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Ich werde nie heiraten!: Liebesbriefe an Marie Luise
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Ich werde nie heiraten!: Liebesbriefe an Marie Luise
Ebook290 pages6 hours

Ich werde nie heiraten!: Liebesbriefe an Marie Luise

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Salomo Friedlaender/Mynona, bekannt als beißender Satiriker und unbeugsamer Verfechter seiner heliozentralen Philososphie - aber als Verfasser von Liebesbriefen? Von Liebesbriefen, wie sie im digitalen Zeitalter kaum noch denkbar sind. Liebesbriefe über ein ganzes Leben hinweg an eine einzige Frau. Die Briefe sind komplett und ungekürzt abgedruckt. Der Philosoph offenbart sich als zärtlicher Liebhaber, der seiner Geliebten und späteren Frau die Grundsätze seiner Philosophie als Lebenshilfe anbietet. Die Briefausgabe ist nicht nur ein Zeitzeugnis, mit den unvorstellbaren Problemen des Exils, sondern auch der üblichen Eheprobleme.
LanguageDeutsch
Release dateSep 18, 2014
ISBN9783735769268
Ich werde nie heiraten!: Liebesbriefe an Marie Luise

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    Ich werde nie heiraten! - Salomo Friedlaender

    Salomo Friedlaender/Mynona an Marie Luise (1908-1943)

    Halensee den 12.ten Juni 1908.

    Mein Herzliebes, mit Deinen heutigen Zeilen ist mir eine große Last von der Seele genommen. Aber, Kind, auch ohne Appetit mußt Du, wenn Du diese Zeilen bekommst, sofort etwas Nahrhaftes essen. Ich bin Dir immer, immer so gut! Ich danke Dir tief für Deine Hingebung. Du bist in krankhafter Weise viel zu sehr „Seele": vielleicht ist es ganz gut für Dich, einmal mehr als Leib behandelt zu werden? – – Aber essen, mein Fräulein, mein Liebes, Täubchen. Ich habe tüchtig gearbeitet, Niemand hat mich besucht, ich bin immer allein.

    Ich war bis zu Thränen krank am Mitgefühl für Dich. Wie kommt das? Du warst so sehr bleich, als wir uns verabschiedeten. Am Abend erwartet[e] ich Dich, es thut mir sehr weh, daß ich Dich aus momentaner Nervosität abgeschreckt hatte. Na, dann arbeitete ich bis zum Morgen. Samstag Nachmittag bin ich frei: willst Du kommen? Von 5 Uhr an bin ich auch nächste Woche die ersten Tage frei. Ich hoffe, Dich zu sehen. Beste Erholung! Bleibe gesund! Sei fröhlich! Sei auf mich nicht böse, Du bist mein Liebes.

    Von Herzen gern

    Dein F..

    Halensee den 29.sten Juni 1908.

    Mein Herz, Du hast keine Vorstellung davon, wie wenig Zeit ich habe. Für Brief und Karte meinen empfundensten Dank! Ein paar Nadelstiche kriege ich doch immer von meiner Zarten, nicht wahr? Na, sonst wär’ es ja auch zu sehr Himmel auf Erden, geliebtes Kismet. Vergiß nie, daß ich unglücklich bin, daß wir es Alle sind, auch wenn wir selbst es vergessen. Liebe hat man nie zu bereuen, Haß immer. – Gieb mir Deinen Kindermund – so!

    Dein F..

    Halensee Johann Georgstraße 7;

    den 29.sten August 1908.

    Meine liebe Lise!

