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Frühling überm Buchenwald: Eine Trilogie in vier Teilen
Frühling überm Buchenwald: Eine Trilogie in vier Teilen
Frühling überm Buchenwald: Eine Trilogie in vier Teilen
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Frühling überm Buchenwald: Eine Trilogie in vier Teilen

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About this ebook

Während die Wehrmacht von Sieg zu Sieg eilt und Nationalsozialismus im Reich an der Tagesordnung ist, beklaut ein Namenloser den Führer der ‘Juden für Hitler in Deutschland’, die mit dem Nazi-Regime gemeinsame Sache machen.
Er flüchtet vor dessen Rache mit echten Papieren als falscher Jude ins KZ Buchenwald, wo er Idiotie und Wahnsinn der SS hautnah miterlebt und als Jude von den Deutschen und als Deutscher von den Hitlerjuden gejagt wird.
LanguageDeutsch
Release dateMar 6, 2015
ISBN9783738697124
Frühling überm Buchenwald: Eine Trilogie in vier Teilen
Author

BorA Ankhbaatar

BorA Ankhbaatar wurde 1987 in der Mongolei geboren. Frühling überm Buchenwald ist ihr Erstlingswerk. Sie war Fotomodel und studiert heute Politikwissenschaft in Deutschland.

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    Juden-Dreck wie immer von dem Abschaum.

    Keiner sollte diese holo hoax Judenscheiße sich antun.

    Das Juden-Schwein von Autor ist der Beweis, daß Hitler recht hatte.

    Welchen Buchstaben von HITLER
    oder
    DEUTSCHLAND
    hast du Judensau nicht kapiert? Verpiß' dich!

Book preview

Frühling überm Buchenwald - BorA Ankhbaatar

Twain

1

„Den Jud’ zu hassen ist nicht schwer, der Jud’ zu sein dagegen sehr!" Diese Worte hallten mir durch den Kopf, als ich aus einem angrenzenden Park heraus Geschrei hörte. Er lag nicht auf direktem Weg zu meinem Ziel, aber Neugierde packte mich und ich gesellte mich der Menschentraube, die dort fleißig mit am Gaffen war, kurzerhand dazu.

Ein kleiner Trupp von SS-Männer trieb eine Gruppe Erwachsener vor sich her, die Koffer und Taschen mit sich schleppten. Zum ersten Mal wurde ich hierbei Augenzeuge der wöchentlich stattfindenden Judenevakuierung raus aus dem Reich in Richtung Osten, vielleicht auch nach Madagaskar - wer wollte das schon so genau wissen? Die zum heutigen Transport eingeladenen Juden wussten das ebenfalls nicht genau und aus ihren Augen sprach daher auch das widersprüchliche Gefühl von Hoffnung auf das Beste und Befürchtung um das Schlimmste.

»Wie geht es Ihnen, mein Sohn?«, wurde ich von der Seite her angesprochen und eine Hand klatschte auf meine Schulter. Ich drehte mich um und sah einen Bekannten aus meiner Gemeinde neben mir stehen.

»Guten Tag, Herr Pfarrer!« antwortete ich ihm erstaunt, »was machen Sie denn hier?«

»Nun, ich komme gerade von den Wirsichs. Ihre beiden Söhne sind letzte Woche gefallen und ich wollte ihnen Trost zusprechen.«

»Schrecklich. Und, wie lief’s?«

»Der Schmerz der Trauer ist noch zu groß. Ich werde sie in den nächsten Tagen erneut besuchen.«

Die kleine Gruppe kam jetzt ganz nahe an uns vorbei, so dass wir die aufgenähten gelben Davidsterne auf den Jacken erkennen konnten. Es waren etwa fünfzig Juden, die entlang gescheucht wurden.

