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Gerüchte von der Lichtung
Gerüchte von der Lichtung
Gerüchte von der Lichtung
Ebook346 pages4 hours

Gerüchte von der Lichtung

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About this ebook

Dies ist der zweite Teil meines Buches "Otrun - die, die Zauber über die Waffen raunt".

In Rekordgeschwindigkeit bildete sich diese neue Geschichte, die, wie ich finde, um einiges besser ist, als der erste Teil. Tiefer, spannender, und ein bisschen reifer. (Von der Aufbereitungszeit einmal abgesehen)

Natürlich sehr schön hinerteinander wegzulesen, aber auch einzeln sind beide Bücher eigenständige und spannende Romane.
LanguageDeutsch
Release dateJan 16, 2015
ISBN9783738669879
Gerüchte von der Lichtung
Author

Andrea Minutillo

"Künstlerische Freiheit bedeutet für mich: Erschaffen, was mich emotional erfüllt. Nur Gefühl - - - befreit von Zwang und Schema. Wenn sich damit die Welt ein wenig aufhellen lässt - dann erscheint mir das um so besser."

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    Book preview

    Gerüchte von der Lichtung - Andrea Minutillo

    „Ich werde mein Wort halten, bis die Steine schmelzen"

    Dieses Zitat stammt von einem Führer der Tonto-Apachen. Sein Name war Delshay, so wie Widukid und Wondering Bear Dustin Delshay. Sie haben mit dem Stammesführer nichts gemeinsam.

    Die beiden Romanfiguren sind von mir frei erdacht. Mir gefiel ganz einfach der Name.

    Der echte Delshay lebte ca. von 1835 bis 1874. Er ergab sich am 22. April 1873 mit seinem Volk bei Sierra Ancha im Gila County in Arizona.

    (den Nachschlag vorneweg …)

    Wer mit dem zweiten Buch in diese Geschichte einsteigt , sollte mit dem Nachschlag beginnen. Der erklärt ein wenig die Situation auf der Lichtung, ohne zu viel preiszugeben. Wem das erste Buch allerdings bekannt ist, sollte den Nachschlag schön am Ende lesen. Als Nachschlag, Betthupferl oder eben als Sahnebonbon hinterher.

    Inhaltsverzeichnis

    Kapitel 1

    Kapitel 2

    Kapitel 3

    Kapitel 4

    Kapitel 5

    Kapitel 6

    Kapitel 7

    Kapitel 8

    Kapitel 9

    Kapitel 10

    Kapitel 11

    Kapitel 12

    Kapitel 13

    Kapitel 14

    Kapitel 15

    Kapitel 16

    Kapitel 17

    Kapitel 18

    Kapitel 19

    Kapitel 20

    Kapitel 21

    Kapitel 22

    Kapitel 23

    Kapitel 24

    Kapitel 25

    Kapitel 26

    Kapitel 27

    Kapitel 28

    Kapitel 29

    Kapitel 30

    Kapitel 31

    Kapitel 31

    Kapitel 32

    Epilog

    Der Nachschlag

    Kapitel 1

    Endlich Sonne! Jetzt sitze ich bei geöffneter Tür an meinem Webstuhl und arbeite. Wir haben Ende April und endlich zeigt sich die Sonne.

    Am zweiten Maiwochenende findet der Bauernmarkt statt. Durch den strengen Winter habe ich viel Zeit in der Werkstatt verbracht.

    Eigentlich reichen meine Decken schon locker für zwei Märkte, doch im Moment gehen mir so viele Muster durch den Sinn, dass ich kaum nachkomme.

    Völlig vertieft in meine Arbeit, schrecke ich plötzlich auf: Ein Schatten huscht an der offenen Werkstatt vorbei! Ich schnaufe kurz durch, dann stehe ich auf und sehe nach, was mich da aus dem Augenwinkel so erschreckt hat.

    Als ich die Tür erreicht habe, sehe ich Wido, wie er über die Lichtung rennt. Hin und her, in wildem Tempo.

    „Hey, wen suchen Sie denn?", rufe ich belustigt aus.

    Sofort dreht er sich zu mir um, strahlt mich an und kommt mit ausgebreiteten Armen auf mich zu.