    Nach Deiner Handschrift zu urteilen, hast Du Dich verändert, es fällt mir auf. Ich habe mich sehr über Deinen Brief gefreut, würde Dir auch schon geschrieben haben, ich wußte nur nicht, ob Du überhaupt nachfragen würdest; meine eilige Karte hast Du wohl erhalten? Ein Verwandter ist auf etwa 14 Tage hier, daher wenig Zeit. Gewisse Dinge sollte man kaum toten Flundern, geschweige lebenden Menschen zumuten. Sage doch: Du bist „um meinetwillen" fortgegangen? Du bist noch wenig Psychologin, wenn Du glaubst, es gäbe Gründe für Handlungen: Diese Gründe gehören ja zur Handlung, in die Handlung mit hinein. Man hat Freiheit, sich andre Gründe in die Handlung hinein einzubilden; davon solltest Du besseren Gebrauch machen! Zum Leben und Handeln gehört ein außerordentlich gutes Gewissen, liebes Kind. Die Sittenprediger, d. h. die vielen Prediger bestimmter, am liebsten recht zahmer Sitten stellen den Hergang auf den Kopf. Sie sagen: „das Gewissen wird gut, wenn Du das und das thust". Ich sage: umgekehrt: die Handlung wird gut, wenn Dein Gewissen dabei gut ist und bleibt. Nicht gewisse Handlungen sind zu fliehen, wenn das Leben gelingen, glücken, befriedigen soll; sondern gewisse krankhafte, feige Stimmungen des Gewissens. Handlungen sind ganz gleichgültig, schauerlich gleichgültig! Ein Mord ist aus dem selben Stoffe wie die edelste That. Wer tief blickt, sieht ein, daß auch die edelsten Thaten Verbrechen sind, welche mit bestem Gewissen begangen werden. Der Unterschied zwischen Gut und Böse liegt nicht in der Handlung – das ist der allgemeine Irrtum! –: er liegt im Gewissen der That! Ein Schiff, dessen Maschine („Gewissen"!) stark ist, geht ruhig durch alle Wellen aller Meere. Der Mensch mit starkem Herzen kann so durch alle Thaten schreiten, ohne ihr Spielball zu werden. Du hast zum Verkehre mit mir nicht genug gutes Gewissen? Du bist krank, zart und schwach. Dein Gewissen ist viel zarter und feiner als meines, aber lange nicht so kräftig. Ich hoffe sehr viel von der salzhaltigen Seeluft für die Stärkung Deines Gemütes. Es wäre schade für mich, wenn ich Dich nicht wiedersehen dürfte. Und falls Du es nicht über das Herz bringst, mich aufzusuchen, will ich stark genug sein, mir auch daraus gewisse Freuden zu bereiten. – Lebe wohl! Anbei der Prospekt meiner nächstens erscheinenden Gedichte. Bitte nicht bestellen! Ich schenke sie Dir dann. – Es küßt Dich, mein gutes Kind, sehr

    Dein Siegfried.

    [13. Oktober 1908]

    Kismet

    Berlin

    Lagernd Postamt 17..

    Mein liebes Kismet,

    ich habe sehr lebhaft den Eindruck, daß es Dir gar nicht recht ist mit unserm Wiedersehen, daß Du mich nur neckst: in Heringsdorf hast Du Dir meine Schreiben gar nicht abgeholt. Fahre so fort, wenn es Dir Spaß macht: ich bin (Sonntags nie!) von 8-10 abends zu sprechen; bitte vorher anmelden. –

    Besten Gruß!

    Friedlaender..

    [1909/1910]

    Montag Nacht

    Mein süßes, süßes Freundchen Lise!

    Ich bete Dich an – oh nimm eine momentane durch plötzliche Ermüdung eintretende Überreiztheit keinen Moment lang ernst!! Lise, ich bin elend einsam verlassen ohne Dich, Du Liebliche, Beleidigte. Ach, küsse mich, sonst werde ich nicht ruhig. Heute Dinstag Vormittag bitte bitte komm zu Deinem armen Mann, ja? Großer Gott, daß gerade gegen die liebendste Seele man so vergessen und unbeherrscht sein kann. Aber merkst Du nicht, mein kleines Mädchen, daß ich eine Krise durchmache: körperlich, im Umgang, im Produziren, Lieben. Rette mich durch Dich, durch Deine Nähe. Daß Du weggehst, das macht mich immer so elend auch gegen Dich. In unsterblicher Sehnsucht, Bangigkeit und Durst nach Deiner unaussprechlichen Süße

    Dein Dich tausendfach küssender S.

    o. D. [vor 12. September 1911]

