklung. Dabei werden die verschiedenen Bindungsarten, prägende Störfaktoren, deren Einfluss auf die neuronalen Strukturen und auf menschliche Verhaltensweisen dargestellt.

    Kapitel vier stellt ergänzend die weitere Sozialisation des Menschen als Drei-Phasen-Modell dar und nimmt themenübergreifend Bezug auf Kommunikations- und Beziehungsdynamiken. Der Begriff der seelischen Axiome wird erläutert.

    In Kapitel fünf werden komplexe soziale Systeme mit ihren wesentlichen Eigenschaften dargestellt und auf systemtheoretische Grundlagen eingegangen.

    Die Spannungsfelder am Arbeitsplatz im Hinblick auf Beziehungskonflikte werden in Kapitel sechs behandelt. Dabei wird auf gruppendynamische Prozesse, unterschiedliche Konfliktarten und deren Folgen eingegangen. Die stufenweise Eskalation von Konflikten wird beschrieben.

    Kapitel sieben gibt einen Überblick über die Entstehungsgeschichte der Systemischen Aufstellungsarbeit und stellt bekannte Vertreterinnen und Vertreter und relevante unterschiedliche Methoden und Anwendungsformen dar.

    Kapitel acht stellt die Möglichkeiten eines Perspektivenwechsels dar und beschreibt, wie Bilder in unserem Kopf entstehen, welche Fehlerquellen die menschliche Wahrnehmung birgt, und aus welcher Motivation heraus Menschen versuchen, ihre Probleme zu lösen.

    Kapitel neun beschäftigt sich mit der Auswahl und Rechtfertigung des Forschungsdesigns und Systemischer Aufstellungsarbeit am Feld. Die Beobachtungen Systemischer Aufstellungsarbeit in Beziehungskonflikten am Arbeitsplatz werden in Form von Einzelfallstudien dargestellt. Im Anschluss daran erfolgen in Kapitel zehn Erkenntnisse der Forschungsarbeit, Schlussfolgerungen und die Überprüfung der Hypothese.

    2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN

    Die theoretischen Grundlagen dienen als Arbeitsbasis. Unterschiedliche Bedeutungsmöglichkeiten der in der These verwendeten Begriffe werden dargestellt und auf ihre Anwendung im Bezug zur wissenschaftlichen Arbeit abgegrenzt.

    2.1 Begriff: Ursprung

    Das Nominalpräfix Ur- bezeichnet „[…] jemanden oder etwas als Ausgangspunkt, als weit zurückliegend, am Anfang liegend […] etwas als das Erste"¹. Damit wird bereits mit der Vorsilbe ein Anfang, eine Abfolge oder ein am Beginn liegender Sachverhalt benannt.

    In der Mathematik ist der Ursprung „[..] der Schnittpunkt der Koordinaten-Achsen in einem geradlinigen (im Originaltext farbig und unterstrichen), d.h. kartesischen (im Originaltext farbig und unterstrichen) (rechtwinkeligen) oder schiefwinkeligen (im Originaltext farbig und unterstrichen) Koordinatensystem. Die Werte seiner Koordinaten sind Null."². Der Ursprung ist jener Punkt im Koordinatensystem, an dem die Koordinaten den Wert Null annehmen.

    Der Begriff Ursprung entstammt dem mittelhochdeutschen (mhd.) ursprunc, und dem althochdeutschen (ahd.) urspring. „Das Wort bedeutet zunächst ’Quelle’ (im eigentlichen Sinne) und gehört als alte Nominalbildung zu erspringen (im Originaltext kursiv), für das wir heute entspringen (im Originaltext kursiv) sagen."³ Im allgemeinen Sprachgebrauch entspringt ein Fluss an einer Quelle (Ursprung), er nimmt seinen Ausgangspunkt dort, wo das Gewässer erstmals an die Erdoberfläche tritt und eine fortlaufende Fließstrecke bildet. Ursprung definiert somit einen Zeitpunkt, einen Ort oder einen Umstand, aus dem etwas hervorgeht.

    Der Ursprung ist abzugrenzen vom Synonym Ursache als „etwas (Sachverhalt, Vorgang, Geschehen), was eine Erscheinung, eine Handlung oder einen Zustand bewirkt, veranlasst […]"⁴, somit als Anlass, Grund, Auslöser, Kausalität.

    Ursprung ist als Beginn, Anfangs- und Entstehungszeitraum, Zeitraum der Herausbildung zu verstehen. Er stellt keine sichtbare sondern eine bewusste oder unbewusste Kognition im Sinne mentaler Prozesse und Strukturen, Wahrnehmungen und Handlungsmuster in der Vergangenheit dar.