    Bevor er mich in seinem Klammergriff gefangen nimmt, kann ich ein paar Tränen in seinem Gesicht ausmachen. Ich spüre, wie er zittert und schwitzt. Ich lege meine Arme um seine Taille und beruhige ihn mit meinen Gedanken. Ganz langsam lockert sich seine Umarmung. Nun kann ich ihm ins Gesicht schauen.

    „Brauchst du erst einen Tee, oder kannst du schon jetzt mit mir sprechen?", frage ich ihn mit einem Lächeln auf meinen Lippen.

    Mit rauer Stimme antwortet er: „Wir haben keine Zeit, wir müssen sofort ins Krankenhaus!"

    Und jetzt strahlt er mich breit an.

    Ich zwinkere ihm zu: „Meinen herzlichen Glückwunsch zur beneidenswert hübschen Tochter."

    „Woher weißt du, dass sie hübsch ist?", fragt Wido verdutzt.

    „Ich dachte mir so etwas."

    „Komm, lass uns keine Zeit verlieren!"

    „Bitte warte einen kleinen Augenblick, ich ziehe mir schnell etwas Stadttaugliches an. Nur eine Minute", und damit verschwinde ich schnell in meiner Hütte.

    Die Tür lasse ich offen. Schnell schlupfe ich in den weichen Lederrock. Die braune Seidenbluse liegt noch vom letzten Ausflug in die Zivilisation auf dem Tischchen. Ich schnappe sie mir schnell und ziehe sie über.

    Wido steht im Türrahmen, mustert mich, dann schaut er mich verwundert an: „Ehm, ja, du hast recht, es ist ein Mädchen."

    Er wartet, bis ich die Türschwelle erreicht habe, dann nimmt er mich an die Hand und zieht mich zu seinem Auto.

    „Ich ahnte es schon seit einiger Zeit, wollte euch beiden aber nicht die Spannung nehmen", erkläre ich ihm leicht außer Atem, während ich konzentriert versuche, mir noch etwas Farbe auf die Lippen zu bringen.

    Beinahe schubst er mich in seinen Wagen und flitzt auf die andere Seite. Er fuchtelt mit dem Schlüssel herum.

    „Soll ich nicht lieber fahren? Marie und das Kind brauchen dich jetzt."

    Verlegen sieht er zu mir rüber: „Ich sehe ganz schön fertig aus, hm?"

    „Nein, so würde ich das nicht ausdrücken, eher ein wenig nervös und durcheinander. Komm, lass dich von mir kutschieren", sage ich noch und schiebe mich auf den Fahrersitz. Er gibt nach, macht mir Platz und flitzt ums Auto herum, um es sich auf der Beifahrerseite gemütlich zu machen.

    Ich fahre rückwärts auf den Waldweg auf und dann sind wir unterwegs. Sachte lege ich ihm meine Hand auf den angespannten Oberschenkel. Nach einer guten Weile lässt er endlich locker. Noch einmal wischt er sich eine Träne aus dem Gesicht.

    „Jetzt ist aber mal gut! Oder ist außerdem noch etwas passiert?", jetzt doch verunsichert, sehe ich zu ihm rüber.

    Er schüttelt den Kopf. „Na, dann ist ja alles in bester Ordnung! Du hättest dabei sein sollen …!"

    Ich muss lachen, so kenne ich ihn gar nicht!

    „Hast du deinen Vater angerufen?" Erneut schüttelt er den Kopf.

    „Du könntest es jetzt tun, wir sind raus aus dem Funkloch."

    Wido räuspert sich. „Mach du das besser", ist alles, was er mit belegter Stimme heraus bekommt.

    „Ok, dann gib mir mal dein Handy." Er wählt zitternd Dustins Nummer und gibt es mir. Tut, tut.

    „Delshay"

    „Hey Opa Wondering Bear, meinen herzlichen Glückwunsch!"

    „Oh Boy, ist das Baby da?"

    „Oh ja, und wie! Dein Sohn steht völlig neben sich!" Ich höre einen Jubelschrei am anderen Ende der Verbindung.