    Kratze nur, mein liebes Kätzchen, wenn Du dazwischen auch ein wenig streichelst. Ich küsse die guten Hände, die mir schreiben. Deine Briefe sind viel ehrlicher zu mir als Du selbst – insofern ersetzen sie Dich so ziemlich. Hätte ich Zeit, so wollte ich (wie stets leider!) meine Macht mißbrauchen und zum Wiedersehen Dich zwingen. Aber ich bin angekettet, und Du hast gute Weile zum Spotten. Schwingelchen, Du drolliges Herz! Lebe sehr wohl, mein Kind! –

    Dein F..

    o. D. [vor 12. September 1911]

    Sonntag Nacht im Gedanken an Dich.

    Ach meine Liebe, was ist unsere Liebe, wenn sie einem gelegentlichen Anfall übler Laune, kranker Nerven nicht sofort siegreich widersteht. Ich liebe Dich doch so sehr, Lise, und kann Dich nie entbehren. Verzeihe mir also von Herzen meine Rohheit, so wie ich sie von Herzen bereue. Schreibe mir recht bald, Du Gute, daß es Dir wohl geht. Ich schlief als Du weg warst noch bis ½ 10 Uhr abends!! Dann ging ich mit Melnik, Abendbrot essen. Dann in’s Café, wo ich den Rüst sprach: Und Du? Nicht wahr, mein lieber Engel, Du bist spätestens nächsten Sonnabend bei mir, bis gegen 12. Sonst triffst Du mich bestimmt ½ 9 abends täglich zu Haus; so weit ich es vorhersehe. Ich habe Dir mein Wort gegeben, daß Du niemals wieder mit mir eine solche schlimme Erfahrung machen wirst: ich weiß, wie tief sie scheint und wie flach sie ist: nichts als der leichte Verdruß eines Menschen, der sich zu sehr verwöhnt hat. Ich küsse Dich, meine geliebte Lise, so zärtlich, wie Du es weißt. Meine Einzige! Ich trinke Dich in mich hinein, Du bist mein Labsal in Gedanken und gegenwärtig. Sei recht gut, liebend & geduldig mit Deinem Dich innig verehrenden

    F..

    o. D. [vor 12. September 1911]

    Mein liebes Engelsmädchen!

    Ich schwöre Dir, daß ich Dich grenzenlos liebe, und alles Andere ist Unsinn. Glaube mir das und sei gut zu mir und bleibe gesund für mich. Innigen Dank für alle Deine Mühewaltung; wo ich hinsehe, finde ich die Spuren Deiner Sorgsamkeit. Heute traf ich im Haus meine Aufwärterin, ließ die Balkonfenster reinigen, und dann kam der Tapezir; den Feldstuhl bringt er erst Sonnabend. Als ich gestern Abend, meine geliebte Lise, Dich verließ, traf ich auf Deiner Brücke Herrn & Frau Dr. Heinrich, wir gingen in eine Konditorei und nachher noch in deren Wohnung, tranken Thee. Dann ging ich nach Haus, packte den Koffer aus und legte mich schlafen. Heute 4-5 suchte mich meine alte Wirtin (Topflappenstrickerin) auf, sie verläßt Berlin.

    Lischen Schwinghoff – niemals vergiß, daß ich Dich bis tief ins Herz hinein liebe und nur Deine Hülfe brauche, um ein besserer Mensch zu werden und Dir nicht so viel Schande zu machen. Jetzt ist mir so sehnsüchtig bange nach Dir, Du süße beste Lise! Komme doch ein wenig zu Deinem Dich abgöttisch verehrenden und auf Deine geliebten Lippen küssenden

    S.

    Und schreibe, wie es dem Lischen geht!

    o. D. [vor 12. September 1911]

    Meine liebste und allerbeste Lise!

    Weißt Du, wer jetzt das ganze Herz voller Dankbarkeit gegen Dich hat? Ich! Noch heute ganz berauscht. Es war so sehr schön, daß alles sonst Häßliche in Schönheit ertrank. Ich möchte solch einen Kuß erfinden, das ganze Lischen auf ein Mal zu bedecken.