    2.2 Begriff: Sichtbar machen/visualisieren

    Das englische Verb visualize wird im Deutschen mit veranschaulichen, visualisieren, sich vorstellen, sichtbar machen, sich vor Augen führen, sich ein Bild machen von, und aus dem Lateinischen visus (gesehen, Anblick), spätlateinisch visualis (zum Sehen gehörend) übersetzt. Sichtbar bedeutet „[..] mit den Augen wahrnehmbar, erkennbar [..] deutlich [erkennbar] sichtlich, offenkundig"⁵.

    Die angeführten Begriffe und Synonyme setzen Bilder oder Bildsequenzen voraus, die physisch existieren oder durch die Vorstellungskraft des Menschen als Imagination und innere (mentale) Bilder entstehen. Visualisieren ist das Speichern von erlebten und wahrgenommenen Bildern und Prozessen im Gedächtnis und ihr Abruf, und das Entwickeln neuer, in der Umwelt nicht existierender Bilder in Form einer Vorstellung.

    Visualisierung als Substantiv ist eine Bezeichnung für bildliche „[…] Formulierung und Kommunikation, d.h. für Aufbereitung von Information mit v.a. bildl. Mitteln wie auch für visuelle Wahrnehmung; sie dient nicht nur als Zusatzinformation oder Illustration, sondern sie drückt komplexe Inhalte mit eigenen Mitteln aus und behauptet einen Platz neben den Medien Sprache und Schrift."⁶. Information und Kommunikation werden umgewandelt, sodass sie vom Menschen zusätzlich (z. B. zum auditiven System) oder in veränderter Darstellungsform über das visuelle System erfassbar sind.

    Man blickt mit den Augen, aber man sieht mit dem Gehirn."⁷ Das visuelle System des Menschen ist so angelegt, dass Lichtreize über Pupille, Linse und Retina des rechten und linken Auges aufgenommen werden und diese Informationen im Gehirn verarbeitet werden. „Die Forschungsergebnisse unterstützen die Theorie, dass die visuelle Analyse in Pfade aufgeteilt wird: einen Pfad zur Mustererkennung (im Originaltext kursiv) – wie Dinge aussehen – und einen Pfad zur Ortserkennung (im Originaltext kursiv) – wo sich Dinge im Raum befinden[…]"⁸. Das Individuum Mensch erfasst mit Hilfe seiner Augen sowohl Bilder als auch ihre räumliche Anordnung zueinander.

    Visualisieren/sichtbar machen bedeutet das räumliche Darstellen komplexer Situationen und Prozesse durch Hilfsmittel in Form einer Systemischen Aufstellung, sodass sie vom Individuum über das visuelle System in ihrer Gesamtheit erfasst werden können.

    2.3 Begriff: Aufstellung

    Das Substantiv Aufstellung folgt dem Verb aufstellen und bedeutet „[..] in einer bestimmten Ordnung [..] an einen vorgesehenen Platz stellen, hinstellen [..] Aufstellung nehmen [..] postieren [..] errichten, aufbauen [..] (Umgestürztes) wieder aufrecht hinstellen [..] aufrichten, aufwärtsstellen, hochstellen [..] (von Fell, Haaren) sich aufrichten"⁹. Beim Aufstellen wird etwas aufrecht an eine Position, bestimmte Stelle oder einen Platz gebracht, aufgebaut oder angeordnet, oder eine Veränderung der Position oder Haltung durch Reize ausgelöst.

    Aufstellen als etwas „[..] zu einem bestimmten Zweck zusammenstellen, formieren"¹⁰ bedeutet das räumliche oder gedankliche Zusammenbringen eines oder mehrerer Elemente mit einer Absicht, beispielsweise um eine Wache oder einen Beobachter zu postieren, ein Heer oder ein Orchester zusammenzustellen, einen Plan auszuarbeiten oder eine Regel oder einen Lehrsatz zu formulieren.

    Der Begriff Aufstellung wird als Synonym für das Formieren und Anordnen von Elementen oder Personen in einem Raum angewendet und erfolgt in Zusammenarbeit mit den Beteiligten.

    2.4 Begriff: Arbeit

    Der Begriff Arbeit entstammt dem mhd. arebeit und ahd. arabeit(i), bedeutet „[…] Mühsal, Arbeit (im Originaltext unter halben Anführungszeichen)[…]"¹¹, und lässt sich mit dem slavischen Wort für Arbeit (rabota) vergleichen: Sklaverei, Knechtschaft.¹² Arbeit bedeutet in seinem Ursprung das Verrichten einer (schweren) körperlichen Tätigkeit, die durchaus unfreiwillig und in einem Kontext der Abhängigkeit erfolgt.

