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Frieden durch Dialog: Also sprach Zarathustra
Frieden durch Dialog: Also sprach Zarathustra
Frieden durch Dialog: Also sprach Zarathustra
Ebook445 pages4 hours

Frieden durch Dialog: Also sprach Zarathustra

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About this ebook

Kein Frieden in der Welt ohne Frieden unter den Religionen. Kein Frieden unter den Religionen ohne Überwindung der Rechthaberei und des Dogmatismus. Kein Frieden in der Welt ohne Frieden unter den Menschen.

>Ohne Nord-Süddialog, ohne Beseitigung der Armut im Süden, kann der Weltfrieden nicht auf die Dauer gesichert sein< Willy Brandt.

>Das Problem der Weltordnung ist nicht der Terrorismus, sondern die Vielfalt dessen, was ihn verursacht: Die Gleichgültigkeit derer, die ihn verhindern könnten< Ernesto Che Guevara.
LanguageDeutsch
Release dateMar 11, 2015
ISBN9783738688986
Frieden durch Dialog: Also sprach Zarathustra
Author

H. Ardjah

Prof. Dr. med. H. Ardjah, geboren in Teheran. Studium der Medizin und Philosophie in Deutschland. Autor zahlreicher Publikationen.

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    Frieden durch Dialog - H. Ardjah

    Erster Akt

    Erste Szene

    Der Mensch auf der Bühne seiner Geschichte

    Persepolis, Xerxes Saal. Das Bühnenbild begnügt sich mit hoch aufragenden Säulen um die breite Treppe stehend, die zu einer Terrasse hinaufführt. In der Mitte der Bühne das brennende Feuer, umgeben von langen Marmorbänken.

    Es ist Spätnachmittag. Zarathustra im Ornat eines zoroastrischen Oberpriesters schreitet in Gedanken versunken die Treppe empor. Der Sonnenuntergang hinter den Säulen erzeugt eine melancholische Stimmung. Musik: 2. Satz von den Hinterweltlern, Richard Strauss.

    Zarathustra:

    Horcht! Ahura Mazda spricht!

    Da, als ich den Mithra, der weite Triften hat,

    erschuf, da machte ich ihn, o Spitāma Zarathustra,

    gleich verehrungswürdig, gleich preiswürdig,

    wie mich selbst, Ahura Mazda.

    Das ganze Land vernichtet

    der Mithrabetrügende Männerbündler, o Zarathustra,

    wie hundert Zauberer,

    soviel schlägt er die Gerechten.

    Mithra sollst du nicht schlagen, o Zarathustra,

    weder den du von dem Glaubensfeinde (gefordert hast),

    noch den du von dem Gerechten der

    eigenen Religion gefordert hast.

    Denn Mithra gehört beiden,

    sowohl dem Glaubensfeinde wie dem Gerechten.

    […]

    Den fürwahr der Dorfherr des Dorfes

    mit ausgebreiteten Händen zu Hilfe ruft!

    Den fürwahr der Hausherr des Hauses

    mit ausgebreiteten Händen zu Hilfe ruft.

    Zarathustra setzt sich auf eine Bank und versinkt wieder in Gedanken.

    Plötzlich schlau:

    Homo modernicus ich höre dich! Du brichst in Klagen aus? Was bekümmert dich? Ist es eine Reue? Bist du im Hamsterrad deiner Zivilisation verzweifelt und verkümmert? Kriege, Hungersnot und Elend! Du stolperst von einer Katastrophe in die nächste. Kann es sein, dass du den Sinn deines Daseins durch List und den Zweck deiner Existenz durch Tricks ersetzt hast? Wie lange noch muss die Mutter Erde mit dem Blut ihrer eigenen Kinder getränkt werden? Mancher will aus eigenen Interessen und hegemonialen Phantasien die Welt mit Eroberungssucht ändern? Menschenskind, hast du aus deiner Geschichte nichts gelernt? Wohin willst du? Du bist schon in der Hölle. Eine Pause. Die Ehrfurcht vor dem Leben steht im Schatten der Entwicklung der >modernen< Gesellschaft. Der Steinzeitmensch hatte es verhältnismäßig leicht gehabt >human< zu sein. Er kannte die Begriffe Ethik und Moral nicht, aber er lebte nicht unmoralisch.