    Verzeihe meine Dummheit! Ich wünsche jetzt erst recht, ein Bildnis zu haben, damit das Lischen immer bei mir bleibt; bitte, eine Widmung zu schreiben. Sei mir ein bischen gut, Kindchen; dafür werde ich Dir sehr gut sein. Wie geht es? Ich sehne mich nach Nachricht über Dein Befinden? Quälst Du Dich? Atmest Du, mein Herzchen? Schicke mir ein paar Haare Deines goldenen Hauptes! Was hast Du bei Deiner Schwester erlebt? Vergiß ja nicht, daß das Leben ein Badeort ist; sehr wichtig! Wann kommst Du? Hier bei mir flüstert Alles von Lischen, am meisten die impertinente Badewanne. Ist Lischens Strumpf noch weiter nach unten gerutscht? Mein Seelchen! Töchterchen! Güte! Gieb mir mal Dein Mündchen zum Versiegeln. Ich streichle Deine Wangen. Auf Wiedersehen!

    In Verehrung tief ergeben

    Dein Freund..

    P. S.: Sei mütterlich!!

    o. D. [vor 12. September 1911]

    Hier schick’ ich meiner lieben Lise, die mich wieder allein gelassen hat, ein paar Dinge zur Ernährung ihres starken Geistes und ihres schwachen Fleisches. Mein Kind, ich weiß wohl, wenn Du wegbleibst, ist es kein böser Wille – nicht wahr? Wie könntest Du gegen mich, der für Dich den besten Willen zu haben strebt, böswillig sein? Ich wiederhole Dir, guter Engel, das Leben ist keine Wasser-und Milch-, sondern Blutsuppe, welche, wenn man nicht ekel ist, Kraft und Duft giebt. Was Du erlebt hast ist sehr schmerzlich und hat mich sehr und lange ergriffen; aber ohne Verzweiflung niemals Entzücken. Aus unseren Schmerzen wächst langsam, aber sicher die Blume der Freude. Wir werden zu unserer Seligkeit hingequält, und Seligkeit ohne ihre Dornenwege wäre faul. Ich wünsche Dir solche Freude an Dir wie ich sie an Dir habe. Du bist ja ein kühner Ludwig, liebste Lise, halte das Herz wieder hoch, es fällt selbst viel lieber in den Himmel als in die Hosen. Lebe wohl! Auf Wiedersehen! Ich küsse Dich durch und durch bis in Dein Knochenmark. Du weißt, ich liebe die Wollust, und das bist Du für

    Deinen naturgetreuen

    Friedlaender.

    Halensee Johann Georgstr. 7

    6 Juli 1909.

    Teures Rosenblättchen!

    Sonnabend Sonnabend! Bis 10! Tralala! Er hat sich sehr über Deinen Brief gefreut. Nähnadel bitte mitbringen. Ich liebe Dich. Das änderst Du auch durch Deine manchmalige Garstigkeit gar nicht. Du bist ein sehr vernünftiges dummes Mädchen und gehörst mir, das freut mich teuflisch!! Jedenfalls achte auf Deine Ernährung – Liebe allein ist nicht nahrhaft.. Plappere nicht solchen Unsinn, sei doch lieber einfach freundlich und zärtlich. Der Tod setzt überall seinen Dämpfer auf das Leben. Du mußt leiser wünschen. Etwas von der Kälte des Leichnams muß schon der Lebendige haben; ich küsse Deine Hand: möge sie lange warm und mir gut bleiben, Lise! Ich weiß sehr wenig von Dir und will nicht mehr wissen, sonst werde ich zu sentimental. Ich heiße nicht Siegfried sondern Salomo (= Friedrich) (siehe Adreßbuch!)..

    Als welcher ich verbleibe

    Dein Guter..

    Halensee Johann Georgstr. 7

    18 September 1909. (Sonnabend Nacht).

    Mein geliebtes Kismet!