    „Er freut sich", richte ich an Wido.

    „Als Wido geboren wurde, habe ich geheult, wie ein Schlosshund!"

    „Na, dann weiß ich ja, von wem er das hat! Dein Sohn sitzt neben mir und bekommt kaum ein Wort heraus. Wir sind auf dem Weg zum Krankenhaus, kommst du auch?"

    „Bin schon unterwegs, Honey. Ich steige gerade in meinen Wagen."

    „Das ist schön, bis gleich."

    „Wow, bis gleich!"

    Ich gebe Wido sein Handy zurück. Er grinst mich an.

    „Und Frithjof? Nun los, ruf ihn auch an. Weißt du die Nummer im Kopf?"

    Ich grinse zu ihm rüber, „wir haben unseren ganz persönlichen Funk! Das weißt du doch!"

    Ich schleiche mich in Frithjofs Kopf, wünsche ihm einen guten Morgen, umarme ihn in Gedanken und übertrage ihm die frohe Kunde. Mache deutlich, dass wir uns alle bei Marie im Krankenhaus treffen.

    „Schon geschehen!"

    „Und das funktioniert verlässlich?", er sieht mich kritisch an.

    „Ich kann dir mit Gewissheit sagen, das klappt auf der Lichtung besser als Mobilfunk. Auf so etwas sind wir beide zum Glück nicht angewiesen! Wenn er sich freimachen kann, wird er sich sofort auf den Weg machen."

    Langsam lasse ich den Wagen auf den Parkplatz des Krankenhauses rollen. Ich sehe zu Wido rüber: „Du siehst besser aus."

    Er atmet tief durch und nickt mir zu. Gemeinsam betreten wir das große Gebäude.

    „Seid ihr jetzt eigentlich ein Paar? Wido sieht mich fragend an, während der Aufzug uns ein paar Stockwerke weiter nach oben befördert, „ich meine, so richtig.

    Ich rolle mit den Augen, denn mir ist klar, was nun schon wieder kommen muss.

    „So was in der Art, kritisch schaue ich in seine Augen, mir schießt Widos Blick im Türrahmen meiner Hütte durch den Kopf, „warum, du hast es dir doch jetzt nicht noch einmal überlegt?

    Mein Gegenüber reißt die Augen auf: „Oh nein, versteh mich bitte nicht falsch! Es ist nur so … Du bist so viel allein. Viel zu allein. Ich mache mir ein wenig Gedanken um dich."

    „Mir geht es gut. Frithjof hat einen ausgiebigen Arbeitstag, und die Wochenenden sind seine Hauptarbeitstage … Also habe ich meinen nötigen Freiraum", ich sehe zu ihm hoch, wie konnte ich nur annehmen, dass er doch gerne mit mir …?

    „Und ansonsten ist er wirklich häufig bei mir. Manchmal kommt er auch noch ganz spät, wenn das Lokal geschlossen ist, zu mir. Also, mach dir keine Sorgen, alles bestens."

    „Er ist der Richtige. Du solltest ihm endlich grünes Licht geben.

    Nicht nur zwischendurch, weißt du."

    Ich sehe ihn fragend an.

    „Ich habe dir doch gerade erzählt, dass er mich häufig besucht." Wido versucht mich mit seinen beinahe schwarzen Augen zu durchdringen, so wie er es vermutlich von Frithjof abgeguckt hat.

    „Und du ihn?"

    „Pff, du redest Unsinn, mein Freund, ich schüttele meinen Kopf, „außerdem, seit wann beauftragt er dich, mich zu bearbeiten?

    „Oh nein, er hat nichts damit zu tun! Ich erkenne nur, dass dir etwas fehlt, dass dir jemand fehlt! Und wer, das liegt auf der Hand. Du solltest euch beide sehen, wenn ihr in ein und demselben Raum seid. Nur aus diesem Grund habe ich mich von dir getrennt, weil Frithjof der Richtige für dich ist. Und ich bitte dich, in deinem Sinne, mach endlich einen Schritt auf ihn zu. Keine Zwischendurchbeziehung mehr."