Einer der neben uns stehenden Zuschauer deutete seiner Schwester gegenüber mit dem Finger zu uns rüber und sagte »Schau, Rosel, da ist ein Priester.«

»Ich bin kein Priester«, wandte sich der Pfarrer an diesen. »Priester sind katholisch. Ich bin evangelisch. Sehen Sie doch, kein weißer Steckkragen!«

Irgendjemand um uns herum rief »Ich bin auch evangelisch«, und ein anderer warf die Frage »Zu welcher Kirche gehören Sie?« ein.

»Zur Deutschen Evangelischen Kirche«, antwortete ich an seiner Statt und der Pfarrer fragte den bekennenden Evangelier »Gehen Sie denn regelmäßig zum Gottesdienst?« Währenddessen wurden die Juden an uns vorbei getrieben.

»Naja, wissen Sie, Herr Pfarrer, das ist halt immer ein bisschen ungeschickt, mit dem Sonntag Vormittag meine ich. Seitdem wir bei der SA nicht mehr so viel zu tun haben, bin ich bei der Hitlerjugend als Fähnleinführer eingesetzt und Sonntags machen wir immer unsere Übungsaufläufe.«

»Glauben Sie dem nur kein Wort«, sagte die Frau neben ihm. »Mein Mann lügt wie gedruckt.«

»Halt’ Deinen Mund, Du dumme Sau«, schrie dieser sie an, »ich bin sehr wohl bei der Hitlerjugend!«

»Du bist Betreuer in der Organisation ‘Glaube und Schönheit’ beim Bund Deutscher Mädels und wenn Du denen nicht an die Röcke zu gehen versuchst, bringst Du den Gören bei, wie man tanzt und sich schminkt, Du Kriegsheld!«

»Wir gehören zur Hitlerjugend!«, beharrte ihr Mann trotzig.

Ein an uns vorbeilaufender SS-Scharführer hatte diese Unterhaltung mitbekommen und sagte zu dem Kriegsheld »Hitlerjugend, das sind Gruppen wie unser glorreicher SS- Nachwuchs im HJ-Streifendienst oder der Nachrichten-HJ mit den Kandidaten für SD und Abwehr. Dort lernt man marschieren, gehorchen und schießen!«

»Und nicht so was tuntiges wie Auflauf backen«, pflichtete die Ehefrau des Angesprochenen bei, worauf ein zustimmendes Raunen in der Menge entstand.

Der zuständige SS-Offizier der Evakuierungstruppe drehte sich zu uns. »Jetzt habe ich aber genug von dem Ganzen. Na los, ziehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen! Lassen Sie uns gefälligst unsere Arbeit machen!«, woraufhin sich die Menschenmenge auflöste und die meisten Leute ihres Weges gingen. Der Pfarrer und ich blieben mit ein paar anderen weiterhin stehen, unter anderem auch Rosel und ihr Bruder.

»Und wohin des Weges sind Sie gerade, mein Sohn?« fragte er mich.

»Zum EL-DE-Haus.«

Er drehte sich zu mir um und sah mich erstaunten Blickes an. »Ach was?

Wollen Sie sich etwa freiwillig zum Frontdienst melden?«

»Hmm, sicher - so was halt.«

»Und woher kommt der plötzliche Sinneswandel? Sagten Sie nicht, Sie hätten dem aktiven Dienst den Rücken gekehrt?«

»Ach, das ist eine lange Geschichte, Herr Pfarrer.«

»Na dann weiß ich ja, was ich Ihrem Bruder das nächste Mal sagen werde, wenn ich ihm begegne.«

»Mein Bruder?«

»Ja, Ihr Bruder! Heute morgen kam ein Herr in feinem Zwirn ins Pfarramt und fragte danach, ob ich Sie kenne und wo er sie am besten finde. Auf Nachfrage von mir meinte er, dass er ihr Bruder sei. Ist etwas nicht in Ordnung, mein Sohn?«

»Nein nein, alles bestens. Haben Sie ihm meine Adresse gegeben?«

»Natürlich. Familie ist heilig. War das ein Fehler?«

»Nein nein, schon gut.«

»Haben Sie etwa Probleme, mein Sohn? Kommen Sie, sagen Sie schon! Ich bin Ihr Pfarrer und mir können Sie alles anvertrauen! Was haben Sie also auf dem Herzen?«