    In der Mechanik als Teilgebiet der Physik ist die „[..] mechanische Arbeit W (im Originaltext kursiv) der Kraft F (im Originaltext kursiv) [..] gleich dem Produkt aus der in Wegrichtung wirkenden Kraftkomponenten Ft (im Originaltext kursiv) und der Wegstrecke s2 – s1 (im Originaltext kursiv) (Arbeit = Kraft . Weg)."¹³ Arbeit ist das Ausüben einer Kraft auf einen Körper auf einer bestimmten Wegstrecke und das Übertragen von Energie.

    In der Soziologie bedeutet Arbeit eine „[..] zielbewusste und brauchvermittelte Tätigkeit des Menschen zur Lösung oder Linderung seiner Überlebensprobleme[…]"¹⁴ und schließt damit existenzsichernde Tätigkeiten, Handlungen und Strategien zur Lebensführung mit ein. Arbeit als sozialer Prozess „[…] gestaltet die gesellschaftl. Beziehungen der Menschen unter- und widereinander, verwandelt die »natürliche« Umwelt in eine je und je kulturelle[…]"¹⁵. Arbeit prägt das Verhalten und die Beziehungen der Menschen zueinander und trägt zur Ausbildung kultureller Strömungen, sozialer Schichten und Wertvorstellungen bei.

    Im alltäglichen Sprachgebrauch bedeutet Arbeit das Ausüben von Tätigkeiten, das Ausführen eines Auftrags, das Beschäftigt sein mit etwas, Mühe, Anstrengung, Berufsausübung, Erwerbstätigkeit, Training.¹⁶ Arbeit ist das Verrichten verschiedener Tätigkeiten, das Herstellen und Bearbeiten von Gegenständen oder geistigen Werken, die Berufsausübung allgemein, Beschäftigung, Erziehung und Training von Individuen.

    Im Bezug auf den Begriff Arbeitsplatz ist mit Arbeit die Berufsausübung gemeint. In Bezug auf Systemische Aufstellungen ist Arbeit das achtvolle und wertschätzende Anwenden einer Methode im Umgang mit Menschen.

    2.5 Begriff: Aufstellungsarbeit

    Unter Aufstellungsarbeit wird das Anwenden verschiedener Methoden anerkannter Systemischer Aufstellungen (SysA) unter Einhaltung systemischer Grundsätze verstanden. Primäres Ziel ist, Beziehungsmuster und Zusammenhänge in einem Konflikt zu visualisieren, sodass sie wahrnehmbar, erkennbar und in nächster Folge veränderbar sind.

    Beteiligte sind je nach Methode eine Person mit einem bestimmten Anliegen (Thema), eine Aufstellungsleiterin bzw. ein Aufstellungsleiter, die bzw. der den Prozess anleitet und weitere Personen, die stellvertretend eine bestimmte Rolle im System einnehmen (Repräsentantinnen bzw. Repräsentanten), oder Bodenanker (Zettel, Elemente, die auf dem Boden aufgelegt werden) und Figuren.

    „Die Phänomenologie einer idealtypischen SysA könnte etwa so lauten […]: Eine Person A kommt mit beliebigen Personen B, C, usw. zusammen und möchte ein privates oder berufliches Problem lösen. Anstatt das Problem verbal zu beschreiben und zu diskutieren, wählt sie aus den zufällig anwesenden Personen Repräsentanten aus, die jeweils die maßgeblichen Personen in dem von ihr bezeichneten Lebenszusammenhang darstellen sollen. Person A stellt die Personen […] im Raum auf. […] Die Personen B, C, usw. äussern nun […] Gefühle, Körperempfindungen und Gedanken."¹⁷ Der angeführte Vorgang beschreibt eine typische Methode Systemischer Aufstellungsarbeit, auf weitere wird im Kapitel sieben eingegangen.

    Aufstellungsarbeit erschließt Bereiche und Phänomene, die ausdrücklich abzugrenzen sind von esoterischen Interventionen im Sinne von mystischem, höheren, absoluten Wissen und Dogmen in Form feststehender, unabänderlicher Wahrheitsansprüche, die nicht belegbar sind. Sie bezweckt keine psychotherapeutischen Maßnahmen und dient der Visualisierung der Beziehung der Systemelemente und Perspektivenerweiterung der Beteiligten.

    2.6 Begriff: Beziehung/beziehen

    Das Verb beziehen wird verwendet im Sinn von bespannen, überziehen, sich bewölken, in etwas einziehen, in eine bestimmte Stellung gehen (z. B. beim Militär), etwas zugestellt bekommen, erhalten, sich auf etwas berufen, in Zusammenhang bringen, etwas gedanklich verknüpfen, in Beziehung setzen.¹⁸ Beziehen bedeutet im allgemeinen Sprachgebrauch, einen Platz, eine Position oder eine gedankliche Haltung einzunehmen. Das Substantiv Beziehung wird abgeleitet vom Verb und steht als Synonym für eine Kausalität (Ursache-Wirkung), einen Bezugspunkt in einem Bezugssystem, und in der Mathematik für eine Relation.