    Heut kam Deine Karte aus Osten – der gute Engel, auch dort an mich zu denken! Seit drei Wochen habe ich Dich nicht gesehen. Heute wärest Du eigentlich bei mir gewesen. Du glaubst gar nicht, liebe Lise, wie wehleidig ich bin, wenn ich an Dich denke; und wenn ich Dein Bild ansehe, kommen mir die Thränen; ich bin ein altes Weib. Aber Dich unglücklich zu wissen, ohne etwas zu Deiner Ermutigung thun zu können, ist mir schmerzlich. Denn, liebe Lise, der Mut ist doch das Beste: besser als Glück und Unglück, besser selbst als Gut und Böse. Ohne Mut werden Glück und Güte falsch; mit Mut adelt man sogar Unglück, ja Unehre und Schlechtigkeit. –

    Schreibe mir, Liebe, was Du vorhast? Ich bin schon auf Schlimmes gefaßt. Versuche doch, ob ich ein Freund sein kann! Wann werde ich Dich bestimmt wiedersehen? Manchmal weiß ich ganz genau, daß Du in Gedanken bei mir bist. Bin ich nicht sehr verliebt in das entzückende Fräulein L. Schwinghoff? Läßt sie sich küssen?

    In Liebe auf Wiedersehen, teurer Engel!

    Immer Dein S..

    13 Oktober 1909.

    Elisabeth mein Engel!

    Also schön, sei Sonntag um spätestens ½ 9 bei mir; ich gehe dann zu L.’s. –

    Dein Brief ist entzückend! Ein wahrer Nachtigallensang, hat mir wahrhaft wohlgethan & mir bei meiner Arbeit sehr mitgeholfen. Bitte sei lieber Sonnabend bei mir, damit wir die Gedichte lesen; selbst wenn die Natur natürlich sein sollte! Meine liebe Elisabeth, wenn ich ein Spötter bin, bin ich es doch vor Allem gegen mich – und aus Freude. Soll man denn nicht darüber lächeln, wie aus den Roh[h]eiten des Menschen so viel Feines & noch aus seiner besten Verfeinerung das wildeste Thier hervorspricht? Ich glaube, gerade ein harmonischer Mensch kann sich eine lächelnde Musik darausmachen. Vollkommenheit & Reinheit sind niemals bloß ernst und feierlich, sie sind wie ich lange noch nicht, immer zugleich von so seligem Hohn auf sich selber. – Wir suchen uns ein Bild von mir für Dich aus, Tochter! Wenn ich eine Frau wäre, würde ich mich eines guten Mannes wert zu machen suchen; so wie Du, meine Tochter! Bitte nicht lachen; oder doch? Und ich bleibe dabei: Der Schmerz – und wenn ich über ihn herzzerreißend schrie! – bleibt eine saure, noch giftherbe Knospe der Freude, die so wonnig ist wie er peinlich gewesen war. Überhaupt, was macht die Wahrheit aus Spruch und Widerspruch? Eine Schaukel! Keinen Zank! Was ich klug finde, findest Du, weil Du mein so dummer Liebling bist, einfach auch dumm. Aber die Wahrheit reimt Klugheit auf Dummheit und lacht. Ich danke Dir mit meinem dummen Mund auf Deinem klugen für Deine lieben Worte & bin in alle Ewigkeit Dein Dir guter & treuer

    Friedlaender..

    21 Dezember 1909.

    Meine sehr liebe Lise!

    Ich danke Dir für Dein liebliches Geplauder, das mir Deine Nähe einigermaßen ersetzen muß. Dein Haarkämmlein liegt seit einigen Nächten immer neben mir Schlafendem auf dem Nachttischchen, ich habe wirklich einmal so schwer & schlimm von Dir geträumt, daß ich weinend aufwachte! Ich träumte, Du wärest tot. Nein, mein Engel, überlebe lieber Deinen Teufel, sonst stirbt er doppelt, es bleibt Niemand zurück, der sich viel daraus machte; so ist es gesund: wo kämen wir hin, wenn wir Alle an einander stürben?