Die Judengruppe war schon halb an uns vorüber, als plötzlich eine junge Frau stolperte und unglücklich hinfiel. Der SS-Mann, der neben ihr her gegangen war, richtete die Pistole auf die Frau und schrie sie an, dass sie gefälligst aufstehen solle, aber sie kreischte laut auf und wimmerte dabei etwas davon, dass ihr Bein verstaucht sei. Der Leiter des Wachkommandos, ein ebenfalls noch blutjunger Untersturmführer, trat zu dem Soldaten und befahl ihm, dass er die Frau dann halt erschießen sollte. Sie wären eh schon spät dran und mit Krüppeln wolle er sich nicht den ganzen Weg über herum plagen. Der junge Soldat richtete daraufhin seine Pistole auf die verzweifelt um ihr Leben flehende Frau, aber er drückte nicht ab. Schweiß lief ihm das Gesicht herab und die Hand mit der Waffe zitterte.

Der Untersturmführer wurde ungeduldig. »Na los, Bauer, schießen Sie endlich, damit wir weiter können! Wir haben einen Zeitplan einzuhalten. Der Zug wird nicht Ihnen zuliebe warten. Also machen sie schon, Sie Schlappschwanz!«

Ein aufgeregtes Gemurmel entbrannte unter den verbliebenen Zuschauern. Der Pfarrer entschloss sich, in dieser Situation einzugreifen. Er ließ mich kurzerhand stehen und schlängelte sich durch die vorbeiziehenden Soldaten, bis er neben dem jungen Mann und seinem vorgesetzten Offizier stand. »Herr Untersturmführer, lassen Sie mich bitte kurz mit Ihrem Schützling da sprechen. Ich denke, ich kann helfen.«

Der Offizier sah ihn argwöhnisch an. »Herr Pfarrer, bei allem Respekt, aber gehen Sie bitte weiter«, und an alle anderen Gaffer gewandt »na los, gehen Sie alle weiter! Hier ist nichts, was Sie zu interessieren hat, meine Damen und Herren Volksgenossen!«

Der Pfarrer berührte den Untersturmführer sanft am Ärmel. »Ich bitte Sie, Herr Untersturmführer.«

»Hören Sie mal, die Kirche darf der staatlichen Gewalt nicht in den Arm fallen, das sollten Sie doch eigentlich wissen. Außerdem klärt die SS ihre Probleme intern. Wir brauchen hier keinen Seelsorger, also verziehen Sie sich gefälligst!«

Während sie zu dritt vor der weiterhin jammernden Frau standen, strömten die restlichen Soldaten mit den jüdischen Evakuierungs-Kandidaten an ihnen vorbei. Die armen Leute richteten genauso wie das Geschwisterpaar und ich hoffnungsvolle Blicke auf den Pfarrer, der sich anscheinend so sehr für diese armen Teufel engagierte. Ich fragte mich in diesem Augenblick, ob ich ihn vielleicht doch ins Vertrauen ziehen sollte. Hilfe hatte ich in der Tat sehr wohl nötig.

Ein Gestapo-Beamter mit schwarzem Mantel, Maulwurfgesicht und Nickelbrille auf der Nase herrschte den Soldatentrupp immer wieder zur Eile an, was diese wiederum mithilfe von Knüppeln und Gewehrschäften in verständlicher Sprache an die jüdischen Zivilisten weitergaben. Der Gestapo-Mann sah den Pfarrer und lief freudig strahlend zu ihm hin. »Herr Pfarrer, Du meine Güte, wie schön Sie wiederzusehen. Erinnern Sie sich noch an mich?«

»Ah, Herr… Böhmert, nicht war?«

»Naja fast. Böhmer ist der Name. Mein Sohn besuchte vor sechs Jahren Ihren Konfirmandenunterricht. Der Theo, falls Sie sich noch an ihn erinnern.«