    „Dass du immer meinst, du wüsstest genau, was für mich das Beste ist!" Ich schüttele erneut meinen Kopf, bin aber dennoch gerührt. Wido hat sich schon, seit ich ihn kenne, mehr Gedanken um mich gemacht, als ich selbst.

    Er sieht mich streng an: „Bis jetzt lag ich doch meistens richtig, oder?"

    Die Fahrstuhltür öffnet sich.

    „Komm Otrun", Wido legt seinen Arm um meine Schulter und wir betreten den Krankenhausflur der Entbindungsstation. Vor Maries Tür bleiben wir einen kurzen Moment stehen. Von drinnen hören wir leises Babygeschrei.

    Wir klopfen sachte an, Marie bemerkt uns nicht. Wir klopfen lauter.

    „Ja", schallt es gestresst zu uns.

    Wido öffnet die Tür.

    „Sie trinkt nicht richtig und schreit jetzt schon wieder!" Schnell durchquere ich den Raum und nehme erst mal Marie in den Arm.

    Sie atmet merklich durch.

    „Wie geht es dir?"

    „Ich bin glücklich, aber wir müssen erst mal lernen, einander zu verstehen", sie blickt auf das schreiende Bündel, hält inne und reicht es mir.

    Als die Kleine in meinem Arm liegt, herrscht Ruhe. Beinahe schreit die Stille im Raum. Es fühlt sich an, als würde das Baby mich aufmerksam betrachten, obwohl ich genau weiß, dass es das noch nicht kann. Einen befremdlichen Augenblick lang passiert gar nichts.

    „Wer frisst dir eigentlich nicht sofort aus der Hand?", durchbricht Wido mit gedämpfter Stimme die Stille, während er Marie in seinem Arm hält.

    Ich zucke nur mit den Schultern: „Mir fallen da einige Leute ein, aber ich gebe zu, es ist in den letzten Jahren wesentlich besser geworden."

    Wir drei genießen den ruhigen Augenblick, denn keiner kann mit Bestimmtheit sagen, wie lange er andauern wird. Ich betrachte das kleine Gesichtchen. Es ist noch etwas rot vom Schreien, noch ein wenig verknautscht. In regelmäßigen Abständen holt es tief und ruckartig Luft. Ganz langsam schließen sich die Augen, bis nur noch eines einen kleinen Schlitz behält. Ab und an öffnet er sich, um dann wieder schmal zu werden.

    Ich halte Marie ihre Tochter hin, doch sie wehrt ab: „Hast du sie gefragt?"

    Wido schüttelt den Kopf: „Nein, noch nicht."

    Nun sieht er mich mit großen Augen an: „Wir beide würden uns freuen, wenn du ihre Patentante sein möchtest."

    Ich sehe auf das schlafende Kind.

    „Das würde ich gerne, wirklich, aber die Kirche wird mich nicht akzeptieren. Ich bin nicht mal getauft."

    „Dann sei bitte so etwas, wie ihre Patentante. Uns beide würdest du sehr glücklich machen", ergreift Marie das Wort.

    „Es ist mir eine Ehre. Ich werde sie unglaublich verwöhnen, das ist euch ja wohl klar, oder?" Ich sehe in zwei strahlende Gesichter.

    „Ehm… Wir haben noch keinen Namen für sie. Wir dachten uns, dir fällt bestimmt einer ein", Wido sieht mich verschmitzt an.

    Ich schüttele meinen Kopf: „Ihr hattet doch alle Zeit der Welt … hm", ich halte das kleine Gesichtchen an meine Wange, schließe die Augen.

    Ganz langsam wird mir klar, was für einen Menschen ich hier in meinem Arm halte. Ich durchforste mein Hirn nach dem geeigneten Namen. Es verstreichen Augenblicke. Nichts. Ich ändere meine Taktik. Überlege nicht. Lasse uns beiden Zeit. Mit der Kleinen im Arm, gehe ich zum Fenster und lasse meine Augen und Sinne in den Wolken ruhen. Die träge Bewegung am Himmel hilft mir, alles im Raum zu vergessen. Ein leises Schnaufen an meinem Ohr. Ein tiefer Atemzug aus einer winzigen Lunge und ich sehe wieder auf und drehe mich zu meinen Freunden, wie sie Arm in Arm auf dem Bett auf eine Regung von mir warten.