    Wozu so viel Lärm um deine autistische Modernität. Eine Zeit, in der die Mehrheit der Menschen immer noch primitiv dahin vegetiert und eine Minderheit, privilegiert mit allen Tricks gewaschen, versucht ihre >moderne Welt<, die Industriewelt zu verteidigen und mit Krieg und Gewalt die Dritte Welt in Schach zu halten. Warum so viel Katastrophen aus menschlicher Hand? Muss Chaos ein Grundsatz deiner Existenz sein? Mit deiner seelenlosen Modernität hast du deinen Mythos erschüttert. Geh! Geh! Raube mir nicht die Kraft der Transzendenz! Geh, dass ich mich sammle, deine Welt, und dich zuerst vergesse!

    Die Sonne ist inzwischen untergegangen. Die Beleuchtung wechselt. Zarathustra zündet drei Kerzen an, jede in einem hohen Leuchter aus Bronze, die symbolisch an seine drei Grundsätze erinnern: Einer als Sinnbild für Gute Gedanken (Afkare Chub), der zweite für Gute Worte (Goftare Chub) und der dritte für Gute Taten (Kerdare Chub).

    Vertieft in Transzendenz, zaubert er seine illustren Gäste her.

    Nach einer Weile reckt er den Kopf, als ob er sie kommen hört.

    Zarathustra lächelt:

    So wird es wohl sein.

    Plötzlich spricht er mit entschiedenem Tonfall:

    Morgen werde ich jenen Willen haben, der mir fehlt den Weltfrieden herbeizuführen.

    Schweigen

    Ein mystischer Monolog verkündet:

    Als Zarathustra dreißig Jahre alt war, verließ er seine Heimat und den See seiner Heimat und ging in das Gebirge. Hier genoss er seinen Geist und seine Einsamkeit und wurde dessen zehn Jahre nicht müde. Endlich aber verwandelte sich sein Herz, und eines Morgens stand er mit der Morgenröte auf, trat vor die Sonne hin und sprach ihr also:

    >Du großes Gestirn! Was wäre dein Glück, wenn du nicht die hättest, welchen du leuchtest!

    Zehn Jahre kamst du hier herauf zu meiner Höhle: du würdest deines Lichtes und dieses Weges satt geworden sein, ohne mich meinen Adler und meine Schlange.

    Aber wir warten deiner an jedem Morgen, nahmen dir deinen Überfluss ab und segneten dich dafür.

    Siehe! Ich bin meiner Weisheit überdrüssig, wie die Biene, die des Honigs zu viel gesammelt hat, ich bedarf der Hände, die sich ausstrecken.

    Ich möchte verschenken und austheilen, bis die Weisen unter den Menschen wieder einmal ihrer Thorheit und die Armen wieder einmal ihres Reichtums froh geworden sind.

    Dazu muss ich in die Tiefe steigen: wie du des Abends thust, wenn du hinter das Meer gehst und noch der Unterwelt Licht bringst, du überreiches Gestirn!

    Ich muss, gleich dir, untergehen, wie die Menschen es nennen, zu denen ich hinab will.

    So segne mich denn, du ruhiges Auge, das ohne Neid auch ein allzu großes Glück sehen kann!

    Segne den Becher, welcher überfließen will, dass das Wasser golden aus ihm fließe und überallhin den Abglanz deiner Wonne trage!

    Siehe! Dieser Becher will wieder leer werden, und Zarathustra will wieder Mensch werden<.

    Also begann Zarathustras Untergang.

    Erster Akt

    Zweite Szene

    Mitten auf der Bühne brennt das Feuer, Kerzen flackern. Der Duft von Weihrauch vermischt sich mit der abendlichen Wüstenbrise. Zarathustra ist erfreut über die Ankunft seiner Gäste.

    Abraham, umgeben von Moses, Jesus und Mohammed, ihnen voran Buddha, treten vergnügt in den Xerxes-Saal ein. Mit Wehmut und freudiger Gestik bilden sie einen Kreis um Zarathustra – rührende Begrüßungsszene. Dann begeben sie sich zu den Bänken um das brennende Feuer.

    Musik: Von der großen Sehnsucht – Richard Strauss

    Zarathustra streckt die Arme und heißt seine Gäste willkommen.

    Das Bühnenbild stellt den Anbruch des Abends dar, worin sich die mit Sternen übersättigte Milchstraße am Horizont mit der Erde zu verschmelzen scheint.