»Ah richtig. Golden Haar und engelsgleiche Stimme. Wie geht es dem Jungen?«

»Der ist ein richtiger Prachtkerl geworden. Auch dank Ihnen! Zur Zeit ist er auf der Wewelsburg, um seine Ausbildung zu beenden. Zum Herbst hin soll er im Generalgouvernement zu einer Einsatzgruppe des SD versetzt werden. Die schriftliche Zusage hat er bereits.«

»Wie schön zu hören, dass es ihm gut geht.«

»Herr Böhmer«, schaltete sich der Untersturmführer in die Unterhaltung wieder ein, »sagen Sie dem Pfaffen, dass er weitergehen soll.«

»Warum? Gibt es ein Problem?« fragte dieser den Pfarrer daraufhin.

»Ich möchte nur kurz mit dem jungen Sturmmann sprechen, das ist alles. Ich möchte ihm in sein Gewissen reden. Bitte, erlauben Sie es mir, Herr Böhmer!«

»Er hat die Pflicht zu gehorchen, über mehr hat er sich nicht den Kopf zu zerbrechen. Ich warne Sie, Herr Pfarrer: Das, was Sie hier treiben, nennt man „Wehrkraftzersetzung!"«

»Nun, ich glaube nicht, dass diese Gefahr von unserem guten Pfarrer hier ausgeht. Denn wie sollen Sie dem Theo einst den Spruch beigebracht haben: Wenn ich mich gegen die Juden erwehre…«

»… dann kämpfe ich für das Werk des Herrn, richtig!« Der Pfarrer lächelte dabei.

»Lassen Sie den Pfarrer gewähren, Untersturmführer!«

»Danke, Herr Böhmer.«

Der Untersturmführer sah ihn grimmig an, dann drehte er sich plötzlich zu seinen stehengebliebenen Männern um und schrie: »Was glotzt Ihr alle so blöd? Los, weiter gehen!« Der Trupp zog zusammen mit Herrn Böhmer weiter, sodass der Pfarrer, der junge Soldat und die am Boden wimmernde Frau alleine zurückblieben. Das Geschwisterpaar und ich standen mucksmäuschenstill im Hintergrund und sahen dem Ganzen atemlos zu.

Der Pfarrer legte dem Jungen die Hand auf die Schulter. »Was ist, mein Sohn? Kann ich Dir vielleicht mit Rat und Tat zur Seite stehen?«

Der Landser drehte sich zum Pfarrer, Tränen liefen ihm das Gesicht herunter. »Oh Herr Pfarrer, ich kann das nicht machen. Ich kann die Frau nicht einfach so erschießen. Es ist falsch. Es ist eine Sünde. Dafür werde ich in die Hölle kommen. Bitte, helfen Sie mir. Ich kann das einfach nicht!«

»Mein Sohn«, wirkte dieser beruhigend auf den Soldaten ein, »ich weiß, wie Du Dich fühlst. Es ist eine schlimme Sache, jemanden zu töten. Es ist, wahrhaftig, eine große Sünde. Juden sind auch Menschen und Du tust gut daran, sie nicht einfach so nur wegen ihrer Rassenzugehörigkeit umzubringen. Aber Du vergisst völlig, das Du zwar einerseits auch den Juden nicht töten darfst, aber andererseits vor allem unser geheiligtes Reich vor dem alles verderbenden jüdisch-internationalen Weltgeist retten musst. Mit Schundblättern und Schmutzfilmchen überziehen sie die ganze Welt mit ihren satanischen Versen und beschmutzen die Reinheit des deutschen Volkes. Wir müssen Sie aufhalten, und zwar auf jede notwendige Art und Weise!«

»Aber was wird Gott sagen? Wie soll ich das ihm und dem Herrn Jesus Christus erklären, wenn ich irgendwann tot bin und vor ihnen stehe, um für meine Missetaten gerichtet zu werden?«

»Diese Leute sind gottentfremdete Wesen. Sie haben Gottes Sohn ans Kreuz geschlagen. Das darfst Du nicht vergessen!«

»Aber Herr Pfarrer -.«

»Nein, höre erst mir zu, bis ich fertig bin, mein Sohn. Dann kannst Du mich alles fragen, was Dir auf der Seele brennt.