    „Seid ihr mit Maya einverstanden? Maya Delshay?"

    Wido kullert die nächste Träne über die Wange.

    „Maya ist wunderschön", sagt Marie.

    „Marie und Maya", sagt Wido gedankenverloren vor sich hin.

    „Maya und Wido", Marie lächelt ihrem Mann zu, küsst ihn auf die Wange.

    „Na dann, Maya", sachte streiche ich dem Kind über das zarte Gesichtchen.

    Es öffnet seine Augen und sieht mich ruhig an. Ich gehe zu den Beiden rüber.

    Lächelnd gebe ich es in Maries Arme: „Vielleicht trinkt sie jetzt, wo sie noch so ruhig ist."

    Marie schenkt mir ihrerseits ein Lächeln und legt das Baby an. Die Kleine beginnt sofort zu saugen. Ich stehe auf und gehe zum Fenster.

    Ein zaghaftes Klopfen an der Tür. Ich sehe nach, wer da ist.

    „Hallo Dustin, lass dich drücken."

    Er erwidert meine Umarmung, dann sieht er sich neugierig im Zimmer um. Sein Blick bleibt auf der stillenden Mutter mit ihrem Baby haften.

    Auf leisen Sohlen geht er auf die kleine Familie zu. Wido erhebt sich sachte und lässt sich von seinem Vater umarmen.

    Gebannt sehen wir zu dritt zu, wie der Säugling an Maries Brust trinkt.

    So klein, so zart. So ein junges Leben ist unfassbar! Geht es mir durch den Sinn.

    „Ich glaube, Maya muss jetzt ein Bäuerchen machen", holt Marie uns aus unseren Gedanken.

    „Dustin, magst du die Kleine nehmen?", fragt Marie.

    Dustin blickt auf, als hätte ihn jemand gebissen! Etwas ängstlich nimmt er das kleine Mädchen und legt es an seine Schulter. Jetzt sehe ich, dass auch er feuchte Augen hat. Ich schüttele meinen Kopf, muss aber dennoch grinsen. Opa Wondering Bear! Er wird ein toller Opa sein, da bin ich mir sicher.

    Erneutes Klopfen.

    „Ja", sage ich möglichst leise, um das Kind nicht aus seinem Frieden zu reißen. Frithjof steckt neugierig seinen Kopf zur Tür herein.

    „Bin ich hier richtig? Es ist so still, ich dachte beinahe, ich wäre zu spät! Alle schon weg!"

    In dem Moment schafft Maya ihr Bäuerchen. Klein und entzückend. Alle lachen, bemüht leise zu sein. Dustin setzt sich auf die Bettkante und hält die Kleine vor sich. Betrachtet sein Enkelkind.

    Maya macht eine Schnute, verzieht das Gesicht holt ein paar tiefere Atemzüge und schreit dann los. Dustin steht sofort wieder auf, legt sie erneut an seine Schulter. Sanft schaukelt er sie hin und her, doch es hilft nichts, die Kleine schreit. Schnell reicht er sie Wido. Der gibt sie wiederum an Marie weiter. Die beiden sehen mich an. Ich sehe zu Frithjof rüber.

    Der begreift sofort und streckt seine Hände nach Maya aus.

    „Versuch du dein Glück", sagt Marie und gibt sie ihm.

    Er hält das schreiende Bündel vor sein Gesicht, während es zackige Strampelbewegungen in der Luft macht. Das Köpfchen ist in seinen Händen gestützt, die Daumen unter Mayas Armen.

    „Na wer wird denn so einen Lärm machen", sagt er und grinst das Kindchen breit an.

    Auf der Stelle ist Ruhe. Er nimmt die Kleine in die Armbeuge und betrachtet sie eingehend.

    „Die ist ziemlich niedlich, oder?", er schaut in die Runde und nestelt an seiner Anzughose.

    „Ich habe leider nur eins, das müsst ihr euch teilen."

    Frech reicht er Vater und Sohn ein Stofftaschentuch und zwinkert mir zu.