    Zarathustra schenkt jedem in einen Becher (ein Rhytom mit der Protome eines Flügellöwen) etwas Wein ein. Wein von roten Trauben aus Shiraz. Ein sehr alter Wein, der schon beim Eingießen den erweckenden Duft von Beerenmost und Kirschen verbreitet.

    In einer Hand einen Becher, in der anderen die Harfe, begibt sich Zarathustra zuerst zu Mohammed, dem jüngsten Propheten. Schaut ihn an und lächelt, dann singt er heiter:

    In der Absicht, zu bereuen,

    sage ich heute in der Frühe;

    Ich will den Koran befragen!

    Doch der Frühling kam,

    der die Reu´ zerschlägt, -

    welcher Ausweg bleibt mir nun?

    Soll ich die Wahrheit sagen:

    Ich kann nicht erlauben, dass

    meine Feinde sich am Wein berauschen,

    indes ich vor Durst vergehe!

    Mohammed mit Respekt:

    Unantastbar bleibt allein die Redlichkeit Zarathustras. Liebe jeden, auch den Feind, lass dich berauschen von Zarathustras Wein: Wir hören und tun‘s.

    Zarathustra setzt seine Gedanken mit Versen von Hafez fort:

    Ich bin nur ein armer Gast der Schenke,

    aber seht nur: bin ich trunken,

    muss der Himmel um mich werben,

    kann den Sternen ich gebieten!

    Ich, der sich nicht lösen kann

    von dem Bissen, der mich nährt:

    Soll die Wissenden ich tadeln,

    die zu zechen lieben?

    Hafez ward es müde,

    länger heimlich Wein zu trinken;

    und beim Klang von Flöte und Harfe

    will ich das Geheimnis kundtun.

    Mohammed:

    O wir Propheten!

    Zauberer sind unter uns,

    die auf arme Seelen tricksen.

    Zarathustra:

    So spricht jeder Heilige, der sich von der Schuld des anderen reinwaschen will!

    Mohammed dessen Gesichtszüge sich verhärten:

    Die Tugenden, die Zarathustra vorzieht, sind entweder Tugenden des Verdienstes oder bloß der Schuldigkeit oder der Unschuld.

    Zarathustra:

    Wir dachten übel voneinander? ...

    Wir waren uns zu fern.

    Aber nun, in dieser vereinsamten Ruine,

    angepflockt an ein Schicksal,

    wie sollten wir noch uns feind sein?

    Man muss sich schon lieben,

    wenn man sich nicht entlaufen kann.

    Er streicht wieder über die Saiten und wendet sich an Abraham:

    O gütiger Abraham, ich sehe Toleranz und Zuversicht in deinen Augen. Wir sind gefangen in unseren Begierden!

    Abraham:

    Gelobt sei der Homo sapiens, der Mensch mit allen seinen guten Taten. Schweigen. Dieser Satz hallt wie ein Donner im stillen Raum.

    Zarathustra etwas hinterlistig:

    Was ist mit seinen Untaten? Der Mensch ist gott- und glaubenslos. Der Mensch hungert nach Kenntnissen, gelangt aber zu keiner spirituellen Erkenntnis, dass ihm die Moral abhanden gekommen ist.

    Moses:

    Wo kommt die Erkenntnis her, wenn nicht durch fromme Gedanken und biblische Moral?

    Zarathustra nicht überrascht:

    Die Nähe eines frommen Mannes, welch ein Glück! Er winkt vertraulich zu Moses: Das bedeutet aber nicht, dass wir die angeblich göttlichen Normen der Bibel ungeprüft schlucken! Der Ursprung unserer Erkenntnisse wird von Vorgängen geprägt, die wir als Vorbedingung aller geistigen Entwicklungen unserer Objektivität benötigen: Wir empfangen bestimmte Vorstellungen, durch die Rezeptivität unserer Eindrücke. All unsere Erkenntnis fängt mit Erfahrung an; denn wodurch sollte das Erkenntnisvermögen sonst zur Ausübung erweckt werden. Gegenstände, Raum und Zeit müssen wir durch sinnliche Eindrücke erfahren und zu einer Erkenntnis verarbeiten.