Junge, Du bist doch gläubiger Christ, oder? Und damit bist Du doch auch automatisch weder Kommunist noch Bolschewik, nicht wahr? Nun, es ist die erste, strengste und wichtigste Gewissenspflicht eines jeden wiedergeborenen deutschen Christen, die Gefahren und Schädigungen des jüdischen Geistes unnachgiebigst und mit strengster Hand zu bekämpfen. Dass es eine furchtbare Sache ist, so etwas zu tun, das weiß ich. Aber führe Dir vor Augen, was passiert, wenn wir das nicht tun: Denke an das Matthäus-Evangelium; wie Herodes der Große auf der Suche nach dem Christuskind die Ermordung aller Knaben Bethlehems bis zum Alter von zwei Jahren befahl. Herodes sagte hierzu: „Lieber sterben tausend Unschuldige als dass auch nur ein Schuldiger seiner gerechten Strafe entgeht". Und vor diesen Leuten musst Du das deutsche Volk beschützen! Wie heißt Du, mein Sohn?«

»Peter«, sagte dieser und schniefte laut.

»Peter. Hast Du schon einmal jemanden richten müssen?« Der Junge schüttelte den Kopf. »Nun, vor allem das allererste Mal ist es ganz besonders schlimm, ich weiß das. Deshalb komm, lass mich Dir dabei helfen!«

»Würden Sie das wirklich tun, Herr Pfarrer?«

»Wenn ich Dir damit helfen kann, den richtigen Weg zu erkennen, dann erkläre ich mich selbstverständlich dazu bereit, Dir die Hand zu führen. Es ist im Grunde sogar meine Pflicht als Hüter Deines Seelenheils, weißt Du?!«

»O,Okay«, sagte der SS-Mann und wollte dem Geistlichen seine Pistole aushändigen, aber dieser winkte ab.

»Nein nein, mein Sohn, das machen wir nicht mit der Pistole. Es ist Dein erstes Mal, und da muss man so etwas ganz direkt machen. Allein schon aus Respekt diesem bedauernswerten Geschöpf gegenüber, schließlich geht ihr dabei eine innige emotionale Bindung ein. Du als ihr Erlöser und sie als die von Dir Erlöste.« Der Junge sah den Pfarrer entsetzt an, aber dieser fasste, als ob es selbstverständlich wäre, nach dessen Hände und legte diese langsam um ihren Hals. »Mach Dir keine Sorgen, ein jeder ist dabei beim ersten Mal ganz aufgeregt. Komm, lege sie anständig um ihren Hals. Du musst sie richtig an der Gurgel packen und zudrücken - so wie ein nasses Handtuch, bevor Du es zum Trocknen aufhängst!«

Die Hände des Landsers lagen dort, wo sie liegen sollten, aber er drückte nicht zu. Da legte der Pfarrer seine eigenen Hände auf die des Soldaten und fing an, mit ihm zusammen sie zu würgen. Die Frau keuchte schlimm und versucht sich mit aller Gewalt zu wehren, aber je stärker und länger die beiden sie drosselten, desto schwächer wurde ihr Widerstand.

Der Mann, der anfangs den Pfarrer Priester genannt hatte, drehte sich weg und übergab sich in das Gebüsch hinein, während ich vor Entsetzen fasziniert unentwegt weiter hinstarrte.

»O mein Gott, wie grauenhaft! Gott wird mich dafür in die Hölle schicken«, weinte der junge Soldat dabei und wollte von der sterbenden Frau ablassen, aber der Pfarrer behielt dessen Hände erbarmungslos umschlossen.

»Du erlöst sie nur von ihrem Leiden. Wir müssen das tun!«

»Aber doch nicht so. Bitte, Herr Pfarrer, bitte!«

Während er weiter unerbittlich zudrückte, murmelte der Pfarrer leise »Gesegnet sei Deine verlorene Seele. Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen!« Nach einem letzten Aufbäumen wurden ihre Glieder endlich schlaff und sie bewegte sich nicht mehr.