    „Ich habe selber eins", sagt Dustin und sucht die Tasche seiner Jeans ab.

    Wido nimmt das Tuch mit einem Schmunzeln entgegen und tupft sich sein Gesicht ab.

    Er sieht mich an: „Es hilft tatsächlich."

    „Klar, sage ich, „Stoff hilft besser als Papier. Aber nur, wenn es von ihm kommt, ich zeige lässig mit meinem Daumen auf Frithjof.

    Der legt seinen freien Arm um mich und zieht mich zu sich ran. Grenzenloses Wohlbehagen überfällt mich. Kurz überdenke ich Widos Worte von vorhin, sehe uns als kleine Familie, verwerfe diesen Gedanken aber sofort wieder.

    „Leider habe ich nicht viel Zeit. Ich muss gleich zum Dienst, vorher würde ich aber gern noch etwas essen, habt ihr Lust mitzukommen?"

    Frithjof schaut in die Runde: „Hier im Haus gibt es bestimmt eine Kantine."

    Wido winkt ab: „Glaub mir einfach, das da unten ist nichts für dich."

    Dabei macht er ein begeisterungsloses Gesicht.

    „Gut, wo wollen wir was essen? Irgendwelche Vorschläge?"

    Wido sieht ihn frech an: „Wie wäre es, wenn du uns bei dir ein leckeres Rührei servierst?"

    „Das war mir irgendwie klar, ist aber kein Problem, ich habe genug Eier im Haus. Marie, ist es in Ordnung, wenn ich die hier alle für ein Stündchen entführe?"

    Marie nickt: „Fahrt nur. Ich bekomme auch gleich etwas und dann werde ich mich ein wenig ausruhen."

    Verdächtiges Geklapper ist schon am Flur zu vernehmen. Wido beugt sich zu Marie und verabschiedet sich kurz. Wir winken zum Gruß, dann ziehen wir gemeinsam los, um Frithjofs Kühlschrank von den Eiern zu befreien.

    Kapitel 2

    „Ich war lange nicht hier bei dir. Es sieht immer noch so provisorisch aus, ich blicke mich um, in einer Ecke stehen ein paar Stapel Bücher auf dem Boden. Gegenüber ein weißer, klappbarer Stoffschrank, der Reißverschluss steht offen, die „Tür baumelt davor. Im Inneren hängen ein paar baugleiche schwarze Anzüge und weiße Hemden. Darunter sind T-Shirts und Unterwäsche ordentlich gestapelt und nach Farben sortiert.

    Nicht schlecht, denke ich mir … Das schmale Bett wurde vor dem Verlassen der Wohnung, zur Couch umgebaut. Die Küchenecke strahlt penibel sauber und aufgeräumt.

    „Die Hoffnung, dass es ein Provisorium ist, habe ich noch nicht aufgegeben", Frithjof sieht mich ernst an.

    Wido und Dustin stehen mit verschränkten Armen nebeneinander und betrachten mich bedeutungsvoll.

    Ich fühle mich irgendwie ertappt und frage in die Runde: „Hat jemand Lust auf Rührei?"

    Frithjof dreht sich zur Küchenzeile und öffnet kopfschüttelnd den Kühlschrank.

    „Ich habe hier noch Schinken, was dagegen, wenn ich ihn mit hineingebe?"

    „Ganz bestimmt nicht, äußert Wido, „ich hole schnell vom Bäcker um die Ecke frisches Brot dazu. Hell oder dunkel?

    Dustin spitzt seine Lippen. Es scheint eine schwierige Entscheidung zu sein. Vernunft oder schlechtes Gewissen.

    „Hell", sagt er.

    Ok, das schlechte Gewissen kann nicht so schlimm sein. Ich grinse vor mich hin. Wido verschwindet durch die Wohnungstür.

    Dustin steht immer noch so da und mustert mich.

    „Was hast du denn?", frage ich ihn vielleicht eine Spur zu aggressiv.

    „Nichts, sagt er und wendet sich Frithjof zu. „Kann ich schon mal den Tisch decken?

    „Ja sicher, schau hier oben ist alles, was du brauchst", dabei öffnet Frithjof einen Hängeschrank.