    Moses neigt sich leicht:

    Mein Gott, die Seele, die du mir gegeben hast, ist rein. Mit einer Handbewegung macht er die Anwesenden auf eine Tafel mit zehn Ziffern in seiner linken Hand aufmerksam: Ich bin der Herr, dein Gott, der ich dich aus dem Ägyptenland, aus der Knechtschaft, geführt hat. Moses lässt seinen Blick durch den Raum schweifen: Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.

    Mohammed:

    Reinheit als Werkzeug für die Wahrheitsfindung soll eines der großen Anliegen unserer Philosophie sein.

    Buddha blickt neugierig und kritisch nach links und rechts, dann zu Moses, Jesus und Mohammed und wendet sich zu Abraham in der Mitte.

    Buddha lächelt:

    Der Mensch ignoriert das Wesentliche: die spirituelle Entwicklung seines Geistes. Er spielt Gott! Habt ihr Angelus Silesius gehört? Kennt ihn jemand? Er hat so recht und gescheit gesprochen:

    Mensch werde wesentlich!

    Denn wenn die Zeit vergeht,

    Dann fällt der Zufall weg,

    Das Wesen, das besteht.

    Abraham blickt ihn voller Anerkennung an:

    Kaum sind wir zusammen, schon weisen wir die Menschen in Schranken! Hafez ist sanft und mutiger; wir sind so egozentrisch und rechthaberisch:

    Verdammt nicht gleich den Anderen.

    Übet Milde.

    Verzeiht. Entschuldigt.

    Denkt an eigene Schuld.

    Wenn jeder alles von dem Anderen wüsste,

    Es würde jeder gern und leicht vergeben,

    Es gäbe keinen Stolz mehr, keinen Hochmut.

    Zarathustra:

    Die Geschichte erzählt uns mal larmoyant, mal liebevoll leidenschaftlich und in ihr wird allzu oft wie notwendig vermengt: Wer den besseren Gott zu vertreten hat. Die einen Frommen streiten viel um Glauben und Erkenntnis, die Atheisten grübeln tief nach Wissen und Erkenntnis. So wird es gehen, bis einmal der Ruf sie schreckt: Ihr müsst die Grenzen des sinnlich Erfahrbaren überschreiten, um ohne Anrufung Gottes den Weg zu sich selbst zu finden, zu unbeschwerter Transzendenz. Also eine Religion ohne Gott! Nun, fragt man sich: an was können wir glauben? Wir können an die Metaphysik oder an den Menschen als Teil der Schöpfung oder noch mehr an die Liebe glauben; ja, an die Liebe sollen wir glauben. Denn nicht glauben ist einfach, und die Existenz Gottes beweisen wollen, ist eine Unsicherheit, aber keine Gewissheit. Der Gegenstand der Religion ist bei uns allen: Gott und nichts als Gott. Dieses >Nichts< drückt vielleicht die Negativität Gottes aus, dass er sich jeder positiven Bestimmung entzieht? Oder ist der Buddhismus eine negative Theologie? Gott wird als Nichts, als Wesen gefasst, könnte doch als unmittelbarer Mensch verstanden und damit ein jeder Mensch gemeint sein. Könnte dies die Wahrheit sein? Wie steht es mit seinem Sohn?

    Zarathustra mit neugierigem Blick auf Jesus:

    Ist er ein jeder Mensch?

    Jesus neugierig:

    Die Wahrheit? Was ist sie? Suchen wir sie?

    Zarathustra streicht über die Saiten und singt:

    Sucht jemand die Wahrheit? Will irgendeiner wissen, was und wo sie ist? Die Wahrheit ist der moderne Mensch mit all seinen Torheiten. Kurzes Schweigen. Wissen wir von unseren Torheiten? Ach, meine Freunde der Irrtümer und Torheiten, wie hätte ich mir gerne eine andere Miene aufgesetzt und Theologentracht getragen!

    Eine Stimme aus dem Off:

    Dann müsstest du fürchten Zarathustra als Dieb verklagt zu werden, da es aussieht, als hättest du verstohlen die Bücherschränke unserer Herrn Magistri geplündert, wenn man soviel Theologisches bei dir entdeckte!