»Siehst Du, Peter? War doch gar nicht so schwer, oder?« Aber der Soldat antwortete nicht, sondern starrte voller Entsetzen zu einer Gruppe von Kindergartenkinder hinüber, die soeben mit ihrer Betreuerin und Hakenkreuzfähnchen schwingend in Zweierreihen um die Ecke gebogen kamen.

Der Pfarrer sah zu den Pimpfen hinüber, ließ die Hände vom Hals der Toten ab und drehte sich den Kindern zu. »Das war eine böse Frau«, rief er ihnen laut entgegen und hob den rechten Arm. »Heil Hitler, Ihr lieben Kleinen!«

Mit todernstem Blick streckten die Knirpse ihre rechten Ärmchen in die Höhe und brüllten »Heil Hitler!« zurück. Ihre Betreuerin sah noch einen kurzen Augenblick kopfschüttelnd zum Pfarrer hinüber, dann rief sie zu den Kleinen »So, Kinder, zurück in die Zweierreihen und ganze Kompanie rechts um, Marsch!« Die Knirpse stampften in Formation davon und sangen mit ihren zarten Stimmchen „Die Fahne hoch!".

»So, Soldat, und nun Kopf hoch und schließen Sie wieder zu Ihrer Einheit auf! Gott segne Sie!« Mit diesen Worten ließ er den SS-Mann stehen und kehrte zu uns zurück. Der junge Mann, der sich übergeben hatte, wurde von seiner Schwester gestützt und schrie dem Pfarrer »Sie elender Geisteskranker! Wer hat Ihnen nur ins Gehirn geschissen, Sie Schwein?« entgegen. Dabei versuchte er ihn anzugreifen, doch ich warf mich dazwischen und hielt ihn auf.

Durch das neuerliche Geschrei angelockt bildete sich um uns herum eine erneute Menschentraube, um ja nichts vom entstehenden Konflikt zu verpassen. Ich hielt den jungen Mann weiterhin mit aller Kraft zurück, während der Pfarrer sich an alle Anwesenden wandte: »Was wollt Ihr denn überhaupt? Ihr beklagt euch immer, dass eure Kirchen so scheinheilig wären und wir Pfaffen nur auf unseren fetten Hinterteilen herum säßen, den Menschen was von Himmelreich und Gottes Liebe erzählten, dabei aber die Realität vollkommen außer Acht lassen.

In meiner Gemeinde ist es nicht so; ich verlange von keinem meiner Schäfchen mehr, als ich selber auch bereit zu geben wäre. Ich versuche jeden Tag für meine Gemeinde ein Vorbild zu sein und tue genau das, was die Bibel von meinem Berufsstand verlangt: Als guter Hirte vorneweg auf dem Pfad der Tugend zu wandeln und unser Reich gegen die unzähligen Volksfeinde mit eiserner Faust zu verteidigen!«

Einige Beistehende klatschten diesen Worten Beifall, aber der junge Mann schrie erneut »Sie sind eine Perversion Ihres Glaubens, Herr Pfarrer, und heute schäme ich mich, ein Deutscher zu sein!«, woraufhin ein neuerlicher Tumult ausbrach, aus dem man noch Wortfetzen wie »Du elender Blutschänder!« und »Judenbengel!« zu hören bekam.

Pfeifen schrillten auf und einige Polizeibeamte kamen heran gerannt, um der sich in eine richtige Massenschlägerei ausartenden Auseinandersetzung ein Ende zu bereiten.

Ich verließ währenddessen unbeachtet den Schauplatz des Schreckens und eilte weiter in Richtung EL-DE-Haus. Dem Pfarrer, soviel war klar, konnte ich mich nicht anvertrauen. Auch konnte ich jetzt meinen anfangs gefassten Plan vergessen und musste, ob ich es wollte oder nicht, auf die ungeliebte Alternative zurückgreifen.