    Ich bin Dir nie böse, aber es ist traurig, daß ich Dich zuweilen so lange nicht sehe! Ich habe mich erst heute leidlich erholt; am Sonnabend & am Sonntag bin ich doppelt allein gewesen, es war mir fast bis zum körperlichen Schmerz fühlbar, wie sehr ich Dich vermisse. Du wolltest mich um etwas bitten! Strafe mich nicht länger durch Verschweigung & rätselhafte Andeutungen, Du neckischer Kobold. Und mit „Blättlein wenden" – pfui! Komme was kommt, offen. Du mußt mir ins Gesicht sagen, ja schreien, daß & ob & wann Du – was der Himmel verhüte! – jemand Andern statt meiner ... Dich kann ich nicht teilen, ich liebe Dich leider viel zu sehr; ich mache mir aus den reizenden Mädchen, wenn Du mir auf dem Spiele stehst, blutwenig; das mußt Du lernen, wenn es Dir auch schwer fallen wird, bei mir Schein von Wesen zu trennen. Du bist mein Wesen, das Andre ist leerer Schein. – Die Hand Deiner Herrin lastet so schwer auf Dir, armes Kind, daß ich nicht hoffe, Dich wiederzukriegen. Oh Lise, Du mußt kommen: Kant, Kamm & Goethe, aber ich auch, wir Alle athmen nur für Dich. Eigentlich bin ich so ein eingefleischter Einsiedler, aber ohne Dich halte ich es nicht lange aus – hörst Du? Kuß aufs Ohrchen: einen „bleischweren" Kuß dem ganzen Lischen, dem ich gute Tage & ein frohes Herz wünsche. –

    Dein Rosinen-Sali.. (zu gesund!!)

    Heute ist mein Buch an den Verleger abgegangen – bete für mich!!

    [o. D.]

    Montag Nacht.

    Mein kleines Lisel, geliebtes Mädelchen!

    Ich möchte Dir doch gern Guten Morgen sagen und daß ich Dich liebe, jetzt mehr als je. Von dem Gefühl, daß ich Dich liebe, mußt Du durchdrungen sein; dann wirst Du unter meinen Unarten nicht leiden. Diese zusammen mit Dir verlebte Zeit war so schön, daß mir heute Nacht sehnsüchtig zu Mute ist; ich sehe Dein weißes Deckchen draußen auf dem Balkon und das grünrote im Zimmer und bin glücklich und traurig zugleich. Bis Mittwoch bin ich allein. Wenn Du nur die Zwischenzeit benutztest, um recht ruhig, heiter und gesund zu bleiben, meine geliebteste gute Hausfrau! Mein Lisen-Spazir-Freund! Mein zarteres und besseres Ich! – Ohne Dich, mein Engel, ist mir Alles Grau in Grau. Ich werde auch lernen, meine Launen in Deiner Gegenwart zu beherrschen. Dich zu verletzen, schmerzt mich selbst viel zu sehr, Engel. Du warst entzückend alle diese Tage. Könnte ich Dir nur materiell beistehen! Bleib gesund und vergiß niemals, daß ich Dich liebe und sei gut zu mir. – Ewig in Liebe Dir gehörend

    Dein S.

    Kuß!

    [o. D.]

    Freitag Nachmittag 6.

    Mein guter Engel Lise!

    Kaum warst Du von mir weg, da überfiel mich eine tiefe Schwermut, die ich loszuwerden hoffe, wenn ich Dir gleich schreibe. In Deinem tiefsten Innern mußt Du fühlen, daß ich Dir unendlich gut bin – alle meine Polterei, Knurrerei und noch Schlimmeres kommen gar nicht gegen die Freude auf, die ich immer an Deinem Atmen, Dasein, an Deiner lieblichen Gegenwart, Du gutes Geschöpf! empfinde. Ich würde die Wollust Gottes fühlen, wenn ich Dir auch nur so beistehen könnte wie ein schlichter Ehemann. Ich habe vor Dir Ehrfurcht – und immer bist Du mein verletzter, wunder Engel. Ich lasse Dich zu oft allein. Alles in meinem Leben außer der Liebe, die ich zu Dir fühle, ist Lüge. Und wenn ich Dir einbilde, ich liebe Dich nicht, betrüge ich mich nur selbst. Sei froher! Atme! Dank für Deinen

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