    Zarathustra nicht überrascht:

    Und doch, mein lieber Erasmus von Rotterdam, es ist nicht ver wunderlich, wenn ich mir in meinem langen intimen Zusammensein mit diesen Herrn Theologen – er wirft einen Blick in die Runde – mir dies und jenes angeeignet hätte; denn auch Priap, der Gott aus Feigenholz, hat aus dem Munde seines lesenden Herrn ein paar griechische Wörter aufgeschnappt und behalten, und der Hahn, von dem Lucian berichtet, hat dank seines langen Aufenthaltes unter den Menschen ihre Sprache fließend gesprochen.

    Erasmus, als wäre er gegenwärtig:

    Doch lasst uns zur Sache kommen; möge ein guter Stern über uns walten. Nun mein liebster >Z<, lass Salomo und Jeremias predigen und sich ihrer Papageiensprache mächtig sein, ich bleibe dabei: Besser ist der Mann unter euch, der seine Torheit verbirgt, als der Mann, der seine Weisheit verbirgt. Darum schämte sich König Salomo dieses Namens nicht, wenn er im dreißigsten Kapitel sagt: >Ich bin der Allertörichste<. Und Paulus, der große Heidenlehrer steht zu seinem Torennamen: >Ich rede töricht; ich bin es mehr als sie<. Seid weise und fürchtet eure Torheiten nicht!

    Die Stimme erlischt.

    Zarathustra mit einem Lächeln setzt seine Gedanken fort:

    Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! Meine Freunde, hier ist meine Heimat, hier ist ein friedliches Zusammenleben mit Freiheit, Demokratie und Frieden auf der Basis einer 5000jährigen Kulturgeschichte praktiziert worden, bevor es uns Propheten und mit uns die Despoten gegeben hat! Ich selbst war als Zeitzeuge um 600 vor unserem Jesus und predigte die Lehre Avesta. Die Philosophie der Religionen Zoroastrismus und Buddhismus ist die simpelste und unorthodoxeste Lehre, die jemals verkündet worden ist, ohne die Autorität einer Offenbarung in Anspruch zu nehmen. So kann ich wie auch Buddha den Gott zerreißen im Menschen.

    Buddha gelassen:

    O meine Brüder! Lacht euch frei, zerlacht alle eure Torheiten. O Lebens Abend! Feierliche Zeit! Macht euch auf die dunkle Nacht bereit. So lacht mir wie Zarathustra euren strengen Gott weg! Selbst Christus wählte das Lachen als Mittel des Kreuzes und die beschränkten, denkfaulen Apostel: Ohne Unterlass predigt er ihnen die Torheit, warnt er sie vor der puren Weisheit… Torheiten erhellen die Gedanken und zerstreuen den Heiligenschein am Hinterkopf. Wie sollte man derlei wissen, wenn man nicht seine sechsunddreißig Jahre über der Physik und Metaphysik des Aristoteles und des Scotus abgesessen hat? Die Erleuchtung ist ein Erwachen zum Alltäglichen; zu uns selbst. Hinweg von dunklen Lehren von Aposteln und denen, die behaupten sie seien rein!

    Moses:

    Der Ewige herrscht in alle Ewigkeit! Schweigen. Erleuchtet oder nicht, die Menschen müssen aus der Unwissenheit geführt werden, sie brauchen klare Grundsätze. Er weist wieder auf seine Tafel und spricht: Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist: Bete sie nicht an und diene ihnen nicht!

    Moses schaut Buddha und Zarathustra an, dann mit einer Geste:

    Versteht jemand diese meine Worte?

    Zarathustra mit Liebenswürdigkeit, denn wegen seiner Bewunderung für

    Abraham und Moses will er vom Pfad der Eloquenz nicht weichen:

    Das Wasser und den Gott will ich verehren,

    den Frieden und den vollkommenen Sieg, und

    den Nutzen, in beider Hinsicht.

    […]

    Ihn verehrte der Schöpfer Ahura Mazda

    […]

    Und er gab ihm diese Gnadengabe,

    der übermächtige Vayu,

    dass er dies erreichte,

    der Schöpfer Ahura Mazda.

    Mit ihm überschreite ich alle Grenzen des sinnlich Erfahrbaren. In Transzendenz finde ich zu Ahura Mazda, dem Schöpfer der Metaphysik. Das Herz soll nach nichts streben, nicht nach Gott, auch nicht nach Propheten. Das Streben verfehlt den Weg zum >Eigentlichen<, zur Wahrheit.