Ich betrat das Gebäude durch den Haupteingang, wendete mich dann aber wider Erwarten nicht dem Flügel mit der örtlichen Verwaltung der Schutzstaffel hin zu, sondern betrat stattdessen ein schmuckloses Großraumbüro, in dem umtriebige Geschäftigkeit herrschte.

Ich lächelte gequält den Schalterbeamten der Gestapo an und sagte »Guten Tag, ich möchte mich für den nächsten Evakuierungstransport anmelden. Ich heiße Leo Weinstein, hier ist mein Ausweis. Ich bin Jude!«

2

Was soll ich sagen? Vorgestellt habe ich mich bereits. Ich heiße ab jetzt Leo Weinstein, belassen wir es dabei.

Wäre alles wie geplant verlaufen, säße ich jetzt entweder am Steuer eines Kübelwagens oder in einem Zug mit dem Ziel Marseille, von wo aus ich die Pyrenäen zu erreichen gehofft hatte. Dank eines gestohlenen Dienstausweises und dem passend dazu ausgestellten Marschbefehl hätte mich die Schutzstaffel sicher bis zur Grenze von Vichy-Frankreich eskortiert und ich hätte still und heimlich das Reichsgebiet verlassen können, um meinem Verfolger ein für alle Mal zu entkommen.

Stattdessen saß ich jetzt auf freiwilliger Basis in einem Konzentrationslager fest und musste das Risiko auf mich nehmen, als vermeintlicher Jude hier drinnen den Tod zu finden. Aber die Situation war nicht zu ändern und die Tatsache, dass ein sogenannter Bruder meine Heimatstadt ausfindig gemacht und beim Pfarrer meiner Gemeinde ausdrücklich nach mir gefragt hatte, zeigte mir den Ernst der Lage.

Sie kannten bereits meinen richtigen Namen und wussten auch, wo sie nach mir zu suchen hatten. Das war sehr schlecht für mich. Damit konnte ich meinen Plan mit der SS vergessen; es hätte Tage gedauert, bis man mich in Marsch gesetzt hätte, dabei blieben mir höchsten falls noch ein paar Stunden übrig, bis mich die Bluthunde aufgespürt hätten.

Den notwendigen Pass mit dem gelben Stern darin hatte ich gegen meinen deutschen Ausweis von einem Kollegen getauscht, der sich seit der Leipziger Buchmesse 1939 bei mir zuhause versteckt hielt, nachdem unsere Truppen im Rahmen ihres präventiven Verteidigungsangriffs gegen die polnischen Aggressoren begonnen hatten, seine frisch eroberte Heimatstadt judenfrei zu machen.

Wer jetzt glaubt, ich müsse so eine Art von tapferem Widerstandskämpfer oder so was ähnliches sein, der täuscht sich in mir, und zwar gewaltig!

Ich bin weder ein Held noch auch nur im entferntesten Widerstandskämpfer. Dass Leo Weinstein bei mir zuhause Unterschlupf fand, hatte nichts mit antifaschistischem Untergrundkampf, sondern vor allem mit dessen vorbildlicher Zahlungsmoral zu tun. Er zahlte pünktlich Miete, geizte nicht beim Gefahrenzuschlag und war obendrein sowohl sehr guter Schachspieler als auch interessanter Gesprächspartner, um mir die Abende der Einsamkeit zu versüßen.

Ich persönlich hatte eigentlich nichts gegen Nazis. Sie waren halt da, hielten gerne schlaue Reden, marschierten in der Freizeit wie blöde durch die Straßen und skandierten dabei lautstark, dass Judenhass und Heimatliebe Hand in Hand gehen müssten. Auch hatte ich keine Angst davor, von jemandem wegen Weinstein denunziert zu werden. Wir hatten im ganzen Treppenhaus Gerüchte gestreut, er sei Geheimdienstler beim SD und gleichzeitig mein von der Ehefrau verlassener Cousin, sodass die Nachbarn ihm gegenüber immer mit größtem Respekt auftraten und er regelmäßig die freundlichen Angebote lediger Frauen im Hause ablehnen musste; die fehlende Vorhaut wäre beim Liebesakt wohl kaum zu erklären gewesen!