    Beziehung erfordert einen Bezugspunkt, ein Objekt oder Individuum, um eine räumliche oder gedankliche, mentale Relation oder Verbindung herzustellen.

    Soziale Beziehung ist ein „[…] elementarer Grundbegriff [..] zur Bezeichnung der wechselseitigen Einwirkungen und Verhaltensformen (einschließlich der dahintersteckenden Motivationen, Sinngebungen, Zwecksetzungen) zwischen Personen, Organisationen, Institutionen in einer Gesellschaft oder zwischen Gesellschaften."¹⁹ Eine weitere soziologische Definition bezieht sich auf die soziale Beziehung als Chance einer sinnhaften Art der sozialen Handlung. Es entsteht eine soziologische Problemstellung, die nach Entstehung und Wirkung sozial verursachter Orientierungen, Erwartungen, Normierungen sozialen Handelns fragt.²⁰

    Soziale Beziehung ist wechselseitiges Verhalten, Interaktion und Kommunikation, mit dem Hintergrund einer Motivation oder eines Zwecks, und wird beeinflusst durch Prägungen, Normen, Erwartungen, kulturelle und individuelle Werthaltungen und der Rolle im System. In diesem Sinn wird Beziehung als soziale Beziehung verstanden. Diese soziale Beziehung wird organisiert durch die Prägungen und Erfahrungen eines Menschen, seine Persönlichkeit und sich daraus ergebende Kommunikations- und Beziehungsstile.

    Soziale Beziehungen werden in formelle (lat.: formalis = äußerlich, förmlich) oder informelle (lat.: informalis = nicht förmlich) unterteilt. Formelle Beziehungen werden „[..] durch zweckorientiertes Handeln und Organisieren […] gezielt-planmäßig geschaffen. Sie sind damit in ihrer äußeren Form bzw. Erscheinungsweise organisatorisch oder gar bürokratisch festgelegt."²¹ Formale Beziehungen orientieren sich an organisatorischen Rahmenbedingungen und lassen je nach Organisationsgrad wenig Raum für persönliche Interventionen oder Emotionen. Informelle Beziehungen sind „[…] jene situativ mannigfaltigen und emotional stärker beeinflussten Ausprägungen des gegenseitig aufeinander eingestellten Verhaltens von Menschen, die aufgrund von Verwandtschaften, Freundschaften, Bekanntschaften und bestimmten Lebensgemeinschaften gegeben sind oder im Zusammenhang mit formal aufgebauten Organisationen eher ungeplant und spontan entstehen."²² In Beziehungen informellen Charakters sind persönlicher Umgang, Emotion, Vertrautheit, Bindung, Individualität, Persönlichkeit, Wertvorstellungen und persönliche Bedürfnisse vordergründig.

    Hier wird Bezug auf informelle soziale Beziehungen und ihre Spannungsfelder und Konflikte am Arbeitsplatz genommen.

    2.7 Begriff: Konflikt/Problem/Spannungsfeld

    Der Begriff Problem entstammt dem gr. próblēma und lat. problema und bedeutet „[…] das Vorgelegte; die gestellte (wissenschaftliche) Aufgabe, Streitfrage […]."²³ Ein Problem ist somit eine Aufgabe, die weiterbearbeitet wird oder eine Frage, die Klärungsbedarf hat. Eine weitere Definition sieht ein Problem als „[..] eine schwierige [ungelöste] Aufgabe, schwer zu beantwortende Frage, komplizierte Fragestellung [..] Schwierigkeit."²⁴

    Im allgemeinen Sprachgebrauch wird der Begriff Problem gewertet und mit Schwierigkeiten, Unannehmlichkeiten und Widerstand in Verbindung gebracht. Wertfrei betrachtet handelt es sich um einen Ausgangszustand, der aus verschiedenen Gründen zu bearbeiten bzw. zu verändern ist.

    Ein Problem wird zum Konflikt (lat. conflictus – Aneinanderschlagen, Zusammenstoßen, Kampf, Streit), wenn beim Versuch der Problemlösung Personen beteiligt sind und Unvereinbarkeiten in verschiedenen Bereichen entstehen. Es wird auf die Definition des Konfliktforschers Friedrich Glasl als Synthese verschiedener Definitionen zurückgegriffen:

    „«Sozialer Konflikt ist eine Interaktion

    – zwischen Aktoren (Individuen, Gruppen, Organisationen usw.),

    – wobei wenigstens ein Aktor

    – eine Differenz bzw. Unvereinbarkeiten

    Im Wahrnehmen

    und im Denken bzw. Vorstellen

    und im Fühlen

    und im Wollen

    – mit dem anderen Aktor (den anderen

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