    Er überlegt, dann ruft er nachträglich aus:

    Religiöse Fragen stellten sich in jener Zeit nur dann und wann, weil die Menschen trotz Ehrgeiz und Fleiß keinen geistigen und moralischen Halt fanden. Der Glaube an mehrere Götter war eher mythologisch als philosophisch. Mit einem Opfer hier und Gaben dort als Zeichen der Ehrfurcht vor dem unbekannten Allmächtigen, wurden sie beruhigt und befreit von Ängsten vor Unheil und Katastrophen. Buddha lässt keine Anrufung Gottes zu. Er kennt weder die göttliche Innerlichkeit, in die sich die Anrufung versenken könnte, noch die menschliche Innerlichkeit, die einer Anrufung Gottes bedürfte. Ich stimme ihm zu.

    Buddha:

    Der Zen-Meister Yunmen erzählte seinen Schülern über mich: >Unmittelbar nach seiner Geburt wies Buddha mit der einen Hand gegen den Himmel und mit der anderen zur Erde, ging sieben Schritte in einem Kreis, blickte in alle vier Himmelsrichtungen und sagte: >Im Himmel und auf Erden bin ich der einzig Verehrte<. Er hat Recht, wenn er wahrhaftig spricht. Nicht nach meiner Geburt, nach meiner Erleuchtung wurde ich der Mensch, der verehrt werden soll. Ich war frei von jeglichem Anrufungstrieb. Mir war jener >unmittelbare Trieb<, jene >Sehnsucht<, jener >Instinkt des Geistes< fremd, der die Konkretion oder Konzentration Gottes >in der Gestalt eines wirklichen Menschen< forderte. Ich war der ehrwürdige Mensch, einer von vielen. Ein jeder Mensch. Meister Yunmen war aber im Unrecht, wenn er sagte: >Hätte ich das damals miterlebt, so hätte ich ihn mit einem Stockhieb niedergestreckt und ihn den Hunden zum Fraß vorgeworfen – ein hehres Unterfangen für den Frieden auf Erden<.

    Lieber Meister Yunmen bevor du anfängst feindselige Handlungen zu begehen, stifte deiner Seele Frieden, verstehe mich und meine Gedanken recht: In der menschlichen Gestalt Gottes sähe der Mensch sich selbst. Er gefiele sich in Gott. Der Buddhismus ist dagegen nicht narzistisch, meine Gedanken sind frei von Egoismus. Deine und meine Gedanken sind die Gleichen: Der Zen-Buddhismus wendet die buddhistische Religion auf unmissverständliche Weise in die Immanenz: >Weit aufgeräumt. Nichts Heiliges<. Wie Linji betreibst du eine Destruktion des Heiligen. Einverstanden! Du weißt offenbar, wovon das Friedliche abhängt. Dies weiß ich auch! Von Erleuchtung!

    Zarathustra:

    Die friedliche Botschaft, darauf kommt es an. Dabei spielen leider weder die Offenbarung noch die Anrufung eine Rolle. Der Mensch ist von Natur aus friedlich, die Erziehung, die Gesellschaftsordnung, die soziokulturellen Bedingungen und vor allem die Angst vor Fremden machen ihn zu dem, was er heute ist.

    Mohammed liebäugelt mit Jesus, plötzlich ernst:

    Der Mensch ist verwirrt. Kurzes Nachdenken. Kann man sagen je kultivierter der Mensch, desto ignoranter, gieriger und hochmütiger ist er geworden?

    Jesus steht auf:

    Was heißt geworden? Seine Natur ist verdorben. Mein lieber Mohammed, er ist wie er ist – emotions- und herzlos! Der moderne und postmoderne Mensch, das schlechteste Beispiel seit der Homo sapiens begann aufrecht zu gehen. Seht ihr nicht wie die Erde das Blut ihrer eigenen Kinder trinkt? Der Narziss will immer mehr. Er ist ein Zauderer.

    Mohammed:

    Ein Zauderer im Hamsterrad! Jesus, Bruderherz, ich beobachte dich die ganze Zeit. Deine Augen verkünden keine Freude und Liebe mehr, die ich darin zu sehen gewohnt bin! Du zeigst auf ungewöhnliche Art deine Enttäuschung!