So reichte zum Schutz unserer Lebensgemeinschaft der gestohlene und umfrisierte SS-Dienstausweis, der bereits vor Kriegsbeginn zum festen Inventar des Hauses gehörte und mir bei Bedarf immer gute Dienste geleistet hatte. Das Außergewöhnliche daran war die nur dreistellige Mitgliedsnummer des Ausweises, welche Zeugnis davon ablegte, dass der Inhaber desselben altgedientes Vereinsmitglied fast von der allerersten Stunde der Bewegung an war, was ausnahmslos jeden beeindruckte und sämtlich aufkommende Fragen unverzüglich verstummen ließ. Da spielte es dann auch keine Rolle, dass ich mich darin mit dem vergleichsweise niedrigen Dienstgrad eines Hauptsturmführers begnügt hatte. Junge Offiziere hätten ansonsten aufgrund meiner nur mangelhaften Kenntnisse militärischer Etikette misstrauisch werden können. So konnte ich stattdessen als einer der vielen ehrenhalber zu technischen Offizieren ernannten Vollidioten durchgehen und sparte mir die Mühe, mich mit dem ganzen SS-Quatsch mehr als nur irgend notwendig beschäftigen zu müssen.

Dass ich ein Gejagter war, ging weder vom Staat noch von der Partei aus. Ich hatte mit beiden nichts am Hut. Ich war weder bekennend schwul noch klingelte ich tagsüber an fremden Türen, um den Bewohnern Jahwe und die neueste Ausgabe seines Wachtturms vorzustellen.

Stattdessen konnte ich mich dafür wahrscheinlich bei meinem Hehler in Deutz bedanken, den sie wohl erwischt und in den Schwitzkasten genommen hatten, um mehr über mich in Erfahrung zu bringen.

Tja, die Zeiten waren hart, aber ich hatte mich recht gut in ihnen zurechtgefunden. Mit Büchern konnte man seit langem schon kein Geld mehr verdienen, wollte man sich nicht als Ghostwriter für gequirlte Scheiße wie Rosenbergs ’Mythus des zwanzigsten Jahrhunderts’ prostituieren. Als die Weltwirtschaftskrise angefangen hatte, konnte ich morgens kein Buch mehr verkaufen, ohne abends nicht befürchten zu müssen, mir von dem Geld nicht mal mehr einen trockenen Schluck Wasser leisten zu können, so galoppierend verlor die Reichsmark an Kaufkraft. Und als die Weltwirtschaftskrise endlich überstanden war, da war es auf einmal neueste deutsche Mode, dass man in den Städten begeistert lesenswerte Bücher den Flammen übergab, während hirnrissiger Quatsch zur Staatsdoktrin erklärt wurde.

Ich sah das Ganze trotzdem pragmatisch und nutzte die neue Gunst der Stunde, indem ich mich darauf verlegte, nur noch hobbymäßig mit Büchern zu tun zu haben und hauptberuflich verlassene jüdische Wohn- und Geschäftshäuser auszuräumen, um das so erworbene Gut über meinen Hehler in Deutz am Rande staatlich organisierter Zwangsversteigerungen jüdischen Eigentums mit auf den Markt zu werfen.

Ich hielt mich, was mein Tun betraf, einem jedermann gegenüber bedeckt und zeigte auch meinen Nachbarn nicht, wie wohlhabend ich in Wirklichkeit war. Neben meinem Hehler war Weinstein der Einzige, der wusste, was ich trieb, aber bei einem Juden auf der Flucht konnte ich mir seines Schweigens sicher sein. Stattdessen zwang ich ihn, mich regelmäßig auf meinen Raubzügen zu begleiten. Wie hätte ich auch sonst antike Möbel oder anderes großes

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