    Ich gehe Dustin zur Hand. Sein kritischer Blick streift mich.

    „Die Kleine geht mir nicht aus dem Sinn, meint Frithjof und sieht kurz zu uns rüber, „so winzig und schon ein solches Organ! Dustin, du musst sehr stolz sein. Wirklich niedlich, die Kleine.

    Dustins Gesicht hellt sich auf. Im Geist bedanke ich mich bei Frithjof. Der grinst sich eins, die Nachricht ist also angekommen.

    „Wäre das nicht auch was für dich, Otrun?", stichelt er rum.

    Muss das nun wirklich sein?

    Ich atme tief durch: „Nun, du warst ja dabei, als Wido abgelehnt hat, oder?"

    „Och, ich wüsste eine Alternative."

    „Ich nicht! Außerdem bin ich noch nicht soweit", sage ich in dem Bewusstsein, dass das alles heißen kann.

    Wir müssen das nicht vor Dustin besprechen! Denke ich mir an Frithjof gewandt.

    Der grinst noch breiter, während die Eier in der Pfanne brutzeln.

    Die Klingel schrillt und ich öffne die Tür. Wido kommt mit einem Arm voll Brot herein.

    „Hmm, es riecht schon wunderbar."

    „Gleich ist das Essen fertig. Setzt euch schon mal hin."

    Wir nehmen Platz und Frithjof verteilt das Rührei. Ganz nebenbei hat er noch einen Tomatensalat gezaubert. Zufriedene Mienen am Tisch.

    Dustin blickt nach dem ersten Bissen auf: „Wow, das ist kein normales Rührei, oder?"

    Wido grinst: „Doch Papa, er kann`s einfach etwas besser, als andere."

    „Ah ja, ich verstehe", nickt Dustin versonnen.

    Ganz unvermittelt äußert er: „Ich muss ständig an Siegrun denken. Sie fehlt mir so sehr."

    Alle blicken auf.

    Ich lege meine Hand auf seinen Arm: „Uns allen, Wondering Bear.

    Aber es geht ihr gut, glaub mir. Und sie hat stets ein Auge auf dich", ich lächele ihn an.

    Dustin besucht mich jeden Abend auf der Lichtung, dennoch kann ich diese Lücke nicht auffüllen.

    Mir geht ein Gedanke durch den Kopf: „Vielleicht kann ich dich mitnehmen, wenn ich mich mit meinen Ahnen treffe."

    In seinem Blick spiegeln sich freudige und zugleich ängstliche Erwartung.

    „Ich werde sie fragen. Sie haben eine Menge Tricks und Kniffe auf Lager", versuche ich es möglichst locker rüber zu bringen.

    „Das würdest du tun?"

    „Wenn du dich nicht fürchtest."

    „Doch, aber probiere es trotzdem", seine Augen nehmen einen fiebrigen Glanz an. Frithjof sieht skeptisch zu mir rüber.

    Es wird schon gut werden, sie war die letzten Jahre Dustins Lebenskraft! Es wird ihm gut tun, sie zu sehen.

    Frithjof kneift leicht die Augen zusammen: Und all die anderen, werden sie ihn nicht erschrecken? Nicht, dass du ihm den Rest gibst, und er, als Verwirrter die Lichtung verlässt!

    Ich halte den Gedanken nicht für abwegig. An mein erstes Mal erinnere ich mich sehr gut!

    Nun, so grauenerregend sind sie auch wieder nicht.

    Sie haben schon mal eine ziemlich spezielle Art, Otrun. Ich nicke ihm zu.

    Stimmt, ich werde sie vorbereiten und zusehen, dass wir uns das eine Mal nur mit Siegrun treffen. Sollen die anderen sich zurückhalten! Das wird schon gehen.

    Frithjof nickt und lächelt mich nachdenklich an.

    „Na, fertig mit Lästern?!" Wido sieht uns gespielt ärgerlich an.

    „Ja Wido, du bist leider nicht so gut davon gekommen, aber das macht dir hoffentlich nichts aus", ich lasse meine Augenbrauen tanzen und lache dabei, während ich mit meiner

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