    Jesus etwas verunsichert. Nach kurzem Schweigen singt er:

    Traurig! Traurig! Mein Herz ist schwer, es gibt keine Liebe unter den Menschen mehr! Schweigen. Lasst euch nicht stören, was meine Augen sagen. Wenn ich meinen Blick verhüllt von Sorgen und Schmerz nicht verberge, so geschieht es nur, um die innere Unruhe in meinem Gemüt zu verbergen. Ich bin seit langer Zeit von streitenden Leidenschaften und von Gedanken heimgesucht, die mich mit der Frage plagen, ob ich das bin, was die Menschen aus mir gemacht haben. Bin ich so ein Egozentriker, dass die Christen alles auf mich beziehen und mit List und Gerissenheit einiger Egoisten zu ihrem Maskottchen, >Gottes Sohn< instrumentalisiert haben? Ein Monument aus irrealen Fantasien? Er singt leise vor sich hin: Mein Herz ist leer, es gibt keine Liebe unter den Menschen mehr.

    Mohammed:

    Ihre falsche Liebe, zum Teufel damit, eine Totengräberliebe. Nein! Jesus du bist kein Maskottchen, du bist der König und mit dir hält die Kirche ihre Gegner in Schach.

    Zarathustra spöttisch:

    Und wer hält dich und deine Kalifen in Schach? Wieder ernst: Wir vergegenwärtigen uns die Logik der Herren im Vatikan: sie instrumentalisieren den edlen Mann aus Nazareth; nennen ihn Gottessohn. Unter dem Joch einer totalitären Verordnung haben die Christen zu folgen. Vom Glauben ist keine Rede mehr. Auch Deine Kalifen stritten nicht gerade um Glauben, Frieden und den einzigen Gott, sondern um ihre Eroberungslust, also auch um Herrschaft und Macht, lieber Mohammed! Schweigen. Sag mir nun, bist du ein Feldmarschall mit dem Schwert oder ein Prediger mit Geist und Herz?

    Mohammed nicht überrascht, steht mit liebenswürdiger Geste auf:

    Halt, mein Allerliebster! Jetzt sprichst du von ernsten Dingen. Ja, ich gebe zu, ich sah ihn am Galgen gekreuzigt, nahm mein Schwert und schwor ihn zu rächen. Was Jesus wollte, wollte ich auch: Die Befreiung der Menschen von Unwissenheit.

    Zarathustra ein wenig neugierig:

    War es eine Liebes- oder eine Kriegserklärung? Wolltest du die Welt für dich oder für Jesus erobern? Schweigen. Dann warst du doch überrascht von der Macht des >Intelligence Service< des Vatikans!

    Mohammed:

    Ich wollte im Sinne Jesu handeln: nicht die Welt, sondern die Herzen der Menschen erobern!

    Zarathustra, besonnen:

    Nicht mit dem Schwert, mit der Liebe erobert man die Herzen.

    Jesus, auf seinem Gesicht liest man die Enttäuschung:

    Ich ernannte ein Dutzend meiner mit ihrer Gesinnung vertrauten Jünger zu Aposteln und wählte die Zahl Zwölf als Symbol für die zwölf Stämme Israels. Meine Botschaft lautete: Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!

    Zarathustra:

    Wie entstand eigentlich die christliche Kirche?

    Mohammed:

    Wenn man dem neuen Testament glauben darf, spielte sich zum Pfingstfest vor mehr als 2000 Jahren folgende Geschichte ab: Sieben Wochen nach dem Tod Jesu und zehn Tage nach seiner Himmelfahrt trafen sich in Jerusalem seine Getreuen. Eine ängstliche, mutlose Gruppe muss es gewesen sein, die sich in der Nähe des Tempels versammelte.

    Zarathustra:

    Wo waren die zwölf Apostel?

    Mohammed:

    Die zwölf Jünger, die Jesus seit der Taufe durch Johannes begleiteten, waren unter ihnen. Da erhob sich unerwartet ein Brausen vom Himmel her. Es regnete feurige Zungen, die auf die Köpfe der Jünger herabgingen. Und alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt. Sie fingen an in fremden Sprachen zu reden, in Persisch, Ägyptisch, Arabisch, Latein…

    Buddha:

    Waren sie berauscht vom süßen Wein?

    Mohammed:

    So dachten auch die Jerusalemer, und die Schaulustigen spotteten über die ekstatischen Missionsredner: >Die sind voll des süßen Weines<. Dann ergriff einer der Zwölf namens Petrus das Wort und hielt eine Predigt, die nicht nur das Häuflein der Jüngerinnen und Jünger beeindruckte, sondern auch eine größere Zahl herbeigelaufener Zuhörer. 3000 sollen es gewesen sein. Viele ließen sich auf der Stelle taufen. Damit soll das entstanden sein, was die Christen auf der ganzen Welt bis heute vereint: Die Kirche. Der Evangelist Lukas berichtet uns das in seiner Apostelgeschichte.

    Zarathustra:

    Sagst du uns auch, Mohammed, wer verbreitete die fantastische Geschichte von Leben, Tod und Auferstehung Jesu?

    Mohammed:

    Der Grieche Lukas schrieb vieles von dem auf, was er seinen Zeitgenossen entlocken konnte. Aber selbstverständlich bearbeitete er die Texte, ließ weg und ergänzte. Manchmal brachte er auch nur zu Papier, wie er sich vorstellte, dass es gewesen sein könnte oder müsste.

    Zarathustra:

    O wehe, schon ist alles sonnenklar! Und wer hat dir die Botschaft überbracht?

    Mohammed:

    Wie Lukas wusste, hatten dies auch schon andere getan. Die Texte von Markus und Matthäus, zwei andere Evangelisten, kannte er vermutlich. Auch diese beiden hatten erst Jahrzehnte nach dem Leben Jesu auf der Grundlage mündlicher Überlieferungen zum Federkiel gegriffen. Aber Lukas blieb es, der auch die Taten und Reisen der Jünger festhielt, die er, wie in seiner Muttersprache üblich, Apostel nannte: Gesandte, Boten.

    Zarathustra:

    Und welchen Eindruck machte dieser Lukas auf dich? Hat sich Pfingsten tatsächlich so abgespielt, wie er es beschrieb? Erscheinung des Heiligen Geistes am 50. Tag nach Ostern und Gründung der Kirche!

    Mohammed:

    Lukas war ein genialer Märchenerzähler. Seine zentrale Idee war:

    An Pfingsten, mehr als 30 Jahre vor der Zerstörung des Tempels, verwandelte sich ein Häuflein verzweifelter Juden in eine vielsprachige, dynamische Truppe von Missionaren und trug die Botschaft vom auferstandenen Christus, die Geschichte des Jesus von Nazareth, hinaus ins ganze Imperium Romanum.

    Jesus:

    So frage ich alle rings in diesem Kreis: Wer kennt diesen Lukas, den der ehrwürdige Mohammed meint, sei es hier in Persepolis, sei es auf dem Ölberg der Spekulationen? Die Zeit der Wahrhaftigkeit ist da, die alles offenbart.

    Zarathustra:

    Du kannst diesen Mann besser einschätzen, nach dem wir spähen; Ist er ein Schwätzer? Ist er ein Paranoider, der halluziniert?

    Mohammed:

    Er ist mehr, er inszeniert! Unter den Figuren der Lukas Geschichte, die zwölf Apostel, bekamen nur wenige Darsteller Hauptrollen. Simon Petrus, sein Bruder Andreas, Johannes, Jakobus I und II, Philippus, Bartholomäus, Thomas, Matthäus Levi, Thaddäus, Simon der Zelot und der für den Verräter Judas Iskariot nachgewählte Matthias bleiben ohne besondere Rolle. Groß rauskommen hingegen nur Simon Petrus, Johannes und der Bösewicht Judas. Wenn man will, hat noch Thomas der Zweifler eine Szene zu spielen, als er seine Hand in die Wunde Christi legen durfte. Von anderen weiß man nicht viel mehr als ihre Namen.

    Zarathustra:

    Die Wurzeln des Christentums sind nur zum Teil historisch nachvollziehbar, zum Teil mythisch wie die Sagen und Legenden von Odysseus und Achill. Nicht an Legenden, sondern an Ideen soll man glauben.

    Buddha:

    Scheinbar sind Frauen bei mythischen Geheimnissen empfindsamer. Maria Magdalena, die „Apostelin der Apostel", soll Jesus gefolgt sein, nachdem er ihr sieben Dämonen ausgetrieben hatte. Sie blieb bei ihm am Kreuz und war die Erste, die den Auferstandenen sah!

    Jesus:

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